OECD INTERNATIONALER MIGRATIONSAUSBLICK 2021 - Vorstellung der wichtigsten Erkenntnisse für die deutschsprachigen Länder Thomas Liebig
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OECD INTERNATIONALER MIGRATIONSAUSBLICK 2021 Vorstellung der wichtigsten Erkenntnisse für die deutschsprachigen Länder Thomas Liebig Leitender Ökonom Abteilung für internationale Migration Paris/Poppenhausen/Berlin, 28. Oktober 2021
Übersicht I. Trends in der internationalen Migration und in der Migrationspolitik II. Integration von Zuwanderern – mit Schwerpunktthema räumliche Segregation III. Wirkung der Migration auf Staatsfinanzen 2
In den deutschsprachigen Ländern ist die Zuwanderung pandemiebedingt stark zurückgegangen – aber weniger stark als anderswo Dauerhafte Zuwanderung in ausgewählte OECD Länder in Prozent der Gesamtbevölkerung, 2019-2020 2020 2019 % . 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 4
Dies hängt mit der überproportional grossen Bedeutung der EU-Binnenmigration zusammen Zuwanderung nach Migrationskategorien Arbeit Arbeit 12% 15% OECD Freizügigkeit EU Deutschland Familiennachzug 33% 2020 2020 16% Freizügigkeit EU Gesamt = 3,2 Mil. Gesamt = 458 600 66% Humanitäre & Familiennachzug Sonstige 37% 6% Sonstiges 6% Humanitäre Migration 9% Arbeit Arbeit 13% 14% OECD Freizügigkeit EU 2019 28% Familiennachzug Gesamt = 4,6 Deutschland 16% Mil. 2019 Freizügigkeit EU 58% Sonstiges Gesamt = 620 400 Familiennachzug Humanitäre 7% 42% Migration Humanitäre 12% Migration 9% Sonstiges 1% 5
Auch in 2021 blieben die Migrationsflüsse nach Deutschland bislang deutlich unter dem Vorkrisenniveau Anzahl der zugezogenen Nichtdeutschen im Vergleich zu 2019 (2019=100%) aus der EU aus Drittstaaten % 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 Januar März Mai Juli September November Januar März Mai Juli 2020 2021 Quelle: OECD Berechnungen mit Daten des Statistischen Bundesamts. 6
Ausblick Migration und Migrationspolitik • Die Asylzahlen des ersten Halbjahres 2021 weisen einen deutlichen Anstieg auf • Viele OECD-Länder haben Arbeitsmarktengpässe; die Arbeitsmigration rückt wieder zunehmend in den Fokus • Sondierung der Ampel-Koalition hat mehrere Ansätze zur Erweiterung der Möglichkeiten der Erwerbsmigration nach Deutschland Reform FEG (Abschaffung der international unüblichen Anerkennungserfordernis? Und was tritt an deren Stelle?) „Punktesystem“ (Zulassung auch ohne konkretes Arbeitsplatzangebot?) Erleichterungen für Pflegekräfte (ohne oder nur erleichtertes Anerkennungsverfahren? mit Familiennachzug und Daueraufenthalt?) 7
II. Trends in der Integration - mit Fokus auf die räumliche Segregation von Migranten 8
Die Pandemie hat nach Fortschritten die Arbeitsmarktintegration wieder zurückgeworfen – aber bislang weniger stark als befürchtet Beschäftigungsrate der Zuwanderer in ausgewählten OECD-Staaten, Q2 2009-2021 Deutschland Schweden Ver. Staaten Italien Frankreich Österreich Kanada 75 70 65 60 55 50 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 In Deutschland war der Beschäftigungsrückgang bei den Zuwanderern 9 4x stärker als bei den im Land Geborenen
In allen OECD-Ländern sind Einwanderer besonders häufig in den Städten - und dort in bestimmten Stadtteilen Zuwanderer unter der Bevölkerung im Erwerbsalter (15-64), nach Urbanisierungsgrad, in %, 2019 Städte Andere Gebiete % 50 40 30 20 10 0 Zuwanderung in Stadtteile mit hohem Zuwandereranteil ist kurzfristig mit besseren Arbeitsmarktchancen verbunden 10 – aber langfristig mit schlechteren Integrationsergebnissen
Eine deutsche Besonderheit: die höchsten Migrantenanteile sind nicht in den Millionenstädten Anteil von Zuwanderern in den 15 grössten deutschen Städten und in Deutschland insgesamt, 2019 % 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Quelle: OECD Berechnungen auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts (Sonderauswertung Mikrozensus 2019) 11
Die räumliche Segregation von Kindern von Zuwanderern in Schulen hat sich deutlich verstärkt Veränderung des Anteils der 15-jährigen Schüler mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil zwischen 2006 und 2018 in Schulen mit einem hohem Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund in anderen Schulen Prozentpunkte 35 30 25 20 15 10 5 0 PISA 2018. Schulen mit hohem Anteil: Quartil der Schulen mit dem höchsten Anteil an Kindern mit eingewanderten Eltern. 12
In keinem anderen Land ist die Benachteiligung von Kindern von Migranten so stark mit Mangel an Durchmischung verbunden wie in Deutschland Schulische Leistungen der im Inland geborenen Kinder von Zuwanderern in Schulen mit hohem Anteil dieser Schüler im Vergleich zu Schulen mit einem niedrigeren Anteil Rückstand Ohne Kontrollvariablen Mit Kontrollvariablen (Schuljahre) 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 PISA 2018. Kontrollvariablen: Alter, Geschlecht, Bildung der Mutter, Sprechen der Landessprache zu Hause. Schulen mit hohem Anteil: Quartil der Schulen mit dem höchsten Anteil an Kindern mit eingewanderten Eltern. 13 -1.5 bedeutet einen Rückstand von 1.5 Schuljahren.
Weitere Erkenntnisse und Ausblick Integrationspolitik • Die besonderen Problemstellungen der Stadtteile mit hohem Migrantenanteil bedürfen verstärkter Aufmerksamkeit • Da Zuwanderung in diese Stadtteile den Neuzuwanderern kurzfristige Vorteile bringt, sind die Wirkungen von Beschränkungen fraglich • Die nachhaltige Integration in diesen Stadtteilen braucht jedoch einen besonderen Schub: Schule, Sprachförderung, räumliche Mobilität und frauen- bzw. familienbezogene Ansätze • In der Integrationspolitik rückt die Integration zugewanderter Frauen zunehmend in den Fokus • Auch der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus nimmt eine zunehmend wichtige Stellung ein 14
III. Wirkung auf die Staatsfinanzen 15
Die Ergebnisse im Überblick Nettobeiträge der Zuwanderer zum öffentlichen Haushalt (in Euro bzw. CHF) (Staatseinnahmen nach Abzug der Ausgaben) I II III I II III absolut, in Mrd. pro Kopf 2018 78.3 56.4 12.5 5261 3788 839 Deutschland 2007 21.7 5.9 -20.4 1953 533 -1840 2018 9.1 5.7 0.6 5667 3552 351 Österreich 2007 4.3 2.3 -1.4 3717 1994 -1244 2018 25.8 21.1 9.6 11071 9085 4134 Schweiz 2007 15.8 12.5 4.8 9436 7453 2830 I. personenabhängige bzw. zurechenbare Beiträge (alle Steuern und Abgaben) und Staatsausgaben II. mit anteiligen weiteren Einnahmen und öffentlichen Ausgaben (Infrastruktur, Verwaltung, etc.) ohne «reine» öffentliche Güter (Militär, Schuldendienst, etc.) III. mit anteiliger Berücksichtigung «reiner» öffentlicher Güter 16
In allen drei deutschsprachigen Ländern war der Nettofiskalbeitrag der Zuwanderer vor Corona positiv – und sogar höher als bei den Nicht-Zuwanderern Verhältnis des Nettofiskalbeitrags von Zuwanderern und im Inland Geborenen, 2006 bis 2018 Hinweis: Der Nettofiskalbeitrag ist hier definiert als das Verhältnis aller anteiligen direkten und indirekten fiskalischen Beiträge (Steuern und Abgaben) über alle direkten und anteilige indirekten Ausgaben (inkl. Schuldendienst und Militär). Werte über 1 stellen einen positiven Totalbeitrag dar. 17
Die Wirkung der Zuwanderung auf die Staatsfinanzen hat sich vor allem in Deutschland im internationalen Vergleich erheblich verbessert Beitrag zur Finanzierung "purer öffentlicher Güter" Veränderung 2007-2018 in % des BIP 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 In absoluten Zahlen hat sich der Beitrag der Einwanderer in die öffentlichen Kassen seit 2007 in keinem Land besser entwickelt als in Deutschland: er betrug in 2018 fast 56 Mrd. Euro, ein Anstieg von fast 50 Mrd. Euro ggü. 2007 (inflationsbereinigt). 18
Schlussbemerkungen • Die positiven Entwicklungen im Bereich der Wirkung auf die Staatsfinanzen sind auf die verstärkte innereuropäische Zuwanderung und die deutlich bessere Arbeitsmarktintegration zurückzuführen • (Noch) bessere Arbeitsmarktintegration würde den positiven Beitrag weiter erhöhen – insbesondere bei den Frauen • Insgesamt wäre ein stärker familienbezogener Ansatz in der Integrationspolitik – gerade auch im Hinblick auf Quartiere mit hoher räumlicher Segregation - wünschbar 19
Für weitere Informationen www.oecd.org/migration Thomas.Liebig@oecd.org @liebig_thomas 20
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