OForum - Pro Bahn Schweiz
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Fo rum I n fo www.pro-bahn.ch Pro Bahn Schweiz • Pro Rail Suisse • Pro Bahn Svizzera Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs 1/14 Designskizze: SBB Quantensprung in Zürich Im Juni wird der erste Teil der Durchmesserlinie eröffnet Grosses Aufatmen nach der Annahme der FABI-Vorlage Schwerpunkt zur Durchmesserlinie Zürich ab Seite 3 Schwerpunkt 2/2011 InfoForum 1
Editorial Inhalt Durchmesserlinie Zürich Neue Kapazitäten unter der Erde................. 3-4 Der lange Weg zur Durchmesserlinie ........... 4-5 ZVV-Verkehrsplaner Dominik Brühwiler zu den 4. Teilergänzungen der S-Bahn..................6 Zürcher S-Bahn als Opfer ihres Erfolgs..............7 Höchste Ansprüche an die Bahntechnik....... 8-9 Wie es noch besser sein könnte............... 10-11 Kurt Schreiber Aktuell Präsident Das fabelhafte Ja zu FABI ...............................12 Pro Bahn Schweiz Ein öV-Lobby-Trio im Welschland....................13 Aufstieg und Fall des Depots Erstfeld..............14 Uri plant Kantonalbahnhof in Altdorf..............15 Südostbahn SOB im Gotthard-Fieber..............16 Wenn Billettautomaten überfordert sind........17 Langsam aber sicher D Entscheide in der Schweiz bräuchten sehr viel Zeit – so eine oft gehörte Feststellung, bei der auch leise Kritik über unser Staatssystem mitschwingt. Die Planung und Realisierung der Hoffnung für Ferrovia Mendrisio–Varese.........18 Zum Wort des Jahres: Stellwerkstörung..........19 Langes Warten auf neues SBB-Rollmaterial.....20 Durchmesserlinie in Zürich haben zwar fast zwei Jahrzehnte in Anspruch genommen. Aber Nicht alles ist golden am GoldenPass..............21 ab dem 15. Juni wird diese Linie befahren und ein weiteres Kapitel zur Erfolgsgeschichte der Zürcher S-Bahn – und später auch zu derjenigen des Fernverkehrs – hinzugefügt. Pro Bahn intern Auch die nationale Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz kann fortge- Präsidentenkonferenz in Erstfeld ....................22 schrieben werden: Dank einem kräftigen Ja zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahn- Umfrage zu Minibars in Zügen........................23 infrastruktur (FABI) durch das Schweizer Volk. Zum einen gehört hier ein herzliches „Dan- keschön“ für das Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr hin. Zum andern bedeutet es aber Frontbild: Der neue Bahnhof Löwenstrasse in auch die Verpflichtung, dass die Angebote so gestaltet werden, dass Bahn, Tram, Bus und Zürich (Designskizze: SBB) Schiff nach wie vor freiwillig und gerne benützt werden. Hier sind alle gefordert – Pro Bahn Schweiz gehört auch dazu. Impressum Lentement mais sûrement F InfoForum 1/2014, Versand: 13. März 2014 En Suisse, le processus de prise de décision est lent. Ce constat et une critique sous-jascente Herausgeber Pro Bahn Schweiz (PBS) du fonctionnement de nos institutions qui sont récurrents. Et pourtant, la planification Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs et la réalisation de la ligne diammétrale Altstetten – Zurich gare centrale – Oerlikon Postfach 2224, 8021 Zürich T 044 741 49 90, M 079 401 05 40 (Durchmesserlinie), et bien qu’elle aura duré près de deux décennies, pourra être inaugurée www.pro-bahn.ch, info@pro-bahn.ch Postkonto: 82-4920-4 le 15 juin prochain et compléter ainsi l’histoire à succès de la S-Bahn (RER zurichois) et à Redaktion terme, celle de l’extension du réseau ferroviaire national. Gerhard Lob (gl) cp 361, 6604 Locarno Le réseau national n’est pas en reste. Lui aussi a franchi un grand pas avec le «oui» massif T 091 752 38 29 du peuple au financement et aménagement de l’infrastructure ferroviaire (FAIF). Cela cescato.lob@ticino.com Mitarbeit Pro Bahn signifie qu’il faut dire un «grand merci» pour cette reconnaissance à l’égard des transports Jean-Pierre Baebi, Jens Bornand, Marcel Burlet, Edwin publics, mais cela suppose aussi que les offres devront être mises en oeuvres de telle sorte Dutler, Kurt Schreiber, Andreas Theiler, Kaspar P. Woker. Gastbeiträge: Dominik Brühwiler (ZVV), Paul Schneeberger que les usagers continueront à emprunter les divers trains, trams, bus et bateaux avec (NZZ) plaisir. Un défi qui s’adresse à tous – Pro Rail compris. Bilder Pressedienste, Redaktion, soweit nicht anders erwähnt Korrektorat Stefan Schweizer Inserate und Druck Rub Media AG Chi va piano va sano e va lontano I Seftigenstrasse 310, 3084 Wabern Postfach 6364, 3001 Bern Si sente spesso dire che in Svizzera i processi decisionali richiedono molto tempo, constata- T 031 380 14 95, F 031 380 14 91 zione che lascia trapelare una lieve critica al nostro sistema politico. Per la pianificazione e zeitschriftenverlag@rubmedia.ch Grafisches Konzept und Layout la realizzazione della linea di transito Altstetten – Zurigo HB – Oerlikon (Durchmesserlinie) mbDesign Marco Bernet, Konzept und Gestaltung ci sono voluti quasi vent’anni ma a partire dal 15 giugno di quest’anno questa tratta sarà Holderbachweg 24, 8046 Zürich T 044 362 76 77, M 079 472 35 62 attiva scrivendo così un nuovo capitolo della storia di successo della S-Bahn di Zurigo e in marco.bernet@bluewin.ch un secondo tempo anche per il traffico di lunga distanza. Auflage 2000 Exemplare, 4 x jährlich La storia di successo del trasporto pubblico in Svizzera può continuare, anche grazie alla ul- Mitgliedschaften tima votazione quando il popolo ha espresso un chiaro sì al finanziamento e all’ampliamen- Europäischer Fahrgastverband, Europäischer Verband für die Entwicklung des Schienenverkehrs to dell’infrastruttura ferroviaria (FAIF). Desideriamo esprimere qui il nostro ringraziamento Nächste Ausgaben a tutti coloro che si sono apertamente dichiarati a sostegno dei trasporti pubblici sottoline- InfoForum 2/2014 13. Juni 2014 ando la necessità di proseguire l’impegno a favore della realizzazione di offerte interessanti Inserate- und Redaktionsschluss 21. Mai 2014 che permettano alla popolazione di scegliere spontaneamente i mezzi pubblici rinunciando InfoForum 3/2014 11. September 2014 Inserate- und Redaktionsschluss 20. August 2014 ai mezzi privati. È una sfida per tutti, anche per Pro Bahn Svizzera. 2 InfoForum 1/2014 Editorial
Durchmesserlinie Zürich DMZ Schneller von Ost nach West: Die Durchmesserlinie verläuft mitten durch die Metropole Zürich. Grafik: SBB Neue Kapazitäten unter der Erde Mitte Juni 2014 wird der erste Teil der neuen Durchmesserlinie in Zürich eröffnet. Herzstück ist der unterirdische Bahnhof Löwenstrasse. Gerhard Lob Gut 15 Jahre ist es her, seit die Idee verkehren dann auch Fernverkehrszüge auf der das Dienstleistungs- und Einkaufsangebot im für den Durchgangsbahnhof Löwenstrasse un- Durchmesserlinie. „Dank häufigerer Verbindun- Hauptbahnhof: In der Passage Gessnerallee und terhalb des Hauptbahnhofs Zürich geboren gen und besserer Anschlüsse rückt die ganze der Halle Löwenstrasse entstehen rund 2900 wurde. Nun ist es soweit: Am 15. Juni 2014 Schweiz näher zusammen“, versprechen die Quadratmeter neue Ladenflächen, gleichzeitig wird dieser Bahnhof in Betrieb genommen, SBB in ihren Werbebroschüren zum Bahnhof wird die gesamte ShopVille-RailCity Zürich mo- zeitgleich mit der ersten Etappe der Zürcher Löwenstrasse. Profitieren wird vor allem die dernisiert. Auch im Bahnhof Oerlikon erstellen Durchmesserlinie (DML). Diese Linie verbindet Achse Genf–Bern–Zürich Flughafen–St. Gallen. die SBB neue Geschäftsflächen. die Bahnhöfe Zürich Altstetten, Hauptbahnhof Insgesamt misst die Durchmesserlinie 9,6 Kilo- Mit der Durchmesserlinie werden somit neue und Oerlikon. meter. Die Gesamtbauzeit wird rund acht Jahre Transportkapazitäten in einer stark wachsen- Die ersten S-Bahn-Züge verkehren ab Juni betragen. den Agglomeration geschaffen, da in einem von Wiedikon über den Bahnhof Löwenstras- Kopfbahnhof wie in der Perronhalle des Haupt- se nach Oerlikon. Passagiere im Fernverkehr Gleise und Shops bahnhofs deutlich weniger Züge pro Gleis und müssen sich noch ein wenig gedulden. Erst im Das DML-Herzstück ist der neue viergleisige pro Stunde verkehren können als in einem Dezember 2015 steht die Eröffnung und Inbe- Bahnhof Löwenstrasse: 16 Meter unter der Durchgangsbahnhof. Es geht aber auch da- triebnahme des zweiten Teils der Durchmesser- Erde und unterhalb des Flusses Sihl – eine ar- rum, Verkehr zu entflechten und eine höhere linie von Altstetten bis zum Bahnhof Löwen- chitektonische Meisterleistung. Parallel zur Er- Fahrplanstabilität zu schaffen. Denn Zürich ist strasse an. Dank der neuen Brückenbauwerke öffnung der Durchmesserlinie erweitern die SBB der wichtigste Bahnverkehrsknoten im Land. >>> Durchmesserlinie Zürich DML 1/2014 InfoForum 3
Szenarien zur >>> „Wenn Zürich erkältet ist, hustet die ganze Verkehrsbewältigung Schweiz“, pflegt SBB-Chef Andreas Meyer zu sagen. Die Auswirkungen der DML sollten Ein langer und steiniger Weg führte vom „Schikanierbahnhof“ zur daher auch ausserhalb Zürichs positiv zu spü- Durchmesserlinie. ren sein. Kurt Schreiber1990 wurde die Zürcher S-Bahn Volksmund „Nebenwil“ oder „Schikanierbahn- Zürich, Genf, Tessin mit dem Bahnhof Museumsstrasse eröffnet, hof“ genannt) wurden von der Bevölkerung ak- Als es darum ging, der Durchmesserlinie in was den Beginn einer Erfolgsgeschichte son- zeptiert. Die Häuser wären durch den Ausbau Bundesbern zum Durchbruch zu verhelfen, dergleichen darstellte. Sehr bald aber stellte der Brücke noch näher ans Bahntrassee gekom- verbündete sich Zürich mit Genf und dem sich heraus, dass die Hallengeleise im Zürcher men und je nach Stockwerk hätte sich genau Tessin. Gemeinsam und mit Erfolg trieben die Hauptbahnhof nicht in der Lage waren, den eine Aussicht auf die Abortrohre der Bahnwa- drei Kantone ihre jeweiligen S-Bahn-Projekte zusätzlichen Verkehr zu bewältigen. Ein Aus- gen geboten, was den Widerstand noch mehr voran – im Tessin die Ferrovia Mendrisio–Sta- bau der Zufahrtslinie für die Züge aus Richtung verstärkt hat. Kam dazu, dass in einer weiteren bio–Varese (FMV), die auf italienischer Seite Ostschweiz sollte Abhilfe schaffen, indem die Etappe möglicherweise ein weiterer Tunnel mittlerweile ins Stocken geraten ist, sowie in Wipkingerbrücke auf vier Geleise ausgebaut durch den Käferberg notwendig geworden Genf die Bahnverbindung Cornavin–Eaux-Vi- werden sollte, die sich dann bis zum Eingang wäre. ves–Annemasse (CEVA). Als sich abzeichne- des Käferbergtunnels auf die bestehenden zwei te, dass die östliche Hälfte der Schweiz vom Spuren reduziert hätten. Nicht möglich … nächsten grossen Ausbauschritt der Bahn Daneben galt es auch, die Hallengeleise zu Das war die Antwort auf alle Vorschläge, wel- wenig zu erwarten hat, schmiedete der Zür- entlasten. Die Züge der S2 und S8 vom linken che dahingehend lauteten, die negativen Fol- cher Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker Zürichseeufer nach Flughafen und Winterthur gen des Bahnhofs Sihlpost zu mildern. Auch im die Bahnallianz. Ihr gehören alle 15 Kantone sowie diejenigen der S14 aus Uster – Düben- Zürcher Kantonsrat gab die Neukonzeption des der Zentral- und der Ostschweiz sowie der dorf sollten nicht mehr in die Bahnhofshalle Bahnhofs Zürich zu reden. Verschiedene Vor- Aargau an. selbst, sondern nur noch bis zu einem Neben- stösse wurden eingereicht, um für die betroffe- bahnhof auf der Höhe der Sihlpost fahren. Als nen Passagiere die negativen Auswirkungen des Folge davon wurde der Weg für die betroffenen „Schikanierbahnhofs“ zu mildern. Beispielswei- Zeitplan für die DML Reisenden gleich um etwa fünfhundert Meter se wurde vorgeschlagen, den Bahnhof „Neben- verlängert. Mit diesem Projekt, auch „fil rouge“ wil“ mit einem Laufband analog zu denjenigen genannt, hätte das künftige Verkehrsaufkom- in den Flughäfen zu erschliessen, was aber von Die 9,6 Kilometer lange Durchmesserlinie men in Zürich HB bewältigt werden sollen. den SBB abgelehnt wurde, weil dafür zu wenig wird Mitte 2014 beziehungsweise Ende Weder der Vierspurausbau der Wipkinger- Platz vorhanden sei. Weitere Vorstösse betrafen 2015 eröffnet. Die wichtigsten Etappen des brücke noch der Bau des Bahnhofs Sihlpost (im die Einführung zweier Geleise unter den Haupt- 2-Milliarden-Franken-Projekts: 2005–2008 Behindertengerechter Ausbau Passage Sihlquai 2007–2014 Bauarbeiten Durchgangs- bahnhof Löwenstrasse 2007–2014 Erstellen Weinbergtunnel 2007–2014 Erweiterung Bahneinschnitt Oerlikon 15. Juni 2014 Eröffnung und Inbetrieb- nahme erster Teil Durch- messerlinie von Wiedikon Unter der Sihl: Längsschnitt des neuen Bahnhofs Löwenstrasse. Grafik: SBB über Bahnhof Löwenstrasse bis Oerlikon 2008–2015 Erstellen Letzigraben- und Kohlendreieckbrücke Dezember 2015 Eröffnung und Inbetrieb- nahme zweiter Teil Durch- messerlinie von Altstetten bis Bahnhof Löwenstrasse Mitte 2016 Abschluss Bahnhofausbau Oerlikon Querschnitt des Hauptbahnhofes Zürich. Grafik: SBB 4 InfoForum 1/2014 Durchmesserlinie Zürich DML
Offene Gleisarbeiten an der DML. Bilder: SBB bahnhof, was einen zusätzlichen unterirdischen Kopfbahnhof bedeutet hätte. Auch diese Idee wurde verworfen. Bald einmal kam die Idee auf, die betroffenen S- Bahn-Linien unter den beste- henden Hauptbahnhof einzuführen und dann in einem Bogen mit einem Weinbergtunnel Richtung Oerlikon zu führen. Damit würde ne- ben dem Bahnhof „Museumsstrasse“ ein zwei- ter Durchgangsbahnhof bei der Löwenstrasse entstehen, daher die Bezeichnung „Bahnhof Löwenstrasse“. Die Reaktion der SBB war eher kritisch – zu teuer, betrieblich nicht machbar, lautete damals die Antwort. Durchbruch dank Durchmesserlinie Schliesslich nahm ein parlamentarischer Vor- stoss trotz der geäusserten Bedenken die Idee der Durchmesserlinie auf und verlangte vom Gewaltige Dimensionen: Einbau einer Rolltreppe im Bahnhof Löwenstrasse. Zürcher Regierungsrat, die Realisierung die- ses Vorhabens zu prüfen. Und tatsächlich: Für einmal kam kein Antrag auf Ablehnung des Züge, beispielsweise zwischen St. Gallen und stand. Trotzdem: Beide Partner, der Kanton Zü- Postulats sondern die Ankündigung der Bereit- Aarau, fahren lassen. Damit liess sich der Nutzen rich und der Bund, zogen in der Folge am glei- schaft, das Anliegen weiter zu verfolgen. Das dieses Bauwerks massiv steigern, was aber auch chen Strick und erst noch in der gleichen Rich- waren neue Töne. Mehr noch: Auch die Sek- wesentlich höhere Investitionskosten erforderte. tung, indem dann doch noch Mittel und Wege tion Zürich des Verkehrsclubs der Schweiz war gefunden wurden, um die Finanzierung des nicht untätig geblieben und hatte dieser For- Positive Volksabstimmung, harzige Bundesbeitrags sicherzustellen. In diesem Zu- derung mit der Lancierung einer Volksinitiative Bundesfinanzierung sammenhang soll eine lustige Anekdote nicht massiv Auftrieb gegeben. Die ursprüngliche Alle diese Anstrengungen haben der Idee der unerwähnt bleiben: In den neunziger Jahren Idee sah übrigens vor, dass nur S-Bahn-Züge Durchmesserlinie zum Durchbruch verholfen, weilte eine Delegation des Zürcher Kantonsrats der betroffenen Linien S2, S8 und S14 diese die Vorlage passierte den Zürcher Kantons- in Stuttgart beim Baden-Württembergischen neue Linie benutzen sollten, denn zwischen der rat ohne Gegenstimme und in der kantonalen Landtag. Es wurden verschiedene Probleme Langstrasse-Unterführung und dem Niveau des Volksabstimmung 2001 sagten 82 Prozent der besprochen – unter anderem stellten Vertreter künftigen Tiefbahnhofs waren bedeutende Hö- Stimmbürgerinnen und Stimmbürger „ja“ zu der Deutschen Bundesbahn stolz ihr Projekt henunterschiede zu überwinden, was zu einer dieser Vorlage. In der Folge ergaben sich dann „Stuttgart 21“ vor, das vorsah, den Stuttgarter Steigung von fast 40 Promille führte. Schliesslich einige Querelen über die Finanzierung durch Kopfbahnhof mit einem Durchgangsbahnhof liessen die SBB ihr ursprüngliches Projekt fallen den Bund. Im Vorfeld der Abstimmung hiess es, zu ersetzen. Kleinlaut meinte damals ein Zür- und schwenkten auf den Durchgangsbahnhof die Finanzierung durch die Eidgenossenschaft cher Parlamentarier: Wenn ein solches Projekt „Löwenstrasse“ um, wollten dort aber nicht nur sei gesichert, später dann stellte es sich heraus, in Zürich entstehen sollte, müsste man es wohl Züge der S-Bahn sondern auch interregionale dass diese Sicherheit auf wackeligen Füssen als „Zürich 3000“ bezeichnen. Es kam anders. Durchmesserlinie Zürich DML 1/2014 InfoForum 5
Herausforderungen in einem gesättigten Netz Dominik Brühwiler, Leiter Verkehrsplanung beim Zürcher Verkehrsverbund, über die 4. Teilergänzungen der Zürcher S-Bahn. Das Einzugsgebiet der Zürcher S-Bahn ist ein dynamischer und wachsender Lebens- und Wirt- schaftsraum. Allein im Kanton Zürich ist die Ein- wohnerzahl innert zwölf Jahren um 200 000 ge- stiegen. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Arbeitsplätzen und die zunehmende individuelle Mobilität der Bevölkerung. Daraus ergeben sich überproportionale Nachfragesteigerungen auf der S-Bahn. Überlastete Züge in den Hauptver- kehrszeiten gehören zum Alltag der Pendlerin- nen und Pendler und verlangen nach Lösungen. Eine erste Antwort darauf liefern der Bund und der Kanton Zürich in diesem Sommer: Die Durchmesserlinie (DML) mit dem Bahnhof Lö- wenstrasse und dem Weinbergtunnel nach Einfahrt der S7 auf Gleis 8 in Zürich Oerlikon: Das zukünftige Gleis 7 gleicht noch einer Baustelle. Bild: Marcel Burlet Oerlikon. Ursprünglich war der Ausbau der be- stehenden Wipkingerlinie geplant, was jedoch tungsbauwerke Hürlistein und Dorfnest (Kloten), für die neuen Doppelstocktriebzüge sowie die an politischem Widerstand scheiterte. Mittels der 4-Spur-Strecke Hürlistein–Effretikon sowie Anpassungen an bestehenden Fahrzeugen fest. Volksinitiative wurde die „Ersatzlösung“ DML die umfassenden Umbauten der Gleisanlagen 2010 stand der erste RV-Dosto auf den Schie- lanciert, anschliessend mit einem Anschluss nach in Effretikon und Winterthur unter Betrieb dar. nen. Altstetten ergänzt und letztlich von der Zürcher Regierung 2001 zur Volksabstimmung gebracht. Komplexe Finanzierung 25 Prozent Mehrleistung Die überwältigende Zustimmung von 82 Prozent Die Finanzierung der Ausbauten stammt aus Im Jahr 2013 wurden an der Stadtgrenze Zü- verleiht dem Projekt eine hohe Legitimation. Bundesmitteln (Leistungsvereinbarungen SBB, rich knapp 430 000 Fahrgäste in den S-Bahnen ZEB- und HGV-Gesetz, Infrastrukturfonds) und gezählt. 55 Kurse auf 12 Linienästen galten als Sieben Jahre Fahrplanstudien Kantonsbeteiligungen. Der Beitrag des Kantons überlastet. Die 4. Teilergänzungen schaffen hier Dank der DML entstehen im Zürcher Haupt- Zürich an die DML und die 4. Teilergänzungen Abhilfe: Die grosse Mehrheit dieser Engpässe bahnhof zusätzliche Kapazitäten. Die nächste liegt teuerungsbereinigt bei rund 1 Milliarde kann mit den Ausbauten und dem zusätzlichem Herausforderung bestand darin, einen stabilen Franken. Insgesamt mussten bei Bund und Kan- Rollmaterial behoben werden. Insgesamt er- Fahrplan für die Durchmesserlinie auf einem ge- tonen 16 Parlamentsbeschlüsse erwirkt werden. lauben die 4. Teilergänzungen gut 25 Prozent sättigten Netz zu erstellen. Nach sieben Jahren Ein Sonderfall stellt die im Jahr 2008 bereitge- Mehrleistung gegenüber dem Fahrplan 2013. intensiver Planungszeit konnte das Angebots- stellte Vorfinanzierung von bis zu 500 Mio. Fr. Die Leistungssteigerung erfolgt jedoch nicht konzept der 4. Teilergänzungen fixiert werden. durch den Kanton Zürich mit Beteiligung aller von heute auf morgen. Die schrittweise Inbe- Damit war auch klar, welche zusätzlichen Inf- Nachbarkantone dar. Dadurch konnte der dro- triebnahme der Durchmesserlinie sowie die rastrukturausbauten nebst der DML notwendig hende Baustopp der DML verhindert werden. 2018 abgeschlossene Leistungssteigerung der sein würden. Der geplante dichtere Fahrplan erfordert Strecke Flughafen–Winterthur bedingen eine Insgesamt sind es im gesamten S-Bahn- auch zusätzliches Rollmaterial für die Zürcher Etappierung der Angebotsausbauten der 4. Teil- Netz 39 Projekte, welche die Umsetzung des S-Bahn: Insgesamt 49 neue Kompositionen von ergänzungen. definierten Fahrplankonzepts ermöglichen. Es 150 Metern Länge sowie 121 Niederflurzwi- handelt sich um Bahnhofsausbauten, Perron- schenwagen für die Eingliederung in die Dop- Nahtlos weiterplanen verlängerungen und Leistungssteigerungen der pelstockzüge der ersten Generation. Damit lie- Insbesondere auf den Achsen Winterthur–Zü- bestehenden Strecken. Besondere Herausfor- sse sich ein elf Kilometer langer Zug formieren. rich und Oberland–Zürich werden Engpässe derungen stellen die Realisierung der Entflech- Bereits Ende 2006 standen die Anforderungen auch nach 2018 verbleiben. Umfangreiche Ab- klärungen haben ergeben, dass für die nachhal- tige Behebung dieser problematischen Stellen Zürcher S-Bahn: Etappierung der Angebotsausbauten zwei zusätzliche, netzbestimmende Erweite- Ausbauschritt Zusätzliche Zugskilometer Anteil in % rungen erforderlich sind: der Brüttener Tunnel und das vierte Gleis im Bahnhof Stadelhofen. Juni 2014 + 650 000 14% Die Arbeiten müssen schon bald in die Hand Dezember 2015 + 1 935 000 43% genommen werden, damit auch die künftige Dezember 2018 + 1 945 000 43% Nachfragesteigerung rechtzeitig abgedeckt Total + 4 530 000 100% werden kann. 6 InfoForum 1/2014 Durchmesserlinie Zürich DML
Zürcher S-Bahn als Opfer ihres eigenen Erfolgs Erleichterung nach dem Ja zu FABI: Weitere, dringend nötige Ausbauten der Bahn-Infrastruktur im Kanton Zürich sind jetzt klar gesichert. Marcel Burlet Die Durchmesserlinie ist nur ein Zwischenschritt, wenn auch der aktuell wich- tigste zum weiteren Ausbau des Zürcher öVs. Und ein Durchstarten braucht es dringend; eine Fortsetzung der Ausbauten ist nötig: Stichwor- te sind der Ausbau des Bahnhofs Zürich Sta- delhofen (viertes Gleis), der Brüttener Tunnel, zusätzliche Kapazitäten auf der Strecke Zürich – Winterthur und so weiter. Es wirkt grotesk: die Zürcher S-Bahn wird zum Opfer ihres eigenen Erfolgs! Die Frequen- zen im Regionalverkehr sind massiv gestiegen: Pendelten vor 33 Jahren pro Werktag 160 000 Passagiere über die Stadtgrenze von Zürich, sind es heute rund 410 000 Reisende. Kein Wun- der, dass diese massive Steigerung von über 150 Prozent das Zürcher S-Bahn-System an sei- ne Grenzen stossen lässt. Auf gewissen Zürcher S-Bahn-Linien sind in der Hauptverkehrszeit höchstens „Sardinen-Stehplätze“ garantiert. Passagiere mussten schon auf dem Perron zu- rückgelassen werden, weil sie schlicht keinen Platzt aus allen Nähten: Der Bahnhof Zürich Stadelhofen besitzt nur 3 Gleise. Bild: Marcel Burlet Platz mehr im Zug oder Bus fanden! Unter den acht Bahnhöfen mit dem höchsten Passagier- sich. Der Zürcher öV läuft generell in der Haupt- Das bedeutet, wenn der öV ständig teurer wird, aufkommen in der Schweiz liegen vier im Gross- verkehrszeit am Limit. dann steigen irgendwann die Leute wieder aufs raum Zürich: Der Zürcher HB mit über 414 000 Auto um, weil oft nur die Benzinkosten berech- Reisenden, Winterthur mit knapp 100 000 und Sorge tragen net werden und es somit billiger erscheint. Zürich Oerlikon sowie Zürich Stadelhofen mit je Der öffentliche Verkehr stellt einen sehr wichti- über 76 000 Passagieren. Tendenz steigend. ger Pfeiler des Service public dar. Tragen wir ihm Kostenwahrheit gilt speziell Sorge! Im Zürcher Kantonsrat kamen zu Kostenwahrheit heisst hier das Stichwort. Pro Das effizienteste Verkehrsmittel ... Jahresbeginn 2014 plötzlich Diskussionen über Bahn fordert mindestens gleich lange Spiesse Der öV bleibt das effizienteste Transportsystem den Kostendeckungsgrad und die Frage „Was für den öV wie für den MIV. Wenn ehrlicher- in einem Kanton, der immer dichter besiedelt darf uns der öV kosten?“ auf. Und auch die weise sämtliche Umwelt- und Gesundheitskos- wird. Eigentlich handelt es sich um das einzig NZZ bezeichnete zum Jahreswechsel in einem ten eingerechnet würden, dann könnte der MIV vernünftige Verkehrsmittel, wenn man den kritischen Grundsatzartikel den öffentlichen dem öffentlichen Verkehr nicht das Wasser rei- Raumbedarf pro transportiertem Passagier be- Verkehr in der Schweiz als eine heilige Kuh, was chen. Es braucht ein vernünftiges Nebeneinan- trachtet. Ein Zürcher Tram mit einer Länge von immer das heisst. der von beiden Verkehrsträgern. 36 Metern vermag 238 Menschen zu trans- Die Zürcher S-Bahn ist eine Erfolgsgeschich- Ob die Politik das so einsieht? Das Volk hat portieren, ein Auto ist im Stossverkehr mit te sondergleichen. Die grosse Euphorie der mit der Zustimmung zur FABI-Vorlage weise durchschnittlich 1,2 Passagieren besetzt und 80er- und 90er-Jahre hingegen ist vorbei. Die entschieden, dass weites Pendeln nicht weiter- braucht mindestens vier Meter Strassenlänge. Kostenschere greift auch bei Zug und Bus. Ak- hin mit einem hohen Steuerabzug belohnt wird. Das ergäbe eine Autokolonne von über einem tuelles Beispiel: Wie will der ZVV (Zürcher Ver- Die Politik der kurzen Wege zwischen Wohnen halben Kilometer, um gleichviele Menschen zu kehrsverbund) bis ins Jahr 2019 rund 25 Pro- und Arbeit ist zu fördern, und Arbeiten zu Hau- transportieren! Wundert es da, dass Verkehrs- zent Mehrleistung im Betrieb erbringen mit se („Home Office“) dämpft die Mobilitätsbe- techniker von einer vielfachen Effizienz des öVs praktisch gleich vielen finanziellen Mitteln aus dürfnisse in Zukunft. Das ist gut so. Im dicht gegenüber dem motorisierten Individualverkehr dem Rahmenkredit des Kantons? Widrige Be- besiedelten Kanton Zürich gelingt es dank der (MIV) sprechen? dingungen im öV-Portemonnaie heissen, dass kompromisslosen öV-Förderung seit 30 Jahren, Wir wissen jedoch: das System ist anfällig. die Benutzerinnen und Benutzer mit regelmäs- die Mobilität auf effiziente und umweltfreund- Eine kleine Weichenstörung, ein kurzfristiger sigen Preiserhöhungen überproportional zur liche Bahnen zu lenken. Und die Durchmesser- Ausfall eines Stellwerks oder eine Türblockie- Kasse gebeten werden. In Zukunft gilt regelmäs- linie ist ein logischer Schritt dieser Erfolgsge- rung, die einen Zug im Bahnhof am Ausfahren sig: SBB und ZVV erhöhen die Preise. Ja, „der schichte. Weitere Infrastrukturausbauten – u.a. hindert, und Tausende von Reisenden verspäten Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.“ im Bahnhof Stadelhofen – müssen folgen. Durchmesserlinie Zürich DML 1/2014 InfoForum 7
Sicherer Bahnbetrieb dank modernster Bahntechnik Für die bahntechnischen Anlagen bei der Durchmesserlinie Zürich gelten höchste Ansprüche. Jean-Pierre Baebi Die Grösse des Bahnhofs Lö- len, der sich vom Bahnhof Oerlikon über fünf schränkt sich im Vergleich zu konventionellen wenstrasse und die besondere geographische Kilometer bis zum Seilergraben erstreckt. Auf Schotterstrecken auf ein Minimum. Situation des Weinbergtunnels stellen hohe An- einem Grossteil der Strecke verläuft er parallel Der Weinbergtunnel unterquert Gebäude sprüche an die bahntechnischen Anlagen. Der zum Weinbergtunnel und ist alle 470 Meter des Universitätsspitals Zürich und der ETH, di- Tunnel unterquert Wohngebiete und sensible mittels eines Querschlags mit dem Bahntunnel verse Wohn- und Geschäftsgebäude sowie das Bauten wie die ETH und das Universitätsspital verbunden. Die Reisenden gelangen bei einem Radiostudio in Oerlikon in teilweise geringer Zürich. Nothalt im Tunnel über den seitlich angeordne- Tiefe. Damit der zukünftige Bahnbetrieb keine Der unterirdische Durchgangsbahnhof Lö- ten, beleuchteten Fluchtweg bis zum nächsten störenden Immissionen verursacht, bauen die wenstrasse und der rund fünf Kilometer lange signalisierten Notausgang und anschliessend SBB in diesen Bereichen des Tunnels komple- Weinbergtunnel sind Kernstücke der Durch- über den Flucht- und Rettungsstollen ins Freie. xe, elastisch gelagerte Fahrbahnbrücken, so messerlinie, die in einem grossen Bogen von Der Flucht- und Rettungsstollen dient gleich- genannte Masse-Feder-Systeme, ein. Bei einer Altstetten über den Hauptbahnhof Zürich bis zeitig als Zugriffspunkt für die Rettungskräf- Zugsüberfahrt werden diese Federsysteme bis nach Oerlikon führt. te und ist für den Einsatz von Krankenwagen zu 15 Millimeter eingedrückt und verhindern so Die Ansprüche an die bahntechnischen An- oder kleineren Transportfahrzeugen ausgelegt. störende Erschütterungsübertragungen. Dank lagen in den unterirdischen Abschnitten der Im Flucht- und Rettungsstollen installieren die fein ausgearbeiteten Übergängen merken die Durchmesserlinie sind hoch. Bahntechnik muss SBB eine Überdruckventilation, damit bei einem Reisenden nichts von dieser Absenkung. zuverlässig und langlebig sein, soll wenig Auf- Brand kein Rauch in den Stollen gelangt. wand im Unterhalt beanspruchen und den Zü- Fahrleitung gen grösstmögliche Laufruhe garantieren. Im Fahrbahn Die konventionelle Fahrleitung der Durchmes- Notfall gewährleisten die bahntechnischen An- Auf den unterirdischen Abschnitten der Durch- serlinie endet an den Tunnelportalen beim lagen die Sicherheit der Reisenden. messerlinie bauen die SBB eine feste Fahrbahn Hauptbahnhof und in Oerlikon. Im Bahnhof Lö- vom Typ „Low Vibration Track“ mit insgesamt wenstrasse und im Weinbergtunnel installieren Selbstrettung 16 Weichen ein. Dieses Unterbausystem zeich- die SBB stattdessen eine Deckenstromschiene. Kernelement des Sicherheitskonzepts im Wein- net sich durch eine optimale Gleislage und eine Die Deckenstromschiene besteht aus einem bergtunnel ist der Flucht- und Rettungsstol- sehr lange Lebensdauer aus. Der Unterhalt be- Aluminium-Profil, in dem ein herkömmlicher 8 InfoForum 1/2014 Durchmesserlinie Zürich DML
Kupfer-Fahrdraht eingeklemmt ist. Die Schiene Im Flucht- und Rettungs- Datengruppe neu geladen und anhand der ent- ist aufgrund ihrer geringen Bauhöhe beson- sprechenden Änderungen und Abweichungen ders platzsparend und ermöglicht dadurch eine stollen installieren die vom Jahresfahrplan wie Bauarbeiten, Gleisän- Reduktion des Tunnelquerschnittes. Sie wird SBB eine Überdruckven- derungen und Extrazüge korrigiert. zugkraftlos aufgehängt; Abspannungen an die tilation, damit bei einem Tunnelwände sind nicht erforderlich. Trotz der Stellwerk Löwenstrasse kompakteren Bauform fliesst durch die Decken- Brand kein Rauch in den Mehrere verschiedene Stellwerktypen steu- stromschiene gleich viel Strom wie durch eine Stollen gelangt. ern die Signale und Weichen im Hauptbahn- normale Fahrleitung. Ausserdem kann der Fahr- hof Zürich. Die Gleisanlagen im Bereich des draht einer Deckenstromschiene einfach ausge- S-Bahnhofs Sihlpost, der Station Wipkingen, wechselt werden. des Vorbahnhofs sowie der Abstellanlage Her- Insgesamt haben Deckenstromschienen dern werden von modernen, elektronischen gegenüber herkömmlichen Fahrleitungen ge- Stellwerkrechnern der Bauart „eStw Siemens“ ringere Unterhaltskosten, sind weniger stö- nicht jedes Signal und jede Weiche manuell gesteuert. Die Hallengleise 3 bis 18, der un- rungsanfällig und sicherer bei Kurzschlüssen. bedient werden muss, steuert eine Datenbank terirdische Bahnhof Museumstrasse sowie der Allerdings sind Deckenstromschienen deutlich anhand der programmierten Daten die Fahrwe- Bahnhof Hardbrücke werden von Spurplan- teurer als herkömmliche Fahrleitungen. ge der Züge, beachtet eventuelle Konflikte und Drucktasten-Stellwerken der Bauart “Siemens & Anschlüsse von anderen Zügen und bedient die Halske 1960“ bedient. Die elektronischen Stell- Sicherungsanlagen und Leittechnik Fahrgastinformationsanschriften auf den Per- werke werden ausschliesslich mit Tastatur und Auch heute bedienen mehrere Fahrdienstleiter rons. Maus über die Bedienoberfläche ILTIS bedient. die Gleisanlagen. Sie steuern und überwachen Bei Unregelmässigkeiten wie Verspätungen Drucktasten-Relaisstellwerke können über das sämtliche Züge, bestimmen beispielsweise Um- oder Streckenunterbrüchen können die Fahr- Stellpult durch Drücken der einzelnen Tasten wegfahrstrassen und sind verantwortlich für dienstleiter jederzeit die nötigen Änderungen oder ebenfalls über ILTIS gesteuert werden. das zeitgerechte Einschieben oder Rückstellen in der Zugdatenbank vornehmen. Täglich wird Für die Durchmesserlinie kommt ein moder- von Reisezügen und Rangierfahrten. Damit diese Zugdatenbank von Fahrdienstleitern der nes Stellwerk vom Typ „Simis W“ zum Einsatz. Das Mikrocomputersystem der Marke Siemens garantiert höchste Sicherheit und Verfügbarkeit sowie einen wirtschaftlichen Betrieb. Das neue Stellwerk „Löwenstrasse“ umfasst 42 Zugsig- nale mit Zugbeeinflussung, 37 Zwergsignale, 18 Weichen und 69 Gleisfreimeldungen. Zur Bedienung und Anzeige des Stellwerks richten die SBB Rechnerarbeitsplätze ein. Das neue Betriebskonzept der SBB sieht vor, dass ab 2016 alle SBB-Stellwerke aus einer von schweizweit vier Betriebszentralen gesteuert werden. Das neue Stellwerk „Löwenstrasse“ wird aus der Betriebszentrale Ost am Flugha- fen Zürich bedient werden. Um das Stellwerk bei einem Ausfall der Betriebszentrale trotzdem steuern zu können, richten die SBB zusätzliche lokale Bedienplätze ein. Einbau von Bahntechnik und Beschilderungen im Weinbergtunnel: Höchste Präzision. Bilder: SBB Durchmesserlinie Zürich DML 1/2014 InfoForum 9
Die Hardware stimmt, die Software noch nicht Wie die Investitionen in die Durchmesserlinie und die 4. Teilergänzungen der S-Bahn besser genutzt werden könnten. Jens Bornand Wer einen neuen leistungsfähigen pro Stunde verkehren sollen, ist für verschiede- le zeigt. Auch andere Varianten wurden zur Computer kauft, kann diese Investition nur rich- ne Abschnitte weiterhin geplant, überlagerte Diskussion gestellt. Trotzdem möchte der ZVV tig nutzen, wenn auch die installierte Software Linien je nur stündlich verkehren zu lassen, so ohne vertiefte Prüfung von Alternativen an den auf dem neusten Stand ist. Das Gleiche gilt für dass ungleichmässige Abstände zwischen den bestehenden Planungen festhalten. die Bahn: Die Hardware ist hier die Infrastruktur, Fahrten, sogenannte Hinketakte resultieren. die Software der Fahrplan. Im Grossraum Zürich In Winterthur soll die historisch gewachsene Ein eingefrorenes Konzept wird die Infrastruktur mit der Durchmesserlinie Aufsplitterung der S12 in zwei nur stündlich be- Das für 2019 nach Abschluss der 4. Teilergän- und weiteren Ausbauten im Rahmen der 4. Teil- diente Aussenäste sogar noch auf zwei weitere zungen vorgesehene S-Bahn-Angebot wurde ergänzungen S-Bahn sowie Projekten für den S-Bahn-Linien ausgedehnt werden. Teilweise etwa 10 Jahre vorher aufbauend auf historisch Fernverkehr auf den neuesten Stand gebracht. wird dabei wegen der beschränkten Perron- gewachsenen Strukturen definiert und in den Das nach Abschluss dieser Ausbauschritte im längen und geringeren Nachfrage im Aussen- Grundzügen nicht mehr weiterentwickelt. Es Jahr 2019 geplante Bahnangebot entspricht bereich ein Zugteil in Winterthur abgehängt. ist natürlich sinnvoll, wenn der Planung von aber in Bezug auf Fahrgastnutzen und Wirt- Naheliegend wäre nun, auch diesen zweiten neuen Infrastrukturen bereits detaillierte Vor- schaftlichkeit noch nicht überall dem, was mög- Zugteil als sogenannten Flügelzug weiterfahren stellungen des zukünftigen Fahrplanangebots lich und nötig wäre. zu lassen, so dass alle Aussenabschnitte halb- zugrunde liegen. Wenn dieses Angebot aber stündlich statt nur stündlich direkte Züge nach nicht in einem ständigen Optimierungsprozess Erfolgsrezept Halbstundentakt wird nicht Zürich erhielten. Ausgehend von einem Auftrag weiterentwickelt wird, ist dies, wie wenn man konsequent umgesetzt der Stadt Wil wurde vom Planungsbüro Jud für den neu gekauften Computer mit 10 Jahre alter Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Zürcher S-Bahn den Korridor Zürich–Winterthur–Ostschweiz ein Software ausstattet. und des Fernverkehrs ist der leicht merkbare entsprechend optimiertes Angebotskonzept für Halbstundentakt je Linie. Ein solcher ist im Kern- den Zeithorizont 2019 ausgearbeitet. Dieses Vielzahl von Akteuren netz der S-Bahn und auf Fernverkehrsachsen würde bei der S-Bahn und im Fernverkehr mit Wie die Entwicklung von anspruchsvoller Soft- wie Zürich–Bern seit Jahren selbstverständlich. konsequent halbstündlich verkehrenden Linien ware ist die Angebotsplanung für den S-Bahn-, Obwohl im Grossraum Zürich in Zukunft auf al- bei etwa gleichen Kosten deutliche Verbesse- Fern- und Güterverkehr im Grossraum Zürich len Streckenabschnitten mindestens zwei Züge rungen bringen, wie die untenstehende Tabel- aufgrund zahlreicher Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten eine sehr komplexe Angelegen- heit. Nicht einfacher wird dies durch die grosse Verbesserungsmöglichkeiten im Korridor Zahl von involvierten Akteuren wie ZVV, SBB- Zürich–Winterthur–Ostschweiz 2019 Regionalverkehr, SBB-Fernverkehr, SBB-Cargo, SBB-Infrastruktur, Kantone und Gemeinden. Fahrplan 2013 Bisherige Planungen Optimiertes Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass man ZVV/SBB 2019 Konzept 2019 an einer einmal gefundenen Lösung festhalten möchte, auch wenn sie noch Mängel aufweist. Ostschweiz Um Planungssicherheit zu erhalten, insbe- Fahrzeit St. Gallen–Zürich 62 Min. 59 Min. 53 Min. sondere auch für die Planung der Buslinien Taktintervall schnelle Verbindungen als Feinverteiler, ist es sicher von Vorteil, wenn Wil–Zürich und Frauenfeld–Zürich 30 Min. 30 Min. 15 Min. möglichst früh feststeht, wie der künftige Bahn- Region Winterthur fahrplan aussieht. Heute werden einzelne Ele- Anzahl direkte Züge nach Zürich pro Stunde mente des Bahnfahrplans aber eindeutig zu Andelfingen 2 2 4 früh als gesetzt deklariert. Die für eine laufende Seuzach 1 1 2 Optimierung nötige Flexibilität fehlt. Oberwinterthur 2 2 4 Wenn gute Elemente des Fahrplans, wie bei- Winterthur Grüze 1 2 4 spielsweise das Konzept des Anschlussknotens Aadorf 0 1 2 Wetzikon über Jahrzehnte Bestand haben, ist Kollbrunn 0 1 2 dies vernünftig. Für unbefriedigende Angebo- Längste Wartezeit zwischen zwei Abfahrten Richtung Winterthur te, wie beispielsweise der bestehende und auch Andelfingen 25 Min. 26 Min. 20 Min. für die nächsten 10 Jahre geplante „Hinketakt” Seuzach 31 Min. 30 Min. 16 Min. im Weinland zwischen Winterthur und Schaff- Oberwinterthur 27 Min. 24 Min. 13 Min. hausen, gilt dies aber nicht. Im Weinland umso Winterthur Grüze 22 Min. 25 Min. 15 Min. mehr, als hier auf der bestehenden Infrastruktur Aadorf 30 Min. 30 Min. 30 Min. eine Lösung mit zwei halbstündlich verkehren- Kollbrunn 39 Min. 30 Min. 17 Min. den Linien möglich wäre. 10 InfoForum 1/2014 Durchmesserlinie Zürich DML
Engpässe im Zürcher S-Bahn-Netz: Zum Beispiel im Bahnhof Stadelhofen. Bild: Marcel Burlet Ein bekanntes Opfer des eingefrorenen beträge in die Infrastruktur investiert, hier wäre schiedene Ansätze zur Verfügung. Es ist nicht Konzepts ist der Bahnhof Zürich Wipkingen, dieser Gewinn gratis zu haben und es würden nötig, die ganzen bisherigen Planungen über wo das Angebot ab Juni 2014 auf einen Drittel sogar Betriebskosten gespart. den Haufen zu werfen, es sollten aber auch kei- reduziert wird. Diesem Bahnhof mit grossem Auch das eingefrorene S-Bahn-Konzept ist ne Tabus in Form von Angebotselementen, die Potenzial und wichtiger Vernetzung der S-Bahn bezüglich Wirtschaftlichkeit unbefriedigend: nicht mehr verändert werden dürfen, bestehen. mit den Buslinien 33 und 46 wurde bei den Der Anteil der unproduktiven Standzeiten der Das Angebot sollte überall dort überprüft wer- damaligen Planungen zu wenig Beachtung ge- Züge an den Endstationen ist hoch. Damit ver- den, wo die folgenden drei Planungsgrundsätze schenkt und heute ist man nicht mehr bereit, puffen finanzielle Mittel, die den Fahrgästen in nicht eingehalten werden: etwas zu ändern. Dabei wäre hier auch kurz- Form eines attraktiveren Angebots zugutekom- – Der Fahrplan im Grossraum Zürich wie- fristig zumindest ein alternierender 10/20-Mi- men könnten. derholt sich halbstündlich, dies gilt für die nutentakt statt des vorgesehenen 30-Minuten- S-Bahn, den Fernverkehr und die Güterver- takts möglich. Der Weg zu einem besseren Angebot kehrs-Trassen. Der Stillstand im Optimierungsprozess des Die Planung des Bahnangebots im Grossraum – Auf Abschnitten mit mehreren Linien im S-Bahn-Systems hat auch negative Auswirkun- Zürich ist zwar komplex, dank vorhandenem Halbstundentakt wird eine gleichmässige gen auf den Fernverkehr. Ab 2019 werden pro Know-how und technischen Hilfsmitteln ist es Verteilung angestrebt: Bei zwei Linien der Stunde sechs Fernverkehrszüge bzw. drei Linien aber noch nicht zu spät, das S-Bahn-Konzept Viertelstundentakt, bei drei Linien der 10-Mi- im Halbstundentakt Zürich mit der Ostschweiz und den Fernverkehr ab 2016 (Eröffnung Zu- nutentakt. verbinden. Aufgrund der festgeschriebenen fahrt Altstetten der Durchmesserlinie) und – Der Anteil der Wendezeiten an den Endsta- S-Bahn-Trassen sollen alle drei Linien via Flugha- 2019 (Abschluss weiterer Infrastrukturausbau- tionen beträgt höchstens 20% der Umlauf- fen verkehren, obwohl nur eine Minderheit der ten im Korridor Zürich–Ostschweiz) noch ein- zeit. Fahrgäste aus der Ostschweiz zum Flughafen mal gründlich zu überarbeiten. Erforderlich ist möchte. Angebracht wäre, wenn eine der drei eine gemeinsame Planung der Angebote für Die Fahrgäste haben an der Urne hohe Inves- Linien ohne Halt von Winterthur nach Zürich die S-Bahn, den Fern- und den Güterverkehr titionen in die Hardware bewilligt und erwarten verkehren würde und so 6 Minuten schneller mit schweizweiter Abstimmung. Neben der nun auch eine adäquate Software. Ein Update wäre. Andernorts werden für einen Fahrzeit- erwähnten Konzeptvariante für den Korridor mit Behebung der vorhandenen Mängel sollte gewinn von 6 Minuten dreistellige Millionen- Zürich–Ostschweiz stehen dazu bereits ver- deshalb nicht erst mit der S-Bahn 2G erfolgen. Durchmesserlinie Zürich DML 1/2014 InfoForum 11
Aktuell Nachwehen zu FABI und zur Fabelhaftes Ja zu FABI Einwanderungsinitiative Pro Bahn Schweiz reagiert mit Genugtuung auf den positiven Volksentscheid zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur. Volle Züge?! KS/GL Der eidgenössische Urnengang zu Fi- Mit grosser Freude und Genugtuung hat Pro Gerhard Lob Der Ausgang der FABI-Ab- nanzierung und Ausbau der Infrastruktur des Bahn Schweiz vom Endresultat Kenntnis ge- stimmung sorgte nicht nur bei Pro Bahn, Schweizerischen Eisenbahnnetzes (FABI) am nommen. Denn der Vorlage wehte insbesonde- sondern auch bei den SBB für Freude. 9. Februar dieses Jahres stand im Schatten der re seit Anfang Januar ein scharfer Gegenwind SBB-Chef Andreas Meyer sagte am Abstim- Masseneinwanderungsinitiative. Gleichwohl hat entgegen. Das Votum der Bürger hat bestätigt, mungssonntag: „Mit FABI bekommen wir er für das Bahnland Schweiz eine wegweisende dass die Eisenbahn als umweltfreundliches Ver- für die Zukunft nun eine solide Grundla- Bedeutung. Denn es wird nun ein Fonds ein- kehrsmittel anerkannt wird, welches seinen ge, um unseren Kunden und künftigen gerichtet, aus dem Unterhalt und Ausbau der Preis Wert ist. Generationen gute Angebote und Service- Bahnanlagen bezahlt werden. Dem Unterhalt leistungen sowie eine gute Infrastruktur wird in den kommenden Jahren eine gewisse Pendlerabzug plafoniert anbieten zu können. Der Wert unserer Priorität gegenüber dem Ausbau eingeräumt. Mit FABI wird die Finanzierung des schweizeri- Infrastrukturerhaltung darf nicht unter- schen Eisenbahnnetzes auf eine sichere Grund- schätzt werden, auch in der kombinierten Hohe Zustimmung in Westschweiz lage gestellt, Budgetkürzungen aufgrund von Mobilität. Ich danke allen, die für diese 62 Prozent der Stimmenden und alle Kantone Parlamentsbeschlüssen gehören der Vergan- Jahrhundertvorlage gestimmt und diese mit Ausnahme von Schwyz sagten Ja zu FABI. genheit an. Ebenso konnte in Bezug auf Steu- aufgegleist haben“. Das Ja zu FABI sei nicht Besonders hoch war die Zustimmung in den ergerechtigkeit die Gleichstellung zwischen nur ein eindrücklicher Vertrauensbeweis, Kantonen Genf (76,6 Prozent), Waadt (73,9), Auto- und Bahnbenutzung bei der direkten sondern auch eine Verpflichtung, „heute Basel-Stadt (72,2) und Tessin (71,7). Dies dürfte Bundessteuer erzielt werden. Der Pendlerabzug und in Zukunft Tag für Tag hohe Qualität die Tatsache widerspiegeln, dass in der West- beträgt neu maximal 3000 Franken, unabhän- und Leistung zu erbringen.“ Bahnkunden schweiz (Genfersee-Bogen) und in der Süd- gig davon, ob das Auto oder der Zug benützt werden die SBB im Falle der Notwendigkeit schweiz der Nachholbedarf nach effizientem wird. Einmal mehr hat es sich klar als Vorteil er- gerne an diese Verpflichtung erinnern. Bahnverkehr besonders hoch ist. In einigen klei- wiesen, dass alle Regionen von Ausbauten pro- nen Kantonen der deutschen Schweiz dürfte fitieren werden. Dem Prinzip der Solidarität auch Weniger zufrieden war Andreas Meyer das Abstimmungsverhalten eine gewisse Skep- mit Randregionen ist also nachgelebt worden. ganz offensichtlich über den Ausgang der sis gegenüber dem Bahnausbau spiegeln. So Pro Bahn Schweiz war Teil der Allianz für Abstimmung zur SVP-Einwanderungsini- fielen in Unterwalden, Uri, Appenzell, Schaff- den öffentlichen Verkehr, welche sich aktiv am tiative, auch wenn eine ähnliche Vorlage hausen und Solothurn die Ja-Mehrheiten sehr Abstimmungskampf im Lager der Befürworter seiner Meinung nach in anderen euro- knapp aus. beteiligte. päischen Ländern das gleiche Resultat gebracht hätte. Dies machte er bei einem Treffen mit Schweizer Bahnjournalisten im Februar deutlich. Denn bei den SBB arbeiten sehr viele Ausländer, insbesondere im Gleisbau und Unterhalt. Diese fühlten sich offenbar vom Abstimmungsergebnis betroffen, auch wenn es wahrscheinlich gar nicht ihnen galt. Schon die Abstimmungskampagne machte Meyer überhaupt keine Freude: Ständig wurden „volle Züge“ als Argument ange- führt, um Ja zu stimmen und die Einwan- derung zu bremsen. Das hat ihn geärgert. Denn volle Züge sind verständlicherweise ganz im Interesse von Meyer, leere Züge hingegen nicht. Und Meyer weiss, dass gerade ausserhalb der Stosszeiten viel zu viele Züge halbleer durch die Gegend fahren. Er sei auch schon mal in einem Zug gestanden, merkte er an; so schlimm sei das nicht. Ja zu FABI: Eine gute Nachricht für Bahnkunden (hier im Bahnhof Basel SBB). Bild: Gerhard Lob 12 InfoForum 1/2014 Aktuell
Ouestrail – Citrap – Transports Romands Ein Lobby-Trio im Welschland setzt sich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein. Kaspar P. Woker Das Programm zur Finanzie- rung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI, französisch FAIF), das am 9. Februar vom Stimmvolk angenommen wurde, legt ein Schwergewicht auf Ausbauten im Raum Genf/ Lausanne/Bern. Ist das richtig, sind nicht im Grossraum Zürich die Kapazitätsengpässe auf dem Schienennetz viel gravierender als in der Westschweiz? Für Romands ist doch das Auto der Standard im Berufsverkehr. Falsch. In der Westschweiz besteht ein Nachholpo- tenzial beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, doch die „concitoyens/concitoyennes outre Sarine“ haben den öV als starkes Gegenmittel zur Eindämmung der täglichen Autolawinen ebenfalls entdeckt. Lausanne mit der ersten Stadtbahn (m1) und der ersten Metro (m2) der Schweiz sind dafür die Paradebeispiele genau wie Genf mit dem forcierten Wiederaufbau des Tramnetzes. Ein gut ausgebautes öV-Netz ist ein unbe- Werbung für FABI/FAIF in der Romandie. Bild: Kaspar P. Woker dingter Standortfaktor. Dies versichert auch Staatsrat Jacques Melly (VS) im Gespräch. Da- Effektvolles Lobbyieren Zur Trilogie der PR-Lobby im welschen öV ge- bei gibt er unumwunden zu, dass es in seinem Die erwähnte Veranstaltung fand im Rahmen hört zweifellos das Heft „Transports Romands – Kanton viel Überzeugungsarbeit brauchte, um des zehnten Geburtstages der Lobby-Organisa- La revue francophone sur les transports publics für ein „Oui à FAIF“ zu werben. FAIF oder FABI tion „Ouestrail“ statt, welche die öV-Interessen suisses“, welches in vier Nummern pro Jahr das – welch unmögliche Kunstwörter – bringt aber der Kantone Jura, Neuenburg, Bern, Freiburg, Geschehen rund um westschweizerische Schie- dem Wallis den längst ersehnten Ausbau der Li- Waadt, Genf und Wallis mit leisen aber effekti- nen kompetent darstellt. nie Lausanne – Brig, damit Doppelstöcker wei- ven Tönen vertritt. Pro Bahn Schweiz ist an de- ter als bis nach Vevey verkehren können. Der ren Anlässen regelmässig vertreten. Unterhalt statt „Stellwerkstörung“ dortige Tunnel kann nur mit diesen Mitteln er- Leicht auszumachen an diesem Anlass war Richtigerweise wurde an der obigen Veranstal- weitert werden. der grossgewachsene, weisshaarige Professor tung auch viel Gewicht auf die Tatsache gelegt, Daniel Mange als Autor der Studie „Bahn-Plan dass mit FABI eben nicht nur ausgebaut wird, Zum Beispiel Vevey–Blonay 2050“. Darin wird das Netz von zusammen- sondern vor allem das Bahnnetz auch genügend Auch die erste Strecke, die mit FABI-Mitteln aus- hängenden Schnellstrecken zwischen Genf und Mittel für den Unterhalt zugesprochen erhält gebaut werden soll, die steigungs- und kurven- dem Bodensee propagiert, um jeweils in einer und die ganze Finanzierung langfristig auf eine reiche Linie Vevey–St-Légier–Blonay, liegt in der halben (allenfalls Viertel-) Stunde Genf und Lau- sichere Basis gestellt wird. Genau darum würden Westschweiz und wird ab 2019 als S-Bahn im sanne, Bern und Zürich, Winterthur und Zürich uns die Politiker im benachbarten Frankreich und 15-Minuten-Takt bedient. Heute wird bedauert, zu verbinden. den andern umliegenden Ländern beneiden, dass die „Hauptlinie“ der einstigen Chemins de Einiges tönt utopisch, doch vermisst Mange betonten Nuria Gorritte, die Waadtländer Regie- fer Veveysans von St-Légier nach dem freiburgi- das grosszügige Denken in der Schweiz. Bahn- rungsrätin, und Bundesrätin Leuthard unisono. schen Châtel-St-Denis im Zuge des Autobahn- ausbau ist für ihn immer noch zu starke Pfläs- Solche Überlegungen stossen auch bei Pro Bahn baus (A12) abgebrochen wurde. terlipolitik; nur gerade dort, wo man heute (und Schweiz auf volle Zustimmung, wie Kurt Schrei- Die Strasse leidet unter dauernden Staus und gestern) Engpässe ortet, wird investiert. Dieser ber, Präsident, während des Apéros auf dem Aus- die Busse von tpf/VMCV bleiben in den auto- ehemalige Informatik-Professor ist aber kein sichtsberg Les Pléiades ob Vevey betonte. Nur mit mobilen Pendlermassen stecken. Vielleicht ge- Überflieger, denn mit „Citrap Vaud“ hat er eine einem gut unterhaltenen Bahnnetz lassen sich rade darum fand Mitte Januar in Blonay eine „Communauté d‘intérêts pour les transports die berüchtigten „Stellwerkstörungen“ im Griff grosse Werbeveranstaltung für ein „Oui à FAIF“ publics“ aufgebaut, welche die Kundeninter- behalten. Schreiber will auch das Gespräch mit mit Bundesrätin Doris Leuthard als Protagonis- essen gegenüber den Transportunternehmen Daniel Mange von Citrap suchen, denn die An- tin statt. Dort zirkulierte auf den Schienen der wahrnimmt. Also ein welsches Pendant zu Pro liegen der Kunden im öffentlichen Verkehr sind Transports Montreux–Vevey–Riviera ein Ge- Bahn – warum nicht zusammenspannen, da Pro dies- und jenseits der Saane dieselben. lenktriebwagen mit entsprechender Abstim- Bahn der Sprung über den Röstigraben noch mungspropaganda auf dem Traktionscontainer. nicht gelungen ist? Internet: www.ouestrail.ch; www.citrap-vaud.ch Aktuell 1/2014 InfoForum 13
Aufstieg und Fall eines Depots Erstfeld ist kein klassischer Ferienort. Aber für Bahnfreunde lohnt sich ein Ausflug. Gerhard Lob Erstfeld hat eine lange Eisenbahn- tradition. Alles begann 1882 mit der Eröffnung der Gotthardlinie. Damals verwandelte sich der Ort am Nordfuss des Gotthards von einem un- bedeutenden Bauerndorf in einen namhaften Eisenbahnstandort an der Nord-Süd-Achse. Die Bahn brachte viele qualifizierte Arbeitskräfte ins Urner Reusstal. Die neuen Angestellten prägten die Erstfelder Dorfgeschichte nachhaltig. Sie or- ganisierten sich unter anderem in Vereinen und Parteien. Die Bahn führte eine eigene Sekun- darschule ein, und in Erstfeld entstand die erste reformierte Kirche im Kanton Uri. Zeuge dieser Pionierzeit ist das Bahndepot Erstfeld. Die Gemeinde Erstfeld stellte Land und Wasser gratis zur Verfügung, bis heute übrigens, wie uns Bruno Lämmli auf einer Tour durch das Depot Erstfeld erklärt. Lokführer Lämmli gehört zu einem Team von Freiwilligen (Verein SBB His- toric, Team Erstfeld), welche sich in ihrer Freizeit um historische SBB-Fahrzeuge kümmern. Praktisch alle historischen Loks im Erstfel- der Depot sind betriebsbereit. Das gilt auch für SBB Historic bündelt Prachtexemplare wie die Ce 6/8 II 14253, die die Kräfte älteste betriebsfähige Elektrolok in der Schweiz PD Die Lagerkapazitäten von SBB Historic mit Baujahr 1919, bekannt unter dem Namen sind erschöpft und es werden dringend Krokodil. Oder für die Ae 8/14 11801: Die neue Lagerflächen benötigt. Deshalb hat schwerste und imposanteste Lok im Park von sich SBB Historic entschieden, die Kräfte SBB Historic bringt satte 240 Tonnen auf die der Stiftung zu bündeln und auf einen Waage. neuen zentralen Standort zu konzentrie- Um das Depot von Erstfeld ranken sich aller- ren: Archive, Sammlungen, Bibliothek und lei Geschichten. „Erstfeld wurde zur Strafkolo- Das Depot Erstfeld und eines seiner beliebtesten Stücke: Das Krokodil. Geschäftsstelle der Stiftung werden nach nie für die Depots Basel, Olten und Luzern. Wer Bilder: Gerhard Lob Brugg verlegt – ins ehemalige Gebäude des aufmüpfig war, wurde nach Erstfeld versetzt“, SBB-Materiallagers. Die bisherigen Standor- erzählt Lämmli. Doch die wenigsten Versetzten te im Grossraum Bern werden aufgehoben. hätten um eine baldige Rückkehr an die andern Nicht betroffen von diesem Umzug sind Standorte gebettelt. Wer das Depot einmal ken- Denkmalschutz eine Zukunft haben. Wer weiss, die dezentralen Standorte des historischen nen gelernt habe, habe sich nur schwer davon vielleicht besuchen die Fans statt dem Lokomo- Rollmaterials von SBB Historic. trennen können. tivdepot das Museum eines Depots im Depot“, Mit der Zusammenlegung der Standorte in Im Depot herrschte Hochbetrieb bis in die sagt Lämmle. Brugg ist kein Stellenabbau verbunden. Al- 1970er Jahre. Doch in den vergangenen Jahr- Für Erstfeld geht eine Epoche zu Ende. Wenn len 23 Mitarbeitenden wird eine Stelle am zehnten ist es ruhiger geworden. Erstfeld hat im Dezember 2016 der Gotthard-Basistunnel neuen Standort angeboten. Die Stiftung viele Arbeitsplätze verloren, die Einwohnerzahl eröffnet wird, werden nur noch wenige Züge Historisches Erbe der SBB – kurz SBB Histo- ging zurück. Für das Depot sieht es jetzt düster in Erstfeld halten. Es gibt aber einen Lichtblick: ric – ist eine Stiftung der SBB und seit 2001 aus. SBB Cargo hat den Einsatz der Lokführer Für den Betrieb des Gotthard-Basistunnels wer- verantwortlich für das historische Erbe der im Güterverkehr auf der Nord-Süd-Achse neu den in Erstfeld und Biasca je ein Erhaltungs- und Schweizer Bahn. Die Stiftung hat es sich geordnet. Das Depot Erstfeld wird 2017 nach Interventionszentrum für rund 80 Mitarbeiter zur Aufgabe gemacht, die Bahngeschichte der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels auf- gebaut. in all ihren Facetten für die Fachwelt und gehoben. für die interessierte Öffentlichkeit erlebbar „Die Schliessung ist beschlossen und so Info: Auf Wunsch wird für Gruppen von mind. zu machen. bleibt dem Personal nur noch eine beschränk- 10 Personen ein geführter Rundgang angeboten. te Zeit, sich an dem grünsten aller Depots zu Preis pro Person: 5 Fr. Buchung: Tel. 051 220 91 15, Internet: www.sbbhistoric.ch erfreuen. Die Gebäude werden wohl dank E-Mail: geschaeftsstelle@sbbhistoric.ch 14 InfoForum 1/2014 Aktuell
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