Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz

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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Holzbeschaffung
und nachhaltige
Holznutzung
Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz

Lucienne Rey und Philippe Thalmann
Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Die Ergebnisse und Empfehlungen des NFP 66
werden in vier Berichten zu den einzelnen
Teilsynthesen veröffentlicht.

Die Leitungsgruppe des NFP 66 unterteilte das Forschungsgebiet in vier
thematische Dialogfelder. Diese decken die wesentlichen Bereiche der Wald-
Holz-Wertschöpfungskette ab und umfassen je 4 bis 11 der insgesamt
30 Forschungsprojekte des NFP 66. Im Rahmen des NFP 66 tauschten sich
gegen 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden und
Behörden an 17 Dialogveranstaltungen mit den Forschenden aus.

Die vier Teilsynthesen berichten über die Forschungsprojekte und ihre
wichtigsten Ergebnisse sowie über den Dialog mit der Praxis.

• Synthese zum Dialogfeld «Weiterentwicklungen im Holzbau»
• Synthese zum Dialogfeld «Neue Wege zur holzbasierten Bioraffinerie»
• Synthese zum Dialogfeld «Innovative holzbasierte Materialien»
• Synthese zum Dialogfeld «Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung»

Das Programmresümee baut auf den vier Teilsynthesen auf und fasst die
wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen des NFP 66 in einer leicht lesbaren
Form zusammen.
Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Inhalt
    5 Editorial

    6 Die Forschung im Spannungsfeld der Wald- und Holzpolitik

    13 Warum wird Holz nicht stärker genutzt?
    21 Was braucht es, damit Wald und Holz stärker genutzt werden?

    26 Offene Fragen und Wissenslücken?

    28 Empfehlungen

    29 Literaturangaben

    32 Das NFP 66 in Kürze

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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
EDITORIAL
    Manch ein Forstarbeiter kann ein Lied davon singen, wie heftig Spazierende oder Sport-
    treibende zuweilen reagieren, wenn sie in unseren Wäldern auf Absperrungen, Motor-
    sägenlärm oder gar einen Harvester stossen. Der Holzschlag draussen steht bekanntlich
    nicht in bestem Ruf. Obschon dann drinnen viele ihre Eichenparkett, die Hüsler-Betten
    und die Wärme aus der Schnitzelfeuerung oder dem Kamin sehr mögen. Dieses Paradox ist
    nicht länger haltbar. In einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft für unsere Breitengrade
    sollte Holz schon längst eine wichtigere Rolle spielen, als es der nachwachsende Rohstoff
    heute tut. Die inneren Vorbehalte dem Holzschlag gegenüber gehören also abgebaut. Gera-
    de in Zeiten steigender Holzvorräte hier und endlicher Rohstoffquellen dort.

    Zum Glück bestätigt das NFP 66, dass sich bei uns die Holzgewinnung – umsichtige Ern-
    temethoden vorausgesetzt – mit den anderen Waldfunktionen meist verträgt. Wie etwa mit
    der Biodiversität, dem Klimaschutz oder mit dem Wald als attraktivem Erholungsraum.
    Mehr «Bewirtschaftungsgeist» vonnöten ist auch bei den nicht weniger als 250 000 Wald-
    eigentümern in unserem kleinen Land. Allzu viele, ob private oder öffentliche, bewirt-
    schaften ihre Vorräte wenig effizient. Erträge haben etwelche gar nicht nötig, die Defizite
    decken nicht selten andere. Der Fall scheint klar: Der Schweizer Wald braucht erheblich
    grössere Bewirtschaftungseinheiten und professionell aufgestellte Forstbetriebe, um
    Anbau, Ernte und Vermarktung künftig profitabler zu gestalten. Stetes Klagen über tiefe
    Holzpreise, zu viel Ökoauflagen oder karge Subventionen bringen Wald und Holz wenig.
    Mehr Staatsstützen für besondere Waldleistungen sind hier und dort zwar denkbar. Sie
    tragen jedoch die Gefahr ungewollter Strukturerhaltung oder blosser Mitnahmeeffekte
    in sich. Das wirksamste Mittel für eine bessere Holzmobilisierung ist nachgelagert eine
    starke und diversifizierte Verarbeitungsindustrie, so der Tenor aus den vielen NFP 66-
    Diskussionen.

    Was braucht es dazu? Antwort: Vieles. Sägereien, die sich zu umfassenden Grundstoff-
    erzeugern wandeln. Dazu ein fortschreitender Holzbau und neue holzbasierte Bau- und
    Kunststoffe für allerlei Anwendungen. Aber auch erste Bioraffinerien, die hölzerne
    Biomasse zu Chemikalien, Treibstoffen oder anderem veredeln. Dies alles in der Absicht,
    gerade für das viele Laubholz in unseren Wäldern die nötigen Technologien für eine
    nachhaltige stoffliche Verwertung zu schaffen, anstatt es vorschnell zu verbrennen. Was
    wünsche ich mir noch? Genau: Unternehmen, Verbände und Behörden, die ihre zu engen
    Stammplätze verlassen und diese ganzheitliche Sicht auf die Ressource Holz durchsetzen
    helfen.

    Das NFP 66 zeigt vielfältige Wege in die besagte Richtung auf. Gehen wir sie! Allen, die
    an den Forschungsarbeiten, den vielen Dialogveranstaltungen und zum Schluss an diesem
    Synthesebericht persönlich mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

    Dr. Martin Riediker
    Präsident Leitungsgruppe NFP 66 Ressource Holz

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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Die Forschung im
Spannungsfeld der
Wald- und Holzpolitik
             Der Schweizer Wald ist ebenso vielfältig wie die Schweiz als solche.
             Entsprechend ist eine undifferenzierte Betrachtung wenig sinnvoll:
             Es gilt, die Nutzungsziele und Bewirtschaftungsprinzipien optimal
             auf die einzelnen Wälder abzustimmen – nicht zuletzt, um damit auch
             allfällige Konflikte zwischen den verschiedenen Funktionen des
             Waldes zu entschärfen.

Der Wald ist ein prägendes Element der hiesigen        In ihrem Aufbau orientiert sich die hier vorlie-
Landschaft, und Holz hat als Baumaterial und           gende Synthese an den politischen Zielsetzungen
Energieträger in der Schweiz eine lange Traditi-       zur Waldbewirtschaftung und Holznutzung und
on. In seiner Waldpolitik 2020 legt der Bund fünf      am Dialog mit verschiedenen Interessengruppen.
Hauptziele fest, die einen nachhaltigen Umgang         Sie bezieht zudem Ergebnisse aus anderen For-
mit dem Wald gewährleisten sollen (siehe «Die          schungsarbeiten sowie Erkenntnisse ein, die in
Mutlifunktionalität des Waldes» S. 10). An erster      fünf Plattformanlässen gewonnen wurden, in de-
Stelle steht dabei der Grundsatz, das Potenzial        ren Rahmen von 2014 bis 2016 die Forschenden
des nachhaltig nutzbaren Holzes sei auszuschöp-        mit Vertretern aus der Wald- und Holzwirtschaft
fen. Ausserdem soll der Wald zur Minderung der         und der Verwaltung ins Gespräch kamen. Wer eine
Klimaerwärmung beitragen. Auch sollen seine            nach Forschungsprojekten strukturierte Übersicht
Schutzleistung gesichert, die Biodiversität erhalten   über deren Ansätze und Ergebnisse wünscht, fin-
bzw. gezielt verbessert, sein Beitrag zur Erholung     det sie in den wissenschaftlichen Projektberichten.
der Bevölkerung gewährleistet und schliesslich die
Waldfläche erhalten bleiben.                           Der Schweizer Wald und die gegenwärtige
                                                       Nutzung von Holz
Der vorliegende Synthesebericht setzt die Ergeb-
nisse der Forschungsprojekte aus dem NFP 66 und        Rund 31 Prozent der Schweizer Landesfläche sind
des Dialogfelds «Holzbeschaffung und nachhaltige       bewaldet. Gemäss dem Schweizerischen Landes-
Holznutzung» in Beziehung zur wald- und holz-          forstinventar (LFI) betrug der Holzvorrat aller le-
politischen Zielsetzung des Bundes. Mehrere Pro-       benden Bäume im Jahr 2013 419 Mio. m³ (BAFU
jekte aus diesem Dialogfeld tragen dazu bei, diese     2016). Zwischen 2006 und 2014 hat er um rund
Ziele präziser zu formulieren und gegeneinander        6 Mio. m³ oder um 1,5 Prozent zugenommen. Um
abzuwägen; einige der Untersuchungen geben             eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes si-
auch Aufschluss darüber, ob bzw. wie gut sie be-       cherzustellen, sollten sich Zuwachs und Ernte von
reits erreicht wurden bzw. warum nicht. Die Syn-       Holz langfristig die Waage halten. Vorübergehende
these ermöglicht damit einen Überblick über das        Abweichungen vom Gleichgewichtszustand sind
System «Waldwirtschaft und Holznutzung» und die        aber die Regel; so könnte nach über 140 Jahren der
Herausforderungen, die sich ihm stellen.               Unternutzung vieler Schweizer Wälder durchaus

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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
einige Jahrzehnte lang mehr Holz daraus entnom-                               einer Güterabwägung – denn dass der Wald überall
men werden als nachwächst (Projekt MOBSTRAT).                                 nach den gleichen Kriterien bewirtschaftet wird,
                                                                              ist keine sinnvolle Zielsetzung. Auch gibt es ausser
     Projekt «MOBSTRAT: Strategien zur                                        beim Schutzwald keine Bewirtschaftungspflicht. Es
     Holzmobilisierung aus Schweizer                                          gilt also zunächst, die Frage zu beantworten, wieso
     Wäldern»                                                                 es aus integraler Sicht sinnvoll ist, mehr Holz zu
                                                                              nutzen. Das NFP 66 sollte somit den Mehrwert und
     Projektverantwortliche: Peter Brang, Edgar Kaufmann,                     die erfolgversprechenden Wege einer verstärkten
     Roman Rudel, Esther Thürig                                               Holznutzung aufzeigen.
     MOBSTRAT zielte darauf ab, Hindernisse und Möglich-
     keiten für eine Nutzungssteigerung des Holzvorrats im                    Potenzial der nachhaltigen
     Schweizer Wald aufzuzeigen. Dazu wurde das Waldent-                      Holzgewinnung
     wicklungsmodell Massimo3 weiterentwickelt und Szenari-
     en zur waldbaulichen Umsetzung einer erhöhten Nutzung                    Zwischen 2007 und 2013 betrug der jährliche
     modelliert. Damit konnten deren langfristige Folgen für                  Holzzuwachs 10,1 Mio. m3, davon wurden jährlich
     die Nutzungsmengen, den zukünftigen Zuwachs sowie                        7,2 Mio. m3 genutzt. Die wald- und holzpolitische
     für Ökosystemleistungen in drei Fallstudien abgeschätzt                  Zielsetzung des Bundes liegt bei 8,2 Mio. m3/Jahr
     werden. In einer Fallstudie im Tessin wurden die Manage-                 (Waldpolitik 2020, Ressourcenpolitik Holz, BAFU)1.
     mentszenarien mit Experten und Stakeholdern in einer                     Die letzte Studie zum Holznutzungspotenzial des
     partizipativen multikriteriellen Analyse bewertet.                       Schweizer Waldes wurde 2015/2016 durchgeführt.
                                                                              Sie zeigt auf, dass das biologische Potenzial gleich
Dank der Nutzung von Holz werden in der Schweiz                               bleibt, dass aber unter den aktuellen ökonomi-
pro Jahr gegenwärtig 2,2 Millionen Tonnen CO2                                 schen Rahmenbedingungen eine Ausschöpfung
eingespart. Dies, weil sonst statt des Holzes ener-                           des nachhaltig nutzbaren Potenzials schwieriger
gieintensivere Materialien – etwa Stahl oder Be-                              geworden ist (Taverna et al. 2016). Das Erntepo-
ton – und Brennstoffe (z.B. Erdöl oder Kohle)                                 tenzial bleibt über 8 Mio. m3 Holz pro Jahr, unter
eingesetzt würden (Suter et al. 2016). Hinzu kom-                             der Annahme, dass eine steigende Nachfrage für
men noch etwa 2,5 Millionen Tonnen CO2, die im                                Nadel-, Energie- und Industrieholz (welches künf-
Durchschnitt der letzten zehn Jahre in wachsen-                               tig auch für chemische Zwecke genutzt werden
den Bäumen und in Holzprodukten gespeichert                                   könnte) die zunehmenden Erntekosten deckt (Sta-
wurden (BAFU 2016). Von den 2014 geernteten 4,9                               delmann et al. 2016). Die Holznutzungspotenziale
Mio. m3 fester Holzsubstanz wurden 37 Prozent als                             wurden mit dem Waldentwicklungsmodell Massi-
Energieholz genutzt und weitere 11 Prozent als In-                            mo3 der WSL berechnet. Mit diesem Modell wur-
dustrieholz, das hauptsächlich für die Herstellung                            den die Schätzungen für die Kantone Aargau und
von Papier und Platten Verwendung fand; mit 52                                Graubünden verfeinert (Temperli et al. 2017a und
Prozent der grösste Teil wurde im Bausektor und                               2017b). Es zeigte sich, dass in vielen Bergwäldern
für die Herstellung von Möbeln und Verpackungs-                               die heutigen Erntemengen über mehrere Jahr-
materialien eingesetzt (BAFU 2016).                                           zehnte verdoppelt werden könnten. Im Mittelland
                                                                              geht jedoch eine Steigerung der Erntemenge mit
Damit ist aber das Potenzial des Schweizer Holzes                             einer Verringerung des künftigen Zuwachses ein-
noch nicht ausgeschöpft. Würde der Holzzuwachs                                her und steht mit Biodiversitätszielen in Konflikt.
stärker genutzt, liessen sich die CO2-Einsparungen
gegenüber heute um ein knappes Drittel, nämlich                                  Fazit 1
um bis zu 0,9 Millionen Tonnen CO2, erhöhen.                                     In den Schweizer Bergwäldern gibt es einen beträcht-
Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der                                    lichen und wachsenden Holzvorrat, der einer Nutzung
Forstwirtschaft (Grober 2010). Er besagt, dass dem                               zugeführt werden könnte. Die wirtschaftliche Holzbereit-
Wald nur so viel Holz entnommen werden darf wie                                  stellung stellt in diesen Gebieten allerdings eine Heraus-
nachwächst. Das Waldgesetz formuliert den Be-                                    forderung dar.
wirtschaftungsgrundsatz wie folgt: «Der Wald ist so
zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen dau-
ernd und uneingeschränkt erfüllen kann (Nach-
haltigkeit)» (Art. 20 WaG). Damit ist klar, dass der
Wald und seine Schutz-, Wohlfahrts- und Nutz-
funktionen erhalten bleiben müssen. Eine unver-
hältnismässige Erhöhung der Holznutzung würde
diese Funktionen beeinträchtigen. Es bedarf stets

    Alle Zahlen von der Webpage des BAFU: http://www.bafu.admin.ch/umwelt/indikatoren/08606/11406/index.html.
                                                                                                                                              7
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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
Holzproduktion                                                 Substitution
                                                                        Gebäudebereich Holzbau
                                                           Holzverarbeitung

                                  Rundholz

                                                                                                                Substitution
                                                                                                                Holzprodukte
       Nutzungskaskade
                                                  Industrie- und Energieholz
                                                                                                                    Produktion
                                                                                                                    Holzprodukte

Holzwerkstoffproduktion

                                                                 Produktion                      Altholz
        Substitution            Papier- und
        Materialien und                                          Chemikalien
                                Kartonproduktion
        Chemikalien

                                                                                         Substitution
                                                     Energiedienstleistungen             Energiedienstleistungen

Abb. 1 Verschiedene Verwendungsmöglichkeiten von Holz (Quelle: Steubing et al. 2015)

Verschiedene Verwendungsmöglichkeiten                                 2015). Für die Verwendung von Holz als Baumate-
von Holz                                                              rial spricht auch sein geringes Gewicht: So eröffnet
                                                                      Holz die Möglichkeit, bei der Erneuerung des Ge-
Holz ist ein vielseitig verwendbarer Rohstoff (Steu-                  bäudebestandes die alten Fundamente zu verwen-
bing et al. 2015). So vermag er andere Rohstoffe zu                   den, was den CO2-Ausstoss beim Bauen zusätzlich
ersetzen und damit den ökologischen Fussabdruck                       senkt (Lars Tellnes, LCA-Forum, 04.12.2015). Auch
der Produktion und des Konsums zu senken.                             bei der Verdichtung bestehender Siedlungen durch
                                                                      An- und Aufbau ist Holz deshalb ein vorteilhaftes
Ersatz energieintensiver Materialien                                  und zunehmend beliebtes Baumaterial – wie ins-
                                                                      besondere der Synthesebericht S1 «Weiterent-
Verschiedene Studien unterstreichen das ökologi-                      wicklungen im Holzbau» ausführt. Im Synthese-
sche Potenzial von Holz als (Bau-)Material. Insbe-                    bericht S3 «Innovative holzbasierte Materialien»
sondere, wenn Holz energieintensive Materialien                       werden die Forschungsarbeiten vorgestellt, die für
wie Metalle, Plastik oder Beton im Bau, bei Möbeln                    den Holzbau wichtige Eigenschaften des Holzes
und in der Verpackung ersetzt, trägt dies zur Re-                     verbessern (Dauerhaftigkeit, Brandschutz, Schutz
duktion des klimatischen Fussabdrucks bei (Suter                      vor UV-Strahlung und Wetterechtheit). Vorteilhaft
2016). Im Vergleich zu Massivbauten aus Beton                         an der Nutzung von Holz ist zudem, dass es mehr-
oder Backstein stossen Gebäude aus Holz über                          fach verwendet werden kann (siehe Kapitel Kas-
den ganzen Lebenszyklus gesehen nur etwa halb                         kadennutzung, S. 19).
so viel CO2 aus. Dieser Vorteil wird auch dadurch
nicht aufgehoben, dass Holzbauten über das gan-                          Fazit 2
ze Jahr gesehen durchschnittlich 2 bis 5 Prozent                         Die ökologischen und technischen Vorteile von Holz als
mehr Heizenergie benötigen als Massivhäuser und                          Rohstoff und Baumaterial wurden wissenschaftlich belegt.
auch eher gekühlt werden müssen (Heeren et al.

8
Holz als Energieträger                                                              als der Hälfte der Holzabfälle geschieht. Eine vo-
Wird Holz anstelle energieintensiverer Materiali-                                   rangehende stoffliche Verwertung ist allerdings
en verwendet, können erhebliche CO2-Einsparun-                                      selbst bei Holzabfall und Energieholz vorzuziehen,
gen erzielt werden. Im Schweizer Kontext fallen die                                 weil das Holz so länger im Kreislauf bleibt (Thees
höchsten Einsparungen beim Einsatz von Holz als                                     et al. 2013). Ein Ziel des NFP 66 war es gerade,
Energieträger an (Suter 2016). Im Jahr 2015 wur-                                    Wege zu einer vermehrten und verbesserten stoff-
den in der Schweiz 4,15 Mio. m³ Holz energetisch                                    lichen Verwertung von Holz, und zwar auch von
genutzt (ohne Kehrichtverbrennungsanlagen), was                                     Holzabfall, zu entwickeln (siehe Kapitel zur Kas-
einem Endenergieumsatz von gut 11 000 GWh ent-                                      kadennutzung, S. 19). So wäre es eigentlich anzu-
spricht; davon waren rund 2,4 Mio. m3 Waldholz                                      streben, für die Erzeugung von Strom und Wärme
(BFE 2016). Das langfristige technische Potenzial an                                andere erneuerbare Energien wie Wasser, Wind
Schweizer Waldenergieholz (Derbholz und Reisig                                      und Sonne heranzuziehen und das Holz zur Pro-
mit Rinde und Blättern) wurde je nach Nutzungs-                                     duktion von stofflichen Produkten oder Chemika-
szenario auf 3,1 bis 5,1 Mio. m3 geschätzt (Thees et                                lien mit einer höheren Wertschöpfung zu verwen-
al. 2013). Ein Durchschnitt von 4 Mio. m3 bedeutet                                  den (siehe Syntheseberichte S2 «Neue Wege zur
10 000 GWh Energie, die ohne zusätzliche Energie-                                   holzbasierten Bioraffinerie» und S3 «Innovative
holzplantagen und ohne Vorratsabbau zur Verfü-                                      holzbasierte Materialien»).
gung stehen, und 2,2 Millionen Tonnen CO2, die ein-
gespart werden können.2 Besonders in den Alpen                                         Fazit 3
und auf der Alpensüdseite wäre es möglich, mehr                                        Die energetische Verwertung von Holz ist sehr wichtig
Energieholz kostendeckend zu nutzen; dabei könn-                                       und wird es bleiben. Die Umwandlungsverluste werden
te idealerweise das Holz vor Ort verwendet werden,                                     laufend verringert, aber nach wie vor wird nur ein Teil des
um lange Transportwege zu vermeiden. Dank seiner                                       Potenzials genutzt. Neue Verfeuerungstechnologien er-
guten Speichereigenschaften könnte dieses Holz                                         zeugen mehr Nutzenergie bei weniger Umweltbelastung.
sowohl in der Grundlastversorgung von Wärme und                                        Noch besser wäre es, wenn langfristig nur noch Rest-
Strom als auch als Ausgleich für die derzeit kaum                                      stoffe, die stofflich nicht mehr verwertet werden können,
speicherbaren erneuerbaren Energien eingesetzt                                         energetisch genutzt würden.
werden. Die durch die energetische Holzverwer-
tung erzeugten Feinstaubemissionen können durch
geeignete Massnahmen wie bspw. moderne, korrekt                                     Erwartungen an den Wald
betriebene Holzheizungen mit Qualitätssiegel redu-
ziert werden (Nussbaumer 2013).                                                     Bedeutung der Schutzfunktion des Waldes

Die Ziele der Energiestrategie 2050 sind jedenfalls                                 Wälder leisten einen wirkungsvollen Beitrag zum
nur zu erreichen, wenn sämtliche erneuerbaren                                       Schutz von Siedlungen und Infrastrukturen. Im
Energiequellen – also auch das Waldholz – aus-                                      Berggebiet ist der Wald vielerorts unabdingbar,
geschöpft werden. Bereits heute macht Holz im                                       um Siedlungen, Verkehrswege und andere Anla-
Endenergieverbrauch der Schweiz 11 Prozent der                                      gen vor Lawinen, Murgängen und Erdrutschen zu
Brennstoffe zur Wärmeerzeugung aus (Jahrbuch                                        schützen. Das Bundesgesetz über den Wald bezieht
Wald und Holz 2016, G14.1) Eine grössere vollauto-                                  sich in mehreren Artikeln (Art. 1, 19, 20, 36, 37)
matische Holz-Wärme-Kraft-Kopplungsanlage er-                                       ausdrücklich auf die Schutzfunktion des Waldes
zielt aus Sicht von Umwelt, Wirtschaftlichkeit und                                  und hält fest, die Kantone hätten dort, «wo es die
Effizienz die vergleichsweise beste Gesamtbilanz                                    Schutzfunktion erfordert» (Art. 20), eine minimale
(Steubing 2013). Der Weg über die Umwandlung                                        Pflege sicherzustellen.
des Rohstoffs zu Gas hat ein grosses Potenzial, in-
des muss bei diesem Ansatz der Gesamtwirkungs-                                      Die Forschung hat Methoden entwickelt, um die
grad noch verbessert werden.                                                        Schutzleistung des Waldes in Geldwert umzurech-
                                                                                    nen. So wurden mit einer Ersatzkostenrechnung
Besonders in der energetischen Verwertung des                                       die Kosten für verschiedene technische Alternati-
Holzes gibt es also noch grosses Verbesserungs-                                     ven ermittelt, um ein Quartier des Dorfes Ander-
potenzial (Biollaz 2013, Steubing 2013). Der Holz-                                  matt vor Lawinen zu schützen (Olschewski 2013).
abfall sollte besser sortiert und der geeignetsten                                  Diese Untersuchung belegt, dass es möglich ist,
Verfeuerungstechnologie zugeführt werden. Es                                        Kosten und Nutzen der Schutzleistung von Wäl-
würde die Schweizer CO2-Bilanz verbessern, wenn                                     dern einander gegenüberzustellen und so Ent-
Holzabfall (Altholz) vermehrt im Land energetisch                                   scheidungshilfen für die effiziente Bereitstellung
genutzt statt exportiert würde, was heute mit mehr                                  dieser Leistungen zu geben. Unter anderem zeigte

    Bei einer energetischen Nutzung ist pro m3 Festholz mit Einsparungen von ca. 0,55 Tonnen CO2-Äquivalenten zu rechnen.
                                                                                                                                                     9
2
sich, dass alle technischen Schutzeinrichtungen             maximal 5000 Franken (für Wälder im Mittelland)
mehr kosten als ein vorsorglicher Unterhalt der             pro Person. Vergleichbare Berechnungen aufgrund
Schutzwälder und dass die Zahlungsbereitschaft              der zweiten Bevölkerungsumfrage Waldmonitoring
der Bevölkerung oft höher ist als die Kosten sol-           soziokulturell (WaMos 2) schätzen den Erholungs-
cher Massnahmen.                                            wert des Schweizer Waldes auf mindestens 290 bis
                                                            590 Franken pro Person und Jahr (von Grüningen
Zudem liefert die (subventionierte) Bewirtschaf-            et al. 2014). Als entscheidende Faktoren stellten
tung des Schutzwaldes einen wesentlichen Teil               sich dabei die Distanz zwischen Wohnort und Wald,
der Holzernte in Bergregionen und dürfte es auch            das Vorhandensein eines Ersatzerholungsgebietes,
in Zukunft tun (Temperli et al. 2017b). Zwischen            der sozioökonomische Hintergrund der Befragten
dem 3. (2004–2006) und dem 4. (2009–2013) Lan-              sowie die Ausstattung eines Waldes mit Infrastruk-
desforstinventar (LFI) wurden in Graubünden pro             tur (bspw. Wegen und Bänken) heraus.
Jahr 388 000 m3 Holz geschlagen. Davon stammten
62 Prozent aus dem Schutzwald gemäss SilvaPro-               Fazit 5
tect, welcher 58 Prozent der Waldfläche Graubün-             Die Bevölkerung ist bereit, relativ hohe Beträge für den
dens ausmacht. Auf die ganze Schweiz bezogen                 Schutz von Wäldern zu bezahlen, die sie als Erholungs-
stammte die Holzernte zwischen dem 3. und dem                raum nutzen kann oder die als Naturreservate dienen.
4. LFI zu 28 Prozent aus dem Schutzwald (44% der
Waldfläche) (Abegg et al. 2014).
                                                             Die Multifunktionalität des Waldes und
 Fazit 4                                                     die Waldpolitik 2020
 Die Schutzwälder liefern eine wertvolle und bewertbare
 Leistung. Sie sind gleichzeitig wichtige und oft unter-     Laut Waldgesetz soll der Wald in seiner Fläche und in
 schätzte Holzlieferanten. Zudem bieten Wälder einen         seiner räumlichen Verteilung erhalten bleiben. Er soll eine
 effizienten Schutz vor Naturgefahren, weil ihr Unterhalt    naturnahe Lebensgemeinschaft bilden, die ihre Schutz-,
 weniger kostet als die Errichtung technischer Schutz-       Wohlfahrts- und Nutzfunktion (Waldfunktionen) erfüllen
 einrichtungen.                                              kann. Gleichzeitig ist die Waldwirtschaft zu fördern und zu
                                                             erhalten. Die Waldpolitik 2020 leitet daraus elf Ziele ab,
                                                             davon die fünf Schwerpunktziele:
Stellenwert des Waldes in der Bevölkerung                    1. Das Potenzial nachhaltig nutzbaren Holzes wird
                                                                 ausgeschöpft
Dass der Schutz des Waldes der Öffentlichkeit ein            2. Klimawandel: Der Wald und die Holzverwendung
grosses Anliegen ist, zeigen Untersuchungen zur                  tragen zur Minderung bei und die Auswirkungen auf
entsprechenden Zahlungsbereitschaft in der Be-                   seine Leistungen bleiben minimal
völkerung. So ermittelte die Studie Borzykowski              3. Die Schutzwaldleistung ist gesichert
et al. (2017), dass Schweizer Haushalte im Durch-            4. Die Biodiversität bleibt erhalten und wird gezielt
schnitt bereit wären, 470 bis 500 Schweizer Fran-                verbessert
ken pro Jahr für die Verdoppelung der Fläche der             5. Die Waldfläche bleibt erhalten
Waldreservate zu bezahlen, wo die Nutzung im In-
teresse der Biodiversität eingeschränkt wird (mehr           Hinzu kommen sechs weitere Ziele:
dazu im Kapitel Zahlungsbereitschaft für Waldre-             6. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
servate, S. 25).                                                 Waldwirtschaft wird verbessert
                                                             7. Die Waldböden, das Trinkwasser und die Vitalität der
Der Wald ist auch als Freizeit- und Erholungs-                   Bäume sind nicht gefährdet
raum beliebt. Hierzulande sucht die Bevölkerung              8. Der Wald wird vor Schadorganismen geschützt
im Durchschnitt mehr als vierzigmal im Jahr einen            9. Wald und Wild stehen in einem Gleichgewicht
Wald auf (Borzykowski et al. 2014). Aus den ent-             10. Die Freizeit- und Erholungsnutzung erfolgt schonend
sprechenden Ausgaben in Geld und Zeit kann für               11. Bildung, Forschung und Wissenstransfer sind
den Erholungswert des Waldes eine Zahlungsbe-                    gewährleistet
reitschaft geschätzt werden (Reisekostenmethode).
Borzykowski et al. (2016) schätzen, dass die Zah-
lungsbereitschaft von Waldbesuchern ihre tatsäch-
lichen Ausgaben um 25 bis 113 Franken pro Besuch
im Wald übersteigt (Konsumentenrente). Auf das
Jahr hochgerechnet bedeutet dies eine Konsumen-
tenrente von 900 Franken (für Wälder im Jura) bis

10
Abb. 2 Der Wald ist auch als Freizeit- und Erholungsraum sehr beliebt.

Bedeutung der Holznutzung für Biodiversität                              Auch die Funktion des Waldes als CO2-Senke
und CO2-Speicherung                                                      spricht nicht einfach für oder gegen eine inten-
                                                                         sivere Holznutzung. Wird diese reduziert, nimmt
Ökologische Gründe können für eine intensive-                            die Senkenleistung zunächst erheblich zu. Nach
re Holznutzung sprechen. Namentlich im Tessin                            einigen Jahrzehnten schwächt sich diese Wirkung
führt die Unternutzung des Waldes dazu, dass sich                        aber ab, und der Wald wird zum Risikofaktor: Denn
die nicht bewirtschafteten Bestände landschaft-                          in der Zwischenzeit wächst ein grosser Holzvor-
lich angleichen, was sich sowohl aus ästhetischer                        rat nach, was das Risiko erhöht, dass der Wald auf
Sicht als auch mit Blick auf die Biodiversität ne-                       Stürme und andere Waldschäden empfindlicher
gativ auswirken kann (Stadelmann et al. 2015).                           reagiert (Fischlin et al. 2006). Die CO2-Senke kann
Zudem steigt die Waldbrandgefahr. Oft steht in                           so rasch zu einer Quelle werden.
wenig gepflegten Wäldern zu viel Starkholz, das
schwierig zu verwerten ist und die Anfälligkeit der                       Fazit 6
Wälder gegenüber Störungen wie Sturmschäden                               Eine geringere Holznutzung kann der Biodiversität sowohl
und Borkenkäferbefall erhöht. Mit einer erhöhten                          dienen als auch schaden. Die grösste CO2-Speicherung
Anfälligkeit einher geht das Risiko, dass die Leis-                       auf der bestehenden Waldfläche erhält man langfristig,
tungsfähigkeit der Wälder als Schutz vor Lawinen,                         wenn so viel geerntet wird wie nachwächst.
Steinschlag und Murgängen abnimmt. Anderer-
seits werden dicke und auch abgestorbene Bäume
von zahlreichen Insekten und Vögeln als Nistplät-
ze oder Futterquellen genutzt.

                                                                                                                                 11
Konflikte zwischen verschiedenen                       dass gerade diese Art der Bewirtschaftung zu hö-
Anliegen                                               heren Erntekosten führt (Thees 2016).

Ein namhafter Teil der Holzressourcen bleibt un-       Dies zeigt auch die Aargauer Fallstudie, wo ein Holz-
genutzt. So hat im Tessin der Holzvorrat im Kasta-     nutzungsszenario modelliert wurde, das gezielt die
nienwald zwischen 1985 und 2013 um 50 Prozent          Biodiversität fördert, indem grosse Bäume, die Pflan-
zugenommen. Doch selbst dort stimmen die Akteu-        zen und Tieren einen Lebensraum bieten, erhalten
re und Experten nur dann einer verstärkten Holz-       bleiben (Temperli et al 2017b). In diesem Szenario
nutzung zu, wenn dadurch die Biodiversität und         steigen mit jedem geschützten Habitatbaum die Ern-
die Landschaft nicht negativ beeinflusst werden        tekosten um 50 Rappen pro m³, während die Ernte-
(Stadelmann et al. 2015).                              menge um 0,055 m3 pro Hektar und Jahr zurückgeht.

Indes zeigt die lokale und globale Betrachtung der      Fazit 7
Holznutzung, dass die Verwendung von Schweizer          In der Wald- und Holzbranche wie auch in der Bevölke-
Holz dem Rückgang der Biodiversität entgegen-           rung besteht weitgehend Einigkeit, die Wälder seien so zu
wirken kann. Denn der Artenreichtum des Waldes          nutzen, dass ihre Multifunktionalität gewährleistet bleibt.
hängt stark von der Intensität seiner Bewirtschaf-      Dies führt zu höheren Erntekosten und tieferen Nutzungs-
tung und der geografischen Lage ab: Eine Meta-          mengen als bei nicht multifunktionalen Wäldern, was über
analyse (Chaudhary et al. 2016a) weist nach, dass       Einsparungen durch effizientere Prozesse und Verfahren
bei selektiven Bewirtschaftungssystemen, wie sie –      kompensiert werden muss.
nicht zuletzt wegen des Kahlschlagverbots – in
der Schweiz praktiziert werden, kein signifikanter
Rückgang in der Anzahl Arten gegenüber naturbe-          Der Dialog mit der Praxis
lassenen Wäldern (unmanaged forest) beobachtet
werden kann. Allerdings sind Artenverschiebun-           Im Rahmen des Wissens- und Technologietransfers haben
gen nicht ausgeschlossen. Wenn also statt Holz           in der Dialogplattform 4 «Holzbeschaffung und nachhal-
aus dem Ausland – im schlimmsten Fall aus nicht          tige Holznutzung» zwischen August 2014 und April 2016
nachhaltig bewirtschafteten Tropenwäldern mit ei-        verschiedene Workshops mit Praxis- und Branchenvertre-
ner hohen Anzahl endemischer Arten – solches aus         tern zu folgenden Themen stattgefunden:
der Schweiz verwendet wird, leistet dies auf globa-
ler Ebene einen Beitrag zugunsten der Biodiversi-        Workshop 1: Runder Tisch «Analyse der Wertschöp-
tät, da Waldrodungen in zahlreichen Holz expor-          fungskette Wald und Holz in der Schweiz (A-WSK)»
tierenden Ländern mit einem hohen endemischen            SNF, Bern, 27. August 2014
Artenreichtum erhebliche Biodiversitätsverluste
nach sich ziehen können (Chaudhary et. al. 2016b).       Workshop 2 zum Thema «NFP 66: Forschung
                                                         auf dem Holzweg?»
Auch bei der Bevölkerung geniesst der Wald als           Neuere Forschung zur Holzbeschaffung und zur
Lebensraum für Tiere und Pflanzen und wegen              nachhaltigen Holznutzung im Lichte der Praxis
seiner Schutzfunktion eine hohe Wertschätzung,           FHNW Campus Olten, 11. März 2015
die im Prinzip auch dem Image des Schweizer Hol-
zes zugutekommen könnte. Der Bereitstellung von          60. Ausgabe des LCA-Diskussionsforums:
Holz allerdings kommt in der öffentlichen Wahr-          «Holz im Brennpunkt – Möglichkeiten und
nehmung eine untergeordnete Bedeutung zu; die-           Grenzen von Lebenszyklusanalysen»
sen Befund brachte eine Pilotbefragung in Genf           ETH Zürich, 4. Dezember 2015
zutage (Baranzini et al. 2015). Eine Folgebefragung,
die schweizweit durchgeführt wurde, hat diese Er-        Workshop 3 zum Thema «Ökonomische Bewertung
gebnisse bestätigt, zugleich aber auch gezeigt, dass     von Ökosystemleistungen des Waldes»
die Bevölkerung in der Mehrheit eine verstärkte          Fachhochschule für Wirtschaft Genf (HEG Genf),
wirtschaftliche Nutzung des Waldes wünscht. Sie          29. Januar 2016
sieht diese als durchaus vereinbar mit dem Schutz
von Biodiversität und Landschaft, besonders, wenn        Workshop 4: Kick-off-Veranstaltung
dadurch importiertes Holz ersetzt wird (Borzykow-        zur Programmsynthese
ski und Kacprzak 2016). Die Bewirtschaftung der          Seminarhotel Arte, Olten, 14. April 2016
Wälder nach Grundsätzen des naturnahen Wald-
baus trägt zum Erhalt der Naturräume und der Ar-         Für Berichte und Dokumentationen zu den einzelnen
tenvielfalt bei. Hier könnte man jedoch bemerken,        Workshops siehe www.nfp66.ch

12
Warum wird
Holz nicht stärker
genutzt?
             Die Topografie der Schweiz erschwert vielerorts die Bewirtschaftung
             der Wälder. Weitere Herausforderungen für eine kostendeckende
             oder gar gewinnbringende Holzproduktion stellen die forstlichen
             Betriebsstrukturen und das hierzulande hohe Lohnniveau dar. Der
             gegenwärtig starke Franken schwächt die Schweizer Holzbranche im
             internationalen Wettbewerb zusätzlich.

Die Analyse im vorigen Kapitel hat gezeigt, dass     Die hohen Erntekosten und ihre Ursachen
mehr Holz aus den Schweizer Wäldern gewonnen
werden könnte, jedoch nicht unbegrenzt viel und      Wirtschaftliche Gründe verhindern, dass das Ern-
regional in unterschiedlichem Masse. Andere Er-      tepotenzial ausgeschöpft wird, insbesondere in
wartungen an den Wald sprechen gegen eine ver-       den Bergwäldern, wo hohe Erntekosten anfallen.
stärkte Holznutzung, so z.B., wenn die Bevölkerung   Es entgehen dieser Beschränkung einzig Schutz-
mehr Wälder grundsätzlich eher schützen als für      wälder, deren für die Schutzwirkung unabdingba-
die Holzproduktion nutzen möchte (siehe Kapitel      rer Unterhalt mit Abgeltungen gefördert wird. Dies
Konflikte zwischen verschiedenen Anliegen, S. 12).   führt paradoxerweise dazu, dass im Gebirge gera-
                                                     de diese Wälder zu den wichtigsten Holzlieferan-
Es kommen aber noch wirtschaftliche Hindernisse      ten wurden (siehe Kapitel Bedeutung und Schutz-
hinzu, auf die in diesem Kapitel näher eingegan-     funktion des Waldes, S. 9).
gen wird. So werden für die unvollständige Aus-
schöpfung des Holzpotenzials immer wieder fol-       Am tiefsten sind die durchschnittlichen Holzernte-
gende Gründe angegeben:                              kosten, wenn billige Arbeitskraft grosse, homogene
                                                     Baumbestände auf flachem Terrain kahlschlagen
• Wegen der natürlichen und wirtschaftlichen         kann. Diese Bedingungen sind in der Schweiz al-
  Bedingungen sind die Produktionskosten zu hoch.    lesamt nicht gegeben, weil gemäss Waldgesetz der
• Die Nachfrage nach Schweizer Holz ist zu klein.    Kahlschlag verboten ist (siehe dazu Abb. 3). Selbst
  Dies gilt wegen des starken internationalen 		     im Mittelland bei besten Wachstums- und güns-
  Wettbewerbs in besonderem Mass.                    tigsten Erntebedingungen ist die Holzproduktion
• Es bereitet den Eigentümern Mühe, ihre Wälder      vielfach defizitär (Thees 2016). Im Jura und auf
  kostendeckend zu bewirtschaften; in der ganzen     der Alpensüdseite sind 45 Prozent der Fläche mit
  Wertschöpfungskette gibt es Verbesserungs-         Wald bedeckt, und zwar vorwiegend auf Flächen,
  potenzial.                                         die für eine landwirtschaftliche Nutzung zu steil
                                                     sind. Auch an der Alpennordflanke sind vor allem
Diese Gründe sollen im Folgenden ausgeleuchtet       die steilen Berghänge bewaldet. Der Anteil Wald ist
werden. Im vierten Kapitel werden Korrektur-         hier mit knapp 30 Prozent der Fläche aber deutlich
massnahmen vorgeschlagen.                            geringer, weil dem Wald aufgrund der Höhenlage

                                                                                                    13
Streuung der Betriebsergebnisse nach Forstzonen im TBN 2015
                                 6000

                                            Gewinnzone
                                 5000

                                            46%
                                 4000
                                                                                                                    Jura
               Erlöse [CHF/ha]

                                                                                                                    Mittelland

                                                                                       54 %
                                 3000
                                                                                                                    Voralpen

                                                                                                                    Alpen

                                 2000

                                 1000

                                                                                      Verlustzone
                                   0
                                        0         1000       2000        3000         4000     5000       6000
                                                                    Kosten [CHF/ha]

Abb. 3 Streuung der Betriebsergebnisse nach Forstzonen im TBN 2015 (Betriebe mit Kosten und/oder Erlösen >6000 CHF/ha sind
nicht dargestellt) (Quelle: Wald und Holz 11/16, S. 23)

und der Alpnutzung Grenzen gesetzt sind. Soll die                           hingegen tiefere Preise. Zudem stellen sich laut den
Holznutzung zunehmen, dann wird sie vermehrt                                Ergebnissen aus der Dialogplattform 3 «innovative
in schwer zugänglichem und abgelegenem Terrain                              holzbasierte Materialien» mit der Verwertung von
stattfinden, was die Erntekosten noch erhöhen                               Laubholz insofern erhebliche Herausforderungen,
wird (Projekt MOBSTRAT).                                                    als es aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften
                                                                            und der auf die Verarbeitung von Nadelholz opti-
Das Projekt MOBSTRAT (Brang) analysierte ver-                               mierten Prozesse nicht eins zu eins in die gegenwär-
schiedene Bewirtschaftungsstrategien für den Wald.                          tige Wertschöpfungskette integriert werden kann.
Es zielte unter anderem darauf ab, zu zeigen, unter
welchen Bedingungen mehr Starkholz genutzt wer-                             In vielen Produktemärkten reagieren Produzen-
den könnte, und zwar insbesondere in schlecht zu-                           ten auf tiefere Preise, indem sie versuchen, ihre
gänglichen Gebieten. Allgemein stellte sich heraus,                         Herstellungskosten zu senken. Waldeigentümer
dass die Erntekosten nach Baumarten, Holzsorti-                             brauchen dies nicht zu tun, denn sie können den
menten, Geländebedingungen, Erschliessungsdich-                             Holzschlag auf später verschieben (sie tun es noch
te und Erntemethode stark variieren. So hat sich                            aus anderen Gründen, siehe Kapitel Forstbetriebe
beispielsweise in der Fallstudie im Aargau ergeben,                         in einer Schlüsselposition, S. 17), in der Hoffnung,
dass die motor-manuelle (mit Kettensäge ausge-                              dass höhere Preise in der Zukunft die Opportuni-
führte) Ernte von Laubbäumen tendenziell weniger                            tätskosten des Zuwartens ausgleichen. Ihr Produkt
kostet als diejenige von Nadelbäumen, weil bei Letz-                        bleibt nicht nur vorrätig, sondern wächst sogar
teren höhere Kosten für Entrindung und Entastung                            weiter. Bei zu langem Zuwarten kann jedoch die
anfallen (Temperli et al. 2017b). Wird das Laubholz                         Qualität des Holzes sinken. Zudem besteht die Ge-
zur Energiegewinnung eingesetzt, dann entfallen                             fahr, dass Produktionskapazitäten (Personal, Gerä-
noch die Sortierkosten, und bei diesem Verwen-                              te) verloren gehen (Workshop vom 14.04.2016).
dungszweck ist aufgrund seines höheren Brenn-
wertes auch sein Verkaufserlös höher als beim Na-                           Die Lage der holzbasierten Industrie in der Schweiz
delholz. Für andere Verwendungen bringt Laubholz                            ist nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Ja-

14
nuar 2015 noch schwieriger geworden. Die bereits                                 Von verschiedener Seite gibt man allerdings zu be-
hohen Produktionskosten sind im internationa-                                    denken, es falle der Angebotsseite schwer, die tie-
len Vergleich noch einmal stark angestiegen. Das                                 feren Preise allein durch Effizienzsteigerung in der
schadet zunächst dem Export; üblicherweise ver-                                  Waldbewirtschaftung aufzufangen. Zudem sind die
kaufen Forstbetriebe und holzverarbeitende Un-                                   verfügbaren Holzsortimente und -mengen im Wald
ternehmen ein Viertel ihrer Produkte ins Ausland.                                gegeben, sie können nicht kurzfristig der Nachfra-
Noch mehr zu schaffen macht ihnen aber der ver-                                  ge angepasst werden. Anteilsmässig entsprechen
stärkte Druck durch Importe. In der ersten Hälfte                                sie heute nicht den am stärksten nachgefragten
des Jahres 2015 gingen die Importpreise für Rund-                                Holzsorten (z.B. Fichten- und Tannenrundholz mit
holz und Holzprodukte um 12 Prozent zurück (BFS                                  Mittendurchmesser von weniger als 40 cm).
und Martin Eichler, BAKBASEL, Wald und Holz
2/2016, S. 14)3.                                                                 Voten vom runden Tisch zur Diskussion der BA-
                                                                                 FU-Studie «Analyse der Wertschöpfungskette Wald
  Fazit 8                                                                        und Holz in der Schweiz (A-WSK)» (Lehner et al.
  An vielen Orten eignet sich der Schweizer Wald nicht für                       2014 und Workshop A-WSK vom 27.08.2014) las-
  eine kostengünstige Bewirtschaftung; die Holznutzung ist                       sen darauf schliessen, dass der Motor der ganzen
  aufgrund topografischer/naturräumlicher und wirtschaft-                        Wertschöpfungskette im Holz besteht, das zur Ver-
  licher Bedingungen teurer als im benachbarten Ausland.                         fügung gestellt wird. Würde erst einmal genügend
  Insofern sind die ökonomischen Verhältnisse in der Forst-                      Holz zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitgestellt,
  wirtschaft vergleichbar mit denjenigen in der Schweizer                        könnten Investitionen in verarbeitende Betriebe
  Landwirtschaft.                                                                die Nachfrage verstärken, sodass die Forstbetrie-
                                                                                 be höhere Preise erzielen könnten. So gesehen,
                                                                                 könnte das Verfügbarmachen von Holz der Motor
Das Zusammenspiel von Angebot                                                    sein, um auch die nachgelagerten Verarbeitungs-
und Nachfrage                                                                    schritte bzw. die ganze Wertschöpfungskette bes-
                                                                                 ser in Gang zu bringen. Ihrerseits beklagen sich
Liegt es am Angebot oder an der Nachfrage, dass                                  Waldeigentümer über mangelnde Holznachfrage.
nicht mehr Schweizer Holz genutzt wird? In dieser                                Bei grösserer Nachfrage würde sich ihre Motiva-
Frage sind sich die Forschenden und die Praktiker                                tion zur Waldbewirtschaftung erhöhen. Dies käme
uneinig, und zwar auch untereinander (Workshop                                   auch der Qualität der Wälder zugute. So stellt sich
vom 14.04.2016). Einige sind der Ansicht, es werde                               mit Blick auf die Qualität und Gesundheit des Wal-
generell zu wenig Holz nachgefragt, während ande-                                des das Problem, dass vor allem in Bergregionen
re denken, es liege am fehlenden Angebot der ge-                                 zu viel Starkholz im Wald steht. Wenn es gelänge,
wünschten Holzsorten. Tatsache ist, dass die Zahl                                profitable Verwertungen von solchem Holz zu fin-
der Klein- und Kleinstsägereien in der Schweiz                                   den, könnte dies die Motivation von Waldeigentü-
stark zurückgegangen ist und heute noch rund ei-                                 mern erhöhen, die überalterten Bestände abzu-
nen Zehntel der Anzahl von 1960 beträgt. Dennoch                                 bauen und damit zugleich etwas dazu beizutragen,
blieb der Einschnitt konstant zwischen 2 bis 2,5 Mil-                            den Motor der Wertschöpfungskette anzukurbeln.
lionen Festmeter pro Jahr; erst seit 2012 sank er un-
ter 2 Millionen Festmeter. In Österreich, wo eben-                               Die Gruppe von Roland Olschewski hat sich ver-
falls ein starker Rückgang der Sägereibetriebe zu                                tieft mit dieser Problematik befasst. An Workshops
verzeichnen ist, erhöhte sich der Einschnitt im glei-                            mit den Akteuren der Forst- und Holzwirtschaft
chen Zeitraum um das Vierfache. In der Schweiz ist                               in den Kantonen Aargau und Graubünden hat
der Holzbau mit dem Problem konfrontiert, dass er                                sich gezeigt, dass die mangelnde Wirtschafts- bzw.
nicht die Rohstoffmengen Schweizer Herkunft fin-                                 Profitorientierung vieler Akteure, besonders von
det, die er brauchen würde. Denn der Endverbrauch                                Waldeigentümern, das Holzangebot beschränken
von Holz ist angestiegen, die Zusatznachfrage wird                               kann. In zahlreichen Gemeinden hat das Budget
derzeit jedoch hauptsächlich durch den Import von                                der Forstbetriebe eine vergleichsweise geringe fi-
Halb- und Fertigfabrikaten erfüllt, und es stellt sich                           nanzielle Bedeutung. Diese Faktoren schwächen
die Frage, wie sie mit einheimischem Holz befrie-                                die Reaktion des Angebots auf Preissignale. Dage-
digt werden könnte. Die Nachfrage der ersten Ver-                                gen konnte bei den Leitern der Forstbetriebe, die
arbeitungsstufe – d.h. der Sägereien – ist entschei-                             für den Verkauf des Holzes verantwortlich sind, im
dend, um die Wertschöpfungskette Holz in Gang zu                                 Rahmen von Choice-Experimenten in den Kan-
bringen. Ein Ziel des NFP 66 bestand gerade darin,                               tonen Aargau, Bern und Graubünden festgestellt
neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden, damit diese                                werden, dass eine ganze Reihe von Faktoren den
Nachfrage angekurbelt werden kann.                                               Verkaufsentscheid beeinflussen und dass dabei

  Siehe auch zum Thema die Unterlagen der Tagung «Frankenstärke – ein Jahr danach» der Arbeitsgemeinschaft für
                                                                                                                                 15
3

den Wald (AfW) am 15. Januar 2016 (http://www.afw-ctf.ch/de/runde-waldtische/frankenstaerke).
der zu erwartende holzerntekostenfreie Erlös ne-                       riment festgestellten unterschiedlichen Präferen-
ben dem Vertrauen die wichtigste Rolle spielt.                         zen ausgestattet. Hierdurch wird es möglich, den
                                                                       Einfluss des Verhaltens auf das Marktergebnis,
 Projekt «Ökonomische Analyse                                          insbesondere auch auf die Versorgung der Holzab-
 Schweizer Holzmärkte»                                                 nehmer, zu überprüfen. So lässt sich etwa auf em-
                                                                       pirischer Basis zeigen, wie sich ein vermehrt öko-
 Projektverantwortliche: Roland Olschewski,                            nomisches Verhalten der Betriebsleiter oder auch
 Urs Fischbacher, Lorenz Hilty, Bernhard Pauli,                        Fördermassnahmen bei der Waldbewirtschaftung,
 Oliver Thees                                                          Waldflächenstilllegungen oder Markteintritte neu-
 In diesem Projekt wurde die Funktionsweise von Schwei-                er Nachfrager etc. auswirken.
 zer Holzmärkten anhand von Fallbeispielen analysiert und
 auf der Basis ökonomischer Theorie erklärt. Die Ergeb-                  Fazit 9
 nisse flossen in die Entwicklung eines agentenbasierten                 Es bestehen sowohl Herausforderungen der wirtschaftli-
 Modells ein. Dies ermöglichte es, Szenarien für die                     chen Effizienz als auch strukturelle Schwierigkeiten, die
 zukünftige Holzverfügbarkeit darzustellen und Optionen                  der Nutzung von Holz entgegenstehen. Ungünstige Topo-
 für die Einflussnahme durch ökonomische Instrumente                     grafie, mangelnde Orientierung am Markt, hohe Preiser-
 aufzuzeigen.                                                            wartungen und kontradiktorische Anforderungen an den
                                                                         Wald gehören zu den wichtigsten Hindernissen. Um die
In einem agentenbasierten Modell (Holm et al.                            Wertschöpfungskette zu verstärken, braucht es Massnah-
2016) hat die Gruppe von Roland Olschewski auch                          men auf beiden Seiten: Angebot und Nachfrage.
die Holzpreisentwicklung und die Mengenflüsse
auf dem Rundholz-, dem Industrieholz- und dem
Energieholzmarkt analysiert. Das agentenbasierte                       Struktur und Akteure
Modell unterscheidet drei Typen von Holzanbie-
tern (öffentliche Forstbetriebe, private Waldei-                       Fragmentiertes Waldeigentum
gentümer und Importeure) und vier Typen von
Abnehmern (Sägereien, Energie- und Industrie-                          Den Waldeigentümern kommt für die verstärkte
holz-Nachfrager und Exporteure) sowie zwei Ty-                         Nutzung von Holz eine wichtige Rolle zu. Allerdings
pen von Intermediären, nämlich Händler und Bün-                        befinden sich 30 Prozent des Waldes in privater
delungsorganisationen, über die ein Teil des Holzes                    Hand, verteilt auf 250 000 Eigentümer (siehe «Wem
gehandelt wird. Diese Holzmarktakteure haben die                       gehört der Wald» S. 17), die zum grossen Teil den
Forschenden im Modell mit den im Choice-Expe-                          Wald in der Freizeit pflegen, ein eher geringes

                                                                                             Energieholzmarkt

                                                            Energieholzkäufer

                                                                                                                  Sägeholzmarkt

                                     Öffentliche
     Importeur                                                         Bündelorganisation
                                     Waldbewirtschafter
                                                                                                      Sägereien
                                     Private
     Exporteur                                                         Händler
                                     Waldbesitzer

                                                                                                                   Sägeholz
                                                            Industrieholzkäufer                                    Energieholz

                                                                                                                   Industrieholz
                                                                                     Industrieholzmarkt

     Abb. 4 Organisation und Interaktionen auf dem Holzmarkt (Team Olschewski)

16
ökonomisches Interesse am Wald haben und auch              den gebräuchlich ist. Selbstverständlich spielen
wenig dazu neigen, ihn an professionelle Bewirt-           auch die Preise, welche die Waldeigentümer über
schafter zu verpachten (Workshop vom 11.03.2015).          die verschiedenen Kanäle für ihr Holz erhalten,
Die grosse Anzahl dieser passiven Waldeigentümer           eine wichtige Rolle.
erschwert es, Strukturen zu schaffen, die eine effi-
zientere Bewirtschaftung des Waldes ermöglichen             Fazit 10
würden. Das BAFU will mit der «Analyse Waldei-              Der Schweizer Waldbesitz ist ausserordentlich fragmen-
gentum Schweiz» mehr über das Verhältnis der                tiert. Dies behindert eine effiziente Bewirtschaftung und
privaten und öffentlichen Eigentümer zu ihrem               Vermarktung.
Wald erfahren.

 Wem gehört der Schweizer Wald?                            Forstbetriebe in einer Schlüsselposition

 Laut Schweizerischer Forststatistik 2015 sind 98,5        Forstbetriebe in öffentlicher Hand bewirtschaf-
 Prozent der Waldeigentümer Private. Ihnen gehören aber    ten 70 Prozent des Schweizer Waldes (siehe «Wem
 nur 29,4 Prozent der gesamten Waldfläche, wobei dieser    gehört der Wald»). Sie stehen deshalb im Fokus
 Anteil zwischen weniger als 10 Prozent in den Kantonen    mehrerer Analysen. Es wurde eine optimale Be-
 Graubünden, Obwalden und Wallis auf über die Hälfte in    wirtschaftungsgrösse in einer Bandbreite von 700
 den Kantonen Appenzell, Thurgau und Zürich ansteigt.      bis 1200 Hektaren ermittelt, also mehr als die drei-
 Der Rest ist in öffentlicher Hand, hauptsächlich von      fache Fläche des durchschnittlichen Schweizer
 politischen (29,5% der gesamten Waldfläche) und Orts-     Forstbetriebs (Krähenbühl 2016). Da Forstbetriebe
 bürgergemeinden (29,0%). Die durchschnittliche private    aber oft mehrere Waldeigentümer betreuen, wird
 Waldeigentümerschaft besitzt 1,5 Hektaren Wald, der       die hier geforderte Gesamtbewirtschaftungsgrösse
 durchschnittliche öffentliche Waldeigentümer 255 Hek-     zum Teil bereits erreicht. Ein Potenzial zur Effizi-
 taren. Letztere Zahl variiert von 45 Hektaren im Kanton   enzsteigerung durch Grössenvorteile gibt es vor
 Luzern bis 2040 Hektaren im Kanton Glarus. Forstbetrie-   allem bei Kleinst- und Kleinbetrieben.
 be stellen für grössere Waldeigentümer (oder mehrere
 zusammen) die Bewirtschaftung sicher.                     In der Diskussion mit den Praktikern wurde die
                                                           deutliche Aussage zur optimalen Bewirtschaf-
Waldeigentümer haben die Wahl zwischen vielen              tungsgrösse stark in Frage gestellt. Auch das Pro-
Wegen, um ihr Holz auf den Markt zu bringen. Sie           duktionsvolumen wurde aus der Praxis als mögli-
können es mit eigenem Personal ernten und den              cherweise missverständlicher Indikator bemängelt,
Sägereien verkaufen oder über Intermediäre wie             da grosse Volumina auch für Übernutzung stehen
Bündelungsorganisationen vermarkten. Sie kön-              könnten (Workshop vom 11.03.2015). Die minima-
nen das Ernten und Vermarkten auch an Forst-               le Grösse für einen kostendeckenden Forstbetrieb,
unternehmen auslagern. Letzteres eignet sich               ausgehend von der kleinsten Beschäftigtenzahl,
für kleinere Eigentümer, bedingt aber auch ein             die ein organisatorisch und sicherheitstechnisch
gewisses Vertrauen, denn die Forstunternehmen              korrektes Funktionieren gewährleistet, wird auf-
arbeiten dann in ihrem Wald und vermessen das              grund von Erfahrungswerten aus der Praxis auf
geschlagene Holz (Olschewski et al. 2015, Kimmich          1500 ha geschätzt (Brügger 2016). Aus Sicht der
und Fischbacher 2016). Überhaupt haben sich Ver-           Praxis sollten ggf. weitere Kenngrössen ermittelt
trauen und Reputation als wichtig für die Holzbe-          werden, um über die Effizienz eines Betriebs Auf-
schaffung erwiesen, denn es werden eher selten             schluss zu erhalten. Auch gilt es zu berücksichti-
schriftliche Verträge verwendet. Der Verkäufer             gen, dass Forstbetriebe oft unterschiedliche Be-
muss dem Sägewerk vertrauen, dass es das gelie-            triebsziele verfolgen: So kann ein Betrieb, der noch
ferte Holz richtig vermisst. Der Käufer muss darauf        andere Dienstleistungen anbietet oder die Einglie-
vertrauen, dass die geforderte Menge und Quali-            derung schwer vermittelbarer Arbeitskräfte an-
tät fristgerecht geliefert wird. Waldeigentümer, die       strebt, keine Gewinnmaximierung im Fokus haben
eher ungeduldig sind oder Dritten wenig vertrauen          und beschäftigt unter Umständen mehr Angestell-
oder die auch die Holzpreisentwicklung besonders           te, als es aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt
optimistisch einschätzen, wählen eher den Di-              wäre. In Österreich arbeitet die Forstwirtschaft
rektverkauf an Sägereien, wie im Kanton Aargau             kostendeckend, weil dort der Wald hauptsächlich
üblich. Waldeigentümer, die diese Eigenschaften            grossen privaten Eigentümern gehört, bei denen
nicht teilen, nutzen verschiedene Absatzkanäle             eine wirtschaftliche Zielsetzung im Vordergrund
wie Bündelungsorganisationen oder den Verkauf              steht und nicht die Biodiversität oder die Erholung
ab Stock an Forstunternehmen, was in Graubün-              der Bevölkerung (Workshop A-WSK, 27.08.2014).

                                                                                                                        17
Eine statistische Analyse hat auch gezeigt, dass              haltene Aussage stellt fest, dass Schweizer Forst-
Schweizer Forstbetriebe überraschenderweise we-               unternehmen dort zwar pro Festmeter weniger als
niger Holz anbieten, wenn sie dafür einen höheren             im Inland verdienen, dafür aber grössere Aufträge
Preis erhalten (Krähenbühl 2015). Dies gilt beson-            ausführen können, was gegenüber den Hieben in
ders für kleinere Forstbetriebe. Solches Verhalten            Schweizer Wäldern den durchschnittlichen Ar-
wurde in anderen Bereichen beobachtet, wo die                 beitsaufwand und damit die Stückkosten senkt.
Wirtschaftssubjekte nicht ihren Gewinn maximie-               Hier liegt vielleicht eine Lösung für die Schwie-
ren, sondern ein bestimmtes Einkommen anpei-                  rigkeit, das Volumen in der Schweiz auf die Grösse
len (Farsi und Krähenbühl 2015). In diesem Fall               auszudehnen, die für die Skaleneffekte (Rationali-
könnten auch die anderen Funktionen des Wal-                  sierung) optimal wäre.
des eine Rolle spielen: Erhalten die Forstbetriebe
mehr Kostenbeiträge oder Abgeltungen für andere               Bündelungs- und Vermarktungsorganisationen
Dienstleistungen, dann sind sie eher bereit, tiefere          Bündelungs- und Vermarktungsorganisationen
Abnahmepreise von den Sägereien zu akzeptie-                  sind Intermediäre, die Holz bei mehreren Waldei-
ren. Das Holz hätte dann eher den Charakter eines             gentümern beschaffen und es in grösseren Men-
Nebenproduktes ihrer sonstigen Aktivitäten (Krä-              gen für Abnehmer (z.B. Sägereien) bereitstellen.
henbühl 2015). Diese Ergebnisse entsprechen dem               Sie führen insgesamt nicht unbedingt zu mehr
«inversen Angebotsverhalten», was bedeutet, dass              Holzeinschlag (ausser vielleicht bei niedrigen
die Holznachfrage, die im Normalfall bei steigen-             Marktpreisen), aber sie können eine grössere
den Preisen abnimmt, das Erntevolumen bestimmt                Menge von homogenem Holz anbieten. Dadurch
(Olschewski und Thees 2015a).                                 erhöht sich potenziell die Marktmacht der vielen
                                                              kleinen Schweizer Holzanbieter gegenüber der
Schliesslich hat die Forschung noch einen weite-              Nachfrageseite. Diese Organisationen werden zum
ren Vorteil grösserer Betriebe hervorgebracht: Ver-           Teil öffentlich gefördert.
handlungsmacht. Die statistische Analyse von fast
2000 Forstbetrieben über die Jahre 2004 bis 2010              Sägereien
belegt, dass grössere Betriebe für ihr Holz höhe-             Die Sägereien nehmen bei der Bereitstellung von
re Preise erzielen, besonders, wenn sie in privater           Schweizer Holz eine wichtige Position ein, sind
Hand sind. Die Vermutung liegt nahe, dass diese               aber offenbar nur schwer zu bewegen, Zahlen
Betriebe den Markt konsequenter ausreizen kön-                über ihren Geschäftsgang offenzulegen. Ihre wirt-
nen. Mit 10 Prozent mehr Waldfläche erhalten öf-              schaftliche Verhaltensweise und Bedeutung konn-
fentliche Forstbetriebe 1,04 Prozent mehr pro Ku-             te im Rahmen des NFP nicht umfassend geklärt
bikmeter Holz und die Privaten sogar 1,53 Prozent             werden. Gemäss Aussagen im Workshop A-WSK
(Farsi und Krähenbühl 2015).                                  vom 27.08.2014 liegt ein Vorteil der Schweiz auch
                                                              darin, dass selbst Sägereien von geringerer Kapa-
 Fazit 11                                                     zität (60 000 Festmeter) profitabel betrieben wer-
 Bei den Forstbetrieben besteht Rationalisierungspoten-       den könnten – sofern sie Produkte mit hoher Wert-
 zial. Würden sie grössere Waldflächen bewirtschaften,        schöpfung anbieten, die auf dem hiesigen Markt
 könnten sie von Skalengewinnen und einer beständigeren       gefragt sind.
 Auslastung profitieren und so ihre durchschnittlichen Ern-
 tekosten senken. Zudem nimmt ihre Verhandlungsmacht          Förster und Forstdienste
 zu, sodass sie bessere Preise erzielen könnten.              Förster und Forstdienste scheinen die grösste Sen-
                                                              sibilität für die Multifunktionalität des Waldes auf-
                                                              zuweisen und Anliegen wie den Schutz der Biodi-
Andere Akteure der Forst- und Holzwirtschaft                  versität und der Landschaft oder die Waldleistung
                                                              als Erholungsraum hoch zu gewichten. Sie neh-
Forstunternehmen                                              men sich eher als «Bewahrer» des Waldes wahr
Skaleneffekte in der Holzernte gibt es nur, wenn              denn als «Ausbeuter» in dem Sinne, dass sie eine
ein grosses Volumen in einem relativ begrenzten               grösstmögliche Holznutzung anstreben würden. Sie
Gebiet und Zeitrahmen geerntet werden kann. Bei               verstehen sich nicht als Dienstleister der Holzin-
fragmentierten Waldeigentumsverhältnissen be-                 dustrie. Waldbewirtschaftung nach festgesetzten
dingt dies, dass mehrere benachbarte Waldeigen-               Umtriebszeiten und Zieldurchmessern hat kei-
tümer ihr Holz gemeinsam oder koordiniert vom                 nen Vorrang (Fallstudie Tessin, Workshop A-WSK
gleichen Forstunternehmen schlagen lassen.                    vom 27.08.2014 und Austausch mit Verbänden der
Vermehrt werden Schweizer Forstunternehmen                    Wald- und Forstwirtschaft vom 02.03.2015).
auch im benachbarten Ausland tätig. Eine in der
Zeitschrift «Wald und Holz» 2/2016 (S. 15) festge-

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