Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung - Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz
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Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung Nationales Forschungsprogramm NFP 66 Ressource Holz Lucienne Rey und Philippe Thalmann
Die Ergebnisse und Empfehlungen des NFP 66 werden in vier Berichten zu den einzelnen Teilsynthesen veröffentlicht. Die Leitungsgruppe des NFP 66 unterteilte das Forschungsgebiet in vier thematische Dialogfelder. Diese decken die wesentlichen Bereiche der Wald- Holz-Wertschöpfungskette ab und umfassen je 4 bis 11 der insgesamt 30 Forschungsprojekte des NFP 66. Im Rahmen des NFP 66 tauschten sich gegen 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden und Behörden an 17 Dialogveranstaltungen mit den Forschenden aus. Die vier Teilsynthesen berichten über die Forschungsprojekte und ihre wichtigsten Ergebnisse sowie über den Dialog mit der Praxis. • Synthese zum Dialogfeld «Weiterentwicklungen im Holzbau» • Synthese zum Dialogfeld «Neue Wege zur holzbasierten Bioraffinerie» • Synthese zum Dialogfeld «Innovative holzbasierte Materialien» • Synthese zum Dialogfeld «Holzbeschaffung und nachhaltige Holznutzung» Das Programmresümee baut auf den vier Teilsynthesen auf und fasst die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen des NFP 66 in einer leicht lesbaren Form zusammen.
Inhalt 5 Editorial 6 Die Forschung im Spannungsfeld der Wald- und Holzpolitik 13 Warum wird Holz nicht stärker genutzt? 21 Was braucht es, damit Wald und Holz stärker genutzt werden? 26 Offene Fragen und Wissenslücken? 28 Empfehlungen 29 Literaturangaben 32 Das NFP 66 in Kürze 3
EDITORIAL Manch ein Forstarbeiter kann ein Lied davon singen, wie heftig Spazierende oder Sport- treibende zuweilen reagieren, wenn sie in unseren Wäldern auf Absperrungen, Motor- sägenlärm oder gar einen Harvester stossen. Der Holzschlag draussen steht bekanntlich nicht in bestem Ruf. Obschon dann drinnen viele ihre Eichenparkett, die Hüsler-Betten und die Wärme aus der Schnitzelfeuerung oder dem Kamin sehr mögen. Dieses Paradox ist nicht länger haltbar. In einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft für unsere Breitengrade sollte Holz schon längst eine wichtigere Rolle spielen, als es der nachwachsende Rohstoff heute tut. Die inneren Vorbehalte dem Holzschlag gegenüber gehören also abgebaut. Gera- de in Zeiten steigender Holzvorräte hier und endlicher Rohstoffquellen dort. Zum Glück bestätigt das NFP 66, dass sich bei uns die Holzgewinnung – umsichtige Ern- temethoden vorausgesetzt – mit den anderen Waldfunktionen meist verträgt. Wie etwa mit der Biodiversität, dem Klimaschutz oder mit dem Wald als attraktivem Erholungsraum. Mehr «Bewirtschaftungsgeist» vonnöten ist auch bei den nicht weniger als 250 000 Wald- eigentümern in unserem kleinen Land. Allzu viele, ob private oder öffentliche, bewirt- schaften ihre Vorräte wenig effizient. Erträge haben etwelche gar nicht nötig, die Defizite decken nicht selten andere. Der Fall scheint klar: Der Schweizer Wald braucht erheblich grössere Bewirtschaftungseinheiten und professionell aufgestellte Forstbetriebe, um Anbau, Ernte und Vermarktung künftig profitabler zu gestalten. Stetes Klagen über tiefe Holzpreise, zu viel Ökoauflagen oder karge Subventionen bringen Wald und Holz wenig. Mehr Staatsstützen für besondere Waldleistungen sind hier und dort zwar denkbar. Sie tragen jedoch die Gefahr ungewollter Strukturerhaltung oder blosser Mitnahmeeffekte in sich. Das wirksamste Mittel für eine bessere Holzmobilisierung ist nachgelagert eine starke und diversifizierte Verarbeitungsindustrie, so der Tenor aus den vielen NFP 66- Diskussionen. Was braucht es dazu? Antwort: Vieles. Sägereien, die sich zu umfassenden Grundstoff- erzeugern wandeln. Dazu ein fortschreitender Holzbau und neue holzbasierte Bau- und Kunststoffe für allerlei Anwendungen. Aber auch erste Bioraffinerien, die hölzerne Biomasse zu Chemikalien, Treibstoffen oder anderem veredeln. Dies alles in der Absicht, gerade für das viele Laubholz in unseren Wäldern die nötigen Technologien für eine nachhaltige stoffliche Verwertung zu schaffen, anstatt es vorschnell zu verbrennen. Was wünsche ich mir noch? Genau: Unternehmen, Verbände und Behörden, die ihre zu engen Stammplätze verlassen und diese ganzheitliche Sicht auf die Ressource Holz durchsetzen helfen. Das NFP 66 zeigt vielfältige Wege in die besagte Richtung auf. Gehen wir sie! Allen, die an den Forschungsarbeiten, den vielen Dialogveranstaltungen und zum Schluss an diesem Synthesebericht persönlich mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Dr. Martin Riediker Präsident Leitungsgruppe NFP 66 Ressource Holz 5
Die Forschung im Spannungsfeld der Wald- und Holzpolitik Der Schweizer Wald ist ebenso vielfältig wie die Schweiz als solche. Entsprechend ist eine undifferenzierte Betrachtung wenig sinnvoll: Es gilt, die Nutzungsziele und Bewirtschaftungsprinzipien optimal auf die einzelnen Wälder abzustimmen – nicht zuletzt, um damit auch allfällige Konflikte zwischen den verschiedenen Funktionen des Waldes zu entschärfen. Der Wald ist ein prägendes Element der hiesigen In ihrem Aufbau orientiert sich die hier vorlie- Landschaft, und Holz hat als Baumaterial und gende Synthese an den politischen Zielsetzungen Energieträger in der Schweiz eine lange Traditi- zur Waldbewirtschaftung und Holznutzung und on. In seiner Waldpolitik 2020 legt der Bund fünf am Dialog mit verschiedenen Interessengruppen. Hauptziele fest, die einen nachhaltigen Umgang Sie bezieht zudem Ergebnisse aus anderen For- mit dem Wald gewährleisten sollen (siehe «Die schungsarbeiten sowie Erkenntnisse ein, die in Mutlifunktionalität des Waldes» S. 10). An erster fünf Plattformanlässen gewonnen wurden, in de- Stelle steht dabei der Grundsatz, das Potenzial ren Rahmen von 2014 bis 2016 die Forschenden des nachhaltig nutzbaren Holzes sei auszuschöp- mit Vertretern aus der Wald- und Holzwirtschaft fen. Ausserdem soll der Wald zur Minderung der und der Verwaltung ins Gespräch kamen. Wer eine Klimaerwärmung beitragen. Auch sollen seine nach Forschungsprojekten strukturierte Übersicht Schutzleistung gesichert, die Biodiversität erhalten über deren Ansätze und Ergebnisse wünscht, fin- bzw. gezielt verbessert, sein Beitrag zur Erholung det sie in den wissenschaftlichen Projektberichten. der Bevölkerung gewährleistet und schliesslich die Waldfläche erhalten bleiben. Der Schweizer Wald und die gegenwärtige Nutzung von Holz Der vorliegende Synthesebericht setzt die Ergeb- nisse der Forschungsprojekte aus dem NFP 66 und Rund 31 Prozent der Schweizer Landesfläche sind des Dialogfelds «Holzbeschaffung und nachhaltige bewaldet. Gemäss dem Schweizerischen Landes- Holznutzung» in Beziehung zur wald- und holz- forstinventar (LFI) betrug der Holzvorrat aller le- politischen Zielsetzung des Bundes. Mehrere Pro- benden Bäume im Jahr 2013 419 Mio. m³ (BAFU jekte aus diesem Dialogfeld tragen dazu bei, diese 2016). Zwischen 2006 und 2014 hat er um rund Ziele präziser zu formulieren und gegeneinander 6 Mio. m³ oder um 1,5 Prozent zugenommen. Um abzuwägen; einige der Untersuchungen geben eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes si- auch Aufschluss darüber, ob bzw. wie gut sie be- cherzustellen, sollten sich Zuwachs und Ernte von reits erreicht wurden bzw. warum nicht. Die Syn- Holz langfristig die Waage halten. Vorübergehende these ermöglicht damit einen Überblick über das Abweichungen vom Gleichgewichtszustand sind System «Waldwirtschaft und Holznutzung» und die aber die Regel; so könnte nach über 140 Jahren der Herausforderungen, die sich ihm stellen. Unternutzung vieler Schweizer Wälder durchaus 6
einige Jahrzehnte lang mehr Holz daraus entnom- einer Güterabwägung – denn dass der Wald überall men werden als nachwächst (Projekt MOBSTRAT). nach den gleichen Kriterien bewirtschaftet wird, ist keine sinnvolle Zielsetzung. Auch gibt es ausser Projekt «MOBSTRAT: Strategien zur beim Schutzwald keine Bewirtschaftungspflicht. Es Holzmobilisierung aus Schweizer gilt also zunächst, die Frage zu beantworten, wieso Wäldern» es aus integraler Sicht sinnvoll ist, mehr Holz zu nutzen. Das NFP 66 sollte somit den Mehrwert und Projektverantwortliche: Peter Brang, Edgar Kaufmann, die erfolgversprechenden Wege einer verstärkten Roman Rudel, Esther Thürig Holznutzung aufzeigen. MOBSTRAT zielte darauf ab, Hindernisse und Möglich- keiten für eine Nutzungssteigerung des Holzvorrats im Potenzial der nachhaltigen Schweizer Wald aufzuzeigen. Dazu wurde das Waldent- Holzgewinnung wicklungsmodell Massimo3 weiterentwickelt und Szenari- en zur waldbaulichen Umsetzung einer erhöhten Nutzung Zwischen 2007 und 2013 betrug der jährliche modelliert. Damit konnten deren langfristige Folgen für Holzzuwachs 10,1 Mio. m3, davon wurden jährlich die Nutzungsmengen, den zukünftigen Zuwachs sowie 7,2 Mio. m3 genutzt. Die wald- und holzpolitische für Ökosystemleistungen in drei Fallstudien abgeschätzt Zielsetzung des Bundes liegt bei 8,2 Mio. m3/Jahr werden. In einer Fallstudie im Tessin wurden die Manage- (Waldpolitik 2020, Ressourcenpolitik Holz, BAFU)1. mentszenarien mit Experten und Stakeholdern in einer Die letzte Studie zum Holznutzungspotenzial des partizipativen multikriteriellen Analyse bewertet. Schweizer Waldes wurde 2015/2016 durchgeführt. Sie zeigt auf, dass das biologische Potenzial gleich Dank der Nutzung von Holz werden in der Schweiz bleibt, dass aber unter den aktuellen ökonomi- pro Jahr gegenwärtig 2,2 Millionen Tonnen CO2 schen Rahmenbedingungen eine Ausschöpfung eingespart. Dies, weil sonst statt des Holzes ener- des nachhaltig nutzbaren Potenzials schwieriger gieintensivere Materialien – etwa Stahl oder Be- geworden ist (Taverna et al. 2016). Das Erntepo- ton – und Brennstoffe (z.B. Erdöl oder Kohle) tenzial bleibt über 8 Mio. m3 Holz pro Jahr, unter eingesetzt würden (Suter et al. 2016). Hinzu kom- der Annahme, dass eine steigende Nachfrage für men noch etwa 2,5 Millionen Tonnen CO2, die im Nadel-, Energie- und Industrieholz (welches künf- Durchschnitt der letzten zehn Jahre in wachsen- tig auch für chemische Zwecke genutzt werden den Bäumen und in Holzprodukten gespeichert könnte) die zunehmenden Erntekosten deckt (Sta- wurden (BAFU 2016). Von den 2014 geernteten 4,9 delmann et al. 2016). Die Holznutzungspotenziale Mio. m3 fester Holzsubstanz wurden 37 Prozent als wurden mit dem Waldentwicklungsmodell Massi- Energieholz genutzt und weitere 11 Prozent als In- mo3 der WSL berechnet. Mit diesem Modell wur- dustrieholz, das hauptsächlich für die Herstellung den die Schätzungen für die Kantone Aargau und von Papier und Platten Verwendung fand; mit 52 Graubünden verfeinert (Temperli et al. 2017a und Prozent der grösste Teil wurde im Bausektor und 2017b). Es zeigte sich, dass in vielen Bergwäldern für die Herstellung von Möbeln und Verpackungs- die heutigen Erntemengen über mehrere Jahr- materialien eingesetzt (BAFU 2016). zehnte verdoppelt werden könnten. Im Mittelland geht jedoch eine Steigerung der Erntemenge mit Damit ist aber das Potenzial des Schweizer Holzes einer Verringerung des künftigen Zuwachses ein- noch nicht ausgeschöpft. Würde der Holzzuwachs her und steht mit Biodiversitätszielen in Konflikt. stärker genutzt, liessen sich die CO2-Einsparungen gegenüber heute um ein knappes Drittel, nämlich Fazit 1 um bis zu 0,9 Millionen Tonnen CO2, erhöhen. In den Schweizer Bergwäldern gibt es einen beträcht- Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der lichen und wachsenden Holzvorrat, der einer Nutzung Forstwirtschaft (Grober 2010). Er besagt, dass dem zugeführt werden könnte. Die wirtschaftliche Holzbereit- Wald nur so viel Holz entnommen werden darf wie stellung stellt in diesen Gebieten allerdings eine Heraus- nachwächst. Das Waldgesetz formuliert den Be- forderung dar. wirtschaftungsgrundsatz wie folgt: «Der Wald ist so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen dau- ernd und uneingeschränkt erfüllen kann (Nach- haltigkeit)» (Art. 20 WaG). Damit ist klar, dass der Wald und seine Schutz-, Wohlfahrts- und Nutz- funktionen erhalten bleiben müssen. Eine unver- hältnismässige Erhöhung der Holznutzung würde diese Funktionen beeinträchtigen. Es bedarf stets Alle Zahlen von der Webpage des BAFU: http://www.bafu.admin.ch/umwelt/indikatoren/08606/11406/index.html. 7 1
Holzproduktion Substitution Gebäudebereich Holzbau Holzverarbeitung Rundholz Substitution Holzprodukte Nutzungskaskade Industrie- und Energieholz Produktion Holzprodukte Holzwerkstoffproduktion Produktion Altholz Substitution Papier- und Materialien und Chemikalien Kartonproduktion Chemikalien Substitution Energiedienstleistungen Energiedienstleistungen Abb. 1 Verschiedene Verwendungsmöglichkeiten von Holz (Quelle: Steubing et al. 2015) Verschiedene Verwendungsmöglichkeiten 2015). Für die Verwendung von Holz als Baumate- von Holz rial spricht auch sein geringes Gewicht: So eröffnet Holz die Möglichkeit, bei der Erneuerung des Ge- Holz ist ein vielseitig verwendbarer Rohstoff (Steu- bäudebestandes die alten Fundamente zu verwen- bing et al. 2015). So vermag er andere Rohstoffe zu den, was den CO2-Ausstoss beim Bauen zusätzlich ersetzen und damit den ökologischen Fussabdruck senkt (Lars Tellnes, LCA-Forum, 04.12.2015). Auch der Produktion und des Konsums zu senken. bei der Verdichtung bestehender Siedlungen durch An- und Aufbau ist Holz deshalb ein vorteilhaftes Ersatz energieintensiver Materialien und zunehmend beliebtes Baumaterial – wie ins- besondere der Synthesebericht S1 «Weiterent- Verschiedene Studien unterstreichen das ökologi- wicklungen im Holzbau» ausführt. Im Synthese- sche Potenzial von Holz als (Bau-)Material. Insbe- bericht S3 «Innovative holzbasierte Materialien» sondere, wenn Holz energieintensive Materialien werden die Forschungsarbeiten vorgestellt, die für wie Metalle, Plastik oder Beton im Bau, bei Möbeln den Holzbau wichtige Eigenschaften des Holzes und in der Verpackung ersetzt, trägt dies zur Re- verbessern (Dauerhaftigkeit, Brandschutz, Schutz duktion des klimatischen Fussabdrucks bei (Suter vor UV-Strahlung und Wetterechtheit). Vorteilhaft 2016). Im Vergleich zu Massivbauten aus Beton an der Nutzung von Holz ist zudem, dass es mehr- oder Backstein stossen Gebäude aus Holz über fach verwendet werden kann (siehe Kapitel Kas- den ganzen Lebenszyklus gesehen nur etwa halb kadennutzung, S. 19). so viel CO2 aus. Dieser Vorteil wird auch dadurch nicht aufgehoben, dass Holzbauten über das gan- Fazit 2 ze Jahr gesehen durchschnittlich 2 bis 5 Prozent Die ökologischen und technischen Vorteile von Holz als mehr Heizenergie benötigen als Massivhäuser und Rohstoff und Baumaterial wurden wissenschaftlich belegt. auch eher gekühlt werden müssen (Heeren et al. 8
Holz als Energieträger als der Hälfte der Holzabfälle geschieht. Eine vo- Wird Holz anstelle energieintensiverer Materiali- rangehende stoffliche Verwertung ist allerdings en verwendet, können erhebliche CO2-Einsparun- selbst bei Holzabfall und Energieholz vorzuziehen, gen erzielt werden. Im Schweizer Kontext fallen die weil das Holz so länger im Kreislauf bleibt (Thees höchsten Einsparungen beim Einsatz von Holz als et al. 2013). Ein Ziel des NFP 66 war es gerade, Energieträger an (Suter 2016). Im Jahr 2015 wur- Wege zu einer vermehrten und verbesserten stoff- den in der Schweiz 4,15 Mio. m³ Holz energetisch lichen Verwertung von Holz, und zwar auch von genutzt (ohne Kehrichtverbrennungsanlagen), was Holzabfall, zu entwickeln (siehe Kapitel zur Kas- einem Endenergieumsatz von gut 11 000 GWh ent- kadennutzung, S. 19). So wäre es eigentlich anzu- spricht; davon waren rund 2,4 Mio. m3 Waldholz streben, für die Erzeugung von Strom und Wärme (BFE 2016). Das langfristige technische Potenzial an andere erneuerbare Energien wie Wasser, Wind Schweizer Waldenergieholz (Derbholz und Reisig und Sonne heranzuziehen und das Holz zur Pro- mit Rinde und Blättern) wurde je nach Nutzungs- duktion von stofflichen Produkten oder Chemika- szenario auf 3,1 bis 5,1 Mio. m3 geschätzt (Thees et lien mit einer höheren Wertschöpfung zu verwen- al. 2013). Ein Durchschnitt von 4 Mio. m3 bedeutet den (siehe Syntheseberichte S2 «Neue Wege zur 10 000 GWh Energie, die ohne zusätzliche Energie- holzbasierten Bioraffinerie» und S3 «Innovative holzplantagen und ohne Vorratsabbau zur Verfü- holzbasierte Materialien»). gung stehen, und 2,2 Millionen Tonnen CO2, die ein- gespart werden können.2 Besonders in den Alpen Fazit 3 und auf der Alpensüdseite wäre es möglich, mehr Die energetische Verwertung von Holz ist sehr wichtig Energieholz kostendeckend zu nutzen; dabei könn- und wird es bleiben. Die Umwandlungsverluste werden te idealerweise das Holz vor Ort verwendet werden, laufend verringert, aber nach wie vor wird nur ein Teil des um lange Transportwege zu vermeiden. Dank seiner Potenzials genutzt. Neue Verfeuerungstechnologien er- guten Speichereigenschaften könnte dieses Holz zeugen mehr Nutzenergie bei weniger Umweltbelastung. sowohl in der Grundlastversorgung von Wärme und Noch besser wäre es, wenn langfristig nur noch Rest- Strom als auch als Ausgleich für die derzeit kaum stoffe, die stofflich nicht mehr verwertet werden können, speicherbaren erneuerbaren Energien eingesetzt energetisch genutzt würden. werden. Die durch die energetische Holzverwer- tung erzeugten Feinstaubemissionen können durch geeignete Massnahmen wie bspw. moderne, korrekt Erwartungen an den Wald betriebene Holzheizungen mit Qualitätssiegel redu- ziert werden (Nussbaumer 2013). Bedeutung der Schutzfunktion des Waldes Die Ziele der Energiestrategie 2050 sind jedenfalls Wälder leisten einen wirkungsvollen Beitrag zum nur zu erreichen, wenn sämtliche erneuerbaren Schutz von Siedlungen und Infrastrukturen. Im Energiequellen – also auch das Waldholz – aus- Berggebiet ist der Wald vielerorts unabdingbar, geschöpft werden. Bereits heute macht Holz im um Siedlungen, Verkehrswege und andere Anla- Endenergieverbrauch der Schweiz 11 Prozent der gen vor Lawinen, Murgängen und Erdrutschen zu Brennstoffe zur Wärmeerzeugung aus (Jahrbuch schützen. Das Bundesgesetz über den Wald bezieht Wald und Holz 2016, G14.1) Eine grössere vollauto- sich in mehreren Artikeln (Art. 1, 19, 20, 36, 37) matische Holz-Wärme-Kraft-Kopplungsanlage er- ausdrücklich auf die Schutzfunktion des Waldes zielt aus Sicht von Umwelt, Wirtschaftlichkeit und und hält fest, die Kantone hätten dort, «wo es die Effizienz die vergleichsweise beste Gesamtbilanz Schutzfunktion erfordert» (Art. 20), eine minimale (Steubing 2013). Der Weg über die Umwandlung Pflege sicherzustellen. des Rohstoffs zu Gas hat ein grosses Potenzial, in- des muss bei diesem Ansatz der Gesamtwirkungs- Die Forschung hat Methoden entwickelt, um die grad noch verbessert werden. Schutzleistung des Waldes in Geldwert umzurech- nen. So wurden mit einer Ersatzkostenrechnung Besonders in der energetischen Verwertung des die Kosten für verschiedene technische Alternati- Holzes gibt es also noch grosses Verbesserungs- ven ermittelt, um ein Quartier des Dorfes Ander- potenzial (Biollaz 2013, Steubing 2013). Der Holz- matt vor Lawinen zu schützen (Olschewski 2013). abfall sollte besser sortiert und der geeignetsten Diese Untersuchung belegt, dass es möglich ist, Verfeuerungstechnologie zugeführt werden. Es Kosten und Nutzen der Schutzleistung von Wäl- würde die Schweizer CO2-Bilanz verbessern, wenn dern einander gegenüberzustellen und so Ent- Holzabfall (Altholz) vermehrt im Land energetisch scheidungshilfen für die effiziente Bereitstellung genutzt statt exportiert würde, was heute mit mehr dieser Leistungen zu geben. Unter anderem zeigte Bei einer energetischen Nutzung ist pro m3 Festholz mit Einsparungen von ca. 0,55 Tonnen CO2-Äquivalenten zu rechnen. 9 2
sich, dass alle technischen Schutzeinrichtungen maximal 5000 Franken (für Wälder im Mittelland) mehr kosten als ein vorsorglicher Unterhalt der pro Person. Vergleichbare Berechnungen aufgrund Schutzwälder und dass die Zahlungsbereitschaft der zweiten Bevölkerungsumfrage Waldmonitoring der Bevölkerung oft höher ist als die Kosten sol- soziokulturell (WaMos 2) schätzen den Erholungs- cher Massnahmen. wert des Schweizer Waldes auf mindestens 290 bis 590 Franken pro Person und Jahr (von Grüningen Zudem liefert die (subventionierte) Bewirtschaf- et al. 2014). Als entscheidende Faktoren stellten tung des Schutzwaldes einen wesentlichen Teil sich dabei die Distanz zwischen Wohnort und Wald, der Holzernte in Bergregionen und dürfte es auch das Vorhandensein eines Ersatzerholungsgebietes, in Zukunft tun (Temperli et al. 2017b). Zwischen der sozioökonomische Hintergrund der Befragten dem 3. (2004–2006) und dem 4. (2009–2013) Lan- sowie die Ausstattung eines Waldes mit Infrastruk- desforstinventar (LFI) wurden in Graubünden pro tur (bspw. Wegen und Bänken) heraus. Jahr 388 000 m3 Holz geschlagen. Davon stammten 62 Prozent aus dem Schutzwald gemäss SilvaPro- Fazit 5 tect, welcher 58 Prozent der Waldfläche Graubün- Die Bevölkerung ist bereit, relativ hohe Beträge für den dens ausmacht. Auf die ganze Schweiz bezogen Schutz von Wäldern zu bezahlen, die sie als Erholungs- stammte die Holzernte zwischen dem 3. und dem raum nutzen kann oder die als Naturreservate dienen. 4. LFI zu 28 Prozent aus dem Schutzwald (44% der Waldfläche) (Abegg et al. 2014). Die Multifunktionalität des Waldes und Fazit 4 die Waldpolitik 2020 Die Schutzwälder liefern eine wertvolle und bewertbare Leistung. Sie sind gleichzeitig wichtige und oft unter- Laut Waldgesetz soll der Wald in seiner Fläche und in schätzte Holzlieferanten. Zudem bieten Wälder einen seiner räumlichen Verteilung erhalten bleiben. Er soll eine effizienten Schutz vor Naturgefahren, weil ihr Unterhalt naturnahe Lebensgemeinschaft bilden, die ihre Schutz-, weniger kostet als die Errichtung technischer Schutz- Wohlfahrts- und Nutzfunktion (Waldfunktionen) erfüllen einrichtungen. kann. Gleichzeitig ist die Waldwirtschaft zu fördern und zu erhalten. Die Waldpolitik 2020 leitet daraus elf Ziele ab, davon die fünf Schwerpunktziele: Stellenwert des Waldes in der Bevölkerung 1. Das Potenzial nachhaltig nutzbaren Holzes wird ausgeschöpft Dass der Schutz des Waldes der Öffentlichkeit ein 2. Klimawandel: Der Wald und die Holzverwendung grosses Anliegen ist, zeigen Untersuchungen zur tragen zur Minderung bei und die Auswirkungen auf entsprechenden Zahlungsbereitschaft in der Be- seine Leistungen bleiben minimal völkerung. So ermittelte die Studie Borzykowski 3. Die Schutzwaldleistung ist gesichert et al. (2017), dass Schweizer Haushalte im Durch- 4. Die Biodiversität bleibt erhalten und wird gezielt schnitt bereit wären, 470 bis 500 Schweizer Fran- verbessert ken pro Jahr für die Verdoppelung der Fläche der 5. Die Waldfläche bleibt erhalten Waldreservate zu bezahlen, wo die Nutzung im In- teresse der Biodiversität eingeschränkt wird (mehr Hinzu kommen sechs weitere Ziele: dazu im Kapitel Zahlungsbereitschaft für Waldre- 6. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der servate, S. 25). Waldwirtschaft wird verbessert 7. Die Waldböden, das Trinkwasser und die Vitalität der Der Wald ist auch als Freizeit- und Erholungs- Bäume sind nicht gefährdet raum beliebt. Hierzulande sucht die Bevölkerung 8. Der Wald wird vor Schadorganismen geschützt im Durchschnitt mehr als vierzigmal im Jahr einen 9. Wald und Wild stehen in einem Gleichgewicht Wald auf (Borzykowski et al. 2014). Aus den ent- 10. Die Freizeit- und Erholungsnutzung erfolgt schonend sprechenden Ausgaben in Geld und Zeit kann für 11. Bildung, Forschung und Wissenstransfer sind den Erholungswert des Waldes eine Zahlungsbe- gewährleistet reitschaft geschätzt werden (Reisekostenmethode). Borzykowski et al. (2016) schätzen, dass die Zah- lungsbereitschaft von Waldbesuchern ihre tatsäch- lichen Ausgaben um 25 bis 113 Franken pro Besuch im Wald übersteigt (Konsumentenrente). Auf das Jahr hochgerechnet bedeutet dies eine Konsumen- tenrente von 900 Franken (für Wälder im Jura) bis 10
Abb. 2 Der Wald ist auch als Freizeit- und Erholungsraum sehr beliebt. Bedeutung der Holznutzung für Biodiversität Auch die Funktion des Waldes als CO2-Senke und CO2-Speicherung spricht nicht einfach für oder gegen eine inten- sivere Holznutzung. Wird diese reduziert, nimmt Ökologische Gründe können für eine intensive- die Senkenleistung zunächst erheblich zu. Nach re Holznutzung sprechen. Namentlich im Tessin einigen Jahrzehnten schwächt sich diese Wirkung führt die Unternutzung des Waldes dazu, dass sich aber ab, und der Wald wird zum Risikofaktor: Denn die nicht bewirtschafteten Bestände landschaft- in der Zwischenzeit wächst ein grosser Holzvor- lich angleichen, was sich sowohl aus ästhetischer rat nach, was das Risiko erhöht, dass der Wald auf Sicht als auch mit Blick auf die Biodiversität ne- Stürme und andere Waldschäden empfindlicher gativ auswirken kann (Stadelmann et al. 2015). reagiert (Fischlin et al. 2006). Die CO2-Senke kann Zudem steigt die Waldbrandgefahr. Oft steht in so rasch zu einer Quelle werden. wenig gepflegten Wäldern zu viel Starkholz, das schwierig zu verwerten ist und die Anfälligkeit der Fazit 6 Wälder gegenüber Störungen wie Sturmschäden Eine geringere Holznutzung kann der Biodiversität sowohl und Borkenkäferbefall erhöht. Mit einer erhöhten dienen als auch schaden. Die grösste CO2-Speicherung Anfälligkeit einher geht das Risiko, dass die Leis- auf der bestehenden Waldfläche erhält man langfristig, tungsfähigkeit der Wälder als Schutz vor Lawinen, wenn so viel geerntet wird wie nachwächst. Steinschlag und Murgängen abnimmt. Anderer- seits werden dicke und auch abgestorbene Bäume von zahlreichen Insekten und Vögeln als Nistplät- ze oder Futterquellen genutzt. 11
Konflikte zwischen verschiedenen dass gerade diese Art der Bewirtschaftung zu hö- Anliegen heren Erntekosten führt (Thees 2016). Ein namhafter Teil der Holzressourcen bleibt un- Dies zeigt auch die Aargauer Fallstudie, wo ein Holz- genutzt. So hat im Tessin der Holzvorrat im Kasta- nutzungsszenario modelliert wurde, das gezielt die nienwald zwischen 1985 und 2013 um 50 Prozent Biodiversität fördert, indem grosse Bäume, die Pflan- zugenommen. Doch selbst dort stimmen die Akteu- zen und Tieren einen Lebensraum bieten, erhalten re und Experten nur dann einer verstärkten Holz- bleiben (Temperli et al 2017b). In diesem Szenario nutzung zu, wenn dadurch die Biodiversität und steigen mit jedem geschützten Habitatbaum die Ern- die Landschaft nicht negativ beeinflusst werden tekosten um 50 Rappen pro m³, während die Ernte- (Stadelmann et al. 2015). menge um 0,055 m3 pro Hektar und Jahr zurückgeht. Indes zeigt die lokale und globale Betrachtung der Fazit 7 Holznutzung, dass die Verwendung von Schweizer In der Wald- und Holzbranche wie auch in der Bevölke- Holz dem Rückgang der Biodiversität entgegen- rung besteht weitgehend Einigkeit, die Wälder seien so zu wirken kann. Denn der Artenreichtum des Waldes nutzen, dass ihre Multifunktionalität gewährleistet bleibt. hängt stark von der Intensität seiner Bewirtschaf- Dies führt zu höheren Erntekosten und tieferen Nutzungs- tung und der geografischen Lage ab: Eine Meta- mengen als bei nicht multifunktionalen Wäldern, was über analyse (Chaudhary et al. 2016a) weist nach, dass Einsparungen durch effizientere Prozesse und Verfahren bei selektiven Bewirtschaftungssystemen, wie sie – kompensiert werden muss. nicht zuletzt wegen des Kahlschlagverbots – in der Schweiz praktiziert werden, kein signifikanter Rückgang in der Anzahl Arten gegenüber naturbe- Der Dialog mit der Praxis lassenen Wäldern (unmanaged forest) beobachtet werden kann. Allerdings sind Artenverschiebun- Im Rahmen des Wissens- und Technologietransfers haben gen nicht ausgeschlossen. Wenn also statt Holz in der Dialogplattform 4 «Holzbeschaffung und nachhal- aus dem Ausland – im schlimmsten Fall aus nicht tige Holznutzung» zwischen August 2014 und April 2016 nachhaltig bewirtschafteten Tropenwäldern mit ei- verschiedene Workshops mit Praxis- und Branchenvertre- ner hohen Anzahl endemischer Arten – solches aus tern zu folgenden Themen stattgefunden: der Schweiz verwendet wird, leistet dies auf globa- ler Ebene einen Beitrag zugunsten der Biodiversi- Workshop 1: Runder Tisch «Analyse der Wertschöp- tät, da Waldrodungen in zahlreichen Holz expor- fungskette Wald und Holz in der Schweiz (A-WSK)» tierenden Ländern mit einem hohen endemischen SNF, Bern, 27. August 2014 Artenreichtum erhebliche Biodiversitätsverluste nach sich ziehen können (Chaudhary et. al. 2016b). Workshop 2 zum Thema «NFP 66: Forschung auf dem Holzweg?» Auch bei der Bevölkerung geniesst der Wald als Neuere Forschung zur Holzbeschaffung und zur Lebensraum für Tiere und Pflanzen und wegen nachhaltigen Holznutzung im Lichte der Praxis seiner Schutzfunktion eine hohe Wertschätzung, FHNW Campus Olten, 11. März 2015 die im Prinzip auch dem Image des Schweizer Hol- zes zugutekommen könnte. Der Bereitstellung von 60. Ausgabe des LCA-Diskussionsforums: Holz allerdings kommt in der öffentlichen Wahr- «Holz im Brennpunkt – Möglichkeiten und nehmung eine untergeordnete Bedeutung zu; die- Grenzen von Lebenszyklusanalysen» sen Befund brachte eine Pilotbefragung in Genf ETH Zürich, 4. Dezember 2015 zutage (Baranzini et al. 2015). Eine Folgebefragung, die schweizweit durchgeführt wurde, hat diese Er- Workshop 3 zum Thema «Ökonomische Bewertung gebnisse bestätigt, zugleich aber auch gezeigt, dass von Ökosystemleistungen des Waldes» die Bevölkerung in der Mehrheit eine verstärkte Fachhochschule für Wirtschaft Genf (HEG Genf), wirtschaftliche Nutzung des Waldes wünscht. Sie 29. Januar 2016 sieht diese als durchaus vereinbar mit dem Schutz von Biodiversität und Landschaft, besonders, wenn Workshop 4: Kick-off-Veranstaltung dadurch importiertes Holz ersetzt wird (Borzykow- zur Programmsynthese ski und Kacprzak 2016). Die Bewirtschaftung der Seminarhotel Arte, Olten, 14. April 2016 Wälder nach Grundsätzen des naturnahen Wald- baus trägt zum Erhalt der Naturräume und der Ar- Für Berichte und Dokumentationen zu den einzelnen tenvielfalt bei. Hier könnte man jedoch bemerken, Workshops siehe www.nfp66.ch 12
Warum wird Holz nicht stärker genutzt? Die Topografie der Schweiz erschwert vielerorts die Bewirtschaftung der Wälder. Weitere Herausforderungen für eine kostendeckende oder gar gewinnbringende Holzproduktion stellen die forstlichen Betriebsstrukturen und das hierzulande hohe Lohnniveau dar. Der gegenwärtig starke Franken schwächt die Schweizer Holzbranche im internationalen Wettbewerb zusätzlich. Die Analyse im vorigen Kapitel hat gezeigt, dass Die hohen Erntekosten und ihre Ursachen mehr Holz aus den Schweizer Wäldern gewonnen werden könnte, jedoch nicht unbegrenzt viel und Wirtschaftliche Gründe verhindern, dass das Ern- regional in unterschiedlichem Masse. Andere Er- tepotenzial ausgeschöpft wird, insbesondere in wartungen an den Wald sprechen gegen eine ver- den Bergwäldern, wo hohe Erntekosten anfallen. stärkte Holznutzung, so z.B., wenn die Bevölkerung Es entgehen dieser Beschränkung einzig Schutz- mehr Wälder grundsätzlich eher schützen als für wälder, deren für die Schutzwirkung unabdingba- die Holzproduktion nutzen möchte (siehe Kapitel rer Unterhalt mit Abgeltungen gefördert wird. Dies Konflikte zwischen verschiedenen Anliegen, S. 12). führt paradoxerweise dazu, dass im Gebirge gera- de diese Wälder zu den wichtigsten Holzlieferan- Es kommen aber noch wirtschaftliche Hindernisse ten wurden (siehe Kapitel Bedeutung und Schutz- hinzu, auf die in diesem Kapitel näher eingegan- funktion des Waldes, S. 9). gen wird. So werden für die unvollständige Aus- schöpfung des Holzpotenzials immer wieder fol- Am tiefsten sind die durchschnittlichen Holzernte- gende Gründe angegeben: kosten, wenn billige Arbeitskraft grosse, homogene Baumbestände auf flachem Terrain kahlschlagen • Wegen der natürlichen und wirtschaftlichen kann. Diese Bedingungen sind in der Schweiz al- Bedingungen sind die Produktionskosten zu hoch. lesamt nicht gegeben, weil gemäss Waldgesetz der • Die Nachfrage nach Schweizer Holz ist zu klein. Kahlschlag verboten ist (siehe dazu Abb. 3). Selbst Dies gilt wegen des starken internationalen im Mittelland bei besten Wachstums- und güns- Wettbewerbs in besonderem Mass. tigsten Erntebedingungen ist die Holzproduktion • Es bereitet den Eigentümern Mühe, ihre Wälder vielfach defizitär (Thees 2016). Im Jura und auf kostendeckend zu bewirtschaften; in der ganzen der Alpensüdseite sind 45 Prozent der Fläche mit Wertschöpfungskette gibt es Verbesserungs- Wald bedeckt, und zwar vorwiegend auf Flächen, potenzial. die für eine landwirtschaftliche Nutzung zu steil sind. Auch an der Alpennordflanke sind vor allem Diese Gründe sollen im Folgenden ausgeleuchtet die steilen Berghänge bewaldet. Der Anteil Wald ist werden. Im vierten Kapitel werden Korrektur- hier mit knapp 30 Prozent der Fläche aber deutlich massnahmen vorgeschlagen. geringer, weil dem Wald aufgrund der Höhenlage 13
Streuung der Betriebsergebnisse nach Forstzonen im TBN 2015 6000 Gewinnzone 5000 46% 4000 Jura Erlöse [CHF/ha] Mittelland 54 % 3000 Voralpen Alpen 2000 1000 Verlustzone 0 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 Kosten [CHF/ha] Abb. 3 Streuung der Betriebsergebnisse nach Forstzonen im TBN 2015 (Betriebe mit Kosten und/oder Erlösen >6000 CHF/ha sind nicht dargestellt) (Quelle: Wald und Holz 11/16, S. 23) und der Alpnutzung Grenzen gesetzt sind. Soll die hingegen tiefere Preise. Zudem stellen sich laut den Holznutzung zunehmen, dann wird sie vermehrt Ergebnissen aus der Dialogplattform 3 «innovative in schwer zugänglichem und abgelegenem Terrain holzbasierte Materialien» mit der Verwertung von stattfinden, was die Erntekosten noch erhöhen Laubholz insofern erhebliche Herausforderungen, wird (Projekt MOBSTRAT). als es aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften und der auf die Verarbeitung von Nadelholz opti- Das Projekt MOBSTRAT (Brang) analysierte ver- mierten Prozesse nicht eins zu eins in die gegenwär- schiedene Bewirtschaftungsstrategien für den Wald. tige Wertschöpfungskette integriert werden kann. Es zielte unter anderem darauf ab, zu zeigen, unter welchen Bedingungen mehr Starkholz genutzt wer- In vielen Produktemärkten reagieren Produzen- den könnte, und zwar insbesondere in schlecht zu- ten auf tiefere Preise, indem sie versuchen, ihre gänglichen Gebieten. Allgemein stellte sich heraus, Herstellungskosten zu senken. Waldeigentümer dass die Erntekosten nach Baumarten, Holzsorti- brauchen dies nicht zu tun, denn sie können den menten, Geländebedingungen, Erschliessungsdich- Holzschlag auf später verschieben (sie tun es noch te und Erntemethode stark variieren. So hat sich aus anderen Gründen, siehe Kapitel Forstbetriebe beispielsweise in der Fallstudie im Aargau ergeben, in einer Schlüsselposition, S. 17), in der Hoffnung, dass die motor-manuelle (mit Kettensäge ausge- dass höhere Preise in der Zukunft die Opportuni- führte) Ernte von Laubbäumen tendenziell weniger tätskosten des Zuwartens ausgleichen. Ihr Produkt kostet als diejenige von Nadelbäumen, weil bei Letz- bleibt nicht nur vorrätig, sondern wächst sogar teren höhere Kosten für Entrindung und Entastung weiter. Bei zu langem Zuwarten kann jedoch die anfallen (Temperli et al. 2017b). Wird das Laubholz Qualität des Holzes sinken. Zudem besteht die Ge- zur Energiegewinnung eingesetzt, dann entfallen fahr, dass Produktionskapazitäten (Personal, Gerä- noch die Sortierkosten, und bei diesem Verwen- te) verloren gehen (Workshop vom 14.04.2016). dungszweck ist aufgrund seines höheren Brenn- wertes auch sein Verkaufserlös höher als beim Na- Die Lage der holzbasierten Industrie in der Schweiz delholz. Für andere Verwendungen bringt Laubholz ist nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Ja- 14
nuar 2015 noch schwieriger geworden. Die bereits Von verschiedener Seite gibt man allerdings zu be- hohen Produktionskosten sind im internationa- denken, es falle der Angebotsseite schwer, die tie- len Vergleich noch einmal stark angestiegen. Das feren Preise allein durch Effizienzsteigerung in der schadet zunächst dem Export; üblicherweise ver- Waldbewirtschaftung aufzufangen. Zudem sind die kaufen Forstbetriebe und holzverarbeitende Un- verfügbaren Holzsortimente und -mengen im Wald ternehmen ein Viertel ihrer Produkte ins Ausland. gegeben, sie können nicht kurzfristig der Nachfra- Noch mehr zu schaffen macht ihnen aber der ver- ge angepasst werden. Anteilsmässig entsprechen stärkte Druck durch Importe. In der ersten Hälfte sie heute nicht den am stärksten nachgefragten des Jahres 2015 gingen die Importpreise für Rund- Holzsorten (z.B. Fichten- und Tannenrundholz mit holz und Holzprodukte um 12 Prozent zurück (BFS Mittendurchmesser von weniger als 40 cm). und Martin Eichler, BAKBASEL, Wald und Holz 2/2016, S. 14)3. Voten vom runden Tisch zur Diskussion der BA- FU-Studie «Analyse der Wertschöpfungskette Wald Fazit 8 und Holz in der Schweiz (A-WSK)» (Lehner et al. An vielen Orten eignet sich der Schweizer Wald nicht für 2014 und Workshop A-WSK vom 27.08.2014) las- eine kostengünstige Bewirtschaftung; die Holznutzung ist sen darauf schliessen, dass der Motor der ganzen aufgrund topografischer/naturräumlicher und wirtschaft- Wertschöpfungskette im Holz besteht, das zur Ver- licher Bedingungen teurer als im benachbarten Ausland. fügung gestellt wird. Würde erst einmal genügend Insofern sind die ökonomischen Verhältnisse in der Forst- Holz zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitgestellt, wirtschaft vergleichbar mit denjenigen in der Schweizer könnten Investitionen in verarbeitende Betriebe Landwirtschaft. die Nachfrage verstärken, sodass die Forstbetrie- be höhere Preise erzielen könnten. So gesehen, könnte das Verfügbarmachen von Holz der Motor Das Zusammenspiel von Angebot sein, um auch die nachgelagerten Verarbeitungs- und Nachfrage schritte bzw. die ganze Wertschöpfungskette bes- ser in Gang zu bringen. Ihrerseits beklagen sich Liegt es am Angebot oder an der Nachfrage, dass Waldeigentümer über mangelnde Holznachfrage. nicht mehr Schweizer Holz genutzt wird? In dieser Bei grösserer Nachfrage würde sich ihre Motiva- Frage sind sich die Forschenden und die Praktiker tion zur Waldbewirtschaftung erhöhen. Dies käme uneinig, und zwar auch untereinander (Workshop auch der Qualität der Wälder zugute. So stellt sich vom 14.04.2016). Einige sind der Ansicht, es werde mit Blick auf die Qualität und Gesundheit des Wal- generell zu wenig Holz nachgefragt, während ande- des das Problem, dass vor allem in Bergregionen re denken, es liege am fehlenden Angebot der ge- zu viel Starkholz im Wald steht. Wenn es gelänge, wünschten Holzsorten. Tatsache ist, dass die Zahl profitable Verwertungen von solchem Holz zu fin- der Klein- und Kleinstsägereien in der Schweiz den, könnte dies die Motivation von Waldeigentü- stark zurückgegangen ist und heute noch rund ei- mern erhöhen, die überalterten Bestände abzu- nen Zehntel der Anzahl von 1960 beträgt. Dennoch bauen und damit zugleich etwas dazu beizutragen, blieb der Einschnitt konstant zwischen 2 bis 2,5 Mil- den Motor der Wertschöpfungskette anzukurbeln. lionen Festmeter pro Jahr; erst seit 2012 sank er un- ter 2 Millionen Festmeter. In Österreich, wo eben- Die Gruppe von Roland Olschewski hat sich ver- falls ein starker Rückgang der Sägereibetriebe zu tieft mit dieser Problematik befasst. An Workshops verzeichnen ist, erhöhte sich der Einschnitt im glei- mit den Akteuren der Forst- und Holzwirtschaft chen Zeitraum um das Vierfache. In der Schweiz ist in den Kantonen Aargau und Graubünden hat der Holzbau mit dem Problem konfrontiert, dass er sich gezeigt, dass die mangelnde Wirtschafts- bzw. nicht die Rohstoffmengen Schweizer Herkunft fin- Profitorientierung vieler Akteure, besonders von det, die er brauchen würde. Denn der Endverbrauch Waldeigentümern, das Holzangebot beschränken von Holz ist angestiegen, die Zusatznachfrage wird kann. In zahlreichen Gemeinden hat das Budget derzeit jedoch hauptsächlich durch den Import von der Forstbetriebe eine vergleichsweise geringe fi- Halb- und Fertigfabrikaten erfüllt, und es stellt sich nanzielle Bedeutung. Diese Faktoren schwächen die Frage, wie sie mit einheimischem Holz befrie- die Reaktion des Angebots auf Preissignale. Dage- digt werden könnte. Die Nachfrage der ersten Ver- gen konnte bei den Leitern der Forstbetriebe, die arbeitungsstufe – d.h. der Sägereien – ist entschei- für den Verkauf des Holzes verantwortlich sind, im dend, um die Wertschöpfungskette Holz in Gang zu Rahmen von Choice-Experimenten in den Kan- bringen. Ein Ziel des NFP 66 bestand gerade darin, tonen Aargau, Bern und Graubünden festgestellt neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden, damit diese werden, dass eine ganze Reihe von Faktoren den Nachfrage angekurbelt werden kann. Verkaufsentscheid beeinflussen und dass dabei Siehe auch zum Thema die Unterlagen der Tagung «Frankenstärke – ein Jahr danach» der Arbeitsgemeinschaft für 15 3 den Wald (AfW) am 15. Januar 2016 (http://www.afw-ctf.ch/de/runde-waldtische/frankenstaerke).
der zu erwartende holzerntekostenfreie Erlös ne- riment festgestellten unterschiedlichen Präferen- ben dem Vertrauen die wichtigste Rolle spielt. zen ausgestattet. Hierdurch wird es möglich, den Einfluss des Verhaltens auf das Marktergebnis, Projekt «Ökonomische Analyse insbesondere auch auf die Versorgung der Holzab- Schweizer Holzmärkte» nehmer, zu überprüfen. So lässt sich etwa auf em- pirischer Basis zeigen, wie sich ein vermehrt öko- Projektverantwortliche: Roland Olschewski, nomisches Verhalten der Betriebsleiter oder auch Urs Fischbacher, Lorenz Hilty, Bernhard Pauli, Fördermassnahmen bei der Waldbewirtschaftung, Oliver Thees Waldflächenstilllegungen oder Markteintritte neu- In diesem Projekt wurde die Funktionsweise von Schwei- er Nachfrager etc. auswirken. zer Holzmärkten anhand von Fallbeispielen analysiert und auf der Basis ökonomischer Theorie erklärt. Die Ergeb- Fazit 9 nisse flossen in die Entwicklung eines agentenbasierten Es bestehen sowohl Herausforderungen der wirtschaftli- Modells ein. Dies ermöglichte es, Szenarien für die chen Effizienz als auch strukturelle Schwierigkeiten, die zukünftige Holzverfügbarkeit darzustellen und Optionen der Nutzung von Holz entgegenstehen. Ungünstige Topo- für die Einflussnahme durch ökonomische Instrumente grafie, mangelnde Orientierung am Markt, hohe Preiser- aufzuzeigen. wartungen und kontradiktorische Anforderungen an den Wald gehören zu den wichtigsten Hindernissen. Um die In einem agentenbasierten Modell (Holm et al. Wertschöpfungskette zu verstärken, braucht es Massnah- 2016) hat die Gruppe von Roland Olschewski auch men auf beiden Seiten: Angebot und Nachfrage. die Holzpreisentwicklung und die Mengenflüsse auf dem Rundholz-, dem Industrieholz- und dem Energieholzmarkt analysiert. Das agentenbasierte Struktur und Akteure Modell unterscheidet drei Typen von Holzanbie- tern (öffentliche Forstbetriebe, private Waldei- Fragmentiertes Waldeigentum gentümer und Importeure) und vier Typen von Abnehmern (Sägereien, Energie- und Industrie- Den Waldeigentümern kommt für die verstärkte holz-Nachfrager und Exporteure) sowie zwei Ty- Nutzung von Holz eine wichtige Rolle zu. Allerdings pen von Intermediären, nämlich Händler und Bün- befinden sich 30 Prozent des Waldes in privater delungsorganisationen, über die ein Teil des Holzes Hand, verteilt auf 250 000 Eigentümer (siehe «Wem gehandelt wird. Diese Holzmarktakteure haben die gehört der Wald» S. 17), die zum grossen Teil den Forschenden im Modell mit den im Choice-Expe- Wald in der Freizeit pflegen, ein eher geringes Energieholzmarkt Energieholzkäufer Sägeholzmarkt Öffentliche Importeur Bündelorganisation Waldbewirtschafter Sägereien Private Exporteur Händler Waldbesitzer Sägeholz Industrieholzkäufer Energieholz Industrieholz Industrieholzmarkt Abb. 4 Organisation und Interaktionen auf dem Holzmarkt (Team Olschewski) 16
ökonomisches Interesse am Wald haben und auch den gebräuchlich ist. Selbstverständlich spielen wenig dazu neigen, ihn an professionelle Bewirt- auch die Preise, welche die Waldeigentümer über schafter zu verpachten (Workshop vom 11.03.2015). die verschiedenen Kanäle für ihr Holz erhalten, Die grosse Anzahl dieser passiven Waldeigentümer eine wichtige Rolle. erschwert es, Strukturen zu schaffen, die eine effi- zientere Bewirtschaftung des Waldes ermöglichen Fazit 10 würden. Das BAFU will mit der «Analyse Waldei- Der Schweizer Waldbesitz ist ausserordentlich fragmen- gentum Schweiz» mehr über das Verhältnis der tiert. Dies behindert eine effiziente Bewirtschaftung und privaten und öffentlichen Eigentümer zu ihrem Vermarktung. Wald erfahren. Wem gehört der Schweizer Wald? Forstbetriebe in einer Schlüsselposition Laut Schweizerischer Forststatistik 2015 sind 98,5 Forstbetriebe in öffentlicher Hand bewirtschaf- Prozent der Waldeigentümer Private. Ihnen gehören aber ten 70 Prozent des Schweizer Waldes (siehe «Wem nur 29,4 Prozent der gesamten Waldfläche, wobei dieser gehört der Wald»). Sie stehen deshalb im Fokus Anteil zwischen weniger als 10 Prozent in den Kantonen mehrerer Analysen. Es wurde eine optimale Be- Graubünden, Obwalden und Wallis auf über die Hälfte in wirtschaftungsgrösse in einer Bandbreite von 700 den Kantonen Appenzell, Thurgau und Zürich ansteigt. bis 1200 Hektaren ermittelt, also mehr als die drei- Der Rest ist in öffentlicher Hand, hauptsächlich von fache Fläche des durchschnittlichen Schweizer politischen (29,5% der gesamten Waldfläche) und Orts- Forstbetriebs (Krähenbühl 2016). Da Forstbetriebe bürgergemeinden (29,0%). Die durchschnittliche private aber oft mehrere Waldeigentümer betreuen, wird Waldeigentümerschaft besitzt 1,5 Hektaren Wald, der die hier geforderte Gesamtbewirtschaftungsgrösse durchschnittliche öffentliche Waldeigentümer 255 Hek- zum Teil bereits erreicht. Ein Potenzial zur Effizi- taren. Letztere Zahl variiert von 45 Hektaren im Kanton enzsteigerung durch Grössenvorteile gibt es vor Luzern bis 2040 Hektaren im Kanton Glarus. Forstbetrie- allem bei Kleinst- und Kleinbetrieben. be stellen für grössere Waldeigentümer (oder mehrere zusammen) die Bewirtschaftung sicher. In der Diskussion mit den Praktikern wurde die deutliche Aussage zur optimalen Bewirtschaf- Waldeigentümer haben die Wahl zwischen vielen tungsgrösse stark in Frage gestellt. Auch das Pro- Wegen, um ihr Holz auf den Markt zu bringen. Sie duktionsvolumen wurde aus der Praxis als mögli- können es mit eigenem Personal ernten und den cherweise missverständlicher Indikator bemängelt, Sägereien verkaufen oder über Intermediäre wie da grosse Volumina auch für Übernutzung stehen Bündelungsorganisationen vermarkten. Sie kön- könnten (Workshop vom 11.03.2015). Die minima- nen das Ernten und Vermarkten auch an Forst- le Grösse für einen kostendeckenden Forstbetrieb, unternehmen auslagern. Letzteres eignet sich ausgehend von der kleinsten Beschäftigtenzahl, für kleinere Eigentümer, bedingt aber auch ein die ein organisatorisch und sicherheitstechnisch gewisses Vertrauen, denn die Forstunternehmen korrektes Funktionieren gewährleistet, wird auf- arbeiten dann in ihrem Wald und vermessen das grund von Erfahrungswerten aus der Praxis auf geschlagene Holz (Olschewski et al. 2015, Kimmich 1500 ha geschätzt (Brügger 2016). Aus Sicht der und Fischbacher 2016). Überhaupt haben sich Ver- Praxis sollten ggf. weitere Kenngrössen ermittelt trauen und Reputation als wichtig für die Holzbe- werden, um über die Effizienz eines Betriebs Auf- schaffung erwiesen, denn es werden eher selten schluss zu erhalten. Auch gilt es zu berücksichti- schriftliche Verträge verwendet. Der Verkäufer gen, dass Forstbetriebe oft unterschiedliche Be- muss dem Sägewerk vertrauen, dass es das gelie- triebsziele verfolgen: So kann ein Betrieb, der noch ferte Holz richtig vermisst. Der Käufer muss darauf andere Dienstleistungen anbietet oder die Einglie- vertrauen, dass die geforderte Menge und Quali- derung schwer vermittelbarer Arbeitskräfte an- tät fristgerecht geliefert wird. Waldeigentümer, die strebt, keine Gewinnmaximierung im Fokus haben eher ungeduldig sind oder Dritten wenig vertrauen und beschäftigt unter Umständen mehr Angestell- oder die auch die Holzpreisentwicklung besonders te, als es aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt optimistisch einschätzen, wählen eher den Di- wäre. In Österreich arbeitet die Forstwirtschaft rektverkauf an Sägereien, wie im Kanton Aargau kostendeckend, weil dort der Wald hauptsächlich üblich. Waldeigentümer, die diese Eigenschaften grossen privaten Eigentümern gehört, bei denen nicht teilen, nutzen verschiedene Absatzkanäle eine wirtschaftliche Zielsetzung im Vordergrund wie Bündelungsorganisationen oder den Verkauf steht und nicht die Biodiversität oder die Erholung ab Stock an Forstunternehmen, was in Graubün- der Bevölkerung (Workshop A-WSK, 27.08.2014). 17
Eine statistische Analyse hat auch gezeigt, dass haltene Aussage stellt fest, dass Schweizer Forst- Schweizer Forstbetriebe überraschenderweise we- unternehmen dort zwar pro Festmeter weniger als niger Holz anbieten, wenn sie dafür einen höheren im Inland verdienen, dafür aber grössere Aufträge Preis erhalten (Krähenbühl 2015). Dies gilt beson- ausführen können, was gegenüber den Hieben in ders für kleinere Forstbetriebe. Solches Verhalten Schweizer Wäldern den durchschnittlichen Ar- wurde in anderen Bereichen beobachtet, wo die beitsaufwand und damit die Stückkosten senkt. Wirtschaftssubjekte nicht ihren Gewinn maximie- Hier liegt vielleicht eine Lösung für die Schwie- ren, sondern ein bestimmtes Einkommen anpei- rigkeit, das Volumen in der Schweiz auf die Grösse len (Farsi und Krähenbühl 2015). In diesem Fall auszudehnen, die für die Skaleneffekte (Rationali- könnten auch die anderen Funktionen des Wal- sierung) optimal wäre. des eine Rolle spielen: Erhalten die Forstbetriebe mehr Kostenbeiträge oder Abgeltungen für andere Bündelungs- und Vermarktungsorganisationen Dienstleistungen, dann sind sie eher bereit, tiefere Bündelungs- und Vermarktungsorganisationen Abnahmepreise von den Sägereien zu akzeptie- sind Intermediäre, die Holz bei mehreren Waldei- ren. Das Holz hätte dann eher den Charakter eines gentümern beschaffen und es in grösseren Men- Nebenproduktes ihrer sonstigen Aktivitäten (Krä- gen für Abnehmer (z.B. Sägereien) bereitstellen. henbühl 2015). Diese Ergebnisse entsprechen dem Sie führen insgesamt nicht unbedingt zu mehr «inversen Angebotsverhalten», was bedeutet, dass Holzeinschlag (ausser vielleicht bei niedrigen die Holznachfrage, die im Normalfall bei steigen- Marktpreisen), aber sie können eine grössere den Preisen abnimmt, das Erntevolumen bestimmt Menge von homogenem Holz anbieten. Dadurch (Olschewski und Thees 2015a). erhöht sich potenziell die Marktmacht der vielen kleinen Schweizer Holzanbieter gegenüber der Schliesslich hat die Forschung noch einen weite- Nachfrageseite. Diese Organisationen werden zum ren Vorteil grösserer Betriebe hervorgebracht: Ver- Teil öffentlich gefördert. handlungsmacht. Die statistische Analyse von fast 2000 Forstbetrieben über die Jahre 2004 bis 2010 Sägereien belegt, dass grössere Betriebe für ihr Holz höhe- Die Sägereien nehmen bei der Bereitstellung von re Preise erzielen, besonders, wenn sie in privater Schweizer Holz eine wichtige Position ein, sind Hand sind. Die Vermutung liegt nahe, dass diese aber offenbar nur schwer zu bewegen, Zahlen Betriebe den Markt konsequenter ausreizen kön- über ihren Geschäftsgang offenzulegen. Ihre wirt- nen. Mit 10 Prozent mehr Waldfläche erhalten öf- schaftliche Verhaltensweise und Bedeutung konn- fentliche Forstbetriebe 1,04 Prozent mehr pro Ku- te im Rahmen des NFP nicht umfassend geklärt bikmeter Holz und die Privaten sogar 1,53 Prozent werden. Gemäss Aussagen im Workshop A-WSK (Farsi und Krähenbühl 2015). vom 27.08.2014 liegt ein Vorteil der Schweiz auch darin, dass selbst Sägereien von geringerer Kapa- Fazit 11 zität (60 000 Festmeter) profitabel betrieben wer- Bei den Forstbetrieben besteht Rationalisierungspoten- den könnten – sofern sie Produkte mit hoher Wert- zial. Würden sie grössere Waldflächen bewirtschaften, schöpfung anbieten, die auf dem hiesigen Markt könnten sie von Skalengewinnen und einer beständigeren gefragt sind. Auslastung profitieren und so ihre durchschnittlichen Ern- tekosten senken. Zudem nimmt ihre Verhandlungsmacht Förster und Forstdienste zu, sodass sie bessere Preise erzielen könnten. Förster und Forstdienste scheinen die grösste Sen- sibilität für die Multifunktionalität des Waldes auf- zuweisen und Anliegen wie den Schutz der Biodi- Andere Akteure der Forst- und Holzwirtschaft versität und der Landschaft oder die Waldleistung als Erholungsraum hoch zu gewichten. Sie neh- Forstunternehmen men sich eher als «Bewahrer» des Waldes wahr Skaleneffekte in der Holzernte gibt es nur, wenn denn als «Ausbeuter» in dem Sinne, dass sie eine ein grosses Volumen in einem relativ begrenzten grösstmögliche Holznutzung anstreben würden. Sie Gebiet und Zeitrahmen geerntet werden kann. Bei verstehen sich nicht als Dienstleister der Holzin- fragmentierten Waldeigentumsverhältnissen be- dustrie. Waldbewirtschaftung nach festgesetzten dingt dies, dass mehrere benachbarte Waldeigen- Umtriebszeiten und Zieldurchmessern hat kei- tümer ihr Holz gemeinsam oder koordiniert vom nen Vorrang (Fallstudie Tessin, Workshop A-WSK gleichen Forstunternehmen schlagen lassen. vom 27.08.2014 und Austausch mit Verbänden der Vermehrt werden Schweizer Forstunternehmen Wald- und Forstwirtschaft vom 02.03.2015). auch im benachbarten Ausland tätig. Eine in der Zeitschrift «Wald und Holz» 2/2016 (S. 15) festge- 18
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