INDUSTRIAL PIONEERS - INDUSTRIAL INTELLIGENCE - EXKLUSIVER EINBLICK DIE VORSERIENMONTAGE DES E.GO LIFE IN AACHEN - HANNOVER MESSE
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INDUSTRIAL 1 | 19 PIONEERS Das Magazin der HANNOVER MESSE EXKLUSIVER EINBLICK DIE VORSERIENMONTAGE DES E.GO LIFE IN AACHEN INDUSTRIAL INTELLIGENCE S. 22 S. 20 S. 37 WHITE VORBILD MAHNER HAT ADRIAN JANOTTA SOPHIA HATZELMANN PROF. DR. SEPP HOCHREITER
EDITORIAL GUT TRAINIERT LIEBE LESERINNEN UND LESER, Ende 2018 hat die Bundesregierung die KI-Strategie Deutschlands auf den Weg gebracht – unter anderem ausgestattet mit drei Milliarden Euro. Das kann ein Anfang sein. Viele behaupten, Deutschland und Europa hätten schon lange den Anschluss Informationsgebend und an China und die USA in Sachen Machine Learning und KI verloren. Für den Con- vernetzbar sind SCHUNK Greifsysteme die Schnittstelle sumerbereich mag das so sein, leider. für die Kommunikation zwischen Werkstück und Maschine. In der Industrie startet das Wettrennen aber jetzt. Viele Kommentatoren sitzen einem großen Irrtum auf. Sie schreiben von Künstlicher Intelligenz (KI) und meinen doch Machine Learning, denn alles, was wir momentan sehen, hören und mit welchem Gerät wir auch sprechen: Die Technologie ist Machine Learning und die Algorithmen be- ruhen unter anderem auf den Forschungen von Prof. Dr. Sepp Hochreiter, dem ich sehr dankbar bin, dass er uns einen polarisierenden Gastbeitrag geschrieben hat (Seite 37). Wir als Messe bringen Menschen und ihre Meinungen zusammen. Ich schließe mich der Meinung von Prof. Dr. Sepp Hochreiter an: Deutsch- lands und Europas Chancen liegen sicher nicht in Alexa- oder Siri- Pendants. Unsere Chance liegt im Machine Learning, in intelligenten Anwendungen für die Industrie, und an vielen Hochschulen bilden Dozenten schon heute junge Frauen und Männer zu dem Thema aus, machen sie fit für Machine Learning. Die zweite Halbzeit der Künstlichen Intelligenz bricht gerade erst an, und wir werden diese mit unseren Ausstellern nutzen. Wir haben gut trainiert – Menschen und Maschinen, auch In Touch with Big Data im ältesten Unternehmen Deutschlands. Achenbach Busch- hütten wurde 1452 gegründet und setzt heute auf die Google Cloud und Machine Learning für neue Produkte – von Seit Jahrzehnten prägen SCHUNK Greifsysteme den rasanten wegen „abgehängt“. Roger Feist erklärt uns, wie er das macht Fortschritt in vielen Branchen. Schon heute bilden intelligente und (Seite 24). Er ist ein echter Pionier und auch Fachbesucher vernetzbare SCHUNK Komponenten die Grundlage für die flexible der HANNOVER MESSE. und intelligente Produktionsautomatisierung. Als führender Technologieausrüster von Robotern und Produktionsmaschinen © 2019 SCHUNK GmbH & Co. KG Ich lade Sie zur HANNOVER MESSE (1. bis 5. April) ein, engagieren sich in 9 Werken, 34 Ländergesellschaften und um sich vor Ort ein Bild über die Leistungsfähigkeit der über 50 Ländern der Erde 3.400 Mitarbeiter der SCHUNK-Familie Industrie zu machen. Unser Leitmotto: Industrial Intelli- Tag für Tag für den Erfolg unserer Kunden – mit Pioniergeist und gence umfasst nicht nur die Künstliche Intelligenz, sondern Kompetenz, mit Zuverlässigkeit und Leidenschaft. auch den Menschen in den Produktionsprozessen. Ihr Erfahren Sie mehr unter schunk.com Dr. Jochen Köckler Jens Lehmann, deutsche Torwartlegende, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Messe seit 2012 SCHUNK-Markenbotschafter 01.-05.04.2019 für sicheres, präzises Greifen und Halten. Halle 17 I Stand B40 schunk.com/lehmann INDUSTRIALPIONEERS 3
INHALT 1 | 19 Editorial 3 GUT TRAINIERT THEMENSCHWERPUNKT: KI für die Konstruktion Augenblick 6 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ INDUSTRIAL News 8 SECURITY, ÜBERNAHME, 5G STORYHUB INTELLIGENCE Reportage 10 VORSERIENPRODUKTION → www.industrialpioneers.com BEI E.GO News 14 CYBERPOLICEN, HERMES ENTDECKEN SIE DAS e.GO – die Fabrik und AWARD, ROBOTERMARKT HOME OF INDUSTRIAL PIONEERS! 30 die Menschen lernen Pioniere 16 SEEBERG – DER TRAINER Der Ort, an dem die Industrie von morgen entsteht – die HANNOVER MESSE ist es seit über sieben Jahrzehnten. 18 IVERSEN – DER ARCHITEKT Was kommt als nächstes? Das! 20 HATZELMANN – DAS VORBILD Spiel, aber ernst 22 JANOTTA – DER GUTE HACKER 24 FEIST – DER VORDENKER MEHR DIALOG, MEHR WISSEN, MEHR VORTEILE 10 26 SODER – DER DIRIGENT Als kostenloser News-Service-Empfänger halten wir Sie regelmäßig über alle Neuigkeiten zu Ihrem Messe- News besuch, zu Ausstellern, zu Top-Angeboten und den 28 HARTMETALL-DRUCK, Trends der Branche auf dem Laufenden. Zusätzlich E-MOBILITÄT, INDUSTRIAL erhalten Sie Empfehlungen zu weiteren interessanten Pioniere Veranstaltungen der Deutschen Messe. INTELLIGENCE www.hannovermesse.de/de/newsletter Forschung 34 30 MUSTERSUCHE IN DER KONSTRUKTION MEHR ERFAHREN IM INTERNET Energie Ihr direkter Weg zur digitalen Ausgabe des Magazins 32 5G FÜRS NETZ INDUSTRIALPIONEERS: überall lesbar, ob mobil oder 20 Milliarden für Automatisierung am Desktop, und mit zusätzlichen Features unter Gamification www.industrialpioneers.com. 34 SPIEL, ABER ERNST QR-Code Reader im App Store herunterladen und Gastbeitrag Code mit Ihrem Smartphone scannen. 16 37 VERMASSELT ES NICHT Steuerung 38 20 MILLIARDEN FÜR AUTOMATISIERUNG SIE FINDEN DIE HANNOVER MESSE AUCH IN FOLGENDEN NETZWERKEN Arbeit 40 WOL IN DER PRODUKTION 38 Startup 42 DIE NEUEN 4 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 5
MACHINE LEARNING ALLE MÜSSEN LERNEN UND DENKEN Menschen bringen Maschinen bei, logisch und zweckgerichtet zu handeln, um Kunden- bedürfnisse zu befriedigen. KI-Systeme generieren Wissen und können heute auf Basis von Daten und Algorithmen Betriebszustände fortlaufend optimieren oder Fehler und Störungen sicher voraussagen – in Produktionsprozessen, im Stromnetz oder in der Logistik. Daten- sammlung, Datenanalyse, maschinelles Lernen oder die Entwicklung von Algorithmen für Künstliche Intelligenz macht der Mensch erst möglich. Industrial Intelligence steht deshalb auch dafür, Wissensmanagement auszubauen und Wissensträger auszubilden. 6 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 7
NEWS NEWS SECURITY ROBOTIK KOMMUNIKATION VPN-MYTHOS NEUE CHANCEN DER FOKUS MUSS AUF DER INDUSTRIE LIEGEN Interview mit Dr. Klaus Mittelbach, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung Bei der 5G-Diskussion herrscht Verwirrung. besten über lokale, sichere Netze auf dem Werksgelände. Immer neue Stimmen fordern immer neue Dinge. Viele Industrieunternehmen aus unterschiedlichen Bran- Wie ist der Stand der Dinge? chen wie der Automobilindustrie, der Chemie, Elektro- Es herrscht weder Verwirrung noch Chaos. Als Elektro- industrie und Maschinenbau wollen solche Netze aufbau- industrie haben wir eine klare Position zu 5G. Diese lautet: en. Sobald die Frequenzen zur Verfügung stehen, werden Quelle: Rethink Robotics ein ganz eindeutiges „ Ja“ zu lokalen 5G-Netzen auf diese von den Unternehmen beantragt werden. Lokale Quelle: adobe stock den Werksgeländen. Denn wenn diese 5G-Netze nicht 5G-Netze auf den Werksgeländen ergänzen den Ausbau schnell kommen, verspielen wir unsere Führungsrolle bei der großen Mobilfunkbetreiber und garantieren die not- Industrie 4.0. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des In- wendige Versorgungsdichte mit 5G. dustriestandorts Deutschland. Deshalb müssen wir beim 5G-Ausbau schnell vorankommen und alle mit anpacken. Wo lauern Fallstricke in dem Prozess? VPN-Tunnel können weiter in China betrieben werden. Lachen jetzt bei der Hahn Group – die Roboter von Rethink. Die große Herausforderung ist, dass wir in Deutsch- Fehlt Ihnen das Vertrauen in die land kein Silicon Valley haben. Wir haben den Mittel- Die Aufregung in europäischen Unternehmen Nach dem Aus von Rethink Robotics können viele Mitarbeiter Telekommunikationsanbieter? stand überall im Land – derzeit noch mit vielen schlecht war groß. Medien berichteten vor wenigen Mo- aufatmen, denn Universal Robots bietet den Mitarbeitern vom Es geht eher um Teamwork, also darum, dass jeder genau versorgten Verkehrswegen und Gewerbegebieten. Das naten von einer bevorstehenden VPN-Tunnel- ehemaligen Wettbewerber Arbeitsplätze an. Die Dänen überneh- das in den 5G-Ausbau einbringt, was er am besten kann. muss sich jetzt ändern. Deshalb muss der Fokus auf der abschaltung in China. Dr. Dennis-Kenji Kipker, men über 20 Mitarbeiter – vor allem aus den Bereichen Engineering Denn Deutschland braucht von vornherein ein leistungs- Industrie liegen und die Unternehmen zu 100 Prozent ans unter anderem wissenschaftlicher Geschäfts- und Produktentwicklung, berichtet der US-Robotic-Report. Auch starkes industriefähiges 5G-Netz. Gleichzeitig muss der Breitbandnetz angeschlossen werden – gleichgültig, ob sie führer des Instituts für Informations-, Gesund- der Standort Boston soll von Universal Robots übernommen wer- Ausbau schnell erfolgen: Industrie 4.0 ist ein Tempo- nahe der städtischen Ballungszentren oder in ländlichen heits- und Medizinrecht (IGMR) der Universität den, berichtet das Fachmedium. Dazu kommt: Die Hahn Group, Thema und 5G schafft das schnellste und zuverlässigste Regionen ansiedeln. Dabei können wir unterstützen, Bremen, gibt vorsichtig Entwarnung. In einem ein international agierendes Technologieunternehmen für Automa- Netz für das Internet der Dinge und die Fabrik 4.0 mit indem wir selbst lokale 5G-Netze auf den Werksgeländen Aufsatz für die Fachzeitschrift Datenschutz tisierungs- und Roboteranwendungen, stärkt seine Marktposition vielen Tausend Geräten und Maschinen und zwar am aufbauen. ■ und Datensicherheit berichtet er: Das bedeutet durch die Übernahme von Robotertechnologie des US-ameri- konkret, dass bestehende VPN-Verbindungen kanischen Robotik-Pioniers Rethink Robotics. Im Rahmen der wie bisher auch grundsätzlich aufrechtzuerhalten sind. Von einer möglichen Unterbrechung sollen Transaktion wurden u. a. alle Patente und Namensrechte sowie die Softwareplattform „INTERA5“ des Unternehmens erworben. Mit DER 5G-PLAN lediglich solche Anbieter bzw. Verbindungen dieser Softwareplattform, welche die intuitive Programmierung von betroffen sein, die rechtswidrig sind – was aber Industrierobotern erlaubt, hat Rethink Robotics den industriellen auch schon nach „altem“ Recht der Fall gewesen Einsatz von kollaborativen Robotern – sogenannten Cobots – erst sein kann und nicht mit einer flächendeckenden möglich gemacht, heißt es in einer Mitteilung. Die Übernahme der Sensors FACTORY A Data center (hosting cloud) Network functions, industrial apps, und anlasslosen VPN-Abschaltung zu tun hat. Robotertechnologie von Rethink Robotics markiere für die Hahn Transport 3rd party apps Daraus wiederum lässt sich folgern, dass solche Group einen wichtigen Schritt im Ausbau ihres Geschäftsfelds VPN-Tunnel, die bisher auch schon ohne grund- Kollaborative Robotik, heißt es weiter. Durch die Transaktion er- Industrial application X sätzliche Konflikte bestanden, mit großer Wahr- ziele man einen deutlichen Zugewinn an innovativer Technologie scheinlichkeit selbst unter dem Regelungsregime und hoch spezialisiertem Know-how. ■ 5G Access Slice A des chinesischen Cyber-Sicherheitsgesetzes ebenso weiterhin ohne zu erwartende Konflikte PLC Slice B betrieben werden können. Sein Fazit: Festzustel- len bleibt, dass sich deutsche und EU-Unterneh- ZITIERT FACTORY B men zumindest beim Thema „VPN und China“ Slice C etwas entspannen können. ■ Es stört mich, dass alle, die über Innovation PLC reden, ein Ticket kaufen und nach San Francisco PLC fliegen. In Berlin gab es schon Startups, da gab es im Silicon Valley noch nicht mal Garagen. Industrial application Y Edge data center (hosting edge cloud) Network functions, industrial apps, PLC 3rd party apps Joe Kaeser, CEO von Siemens, anlässlich der Vorstellung der Investitionspläne des Konzerns in Berlin Quelle: ZVEI 8 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 9
REPORTAGE DIE FABRIK UND DIE MENSCHEN LERNEN Autofabriken werden heute nur noch selten in Deutschland eröffnet. Die jüngste Fabrik steht in Aachen. Bei e.GO setzen die Verantwortlichen auf volle Datentransparenz in der Produktion. Am 1. März muss alles laufen. Werksleiter Dr. Bastian Lüdtke gewährt einen Einblick in die Vorserienproduktion. Bastian Lüdtke ist ein ruhiger, analytischer Mensch. dass sie ein völlig neues Auto entwickeln und bauen – Er ist promovierter Wirtschaftsingenieur von der in der Konstruktion, im Einkauf, am Band oder RWTH Aachen und steht vor der größten Aufgabe in der Logistik. Doch Lüdtke und seine Kollegen sind seiner jungen Karriere. In weniger als 100 Tagen sich sicher: „Den Anlauf kriegen wir hin.“ Vielleicht muss der erste Elektrokleinwagen e.GO Life aus auch deshalb, weil zunächst einmal 45 Stück pro Aachen „sein“ Werk verlassen. Er ist Werksleiter der Schicht gebaut werden sollen. „Darüber lachen die e.GO Mobile AG in Aachen. Die Kunden warten großen Autobauer.“ ungeduldig, manche haben das Auto sogar blind im Internet bestellt. „Wir haben keine firmeneigenen Der e.GO Life war eine Vision, eine Wette auf Vorerfahrungen, keine Voranläufe“, berichtet Lüdtke die Zukunft und ist jetzt zur Realität geworden – nüchtern. Autobauen aus dem Nichts. Aufgeregt? ein bezahlbares, viersitziges Stadtauto mit Elektro- „Aufregung herrscht vor allem bei der Frage, wer den antrieb, gebaut in Deutschland, das auch noch Spaß ersten W agen bekommt“, erklärt Lüdtke und grinst machen soll, mit dicken Reifen für das Gokart- dabei. e.GO ist Lüdtkes erster Arbeitgeber, sein ehe- Feeling. Darüber lachen die großen Autobauer maliger Doktorvater Prof. Dr. Günther Schuh ist jetzt heute nicht mehr. Und Bastian Lüdtke und seine sein Chef. Für viele bei e.GO ist es das erste Mal, Kollegen sind zufrieden. Quelle: R. Kluger 10 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 11
Die Vorserienproduktion läuft seit einigen Wo- „Wir haben eine Datendurchgängigkeit vom Doch ganz ohne Automatisierung kommen chen. Die Fabrik und die Menschen lernen. „Ein PLM-System über das ERP hin zum WMS und Lüdtke und seine Kollegen nicht aus. Automa- Elektroauto zu bauen, ist weniger komplex als ein MES. Unser Ziel ist es, die Entwicklungsstückliste tisch gesteuerte FTS ermöglichen die barriere- Verbrennermodell“, berichtet der Werksleiter. effizient zur Fertigungsstückliste ohne Daten- freie Fabrik. „Elektroautos baut man heute nicht Viele Mitarbeiter sind ehemalige Kfz-Meister redundanzen und Systemschnittstellenbrüche mehr zwanghaft in der Elektrohängebahn, denn oder -Gesellen, die e.GO in der Region Aachen umzuwandeln.“ Diese wird dann an das ERP wir müssen weniger Arbeitsschritte unter dem angeworben hat und die jetzt den Kleinwagen automatisch übergeben. Auto durchführen. Das ist beim Verbrenner noch zusammenschrauben. Über 40 Angestellte in der anders.“ Die FTS kommen von SEW Eurodrive. Montage sind es mittlerweile. Zahlreiche Displays DAS ENDE DER DATENSILOS „Die Industrie-4.0-Fertigung von Johann Soder an den Stationen visualisieren Arbeitsschritte und Dafür brauchte es Schnittstellen – alles individuell bei SEW hat uns überzeugt“, blickt Lüdtke zu- Fertigungsdaten. Die Philosophie: Ein gutes Bild konfiguriert. Lüdtke steht vor einer riesigen Vi- rück. Dort versorgen FTS die Montageplätze. Die ist besser als jede Erklärung. „Datentransparenz deowand, auf der er Datenauswertungen aus allen FTS-Lösung deckt die einzelnen Fahrzeuge, die auch gegenüber den Mitarbeitern ist uns wich- Bereichen auf Knopfdruck bekommt. „In der Ver- Energieversorgung, die WLAN-Kommunikation tig.“ Mehr als 650 Teile müssen verbaut werden. gangenheit haben drei bis vier Leute Wochen an sowie die Navigation und Fahrzeugkoordination „Wir fertigen an sich klassisch in der Linie mit 28 der Umwandlung der Stücklisten und der Aktu- ab. Im Boden verlegte Linienleiter ermöglichen Stationen.“ An diesen Stationen werden so über alisierung der Prozessbeschreibungen gearbeitet. eine kontaktlose und damit verschleißfreie und 1.000 Varianten erzeugt. Theoretisch sind noch Heute erfolgt das durch die Datendurchgängigkeit wartungsarme Energieübertragung. Eine präzise viel mehr Varianten möglich. in den normalen Arbeitsabläufen.“ Die Datensilos Positionierung wird durch bedarfsgerecht im sind bei e.GO verschwunden, ein Traum vieler Boden eingelassene Transponder sichergestellt. Unternehmen. „Wir sind eine lernende Fabrik, die Die Software aus Bruchsal ermöglicht es e.GO „Unser 4.0 ist die schlanke Fertigung uns zeigt, wie sie arbeitet. Wir können Prozesse gleichzeitig, die Förderstrecke zu planen, zu Quelle: R.Kluger schnell verändern und wenn wir feststellen, dass simulieren und zu emulieren und für unterschied- und die Datendurchgängigkeit.“ wir einen Roboter an der Montagelinie brauchen, liche Streckenabschnitte beliebige Fahrprofile – Dr. Bastian Lüdtke dann implementieren wir ihn. Die Daten geben und Fahrverhalten zu parametrieren – für mehr uns die richtigen Antworten“, gibt sich Lüdtke Wachstum, denn Lüdtke und sein Chef Prof. selbstbewusst. Bei e.GO will man Probleme in der Dr. Günther Schuh arbeiten schon am nächsten Roboter, Cobots, automatische Kleinteilelager? Fertigung dank der Datentransparenz früher als Projekt: ein autonom fahrender Kleinbus. Die Weitgehend Fehlanzeige bei e.GO – Roboter Wettbewerber erkennen. „Und die Datendurch- Daten aus der e.GO Produktion werden den schweißen im benachbarten Karosseriewerk, gängigkeit ermöglicht es uns, dem Endkunden beiden helfen, ihre 4.0-Fertigung auch auf den aber in der Fertigung geben Menschen den Takt neue Produkte oder Services bei unserem Kleinbus zu übertragen. ■ an. „Unser 4.0 ist die schlanke Fertigung und die lokalen Partner Bosch anzubieten oder Datendurchgängigkeit von der Entwicklung über schneller auf Probleme zu reagieren.“ den Einkauf, die Fertigung bis zum Endkunden“, ELECTRIC VEHICLE INFRASTRUCTURE erklärt Lüdtke. Roboter würden sich momentan AUF DER HANNOVER MESSE bei e.GO noch nicht rechnen. Doch die Aachener sammeln Daten an allen Prozessschritten bei der DATEN ZUM E.GO LIFE 60 Entstehung des Fahrzeugs. „Wir haben keine Re- Mit zunehmender Urbanisierung rücken dundanzen in den Daten“, erklärt Lüdtke. Altbe- verstärkt Themen wie eine nachhaltige stände in den Datensätzen kennen die e.GO Pla- • Leistung: 60 kW und effiziente Energienutzung sowie loka- ner nicht. Die Fabrik ist ein Greenfield-Projekt • Geschwindigkeit: 152 km/h le Emissionsbelastungen in den Vorder- und das erleichtert die Arbeit. Die Batterien lagern • Reichweite Stadtverkehr: 158 km grund. Der Ausstellungsbereich Electric bei e.GO im Bunker, denn Lithium-Ionen-Batte- • Verbrauch: 12,5 kWh Vehicle Infrastructure greift dieses neue rien sind schwer zu löschen. Grundsätzlich setzen Verständnis auf. Damit werden vernetzte • Ladezeit (IEC Type 2 Connector): Autobauer darauf, möglich wenig zu lagern und so Infrastrukturlösungen für die Elektro- eine Just-In-Sequence( JIS)-Belieferung sicherzu- 6,9 Stunden mobilität genauso im Fokus stehen wie die stellen. Die Antriebseinheiten werden in eigenen, • Preis: ab 19.900 Euro Frage, welche Rolle der Verkehrssektor kleinen Vormontagestraßen am Band konfiguriert im Energiesystem der Zukunft einnehmen und dann in der Montagelinie eingesetzt. „Die Der e.GO Life 20, die Basisversion wird. Neben der individuellen Mobilität Vormontagelinie haben wir beispielsweise mit mit 20 kW, schafft eine reale Reich- sind insbesondere der öffentliche Perso- einem unserer Zulieferer gemeinsam entwickelt“, weite von 104 km und ist erhältlich nen- und Warentransport, die Zustellung erklärt Lüdtke. Auch an dieser Stelle sammelt er ab 15.900 Euro. auf der letzten Meile, die Einbettung in natürlich Daten über den Montageprozess. die Infrastruktur sowie neue Verkehrssys- teme, Services und On-Demand-Angebote von besonderer Relevanz. 12 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 13
NEWS NEWS MANAGEMENT HERMES AWARD MARKT CYBERPOLICEN GEFRAGT NEUER JURY-CHEF ROBOTER-REKORDE Im vergangenen Jahr wurden 381.000 Roboter weltweit ausgeliefert. Das entspricht einem Zuwachs von 30 Pro- zent gegenüber dem Vorjahr, berichtet die International Federation of Robotics. Damit stieg das jährliche Umsatz- volumen von Industrierobotern in den letzten fünf Jahren (2013–2017) um 114 Prozent. Der Verkaufswert stieg im Vergleich zu 2016 um 21 Prozent auf einen neuen Höchst- wert von 16,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017. China hat seine führende Position mit der stärksten Nachfrage Quelle: adobe stock Quelle: Fraunhofer und einem Marktanteil von 36 Prozent am Gesamtange- bot im Jahr 2017 deutlich ausgebaut. Mit rund 138.000 verkauften Industrierobotern (2016–2017: +59 Prozent) lag Chinas Nachfrage über dem Gesamtabsatz von Europa und Amerika zusammen (112.400 Einheiten). Ausländische Zerstören oder Datendiebstahl – die Motive von Hackern sind vielfältig. Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer ist Maschinenbauer Roboterlieferanten steigerten ihren Umsatz um 72 Prozent und seit 2012 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. auf 103.200 Einheiten, darunter auch Roboter, die von In der deutschen Industrie wächst der Markt für Cyberversiche- internationalen Roboterlieferanten in China lokal pro- rungen: Jedes siebte Industrieunternehmen (14 Prozent) hat bereits Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer, Präsident duziert wurden. Dies ist das erste Mal, dass ausländische führende Industrieroboterhersteller. Die Exportquote eine Versicherung gegen digitale Wirtschaftsspionage, Sabotage der Fraunhofer-Gesellschaft, ist neuer Vorsitzen- Roboterlieferanten eine höhere Wachstumsrate aufweisen stieg um 45 Prozent (2016–2017). Nordamerika, China, oder Datendiebstahl abgeschlossen. Vor zwei Jahren waren es erst der der HERMES AWARD Jury und wird in als die lokalen Hersteller. Der Marktanteil der chinesischen die Republik Korea und Europa waren Exportziele. Die 11 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie des Digitalverbands dieser Funktion die Weiterentwicklung des welt- Roboterlieferanten sank von 31 Prozent im Jahr 2016 auf Roboterverkäufe in Japan stiegen um 18 Prozent auf Bitkom, für die 503 Geschäftsführer und Sicherheitsverantwort- weit bedeutendsten Technologiepreises voran- 25 Prozent im Jahr 2017. Japans Hersteller lieferten 2017 45.566 Einheiten und waren damit der zweithöchste Wert, liche quer durch alle Industriebranchen repräsentativ befragt treiben. „Der HERMES AWARD ist eine Insti- 56 Prozent des weltweiten Angebots. Damit ist Japan der der je in diesem Land erreicht wurde. ■ wurden. So planen weitere 13 Prozent der Industrieunternehmen tution in der deutschen Forschungs- und Entwick- konkret, eine solche Versicherung abzuschließen. Fast ein Drittel lungslandschaft. Ich empfinde es als besondere (30 Prozent) diskutiert solch ein Vorhaben. Für vier von zehn Unternehmen (38 Prozent) ist eine Cyber-Police weiterhin kein Ehre, den Vorsitz der Jury dieses renommierten Industriepreises zu übernehmen“, erklärt Neuge- ANZAHL DER INDUSTRIEROBOTER AUF 10.000 Thema. Vor allem Großunternehmen setzen sich mit Cyberversi- cherungen auseinander. Ein Drittel der Unternehmen mit mehr als bauer. „Gemeinsam mit deutschen und inter- nationalen Technikexperten möchten wir diesen MITARBEITER IN DER FERTIGUNGSINDUSTRIE IN 2017 500 Mitarbeitern (32 Prozent) hat sich bereits gegen digitale An- wichtigen Preis weiterentwickeln, auf der Suche griffe versichert. Bei mittelgroßen Unternehmen zwischen 100 und nach zukunftsweisenden Innovationen auch 800 499 Beschäftigten ist es fast ein Viertel (23 Prozent), bei kleineren Blicke über den Tellerrand wagen und den Fokus AVERAGE EUROPE: 106 von 10 bis 99 Mitarbeitern erst jedes zehnte Industrieunternehmen auf zielgruppengerechte Produktlösungen noch 700 710 AVERAGE AMERICA: 91 AVERAGE ASIA: 75 (10 Prozent). Bei der Bewertung, inwiefern sich Cyberversicherun- weiter schärfen.“ Mit dem HERMES AWARD 658 Units per 10,000 employees gen gelohnt haben, ist die Industrie geteilter Meinung. Für drei wird jährlich im Rahmen der feierlichen Er- 600 AVERAGE WORLD: 85 von zehn Unternehmen (28 Prozent), die in den letzten zwei Jahren öffnungsfeier der HANNOVER MESSE ein Pro- von digitalen Angriffen betroffen waren und eine Cyberversiche- dukt beziehungsweise eine technologische Lösung 500 rung abgeschlossen haben, hat sich die Police gelohnt. ■ ausgezeichnet, die als besonders innovativ gilt. Bei der Beurteilung der Preiswürdigkeit spielen 400 die Kriterien Technologischer Innovationsgrad, Nutzen für Industrie, Umwelt und Gesellschaft, 300 322 308 ZITIERT Wirtschaftlichkeit und Umsetzungsreife eine herausragende Rolle. Bewerbungsschluss ist der 200 240 230 6. Februar 2019. Erstmals werden nur drei Ein- 200 197 192 190 172 167 161 157 Ich denke, das wahrscheinlichste Szenario reichungen für den HERMES AWARD nomi- 151 144 139 137 100 129 119 ist jetzt keine Zersplitterung mehr, sondern niert. Unter diesen Top drei wird der Gewinner 97 eher eine Aufspaltung in ein chinesisch-geführtes ermittelt. Alle HERMES AWARD Nominie- Internet und ein nicht chinesisches Internet, angeführt 0 rungen werden am 31. März im Rahmen der Rep. of Korea Singapore Germany Japan Sweden Denmark United States Taiwan, Prov... Belgium Italy Netherlands Austria Canada Spain Slovakia Slovenia Finland France Switzerland Czech Rep. China von den Vereinigten Staaten. Eröffnungsfeier der HANNOVER MESSE 2019 vorgestellt und während der Messe vom 1. bis zum Eric Schmidt im Finanzsender CNBC 5. April im Bereich der Research & Technology in Halle 2 präsentiert. ■ Quelle: IFR World Robotics 2018 14 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 15
PETER SEEBERG DER KI-SPEEDBOOT-KAPITÄN Seeberg steuert ein Speedboot des Konzerns, das Kunden hilft, Machine Learning zu betreiben – ausgelagert vom Alltagsgeschäft. „Aber wir werden sicher in einigen Monaten nur noch von KI spre- „Wir sind spitze, wir sind fähig, was zu leisten. Das muss uns bewusst werden. Im Consumermarkt haben wir es verschlafen. Beim Maschi- nenbau können wir es der Welt nochmal beweisen.“ chen, denn das klingt nur einfach sexier“, lacht Seeberg und wirkt dann etwas ernüchtert. Genaue Definitionen sind ihm wichtig, um Und KI vernichtet Jobs? „ Jein. KI geht uns alle an! Keine Arbeit Die Überschrift gefällt Peter Seeberg gar nicht. Er will am Anfang des Gesprächs erst richtige Rückschlüsse zu ziehen. wird bleiben, wie sie ist. Umso repetitiver die Arbeitsabläufe, desto mal mit einem Missverständnis aufräumen: „Wir sprechen immer von Künstlicher tiefgreifender die Änderung. Der Werker in der Industrie wird mithil- „Daten sind ein neuer Produktionsfaktor – zusätzlich zu Boden, fe von KI hochwertigere Arbeit ausführen, während die eigentliche Intelligenz, aber das ist nicht richtig. Wir bilden nicht die menschliche Intelligenz nach, Kapital und Arbeitskraft, deshalb müssen wir uns mit dem Thema Arbeit des Radiologen vermehrt durch KI übernommen werden sondern wir betreiben Machine Learning – Mustererkennung in Daten“, erklärt der Datennutzen beschäftigen.“ Die immer schnelleren Prozessoren wird, weil KI mittlerweile akkurater Diagnosen stellen kann als der Business Developer von Softing. erleichtern die Arbeit. Immer wieder zitiert Seeberg das Mooresche Mensch.“ Aber warum hapert es augenscheinlich noch im Maschi- Gesetz. Er hat viele Jahre bei Intel gearbeitet und durfte Moore nenbau? „Machine Learning wird noch nicht von allen verstanden, selber kennenlernen – nahm eine Auszeichnung aus seinen Händen der Hype verunsichert, aber die Technologie ist nicht sehr kompli- entgegen. Zur Erinnerung, die These: Die Anzahl der Transistoren ziert. Machine Learning basiert auf Statistik, davor braucht niemand pro Fläche-Einheit wird sich alle ein bis zwei Jahre verdoppeln. Angst haben“, mahnt Seeberg – kein Hexenwerk also? „Wer an der „Am Ende sind wir jetzt bei 18 Monaten. Und meine These ist, dass Uni gut in Statistik war, wird seine Freude haben“, lacht er. sich die Datenmengen ebenso alle ein bis zwei Jahre verdoppeln werden.“ Wer sich dessen bewusst ist, kann sich vorstellen, was in Doch Statistik alleine reicht nicht. Es braucht eine Vision für Machi- naher Zukunft möglich sein wird. ne Learning im Unternehmen. „Wir machen das, nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwierig ist und weil es in fünf Jahren der einzige Weg sein wird, um erfolgreich zu sein“, erklärt Seeberg. Was braucht „Die Zusammenarbeit der Abteilungen es dafür? Eine Vision, eine Strategie – „der Maschinenbauer kann muss das Ziel sein.“ eine Abteilung zum Speedboot ausgliedern und der große Tanker fährt ungerührt erst mal weiter“. Dann fehlt es oft an Data-Verständ- – Peter Seeberg nis – wo sind die Daten, wer ist zuständig? Die Produktion oder die IT? – „Die Zusammenarbeit der Abteilungen muss das Ziel sein.“ Was wird sich verändern? „In der Vergangenheit haben wir ein Nächster Schritt: Hardware. „Grafikprozessoren brauchen Unter- Problem oder eine Chance gesehen. Der Entwickler hat dann einen nehmen für den Start sicher nicht, wir arbeiten mit eher geringen Code geschrieben, der getestet wurde, dann ging der Algorithmus Mengen an Daten und Industrie-PCs. Das funktioniert aber nur, in die Praxis und wurde mit Daten gefüttert und eine Entscheidung wenn relevante Merkmale, sogenannte Features in den Daten vor- dann dem Anwender überlassen.“ Heute, meint Seeberg, sind wir handen sind, dann liegen wir oft im Megabyte-Bereich. Terabyte- auf dem Weg, dass die Daten zuerst kommen, die dann „einem Anwendungen sind eher selten. Das Trainieren der Daten kann auf allgemeinen Algorithmus übergeben werden und dass dann vom einem Standard-Notebook stattfinden, die Laufzeit-Modelle verrich- System selbstständige Entscheidungen getroffen werden.“ Seeberg ten ihre Arbeit auf einem Industrie-PC in der Maschine; nicht anders glaubt daran, dass Übersetzungen in Zukunft noch einfacher wer- als ein Gesichtserkennungs-Modell auf einem modernen Handy“, den. „Ein kleiner Knopf im Ohr und wir verstehen Chinesisch oder berichtet der Münchener. Und das Personal? Das sitzt bei Softing in Kroatisch.“ Auch das autonome Fahren profitiert. „Übrigens nicht Rumänien – die Data-Science-Kollegen und die Data-Engineers, im Silicon Valley erfunden, sondern vor 25 Jahren in Neubiberg an die die Datenqualität sicherstellen und die Modelle entwickeln, denn der Universität der Bundeswehr – 1.500 km sind die Forscher mit im Großraum München buhlen Google, BMW, M icrosoft und Co. einem Mercedes damals gefahren. Dann wurde das Projekt einge- um die Datenspezialisten. Und wie funktioniert dann das „Lernen“? stampft. Und jetzt ist es in Silicon Valley wieder aktueller denn je.“ „Open-Source-Anwendungen vor Ort oder in der Cloud bei AWS, Sind die amerikanischen Unternehmen deutschen Firmen voraus? Microsoft oder Google.“ Der letzte Schritt ist dann die Bereitstellung „Glaube ich nicht unbedingt, vielleicht im Marketing.“ Denn wir verbunden mit der regelmäßigen Aktualisierung der Modelle – „dann dürfen nicht vergessen, viele Machine-Learning-Anwendungen, funktioniert Machine Learning und wir können neue Prozesse oder auch die Sprachsteuerungen, die wir heute kennen, beruhen auf sogar neue Geschäftsmodelle entwickeln.“ Damit die Umwandlung dem Algorithmus LSTM (Long Short Term Memory) – das Lang- der Geschäfts- wie Konsumenten-Welt durch KI einigermaßen zeit-Kurzzeitgedächtnis ist eine Entwicklung von zwei deutschen koordiniert über die Bühne geht, ist es für Seeberg notwendig, dass Wissenschaftlern aus München. Prof. Dr. Sepp Hochreiter (siehe jeder Arbeitnehmer zumindest eine Stunde mit dem Thema vertraut Gastbeitrag auf Seite 37) und Prof. Jörg Schmidhuber haben intel- gemacht wird. Diejenigen, die näher am Thema dran sind, werden ligente Sprachassistenten wie Siri und Alexa überhaupt erst ermög- sich einen ganzen Tag oder eine Woche oder über längere Zeit in Quelle: VDMA, McMaster licht. Erinnert die Entwicklung nicht an das MP3-Dilemma? Kursen oder Seminaren weiterbilden. ■ 16 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 17
Eigentlich hätte sich Iversen nach dem Verkauf „Dieses Wachstum wird ganz sicher davon seiner Anteile von Universal Robots irgendwo abhängen, ob die Cobots in mehreren Anwen- an ein schönes Fleckchen in Dänemark zurück- dungen eingesetzt werden können“, kommentiert ziehen, das Leben genießen und stressige Messen Iversen die Prognosen. Doch der Däne will sich hinter sich lassen können. Doch er entschied sich nicht lange mit Analysen aufhalten. Viel mehr dagegen, investierte sein Geld in junge Firmen interessiert ihn, neuen Mehrwert zu schaffen. und formte aus drei eigenständigen Firmen eine Der vom Startup Perception Robotics, das mitt- – OnRobot. „In der Robotikwelt gibt es noch lerweile mit OnRobot fusioniert hat, entwickelte sehr viele neue Geschäftsmodelle zu entdecken“, „Gecko Gripper“ bietet laut Iversen einen neuen erklärt Iversen. Sein neues heißt Plug-and-Play- Ansatz – seine Inspiration kommt aus der Natur Greifer und -Sensoren für Cobots, die ohne und er nutzt das gleiche System der Adhäsion Programmierung sofort mit den Cobots arbeiten wie die Füße eines Geckos: Millionen von feinen können. Die Fachwelt wartete gespannt. Fasern haften an der Oberfläche des Werkstücks und erzeugen starke Van-der-Waals-Kräfte. Für die „Gecko Gripper“-Technologie nutzt OnRobot „In der Robotikwelt gibt es noch ein lizenziertes Konzept, das ursprünglich vom NASA Jet Propulsion Laboratory ( JPL) entwi- sehr viele neue Geschäftsmodelle ckelt und zur Marktreife gebracht wurde. „Dank zu entdecken.“ dieser einzigartigen und sich schnell weiterent- wickelnden Lösung sind für den Umgang mit – Enrico Iversen großen, flachen Objekten keine Vakuumgreifer mit Druckluftanlage mehr erforderlich“, ver- Die drei Unternehmen im Detail: OnRobot stellt spricht der Däne. Im Gegensatz zu Vakuumgrei- die Plug-and-Play-Elektrogreifer RG2 und RG6 fern kann der Gecko Gripper auch perforierte her. Sie sind sehr flexibel und können über die oder poröse Werkstücke wie Platinen problemlos gleiche Schnittstelle wie der Roboter program- handhaben. Der Greifer ist kompatibel mit Robo- miert und bedient werden, ohne dass Program- terarmen von Universal Robots und Kawasaki. mierer benötigt werden, heißt es. OptoForce stellt „Das ist uns wichtig. Wir sind aufgrund unserer Kraft-/Drehmomentsensoren her, die Industrie Historie mit Universal Robots verbunden, treffen Quelle: German Bionic Systems robotern Tastsinn verleihen. So können sie Auf- uns auch mal zum Kaffee, aber wir arbeiten mit gaben automatisieren, die normalerweise die Ge- allen anderen Robotikherstellern zusammen“, schicklichkeit einer menschlichen Hand erfor- unterstreicht Iversen. Der Roboterarm ist für ihn dern. Perception Robotics entwickelt nachgiebige „nur“ die Schnittstelle zum Werker. Die Inno- Gummi-Tastsensoren, um Roboter mit einem vation liegt für den Gründer in den Werkzeugen Berührungssinn und Automatisierungssysteme des Roboters. Und die ersten Kunden bestätigen mit robusten Material-Handhabungsfunktionen den Weg. Das dänische Getriebebauunternehmen auszustatten. Alle drei Unternehmen firmieren Osvald Jensen verringerte mit dem Doppelgreifer jetzt unter OnRobot. die Zykluszeit an seiner CNC-Maschine um 12 Sekunden. Der „alte“ Einzelgreifer benötigte „Cobots haben wir jetzt in der Industrie, in den für die Aufgabe 27 Sekunden. „Um in einem ENRICO IVERSEN Werkshallen. Aber es braucht Greifer und Senso- Hochlohnland wie Dänemark wettbewerbsfähig ROBOTER STATT RUHESTAND ren für die Anwendungen.“ Das Ziel von Iversen zu bleiben und uns zugleich als modernes Unter- und seinen Mitstreitern: Cobots sollen mehrere nehmen zu präsentieren, haben wir beschlossen, Aufgaben übernehmen können und die Robo- in Technologie zu investieren, die uns die terarme sollen schnell umzurüsten sein, mög- beste Rendite bietet. Wir haben viel in unsere lichst ohne zusätzlichen Programmieraufwand. CNC-Maschinen investiert, und mit kollaborie- Kollaborative Roboter, die in Anwendungen renden Robotern, insbesondere dem Greifer von Enrico Krog Iversen erreicht man telefonisch am besten im Auto. Der Gründer von wie Verpackung, Qualitätsprüfung, Material- OnRobot, können wir sie äußerst kostengünstig handling, Maschinenbedienung, Montage und automatisieren. Daher haben wir 2015 in unseren OnRobot reist viel, muss viel reisen, denn er will mit seinen neuen Greifern und Sensoren Schweißen sicher neben dem Menschen arbei- ersten OnRobot-Greifer investiert und erreich- den wachsenden Cobot-Markt erobern. Sein Vorteil: Die Robotikbauer, die er besucht, ten, machen laut der International Federation ten in weniger als drei Monaten einen Return kennen ihn als Wettbewerber. of Robotics derzeit 3 Prozent des weltweiten on Investment“, erläutert Christian Viereck von Roboterumsatzes aus, aber der Anteil soll bis Osvald Jensen und Enrico Iversen steht stolz 2025 auf 34 Prozent eines Marktes von 25 Mrd. daneben und freut sich: Seine Technik verändert, Dollar steigen – gigantische Zahlen. verbessert Industrieprozesse. Das treibt ihn an. ■ 18 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 19
SOPHIA HATZELMANN NICHTS PASSIERT Sophia Hatzelmann ist Diplom-Ingenieurin für Elektrotechnik, Unternehmerin und ein Vorbild. Aber sie zweifelt – nicht an sich selbst, aber an ihrem Engagement für mehr Frauen in MINT-Berufen und mehr Studentinnen in Elektrotechnik, im Maschinenbau und in der Verfahrenstechnik. „Es hat sich nichts getan. Unsere Initiativen haben kaum Erfolg“, den Inhabern „Druck“ macht, mit der Digitalisierung der Pro- erklärt die Engineer Powerwoman 2018 – ein Titel, der sie stolz zesse und der Fertigung zu starten. „Was auf uns zukommt, weiß macht, denn „es ist kein Genderpreis, sondern ein Preis, der meine keiner, aber alle wissen, dass etwas passieren muss“, berichtet Leistungen als Ingenieurin und Unternehmerin würdigt – eben Hatzelmann aus Gesprächen mit Kunden aus dem Mittelstand, kein Social-Media-Abstimmungs-Herzchen-Contest“. Das ist der den klassischen KMUs. Doch die Rückschlüsse sind oft die fal- Ingenieurin wichtig. schen. „Neben den Dimensionen Kosten und Nutzen kommt auch noch der Plattform-Aspekt dazu. Das verstehen die meisten Die Entwicklung der Studierendenzahlen frustriert sie. „Ich hin- Unternehmen noch nicht“, erklärt die Unternehmerin. terfrage gerade mich und meine Arbeit, denn in absoluten Zahlen haben wir einen Zugewinn, aber relativ steht da eine Null“, klagt Was also tun? „Aufräumen. Aber das tun viele Menschen und sie. Dabei braucht sie und brauchen viele ihrer Kunden weibliche auch Unternehmer nur ungern. Die Prozesseffizienz zu verbes- Mitarbeiter. „Unsere Kunden fragen ganz bewusst weibliche sern, ist der erste Schritt, aber das kann schmerzhaft sein. Man Projektleiter an, weil diese mit ‚geliehener Macht‘ gut umgehen muss sich von lieb gewonnenen Dingen vielleicht trennen.“ Und und Menschen in Projekten oft besser führen und zusammen- dann folgt die Frage nach dem Geschäftsmodell – Stärken-und- bringen können“, berichtet die Gründerin einer technischen Schwächen-A nalyse, Plattformdimension und Tests. Testen? Unternehmensberatung. „ Ja, die Ideen beim Kunden ausprobieren fällt vielen schwer.“ Das Problem: Die Unternehmen seien an diesem Punkt schon zu „Unsere Kunden fragen ganz bewusst verliebt in ihre Idee. Kritik vom Kunden verhallt. Warum? „Weil weibliche Projektleiter an.“ die Firmen oft nicht strukturiert herangehen.“ An diesem Punkt sieht die Ingenieurin für technische Unternehmensberatungen – Sophia Hatzelmann einen Ansatz. „Im Vorfeld bei den Geschäftsmodellen sind wir oft Katalysator. Beim Test wird es richtig spannend. Dann testen wir „Unsere Kolleginnen werden meist einmal von den Projektmitglie- gemeinsam mit dem Kunden in der Zielgruppe die Idee unseres dern getestet, ob sie die Kompetenz haben, dann herrscht Ruhe Kunden und entwickeln sie gemeinsam weiter.“ in den Teams“, lacht Hatzelmann. Das sei bei männlichen Teams oft anders – ein andauernder Wettbewerb eben. „Das schadet dem Mit den Kunden arbeiten könnten in Zukunft auch Quereinstei- Projekterfolg.“ Ihr Team besteht aus vielen Ingenieurinnen, „aber gerinnen, zum Beispiel Frauen Mitte 40, die zuvor Kinder erzogen selbstverständlich auch aus sehr qualifizierten Männern“. Was haben und in einen Technikberuf umgeschult wurden. „Wir müs- unterscheidet beide Geschlechter im Technikberuf? „Ich will nicht sen neu denken, wenn wir mehr Frauen in technischen Berufen verallgemeinern, aber meine Beobachtung ist, dass Männer sich haben wollen.“ Hatzelmann will Frauen qualifizieren – „nicht zum Beispiel für einen Bagger an sich und die technischen Details eine komplett neue Ausbildung, nicht verschult, sondern praktisch interessieren. Frauen haben den Fokus darauf, was man mit dem in den Unternehmen.“ Unternehmen müssen gezielt Fähigkeiten Bagger machen kann. Technik um der Technik willen funktioniert ihrer Mitarbeiter analysieren und fördern. Mit Anfang 40 habe heute nicht mehr.“ man noch mehr als das halbe Berufsleben vor sich. Da müsse man nochmal was Neues wagen. „Wer Kinder erzogen, Eltern ge- Trotzdem erlebt sie diese Denke oft noch bei ihren Kunden aus pflegt oder eine Familie gemanagt hat, der hat Social Skills, von dem Mittelstand. „Viele kaufen sich ein Tool und sind frustriert, denen wir bei Absolventen oft nur träumen können.“ Außerdem wenn es nicht die richtigen Ergebnisse liefert. Doch sollte vor schaffe das wieder Vorbilder für die Kinder, wenn die Mutter jedem Software-Tool ein guter Prozess stehen. Damit fängt es an, mit über 40 Jahren beispielsweise noch eine Programmiersprache muss es anfangen“, mahnt Hatzelmann. Ihrer Meinung nach ist es lernt und Apps für eine Maschinenbauplattform entwickelt. vor allem die zweite Führungsebene im Mittelstand, die auspro- „Dafür will ich mich engagieren.“ ■ biert, testet, in der es rumort und die der Geschäftsführung und Quelle: privat 20 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 21
„Aufgeflogen ist meine Straftat durch eine Verkehrskontrolle Zielsystem weiter. Eine zeitgleich mitlaufende Monitoring- – nicht, weil ich unvorsichtig beim Hacken war.“ Es folgt das Software überwacht und protokolliert, wie das zu untersu- Gefängnis – mehrere Jahre, weit weg von der Familie, von chende System auf die zufällig generierten Daten reagiert, den Freunden, die ihm blieben. „Die Zeit im Knast war für erläutert Janotta seinen Kunden. Danach wählt das System mich eine lehrreiche Zeit.“ die beste Angriffsmethode – die typische Hackersammlung Metasploit. „Diese Werkzeuge hat das Angriffssystem gelernt Er fing neu an. „Ich habe während meiner Strafe Betriebs- und kann nun entscheiden, welches Werkzeug sich bei einer wirtschaftslehre studiert. Da ich viel Zeit hatte, habe ich gefundenen Sicherheitslücke am ehesten für einen erfolg- im Gefängnis auch einen Businessplan ausgearbeitet – zwei reichen Angriff eignet. Hochkomplexe Angriffssoftware setzt Zellen neben Uli Hoeneß. Am Tag der Entlassung habe ich aber Supercomputer mit Billiarden von Rechenoperationen dann mein Gewerbe angemeldet.“ Heute schützt er Banken, in der Sekunde voraus“, meint Janotta. „KI-Angriffe sind für mehrere Mittelständler, Maschinenbauer und Forschungsin- Fabriken natürlich zu überdimensioniert, aber stellen Sie sich stitute vor Cyberangriffen. „Die Mehrzahl der U nternehmen vor, ein Staat oder ein Angreifer würde die komplette Infra- sind sehr blauäugig, wenn es um Cybersicherheit geht“, struktur eines Landes übernehmen wollen. Er infiziert alle berichtet Janotta. Aber es sind nicht nur die Kunden selbst, Anlagen, Maschinen, Fabriken und Roboter in einer Fabrik sondern auch die Sicherheitsfirmen. „Sie versprechen Sicher- und dies tausendfach in einem Land.“ Geht nicht? „Doch, heit, die sie nicht einhalten können. Stellen Sie sich vor: Angreifer finden jedes Gerät, jede Maschine, die im Netz Sie kaufen eine Firewall, weil Sie denken, dass Sie Ihre Netz- hängt. Standardpasswörter oder gar Werkpasswörter bei werke schützt. In ein paar Wochen werden Sie gehackt, klar, Steuerungen machen es den Bösen noch leichter.“ dass der Sicherheitshersteller Ihnen Sicherheit versprochen hat, die er nicht einhalten konnte. Das passiert leider ständig Doch KI kann auch helfen. „Wir nutzen KI-Methoden, um und diese Fälle wird sicherlich auch der ein oder andere Le- Penetrationstests zu fahren.“ Penetrationstests simulieren An- ser kennen. Dieses Szenario lässt sich auch auf Anti-Viren- griffe auf IT-Systeme, aber Pentests können sehr ineffizient Software-Hersteller übertragen. Computer sind trotz dieser sein, da sie alle Signaturen ausführen, heißt es in einem Virenwächter voller Spionagesoftware“, behauptet Janotta. Bericht des Security-Experten Adrian Janotta. Zwingend Doch seine Sorge geht noch weiter: Künstliche Intelligenz erforderlich seien auch noch immer menschliche Pentester (KI) als Waffe. und die Erfolgsaussichten sind von Pentester zu Pentester verschieden, so Janotta. Sein Weg: KI nutzen. Bei seinen Deep-Learning-Algorithmen für Penetrationstests können „Der Businessplan entstand zwei Zellen die selbstlernenden Algorithmen unüberwachte Lernauf- weit entfernt von Uli Hoeneß.“ gaben selbst durchführen. Dies ist ein Vorteil gegenüber manuellen Penetrationstests, da unmarkierte Daten häufiger – Adrian Janotta vorkommen als beschriftete Daten, so der Experte. Beispie- Quelle: privat le für tiefe Strukturen, die unbeaufsichtigt Sicherheitstests „Der normale Durchschnitts-Angreifer nutzt KI sicherlich unterzogen werden können, sind Software, Netzwerke oder noch nicht, aber das Militär setzt KI-Methoden für A ngriffe Server-Infrastrukturen. Bei jedem vollautomatischen Scan, auf Stromnetze, Fabriken, Steuerungsanlagen oder die der durchgeführt wird, lernt der Algorithmus zu erwartende Trinkwasserversorgung schon ein.“ KI-Angriffe sind effizi- Schwachstellen automatisch hinzu und prüft autonom das ent, denn die Systeme greifen nicht nur eine Schwachstelle System auf Sicherheitslücken. ADRIAN JANOTTA an, sondern finden Tausende von Eingängen in die virtuelle Welt. „ Je nach Software, die für die Angriffe verwendet Doch die Kunden sind skeptisch. „Sie vertrauen immer DER GUTE HACKER NUTZT KI wird, kann dies in wenigen Stunden, Minuten oder Tagen bereits Erfolg versprechend sein. Aber noch brauchen Sie keine Angst zu haben, denn solche Software wird noch noch dem Menschen mehr als der KI“, berichtet Janotta. Aber in Sachen Security geht noch mehr, meint Janotta. „Es ist allerdings eine Zukunftsvision, dass sich zum nicht offiziell zum Verkauf angeboten“, erklärt Janotta, der Beispiel eine Software selbst schützt. Stellen Sie sich vor, für die Industrie damit erst einmal Entwarnung gibt. Wie das Windows-Betriebssystem würde sich ständig selbst an- funktioniert so eine Attacke? „Das System simuliert digitale greifen und so Sicherheitslücken automatisiert auffinden Adrian Janotta hatte alles – eine Freundin, einen Beruf, Freunde und wenige Sorgen. Bis sich alles Angriffe, lernt aus Misserfolgen und erfolgreichen Angriffen und schließen können.“ änderte, als seine Freundin ihn betrog, er anfing zu trinken, es im B eruf Probleme gab. Er verlor den Job, und entwickelt so für eine bestimmte Attacke auf ein Netz- Freunde besuchte er nur selten und sein neues Hobby war Hacken, alleine, daheim. Er brauchte Geld werk oder einzelne Rechner konkrete Angriffsstrategien. Was rät er bis dahin? „Heute verlässt sich leider jeder Zweite Der methodische Lernweg bei den KI-Angriffssystemen auf ein Anti-Viren-Programm oder auf die minimalen An- und Anerkennung und hatte es auf Onlineshops abgesehen. Es funktionierte, bis eine Polizeistreife ihn sieht etwas anders aus“, erklärt Janotta. forderungen der Behörden. Er wird dann trotzdem gehackt. für eine Routinekontrolle auf der Landstraße überprüfte und die Beamten beim mit Laptops gefüllten Die viel bessere Lösung ist, selbst Hacker zu beauftragen, Zum Aufspüren von Sicherheitslücken setzen die Angriffs- die nach Schwachstellen und Sicherheitslücken im System Kofferraum stutzig wurden. algorithmen nicht nur Mustererkennung ein, sondern auch suchen, sei es auf technischer oder eben auf sozialer Ebene, traditionelle Suchmethoden wie Fuzzing. Fuzzing-Software denn Social Engineering ist und bleibt das einfachste und erzeugt zufällige Daten und gibt sie an das zu untersuchende gefährlichste Einfallstor.“ ■ 22 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 23
ROGER FEIST MASCHINEN LERNEN MIT „Da müssen Sie sich jetzt beweisen. Das Aluminium- im ersten Schritt ein Cockpit, ein Analysetool für die band darf nicht reißen“, scherzt Feist, der seit Jahren Kunden weltweit. Über ein Webinterface kann der die Digitalisierung der Anlagen von Achenbach Kunde den aktuellen Zustand seiner Maschine abfra- OPTILINK WELTWEIT verantwortet und jetzt das erste Level startet. Das gen. Achenbach liefert dem Kunden einen Basissatz Fahren der Anlage ist kompliziert, immer öfter an Analysetools, aber darüber hinaus kann er auch reißt das Band, die Leuchten blinken, die Anzeigen selbst Analysen erstellen und durchführen. Doch Feist warnen. „Sie brauchen viel Gefühl für die A nlage“, und seine Kollegen wollen noch mehr. Künstliche erklärt Feist. Die Produktions- und Spieldaten Intelligenz lautet das Stichwort, und dies nicht nur werden in der Google-Cloud gespeichert und nach mit Fokus auf das von Google stark promotete „Deep Wenn Roger Feist Besuch bekommt, dann setzt er diesen am liebsten als erstes vor seinen Walzsimulator – drei Fahrten erlöst Feist seinen Gast. „Dreimal Learning“. Achenbach setzt in vielen Lösungsansät- gerissen. Die Auswertung können wir uns sparen“, zen auf das „Unsupervised Machine Learning“. Die einen dem Original nachgebildeten Leitstand mit drei Bildschirmen, Knöpfen und Hebeln, Temperaturanzeige lacht er und ist sofort bei seinem Thema: Daten und Idee dahinter: Das Walzwerk versucht, in den Daten und vielen blinkenden Warnlichtern – ursprünglich ein Messeobjekt des Maschinen- und Anlagenbauers Machine Learning. Muster zu erkennen, die vom strukturlosen Rauschen Achenbach Buschhütten. abweichen, um im Idealfall eine Handlungsempfeh- lung an den Betreiber abzugeben – wie beispielsweise „Wir müssen das richtige Daten- die Bestellung eines Ersatzteils bei Achenbach. Die Verbindung des OPTILINK-Systems mit einem Gleichgewicht finden.“ elektronischen Ersatzteilkatalog war eine der ersten – Roger Feist Erweiterungen des Software-Pakets. Passend dazu kann OPTILINK im ERP-System des Unternehmens über sogenannte Tickets festgelegte Arbeitsvorgänge „Unsere Kunden, aber auch wir wollten die Produk- anstoßen und so die Arbeit von Menschen und Com- tionsschritte genauer nachvollziehen und beispielswei- putern verbinden. Um auch bei den ML-Algorithmen se Daten aus dem Folienwalzwerk mit der Schneid- eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit beibehalten maschine und der Rückmeldung des K unden korrelie- zu können, haben die Entwickler bei Achenbach ren.“ Die Fertigung sollte transparenter werden. Alle drei Toolpakete in ihr Portal integriert. So gibt es Daten aus der Bachmann-Steuerung M1 werden via eine auf „Matlab“ basierende Komponente, die OPC UA einem kleinen Ein-Platinen-Rechner zur Fertigungsabläufe beobachtet, und eine mit „Rapid- Verfügung gestellt, der die Informationen dann miner“ erstellte Komponente, die Störfälle (beispiels- abonnieren kann und in einem Cloudspeicher ablegt. weise Bandrisse) auf den Maschinen analysiert. Für „Unser Sicherheitskonzept garantiert, dass Daten nur bestimmte Prognosemodelle wurde aber auch mit auf Verbindungen übertragen werden, die aus dem neuronalen Netzen auf der Basis von „Tensorflow“ Maschinennetzwerk heraus aufgebaut werden. Die experimentiert. Nun geht es daran, die derzeit noch Maschinensteuerung ist aus dem Internet weder sicht- meist von Menschen auf Basis dieser Informationen bar noch ansprechbar. Der Maschinenbetreiber hat getroffenen Entscheidungen zu automatisieren. Viele also die alleinige Hoheit darüber, welche Daten in die der ML-Algorithmen sind schon seit Jahren bekannt, Cloud übertragen werden und welche nicht“, erklärt die richtige Datenfilterung und Auswahl in Bezug Feist. Rund drei Gigabyte können da an einem Tag auf Produktionsdaten ist jedoch noch weitgehend un- pro Maschine zusammenkommen – im Wesentlichen erprobt. „Daran arbeiten wir“, schränkt Feist ein. Er sind es OPC UA- und SQL-Daten, die später für das will keinen KI-Hype. Machine Learning große Bedeutung haben. Und weil in der Cloud praktisch unbegrenzt Speicherplatz ge- Für die Anwendung von Unsupervised-Machine- nutzt werden kann, müssen aus Platzgründen Daten Learning-Algorithmen werden in der Regel sehr niemals gelöscht werden. „Weder unser Kunde noch viele Daten benötigt, die bei Feist und seinen Kunden wir können heute sagen, welche Fragen wir an die in der Google Cloud liegen – „ohne Begrenzung“, Daten zukünftig haben werden. Erst wenn konkrete wiederholt Feist. Ohne ausreichende Datenmenge Probleme mit einem bestimmten Material auftreten sind die Algorithmen nicht in der Lage, Clusterungen oder ein Kunde mit Ausfällen eines bestimmten Teil- vorzunehmen. Die Maschine wird mit jedem Daten- systems kämpft, wissen wir, welche Daten relevant satz schlauer. Das birgt aber auch eine Gefahr: sind, um das Problem zu lösen. Würden diese im Vor- Overfitting. Bekannte Daten werden gut verarbeitet, Quelle: Achenbach feld nicht gespeichert oder aus Speicherplatzgründen bei neuen Daten tut sich die Maschine dann schwe- zu früh gelöscht, fällt eine Problemlösung oft deutlich rer. Damit kämpfen alle KI-Vordenker. Das andere schwerer.“ Das Machine Learning wäre dahin. Extrem: underfitted – es fehlen die Daten. „Wir Achenbach hat aus den Daten ein Geschäftsmodell, trainieren die Maschine und müssen das richtige ein Produkt entwickelt: Achenbach OPTILINK – Daten-Gleichgewicht finden“, erklärt Feist. ■ 24 www.industrialpioneers.com INDUSTRIALPIONEERS 25
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