FRAUEN* STREIK! ANALYSEN - ZUR FEMINISIERUNG VON ARBEITSKÄMPFEN - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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ANALYSEN GESELLSCHAFT FRAUEN* STREIK! ZUR FEMINISIERUNG VON ARBEITSKÄMPFEN INGRID ARTUS
INHALT Einleitung 2 1 Frauen* und Streiks – historisch gesehen 3 1.1 Streikende Frauen* 3 1.2 Patriarchale Rollenzuweisung: Streiken ist Männer*sache 5 1.3 Das Streikverhalten von Frauen* in der Geschichte 6 1.4 Lohnarbeiterinnen historisch in der Defensive 8 2 Feminisierung von Streiks 10 2.1 Erfolgreiche Frauen*streiks 10 2.2 Gründe für die Feminisierung von Streiks 12 3 Streiken Frauen* anders? Einige Thesen zur politischen Einordnung feminisierter Streiks 15 3.1 Neue Streikkultur 15 3.2 Neue Streikinhalte 17 3.3 Neue Streikstrategien 18 3.4 Folgen für die Gewerkschaften 20 3.5 Folgen für die Frauen* – und die Gesellschaft 21 Literatur 23
2 EINLEITUNG1 Die These einer «Feminisierung von Zunächst geht es um einen historischen Streiks» ist relativ neu, zumindest in der Blick auf «Frauen* und Streiks», auch deutschsprachigen Wissenschaft. «Fe wenn das Forschungsdefizit hier groß minisierung» meint in diesem Zusam ist (s. Abschnitt 1). Anschließend wird menhang, dass nicht nur die Anzahl der die aktuelle Situation beschrieben (s. Ab streikenden Frauen*2 zugenommen hat, schnitt 2) und in einem dritten Schritt sondern dass sich dadurch auch die (s. Abschnitt 3) die Frage gestellt, was es Streikkultur verändert hat, die historisch bedeutet, wenn Frauen* stärker als frü gesehen stark männlich* dominiert war. her in das Arbeitskampfgeschehen in Zwar haben viele Studien sowohl die Ver volviert sind. Ist das überhaupt relevant, lagerung des Arbeitskampfgeschehens wenn jetzt vermehrt Frauen* streiken – in den Dienstleistungsbereich, also die und wenn ja, warum? Wie lässt sich das Tertiarisierung von Streiks, als auch die einordnen? Was folgt daraus? Feminisierung von Erwerbsarbeit the matisiert, aber eher selten wurden diese beiden Phänomene bisher zusammen gedacht, das heißt als die «Verweibli chung» von Arbeitskämpfen betrachtet. Auf internationaler Ebene steht die Femi nisierung von Streiks durchaus im Ram penlicht, etwa wenn es um rebellische Wanderarbeiterinnen in China oder Ge werkschaftskämpfe in asiatischen Tex tilfabriken geht. Für und in Deutschland war hiervon bislang eher sporadisch die Rede (vgl. Bewernitz/Dribbusch 2014; Artus/Pflüger 2017; Tügel 2017). Im Folgenden sollen die Hintergründe 1 Der folgende Text basiert auf einem Vortrag, den die Autorin und Inhalte des relativ jungen Phäno am 14. September 2018 im Rahmen der «Linken Woche der Zukunft» in Berlin gehalten hat. Für zahlreiche wertvolle Kom mens feminisierter Arbeitskämpfe er mentare und Hinweise danke ich Florian Wilde, Fanny Zeise örtert werden. Dass das hier nur kurso sowie der Lektorin Karolin Nedelmann. 2 Die Schreibweise Frauen* oder auch männlich* soll darauf hinweisen, dass die risch geschehen kann, versteht sich von geschlechtliche Zuordnung im Text als Ergebnis eines sozialen Prozesses (im Sinne von Gender) und nicht als Ausdruck von selbst, denn die Frage nach «Frauen* und Biologie zu verstehen ist. Zudem ist eine Relativierung der du Streiks» berührt den Kern unserer ka alen Geschlechterordnung intendiert, das heißt, es sollen auch all jene Menschen angesprochen werden, die sich nicht klar ei pitalistischen und patriarchalen Gesell nem der beiden sozial üblichen Geschlechter zuordnen. Wenn schaftsordnung. Weder die Geschichte in diesem Text zudem relativ häufig von Frauen* (sowie manch mal auch von Männern*) im Kollektiv die Rede ist, so impliziert von Arbeit, Erwerbsarbeit und Arbeits dies freilich nicht die These, dass alle Menschen, die sozial dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden, sich in glei kämpfen noch die der Frauen* und ih chen oder ähnlichen Lebenslagen befinden. Allerdings sind sie rer Emanzipation kann in diesem Rah alle von bestimmten Stereotypen und Rollenerwartungen be troffen, die konkrete Auswirkungen auf ihre sozialstrukturelle men nachgezeichnet werden. Vielmehr Verortung haben. Daher macht es meines Erachtens nach wie dient das Folgende einer ersten Orien vor Sinn, von Frauen* als einer – in bestimmter Hinsicht – ein heitlichen Sozialstrukturkategorie und – zumindest potenziell tierung. Die Gliederung ist recht einfach: und situativ – auch von einem kollektiven Subjekt zu sprechen.
1 FRAUEN* UND STREIKS – HISTORISCH GESEHEN 3 1.1 Streikende Frauen* grundsätzliche Auseinandersetzung zwi Seit es Arbeitskämpfe gibt, waren Frau schen Kapital und Arbeit empfunden und en* immer auch an ihnen beteiligt oder erhielt – von beiden Seiten – reichswei standen sogar im Zentrum des Gesche te Unterstützung. Der Centralverband hens (vgl. Notz 1994). Hierfür gibt es Deutscher Industrieller stilisierte den zahlreiche Beispiele, von denen im Fol Konflikt gar zum Kampf «der gesamten genden stellvertretend nur einige kurz deutschen Sozialdemokratie gegen die genannt werden sollen: gesamte deutsche Arbeitgeberschaft Am bekanntesten (ja fast schon my um die Machtfrage, um die Frage, ob thisch) ist der «Weberaufstand» 1844 in der Arbeitgeber Herr in seiner Werkstät Schlesien, der mehrheitlich von heimar te sein soll oder die Sozialdemokratische beitenden Weberinnen getragen wurde. Organisation» (Centralverband Deut Etwa 50 Jahre später, 1893, fand einer scher Industrieller 1903, zit. n. Ullmann der ersten großen Arbeiterinnenstreiks 1981: 194). Letztlich entschied die Ar in Österreich statt: Der Arbeitskampf beitsmarktlage den Streik zu Unguns der Appreturarbeiterinnen in drei Wie ten der Textilarbeiter*innen. Als immer ner Textilbetrieben erregte zur dama mehr Arbeitswillige «von außen» nach ligen Zeit großes Aufsehen. Und auch Crimmitschau kamen, riefen die Vorsit der berühmte «Crimmitschauer Streik zenden der beteiligten Gewerkschaften der Textilarbeiter» vom August 1903 bis im Januar 1904 dazu auf, den Streik er Januar 1904 war eigentlich ein Streik der gebnislos zu beenden – übrigens gegen Textilarbeiterinnen, denn 80 bis 90 Pro den Willen der Mehrheit der Streikenden. zent der Streikenden waren Frauen*. Ziel Über 500 Streikende wurden nicht wie des sächsischen Arbeitskampfs war es der eingestellt und mussten die Region vor allem, die überlangen Arbeitszeiten verlassen. Der Streik der Crimmitschauer von elf auf zehn Stunden täglich zu redu Textilarbeiter*innen war einer der härtes zieren. Die zentrale Kampfparole lautete: ten Kämpfe seiner Zeit und ist als Symbol «Eine Stunde für uns! Eine Stunde für un für überregionale hartnäckige Solidari sere Familie! Eine Stunde fürs Leben!» tät unter schwierigsten Bedingungen in Von dem Streik und den darauffolgenden die Geschichte eingegangen. Fünf Jahre Aussperrungsmaßnahmen waren rund später wurde der Maximalarbeitstag, das 8.000 Arbeiter*innen betroffen. Der Aus heißt die maximale Arbeitszeit pro Tag, fall des in Sachsen produzierten Garns der gewerblichen Arbeiterinnen in Sach machte sich nach dem monatelangen sen auf zehn Stunden herabgesetzt (vgl. Ausstand in der gesamten deutschen Notz 1994: 25). Textilindustrie bemerkbar. Die Behörden Es gibt in der Geschichte viele Beispiele gingen hart gegen Streikposten vor und dafür, dass kollektive Aktionen von Frau verhängten sogar «den kleinen Belage en* entscheidend für revolutionäre Ver rungszustand» über Crimmitschau. So änderungen waren. Das Muster ließe wohl auf gewerkschaftlicher als auch auf sich möglicherweise gar generalisierend unternehmerischer Seite wurde der aus auf den Nenner bringen: Immer dann, gesprochen verbissene Arbeitskampf als wenn sich die Frauen* in die politischen
4 Ereignisse eingemischt haben, wurde es en* setzten nach drei Wochen Streik er gefährlich für die herrschende Ordnung. folgreich die Angleichung der Frauen*- Dies gilt für die Französische Revoluti an die Männer*löhne durch und initiierten on von 1789, für die Pariser Commune eine Bewegung für den «Equal Pay Act», 1871 ebenso wie für die Februarrevolu die gesetzliche Festschreibung der Norm tion 1917 in Russland: Ein Demonstra geschlechtsspezifisch gleicher Bezah tionszug von rund 6.000 Frauen* aus lung (vgl. Cohen 2012; Stevenson 2016). Pariser Arbeitervierteln nach Versailles Als ein Beispiel für die vielen «wilden» zwang am 5. Oktober 1789 den franzö Streiks in den 1970er Jahren in Deutsch sischen König dazu, nach Paris umzuzie land, an denen Migrant*innen großen hen, und leitete damit den weiteren re Anteil hatten (Birke 2007; Matziaria volutionären Umsturz ein. Als Auslöser 2012), sei hier der Streik der Arbeiterin für die Pariser Commune am 18. März nen bei der Firma Pierburg in Neuss ge 1871 gilt gemeinhin, dass eine Gruppe nannt. Beim Auto- und Luftfahrtgeräte von Frauen* im Morgengrauen – schon bauer Pierburg standen im August 1973 früh auf den Beinen, um Lebensmittel für alle Fließbänder der Vergaserfabrik still, die Familien aufzutreiben – den Abtrans weil 2.000 Arbeiterinnen streikten – «al port von in der Stadt verbliebenen Kano len voran 900 Griechinnen, 500 Türkin nen verhinderten. Und auch in Russland nen, 200 Italienerinnen, Spanierinnen waren es Demonstrationen und Streiks und Jugoslawinnen – für eine Stunden von Frauen* im Kontext des Internationa lohnerhöhung um eine Mark und für die len Frauen*kampftags am 8. März 1917 sofortige Streichung der sogenannten (nach dem julianischen Kalender der Leichtlohngruppe 2» (Braeg 2012: 15). 23. Februar), die zunächst die sogenann Nach nur fünf Streiktagen führte vor al te Februarrevolution auslösten und dann lem die Angst der Unternehmer, der zur Oktoberrevolution führten. Streik könne in den umliegenden Betrie Last but not least, sind einige Beispiele ben Schule machen, zu deutlichen Lohn der vielen Frauen*streiks zu nennen, die erhöhungen. Wesentlich länger streikten im Kontext der neuen Frauen*bewegung im Jahr 1975 die Frauen* bei C.I.P., ei der 1960er und 1970er Jahre stattfanden: ner Textilfabrik im ländlichen Nordfrank Ein Streik von etwa 3.000 Arbeiter*innen reich. Fast drei Jahre lang besetzten die in der Rüstungsfabrik «Fabrique Natio rund 120 Frauen* (und ein Mann*) «ih nale d’Armes de Guerre» im belgischen ren» Betrieb, der geschlossen werden Herstal (Tügel 2017: 41) war einer der sollte. Als «eines der natürlichen und le ersten von vielen europaweit folgenden gitimen Kinder von Lip» (Borzeix/Maruani Streiks, in denen Frauen* gegen ihre Min 1982: 31; Übers. I. A.) – jener legendären derbezahlung und für «gleichen Lohn für Uhrenfabrik in Besançon, die 1973 von gleiche Arbeit» kämpften. Besonders be den Arbeiter*innen im Kampf um ihre Ar kannt ist etwa der Streik der Näherinnen beitsplätze besetzt worden war – fabri in der Ford-Fabrik im Londoner Vorort Da zierte die Belegschaft von C.I.P. jahrelang genham 1968, der 2010 durch den Spiel in Eigenregie Hemden. Ihr Kampf war film «Made in Dagenham» in Deutsch letztlich erfolgreich. Eine Möbelfabrik land unter dem unpassenden Titel «We übernahm die Firma, um dort Sessel- und want Sex» populär wurde. Die Ford-Frau Sofabezüge produzieren zu lassen – das
politische Bewusstsein der Belegschaft schen beteiligten sich am 8. März 2017 5 hatte sich durch den jahrelangen Kampf in 120 Städten und Gemeinden. Es han nachhaltig verändert. delte sich um die größte Mobilisierung In den genannten Kämpfen agierten von Frauen* in der Geschichte Spaniens. Frauen* als Akteur*innen im Bereich Diese wurde vor allem von autonomen bezahlter Lohnarbeit, um – «genau wie Frauen*netzwerken getragen, während Männer*» – ihre Interessen solidarisch die Gewerkschaften – ähnlich wie bei und vertretungsstark durchzusetzen. Et den früheren Frauen*streiks – eine eher was anders und besonders akzentuiert ambivalente Rolle einnahmen oder sich sind hingegen Auseinandersetzungen, in zum Teil sogar distanzierten (Coppens/ denen Frauen* als Frauen ihre Interessen Nichols 2018). und Lebenslagen zum Thema machen. Es wird also deutlich: Selbstverständlich Die kollektive Identität des «Frau-Seins» haben Frauen* «immer schon» gestreikt. wird hier zum Interpretationsrahmen und Sie waren und sind kämpferisch und so Sprengsatz politischer Kämpfe. Dies ge lidarisch. Ein ganz anderes Bild zeichnen schieht zum Beispiel in Streik- und Pro kulturelle Repräsentationen vom Verhält testaktionen rund um den Internatio nis zwischen Frauen* und Arbeitskämp nalen Frauen*kampftag, aber auch in fen. politischen Frauen*streiks. Bestreikt wer den dabei – den weiblichen* Lebenssitu 1.2 Patriarchale Rollenzuweisung: ationen entsprechend – meist nicht nur Streiken ist Männer*sache bezahlte, sondern auch unbezahlte Tätig Im kollektiven Gedächtnis ist die Ge keiten im Bereich feminisierter Haus- und schichte von Arbeitskämpfen – etwa in Familienarbeit, manchmal auch die Sex der Frühphase des Kapitalismus – stark arbeit, oder es wird gar zum Gebärstreik männlich* geprägt. Illustrieren lässt sich aufgerufen (so z. B. gegen die bevor dies anhand vieler zeitgenössischer kul mundende Sexual- und Bevölkerungs tureller Repräsentationen. Ein gutes politik in der Weimarer Republik). Ein Beispiel ist etwa das berühmte Gemäl berühmtes Beispiel ist der erste landes de «Der Streik» von Robert Koehler, das weite Frauen*streik 1975 in Island. Et 1886 auf der Frühjahrsausstellung der wa 90 Prozent der weiblichen* Bevölke National Academy of Design in New rung Islands verweigerten einen Tag lang York – im Kontext einer landesweiten die Arbeit und legten damit das gesam Streikwelle – für Furore sorgte. Es avan te Land lahm. 1991 folgten die Schwei cierte in der Folgezeit zu einer Ikone der zerinnen diesem Vorbild und 1994 wur Arbeiterbewegung. Das Bild zeigt eine de zum ersten Frauen*StreikTag in aufgebrachte Menschenmenge, die sich Deutschland aufgerufen (vgl. Paulus vor den Stufen eines Herrenhauses ver 2008; Scharf 2012). Auch wenn die Ak sammelt hat. Im Hintergrund sind die tionen in der Schweiz und Deutschland rauchenden Schlote von Fabriken zu se eher symbolischen Charakter hatten, üb hen; im Vordergrund liefert sich ein Ka ten sie eine wichtige Mobilisierungswir pitalist – in Frack und Zylinder oben auf kung aus. 2017 wurde diese Tradition der Eingangstreppe stehend – ein Wort in fulminanter Weise in Spanien fortge gefecht mit einem Arbeiterführer am Fu setzt: Mindestens fünf Millionen Men ße der Treppe. Die Menschenmenge um
6 ihn herum scheint heftig zu diskutieren; französischen Bergbau beschreibt. Auch es herrscht Tumult; ein Arbeiter vorne hier sind die Protagonisten (v. a. der Sozi rechts im Bild greift nach einem Stein. alist Étienne Lantier) und die aktiv kämp Neben den zahlreichen aufgebrachten fenden Arbeiter männlich*; zum bekann Arbeitern sind auf dem Bild vereinzelt ten geschlechtsspezifischen Rollenset ein paar Jungs*, ein Mädchen* und drei kommen allerdings noch junge Frauen* Frauen* zu sehen. Die Frauen* tragen als ungelernte und schlecht bezahlte Ar keine Arbeitermontur, sondern frauenty beiterinnen hinzu, die ihr Schicksal in der pische Kleidung, und gehören also offen Regel demütig hinnehmen – sowie ver bar nicht zu den Streikenden. Vorne links einzelte Mütter, die den Kampf für eine im Bild, abseits der Menge, steht eine bessere (nämlich sozialistische) Zukunft Frau* mit einem Baby auf dem Arm. Dicht ihrer Kinder unterstützen. an sie drängt sich ein kleines Mädchen*, Summa summarum: Die Frauen* stehen das verängstigt den Ereignissen zusieht. meist hemmend und passiv, nur manch Rechts hinter der Treppe redet eine Frau* mal solidarisch am Rand des Gesche eindringlich auf einen Mann* ein, der mit hens, wenn die Männer* streiken. Sie verschränkten Armen und von ihr abge werden als die Mahnerinnen, als das mo wandtem Blick sich unbeeindruckt von ralische Gewissen, als die Leidenden ge ihren Worten zeigt. Vorn in der Bildmitte zeichnet – während die Männer* agieren, ist sehr prominent die dritte Frau* zu se den Klassenfeind bekämpfen und die Zu hen. Auch sie ist im Gespräch mit einem kunft in die Hand nehmen. Mann*, den sie zu beschwören scheint, Das war und ist freilich männliche* Ge er möge doch bitte nicht mitstreiken. Der schichtsschreibung. Dass jedoch die pa Mann* hat den Betrachter*innen den Rü triarchal organisierte Gesellschaft das cken zugewandt und streckt in einer ver Streikverhalten von Frauen* auch in der zweifelten Geste beide Arme von sich, Geschichte tatsächlich geprägt hat, zei als wolle er sagen: Tut mir leid. Ich kann gen historische Analysen. nicht anders. Alle weiblichen* Figuren auf diesem Bild sind als Leidende darge 1.3 Das Streikverhalten von Frauen* stellt. Die Frauen* scheinen ihre Männer* in der Geschichte anzuflehen, doch weiterhin für sie und Streikende Frauen* sind kaum erforscht. die Kinder zu sorgen. Sie sind nicht in den Er besteht ein erhebliches Forschungsde Konflikt zwischen dem Kapitalisten und fizit. Das ist nicht zuletzt auch darauf zu den Arbeitern involviert, sondern schei rückzuführen, dass es – abgesehen von nen die Kampfeskraft der Männer* eher Fotos – häufig keine geschlechtsspezi zu lähmen als zu unterstützen. Das klas fisch sensiblen Dokumente gibt: In vielen sische Stereotyp der «unsolidarischen historischen Zeugnissen ist zum Beispiel Frau» und Streikbrecherin (Robak 1994) schlicht von «Arbeitern» die Rede, sodass ist hier prominent in Szene gesetzt. vollkommen unklar bleibt, ob es sich hier Ganz ähnliche weibliche Rollenzuwei bei nur um Männer* oder eben doch auch sungen finden sich zum Beispiel auch in um Frauen* handelt (vgl. Thuns 2018: 55). dem berühmten Roman «Germinal» von Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es ein Émile Zola, der 1885 erschienen ist und zelne Untersuchungen dazu, wie Frauen* die Arbeitsverhältnisse und -kämpfe im in der Geschichte gestreikt haben. Her
vorzuheben sind in diesem Zusammen Kampf gegen Letzteres – wie im Fall von 7 hang zwei Studien, eine aus Frankreich, Crimmitschau – häufig damit begründet die andere aus den USA: Michelle Perrot wurde, dass bei zu langen Arbeitszeiten (1974) und Ileen A. DeVault (2004; 2006) frau den familiären Pflichten nicht mehr haben – jeweils bezogen auf «ihren» na adäquat nachkommen könne. Eher sel tionalen Kontext – eine große Zahl von ten handelte es sich um offensive Streiks, Streiks im 19. und zu Beginn des 20. Jahr aber häufig waren die Arbeitskämpfe be hunderts unter einer geschlechtsspezi sonders lebendig und phantasievoll. «Im fischen Perspektive analysiert. In ihren grauen Leben dieser Frauen nimmt der Ergebnissen sind sich die beiden Studi Streik häufig die Gestalt einer Flucht, ei en überraschend ähnlich: Beide arbeiten nes Festes an» (ebd.: 127, Übers. I. A.). typische Unterschiede im geschlechts Oft hatten die Frauen* extrem große Pro spezifischen Organisations- und Arbeits bleme, sich mit ihren Revolten durchzu kampfverhalten heraus. setzen. Mann «nimmt sie nicht ernst» Perrot beschreibt, dass die «grèves femi (ebd.: 125, Übers. I. A.). Viele Unterneh nines» (d. h. dominant von Frauen* ge mer weigerten sich, überhaupt mit strei führte und geprägte Streiks) (Perrot 1974) kenden Frauen* zu reden. Verhandlungen eher kurz waren und geringe Teilneh «auf Augenhöhe» kamen nicht infrage. merinnenzahl hatten, oft spontan ent Dies lag auch daran, dass die Moral von standen sind und sich häufig auf einen Lohnarbeiter*innen ohnehin in Zweifel einzelnen Betrieb konzentrierten. Der Ton gezogen wurde. Als «Fabrikmädchen» der Streikenden war moderat, sie «pro waren sie grundsätzlich dem Vorwurf testieren eher, als dass sie fordern» (ebd.: mangelhafter Sittlichkeit und ganz kon 122, Übers. I. A.). Sie appellierten an die kret den sexuellen Übergriffen von Vor Güte und Einsicht der Geschäftsführer gesetzen und Patrons ausgesetzt. Wenn und schrieben höfliche und respektvolle subalterne «Fabrikmädchen» es dann Bittbriefe. Die Kirche spielte eine diszipli wagten, den Dienst zu verweigern, wur nierende Rolle und sorgte dafür, dass sich de dieses Verhalten als doppelt verwerf die Ansicht, Streiken beflecke die «Ehre lich und unverschämt bewertet. Es wider der Frau», verbreitete und festsetzte. Typi sprach eklatant den vermeintlich «guten sche «Frauenthemen», zu denen gestreikt Sitten», weil es nicht nur die herrschende wurde, kann Perrot nicht erkennen (ebd.: kapitalistische, sondern auch patriarcha 123, Übers. I. A.) – außer vielleicht die Ab le Ordnung bedrohte. So wurden Streik wehr von extremer Überausbeutung. Oft führerinnen in der (männlich* dominier seien etwa Fälle von einseitigen Lohnre ten) Öffentlichkeit häufig dämonisiert, als duktionen seitens des Managements, die «leichtsinnig», «übermütig», «verrückt» die Frauen* als unfaire Angriffe auf ihren und/oder auch von («roten» und «anar ohnehin schon marginalisierten Status chistischen») Männern* verführt darge empfanden und die zudem häufig eine stellt (vgl. Perrot 1974: 125, Übers. I. A., existenzbedrohende Bedeutung hatten, sowie beispielhaft die Lebensgeschichte Auslöser für Streiks gewesen. Auch un der Lucie Baud, 1908, verfasst von Perrot erträgliche, zum Teil sexistische Vorge 2012). setzte oder mehr als überlange Arbeits Es kann daher vielleicht als rationale zeiten waren Streikgründe, wobei der Strategie gelten, wenn – nach der Zäh
8 lung von Perrot (1974) – etwa 90 Pro Rechtliche, ökonomische und moralische zent aller feminisierten Streiks nicht von Diskriminierung bedingen und durchdrin weiblichen*, sondern von männlichen* gen sich hier wechselseitig. Dies gilt im Anführer*innen repräsentiert wurden. Bei Grundsatz nach wie vor, war historisch Verhandlungen mit den Patrons waren jedoch noch wesentlich gravierender die Männer* wieder unter sich. Die strei als heute: Frauen* verrichteten die so kenden Frauen* akzeptierten und wähl genannte Reproduktionsarbeit3 und hat ten Männer* zu ihren Anführern, weil ten – juristisch wie moralisch – bis weit in Letztere ernster genommen wurden – die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hi sowohl von den Unternehmern als auch nein kein Recht auf Erwerbsarbeit. In der in den damaligen (männer*dominierten) Bundesrepublik wurde zum Beispiel das Gewerkschaften. Nicht immer zeigten Gesetz, dass es Frauen* nur dann erlaubt sich die Gewerkschaften solidarisch, und ist, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, auch wenn sie es taten, war dies für die wenn ihre Ehemänner* zustimmen, erst streikenden Frauen* häufig ein «zwei in den 1970er Jahren abgeschafft. Auch schneidiges Schwert» (DeVault 2004; wenn Frauen* im Zuge der Industrialisie 2006): Zwar förderte gewerkschaftliche rung zunehmend erwerbstätig waren, Unterstützung das Selbstbewusstsein war und blieb ihre Stellung als Lohnarbei der Frauen* und lieferte zusätzliche ma terin* eigentlich eine illegitime. Die pat terielle wie immaterielle Ressourcen. riarchale Ideologie wies den Frauen* per Gleichzeitig veränderten sich mit der So «Geschlechtscharakter» (Hausen 1976) lidarisierung von männlichen* Arbeitern ihren Platz in Heim und Familie zu – wenn und der Integration in allgemeinere ge nicht zur Überlebenssicherung unter pro werkschaftliche Agenden jedoch nicht letarischen (und z. T. auch unter bürgerli selten die ursprünglichen Inhalte der chen) Bedingungen der Verkauf ihrer Ar Frauen*kämpfe – zugunsten eher männ beitskraft erforderlich war. licher* Interessen (DeVault 2004). Die Illegitimität weiblicher* Lohnarbeit wurde (und wird) zudem durch die fami 1.4 Lohnarbeiterinnen historisch liäre und gesellschaftliche Disziplinierung in der Defensive als Frauen* durch Männer* – also etwa Ein weiteres Ergebnis, zu dem sowohl durch Väter, Ehemänner*, Brüder, Poli DeVault als auch Perrot kommt, ist, dass Frauen* an den Arbeitskämpfen im 3 Der Begriff der Reproduktionsarbeit bezieht sich auf mensch liche Tätigkeiten, die nicht als Lohnarbeit bzw. als bezahlte Ar 19. und 20. Jahrhundert zahlenmäßig beiten verrichtet werden und die dem Erhalt und der Wieder herstellung der menschlichen Arbeitskraft dienen. Mit dieser eher unterdurchschnittlich beteiligt wa Begrifflichkeit geht in der marxistischen Tradition häufig eine ren. Auch wenn wir aufgrund des For gewisse Abwertung dieser Arbeiten einher, die auf die Annah me zurückzuführen ist, es handele sich bei Reproduktionsarbeit schungsdefizits nicht mit Gewissheit sa um «unproduktive» Arbeit, die zwar Gebrauchswerte, aber we der Tauschwerte noch Mehrwert produziere. Nicht selten wurde gen können, ob das stimmt, gibt es gute sie zugleich als private, nicht von den Zwängen kapitalistischer Gründe dafür, anzunehmen, dass Lohnar Ausbeutung und Profitlogik geprägte Arbeit idealisiert. Dieser Tradition soll hier freilich nicht gefolgt, sondern die Notwendig beiterinnen im Bereich der Arbeitskämp keit eines umfassenden Arbeitsbegriffs betont werden, der alle fe historisch in der Defensive waren. menschlichen Tätigkeiten in kreativer Auseinandersetzung mit der Natur umfasst, egal ob bezahlt oder unbezahlt (vgl. hierzu An erster Stelle ist hier sicherlich die be u. a. Notz 2014). Marxistisch inspirierte Traditionen des sozia listischen Feminismus bemühen sich seit Langem um einen grenzte Integration von Frauen* in die solchen integrierten Arbeitsbegriff (vgl. zu neueren Debatten Sphäre bezahlter Arbeit zu nennen. etwa www.zeitschrift-luxemburg.de/das-ganze-der-arbeit/).
zisten, Pfarrer oder Vorgesetzte – perma Politisches Engagement von Frauen* 9 nent hergestellt und stabilisiert. Ein Auf war lange Zeit aber sowieso verboten begehren von Frauen* im Bereich der (z. B. durch das Preußische Vereinsge Lohnarbeit war insofern doppelt illegitim setz bis 1908). In vielen Gewerkschaf und gefährdet(e) nicht nur die kapitalisti ten waren Frauen* als Mitglieder zu schen, sondern auch die geschlechtsspe nächst gar nicht zugelassen. So nahm zifischen Hierarchien. Deshalb erforderte etwa die Gewerkschaft der Buchdrucker (und erfordert) es besonderen Mut, sich erst nach dem Ersten Weltkrieg auch Ar mit Vorgesetzten «anzulegen», die nicht beiterinnen auf (Robak 1994; vgl. auch nur klassen-, sondern auch geschlechts Losseff-Tillmanns 1978). Denn viele Ge spezifisch eine höhere Stellung einnah werkschaften bekämpften die Erwerbs men (und einnehmen) als Frauen*. Rechte arbeit von Frauen* explizit oder betrach einzufordern war (und ist) für die Frauen* teten sie als notwendiges Übel. Noch umso schwerer, als ihre geschlechtstypi 1872 wurde auf dem Erfurter Gewerk sche Erziehung eher auf Demut, Duldung schaftskongress beschlossen, «gegen und Friedfertigkeit ausgerichtet war (und alle Frauenarbeit in den Fabriken und teils noch immer ist) (vgl. Mitscherlich Werkstätten zu wirken und dieselbe ab 1985). Für Rebellion und Widerstand wur zuschaffen» (Lion 1926: 30, zit. n. Robak den (und werden) sie in ihrer Sozialisation 1994). Es dauerte lange, bis sich in der eher unzureichend vorbereitet. internationalen Arbeiterbewegung allge Auch die Vorstellung, dass die weibli mein die Auffassung durchsetzte, dass che* Arbeitskraft weniger wert sei als Frauen*lohnarbeit nicht als «Lohndrü die männliche*, zieht sich wie ein roter ckerei» zu bekämpfen sei, sondern dass Faden durch die Geschichte: Was wol eine solidarische Organisierung beiden len Frauen* schon fordern, wenn sie oh Geschlechtern nützt. nehin nur einen Zuverdienst leisten und Die Gründe dafür, weshalb sich Frauen* eine Arbeitskraft anbieten können, die als Lohnarbeiterinnen historisch in der sozusagen per Geschlecht weniger Ge Defensive befanden, sind also zahlreich wicht hat und mit weniger Kompetenz und betreffen unterschiedliche Ebenen, und Entscheidungsgewalt ausgestattet die stark ineinandergreifen. Eine alte ist? Was sind da die Verhandlungsmas Boxerweisheit besagt: Zum Zuschlagen se und das Druckpotenzial? Diese Ab brauchst du ein paar feste Meter zum wertung schlug sich auch im Zugang von Stehen. Oder anders: Wenn Frauen* Frauen* zur Bildung nieder und schuf da keine Rechte besitzen und nur geringe mit die materiellen Voraussetzungen da Ressourcen – zeitlich, materiell, qualifi für, dass Frauen* in der Regel geringer katorisch, moralisch und auch hinsicht qualifiziert waren. Deshalb arbeiteten sie lich der verfügbaren Energie –, dann ist häufig als Un- und Angelernte, waren da es schwer, sich zu wehren oder gar an mit leicht austauschbar und (etwa im Fall zugreifen. Historisch kann deshalb da von Arbeitskämpfen) eventuell auch ver von gesprochen werden, dass Arbeits zichtbar. Zudem arbeiteten (und arbeiten) kampfe männlich* geprägt waren. Um so sie häufig vereinzelt – etwa als Dienstbo größer ist die Bedeutung, die der zuneh tinnen oder Hausangestellte –, was eine menden Feminisierung von Streiks in der Organisierung deutlich erschwert. Gegenwart zukommt.
10 2 FEMINISIERUNG VON STREIKS 2.1 Erfolgreiche Frauen*streiks rechtlich überhaupt arbeitskampffähig Die Anzahl der Frauen*streiks hat in den zu werden, erwies sich dieses Thema letzten Jahren in Deutschland zugenom als extrem mobilisierungsfähig, weil es men. Weibliche* Beschäftigte vertreten unmittelbar an die besondere berufliche ihre Interessen nicht nur häufiger, son Belastungssituation von Erzieher*innen dern zunehmend auch sehr kämpfe anschließt. Ziel beider Streiks war aber risch – sowohl in den Arbeitskämpfen letztlich die nachhaltige Aufwertung von selbst als auch in der Öffentlichkeit. Her Erziehungsarbeit – sowohl in materieller vorzuheben sind insbesondere die Streiks als auch in symbolischer Hinsicht. Expli im Reinigungsbereich, im Einzelhandel, zit wurde hier die Angleichung des Werts im Erziehungsbereich und in der Pflege: von Frauen*arbeit an Männer*arbeit ge 2009 sorgte der Streik der Putzfrauen* für fordert – sowie bessere Arbeits- und Sor viel Aufmerksamkeit, die Tarifrunde war gebedingungen (vgl. hierzu diverse Bei erfolgreich. Schwieriger und langwie träge in Artus et al. 2017). Unter dem riger waren die Auseinandersetzungen Motto «Mehr von uns ist besser für alle» im Einzelhandel in den Tarifrunden 2009 waren auch die Kämpfe in den Kranken und 2013. Der Streik der – überwiegend häusern äußerst erfolgreich und medien weiblichen* – Verkäufer*innen war eher wirksam – mit der Berliner Klinik Charité defensiv geprägt. Es ging im Grunde um als Flaggschiff. Inzwischen machen die die Verhinderung tariflicher Verschlechte Krankenschwestern (und wenigen -pfle rungen und die Aufrechterhaltung eines ger) bundesweit für eine bessere Perso Mindestniveaus an Tarifbindung. Obwohl nalausstattung und Pflege mobil – nicht die Verhandlungen zäh und die Streik nur in Berlin, sondern auch im Saarland, bedingungen äußerst prekär waren, er in Bayern, in Baden-Württemberg und wiesen sich die Streikenden bei einer in den Universitätskliniken in Düsseldorf Vielzahl von eher kleinen Streikaktionen und Essen. als extrem hartnäckig und entwickelten Statistisch ist das Phänomen der Femi punktuell eine erhebliche Kampfkraft, nisierung von Streiks bislang allerdings die zu partiellen Erfolgen führte. Medial nur sehr schwer zu fassen. Denn zu der ausgesprochen viel Aufmerksamkeit er Schwierigkeit, Streiks und Streikende regte der Arbeitskampf im Bereich der überhaupt zu zählen (Dribbusch 2018), Sozial- und Erziehungsdienste (S&E), tritt das fast vollständige Fehlen von Er auch bekannt unter dem Namen «Kita- hebungen zum Geschlecht von Strei Streiks»: Auf den ersten S&E-Streik 2009 kenden. Bisher haben Informationen zu mit rollierenden Streiktagen folgte 2015 diesem Thema offenbar weder die Wis ein vierwöchiger Vollstreik in fast allen senschaft noch die Gewerkschaften be Bundesländern. War das Thema Ge sonders interessiert. Eine erfreuliche sundheitsschutz anfänglich eher als ta Ausnahme stellt die geschlechtsspezifi rifpolitischer Hebel benutzt worden, um sche Streikstatistik von ver.di dar:
Abbildung 1: Streikteilnehmer*innen im Bereich von ver.di nach Geschlecht 11 2000–2015 (in Prozent-Anteil an allen Streikenden) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Männeranteil Frauenanteil Quelle: eigene Darstellung nach Dieckhoff (2013: 33); für die Jahre 2013, 2014 und 2015 ergänzt durch Heiner Dribbusch Obwohl die Mitgliedschaft von ver.di zu Ergänzende Informationen zum Ge rund 50 Prozent weiblich* ist, zeigt die schlecht der Streikenden in a nderen Abbildung deutlich, dass Männer* bei Branchen, insbesondere im Bereich gewerkschaftlichen Arbeitskämpfen im der IG Metall, die quantitativ einen Organisationsbereich von ver.di (nach relativ hohen Anteil am gesamten deut wie vor) überrepräsentiert sind. Ausnah schen Streikgeschehen haben, wä men stellen die Jahre 2001 und 2002, ren freilich wünschenswert. Bedenkt 2009, 2013 und das – für seine außeror man jedoch, dass ein Großteil der dentlich hohe Streikaktivität fast schon Frauen*erwerbstätigkeit ohnehin im «berühmte» – Jahr 2015 dar (vgl. Artus Dienstleistungsbereich stattfindet (und 2017). Während 2001 und 2002 die Ar der Frauen*anteil unter den Mitgliedern beitskampftätigkeit insgesamt eher ge der IG Metall bei etwa 18 Prozent liegt), ring ausfiel und der Feminisierung von so ist die obige Statistik sicherlich ausrei Streiks in diesen Jahren daher wenig chend als Grundlage für die Feststellung: (quantitative) Bedeutung zuzumessen Auch heute noch ist von mehrheitlich ist, gehen die hohen Anteile weiblicher* männlich* dominierten Arbeitskämp Streikender in den Folgejahren vor allem fen in Deutschland auszugehen. Dies auf die oben erwähnten Arbeitskämpfe hat sicherlich mit den institutionellen Or im Einzelhandel (2009 und 2013), in den ganisationsbedingungen von Streiks in Sozial- und Erziehungsdiensten (2009 Deutschland zu tun: Angesichts eines und 2015) sowie im Gesundheitsbereich schwachen Streikrechts, das den Ge (2015 u. a.) zurück. werkschaften ein Monopol auf legale Ar
12 beitskämpfe zuspricht, wird das Streik sich auch die Arbeitskämpfe und Streiks verhalten sehr stark von den Politik- und ein Stück weit in diese wachsenden Tarifstrategien der Gewerkschaften ge Branchen verschieben. Und Dienstleis prägt – und vergleichsweise weniger tungsarbeit ist von jeher ein relativ stark von spontanem Protest, Unzufrieden feminisierter Bereich. heit oder auch vom (vermeintlich ge Die Tertiarisierung der Wirtschaft – und schlechtstypischen) Arbeitskampfwillen das ist ein weiterer, vielleicht sogar der und von der «Kampfkraft» der Beschäf zentrale Grund für die Feminisierung tigten. Dem Streikgeschehen liegen al von Streiks – ist verknüpft mit und par so auch Entscheidungen zugrunde, die tiell auch induziert vom starken Anstieg in überwiegend männlich* besetzten der Frauen*erwerbstätigkeit. Lag die Gewerkschaftsgremien getroffen wer Frauen*erwerbstätigenquote, das heißt den und auf der Einschätzung beruhen, der Anteil der Erwerbstätigen an allen dass Tarifforderungen eher in männlich* (erwerbsfähigen) Frauen* (zwischen 15 geprägten Branchen durchsetzbar seien und 64 Jahren), in den 1960er Jahren und dass ein Konflikt eher in maskulini in Westdeutschland noch unter 50 Pro sierten* Berufsbereichen gewagt werden zent, ist sie zwischen 2007 und 2017 von könne, sodass Streikgelder eher für die 66,7 Prozent auf 75,2 Prozent deutlich Wahrung und verbesserte Durchsetzung gestiegen (Destatis 2018a). Damit liegt von Interessen in männlich* dominierten sie zwar immer noch etwas unter der Branchen eingesetzt werden.4 Männer*erwerbstätigenquote (83 Pro Trotz dieser Ausgangssituation ist eine zent), aber Deutschland liegt diesbezüg Zunahme von Streikaktivitäten in femi lich in Europa mittlerweile (nach Schwe nisierten Berufsbereichen zu beobach den und Litauen) an dritter Stelle. ten. So hat zum Beispiel ver.di im Fall der Diese Entwicklungen sind aus feminis S&E-Streiks im Vertrauen auf die Mobi tischer Sicht gleichzeitig als gut und als lisierungsfähigkeit der Erzieher*innen schlecht zu bewerten: Sie sind gut, weil einen durchaus kostspieligen Vollstreik die Hürden für die Integration von Frau riskiert und eine offensive Auseinander en* in die Erwerbsarbeit offenbar zu setzung, die vor allem von Frauen* ge nehmend sinken. Zugang zu Lohnarbeit tragen wurde, strategisch geplant und bedeutet in unseren kapitalistischen Ge durchgeführt. sellschaften Autonomie für Frauen*, die damit ihr eigenes Geld verdienen, ein un 2.2 Gründe für die Feminisierung abhängiges Leben führen können, sozi von Streiks al abgesichert sind und Anerkennung er Die Veränderung, die sich hier abzeich fahren. Auch wenn Marx und Engels so net, ist zunächst einmal – relativ banal – schön formuliert haben, «produktiver Ar im Zusammenhang mit dem wirtschaft beiter» zu sein, sei «kein Glück, sondern lichen Strukturwandel zu sehen, das ein Pech» (Marx 1890/1984: 532), so heißt mit der Verlagerung von Beschäf ringen Frauen* aktuell immer noch dar tigung vom Produktions- in den Dienst um, dieses «Pech» der Männer* teilen zu leistungsbereich (Tertiarisierung): Wenn mehr Menschen im Dienstleistungsbe 4 Dies bedeutet allerdings nicht, dass weibliche Gewerk schaftskader notwendigerweise eine nachhaltige Feminisie reich arbeiten, erscheint es logisch, dass rung der Arbeitskämpfe vorantreiben würden.
können. Frauen* wollen ihre Arbeitskraft nahme der Frauen*erwerbstätigkeit ist 13 nicht (nur) unbezahlt im Heim, am Herd also einerseits Ausdruck von Emanzipa und im Ehrenamt verausgaben, sondern tion und besserem Zugang zum Arbeits wenigstens einen Lohn dafür erhalten – markt, andererseits stellt sie aber auch auch wenn dieser noch immer 21 Pro die Folge eines verschärften Zwangs zur zent niedriger liegt als der der Männer* Lohnarbeit dar. und sie wesentlich häufiger als Teil des Fest steht, dass sich Frauen* zunehmend prekarisierten Teilzeitproletariats tätig auf dem Arbeitsmarkt behaupten müs- sind (Destatis 2018b: 42 ff.). Die massive sen – und dass sie dies auch tun. Sie for Steigerung der Qualifikation von Frauen* dern das Recht auf gleiche Bezahlung und die mittlerweile sogar errungenen und gleiche Anerkennung ihrer Arbeit ein Bildungsvorteile der Mädchen* gegen und sind immer öfter bereit, diese Ziele über den Jungs* spielen für den verbes auch konflikthaft durchzusetzen. Das serten Zugang zum Arbeitsmarkt eine hat auch viel mit Selbstbewusstsein zu sehr große Rolle. tun – und dem Gefühl, legitime Forderun Auf der anderen Seite ist die Zunahme gen stellen zu können. Dies sind die zen von Frauen*erwerbsarbeit aber auch auf tralen Gründe für die Feminisierung von den neoliberalen Umbau und Abbau des Streiks. Sozialstaats zurückzuführen, wodurch Der bereits erwähnte neoliberale Abbau sich die soziale Absicherung insbeson und Umbau des Sozialstaats spielte aber dere von geschiedenen und alleinerzie noch in anderer Hinsicht eine Rolle für die henden Frauen* deutlich verschlechtert Ausweitung feminisierter Arbeitskämpfe. hat: Mütter müssen – selbst bei alleiniger Er führt nämlich dazu, dass sich die Ar Fürsorge für mehrere Kinder – dem Ar beits- und Entgeltbedingungen gerade in beitsmarkt wieder zur Verfügung stehen, vielen feminisierten Berufsbereichen er sobald der/die Kleinste drei Jahre alt ist. heblich verschlechtert haben. Angespro Die Einführung der sogenannten Hartz- chen ist hiermit vor allem der sogenannte Gesetze hat nicht nur dazu geführt, dass Care-Bereich, also der Gesundheitsbe Arbeitslosigkeit staatlich schlechter ab reich, die Altenpflege, die Kinderbetreu gesichert ist, sondern auch zu einem Ver ung und Erziehungsarbeit, all jene Berei fall der Reallöhne – insbesondere in den che der allgemeinen Daseinsfürsorge, unteren Segmenten des Arbeitsmarkts –, die früher einmal fast ausschließlich von sodass Frauen* und Männer* gleicher der öffentlichen Hand organisiert worden maßen (ganz wie in der kapitalistischen sind und nun Profit abwerfen sollen (vgl. Frühphase der Industrialisierung) zum Winker 2015). Im Zuge der Durchset Verkauf ihrer Arbeitskraft zu fast jeder zung neoliberaler Prämissen haben diese Bedingung gezwungen sind, vor allem Wirtschaftssegmente in den letzten 20 wenn Kinder ernährt werden müssen. bis 30 Jahren einen Prozess der Ökono Das Rollenmodell der Hausfrau war zwar misierung und Privatisierung durchlau unter emanzipatorischen Aspekten stets fen. Damit verknüpft waren die Zerschla eine Katastrophe; gegenwärtig ist es aber gung von Unternehmensstrukturen und auch deshalb weniger häufig anzutref das Outsourcing profitabler Geschäfts fen, weil es (wieder) zum unerschwing bereiche, Prozesse des Tarifdumpings lichen Luxusmodell avanciert ist. Die Zu und der Tarifflucht, der Abbau von Per
14 sonal und die extreme Verdichtung von «Organisieren am Konflikt» (Kocsis et al. Arbeitsprozessen, die Verstärkung bü 2013) heißen sowohl bei der IG Metall als rokratischer Kontrollmechanismen bei auch bei ver.di die neuen Zauberworte, zugleich oft steigenden Arbeitsanfor um sich aus der gewerkschaftlichen De derungen. Dies hat insgesamt zu einer fensive zu befreien. Im Dienstleistungs deutlichen Verschlechterung der Arbeits bereich stehen dabei insbesondere die bedingungen und zum Teil auch der er Sorgearbeiter*innen im Fokus, die sich brachten Dienstleistungen geführt. Typi in Kindertagesstätten und Krankenhäu sche Frauen*berufe in der Erziehung und sern als erstaunlich konfliktfähig und mo Pflege sind also besonders stark von der bilisierungsbereit gezeigt haben. Wenn Austeritätspolitik des Staates und ihren mehrheitlich männlich* geprägte Berei negativen Folgen betroffen. che (wie die Müllentsorgung oder der Zugleich stellt der Fachkräftemangel in öffentliche Nahverkehr) sukzessive pri den sozialen Berufen grundsätzlich ei vatisiert und/oder ausgegliedert werden, ne günstige Voraussetzung für Arbeits muss der Flächentarifvertrag im öffentli kämpfe dar – ein Sachverhalt, der in an chen Dienst schließlich von irgendwem deren, besonders stark prekarisierten verteidigt werden. und feminisierten Berufsbereichen (wie Die Erosion des Flächentarifvertrags, dem Einzelhandel, dem Reinigungsbe aber auch neue Offensivstrategien der reich oder der Systemgastronomie) so Arbeitgeberseite sind zudem dafür ver nicht vorhanden ist. Dennoch festigt antwortlich, dass sich aktuell die Schwer und verbreitet sich auch in den letztge punktsetzungen und Formen gewerk nannten Branchen offenbar die Über schaftlicher Arbeitskämpfe wandeln: Die zeugung, dass Widerstand notwendig Zeiten, in denen Streiks vor allem als ri ist, um angesichts von Outsourcing, Ta tualisierte Showkämpfe und Machtde rifdumping und der systematischen und monstrationen, sozusagen als «Begleit profession ell geplanten Bekämpfung musik» zu den alljährlichen Tarifrunden gewerkschaftlicher Interessenvertretun inszeniert wurden, sind zwar noch nicht gen (Union Busting) nicht völlig unterzu völlig vorbei, hinzugekommen ist jedoch gehen. Dies hat sich nicht nur im Reini eine Kakophonie von neuen, oft sehr har gungsbereich gezeigt, sondern auch in ten Auseinandersetzungen in Branchen, erbitterten Kämpfen zum Beispiel bei dem die bislang noch nicht oder wenig ge Catering-Unternehmen gate gourmet werkschaftlich erschlossen sind, in de 2005 (Flying Pickets 2007) oder der out nen Arbeitskämpfe eher ungewöhnlich gesourcten Service-Tochter der Charité und daher oft schwierig sind, in denen CFM 2016/17 in Berlin. Menschen streiken, die dies noch nie Es ist also alles andere als zufällig, dass vorher getan haben und möglicherwei mehr oder weniger stark feminisierte se noch nicht einmal Gewerkschafts Beschäftigtensegmente aktuell von den mitglied sind, und diese Menschen sind Gewerkschaften «entdeckt» werden, die häufiger (als früher) weiblich*. nach dem radikalen Mitgliederschwund Aber was bedeutet dieser Trend zur Femi seit den 1990er Jahren aktuell um neue nisierung von Streiks? Streiken Frauen* Zukunftsstrategien und -perspektiven denn anders als Männer*? Was folgt da ringen. «Organizing» (Wetzel 2013) bzw. raus für Streikziele, Streikstrategien, für
die Gewerkschaften, für die gesellschaft an dieser Stelle nicht erschöpfend be 15 lichen Geschlechterverhältnisse insge handelt werden kann. Trotzdem sollen im samt und für die Frauen* selbst? Dies ist Folgenden einige Thesen dazu formuliert ein umfassendes Thema, das sicherlich werden. 3 STREIKEN FRAUEN* ANDERS? EINIGE THESEN ZUR POLITISCHEN EINORDNUNG FEMINISIERTER STREIKS 3.1 Neue Streikkultur schaftlich organisierte Kinderbetreuun Um es kurz zu machen: Ja. Frauen* strei gen geben, um Frauen* die Teilnahme ken anders. Das hat freilich nichts mit an Streikversammlungen und Demons Biologie oder biologistischen Argumen trationen zu ermöglichen. Häufiger ist ten zu tun, sondern ergibt sich aus der die Weitergabe der Care-Verpflichtun Tatsache, dass wir nach wie vor in einer gen – ganz im Sinne von «Care Chains» – Gesellschaft leben, die in vielerlei Hin an andere Frauen* (Omas, andere Müt sicht geschlechtsspezifisch strukturiert ter, Nachbarinnen, Töchter), seltener an ist. Folglich sind auch Streiks gegender männliche Bezugspersonen; oder die te Phänomene. Das zeigt sich auf unter Kinder werden einfach mitgenommen schiedlichen Ebenen. zur Aktion. Arbeitskämpfe sind immer (1) Die gesellschaftliche Arbeitsteilung Teil «des ganzen Lebens» der Kämpfen ist in Deutschland nach wie vor ge den – nicht nur des Erwerbsarbeitsle schlechtsspezifisch organisiert. Frauen* bens. Solange sich daher der typische übernehmen – trotz neuer Väterlichkeit – Alltag von Frauen* von dem der Män nach wie vor den Löwinnenanteil an der ner* unterscheidet, so lange werden sich unbezahlten Haus- und Familienarbeit, auch Streikpraxen unterscheiden. der sogenannten Reproduktionsarbeit. (2) Nach wie vor ist auch der Arbeits Das hat selbstverständlich Folgen für die markt selbst in feminisierte und masku Ressourcen und auch für die konkreten linisierte Berufsbereiche aufgeteilt (vgl. Formen von Arbeitskämpfen. Wer neben Hausmann/Kleinert 2014). Frauen* sind der Erwerbsarbeit immer noch die Kinder tendenziell in anderen Bereichen er und vielleicht auch die Schwiegermut werbstätig als Männer*. In diese Berei ter mitbetreuen muss, hat weniger Zeit che fallen insbesondere jene bereits ge und Energie, um sich zu organisieren. nannten, feminisierten Sorgeberufe, in Aber auch die zeitliche Organisation von denen viele aktuelle Arbeitskämpfe statt Streiks und die kollektiven Ausdruckfor finden. Aber gerade in diesen Berufen men werden sich unterscheiden, wenn herrschen auch spezifische Bedingun die Streikenden im Alltag permanent gen für Arbeitskämpfe, die das Streiken (auch) Reproduktionsarbeiten zu leis gar nicht so einfach machen (vgl. dazu ten haben. Häufig bedarf es weiblicher* insbesondere Punkt 5). Netzwerke, um die Gleichzeitigkeit von (3) All jene patriarchalen gesellschaftli Fürsorgearbeit und politischer Aktion zu chen und familiären Hierarchien, die wei ermöglichen. Manchmal mag es gewerk ter oben bereits als bedeutsam für die
16 historischen Arbeitskämpfe beschrie orientierungen auszuhalten, dazu gehört ben worden sind, sind auch heute noch viel Mut – privat wie beruflich. wirkmächtig: Schließlich haben es zum (4) Nicht zu unterschätzen ist der Ein Beispiel die Krankenschwestern nach fluss, den das Gender-Stereotyp von der wie vor mit «Göttern in Weiß» zu tun, friedfertigen, demütigen und opferberei die das Aufbegehren der Untergebenen ten Frau auf das politische Engagement als illegitime Anmaßung einstufen. Und von Frauen* (noch immer) hat. Das soge Frauen* haben immer noch Ehemän nannte Helfersyndrom als typisches Be ner*, die sagen: «Wie? Du gehst heu rufsethos im Pflegebereich ist nicht gen te Abend noch zur Streikversammlung? derneutral und müsste deshalb eher als Wer macht mir denn dann die Pizza?» Helferinnensyndrom bezeichnet werden. Die Frage, wie Arbeitskämpfe gender Positiv formuliert bildet die Ethik fürsorg spezifisch in familiäre Beziehungen ein licher Praxis (Senghaas-Knobloch 2008), gelagert sind, wurde für stark maskulin das heißt die professionelle Orientierung geprägte Streiks in der Vergangenheit an den Bedürfnissen und am Wohlerge wiederholt erforscht. Der Hinweis auf die hen von hilfebedürftigen Klient*innen, wichtige Rolle solidarischer Ehefrauen* freilich den Kern vieler Sorgetätigkeiten. etwa bei den Kohle- und Stahlarbeiter Die damit zum Teil einhergehende Zu streiks fehlt in kaum einer Streikantho rückstellung eigener Bedürfnisse und logie. Umgekehrt gibt es aber kaum For Interessen und die Bereitschaft, betrieb schungen zum Einfluss der Ehemänner* liche Organisations- und Personalmän auf streikende Ehefrauen*. Einschlägige gel individuell zu kompensieren, gilt den Erfahrungsberichte (z. B. Borzeix/Marua noch als eines der zentralen Hemmnisse ni 1982), Romane oder auch Biografien bei der Entwicklung kämpferischer Inte von Streikführerinnen (z. B. Perrot 2012) ressenpolitik im Sorgebereich (vgl. z. B. weisen jedoch nachdrücklich auf die ho Nowak 2017; Zender 2014), das es bei he Relevanz familiärer Unterstützung für der Formulierung gewerkschaftlicher streikende Frauen* hin. Manchmal ist die Ziele und Strategien adäquat zu berück Solidarität von (evtl. gewerkschaftlich sichtigen gilt. selbst engagierten) Partnern und Kindern (5) Auch das Phänomen, dass weibli extrem stärkend. Nicht selten führt ein che* Revolten nicht ernst genommen aufbrechendes politisches Engagement werden – oder jedenfalls als unbedenk von Frauen* aber auch dazu, dass tradi licher eingestuft werden als männlich* tionelle Beziehungsstrukturen infrage geprägte Aufstände – ist nach wie vor zu gestellt oder sogar zerstört werden. Dies beobachten. Dies lässt sich etwa anhand kann freilich auch ein Emanzipations von Diskursanalysen der deutlich unter schritt sein: Ein in betrieblichen Kämpfen schiedlichen Medienberichterstattung neu erworbenes Selbstbewusstsein von über männliche* und weibliche* sozia Frauen* lässt sie über traditionelle Rol le Proteste zeigen (z. B. Einwohner et al. lenmodelle «hinauswachsen». Die Kon 2000). Die lustig-bunt streikende Erzie flikte in der Erwerbssphäre sind daher oft herin hat eine andere Außenwirkung und eng mit parallelen Krisen und Auseinan erfährt ein – geschlechtsspezifisch – an dersetzungen im Privatleben verwoben. deres Framing als der uniformierte Flug Diese Kämpfe, Unsicherheiten und Neu kapitän oder Lokführer. Eigenschaften
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