Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...

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Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...
Dokumentation 6. Fachtagung

Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017   1
Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...
Inhaltsverzeichnis

    1.       Eröffnung 											 3

    2.       Begrüßung Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen
             Industrie- und Handelskammertages e. V. 							 5

    3.       Rede Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt
             und der sozialen Marktwirtschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales 			               7

    4.       Impulsvortrag Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company: „Kompetenz- und
             Qualifizierungsbedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“    9

    5.       Impulsvortrag Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH: „Digitalisierung
             weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in
             der Region sichern.“ – Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros                      12

    6.       Interviewrunde: Kooperation, Qualifizierung und Weiterentwicklung in der Netzwerk-Community 16

    7.       Mittagspause, Informationsstände und Filme 							19

    8.        Parallele Foren am Nachmittag                                                                  21

    		8.1 Praxisforum 1 : Vorbilder – für Ihren Erfolg!                                                      24

    		8.2 Praxisforum 2: Schnelle Lösung für ein drängendes Problem 				                                     27

    		8.3 Praxisforum 3: Vordenker der Digitalisierung – Vorteile schaffen                                   30

    		8.4 Praxisforum 4: Pionier der ersten Stunde – Sicher experimentieren                                  32

    9.       Innovationsbüro Fachkräfte für die Region                                                       35

    10.      Kontaktdaten und Impressum                                                                      36

    Die Programmübersicht zur 6. Fachtagung „Fachkräftenetzwerke als Lotsen und Berater –
    Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen Zeitalter“ finden Sie hier.

Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017                                                      2
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1.       Eröffnung

    Per Netzplan durch die Fachkräfte-Galaxis

             Zu den Grundbedürfnissen der Menschen sind zwei wichtige hinzugekommen: ein ge-
             ladener Akku und gutes WLAN. Und es zeigt sich immer deutlicher: Die Digitalisierung
             verlangt den Unternehmen und Beschäftigten viel ab, so dass der Ruf nach passender
             Qualifizierung und Weiterbildung immer lauter wird. Das wiederum ist eine Steilvorlage
             für die vielen Fachkräftenetzwerke in den Regionen. Bei der inzwischen 6. Fachtagung
             des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region Anfang Dezember erfuhren die rund 160
             Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie ihre Netzwerke zu Lotsen und Beratern im Digita-
             lisierungsdschungel werden können.

    Die blau-grüne Grafik an der Wand erinnert an eine Platine oder einen Schaltkreis auf einem Chip. Doch was
    hat die 6. Fachtagung des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region mit Technologie zu tun?

    In Zeiten der Digitalisierung: viel. Natürlich geht es bei der 6. Fachtagung weder um neue Chips noch Ma-
    schinen oder Produktionsprozesse. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die zahlreichen Fachkräftenetzwerke in
    den Regionen in ihrer Rolle als Lotsen und Berater. Es geht um „Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen
    Zeitalter“.

    Knotenpunkte, Abzweigungen, Sackgassen

    Blickt man genauer auf die Grafik, entdeckt man Linien, Start- und Endpunkte, Abzweigungen, Knotenpunkte,
    Pfeile. Manche Verbindungen scheinen weit zu führen, andere enden abrupt.

    Moderator Jan Kuper                        TED auf der 6. Fachtagung      Grafik 6. Fachtagung, Eingang VKU Forum

    Geht uns die Arbeit aus, wenn Roboter übernehmen? Bin ich überhaupt richtig qualifiziert? Was ist das über-
    haupt genau: Digitalisierung? Können wir in unserem kleinen Unternehmen nicht darauf verzichten? Falls
    nein: Was müssen wir tun? Welche Weiterbildung ist die richtige? Und vor allem: Wer hilft den Firmen und
    Beschäftigten, den richtigen Weg einzuschlagen, wer ist sozusagen der Knotenpunkt, an dem Wege zusam-
    menlaufen und von wo aus es sinnvoll weitergeht.

    Diese und viele weitere Fragen im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und zunehmender Digitalisierung
    treiben die Firmen und Menschen in den Regionen um. Auch die dort aktiven Fachkräftenetzwerke. Besonders
    stark war deshalb wohl der Zuspruch zum Programm der diesjährigen Fachtagung: Rund 160 Netzwerkak-
    teure kamen nach Berlin – und erhielten Antworten.

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Die neuen Grundbedürfnisse: voller Akku und gute Netzwerkverbindung

    Auch die kleinen Döschen mit Minz-Pastillen, die man sich am Ein-
    gang nehmen konnte, passten zum Thema. „Home is where your WiFi
    connects automatically“, steht darauf. „Die Digitalisierung verändert
    unser Leben, die Entgrenzung der Arbeitswelt ist eine von vielen Folgen
    der Digitalisierung, mit denen sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer
    auseinandersetzen müssen“, betonte Jan Kuper, Leiter des Innova-
    tionsbüros, bei der Eröffnung der Fachtagung. Sozusagen als drittes
    Symbol rief er den Zuhörerinnen und Zuhörern die Bedürfnispyramide
    des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow ins Gedächtnis.
    An der Spitze steht die Selbstverwirklichung, darunter Individual- und
                                                                             Giveaways der 6. Fachtagung
    soziale Bedürfnisse. Den Boden bilden zentrale Grundbedürfnisse. „Als
    ich kürzlich mit meinen Kindern darüber sprach, haben sie die Pyramide sofort ergänzt“, berichtete Kuper und
    zeigte die Version der Youngsters: „Akku“ und „WLAN“ bilden in ihrer Zeichnung nun den Sockel der elemen-
    taren Grundbedürfnisse.

    TED: 84 Prozent der Netzwerke sind schon digital

                                             Solchermaßen auf die Fachtagung eingestimmt, ließ Kuper die Teilneh-
                                             merinnen und Teilnehmer zum TED-Gerät greifen und drei Fragen beant-
                                             worten. Zunächst wollte er von ihnen wissen, wo ihr jeweiliges Netzwerk
                                             beim Thema Digitalisierung aktuell steht? Das Ergebnis: 84 Prozent der
                                             Netzwerke befassen sich inzwischen mit der Digitalisierung.

                                             Was die Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen Zeitalter betrifft,
                                             sorgen sieben von zehn Netzwerken derzeit dafür, die Unternehmen in ih-
                                             rer Region für dieses Thema zu sensibilisieren. Jedes zweite initiiert bereits
                                             entsprechende Projekte. 42 Prozent verstehen sich zudem als Lotsen durch
     Moderator Jan Kuper
                                             den Digitalisierungsdschungel.

    Doch was brauchen die einzelnen Regionen konkret, um im digitalen Zeitalter Schritt zu halten? Einen flä-
    chendeckenden Breitbandausbau halten 47 Prozent der Tagungsteilnehmer für notwendig. Damit landete das
    schnelle Internet überraschenderweise nur auf Platz 4. Mit 59 Prozent am häufigsten genannt wurde hinge-
    gen: „Mehr Experimentierfreude, weniger Abwarten“. Fast genauso stark: die Antwort „mehr Investitionen
    in Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter“. Damit war sozusagen der Rahmen für die Fachtagung
    gesteckt.

    Bevor Kuper das Mikrofon weitergab, ließ er kurz einige Arbeitsschwerpunkte des Innovationsbüros im Jahr
    2017 Revue passieren. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führten mit Akteuren aus den Netzwerken neun
    Workshops durch und fünf Erfahrungsaustauschkreise. Außerdem fand in diesem Jahr erstmals der bereits bei
    der letzten Fachtagung vorgestellte, neue Lehrgang „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung (IHK)“
    statt. 2018 wird es eine zweite Auflage geben. Zudem verwies Kuper auf die 2. Themenstudie, die Dr. Silke
    Stahl-Rolf vom VDI Technologiezentrum später am Tag vorstellte und die Ende Januar veröffentlicht wird – auch
    auf der Website des Innovationsbüros www.fachkraeftebuero.de.

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Den vielen Netzwerkern dankte Kuper herzlich für ihre Unterstützung
    und für ihre gute Arbeit. „Von dieser Arbeit möchten wir auch ande-
    ren Netzwerken und Interessierten in den Regionen berichten“, fügte
    er an und verwies auf die Online-Praxisdatenbank des Innovations-
                                                                                               Hier geht‘s zur
    büros. „Bitte machen Sie uns auf erfolgreiche Initiativen und Projekte
                                                                                               Praxisdatenbank!
    aufmerksam, unser Journalist erstellt dann in Abstimmung mit Ihnen
    kurze Porträts, die wir in die Datenbank aufnehmen und die anderen
    Akteuren wichtige Anstöße geben können!“                                 Praxisdatenbank des Innovationsbüros

    2.       Begrüßung Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer
             des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V.

    „Fachkräftemangel ist das Top-Thema in den Unternehmen“

             Der Saal ist voll, und Dr. Achim Dercks hat eine eindeutige Botschaft: „Der Fachkräfte-
             mangel erweist sich inzwischen als Geschäftsrisiko Nummer 1“, sagte der stellvertretende
             Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) mit
             Blick auf die Ergebnisse der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage. Zugleich bräuchten die
             Unternehmen Hilfe bei der Konzeption von Qualifizierungsmaßnahmen, um die Beschäf-
             tigten für den digitalen Wandel zu ertüchtigen. Dabei seien auch die Fachkräftenetzwerke
             gefragt.

    Ehe Dr. Achim Dercks zur eigentlichen Begrüßung kam, musste sich der
    stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer erst einmal als Platzanwei-
    ser betätigen. Der Veranstaltungssaal im VKU Forum war so gut gefüllt,
    dass einzelne Nachzügler nicht auf Anhieb einen freien Stuhl fanden. Zum
    Glück bietet die Position am Rednerpult guten Überblick, so dass Dercks
    auf freie Sitzplätze in den vorderen Reihen verweisen konnte.

    Den Überblick über den Stand der Dinge in Sachen Fachkräftemangel hat-
    te Dercks ebenfalls. Er brachte eine wichtige Erkenntnis aus der jüngsten
    DIHK-Konjunkturumfrage vom Herbst 2017 mit. „Der Fachkräftemangel
                                                                                Dr. Achim Dercks, Stellvertretender
    erweist sich inzwischen als Geschäftsrisiko Nummer 1“, betonte er, „56      Hauptgeschäftsführer des Deutschen
    Prozent der Firmen in Deutschland sehen sich inzwischen betroffen.“         Industrie- und Handelskammertages e. V.

    Auch 2011, als das Innovationsbüro Fachkräfte für die Region an den Start ging, sei der Fachkräftemangel
    schon ein Thema gewesen. „Aber längst nicht so weit verbreitet und branchenübergreifend wie heute“, sagte
    der DIHK-Vize.

    Inzwischen sei der akute Fachkräftebedarf ein Thema, das im Grunde bei allen wichtigen politischen Fragen
    mitschwinge. Egal ob es um Breitbandausbau, Verkehrsinfrastrukturprojekte, den zusätzlichen Bedarf von
    Lehrkräften an Schulen, eine bessere Personalausstattung im Gesundheitswesen oder die Wettbewerbsfähig-
    keit von Unternehmen gehe: Früher oder später werfe jemand die Frage in den Raum, wo denn eigentlich die
    Fachkräfte herkommen sollen, die nötig wären, um das alles bewerkstelligen zu können.

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„In den Betrieben steht das Thema Fachkräftesicherung jedenfalls ganz oben auf der Agenda“, erklärte
    Dercks, „und ich würde mir wünschen, dass das in der Politik und derzeit in den Gesprächen zur Regierungs-
    bildung auch so wäre.“

    Die Chancen der Digitalisierung

    Das zweite Riesenthema – in der Gesellschaft insgesamt ebenso
    wie in den Betrieben – sei seit rund zwei, drei Jahren die Digi-
    talisierung. „Das treibt die Menschen zunehmend um“, stellte
    Dercks klar. Schade sei allerdings, dass viele Debatten dazu
    negativ geprägt seien. „Meist geht es um Jobabbau“, sagte
    Dercks, doch zumindest gegenwärtig entstünden deutlich mehr
    Arbeitsplätze als wegfielen. „Schön wäre, wenn häufiger auch
    darüber gesprochen würde, welche riesigen Beschäftigungs-
    chancen die Digitalisierung mit sich bringt.“ Er verwies auf neue
    Berufsbilder wie den Ausbildungsberuf „Kaufmann/-frau im
    E-Commerce“. Zudem sorge die Digitalisierung für mehr Flexi-
    bilität und Unterstützung. Dercks nannte in diesem Zusammen-
    hang Arbeiten im Homeoffice – ein Wunsch zum Beispiel vieler
    Berufstätiger mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen
                                                                        Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäfts-
    –, und neue digitale Assistenzsysteme für Menschen mit Behin-       führer des Deutschen Industrie- und Handelskammer-
    derung.                                                             tages e. V. mit Blick ins Publikum

    Klar ist laut Dercks in jedem Fall: Bei der Digitalisierung geht es nicht nur um Technologie, sondern vor allem
    auch um die Menschen. „Es ist elementar, die Beschäftigten mitzunehmen, und zwar alle Beschäftigten“,
    sagte er. „Es gibt nämlich kaum ein Beschäftigungsfeld, das über kurz oder lang nicht von Veränderungen
    betroffen sein wird.“

    Viele Unternehmen hätten das erkannt. Nicht alle jedoch hätten schon Ideen entwickelt, wie sie damit um-
    gehen können. „Die Hauptherausforderung vor allem kleiner und mittlerer Firmen ist nicht die Einführung
    neuer Maschinen oder der Erwerb neuer Software“, so Dercks, „sondern sie fragen sich vor allem: Wie können
    eigentlich passende Weiterbildungsmaßnahmen aussehen und wie können wir die rasch in Angriff nehmen?“

    Und da kommen die Fachkräftenetzwerke ins Spiel. „Sie in den Netzwerken können wichtige Beiträge dazu
    leisten“, betonte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Sie können Berater und Lotsen für die
    Arbeitgeber vor Ort sein – und umgekehrt können Sie uns hier in Berlin zurückspiegeln, welche Erfahrungen
    Sie mit diesem großen Thema in Ihren Regionen machen, so dass wir hier wiederum unser Informations-,
    Beratungs- und Veranstaltungsangebot an Sie weiterentwickeln können!“

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3.       Rede Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des
             Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im
             Bundesministerium für Arbeit und Soziales

    „Das Thema wird uns weiterhin intensiv beschäftigen“

             Auch wenn es noch keine neue Regierung gibt: Das Thema Fachkräftesicherung geht
             unvermindert weiter. Auch der Wandel der Arbeit in Zeiten der Digitalisierung macht
             keine Pause. Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen im Bundesministeri-
             um für Arbeit und Soziales (BMAS), umriss deshalb bei der 6. Fachtagung des Innovati-
             onsbüros, worauf es jetzt ankommt. Das BMAS ist Träger des Innovationsbüros Fachkräf-
             te für die Region. Den Blick der Öffentlichkeit auf den Wandel der Arbeit zu lenken und
             ihn positiv zu gestalten, ist dem Ministerium ein zentrales Anliegen.

    Benjamin Mikfeld, der in Vertretung von Thorben
    Albrecht, Staatssekretär im Bundesministerium für
    Arbeit und Soziales, zur 6. Fachtagung des Inno-
    vationsbüros gekommen war, hätte gerne positi-
    ve Nachrichten mitgebracht. „Es wäre eine gute
    Gelegenheit gewesen, Ihnen heute, einige Monate
    nach der Bundestagswahl, erste Hinweise zu geben,
    wie eine kommende Bundesregierung an das Thema
    Fachkräftesicherung herangehen will“, sagte Mikfeld
    mit aufrichtigem Bedauern, „doch leider muss ich
    Sie in dieser Hinsicht noch um ein wenig Geduld            Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des
                                                               Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im
    bitten…“                                                   Bundesministerium für Arbeit und Soziales

    Andererseits: „Es ist dessen unbenommen völlig klar, dass uns das Thema auch in den nächsten Jahren
    weiterhin intensiv beschäftigen wird!“ Mikfeld verwies auf die aktuellen Arbeitsmarktzahlen. Deutschland zähle
    44,7 Millionen Beschäftigte, dies sei ein Rekordwert. Die Arbeitslosigkeit sei weiterhin rückläufig. „Das ist sehr
    begrüßenswert“, betonte der Leiter der Abteilung Grundsatzfragen im Bundesministerium für Arbeit und Sozi-
    ales. „Doch es gibt eine Kehrseite: Die Konkurrenz um Fachkräfte nimmt zu, die Fachkräfte werden knapp.“

    Und das, obwohl man in der zurückliegenden Legislaturperiode einige wichtige Erfolge habe erzielen können.
    So sei die Erwerbstätigenquote von Frauen seit 2011 um fünf Prozentpunkte auf 74,5 Prozent gestiegen. Die
    der über 55-Jährigen sei um sieben auf 69 Prozent angewachsen. Dies bedeute mehr Fachkräfte für die Wirt-
    schaft. „Dennoch ist hier noch Luft nach oben“, betonte Mikfeld, „gleichzeitig stehen wir vor neuen Herausfor-
    derungen.“ Deshalb sei das Ministerium gerade dabei, die Fachkräftearbeit an einigen Stellen zu justieren.

    Geht uns wirklich die Arbeit aus?

    Mikfeld nannte zwei Beispiele: Zum einen werde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die bestehen-
    den Konzepte weiterentwickeln und neue Ansätze verfolgen, um mehr Langzeitarbeitslose und Geflüchtete zu

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qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zum anderen werde es immer wichtiger, die Passgenau-
    igkeit zu verbessern. „Stehen angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels einerseits und der These, uns
    gehe die Arbeit aus, andererseits eigentlich genau die Fachkräfte zur Verfügung, die wir wirklich benötigen?“,
    fragte Mikfeld. „Entscheidend ist“, fuhr er fort, „dass die Qualifikationen zueinander passen müssen.“

    Es gehe also verstärkt darum, dass die Arbeitskräfte ihre Kompetenzen passgenau weiterentwickeln können.
    „Wichtig sind uns zudem gesunde Arbeitsbedingungen, damit die Beschäftigten auch wirklich bis zum Renten-
    eintrittsalter arbeiten können“, ergänzte Mikfeld.

    Abschließend warf er einen Blick auf zwei Themenschwerpunkte der 6. Fachtagung. Direkt im Anschluss wer-
    de Cornelius Patscha vom Beratungsunternehmen Z_punkt den Lagebericht „Kompetenz- und Qualifizierungs-
    bedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“ vorstellen. Der Partnerschaft
    für Fachkräfte gehören die Bundesregierung sowie Verbände und Gewerkschaften an, sie bildet eine wichtige
    Diskussionsplattform rund um Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Arbeiten 4.0.

    Netzwerke leisten wichtige Beiträge

    „Sie werden sehen“, betonte Mikfeld, „dass Sie in Ihren
    Netzwerken wichtige Beiträge zu dieser Qualifizierung
    leisten können!“

    Zudem warb der BMAS-Experte für den Impulsvortrag
    „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe
    von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der
    Region sichern“. Die Ausführungen von Dr. Silke Stahl-
    Rolf vom VDI-Technologiezentrum präsentieren die
    Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros,
    befragt worden sind 139 Fachkräftenetzwerke in allen
    Regionen.

    „Wir hoffen, dass die Beispiele und Handlungsempfeh-
    lungen der Studie Sie bei Ihrer jetzigen und künftigen
    Arbeit unterstützen“, sagte Mikfeld. Zugleich schloss
    er sich seinem Vorredner Dr. Achim Dercks an: „Sie
    entwickeln viele wichtige neue Ideen. Davon profitieren
    nicht nur die Akteure in der jeweiligen Region, sondern     Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des
    auch wir in Berlin. Das hilft uns sehr bei der Weiterent-   Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft
                                                                im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
    wicklung unserer Konzepte!“

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Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...
4.       Impulsvortrag Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight
             Company: „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030 –
             Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“

    „Arbeit wird inhaltlich anspruchsvoller und voraussetzungsvoller“

             Von einem Rad fahrenden Mädchen mit VR-Brille bis zum Medizinroboter spannte Cor-
             nelius Patscha in seinem Impulsvortrag einen weiten Bogen. Der Berater des Kölner
             Trend- und Zukunftsforschungsinstituts Z_punkt stellte bei der 6. Fachtagung des Inno-
             vationsbüros in Berlin das Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte zum Kompetenz- und
             Qualifizierungsbedarf bis 2030 vor.

    Xiaoyi hat vor wenigen Wochen die nationale Medizin-
    prüfung in China bestanden. Diese Nachricht, auch in
    deutschen Medien zu lesen, wäre in etwa so interessant
    wie der berühmte umfallende Reissack, wenn es sich
    bei Xiaoyi um einen Menschen handeln würde. Xiaoyi ist
    aber ein Roboter. Ab 2018 soll er bei der Diagnose von
    Patienten und der Ausbildung von Ärzten helfen.

    Cornelius Patscha wählte dieses Beispiel zum Einstieg in
    seinen Vortrag, um zu verdeutlichen, worum es heute
    geht. „Wir leben in einer Zeit, in der wir regelmäßig auf
    technologische Entwicklungen stoßen, die wir vor zehn
    Jahren noch in den Bereich der Science-Fiction einge-
    ordnet hätten“, sagte der Innovations- und Strategie-
    experte bei der Z_punkt GmbH The Foresight Company
    aus Köln.                                                   Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company

    Die Automatisierung mache vielen Angst. Die Befürchtung lautet: „Da kommt eine Welle auf uns zu, die Mil-
    lionen von Jobs ersetzen könnte.“ Nicht nur bei einfacheren Tätigkeiten, sondern auch bei der qualifizierten
    Wissensarbeit. So einseitig werde es bestimmt nicht kommen, stellte Patscha klar. „Eines ist aber klar: Nahezu
    jeder Job in nahezu jeder Branche wird sich verändern – in irgendeiner Form.“

    Willkommen in der Zukunft der Arbeit – denn „Zukunft ist, wenn Sachen anders sind als heute“, zitierte
    Patscha einen Arbeitskollegen. Dieses Neue, Andere zu fassen, näher einzugrenzen, zu beschreiben – dieser
    Aufgabe kam er dann in seinem Vortrag nach.

    Die Partnerschaft für Fachkräfte hatte ihn und sein Team bei Z_punkt um ein Lagebild zu den Kompetenz-
    und Qualifizierungsbedarfen bis 2030 gebeten. In Berlin stellte Patscha die Ergebnisse der umfassenden
    Recherchearbeit und zahlreicher Tiefeninterviews mit Experten vor. Zunächst skizzierte er die wichtigsten
    branchenübergreifenden Veränderungslinien:

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Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...
Arbeit wird flexibler und komplexer

    Die Arbeit in Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung werde räumlich und zeitlich flexibler. Techno-
    logien wie Virtual und Augmented Reality würden uns zudem ganz neue Arbeitsumfelder ermöglichen. Laut
    Patscha kommen demnächst auf Wunsch auch die Mitarbeiter im Homeoffice in den Genuss des persönlichen
    Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen in der Kaffeeküche – indem sie sich dort einfach virtuell dazuschal-
    ten.

    „Zu der Flexibilität gehört auch mehr Teamarbeit, in den unterschiedlichsten Konstellationen“, führte der Ex-
    perte aus. „Projektarbeit gemeinsam mit internen Kollegen sowie Externen nimmt zu, darauf müssen wir uns
    einstellen.“ Es bedürfe neuer Kompetenzen, um in diesen komplexer werdenden Arbeitsstrukturen erfolgreich
    und zufrieden arbeiten zu können.

    Beschäftigung wird vielfältiger

    „Wir haben mehr Optionen als bisher“, skizzierte Patscha den zweiten Trend. Neben dem festen Angestell-
    tenverhältnis in Vollzeit könnten Erwerbstätige die (Kombination von) Beschäftigungsformen wählen, die am
    besten zu ihrer jeweiligen Situation und Lebensphase passen. Mehr Arbeit als bisher werde künftig selbststän-
    dig oder in Teilzeit, an flexiblen Arbeitsplätzen oder auch von zu Hause und unterwegs aus geleistet.

    Arbeit wird inhaltlich anspruchsvoller und voraussetzungsvoller

    Das Bild ist bedrohlich. Wenn von Robotern wie Xiaoyi oder
    der Automatisierung in der Produktion gesprochen wird,
    herrscht nach Beobachtung von Patscha häufig eine nega-
    tive Wahrnehmung dieser Entwicklungen. Der Berater von
    Z_punkt möchte solche Wertungen jedoch vermeiden und
    hält deshalb fest: „Ganz unabhängig davon, wie wir Robo-
    tik, Algorithmen und andere technologische Entwicklungen
    wahrnehmen, ob sie uns bedrohen oder nicht: Sie verändern
    unsere Arbeit und die Arbeitsinhalte.“ Wir gewönnen durch
    die Automatisierung Zeit für komplexere Tätigkeiten. Diese
    würden umgekehrt aber auch einen höheren Anteil unserer
                                                                     Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company
    Arbeit beanspruchen.

    „Wir brauchen mehr und andere Kompetenzen“, betonte Patscha, „damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

    Arbeit wird durch Assistenzsysteme entlastet, substituiert und teilweise „entleert“

    Der Kölner Innovations- und Strategieexperte ist sich sicher: Durch die technologische Entwicklung erfahren viele
    am Arbeitsplatz Unterstützung und Entlastung. Aber bestimmte bisher physische Tätigkeiten werden durch ma-
    schinelle Arbeit ersetzt werden. „Zudem kommt es teilweise auch zu einer ‚Entleerung‘“, so Patscha, „das heißt es
    werden auch Kompetenzen entfallen, die für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten bis dato erforderlich waren.“

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Das alles klinge durchaus widersprüchlich, doch auch das sei ein Zeichen des Wandels. „Es ergeben sich neue
    Spannungswelten, die sich durch die Arbeitswelt insgesamt sowie durch die einzelnen Betriebe ziehen wer-
    den“, sagte Patscha, „und damit müssen wir umgehen lernen.“

    Die Wertesets der Erwerbstätigen differenzieren sich weiter aus

    In diesem Zusammenhang verwies der Kölner Experte auf die Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ des Bundes-
    ministeriums für Arbeit und Soziales, für die 1.200 Personen in Deutschland über ihre Vorstellungen zum The-
    ma „Arbeit in Deutschland“ befragt worden waren. Dabei war vor allem eins deutlich geworden: Die Ansprü-
    che an Arbeit pluralisieren sich stark. Was für die einen wünschenswerte Zukunft sei, stelle für die anderen
    ein bedrohliches Szenario dar. „Die Wertewelten der Beschäftigten über alle Einkommens- und Ausbildungs-
    stufen hinweg überschneiden sich immer seltener“, erklärte Patscha, „die Individualisierung nimmt weiter zu.“

    Das Zukunftsbild einer gelungenen Transformation

    Patscha beließ es nicht bei einem Lagebild. Im Auftrag der Partnerschaft für Fachkräfte entwickelten er und
    sein Team zudem ein Zukunftsbild – „und zwar ein positives“, wie er betonte. In diesem „High-Road-Szenario
    2030“ verläuft die digitale Transformation erfolgreich, die deutsche Wirtschaft ist weiterhin international wett-
    bewerbsfähig. Die Unternehmen wirtschaften agil und haben stimmige Konzepte für die deutlich gewachsenen
    betrieblichen Flexibilisierungsbedürfnisse entwickelt. Die Berufe und Tätigkeitsfelder haben sich teils erheblich
    verändert, allerdings konnten auch immer mehr Beschäftigte dazu ertüchtigt werden, die eigene Erwerbsbio-
    grafie vorausschauend zu planen und rechtzeitig neue, flexible Fort- und Weiterbildungsangebote zu nutzen.

    Kompetenzbedarf heute – und im Jahr 2030

    Mit einer „Heatmap“ und einigem Stoff zum Nachdenken
    entließ Cornelius Patscha dann seine Zuhörerinnen und
    Zuhörer. Zunächst stellte er eine auf Basis einer quanti-
    tativen Analyse erstellte Matrix vor, die zeigte, in welchen
    Berufsgruppen – von Hilfsarbeitern bis zu Führungskräften
    – welche Arten von Tätigkeiten und Kompetenzen anfallen
    oder erforderlich sind. Für 2030 präsentierte er sodann
    eine sogenannte „Heatmap“, die die Veränderungen an-
    hand der Farben Blau und Rot zeigte und auf Interviews
    mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik
    basiert.                                                       Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company

    Es wird heißer, könnte man in Anspielung auf den Begriff „Heatmap“ sagen, die Farbe Rot nimmt deutlich
    zu. „Das hat uns in diesem Ausmaß dann doch verblüfft!“, gab Patscha zu. Denn die „Heatmap“ zeigt über
    alle Berufsgruppen, insbesondere jedoch bei den mittleren Niveaus, einen erheblich wachsenden Kompetenz-
    bedarf. So werden künftig auch Menschen, die Anlagen und Maschinen bedienen, Verkäufer und Bürokräfte
    verstärkt Problemlösungskompetenzen haben und anwenden und methodisch viel selbstständiger als bisher
    arbeiten müssen.

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Für viele Arbeitsplätze werden nach diesen Erkenntnissen also neue Kompetenzen erforderlich sein. „Es
    kommt deshalb nicht nur auf die richtige Qualifizierung und Weiterbildung an“, betonte Patscha, „sondern
    auch darauf, die Menschen dazu zu befähigen, vorausschauend zu agieren und selbst ihren Qualifizierungs-
    bedarf zu erkennen.“ Begonnen hatte Patschas Vortrag mit einem Blick auf Xiaoyi, den Roboter, der als erster
    weltweit eine nationale Medizinprüfung bestanden hat. Er endete mit dem Foto eines Mädchens, das Rad
    fährt, allerdings mit VR-Brille. „Es wird immer Kompetenzen geben, die wir tief verinnerlicht haben und jeder-
    zeit abrufen können, wie das Radfahren“, sagte Patscha, „gleichzeitig kommen neue hinzu, deren Nutzung
    Mut und Übung erfordern.“

    Ein PDF des Impulsvortrags „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild
    der Partnerschaft für Fachkräfte“ von Cornelius Patscha finden Sie hier.

    5.        Impulsvortrag Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH:
              „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU
              erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ –
              Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros

    Empfehlungen und Entwicklungsoptionen für Fachkräftenetzwerke

             Viele Fachkräftenetzwerke stehen offenbar vor der Herausforderung, künftig Fachkräf-
             tesicherung und Digitalisierung quasi als Paketlösung anbieten zu müssen. Eine ähnliche
             Herausforderung hatte Dr. Silke Stahl-Rolf: In Vertretung eines erkrankten Kollegen über-
             nahm sie dessen Redepart gleich mit und machte aus zwei Impulsvorträgen zur Theorie
             und Praxis in den regionalen Qualifizierungslandschaften einen. Im Zentrum: die Ergeb-
             nisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros.

    Mit einem Dank startete Dr. Silke Stahl-Rolf in ihren Vor-
    trag. Die Expertin der VDI Technologiezentrum GmbH in
    Düsseldorf dankte den Fachkräftenetzwerken für deren gute
    Unterstützung bei der Umfrage, auf deren Basis sie die 2.
    Themenstudie mit dem Titel „Digitalisierung weiterdenken.
    Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk
    Fachkräfte in der Region sichern.“ erstellen konnte, die das
    Innovationsbüro beim VDI Technologiezentrum in Auftrag
    gegeben hatte.                                                 Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH

    Die 2. Themenstudie verfolgt vier Ziele:

              aktuelle Trends bei der Adressierung des Themas „Digitalisierung“ in Fachkräftenetzwerken zu identi-
              fizieren,
              Handlungsoptionen für regionale Fachkräftenetzwerke zu zeigen,
              die Ergebnisse an regionale Entscheidungsträger zurückzuspiegeln und
              Optionen zur Förderung, Finanzierung und Organisation von Weiterbildung vorzustellen.

Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017                                                           12
Dazu analysierten Stahl-Rolf und ihr Team die Netzwerkangebote, unternahmen Schwerpunktrecherchen zu
    einzelnen regionalen Qualifizierungslandschaften, führten eine Online-Befragung durch und erstellten vertiefte
    Fallstudien und Stakeholder-Analysen.

    Was heißt eigentlich „Qualifikation für die Digitalisierung“?

    Bevor Sie auf Details der 2. Themenstudie einging, wollte
    Stahl-Rolf, die im VDI Technologiezentrum die Abteilung für
    Innovationspolitik leitet, von den Teilnehmerinnen und Teil-
    nehmern der Fachtagung per TED wissen, was sie eigentlich
    unter „Qualifikation für die Digitalisierung“ verstehen. 41
    Prozent und damit die meisten der Anwesenden votierten für
    „Lernen im Zuge der Erprobung neuer digitaler Technologien,
    etwa in Form von Experimentierräumen“. Fast genauso viele,
    nämlich 40 Prozent, verstehen darunter die „Weiterbildung zu
    Basisqualifikationen für die Digitalisierung“.                    Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH

    Immerhin 38 Prozent denken im engeren technologischen Sinne an die „Weiterbildung der Mitarbeiter zu
    neuen Hard- und Softwarelösungen“, während für 34 Prozent die Qualifikation für die Digitalisierung auch
    beinhaltet, Unternehmensleitung, Sozialpartner, Weiterbildungsanbieter etc. ganz allgemein und grundsätzlich
    zu sensibilisieren und informieren.

    So vielfältig wie die Ansätze zur Qualifizierung für die Digitalisierung, so reich an Ansätzen und Akteuren sind
    auch die Qualifizierungslandschaften. Dabei seien die Regionen zu bildungs- und arbeitsmarktpolitischen
    Handlungs- und Gestaltungsfeldern avanciert, berichtete die Referentin. Durch regionales Handeln ließe sich
    das innovative Potenzial jeder Region hinsichtlich der qualifikatorischen Herausforderungen durch Digitalisie-
    rung identifizieren und entsprechende Handlungswege zeigen. Den Netzwerken komme dabei die Aufgabe
    zu, die Interessen der einzelnen Akteure zu bündeln, Lösungsvorschläge zu entwickeln und dazu passende
    Maßnahmen vorzuschlagen.

    Digitalisierung und Fachkräftesicherung zusammenbringen

    „Digitalisierung und Fachkräftebedarfssicherung sind zwei Seiten einer Medaille“, betonte Stahl-Rolf, „denn
    es geht einerseits um die Rekrutierung des Nachwuchses wie auch andererseits um die qualifikatorische
    Anpassung der aktuell Beschäftigten.“ Die Fachkräftenetzwerke müssten daher ihre Strategie und ihr Dienst-
    leistungsangebot auf beide Zielfelder ausrichten. Die Expertin des VDI Technologiezentrums stellte dann vier
    regionale Netzwerklandschaften vor, die für die 2. Themenstudie vertieft analysiert wurden:

             Ostwestfalen-Lippe
             Stuttgart
             Lausitz
             Jena

    Die wichtigsten Erkenntnisse: „In den Handlungsansätzen der betrachteten Netzwerke sind nur geringe

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Hinweise auf eine engere strategische Verknüpfung von Fachkräftesicherung und Digitalisierung zu finden“,
    sagte Stahl-Rolf. Zudem bewege sich digitale Qualifizierung, sofern sie explizit als digitales Lernen angeboten
    werde, vornehmlich auf einem basalen Niveau oder folge dem Ziel der Sensibilisierung und Beratung. „Digita-
    les Lernen mit dem Fokus auf betriebliche Anforderungen bei technisch-organisatorischen Innovationen“, so
    die Referentin, „tritt nur in Ausnahmefällen in Erscheinung.“

    Netzwerke, so ein weiteres Ergebnis, agieren bislang offenbar eher situativ-pragmatisch oder problemindu-
    ziert. Langfristig-strategische Perspektiven für endogene regionale Entwicklungen mittels einer systematisch
    verknüpften Bearbeitung der Themen „Fachkräfte“ und „Digitalisierung“ seien erst in wenigen Fällen sichtbar.

    Der Expertin war es in Berlin allerdings wichtig zu betonen, dass sich damit keinerlei Kritik an der Arbeit der
    Netzwerke verbinde. Es sei lediglich eine Bestandsaufnahme. Derzeit seien die regionalen Akteure (Netz-
    werke, Bildungsträger, Betriebe und Unternehmen) eben vor allem mit der Aufgabe konfrontiert, „die unter-
    schiedlichen Signale aus dem Beschäftigungssystem zu verarbeiten, um konkrete Bedarfslagen herauslesen zu
    können, um auf deren Grundlage Qualifizierungsangebote zu entwickeln.“

    Zahlreiche Weiterbildungshemmnisse

    Vor allem kleinere und mittlere Betriebe stehen ihrerseits vor
    der Herausforderung, angemessen auf die Digitalisierung zu
    reagieren, etwa hinsichtlich geeigneter Qualifizierungsmaß-
    nahmen für die Beschäftigten. Die 2. Themenstudie zeigt,
    dass es in den Betrieben zahlreiche Weiterbildungshemmnisse
    gibt. Sie reichen von der als zu gering empfundenen Größe
    eines Unternehmens über mangelnde Zeit der Mitarbeiter für
    Weiterbildung und fehlende Erhebung eines konkreten Qualifi-
    zierungsbedarfs bis zur Intransparenz der Angebote.

    „Wie kann man den Betrieben helfen, diese Hemmnisse
    abzubauen?“, fragte Stahl-Rolf. Viele Netzwerke hätten sich
    inzwischen der Digitalisierung angenommen. Dabei zeige sich
    derzeit, dass eigene Angebote der Netzwerke häufig der Ent-
    wicklung „regulärer“ Qualifizierungsangebote vorausliefen. Die
    Referentin nannte als Beispiele Potenzialberatung, die Fest-
    stellung von digitalen Kompetenzen oder Innovationswerkstät-
    ten zum Erlernen agiler Vorgehensweisen. Auch verstünden
    sich viele Netzwerke als Lotsen im Weiterbildungsdschungel,
    in dem sie etwa auf Angebote Dritter aufmerksam machten,         Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH,
    etwa einen IHK-Zertifikatslehrgang zum „Big Data Analyst“.       Blick ins Publikum

    Dies liegt nach Ansicht der Referentin auch daran, dass in zahlreichen Netzwerken Digitalisierung zwar ein
    Thema sei, aber nicht das vorrangige, sondern eines von mehreren. Immer dann jedoch, wenn Netzwerke
    Hochschulen in ihrer Region in die Arbeit einbinden, steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Qualifizierung für
    die Digitalisierung eine zentrale Rolle spiele. Viele Netzwerke wünschten sich solche Netzwerkpartner, weil sie
    das nötige fachliche Know-how mitbrächten, um konkrete Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln zu können.

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Die Expertin des VDI Technologiezentrums gab allerdings auch zu bedenken, dass die Digitalisierung in den
    Unternehmen je nach Region und Branche unterschiedlich vorangeschritten sei. Entsprechend würden sich die
    Netzwerke oft ausrichten. „Wenn ein schnell steigender Digitalisierungsgrad in der Region erwartet wird“, sag-
    te sie, „steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Qualifizierung für die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt.“

    Empfehlungen für Fachkräftenetzwerke

    Aus den Umfrageergebnissen und deren Analyse leiten Stahl-Rolf und ihr Team eine Reihe von Empfehlungen
    für die regionalen Fachkräftenetzwerke ab:

             Positionierung und Rollendefinition durch Spezialisierung
             Zusammenarbeit mit Fachakteuren und Qualifizierungsträgern stärken
             situationsadäquate Angebote entwickeln und diese mit den Digitalisierungsfortschritten anpassen
             Unternehmen bei einem gezielten Weiterbildungsmanagement für die Digitalisierung unterstützen
             die Bereitstellung individueller Qualifizierungsangebote anstoßen
             Unternehmen für die Chancen der „Beteiligungsqualifizierung“ sensibilisieren

    Entwicklungsoptionen für Fachkräftenetzwerke

    Entwicklungsoptionen für ein Fachkräftenetzwerk könnten sein:

             entwickelt sich zum spezialisierten Qualifizierungsanbieter, der sich am Markt etabliert
             ist „Entwicklungshelfer“ für Qualifizierungsangebote Dritter
             schließt Lücken, die von Qualifizierungsanbietern nicht abgedeckt werden
             gibt Orientierung in der Weiterbildungslandschaft, etwa durch Potenzialberatungen und Weiterleitung
             an qualifizierte Anbieter
             schließt strategische Partnerschaft mit Digitalisierungsakteur/-netzwerk und begleitet dessen
             Angebote

    Welches Szenario am besten zu ihnen passe, wollte die Referentin nun per TED von den Teilnehmerinnen und
    Teilnehmern der 6. Fachtagung erfahren. Die Antwort fiel eindeutig aus: 45 Prozent, also fast jedes zweite
    Netzwerk, möchte vorrangig Orientierung in der Weiterbildungslandschaft bieten. 16 Prozent sehen sich als
    „Entwicklungshelfer“ für Qualifizierungsangebote Dritter. Immerhin 14 Prozent würden auch Lücken schließen,
    die von Qualifizierungsanbietern nicht abgedeckt werden.

    Egal wohin der Weg führt: Die 2. Themenstudie adressiert ausdrücklich auch öffentliche Akteure und appel-
    liert an ihre Unterstützungsbereitschaft für die regionalen Fachkräftenetzwerke. Sie sollten etwa Beispiele
    guter Praxis in der Öffentlichkeit kommunizieren, den Erfahrungsaustausch stärken, Fachkräftenetzwerke und
    Weiterbildungsakteure stärker in regionale Strategieprozesse einbeziehen und Anreize für mehr Kooperation
    setzen. Außerdem sollten sie mehr Anreize für kleine und mittlere Unternehmen schaffen, ihre Weiterbildungs-
    beteiligung zu erhöhen!

    Ein PDF des Impulsvortrags „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im
    Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ – Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros von Dr.
    Silke Stahl-Rolf finden Sie hier.

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6.        Interviewrunde: Kooperation, Qualifizierung und Weiterentwicklung
              in der Netzwerk-Community

    Impulse zur Weiterentwicklung der Netzwerkarbeit

             Beim jährlichen Innovationstag im Sommer gehört die Bühne vormittags für mindestens
             eine Stunde den Netzwerkakteuren selbst. Sie sollen nicht nur Publikum sein, sondern
             einige von ihnen bitten die Veranstalter ins Rampenlicht, um sie als besonders innovative
             Netzwerke auszuzeichnen. Nun, bei der winterlichen 6. Fachtagung, mochten die Veran-
             stalter ebenfalls nicht allein auf dem Podium stehen. Also betraten Sandra Spletzer, Ulrich
             Witt und Asal Tayouri die Bühne, um in kurzen Interviews aus ihrer Netzwerkpraxis zu
             berichten.

    „Oh ich hab‘ solche Sehnsucht, ich verlier‘ den Verstand“, texteten
    vor 30 Jahren „Die Ärzte“. „Ich will wieder an die Nordsee – ich will
    zurück nach Westerland.“ Ginge es nach dem Wunsch vieler Arbeit-
    geber in ländlichen Regionen, würden immer mehr Menschen in
    Deutschland den Song anstimmen, wobei sie „Westerland“ natürlich
    austauschen müssten durch wahlweise „Emsland“, „Nordhessen“
    oder auch „Elbe-Elster“. Blickt man sich nämlich im Kreis der Fach-
    kräftenetzwerke um oder verfolgt die Medienberichterstattung zum
    Thema Fachkräfte der vergangenen Monate, fällt auf: In immer
    mehr Regionen wird der Ruf nach Rückkehrern laut, entstehen in-
    teressante Initiativen, die aus der jeweiligen Region abgewanderte
    Fachkräfte mit kreativen Mitteln zurück in die heimische mittelstän-    Sandra Spletzer vom Netzwerk Comeback
    dische Wirtschaft locken wollen.                                        Elbe-Elster

    Sandra Spletzer koordiniert ein solches Netzwerk, es heißt Comeback Elbe-Elster. 2009 von einer Rückkehrerin
    als Facebook-Plattform gegründet, um sich mit anderen Rückkehrwilligen, Pendlern, Zuwanderern und Rück-
    gewanderten auszutauschen, entstand aus dem losen Zusammenschluss Zurückgekehrter 2015 ganz offiziell
    das Netzwerk „Comeback Elbe-Elster“. Ziel des Netzwerkes unter Trägerschaft des Vereins „Generationen
    gehen gemeinsam“ (G3) ist es, dem demografischen Wandel auf dem Land entgegenzuwirken und für eine
    zeitgemäße Willkommenskultur zu werben. Auch mit Unterstützung des Innovationsbüros professionalisierte
    sich das Netzwerk im Laufe des Jahres. Jüngstes Beispiel: 2017 nahm Sandra Spletzer in der IHK Potsdam er-
    folgreich an dem erstmals angebotenen Zertifikatslehrgang „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung
    (IHK)“ teil.

    Fachkräfte für die heimische Wirtschaft gewinnen

    Im Interview mit Dominik Theisen, Projektreferent im Innovationsbüro, berichtete sie, dass die Bevölkerung
    im Landkreis zwischen 1990 und 2005 um etwa 25 Prozent geschrumpft sei. Deshalb sei die neue Initiative
    zunächst so wahrgenommen worden, dass es ihr darum gehe, ganz allgemein Menschen zum Rück- oder
    Umzug in die Region zu bewegen. „Dass es uns auch darum ging, Fachkräfte für die heimische Wirtschaft zu

Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017                                                        16
gewinnen, war nicht jedem auf Anhieb bewusst“, sagte die Netzwerkkoordinatorin. Spätestens die Auszeich-
    nung im Sommer 2017 als „Innovatives Netzwerk“ und die lokale Berichterstattung darüber hätten dann aber
    einen Schub gebracht und geholfen, das Netzwerk als strategischen Partner zur Fachkräftegewinnung zu
    positionieren.

    Offenbar ebenfalls für Aufmerksamkeit gesorgt hat die Entstehung des Imagefilms über das Netzwerk, der bei
    der 6. Fachtagung erstmals gezeigt wurde. „Die Dreharbeiten haben uns vor Ort enger zusammengeführt“,
    erzählte Spletzer. Sie sei froh über diese verstärkte öffentliche Wahrnehmung des Netzwerks, das ja ehren-
    amtlich aufgebaut worden sei und erst seit 2017 professionell geführt werde. Sie sei auch wichtig, weil 2017
    eine interessante Aufgabe hinzugekommen sei: „Wir koordinieren nun auch das im Sommer vom Land Bran-
    denburg ins Leben gerufene Netzwerk der Brandenburger Rückkehrerinitiativen ‚Ankommen in Brandenburg‘,
    betonte Spletzer.

    Theisen nutzte die Gelegenheit, auf den zweiten Durchlauf des Lehrgangs hinzuweisen. Es gibt noch Plätze,
    wer sich für die Fortbildung zum „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung (IHK)“ interessiert, kann
    sich an das Innovationsbüro wenden. Sandra Spletzer empfiehlt den Gleichgesinnten in den anderen Netz-
    werken unbedingt die Teilnahme: „Ich konnte sehr viel für meine tägliche Arbeit mitnehmen und wertvolle
    Kontakte knüpfen.“

    Netzwerke transformieren

    Nach Sandra Spletzer kam Ulrich Witt ans Mikrofon. Er koordiniert das Lübecker Netzwerk „Fachkräfte für den
    HanseBelt“, das bereits 2011 bei der 1. Fachtagung des Innovationsbüros dabei war. Zwei Jahre später zeich-
    neten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Innovationsbüro es als „Innovatives Netzwerk“
    aus.

    Jan Kuper, der Leiter des Innovationsbüros, skizzierte
    kurz den Werdegang des 2009 gegründeten Netzwerks.
    Und fragte dann, weshalb es nach einigen erfolgreichen
    Jahren plötzlich gekriselt habe. „Wir haben im Grunde
    alles richtig gemacht“, antwortete Witt. Man habe immer
    mehr Netzwerkpartner gewonnen und immer mehr
    Veranstaltungen konzipiert und durchgeführt, die aller-
    meisten davon gut frequentiert. Doch dann sei man fast
    Opfer des eigenen Erfolgs geworden. „Zum Beispiel weil
    wir einen sehr generalistischen Ansatz hatten, der auch
    notwendig war, um das Thema überhaupt in die Köpfe
    aller zu bekommen. Nach und nach sind dann um uns
    herum weitere Initiativen entstanden, die das Thema auf-
    gegriffen und sehr individuelle Ansätze verfolgt haben“,
    erläuterte Witt. Ein Beispiel: HanseBelt e.V., ein Unter-
    nehmensnetzwerk in den Kreisen Segeberg, Stormarn,
    Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und Nordwestmeck-
    lenburg sowie in den Hansestädten Lübeck und Wismar.        Ulrich Witt vom Netzwerk Fachkräfte für den HanseBelt

Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017                                                            17
„Wir mussten uns nun fragen, wo wir eigentlich stehen und in welche Richtung wir uns – gezielter als bisher
    – entwickeln wollen.“ Das tat das Netzwerk nicht allein. Es suchte die Unterstützung des Innovationsbüros,
    das für die Netzwerkakteure in Lübeck einen Workshop organisierte. „Dort haben wir sozusagen laut über uns
    nachgedacht und uns die richtigen Fragen gestellt“, berichtete Witt. Die Folge: „Wir transformieren uns gera-
    de und prüfen eine Integration unserer aktiven, erfolgreichen Projekte in den HanseBelt e.V.“

    Orientierung bieten

    „Trauen Sie niemandem, der sich nicht entwickelt“, zitierte Innovationsbüro-Mitarbeiter Alexander Ciesiolka
    den Leitspruch eines seiner früheren Dozenten. Sein volles Vertrauen galt dann Asal Tayouri vom Bergischen
    Fachkräftebündnis. Sie ist nicht nur seit vielen Jahren aktiv, sondern legt viel Wert auf die Weiterentwicklung
    des Netzwerkes. Dazu hat sie erst kürzlich mit dem Innovationsbüro eine Vereinbarung zur Entwicklungspart-
    nerschaft unterzeichnet und einen Workshop in Anspruch genommen.

    „Was hat’s gebracht?“, wollte Ciesiolka wissen. „Viel – inhalt-
    lich ebenso wie emotional“, antwortete Tayouri
    freimütig. Das Bergische Fachkräftebündnis gibt es seit 2011.
    Es ist eine Initiative von arbeitsmarkt- und wirtschaftspoli-
    tischen Akteuren im bergischen Städtedreieck Remscheid,
    Solingen und Wuppertal mit der Aufgabe, dem Fachkräfte-
    mangel möglichst vorzubeugen und so zur Zukunftsfähigkeit
    der Region beizutragen. Ziel ist es, Arbeitskräfte zu gewinnen
    und die Instrumente so zu optimieren, dass die Versorgung
    regional passgenau ist.

    „Wenn man sechs, sieben Jahre zusammenarbeitet, dann
    stellt sich irgendwann auch mal der berüchtigte Tunnelblick
    ein“, sagte Tayouri. Deshalb nutzten sie und das übrige
    Netzwerkteam vor einigen Wochen den Workshop des Inno-
    vationsbüros. „Der externe Einblick hat uns sehr geholfen“,
    betonte sie auf der Bühne. „Emotional hat vor allem die
    Stärken-/Schwächen-Analyse viel mit uns gemacht“, berich-
    tete Tayouri. Das sei gut gewesen, denn um gemeinsam
    weiterzumachen, seien positive Emotionen sehr wichtig. Doch
    auch inhaltlich zeigte sich die Netzwerkkoordinatorin äußerst
    zufrieden.                                                        Asal Tayouri vom Bergischen Fachkräftebündnis

    „Wir haben beschlossen, uns ein Stück weit zu spezialisieren und die digitalisierte Arbeitswelt verstärkt in den
    Blick zu nehmen“ sagte Tayouri. Schwerpunkte seien dabei Ausbildung, Weiterbildung und Langzeitarbeitslo-
    sigkeit. „Allerdings sind wir realistisch genug, um zu wissen, dass wir alle drei Themen nicht gleichermaßen
    vorantreiben können“, gab sie zu. Deshalb lege man das Thema Ausbildung in die Hände des Netzwerk-
    partners IHK, das Thema Langzeitarbeitslosigkeit in die Hände der Netzwerkpartner Agentur für Arbeit und
    Jobcenter. „Das Bergische Fachkräftebündnis selbst kümmert sich primär um Weiterbildung“, betonte Tayouri,
    „wir wollen unseren regionalen Arbeitgebern verstärkt Orientierung in der Weiterbildungslandschaft bieten!“

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7. Mittagspause, Informationsstände und Filme

    Impulse und Inspirationen

             Die Namen auf der Teilnehmerliste beginnen bei A und enden bei Z. Die Namen der Netz-
             werke, Institutionen und Orte ebenfalls: von A wie Agentur für Arbeit Berlin-Nord bis Z
             wie zdi-Zentrum. Die rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den unterschied-
             lichsten Regionen nutzten jede sich bietende Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch
             zu kommen. Beim Essen, beim Kaffee, zwischen zwei Programmpunkten; zu zweit, zu
             dritt, zu viert: Es wurde intensiv diskutiert.

    Anika Kriegel kennt sich mit dem Fachkräftemangel aus. Sie lebt sozusagen davon. Sie arbeitet bei der Beck
    International Recruitment GmbH in Hannover, einer kleinen Personalagentur, die sich auf die Gewinnung von
    Auszubildenden für die Altenpflege spezialisiert hat – eine Branche, die schon seit einigen Jahren über den
    Mangel an Fachkräften klagt.

    Auf die 6. Fachtagung des Innovationsbüros ist sie aufmerksam geworden, weil sie im Netz auf die Veranstal-
    tungsdokumentation der 5. Fachtagung stieß. „Nachdem ich die aufmerksam gelesen hatte, war klar, dass
    ich an der nächsten Tagung persönlich teilnehmen wollte“, erzählt Kriegel. Sie suche Input und Austausch
    und neue Impulse für die Arbeit. Denn soeben habe sich in Sachsen und Thüringen ein Netzwerk regionaler
    Arbeitgeber der Altenpflege gegründet. „Mit unserer Unterstützung gehen die Institutionen dort nun erstmals
    gemeinsam das Problem des Fachkräftemangels an, ohne sich gegenseitig die Interessenten abzuwerben“,
    erläutert Kriegel. „Für diese Netzwerkarbeit suche ich nun weitere Anregungen.“

    Sich gegenseitig inspirieren

    Ob André Schleiter mit Anika Kriegel im selben ICE saß,
    wissen wir nicht. Die Richtung jedenfalls stimmt. Schleiter
    lebt in Gütersloh und arbeitet dort im Zentrum Interna-
    tionale Foren und Trends der Bertelsmann-Stiftung. Sein
    derzeitiges Projekt: „Der demografische Wandel auf dem
    Prüfstand“. Auch er kennt sich gut mit dem Fachkräfteman-
    gel aus, denn schon 2001 betreute er ein Projekt mit dem
    Thema „Strategien gegen den Fachkräftemangel“. „Das
    war damals ein großes Thema bei uns“, erinnert er sich.

    Teil des Projekts damals war ein Memorandum, und in
    letzter Zeit denkt Schleiter verstärkt darüber nach, dieses
    Memorandum – bereichert um aktuelle Zahlen und Er-
    kenntnisse – neu aufleben zu lassen. Für die erfolgreiche
    Fachkräftesicherung hält er Netzwerke für unverzichtbar.
    In Berlin will er sich über die jüngsten Themen und Trends
    der Fachkräftearbeit informieren.                             Informationsstand der Initiative Neue Qualität der Arbeit

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„Ob in den Firmen oder in der Gesellschaft“, sagt Schleiter, „wir brauchen Ermunterer, um die Potenziale, die
    in jedem einzelnen stecken, auch entfalten zu können.“ Die Netzwerke seien wichtige Foren, um sich gegen-
    seitig zu inspirieren und Menschen zusammenzuführen. Das hat er sich auch mit seinem jüngsten nebenberuf-
    lichen Projekt vorgenommen: Seine „Schule des Lebens“ ist ein Neustart-Perspektivprogramm, bei dem Fach-
    und Führungskräfte ihr eigenes Potenzial entdecken können und lernen, sich beruflich weiterzuentwickeln.

    Netzwerkpartner dauerhaft motivieren

    An einem der Stehtische im Foyer des VKU Forums sind Martin Hülsen und Arne Schwöbel ins Gespräch
    vertieft. Hülsen leitet bei der IHK Ulm die Koordinierungsstelle Fachkräftebündnis Ulm/Oberschwaben. Aktuell
    bildet die Berufsorientierung an Gymnasien einen besonderen Arbeitsschwerpunkt. Schwöbel ist aus Kai-
    serslautern nach Berlin gekommen, er ist Netzwerkkoordinator bei der 2012 ins Leben gerufenen ZukunftsRe-
    gion Westpfalz. Dieses Netzwerk zählt inzwischen rund 300 Mitglieder, darunter zahlreiche Firmen, aber auch
    Städte, Kreise, IHK und andere Akteure.

    „Wir decken ein breites Themenspektrum ab“, erzählt Schwöbel. Hauptthema sei die Fachkräftesicherung,
    aber es gehe auch um Regionalmarketing und die Verbesserung von Standortfaktoren. „Und ums Netzwerken
    an sich“, ergänzt er und meint damit, wie wertvoll es sei, überhaupt viele unterschiedliche Akteure zusam-
    menzubringen und gemeinsame Interessen und Perspektiven auszuloten.

    Hülsen ist sehr an einem Austausch zu inhaltlichen und methodischen Ansätzen der Nachwuchssicherung in
    Firmen interessiert. An der 6. Fachtagung nimmt er zudem teil, weil er sehen möchte, wie andere mit wich-
    tigen Herausforderungen umgehen. Eine lautet: „Wie motiviert man die Netzwerkpartner immer wieder neu,
    sich dauerhaft einzubringen und nachhaltig zu engagieren?“ Dazu verspricht sich Hülsen von seinen Gesprä-
    chen und den Programmpunkten der Fachtagung neue Anregungen.

    Die ZukunftsRegion Westpfalz strebt derzeit die Entwicklung zur MINT-Region an, das Netzwerk hat einen
    entsprechenden Wettbewerb der Körber-Stiftung gewonnen. „Derzeit analysieren wir das vorhandene Bil-
    dungsangebot in der Region, um dann nachjustieren und Neues ins Leben rufen zu können“, erzählt Schwö-
    bel. Mit seinem Kollegen aus Ulm diskutiert er in der Veranstaltungspause zum Beispiel darüber wie man im
    nächsten Schritt ein sinnvolles Matching hinbekommt – zwischen dem großen Angebot vor allem in Kaiserlau-
    tern und der großen Nachfrage von Firmen und Beschäftigten abseits der Großstadt.

    „Netzwerken ist eine gute Sache!“

    Ulrike Heitzer-Priem ist nicht zum ersten Mal bei
    einer Fachtagung des Innovationsbüros dabei.
    „Ich war schon mehrfach hier, weil ich stets
    dazulerne und Netzwerken für eine gute und
    wichtige Sache halte“, erzählte sie bei einem
    Kaffee im Foyer. Für einen Moment stand sie
    tatsächlich allein am Tisch – ein seltener An-
    blick in den so sehr von Gesprächen geprägten              Ulrike Heitzer-Priem, Projektleiterin im Fachbereich Fachkräfte des RKW
    Veranstaltungspausen.                                      Kompetenzzentrums

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