Dokumentation 6. Fachtagung - Innovationsbüro Fachkräfte ...
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Inhaltsverzeichnis 1. Eröffnung 3 2. Begrüßung Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V. 5 3. Rede Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales 7 4. Impulsvortrag Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company: „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“ 9 5. Impulsvortrag Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH: „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ – Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros 12 6. Interviewrunde: Kooperation, Qualifizierung und Weiterentwicklung in der Netzwerk-Community 16 7. Mittagspause, Informationsstände und Filme 19 8. Parallele Foren am Nachmittag 21 8.1 Praxisforum 1 : Vorbilder – für Ihren Erfolg! 24 8.2 Praxisforum 2: Schnelle Lösung für ein drängendes Problem 27 8.3 Praxisforum 3: Vordenker der Digitalisierung – Vorteile schaffen 30 8.4 Praxisforum 4: Pionier der ersten Stunde – Sicher experimentieren 32 9. Innovationsbüro Fachkräfte für die Region 35 10. Kontaktdaten und Impressum 36 Die Programmübersicht zur 6. Fachtagung „Fachkräftenetzwerke als Lotsen und Berater – Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen Zeitalter“ finden Sie hier. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 2
1. Eröffnung Per Netzplan durch die Fachkräfte-Galaxis Zu den Grundbedürfnissen der Menschen sind zwei wichtige hinzugekommen: ein ge- ladener Akku und gutes WLAN. Und es zeigt sich immer deutlicher: Die Digitalisierung verlangt den Unternehmen und Beschäftigten viel ab, so dass der Ruf nach passender Qualifizierung und Weiterbildung immer lauter wird. Das wiederum ist eine Steilvorlage für die vielen Fachkräftenetzwerke in den Regionen. Bei der inzwischen 6. Fachtagung des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region Anfang Dezember erfuhren die rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie ihre Netzwerke zu Lotsen und Beratern im Digita- lisierungsdschungel werden können. Die blau-grüne Grafik an der Wand erinnert an eine Platine oder einen Schaltkreis auf einem Chip. Doch was hat die 6. Fachtagung des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region mit Technologie zu tun? In Zeiten der Digitalisierung: viel. Natürlich geht es bei der 6. Fachtagung weder um neue Chips noch Ma- schinen oder Produktionsprozesse. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die zahlreichen Fachkräftenetzwerke in den Regionen in ihrer Rolle als Lotsen und Berater. Es geht um „Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen Zeitalter“. Knotenpunkte, Abzweigungen, Sackgassen Blickt man genauer auf die Grafik, entdeckt man Linien, Start- und Endpunkte, Abzweigungen, Knotenpunkte, Pfeile. Manche Verbindungen scheinen weit zu führen, andere enden abrupt. Moderator Jan Kuper TED auf der 6. Fachtagung Grafik 6. Fachtagung, Eingang VKU Forum Geht uns die Arbeit aus, wenn Roboter übernehmen? Bin ich überhaupt richtig qualifiziert? Was ist das über- haupt genau: Digitalisierung? Können wir in unserem kleinen Unternehmen nicht darauf verzichten? Falls nein: Was müssen wir tun? Welche Weiterbildung ist die richtige? Und vor allem: Wer hilft den Firmen und Beschäftigten, den richtigen Weg einzuschlagen, wer ist sozusagen der Knotenpunkt, an dem Wege zusam- menlaufen und von wo aus es sinnvoll weitergeht. Diese und viele weitere Fragen im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und zunehmender Digitalisierung treiben die Firmen und Menschen in den Regionen um. Auch die dort aktiven Fachkräftenetzwerke. Besonders stark war deshalb wohl der Zuspruch zum Programm der diesjährigen Fachtagung: Rund 160 Netzwerkak- teure kamen nach Berlin – und erhielten Antworten. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 3
Die neuen Grundbedürfnisse: voller Akku und gute Netzwerkverbindung Auch die kleinen Döschen mit Minz-Pastillen, die man sich am Ein- gang nehmen konnte, passten zum Thema. „Home is where your WiFi connects automatically“, steht darauf. „Die Digitalisierung verändert unser Leben, die Entgrenzung der Arbeitswelt ist eine von vielen Folgen der Digitalisierung, mit denen sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer auseinandersetzen müssen“, betonte Jan Kuper, Leiter des Innova- tionsbüros, bei der Eröffnung der Fachtagung. Sozusagen als drittes Symbol rief er den Zuhörerinnen und Zuhörern die Bedürfnispyramide des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow ins Gedächtnis. An der Spitze steht die Selbstverwirklichung, darunter Individual- und Giveaways der 6. Fachtagung soziale Bedürfnisse. Den Boden bilden zentrale Grundbedürfnisse. „Als ich kürzlich mit meinen Kindern darüber sprach, haben sie die Pyramide sofort ergänzt“, berichtete Kuper und zeigte die Version der Youngsters: „Akku“ und „WLAN“ bilden in ihrer Zeichnung nun den Sockel der elemen- taren Grundbedürfnisse. TED: 84 Prozent der Netzwerke sind schon digital Solchermaßen auf die Fachtagung eingestimmt, ließ Kuper die Teilneh- merinnen und Teilnehmer zum TED-Gerät greifen und drei Fragen beant- worten. Zunächst wollte er von ihnen wissen, wo ihr jeweiliges Netzwerk beim Thema Digitalisierung aktuell steht? Das Ergebnis: 84 Prozent der Netzwerke befassen sich inzwischen mit der Digitalisierung. Was die Qualifizierung und Weiterbildung im digitalen Zeitalter betrifft, sorgen sieben von zehn Netzwerken derzeit dafür, die Unternehmen in ih- rer Region für dieses Thema zu sensibilisieren. Jedes zweite initiiert bereits entsprechende Projekte. 42 Prozent verstehen sich zudem als Lotsen durch Moderator Jan Kuper den Digitalisierungsdschungel. Doch was brauchen die einzelnen Regionen konkret, um im digitalen Zeitalter Schritt zu halten? Einen flä- chendeckenden Breitbandausbau halten 47 Prozent der Tagungsteilnehmer für notwendig. Damit landete das schnelle Internet überraschenderweise nur auf Platz 4. Mit 59 Prozent am häufigsten genannt wurde hinge- gen: „Mehr Experimentierfreude, weniger Abwarten“. Fast genauso stark: die Antwort „mehr Investitionen in Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter“. Damit war sozusagen der Rahmen für die Fachtagung gesteckt. Bevor Kuper das Mikrofon weitergab, ließ er kurz einige Arbeitsschwerpunkte des Innovationsbüros im Jahr 2017 Revue passieren. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führten mit Akteuren aus den Netzwerken neun Workshops durch und fünf Erfahrungsaustauschkreise. Außerdem fand in diesem Jahr erstmals der bereits bei der letzten Fachtagung vorgestellte, neue Lehrgang „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung (IHK)“ statt. 2018 wird es eine zweite Auflage geben. Zudem verwies Kuper auf die 2. Themenstudie, die Dr. Silke Stahl-Rolf vom VDI Technologiezentrum später am Tag vorstellte und die Ende Januar veröffentlicht wird – auch auf der Website des Innovationsbüros www.fachkraeftebuero.de. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 4
Den vielen Netzwerkern dankte Kuper herzlich für ihre Unterstützung und für ihre gute Arbeit. „Von dieser Arbeit möchten wir auch ande- ren Netzwerken und Interessierten in den Regionen berichten“, fügte er an und verwies auf die Online-Praxisdatenbank des Innovations- Hier geht‘s zur büros. „Bitte machen Sie uns auf erfolgreiche Initiativen und Projekte Praxisdatenbank! aufmerksam, unser Journalist erstellt dann in Abstimmung mit Ihnen kurze Porträts, die wir in die Datenbank aufnehmen und die anderen Akteuren wichtige Anstöße geben können!“ Praxisdatenbank des Innovationsbüros 2. Begrüßung Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V. „Fachkräftemangel ist das Top-Thema in den Unternehmen“ Der Saal ist voll, und Dr. Achim Dercks hat eine eindeutige Botschaft: „Der Fachkräfte- mangel erweist sich inzwischen als Geschäftsrisiko Nummer 1“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) mit Blick auf die Ergebnisse der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage. Zugleich bräuchten die Unternehmen Hilfe bei der Konzeption von Qualifizierungsmaßnahmen, um die Beschäf- tigten für den digitalen Wandel zu ertüchtigen. Dabei seien auch die Fachkräftenetzwerke gefragt. Ehe Dr. Achim Dercks zur eigentlichen Begrüßung kam, musste sich der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer erst einmal als Platzanwei- ser betätigen. Der Veranstaltungssaal im VKU Forum war so gut gefüllt, dass einzelne Nachzügler nicht auf Anhieb einen freien Stuhl fanden. Zum Glück bietet die Position am Rednerpult guten Überblick, so dass Dercks auf freie Sitzplätze in den vorderen Reihen verweisen konnte. Den Überblick über den Stand der Dinge in Sachen Fachkräftemangel hat- te Dercks ebenfalls. Er brachte eine wichtige Erkenntnis aus der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage vom Herbst 2017 mit. „Der Fachkräftemangel Dr. Achim Dercks, Stellvertretender erweist sich inzwischen als Geschäftsrisiko Nummer 1“, betonte er, „56 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Prozent der Firmen in Deutschland sehen sich inzwischen betroffen.“ Industrie- und Handelskammertages e. V. Auch 2011, als das Innovationsbüro Fachkräfte für die Region an den Start ging, sei der Fachkräftemangel schon ein Thema gewesen. „Aber längst nicht so weit verbreitet und branchenübergreifend wie heute“, sagte der DIHK-Vize. Inzwischen sei der akute Fachkräftebedarf ein Thema, das im Grunde bei allen wichtigen politischen Fragen mitschwinge. Egal ob es um Breitbandausbau, Verkehrsinfrastrukturprojekte, den zusätzlichen Bedarf von Lehrkräften an Schulen, eine bessere Personalausstattung im Gesundheitswesen oder die Wettbewerbsfähig- keit von Unternehmen gehe: Früher oder später werfe jemand die Frage in den Raum, wo denn eigentlich die Fachkräfte herkommen sollen, die nötig wären, um das alles bewerkstelligen zu können. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 5
„In den Betrieben steht das Thema Fachkräftesicherung jedenfalls ganz oben auf der Agenda“, erklärte Dercks, „und ich würde mir wünschen, dass das in der Politik und derzeit in den Gesprächen zur Regierungs- bildung auch so wäre.“ Die Chancen der Digitalisierung Das zweite Riesenthema – in der Gesellschaft insgesamt ebenso wie in den Betrieben – sei seit rund zwei, drei Jahren die Digi- talisierung. „Das treibt die Menschen zunehmend um“, stellte Dercks klar. Schade sei allerdings, dass viele Debatten dazu negativ geprägt seien. „Meist geht es um Jobabbau“, sagte Dercks, doch zumindest gegenwärtig entstünden deutlich mehr Arbeitsplätze als wegfielen. „Schön wäre, wenn häufiger auch darüber gesprochen würde, welche riesigen Beschäftigungs- chancen die Digitalisierung mit sich bringt.“ Er verwies auf neue Berufsbilder wie den Ausbildungsberuf „Kaufmann/-frau im E-Commerce“. Zudem sorge die Digitalisierung für mehr Flexi- bilität und Unterstützung. Dercks nannte in diesem Zusammen- hang Arbeiten im Homeoffice – ein Wunsch zum Beispiel vieler Berufstätiger mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäfts- –, und neue digitale Assistenzsysteme für Menschen mit Behin- führer des Deutschen Industrie- und Handelskammer- derung. tages e. V. mit Blick ins Publikum Klar ist laut Dercks in jedem Fall: Bei der Digitalisierung geht es nicht nur um Technologie, sondern vor allem auch um die Menschen. „Es ist elementar, die Beschäftigten mitzunehmen, und zwar alle Beschäftigten“, sagte er. „Es gibt nämlich kaum ein Beschäftigungsfeld, das über kurz oder lang nicht von Veränderungen betroffen sein wird.“ Viele Unternehmen hätten das erkannt. Nicht alle jedoch hätten schon Ideen entwickelt, wie sie damit um- gehen können. „Die Hauptherausforderung vor allem kleiner und mittlerer Firmen ist nicht die Einführung neuer Maschinen oder der Erwerb neuer Software“, so Dercks, „sondern sie fragen sich vor allem: Wie können eigentlich passende Weiterbildungsmaßnahmen aussehen und wie können wir die rasch in Angriff nehmen?“ Und da kommen die Fachkräftenetzwerke ins Spiel. „Sie in den Netzwerken können wichtige Beiträge dazu leisten“, betonte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Sie können Berater und Lotsen für die Arbeitgeber vor Ort sein – und umgekehrt können Sie uns hier in Berlin zurückspiegeln, welche Erfahrungen Sie mit diesem großen Thema in Ihren Regionen machen, so dass wir hier wiederum unser Informations-, Beratungs- und Veranstaltungsangebot an Sie weiterentwickeln können!“ Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 6
3. Rede Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales „Das Thema wird uns weiterhin intensiv beschäftigen“ Auch wenn es noch keine neue Regierung gibt: Das Thema Fachkräftesicherung geht unvermindert weiter. Auch der Wandel der Arbeit in Zeiten der Digitalisierung macht keine Pause. Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen im Bundesministeri- um für Arbeit und Soziales (BMAS), umriss deshalb bei der 6. Fachtagung des Innovati- onsbüros, worauf es jetzt ankommt. Das BMAS ist Träger des Innovationsbüros Fachkräf- te für die Region. Den Blick der Öffentlichkeit auf den Wandel der Arbeit zu lenken und ihn positiv zu gestalten, ist dem Ministerium ein zentrales Anliegen. Benjamin Mikfeld, der in Vertretung von Thorben Albrecht, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, zur 6. Fachtagung des Inno- vationsbüros gekommen war, hätte gerne positi- ve Nachrichten mitgebracht. „Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Ihnen heute, einige Monate nach der Bundestagswahl, erste Hinweise zu geben, wie eine kommende Bundesregierung an das Thema Fachkräftesicherung herangehen will“, sagte Mikfeld mit aufrichtigem Bedauern, „doch leider muss ich Sie in dieser Hinsicht noch um ein wenig Geduld Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im bitten…“ Bundesministerium für Arbeit und Soziales Andererseits: „Es ist dessen unbenommen völlig klar, dass uns das Thema auch in den nächsten Jahren weiterhin intensiv beschäftigen wird!“ Mikfeld verwies auf die aktuellen Arbeitsmarktzahlen. Deutschland zähle 44,7 Millionen Beschäftigte, dies sei ein Rekordwert. Die Arbeitslosigkeit sei weiterhin rückläufig. „Das ist sehr begrüßenswert“, betonte der Leiter der Abteilung Grundsatzfragen im Bundesministerium für Arbeit und Sozi- ales. „Doch es gibt eine Kehrseite: Die Konkurrenz um Fachkräfte nimmt zu, die Fachkräfte werden knapp.“ Und das, obwohl man in der zurückliegenden Legislaturperiode einige wichtige Erfolge habe erzielen können. So sei die Erwerbstätigenquote von Frauen seit 2011 um fünf Prozentpunkte auf 74,5 Prozent gestiegen. Die der über 55-Jährigen sei um sieben auf 69 Prozent angewachsen. Dies bedeute mehr Fachkräfte für die Wirt- schaft. „Dennoch ist hier noch Luft nach oben“, betonte Mikfeld, „gleichzeitig stehen wir vor neuen Herausfor- derungen.“ Deshalb sei das Ministerium gerade dabei, die Fachkräftearbeit an einigen Stellen zu justieren. Geht uns wirklich die Arbeit aus? Mikfeld nannte zwei Beispiele: Zum einen werde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die bestehen- den Konzepte weiterentwickeln und neue Ansätze verfolgen, um mehr Langzeitarbeitslose und Geflüchtete zu Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 7
qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zum anderen werde es immer wichtiger, die Passgenau- igkeit zu verbessern. „Stehen angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels einerseits und der These, uns gehe die Arbeit aus, andererseits eigentlich genau die Fachkräfte zur Verfügung, die wir wirklich benötigen?“, fragte Mikfeld. „Entscheidend ist“, fuhr er fort, „dass die Qualifikationen zueinander passen müssen.“ Es gehe also verstärkt darum, dass die Arbeitskräfte ihre Kompetenzen passgenau weiterentwickeln können. „Wichtig sind uns zudem gesunde Arbeitsbedingungen, damit die Beschäftigten auch wirklich bis zum Renten- eintrittsalter arbeiten können“, ergänzte Mikfeld. Abschließend warf er einen Blick auf zwei Themenschwerpunkte der 6. Fachtagung. Direkt im Anschluss wer- de Cornelius Patscha vom Beratungsunternehmen Z_punkt den Lagebericht „Kompetenz- und Qualifizierungs- bedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“ vorstellen. Der Partnerschaft für Fachkräfte gehören die Bundesregierung sowie Verbände und Gewerkschaften an, sie bildet eine wichtige Diskussionsplattform rund um Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Arbeiten 4.0. Netzwerke leisten wichtige Beiträge „Sie werden sehen“, betonte Mikfeld, „dass Sie in Ihren Netzwerken wichtige Beiträge zu dieser Qualifizierung leisten können!“ Zudem warb der BMAS-Experte für den Impulsvortrag „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern“. Die Ausführungen von Dr. Silke Stahl- Rolf vom VDI-Technologiezentrum präsentieren die Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros, befragt worden sind 139 Fachkräftenetzwerke in allen Regionen. „Wir hoffen, dass die Beispiele und Handlungsempfeh- lungen der Studie Sie bei Ihrer jetzigen und künftigen Arbeit unterstützen“, sagte Mikfeld. Zugleich schloss er sich seinem Vorredner Dr. Achim Dercks an: „Sie entwickeln viele wichtige neue Ideen. Davon profitieren nicht nur die Akteure in der jeweiligen Region, sondern Benjamin Mikfeld, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des auch wir in Berlin. Das hilft uns sehr bei der Weiterent- Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales wicklung unserer Konzepte!“ Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 8
4. Impulsvortrag Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company: „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“ „Arbeit wird inhaltlich anspruchsvoller und voraussetzungsvoller“ Von einem Rad fahrenden Mädchen mit VR-Brille bis zum Medizinroboter spannte Cor- nelius Patscha in seinem Impulsvortrag einen weiten Bogen. Der Berater des Kölner Trend- und Zukunftsforschungsinstituts Z_punkt stellte bei der 6. Fachtagung des Inno- vationsbüros in Berlin das Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte zum Kompetenz- und Qualifizierungsbedarf bis 2030 vor. Xiaoyi hat vor wenigen Wochen die nationale Medizin- prüfung in China bestanden. Diese Nachricht, auch in deutschen Medien zu lesen, wäre in etwa so interessant wie der berühmte umfallende Reissack, wenn es sich bei Xiaoyi um einen Menschen handeln würde. Xiaoyi ist aber ein Roboter. Ab 2018 soll er bei der Diagnose von Patienten und der Ausbildung von Ärzten helfen. Cornelius Patscha wählte dieses Beispiel zum Einstieg in seinen Vortrag, um zu verdeutlichen, worum es heute geht. „Wir leben in einer Zeit, in der wir regelmäßig auf technologische Entwicklungen stoßen, die wir vor zehn Jahren noch in den Bereich der Science-Fiction einge- ordnet hätten“, sagte der Innovations- und Strategie- experte bei der Z_punkt GmbH The Foresight Company aus Köln. Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company Die Automatisierung mache vielen Angst. Die Befürchtung lautet: „Da kommt eine Welle auf uns zu, die Mil- lionen von Jobs ersetzen könnte.“ Nicht nur bei einfacheren Tätigkeiten, sondern auch bei der qualifizierten Wissensarbeit. So einseitig werde es bestimmt nicht kommen, stellte Patscha klar. „Eines ist aber klar: Nahezu jeder Job in nahezu jeder Branche wird sich verändern – in irgendeiner Form.“ Willkommen in der Zukunft der Arbeit – denn „Zukunft ist, wenn Sachen anders sind als heute“, zitierte Patscha einen Arbeitskollegen. Dieses Neue, Andere zu fassen, näher einzugrenzen, zu beschreiben – dieser Aufgabe kam er dann in seinem Vortrag nach. Die Partnerschaft für Fachkräfte hatte ihn und sein Team bei Z_punkt um ein Lagebild zu den Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfen bis 2030 gebeten. In Berlin stellte Patscha die Ergebnisse der umfassenden Recherchearbeit und zahlreicher Tiefeninterviews mit Experten vor. Zunächst skizzierte er die wichtigsten branchenübergreifenden Veränderungslinien: Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 9
Arbeit wird flexibler und komplexer Die Arbeit in Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung werde räumlich und zeitlich flexibler. Techno- logien wie Virtual und Augmented Reality würden uns zudem ganz neue Arbeitsumfelder ermöglichen. Laut Patscha kommen demnächst auf Wunsch auch die Mitarbeiter im Homeoffice in den Genuss des persönlichen Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen in der Kaffeeküche – indem sie sich dort einfach virtuell dazuschal- ten. „Zu der Flexibilität gehört auch mehr Teamarbeit, in den unterschiedlichsten Konstellationen“, führte der Ex- perte aus. „Projektarbeit gemeinsam mit internen Kollegen sowie Externen nimmt zu, darauf müssen wir uns einstellen.“ Es bedürfe neuer Kompetenzen, um in diesen komplexer werdenden Arbeitsstrukturen erfolgreich und zufrieden arbeiten zu können. Beschäftigung wird vielfältiger „Wir haben mehr Optionen als bisher“, skizzierte Patscha den zweiten Trend. Neben dem festen Angestell- tenverhältnis in Vollzeit könnten Erwerbstätige die (Kombination von) Beschäftigungsformen wählen, die am besten zu ihrer jeweiligen Situation und Lebensphase passen. Mehr Arbeit als bisher werde künftig selbststän- dig oder in Teilzeit, an flexiblen Arbeitsplätzen oder auch von zu Hause und unterwegs aus geleistet. Arbeit wird inhaltlich anspruchsvoller und voraussetzungsvoller Das Bild ist bedrohlich. Wenn von Robotern wie Xiaoyi oder der Automatisierung in der Produktion gesprochen wird, herrscht nach Beobachtung von Patscha häufig eine nega- tive Wahrnehmung dieser Entwicklungen. Der Berater von Z_punkt möchte solche Wertungen jedoch vermeiden und hält deshalb fest: „Ganz unabhängig davon, wie wir Robo- tik, Algorithmen und andere technologische Entwicklungen wahrnehmen, ob sie uns bedrohen oder nicht: Sie verändern unsere Arbeit und die Arbeitsinhalte.“ Wir gewönnen durch die Automatisierung Zeit für komplexere Tätigkeiten. Diese würden umgekehrt aber auch einen höheren Anteil unserer Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company Arbeit beanspruchen. „Wir brauchen mehr und andere Kompetenzen“, betonte Patscha, „damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ Arbeit wird durch Assistenzsysteme entlastet, substituiert und teilweise „entleert“ Der Kölner Innovations- und Strategieexperte ist sich sicher: Durch die technologische Entwicklung erfahren viele am Arbeitsplatz Unterstützung und Entlastung. Aber bestimmte bisher physische Tätigkeiten werden durch ma- schinelle Arbeit ersetzt werden. „Zudem kommt es teilweise auch zu einer ‚Entleerung‘“, so Patscha, „das heißt es werden auch Kompetenzen entfallen, die für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten bis dato erforderlich waren.“ Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 10
Das alles klinge durchaus widersprüchlich, doch auch das sei ein Zeichen des Wandels. „Es ergeben sich neue Spannungswelten, die sich durch die Arbeitswelt insgesamt sowie durch die einzelnen Betriebe ziehen wer- den“, sagte Patscha, „und damit müssen wir umgehen lernen.“ Die Wertesets der Erwerbstätigen differenzieren sich weiter aus In diesem Zusammenhang verwies der Kölner Experte auf die Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ des Bundes- ministeriums für Arbeit und Soziales, für die 1.200 Personen in Deutschland über ihre Vorstellungen zum The- ma „Arbeit in Deutschland“ befragt worden waren. Dabei war vor allem eins deutlich geworden: Die Ansprü- che an Arbeit pluralisieren sich stark. Was für die einen wünschenswerte Zukunft sei, stelle für die anderen ein bedrohliches Szenario dar. „Die Wertewelten der Beschäftigten über alle Einkommens- und Ausbildungs- stufen hinweg überschneiden sich immer seltener“, erklärte Patscha, „die Individualisierung nimmt weiter zu.“ Das Zukunftsbild einer gelungenen Transformation Patscha beließ es nicht bei einem Lagebild. Im Auftrag der Partnerschaft für Fachkräfte entwickelten er und sein Team zudem ein Zukunftsbild – „und zwar ein positives“, wie er betonte. In diesem „High-Road-Szenario 2030“ verläuft die digitale Transformation erfolgreich, die deutsche Wirtschaft ist weiterhin international wett- bewerbsfähig. Die Unternehmen wirtschaften agil und haben stimmige Konzepte für die deutlich gewachsenen betrieblichen Flexibilisierungsbedürfnisse entwickelt. Die Berufe und Tätigkeitsfelder haben sich teils erheblich verändert, allerdings konnten auch immer mehr Beschäftigte dazu ertüchtigt werden, die eigene Erwerbsbio- grafie vorausschauend zu planen und rechtzeitig neue, flexible Fort- und Weiterbildungsangebote zu nutzen. Kompetenzbedarf heute – und im Jahr 2030 Mit einer „Heatmap“ und einigem Stoff zum Nachdenken entließ Cornelius Patscha dann seine Zuhörerinnen und Zuhörer. Zunächst stellte er eine auf Basis einer quanti- tativen Analyse erstellte Matrix vor, die zeigte, in welchen Berufsgruppen – von Hilfsarbeitern bis zu Führungskräften – welche Arten von Tätigkeiten und Kompetenzen anfallen oder erforderlich sind. Für 2030 präsentierte er sodann eine sogenannte „Heatmap“, die die Veränderungen an- hand der Farben Blau und Rot zeigte und auf Interviews mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik basiert. Cornelius Patscha, Z_punkt GmbH The Foresight Company Es wird heißer, könnte man in Anspielung auf den Begriff „Heatmap“ sagen, die Farbe Rot nimmt deutlich zu. „Das hat uns in diesem Ausmaß dann doch verblüfft!“, gab Patscha zu. Denn die „Heatmap“ zeigt über alle Berufsgruppen, insbesondere jedoch bei den mittleren Niveaus, einen erheblich wachsenden Kompetenz- bedarf. So werden künftig auch Menschen, die Anlagen und Maschinen bedienen, Verkäufer und Bürokräfte verstärkt Problemlösungskompetenzen haben und anwenden und methodisch viel selbstständiger als bisher arbeiten müssen. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 11
Für viele Arbeitsplätze werden nach diesen Erkenntnissen also neue Kompetenzen erforderlich sein. „Es kommt deshalb nicht nur auf die richtige Qualifizierung und Weiterbildung an“, betonte Patscha, „sondern auch darauf, die Menschen dazu zu befähigen, vorausschauend zu agieren und selbst ihren Qualifizierungs- bedarf zu erkennen.“ Begonnen hatte Patschas Vortrag mit einem Blick auf Xiaoyi, den Roboter, der als erster weltweit eine nationale Medizinprüfung bestanden hat. Er endete mit dem Foto eines Mädchens, das Rad fährt, allerdings mit VR-Brille. „Es wird immer Kompetenzen geben, die wir tief verinnerlicht haben und jeder- zeit abrufen können, wie das Radfahren“, sagte Patscha, „gleichzeitig kommen neue hinzu, deren Nutzung Mut und Übung erfordern.“ Ein PDF des Impulsvortrags „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030 – Ein gemeinsames Lagebild der Partnerschaft für Fachkräfte“ von Cornelius Patscha finden Sie hier. 5. Impulsvortrag Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH: „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ – Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros Empfehlungen und Entwicklungsoptionen für Fachkräftenetzwerke Viele Fachkräftenetzwerke stehen offenbar vor der Herausforderung, künftig Fachkräf- tesicherung und Digitalisierung quasi als Paketlösung anbieten zu müssen. Eine ähnliche Herausforderung hatte Dr. Silke Stahl-Rolf: In Vertretung eines erkrankten Kollegen über- nahm sie dessen Redepart gleich mit und machte aus zwei Impulsvorträgen zur Theorie und Praxis in den regionalen Qualifizierungslandschaften einen. Im Zentrum: die Ergeb- nisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros. Mit einem Dank startete Dr. Silke Stahl-Rolf in ihren Vor- trag. Die Expertin der VDI Technologiezentrum GmbH in Düsseldorf dankte den Fachkräftenetzwerken für deren gute Unterstützung bei der Umfrage, auf deren Basis sie die 2. Themenstudie mit dem Titel „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ erstellen konnte, die das Innovationsbüro beim VDI Technologiezentrum in Auftrag gegeben hatte. Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH Die 2. Themenstudie verfolgt vier Ziele: aktuelle Trends bei der Adressierung des Themas „Digitalisierung“ in Fachkräftenetzwerken zu identi- fizieren, Handlungsoptionen für regionale Fachkräftenetzwerke zu zeigen, die Ergebnisse an regionale Entscheidungsträger zurückzuspiegeln und Optionen zur Förderung, Finanzierung und Organisation von Weiterbildung vorzustellen. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 12
Dazu analysierten Stahl-Rolf und ihr Team die Netzwerkangebote, unternahmen Schwerpunktrecherchen zu einzelnen regionalen Qualifizierungslandschaften, führten eine Online-Befragung durch und erstellten vertiefte Fallstudien und Stakeholder-Analysen. Was heißt eigentlich „Qualifikation für die Digitalisierung“? Bevor Sie auf Details der 2. Themenstudie einging, wollte Stahl-Rolf, die im VDI Technologiezentrum die Abteilung für Innovationspolitik leitet, von den Teilnehmerinnen und Teil- nehmern der Fachtagung per TED wissen, was sie eigentlich unter „Qualifikation für die Digitalisierung“ verstehen. 41 Prozent und damit die meisten der Anwesenden votierten für „Lernen im Zuge der Erprobung neuer digitaler Technologien, etwa in Form von Experimentierräumen“. Fast genauso viele, nämlich 40 Prozent, verstehen darunter die „Weiterbildung zu Basisqualifikationen für die Digitalisierung“. Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH Immerhin 38 Prozent denken im engeren technologischen Sinne an die „Weiterbildung der Mitarbeiter zu neuen Hard- und Softwarelösungen“, während für 34 Prozent die Qualifikation für die Digitalisierung auch beinhaltet, Unternehmensleitung, Sozialpartner, Weiterbildungsanbieter etc. ganz allgemein und grundsätzlich zu sensibilisieren und informieren. So vielfältig wie die Ansätze zur Qualifizierung für die Digitalisierung, so reich an Ansätzen und Akteuren sind auch die Qualifizierungslandschaften. Dabei seien die Regionen zu bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Handlungs- und Gestaltungsfeldern avanciert, berichtete die Referentin. Durch regionales Handeln ließe sich das innovative Potenzial jeder Region hinsichtlich der qualifikatorischen Herausforderungen durch Digitalisie- rung identifizieren und entsprechende Handlungswege zeigen. Den Netzwerken komme dabei die Aufgabe zu, die Interessen der einzelnen Akteure zu bündeln, Lösungsvorschläge zu entwickeln und dazu passende Maßnahmen vorzuschlagen. Digitalisierung und Fachkräftesicherung zusammenbringen „Digitalisierung und Fachkräftebedarfssicherung sind zwei Seiten einer Medaille“, betonte Stahl-Rolf, „denn es geht einerseits um die Rekrutierung des Nachwuchses wie auch andererseits um die qualifikatorische Anpassung der aktuell Beschäftigten.“ Die Fachkräftenetzwerke müssten daher ihre Strategie und ihr Dienst- leistungsangebot auf beide Zielfelder ausrichten. Die Expertin des VDI Technologiezentrums stellte dann vier regionale Netzwerklandschaften vor, die für die 2. Themenstudie vertieft analysiert wurden: Ostwestfalen-Lippe Stuttgart Lausitz Jena Die wichtigsten Erkenntnisse: „In den Handlungsansätzen der betrachteten Netzwerke sind nur geringe Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 13
Hinweise auf eine engere strategische Verknüpfung von Fachkräftesicherung und Digitalisierung zu finden“, sagte Stahl-Rolf. Zudem bewege sich digitale Qualifizierung, sofern sie explizit als digitales Lernen angeboten werde, vornehmlich auf einem basalen Niveau oder folge dem Ziel der Sensibilisierung und Beratung. „Digita- les Lernen mit dem Fokus auf betriebliche Anforderungen bei technisch-organisatorischen Innovationen“, so die Referentin, „tritt nur in Ausnahmefällen in Erscheinung.“ Netzwerke, so ein weiteres Ergebnis, agieren bislang offenbar eher situativ-pragmatisch oder problemindu- ziert. Langfristig-strategische Perspektiven für endogene regionale Entwicklungen mittels einer systematisch verknüpften Bearbeitung der Themen „Fachkräfte“ und „Digitalisierung“ seien erst in wenigen Fällen sichtbar. Der Expertin war es in Berlin allerdings wichtig zu betonen, dass sich damit keinerlei Kritik an der Arbeit der Netzwerke verbinde. Es sei lediglich eine Bestandsaufnahme. Derzeit seien die regionalen Akteure (Netz- werke, Bildungsträger, Betriebe und Unternehmen) eben vor allem mit der Aufgabe konfrontiert, „die unter- schiedlichen Signale aus dem Beschäftigungssystem zu verarbeiten, um konkrete Bedarfslagen herauslesen zu können, um auf deren Grundlage Qualifizierungsangebote zu entwickeln.“ Zahlreiche Weiterbildungshemmnisse Vor allem kleinere und mittlere Betriebe stehen ihrerseits vor der Herausforderung, angemessen auf die Digitalisierung zu reagieren, etwa hinsichtlich geeigneter Qualifizierungsmaß- nahmen für die Beschäftigten. Die 2. Themenstudie zeigt, dass es in den Betrieben zahlreiche Weiterbildungshemmnisse gibt. Sie reichen von der als zu gering empfundenen Größe eines Unternehmens über mangelnde Zeit der Mitarbeiter für Weiterbildung und fehlende Erhebung eines konkreten Qualifi- zierungsbedarfs bis zur Intransparenz der Angebote. „Wie kann man den Betrieben helfen, diese Hemmnisse abzubauen?“, fragte Stahl-Rolf. Viele Netzwerke hätten sich inzwischen der Digitalisierung angenommen. Dabei zeige sich derzeit, dass eigene Angebote der Netzwerke häufig der Ent- wicklung „regulärer“ Qualifizierungsangebote vorausliefen. Die Referentin nannte als Beispiele Potenzialberatung, die Fest- stellung von digitalen Kompetenzen oder Innovationswerkstät- ten zum Erlernen agiler Vorgehensweisen. Auch verstünden sich viele Netzwerke als Lotsen im Weiterbildungsdschungel, in dem sie etwa auf Angebote Dritter aufmerksam machten, Dr. Silke Stahl-Rolf, VDI Technologiezentrum GmbH, etwa einen IHK-Zertifikatslehrgang zum „Big Data Analyst“. Blick ins Publikum Dies liegt nach Ansicht der Referentin auch daran, dass in zahlreichen Netzwerken Digitalisierung zwar ein Thema sei, aber nicht das vorrangige, sondern eines von mehreren. Immer dann jedoch, wenn Netzwerke Hochschulen in ihrer Region in die Arbeit einbinden, steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Qualifizierung für die Digitalisierung eine zentrale Rolle spiele. Viele Netzwerke wünschten sich solche Netzwerkpartner, weil sie das nötige fachliche Know-how mitbrächten, um konkrete Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln zu können. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 14
Die Expertin des VDI Technologiezentrums gab allerdings auch zu bedenken, dass die Digitalisierung in den Unternehmen je nach Region und Branche unterschiedlich vorangeschritten sei. Entsprechend würden sich die Netzwerke oft ausrichten. „Wenn ein schnell steigender Digitalisierungsgrad in der Region erwartet wird“, sag- te sie, „steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Qualifizierung für die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt.“ Empfehlungen für Fachkräftenetzwerke Aus den Umfrageergebnissen und deren Analyse leiten Stahl-Rolf und ihr Team eine Reihe von Empfehlungen für die regionalen Fachkräftenetzwerke ab: Positionierung und Rollendefinition durch Spezialisierung Zusammenarbeit mit Fachakteuren und Qualifizierungsträgern stärken situationsadäquate Angebote entwickeln und diese mit den Digitalisierungsfortschritten anpassen Unternehmen bei einem gezielten Weiterbildungsmanagement für die Digitalisierung unterstützen die Bereitstellung individueller Qualifizierungsangebote anstoßen Unternehmen für die Chancen der „Beteiligungsqualifizierung“ sensibilisieren Entwicklungsoptionen für Fachkräftenetzwerke Entwicklungsoptionen für ein Fachkräftenetzwerk könnten sein: entwickelt sich zum spezialisierten Qualifizierungsanbieter, der sich am Markt etabliert ist „Entwicklungshelfer“ für Qualifizierungsangebote Dritter schließt Lücken, die von Qualifizierungsanbietern nicht abgedeckt werden gibt Orientierung in der Weiterbildungslandschaft, etwa durch Potenzialberatungen und Weiterleitung an qualifizierte Anbieter schließt strategische Partnerschaft mit Digitalisierungsakteur/-netzwerk und begleitet dessen Angebote Welches Szenario am besten zu ihnen passe, wollte die Referentin nun per TED von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der 6. Fachtagung erfahren. Die Antwort fiel eindeutig aus: 45 Prozent, also fast jedes zweite Netzwerk, möchte vorrangig Orientierung in der Weiterbildungslandschaft bieten. 16 Prozent sehen sich als „Entwicklungshelfer“ für Qualifizierungsangebote Dritter. Immerhin 14 Prozent würden auch Lücken schließen, die von Qualifizierungsanbietern nicht abgedeckt werden. Egal wohin der Weg führt: Die 2. Themenstudie adressiert ausdrücklich auch öffentliche Akteure und appel- liert an ihre Unterstützungsbereitschaft für die regionalen Fachkräftenetzwerke. Sie sollten etwa Beispiele guter Praxis in der Öffentlichkeit kommunizieren, den Erfahrungsaustausch stärken, Fachkräftenetzwerke und Weiterbildungsakteure stärker in regionale Strategieprozesse einbeziehen und Anreize für mehr Kooperation setzen. Außerdem sollten sie mehr Anreize für kleine und mittlere Unternehmen schaffen, ihre Weiterbildungs- beteiligung zu erhöhen! Ein PDF des Impulsvortrags „Digitalisierung weiterdenken. Qualifizierungsbedarfe von KMU erkennen und im Netzwerk Fachkräfte in der Region sichern.“ – Ergebnisse der 2. Themenstudie des Innovationsbüros von Dr. Silke Stahl-Rolf finden Sie hier. Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 15
6. Interviewrunde: Kooperation, Qualifizierung und Weiterentwicklung in der Netzwerk-Community Impulse zur Weiterentwicklung der Netzwerkarbeit Beim jährlichen Innovationstag im Sommer gehört die Bühne vormittags für mindestens eine Stunde den Netzwerkakteuren selbst. Sie sollen nicht nur Publikum sein, sondern einige von ihnen bitten die Veranstalter ins Rampenlicht, um sie als besonders innovative Netzwerke auszuzeichnen. Nun, bei der winterlichen 6. Fachtagung, mochten die Veran- stalter ebenfalls nicht allein auf dem Podium stehen. Also betraten Sandra Spletzer, Ulrich Witt und Asal Tayouri die Bühne, um in kurzen Interviews aus ihrer Netzwerkpraxis zu berichten. „Oh ich hab‘ solche Sehnsucht, ich verlier‘ den Verstand“, texteten vor 30 Jahren „Die Ärzte“. „Ich will wieder an die Nordsee – ich will zurück nach Westerland.“ Ginge es nach dem Wunsch vieler Arbeit- geber in ländlichen Regionen, würden immer mehr Menschen in Deutschland den Song anstimmen, wobei sie „Westerland“ natürlich austauschen müssten durch wahlweise „Emsland“, „Nordhessen“ oder auch „Elbe-Elster“. Blickt man sich nämlich im Kreis der Fach- kräftenetzwerke um oder verfolgt die Medienberichterstattung zum Thema Fachkräfte der vergangenen Monate, fällt auf: In immer mehr Regionen wird der Ruf nach Rückkehrern laut, entstehen in- teressante Initiativen, die aus der jeweiligen Region abgewanderte Fachkräfte mit kreativen Mitteln zurück in die heimische mittelstän- Sandra Spletzer vom Netzwerk Comeback dische Wirtschaft locken wollen. Elbe-Elster Sandra Spletzer koordiniert ein solches Netzwerk, es heißt Comeback Elbe-Elster. 2009 von einer Rückkehrerin als Facebook-Plattform gegründet, um sich mit anderen Rückkehrwilligen, Pendlern, Zuwanderern und Rück- gewanderten auszutauschen, entstand aus dem losen Zusammenschluss Zurückgekehrter 2015 ganz offiziell das Netzwerk „Comeback Elbe-Elster“. Ziel des Netzwerkes unter Trägerschaft des Vereins „Generationen gehen gemeinsam“ (G3) ist es, dem demografischen Wandel auf dem Land entgegenzuwirken und für eine zeitgemäße Willkommenskultur zu werben. Auch mit Unterstützung des Innovationsbüros professionalisierte sich das Netzwerk im Laufe des Jahres. Jüngstes Beispiel: 2017 nahm Sandra Spletzer in der IHK Potsdam er- folgreich an dem erstmals angebotenen Zertifikatslehrgang „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung (IHK)“ teil. Fachkräfte für die heimische Wirtschaft gewinnen Im Interview mit Dominik Theisen, Projektreferent im Innovationsbüro, berichtete sie, dass die Bevölkerung im Landkreis zwischen 1990 und 2005 um etwa 25 Prozent geschrumpft sei. Deshalb sei die neue Initiative zunächst so wahrgenommen worden, dass es ihr darum gehe, ganz allgemein Menschen zum Rück- oder Umzug in die Region zu bewegen. „Dass es uns auch darum ging, Fachkräfte für die heimische Wirtschaft zu Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 16
gewinnen, war nicht jedem auf Anhieb bewusst“, sagte die Netzwerkkoordinatorin. Spätestens die Auszeich- nung im Sommer 2017 als „Innovatives Netzwerk“ und die lokale Berichterstattung darüber hätten dann aber einen Schub gebracht und geholfen, das Netzwerk als strategischen Partner zur Fachkräftegewinnung zu positionieren. Offenbar ebenfalls für Aufmerksamkeit gesorgt hat die Entstehung des Imagefilms über das Netzwerk, der bei der 6. Fachtagung erstmals gezeigt wurde. „Die Dreharbeiten haben uns vor Ort enger zusammengeführt“, erzählte Spletzer. Sie sei froh über diese verstärkte öffentliche Wahrnehmung des Netzwerks, das ja ehren- amtlich aufgebaut worden sei und erst seit 2017 professionell geführt werde. Sie sei auch wichtig, weil 2017 eine interessante Aufgabe hinzugekommen sei: „Wir koordinieren nun auch das im Sommer vom Land Bran- denburg ins Leben gerufene Netzwerk der Brandenburger Rückkehrerinitiativen ‚Ankommen in Brandenburg‘, betonte Spletzer. Theisen nutzte die Gelegenheit, auf den zweiten Durchlauf des Lehrgangs hinzuweisen. Es gibt noch Plätze, wer sich für die Fortbildung zum „Netzwerkkoordinator/-in zur Fachkräftesicherung (IHK)“ interessiert, kann sich an das Innovationsbüro wenden. Sandra Spletzer empfiehlt den Gleichgesinnten in den anderen Netz- werken unbedingt die Teilnahme: „Ich konnte sehr viel für meine tägliche Arbeit mitnehmen und wertvolle Kontakte knüpfen.“ Netzwerke transformieren Nach Sandra Spletzer kam Ulrich Witt ans Mikrofon. Er koordiniert das Lübecker Netzwerk „Fachkräfte für den HanseBelt“, das bereits 2011 bei der 1. Fachtagung des Innovationsbüros dabei war. Zwei Jahre später zeich- neten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Innovationsbüro es als „Innovatives Netzwerk“ aus. Jan Kuper, der Leiter des Innovationsbüros, skizzierte kurz den Werdegang des 2009 gegründeten Netzwerks. Und fragte dann, weshalb es nach einigen erfolgreichen Jahren plötzlich gekriselt habe. „Wir haben im Grunde alles richtig gemacht“, antwortete Witt. Man habe immer mehr Netzwerkpartner gewonnen und immer mehr Veranstaltungen konzipiert und durchgeführt, die aller- meisten davon gut frequentiert. Doch dann sei man fast Opfer des eigenen Erfolgs geworden. „Zum Beispiel weil wir einen sehr generalistischen Ansatz hatten, der auch notwendig war, um das Thema überhaupt in die Köpfe aller zu bekommen. Nach und nach sind dann um uns herum weitere Initiativen entstanden, die das Thema auf- gegriffen und sehr individuelle Ansätze verfolgt haben“, erläuterte Witt. Ein Beispiel: HanseBelt e.V., ein Unter- nehmensnetzwerk in den Kreisen Segeberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und Nordwestmeck- lenburg sowie in den Hansestädten Lübeck und Wismar. Ulrich Witt vom Netzwerk Fachkräfte für den HanseBelt Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 17
„Wir mussten uns nun fragen, wo wir eigentlich stehen und in welche Richtung wir uns – gezielter als bisher – entwickeln wollen.“ Das tat das Netzwerk nicht allein. Es suchte die Unterstützung des Innovationsbüros, das für die Netzwerkakteure in Lübeck einen Workshop organisierte. „Dort haben wir sozusagen laut über uns nachgedacht und uns die richtigen Fragen gestellt“, berichtete Witt. Die Folge: „Wir transformieren uns gera- de und prüfen eine Integration unserer aktiven, erfolgreichen Projekte in den HanseBelt e.V.“ Orientierung bieten „Trauen Sie niemandem, der sich nicht entwickelt“, zitierte Innovationsbüro-Mitarbeiter Alexander Ciesiolka den Leitspruch eines seiner früheren Dozenten. Sein volles Vertrauen galt dann Asal Tayouri vom Bergischen Fachkräftebündnis. Sie ist nicht nur seit vielen Jahren aktiv, sondern legt viel Wert auf die Weiterentwicklung des Netzwerkes. Dazu hat sie erst kürzlich mit dem Innovationsbüro eine Vereinbarung zur Entwicklungspart- nerschaft unterzeichnet und einen Workshop in Anspruch genommen. „Was hat’s gebracht?“, wollte Ciesiolka wissen. „Viel – inhalt- lich ebenso wie emotional“, antwortete Tayouri freimütig. Das Bergische Fachkräftebündnis gibt es seit 2011. Es ist eine Initiative von arbeitsmarkt- und wirtschaftspoli- tischen Akteuren im bergischen Städtedreieck Remscheid, Solingen und Wuppertal mit der Aufgabe, dem Fachkräfte- mangel möglichst vorzubeugen und so zur Zukunftsfähigkeit der Region beizutragen. Ziel ist es, Arbeitskräfte zu gewinnen und die Instrumente so zu optimieren, dass die Versorgung regional passgenau ist. „Wenn man sechs, sieben Jahre zusammenarbeitet, dann stellt sich irgendwann auch mal der berüchtigte Tunnelblick ein“, sagte Tayouri. Deshalb nutzten sie und das übrige Netzwerkteam vor einigen Wochen den Workshop des Inno- vationsbüros. „Der externe Einblick hat uns sehr geholfen“, betonte sie auf der Bühne. „Emotional hat vor allem die Stärken-/Schwächen-Analyse viel mit uns gemacht“, berich- tete Tayouri. Das sei gut gewesen, denn um gemeinsam weiterzumachen, seien positive Emotionen sehr wichtig. Doch auch inhaltlich zeigte sich die Netzwerkkoordinatorin äußerst zufrieden. Asal Tayouri vom Bergischen Fachkräftebündnis „Wir haben beschlossen, uns ein Stück weit zu spezialisieren und die digitalisierte Arbeitswelt verstärkt in den Blick zu nehmen“ sagte Tayouri. Schwerpunkte seien dabei Ausbildung, Weiterbildung und Langzeitarbeitslo- sigkeit. „Allerdings sind wir realistisch genug, um zu wissen, dass wir alle drei Themen nicht gleichermaßen vorantreiben können“, gab sie zu. Deshalb lege man das Thema Ausbildung in die Hände des Netzwerk- partners IHK, das Thema Langzeitarbeitslosigkeit in die Hände der Netzwerkpartner Agentur für Arbeit und Jobcenter. „Das Bergische Fachkräftebündnis selbst kümmert sich primär um Weiterbildung“, betonte Tayouri, „wir wollen unseren regionalen Arbeitgebern verstärkt Orientierung in der Weiterbildungslandschaft bieten!“ Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 18
7. Mittagspause, Informationsstände und Filme Impulse und Inspirationen Die Namen auf der Teilnehmerliste beginnen bei A und enden bei Z. Die Namen der Netz- werke, Institutionen und Orte ebenfalls: von A wie Agentur für Arbeit Berlin-Nord bis Z wie zdi-Zentrum. Die rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den unterschied- lichsten Regionen nutzten jede sich bietende Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Beim Essen, beim Kaffee, zwischen zwei Programmpunkten; zu zweit, zu dritt, zu viert: Es wurde intensiv diskutiert. Anika Kriegel kennt sich mit dem Fachkräftemangel aus. Sie lebt sozusagen davon. Sie arbeitet bei der Beck International Recruitment GmbH in Hannover, einer kleinen Personalagentur, die sich auf die Gewinnung von Auszubildenden für die Altenpflege spezialisiert hat – eine Branche, die schon seit einigen Jahren über den Mangel an Fachkräften klagt. Auf die 6. Fachtagung des Innovationsbüros ist sie aufmerksam geworden, weil sie im Netz auf die Veranstal- tungsdokumentation der 5. Fachtagung stieß. „Nachdem ich die aufmerksam gelesen hatte, war klar, dass ich an der nächsten Tagung persönlich teilnehmen wollte“, erzählt Kriegel. Sie suche Input und Austausch und neue Impulse für die Arbeit. Denn soeben habe sich in Sachsen und Thüringen ein Netzwerk regionaler Arbeitgeber der Altenpflege gegründet. „Mit unserer Unterstützung gehen die Institutionen dort nun erstmals gemeinsam das Problem des Fachkräftemangels an, ohne sich gegenseitig die Interessenten abzuwerben“, erläutert Kriegel. „Für diese Netzwerkarbeit suche ich nun weitere Anregungen.“ Sich gegenseitig inspirieren Ob André Schleiter mit Anika Kriegel im selben ICE saß, wissen wir nicht. Die Richtung jedenfalls stimmt. Schleiter lebt in Gütersloh und arbeitet dort im Zentrum Interna- tionale Foren und Trends der Bertelsmann-Stiftung. Sein derzeitiges Projekt: „Der demografische Wandel auf dem Prüfstand“. Auch er kennt sich gut mit dem Fachkräfteman- gel aus, denn schon 2001 betreute er ein Projekt mit dem Thema „Strategien gegen den Fachkräftemangel“. „Das war damals ein großes Thema bei uns“, erinnert er sich. Teil des Projekts damals war ein Memorandum, und in letzter Zeit denkt Schleiter verstärkt darüber nach, dieses Memorandum – bereichert um aktuelle Zahlen und Er- kenntnisse – neu aufleben zu lassen. Für die erfolgreiche Fachkräftesicherung hält er Netzwerke für unverzichtbar. In Berlin will er sich über die jüngsten Themen und Trends der Fachkräftearbeit informieren. Informationsstand der Initiative Neue Qualität der Arbeit Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 19
„Ob in den Firmen oder in der Gesellschaft“, sagt Schleiter, „wir brauchen Ermunterer, um die Potenziale, die in jedem einzelnen stecken, auch entfalten zu können.“ Die Netzwerke seien wichtige Foren, um sich gegen- seitig zu inspirieren und Menschen zusammenzuführen. Das hat er sich auch mit seinem jüngsten nebenberuf- lichen Projekt vorgenommen: Seine „Schule des Lebens“ ist ein Neustart-Perspektivprogramm, bei dem Fach- und Führungskräfte ihr eigenes Potenzial entdecken können und lernen, sich beruflich weiterzuentwickeln. Netzwerkpartner dauerhaft motivieren An einem der Stehtische im Foyer des VKU Forums sind Martin Hülsen und Arne Schwöbel ins Gespräch vertieft. Hülsen leitet bei der IHK Ulm die Koordinierungsstelle Fachkräftebündnis Ulm/Oberschwaben. Aktuell bildet die Berufsorientierung an Gymnasien einen besonderen Arbeitsschwerpunkt. Schwöbel ist aus Kai- serslautern nach Berlin gekommen, er ist Netzwerkkoordinator bei der 2012 ins Leben gerufenen ZukunftsRe- gion Westpfalz. Dieses Netzwerk zählt inzwischen rund 300 Mitglieder, darunter zahlreiche Firmen, aber auch Städte, Kreise, IHK und andere Akteure. „Wir decken ein breites Themenspektrum ab“, erzählt Schwöbel. Hauptthema sei die Fachkräftesicherung, aber es gehe auch um Regionalmarketing und die Verbesserung von Standortfaktoren. „Und ums Netzwerken an sich“, ergänzt er und meint damit, wie wertvoll es sei, überhaupt viele unterschiedliche Akteure zusam- menzubringen und gemeinsame Interessen und Perspektiven auszuloten. Hülsen ist sehr an einem Austausch zu inhaltlichen und methodischen Ansätzen der Nachwuchssicherung in Firmen interessiert. An der 6. Fachtagung nimmt er zudem teil, weil er sehen möchte, wie andere mit wich- tigen Herausforderungen umgehen. Eine lautet: „Wie motiviert man die Netzwerkpartner immer wieder neu, sich dauerhaft einzubringen und nachhaltig zu engagieren?“ Dazu verspricht sich Hülsen von seinen Gesprä- chen und den Programmpunkten der Fachtagung neue Anregungen. Die ZukunftsRegion Westpfalz strebt derzeit die Entwicklung zur MINT-Region an, das Netzwerk hat einen entsprechenden Wettbewerb der Körber-Stiftung gewonnen. „Derzeit analysieren wir das vorhandene Bil- dungsangebot in der Region, um dann nachjustieren und Neues ins Leben rufen zu können“, erzählt Schwö- bel. Mit seinem Kollegen aus Ulm diskutiert er in der Veranstaltungspause zum Beispiel darüber wie man im nächsten Schritt ein sinnvolles Matching hinbekommt – zwischen dem großen Angebot vor allem in Kaiserlau- tern und der großen Nachfrage von Firmen und Beschäftigten abseits der Großstadt. „Netzwerken ist eine gute Sache!“ Ulrike Heitzer-Priem ist nicht zum ersten Mal bei einer Fachtagung des Innovationsbüros dabei. „Ich war schon mehrfach hier, weil ich stets dazulerne und Netzwerken für eine gute und wichtige Sache halte“, erzählte sie bei einem Kaffee im Foyer. Für einen Moment stand sie tatsächlich allein am Tisch – ein seltener An- blick in den so sehr von Gesprächen geprägten Ulrike Heitzer-Priem, Projektleiterin im Fachbereich Fachkräfte des RKW Veranstaltungspausen. Kompetenzzentrums Veranstaltungsdokumentation, 6. Fachtagung, 5. Dezember 2017 20
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