Versicherungen: Die digitale Herausforderung - Die wachsende Akzeptanz digitaler Kanäle auf Kundenseite erfordert eine rasche Weiterentwicklung ...
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Versicherungen: Die digitale Herausforderung Die wachsende Akzeptanz digitaler Kanäle auf Kundenseite erfordert eine rasche Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle von Versicherern. Sieben Stellhebel für eine erfolgreiche Digitalisierung.
Inhalt Executive Summary 4 Über die Studie 1. Die neue Normalität: Diese Studie basiert auf der umfangreichen, jahrzehntelangen Expertise von Bain & Company im Finanzsektor, im Bereich der Wie die Digitalisierung das Versicherungsgeschäft verändert 6 Konsumgüter, der Telekommunikation und der IT. Sie nutzt darüber hinaus die Ergebnisse einer ausführlichen Befragung von mehr als 2.500 privaten Kunden der größten deutschen Versicherungen im Jahr 2012 sowie Interviews mit mehr als 3.000 Privatkun- 2. Versicherung 2.0: den von Retail-Banken in Deutschland aus dem gleichen Jahr. Beide Studien finden Sie auf unserer Homepage www.bain.de Die sieben entscheidenden Stellhebel für eine erfolgreiche Digitalisierung 12 3. Der Masterplan: So gelingt die Digitalisierung des Geschäftsmodells 22 Fazit 28 Die Autoren 29 Impressum Herausgeber Bain & Company Germany/Switzerland, Inc. Karlsplatz 1, 80335 München Rotbuchstr. 46, 8037 Zürich Kontakt Pierre Deraëd Marketing Director Tel. +49 89 5123 1330 Julia Henry Marketing & Communications Tel. +49 89 5123 1428 Gestaltung ad Borsche GmbH, München Druck KA – 04/13– 2000 Druckhaus Kastner, Wolnzach Copyright © 2013 Bain & Company, Inc. All rights reserved. Versicherungen: Die digitale Herausforderung 3
Executive Summary Wie Versicherer die digitale Herausforderung Die sieben entscheidenden Stellhebel für eine 1. Der Kunde rückt ins Zentrum: Der Treiber des Erfolgs im di- Change-Management-Prozess begleiten. Eine Veranke- meistern können erfolgreiche Digitalisierung gitalen Zeitalter sind zufriedene, loyale Versicherte. Ihre rung der Verantwortung auf Geschäftsführungsebene individuellen Bedürfnisse sowie ihr spezifisches Verhal- stellt sicher, dass die Digitalisierungsstrategie im Tages- Die Digitalisierung des Finanzsektors hat die konservative Der Aufbau der Omni-Kanal-Fähigkeit – und damit die Ver- ten zu verstehen und zu befriedigen, muss deshalb im geschäft nicht ins Hintertreffen gerät. Versicherungsbranche erreicht und ist dort längst kein einigung digitaler und analoger Angebote – zählt daher zu Fokus stehen. Ermöglicht wird dies durch eine intelli- 7. Kontinuierliche Marktbeobachtung und Reaktion auf externe Fremdwort mehr. So verfügt das Gros der Versicherungsge- den entscheidenden Stellhebeln einer jeden Digitalisierungs- gente und weitreichende Segmentierung nach Kunden- Veränderungen: Neue Technologien und neue Anbieter sellschaften bereits über eine gewisse Online-Präsenz, und strategie. Im Rahmen der Projekt- und Beratungsarbeit hat gruppen. Jede erfolgreiche Digitalisierungstrategie setzt bilden eine Bedrohung für bestehende Geschäftsmodelle immer mehr Versicherer zeigen auch in sozialen Netzwer- Bain & Company insgesamt sieben Stellhebel identifiziert, damit auf einer klaren Kundenstrategie auf. im Versicherungsmarkt. Eine kontinuierliche Marktbeo- ken Flagge. Viele Unternehmen setzen zudem auf Apps, um mit deren Hilfe die digitale Herausforderung erfolgreich 2. Auf dem Weg zum Omni-Kanal: König Kunde macht im bachtung trägt dazu bei, potenzielle Angriffe frühzeitig die Interaktion mit ihren Kunden zu vereinfachen. Beliebt gemeistert werden kann. digitalen Zeitalter keine Unterschiede mehr zwischen erkennen und parieren zu können. ist auch die Ausstattung des Außendiensts mit mobilen End- den einzelnen Kommunikationskanälen eines Unter- geräten. Weitere Technologien wie die Telematik beginnen, nehmens. Er erwartet, dass sämtliche Informationen je- Die vorliegende Bain-Studie zeigt, wie Versicherungsunter- zumindest in ausgewählten europäischen Märkten, einen derzeit auf allen Kanälen verfügbar sind und er selbst nehmen Schritt für Schritt eine Digitalisierungsstrategie un- Beitrag zur Neuausrichtung der Produkt- und Preispolitik entscheiden kann, wann er wo mit einem Unternehmen ter Nutzung dieser Stellhebel umsetzen und sich zu einer zu leisten. in Kontakt tritt. Die Unternehmen müssen sich auf den kundenzentrierten Organisation entwickeln können. Eine Ausbau der Kommunikationskanäle und die Mengenver- besondere Herausforderung bildet dabei die hohe Innovati- Noch fehlt allerdings bei vielen dieser begrüßenswerten schiebung hin zu digitalen Kanälen ausrichten. onsgeschwindigkeit im Technologiesektor. Sie macht es sehr Initiativen bislang die Integration in einen funktions- und 3. Befähigung des bestehenden Vertriebsnetzwerks: Selbst- schwierig, den Erfolg, den der Einsatz neuer Technologien bereichsübergreifenden Ansatz. Sie haben häufig einen ständige Agenten oder Makler zählen in den Augen der beschert, vorab in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Gefragt reaktiven Charakter und basieren nicht auf einer Analyse Kunden weiterhin zu den wichtigen Kontaktpersonen ei- sind daher Flexibilität sowie die Bereitschaft, in einem Portfo- entscheidender Kundenbedürfnisse. Zudem überschreiten ner Versicherung – die persönliche Beratung bleibt ein lio-Ansatz verschiedene Ansätze zu testen und je nach Erfolg sie nur selten die althergebrachten Grenzen zwischen ein- zentraler „Moment of Truth“ für Versicherte. Die Un- am Markt über die Zeit auszubauen oder zu stoppen. Vor zelnen Vertriebs- und Kommunikationskanälen. Doch ge- ternehmen sollten daher ihre Partner beim Übergang diesem Hintergrund zählen Flexibilität und Pragmatismus nau dies ist unerlässlich, um dem grundlegend veränderten ins digitale Zeitalter soweit wie möglich unterstützen. neben dem Fokus auf Kundenbedürfnisse und einem um- Kundenverhalten im digitalen Zeitalter gerecht zu werden. Gleichzeitig gilt es, die technologischen Möglichkeiten fassenden Strategieansatz zu den entscheidenden Erfolgsfak- Die Bain-Studie, in deren Rahmen mehr als 2.500 Versiche- für eine effektive Betreuung sicherzustellen. toren bei der Digitalisierung. rungskunden in Deutschland befragt wurden, belegt, dass 4. Anpassung der operativen Kernaktivitäten: Der richtige Ein- für rund 60 Prozent der Versicherten Internet-bezogene satz digitaler Technologien steigert Effizienz und Profita- Digitale Angebote sind integraler Bestandteil Kommunikationskanäle künftig bei einer Interaktion mit bilität. Der Ausbau der Self-Service-Angebote kann hier der Wertschöpfung einer Versicherung am wichtigsten sind. Gerade in Kunden- genauso einen wichtigen Beitrag leisten wie die Nutzung segmenten, die hohen Wert auf umfassenden Service legen, von Kundendaten für eine individuelle Prämienkalkula- Eine bereichs- und funktionsübergreifende Digitalisierungs- wächst die Zahl der Online-Fans. Diese Kunden erwarten ein tion. strategie ist die einzig mögliche Antwort von Versicherungen umfangreiches digitales Angebot – sei es in der Beratung, sei 5. Weiterentwicklung und Ausbau der IT: Eine erfolgreiche auf ein grundlegend verändertes Kundenverhalten. Neun es beim Vertragsabschluss oder sei es im Fall einer Schadens- Digitalisierung erfordert die Weiterentwicklung der IT. Jahre nach Gründung von Facebook, sechs Jahre nach dem meldung. Die Kundenbefragung offenbarte zudem, dass die Geklärt werden muss, welche Funktionen Kunden über Verkauf des ersten iPhone und drei Jahre nach dem begon- Kunden keine Unterschiede mehr zwischen Online- und welchen Kanal nutzen und welche Daten hierfür bereitge- nenen Ansturm auf Tablet-Computer erwarten Privat- wie Offline-Kanälen akzeptieren. Online-Geschäftsmodelle sind stellt beziehungsweise verarbeitet werden sollen. Am En- Firmenkunden von allen Dienstleistern und Lieferanten ein damit nicht mehr länger ein Vehikel zur Ansprache beson- de steht fast zwangsläufig eine serviceorientierte Applika- umfassendes, intuitiv bedienbares digitales Angebot. Nur ders preissensitiver Kunden, sondern ein integraler, mög- tionsarchitektur. Welche Applikationen wann umgebaut wenn Versicherungsunternehmen dieses als integralen Be- lichst einfach zu handhabender Bestandteil des Leistungs- werden, ergibt sich aus der Kundenstrategie sowie der standteil ihrer Wertschöpfung begreifen, und die Kundenbe- spektrums einer jeden Versicherungsgesellschaft. Der Faktor Notwendigkeit, Altsysteme und Datenbestände ganz oder dürfnisse in den Mittelpunkt ihrer Strategie stellen und ihr „Convenience“ entwickelt sich zu einem zentralen Differen- teilweise in zukunftsgerichtete Prozesse zu überführen. Geschäftsmodell entsprechend strategisch anpassen, können zierungsmerkmal im digitalen Zeitalter. 6. Anpassung der Organisation an die neuen Rahmenbedin- sie im Wettbewerb mit anderen Versicherern sowie Bran- gungen: Den Wandel hin zu einer kundenzentrierten Or- chenfremden auf Dauer bestehen. ganisation sollten Versicherer mit einem umfassenden 4 Versicherungen: Die digitale Herausforderung 5
1. Die neue Normalität: Wie die Digitalisierung das Versicherungsgeschäft verändert Rund 60 Prozent der Bundesbürger sehen das Internet künftig als wichtigsten Kanal für Transaktionen mit ihrer jeder Zeit an jedem Ort möglich macht. Zugleich wächst die Kunden setzen auf das Internet Versicherung. Die Digitalisierung und der damit einhergehende rasante technologische Fortschritt erfassen die gesamte Datenmenge selbst immens: Bis zum Jahr 2015 werden sich Wertschöpfungskette der Assekuranz. verfügbare Daten im Vergleich zum Jahr 2012 mit einem An- Dies gilt auch für die Versicherungsbranche, deren Kunden stieg auf 7,9 Zetabyte verdreifachen. Ein Zetabyte entspricht längst die digitale Welt gewöhnt sind. Sie bestellen im In- „Ich bin drin!“ Fast 14 Jahre ist es her, dass Internetpionier Endgeräte den ortsunabhängigen 24/7-Zugriff auf sämtliche einer Billion Gigabyte, die heute gängige Messgröße. ternet Bücher und Elektronikgeräte, buchen Urlaube, laden AOL mit Tennisikone Boris Becker in Deutschland damit Online-Angebote deutlich vereinfachen. Innerhalb von nur Musik und Filme herunter und erledigen Bankgeschäfte. warb, einen einfachen Zugang zum Internet zu ermöglichen. drei Jahren verfünffachte sich allein in Deutschland die Zahl All diese Fakten verdeutlichen, in welchem Maß und in wel- Bislang spüren die Versicherer den umfassenden Wandel im Heute sind drei von vier Bundesbürgern online, bei den unter der Smartphone-Nutzer auf rund 30 Millionen. LTE (long- cher Geschwindigkeit die Digitalisierung voranschreitet und Kundenverhalten nur begrenzt. Noch bietet die vergleichs- 40-Jährigen sind es sogar weit über 90 Prozent. Weltweit term evolution), der Mobilfunkstandard der vierten Generati- zur neuen Normalität heranreift. Dies zwingt Unternehmen weise geringe Kontaktfrequenz gerade bei langfristig lau- beläuft sich der Anteil der Internetnutzer auf 30 Prozent. on mit Download-Geschwindigkeiten von bis zu 300 Megabit quer durch alle Branchen zur Anpassung und Weiterent- fenden Produkten wie Lebensversicherungen Schutz. Doch Damit nutzen derzeit mehr als zwei Milliarden Menschen pro Sekunde, eröffnet ihnen ganz neue Formen der ortsun- wicklung ihrer Geschäftsmodelle. Ansonsten droht ihnen die Umwälzungen in Märkten mit häufigeren Interaktionen, das World Wide Web – Tendenz steigend. abhängigen Internetnutzung. Und dies ist erst der Anfang. das gleiche Schicksal von Wirtschaftszweigen wie der Musik- allen voran der Kfz-Bereich, sind Vorboten der unumkehr- Zwischen den Jahren 2012 bis 2015 dürfte sich die Zahl der industrie oder Videotheken, die bereits von einem „digitalen baren Digitalisierung der Branche. Eine repräsentative Bain- Mit dem Siegeszug der Smartphones und Tablet-Computer ausgelieferten Server pro Jahr auf 1,9 Millionen knapp ver- Tsunami“ überrollt wurden. Befragung von mehr als 2.500 privaten Kunden aller führen- nimmt die Dynamik der Digitalisierung weiter zu, da diese doppeln, was einen unbegrenzten Zugriff auf alle Daten zu den deutschen Versicherungsanbieter im Jahr 2012 bestätigt den Trend. Für rund 60 Prozent der Bundesbürger ist das Internet künftig der wichtigste Kanal bei der Interaktion mit einer Versicherung: Egal ob Beratung, Vertragsabschluss Abb. 1: Versicherte erwarten von ihrem Anbieter ein umfassendes digitales Angebot oder Schadensmeldung – Versicherte erwarten von ihrem Anbieter ein umfassendes digitales Angebot (Abb. 1). Dies Kundenerwartungen in Bezug auf zukünftige Kanalnutzung* in % geht weit über die klassische Website hinaus. Die Kunden sehen auch Smartphones, entsprechend vereinfachte mobile Webseiten sowie Apps, Online-Chats und -Communities als Kanal Information Beratung Vertragsabschluss Verwaltung Schadenmeldung wichtige Zugangswege zu ihrer Versicherung. Persönlicher Kontakt vor Ort 22 22 24 25 23 Die Kunden wollen beides: persönliche Betreuung und einen 24/7-Zugang über Call Center/Telefonat 12 16 12 13 21 sämtliche digitale Kanäle. Klassisches Internet 25 22 32 39 35 (Versicherung, Makler/Vermittler) Bewertungs- und Zugleich zeigt die Befragung, dass es trügerisch wäre, in den 14 12 9 5 3 Vergleichsportale kommenden Jahren ausschließlich auf digitale Kanäle zu set- Online Communities/ zen. Die Kunden wollen beides: persönliche Betreuung und 8 7 4 4 3 Foren/Social Media einen 24/7-Zugang über sämtliche digitale Kanäle (Abb. 2). Online-Chat 5 6 4 3 4 Für 72 Prozent der Befragten ist eine persönliche Beratung 29% 30% 22% 19% 19% wichtig oder gar sehr wichtig – und bleibt es auch. Apps 10 8 8 8 8 Dieser vermeintliche Widerspruch löst sich mit Blick auf die Video-Konferenz/Skype 6 9 6 4 4 Kundenbedürfnisse auf. Denn das grundlegende Bedürfnis bleibt im 21. Jahrhundert unverändert. Die Bundesbürger 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 wollen mithilfe von Versicherungen ihr persönliches Risiko minimieren sowie für künftige Lebensabschnitte vorsorgen *Frage: Bitte schätzen Sie ein, auf welchem Weg Kunden in der Zukunft Informationen beziehen, Rat suchen, Verträge abschließen, Verwaltung und Service erhalten und Schäden melden/bearbeitet bekommen wollen und suchen hierfür einen einfachen und bequemen Zugang zu einem vertrauenswürdigen, sicheren Partner. Im Rahmen Quelle: Bain Kundenbefragung 2012 6 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 7
Makler persönlich Versicherer Vergleichsportale Kunden „Konservativen“ – überwiegend im ländlichen Raum lebende lichkeit neu durchdenken und überlegen, wie sie den Prozess Kontakte Gespräch ältere Versicherte mit durchschnittlichem Haushaltseinkom- vereinfachen können. unabhängiger Berater E-Mail men – entpuppen sich alle Befragten zumindest als „Hybrid- Telefon Skype Freunde kunden“, möchten also ihren Anbieter künftig sowohl online Je einfacher der Prozess, desto größer ist die Chance, dass Berater online als auch offline kontaktieren. Das gilt für jüngere Großstäd- sich Kunden positiv in sozialen Netzwerken – der zentralen Ansprechpartner Versicherung Chat direkt Beratung ter ebenso wie für ältere Etablierte mit hohem Einkommen Dialog- und Informationsplattform im digitalen Zeitalter – Internet Vertreter Vermittler und moderne Leistungsträger. Knapp ein Viertel der Versi- austauschen. Allein Facebook zählt mittlerweile mehr als eine Online-Berater cherten ordnet Bain sogar der Gruppe der „Unabhängigen“ Milliarde Mitglieder, und diese klickten bereits über eine Bil- mit einer hohen Online-Affinität zu. Diese aufgrund ihrer lion Mal den „Gefällt mir“-Button bei ihren Freunden, Stars Einkommens- und Vermögensverhältnisse besonders inte- und Unternehmen an. Um hier besser Fuß zu fassen, sollten ressante Zielgruppe achtet bei Versicherungen vor allem auf deutsche Versicherer ihr Marketing kurzweiliger und unter- Transparenz, Sicherheit, Schnelligkeit sowie Preise und zieht haltsamer gestalten. Der US-Anbieter Progressive macht es die Online-Betreuung einer persönlichen Ansprache vor. vor: Er schart mit seiner Kunstfigur „Flo“ bereits Millionen Fans um sich. Diese bilden eine hervorragende Basis, mehr Alle Macht den Kunden über Kundenbedürfnisse sowie Stärken und Schwächen des eigenen Angebots zu erfahren – vorausgesetzt man nutzt Die Aushebelung der tradierten Vertriebskanäle ist bezeich- automatisierte Auswertungsverfahren. Doch die Bedeutung Quelle: Bain-Kundenbefragung Deutschland 2012 Abb. 2: Wie Kunden sich künftig beraten nend für die schrittweise Machtverschiebung von den Pro- sozialer Netzwerke endet nicht im Marketing oder in der lassen wollen duzenten hin zu den Konsumenten im digitalen Zeitalter. Marktforschung. Sie haben zunehmend auch Relevanz bei Die Kunden nutzen die neuen Technologien, um die Regeln Abschlüssen, wenn sich Verbraucher aufgrund einer Diskus- für die Kommunikation mit einem Unternehmen festzule- sion in ihrem Freundeskreis oder eigener Recherche auf Fa- gen, sich über Erfahrungen mit Anbietern online auszutau- cebook & Co. für ein bestimmtes Unternehmen entscheiden. schen, Interessierte an diesem Dialog teilhaben zu lassen Im Firmenkundengeschäft sollte der Einfluss von Freunden der Befragung ermittelte Bain auch die entscheidenden Krite- Grenzen zwischen Online- und Offline-Welt und immer mehr auch Einfluss auf die Gestaltung von Pro- oder Geschäftspartnern ebenfalls nicht unterschätzt werden. rien für die Loyalität und Zufriedenheit der Kunden mit dem verschwinden dukten und Dienstleistungen zu nehmen. Das neue Selbstbe- einmal gewählten Partner. Dabei steht an erster Stelle ganz wusstsein der Konsumenten kumuliert in einer wachsenden klar das Bedürfnis nach Fairness und Sicherheit, gefolgt von Die Beispiele stehen für einen fundamentalen Wandel im Wechselbereitschaft. Sie wissen, dass es nur ein paar Klicks Mit dem Vorstoß digitaler Plattformen steigt dem Wunsch nach Beratung und Eingehen auf individuelle Kundenverhalten: Die Versicherten differenzieren nicht braucht, um den Stromanbieter, den Reiseveranstalter oder der Wunsch nach einer Individualisierung Bedürfnisse. Auf den weiteren Plätzen rangieren ein gutes mehr länger zwischen Online- und Offline-Welt, sondern eben den Versicherer zu wechseln. von Produkten und Dienstleistungen. Preis-Leistungsverhältnis, transparente Produkte und ein erwarten ein kanalübergreifendes Angebot. In der Folge ver- empathischer Service. Dies belegt, dass digitale Kanäle nur schmelzen digitale und analoge Kanäle zu einem Omni- Vom Anbieter ihrer Wahl erwarten die Konsumenten aber ein Mittel sind, um die Kundenloyalität zu steigern. Kanal. Zahlreiche Unternehmen in anderen Branchen haben nicht nur ein umfassendes digitales Angebot, sondern auch Die wachsende Macht der Konsumenten hat Auswirkungen bereits reagiert und noch bestehende Barrieren zwischen dessen einfache, intuitive Bedienbarkeit. „Convenience“, bis hinein in die Produktentwicklung. Denn mit dem Vor- Allerdings verändert die Digitalisierung die Wahrnehmung Vertriebskanälen beseitigt, um ein einheitliches kanalüber- sprich der Faktor Benutzerfreundlichkeit, wird zu einem ent- stoß digitaler Plattformen steigt der Wunsch nach einer Indi- hinsichtlich der Erfüllung der Bedürfnisse. Ein gutes Bei- greifendes Einkaufs- und Serviceerlebnis zu schaffen. Solche scheidenden Differenzierungsmerkmal im digitalen Zeital- vidualisierung von Produkten und Dienstleistungen. Dieser spiel ist die Preisgestaltung. Um Tarifunterschiede heraus- Veränderungen formen die Erwartungshaltung der Verbrau- ter. Mobile Anwendungen weisen den Weg: Schon aufgrund Wandel erfasste zuerst Konsumgüter – dort trat an die Stelle zufinden, ist nur noch ein kurzer Besuch bei einer Online- cher und werden Nachzügler wie die Assekuranz eher früher des kleineren Bildschirms müssen sie auf unzählige Unter- des begrenzten Sortiments in den Regalen des Einzelhan- Plattform (Aggregator) erforderlich. Wer dennoch bei seiner denn später zum Handeln zwingen. menüs und endlose Texte verzichten. Die Beschränkung auf dels eine unbegrenzte Warenvielfalt. Die Möglichkeit, sich Agentur einen teureren Tarif als im Internet erhält, fühlt sich das Wesentliche trägt zu ihrer Popularität bei und kann auch am Rechner einen Überblick über denkbare Policen zu ver- unfair behandelt. Zugleich ist der Wunsch nach individu- Im digitalen Zeitalter wollen Konsumenten unabhängig vom bei Versicherungen die Kundenbindung stärken. Wer einmal schaffen, vergrößert auch bei Versicherungsprodukten den eller Beratung nicht mehr unweigerlich an ein persönliches Produkt selbst entscheiden, wann und wie sie mit einem Un- einen Schaden durch wenige Eingaben in einer App melden Wunsch nach einem maßgeschneiderten Angebot. Gespräch vor Ort gekoppelt: Videokonferenzen und Online- ternehmen in Kontakt treten. Bei Versicherungen trifft dies oder eine Arztrechnung durch simples Einscannen eines QR- Chats gewinnen an Bedeutung. nahezu auf alle Bevölkerungsgruppen zu. Dies belegt eine Codes einreichen konnte, wird nie mehr den Postweg nutzen weitergehende Analyse der Ergebnisse der Bain-Befragung wollen. Unternehmen sollten daher sämtliche Interaktionen nach Kundensegmenten. Mit Ausnahme von 28 Prozent mit Kunden unter dem Gesichtspunkt der Benutzerfreund- 8 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 9
Die Erfolge digitaler Pioniere Online-Vertragsabschlüsse sind bei zahlreichen Finanz- dies eine gefährliche Entwicklung. In der anhaltenden Nied- dienstleistern mittlerweile Standard, auch in Deutschland. rigzinsphase punkten die Banken mit einer einfachen und Die wachsende Macht der Konsumenten und damit verbun- Zunehmend nutzen Versicherer wie Banken Apps, um den flexiblen Anlage von Beträgen zur Altersvorsorge und deren den der Wunsch nach Individualisierung von Produkten, ei- Kunden den Abschluss weiter zu erleichtern. Vorreiter im zwischenzeitlicher Verfügbarkeit bei unvorhergesehenen ner einfachen Handhabung sämtlicher Transaktionen sowie Bankensektor wie die Royal Bank of Scotland offerieren Ereignissen. Ein- und Auszahlungen auch großer Beträge einem orts- und zeitunabhängigen Zugang machen entspre- mittlerweile eine breite Palette von Produkten auf allen di- lassen sich problemlos zu Hause erledigen, und online fin- chende Anpassungen des Geschäftsmodells der Versiche- gitalen Kanälen, entlasten so ihre Filialen und befriedigen den sich auch umfassende Informationen über den aktuellen rer erforderlich. Viele deutsche Anbieter zögern noch, ihre das Bedürfnis der Kunden nach orts- und zeitunabhängigen Kontostand. Die Versicherer müssen kontern. Wertschöpfungskette konsequent zu digitalisieren. Andere Transaktionen. Finanzdienstleister hingegen nutzen die Gunst der Stunde und positionieren sich als digitale Pioniere. Krankenversicherer vereinfachen mit Hilfe Fazit: Versicherer müssen sich der neuen Normalität stellen von Apps das Einreichen von Rechnungen, Assurant Solutions sorgt beispielsweise mit seinem „Protect Das veränderte Kundenverhalten und der fortlaufende techno- • Wie groß ist der mit einer Digitalisierung verbundene Auf- your Bubble“-Angebot im britischen Markt für Aufsehen. erinnern Patienten an die regelmäßige logische Fortschritt bei gleichzeitig wachsendem Wettbewerbs- wand, vor allem bei der Weiterentwicklung der eigenen Nach eigenen Angaben bietet das Unternehmen eine neue Einnahme von Medikamenten und ermuntern druck zwingen die Versicherer zum Handeln. Dieser Handlungs- Informations- und Telekommunikationstechnologie? Form der Versicherung, die angesichts der Hektik und Kom- sie zu Vorsorgemaßnahmen. druck trifft sie zur Unzeit: Die anhaltende Niedrigzinsperiode • Welcher Betrag steht für Investitionen zur Verfügung, und wel- plexität des Lebens im 21. Jahrhundert das Versicherungs- schmälert ihre Profitabilität und damit ihre Möglichkeit zu inve- che Prioritäten sollten angesichts knapper Ressourcen gesetzt geschäft vereinfacht. In der Tat lassen sich mit wenigen Auch nach Vertragsabschluss kommen immer häufiger di- stieren. Zugleich beansprucht die striktere Regulierung, allen werden? Mausklicks ein Handy, ein Haustier oder der nächste Urlaub gitale Technologien zum Einsatz. So lässt sich die Abwick- voran Solvency II, ihre Aufmerksamkeit und ihre Investitionsbud- • Wie lässt sich die Digitalisierung des Geschäftsmodells an- online versichern. Um das Interesse potenzieller Kunden zu lung von Kfz-Schäden mithilfe von Apps beschleunigen, die gets. Vor diesem Hintergrund sollte sich das Topmanagement gesichts einer komplexen Struktur mit vielen Sparten und wecken, setzt Assurant konsequent auf die Möglichkeiten Schritt für Schritt die Erfassung der Schäden und deren auf die Beantwortung von sechs Fragen konzentrieren: Gesellschaften vorantreiben? digitaler Medien. Dazu gehören die virale Verbreitung von Meldung an die Zentrale ermöglichen und Tipps geben, wo Spielen und Online-Videokampagnen mit Comic-Figuren. sich in der Nähe des Unfallorts ein Schaden beheben lässt. • Wo steht das eigene Geschäftsmodell derzeit am stärksten Die beiden nachfolgenden Teile dieser Studie bieten Ansatz- Welche Wirksamkeit solche Online-Kampagnen entfalten Solche Dienste werden bereits von einigen Versicherern unter Druck? punkte und Handlungsempfehlungen. Abhängig von Geschäfts- können, demonstriert der bereits angesprochene US-Anbie- angeboten. Krankenversicherer vereinfachen mit Hilfe von • Welche digitalen Trends beeinflussen das eigene Geschäfts- modell und Rahmenbedingungen müssen Manager hieraus Ant- ter Progressive. Dieser nutzt seine Kunstfigur Flo, um mit Apps das Einreichen von Rechnungen, erinnern Patienten modell maßgeblich – als Risiko oder Chance? worten für ihr Unternehmen entwickeln. Ignorieren dürfen sie den Versicherten ins Gespräch zu kommen und News zu an die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und er- • Wie lässt sich die kundensegmentspezifische Ansprache über den Wandel auf keinen Fall. Denn die digitale Welt ist die neue verbreiten. Mittlerweile hat Flo mehr als fünf Millionen Face- muntern sie zu Vorsorgemaßnahmen. Die Deutsche Kran- digitale Kanäle verbessern und ausbauen? Normalität, der sich jedes Unternehmen in jeder Branche und in book-Fans und mehr als 19 Millionen Follower bei Twitter. kenversicherung (DKV) setzt wie Allianz und Hanse Merkur jedem Land stellen muss. in Deutschland auf ein System, mit dem Privatpatienten ihre Dass sich digitale Plattformen auch für die Beratung einset- Rechnung durch das Scannen eines QR-Codes unkompli- zen lassen, beweist die neuseeländische ASB Bank. In ihrer ziert einreichen können. Rund 38.000 Ärzte beteiligen sich virtuellen Filiale auf Facebook finden Besucher ein ähnliches bereits an diesem System. Angebot wie bei ihrer Filiale um die Ecke. Selbst ein indivi- duelles Gespräch mit einem Berater lässt sich per Video-Chat Es ist kein Zufall, dass die hier aufgeführten Beispiele für die aufsetzen. Auch die Bank of America hat Video Chats als Digitalisierung der Wertschöpfungskette nicht nur Versiche- Möglichkeit entdeckt, individuelle Beratung zu leisten, ohne rer, sondern auch Banken umfassen. Durch die höhere Kon- dass ein Kontoinhaber in eine Filiale kommen muss. taktfrequenz waren diese früher als Versicherer gezwungen, sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung und dem Machtzuwachs der Konsumenten zu beschäftigen. Ihr digi- tales Angebot entspricht daher schon häufiger den Vorstel- lungen der Verbraucher in Sachen Einfachheit, Geschwin- digkeit sowie orts- und zeitunabhängigem Zugriff. Gerade mit Blick auf den Wachstumsmarkt private Altersvorsorge ist 10 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 11
2. Versicherung 2.0: Die sieben entscheidenden Stellhebel Eine überzeugende Digitalisierungsstrategie erfasst und verändert das gesamte Unternehmen. Am Ende steht eine Abb. 3: Digitalisierung erfordert einen neuen Blick auf Prioritäten sowie verändertes Handeln kundenorientierte Organisation mit einem kanalübergreifenden Angebot, einem effizienten Betrieb auf Basis einer modernen IT sowie einer hohen Anpassungsfähigkeit an neue Konkurrenzsituationen. Sieben Handlungsfelder für Digitalisierung Der rasante technologische Fortschritt und das dadurch ver- weise die Konservativen, in der Regel ältere Landbewohner änderte Kundenverhalten treiben die Digitalisierung der Ver- mit einem durchschnittlichen Einkommen und mittleren sicherungsbranche voran und beeinflussen ihr Geschäftsmo- Bildungsrad, unverändert Wert auf physische Nähe und re- Der Kunde rückt ins Zentrum dell entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auf Basis gelmäßige persönliche Ansprache legen, achten die Etablier- der eigenen Markt- und Projekterfahrung hat Bain sieben ten im städtischen Umfeld mit höherem Bildungsgrad viel Aufbau Omni-Kanal- Stellhebel erarbeitet, um die damit verbundenen Herausfor- stärker auf Faktoren wie Preis, Transparenz und Sicherheit. Auf dem Weg zum Omni-Kanal Fähigkeiten derungen zu meistern (Abb. 3). Da sie gewohnt sind, selbstständig zu agieren, sind sie für digitale Angebote wesentlich aufgeschlossener als Konser- 1. Stellhebel vative und Kleinkunden. Ein solches Bewusstsein für die spezifischen Bedürfnisse einzelner Kundensegmente ist ein Befähigung des bestehenden Vertriebsnetzwerks Der Kunde rückt ins Zentrum maßgeblicher Treiber für eine zielgenaue Digitalisierung. Je Redesign Kern- Im digitalen Zeitalter gehört der Kunde als reiner Verbrau- exakter die Segmentierung, desto besser ist ein Unterneh- Anpassung der operativen Kernaktivitäten aktivitäten & Produkt cher standardisierter Produkte und Dienste der Vergangen- men in der Lage, seine jeweiligen Zielkundensegmente mit heit an. Der Erfolg von Unternehmen hängt künftig davon ab, den richtigen Methoden und Argumenten anzusprechen – inwieweit es ihnen gelingt, bestehende Kundenbedürfnisse und so letztendlich die Zufriedenheit seiner Kunden weiter Weiterentwicklung und Ausbau der IT besser und schneller als der Wettbewerb zu identifizieren zu steigern. Überarbeitung der und zu befriedigen. Der Treiber des Erfolgs sind auch im Ver- Plattform Anpassung der Organisation an die neuen sicherungsgewerbe zufriedene, loyale Kunden. Diese emp- fehlen ihren Anbieter nicht nur an Freunde und Bekannte 2. Stellhebel Rahmenbedingungen weiter, sondern erwerben auch mehr Produkte und bleiben Auf dem Weg zum Omni-Kanal Schutz des Kontinuierliche Marktbeobachtung und Reaktion einem Unternehmen länger treu. Bei der Bain-Befragung König Kunde sieht im digitalen Zeitalter keine Unterschiede Geschäftsmodells auf externe Veränderungen stellte sich heraus, dass Promotoren, also besonders loyale mehr zwischen den einzelnen Kommunikationskanälen Kunden, im Durchschnitt 3,2 Produkte einer Versicherung seiner Versicherung. Selbstverständlich erwartet er, dass Quelle: Bain & Company erwerben, kritisch eingestellte Detraktoren dagegen nur 1,9 das Callcenter den gleichen Kenntnisstand besitzt wie die Produkte. Zugleich liegt die Vertragslaufzeit von Promotoren Agentur im Ort und dass er online ohne größere Umstän- mit durchschnittlich 9,4 Jahren um 22 Prozent höher als bei de sämtliche Standardtransaktionen erledigen kann. Diese anderen Versicherten. Erwartungshaltung stellt Versicherungen vor große Heraus- Der Kraftakt dieser Versicherer dient auch dazu, im Wett- Welche Umstellung Finanzdienstleister bewältigen müs- forderungen. Eine solche Omni-Kanal-Fähigkeit ihrer Orga- bewerb mit Branchenfremden – allen voran den Banken – sen, um Omni-Kanal-Fähigkeit zu gewährleisten, macht ein Eine hohe Zufriedenheit beruht auf einem weitreichenden nisation können sie in der Regel noch nicht gewährleisten. nicht ins Hintertreffen zu geraten. Denn viele Retail-Banken zweites Beispiel deutlich: die spanische Bankinter. Diese Verständnis des Versicherers für die wirklichen Kundenbe- sind in Sachen Digitialisierung ein gutes Stück weiter. Die Direktbank entwickelte ihre Callcenter zu Online-Centern, dürfnisse und deren konsequente Integration in das eigene Vorreiter in Europa und den USA haben zumindest be- britische Lloyds TSB hat ihr Online- und Offline-Angebot in denen die Mitarbeiter über alle Kanäle mit Kunden kom- Leistungsspektrum. Dies setzt eine wesentlich differenzier- gonnen, integrierte Kundenplattformen zu entwickeln und bereits weitgehend synchronisiert. Das traditionsreiche Insti- munizieren und interagieren können. Neben Telefon und tere Auseinandersetzung mit bestehenden und potenziellen damit eine entscheidende Voraussetzung für eine echte Kun- tut hat sein digitales Leistungsspektrum so weit ausgebaut, E-Mail umfasst das Leistungsspektrum auch Videotelefo- Kunden und deren Einstellung voraus als bislang üblich. Im denorientierung zu schaffen. Diese Plattformen machen kei- dass das Gros der Kontoinhaber selbst entscheiden kann, ob nate, Chats und das gemeinsame Navigieren auf der Web- deutschen Markt identifizierte Bain im Jahr 2012 in einem ne Unterschiede mehr zwischen Online- und Offline-Zugang es überhaupt noch eine Filiale aufsuchen will. Mehr als 80 site. Die Mitarbeiter können hierbei zu jeder Zeit auf alle aufwendigen Prozess sechs typische Verhaltensmuster und und setzen konsequent auf integrierte Anwendungen. Sie Prozent der Produkte und Dienste sind online verfügbar. Daten der Kontoinhaber zugreifen und so anders als kon- gliederte sie in Konservative, Unabhängige, Kleinkunden, sind das Ergebnis mehrjähriger, funktionsübergreifender Strikt achtet Lloyds auf eine einfache Bedienbarkeit sämt- ventionelle Callcenter-Agenten deutlich stärker vertriebs- Großstädter, Etablierte und moderne Leistungsträger. Diese Veränderungsprogramme und dürften diesen Unternehmen licher digitaler Offerten und hat es so im Wettbewerb mit orientiert agieren. unterscheiden sich nicht nur durch Lebensform, Wohnsitz in den kommenden Jahren einen wesentlichen Wettbewerbs- reinen Direktbanken in einer Befragung auf Platz eins der und Bildungsgrad, sondern auch hinsichtlich ihrer spezi- vorteil verschaffen. besten Retail-Internetbanken in Großbritannien geschafft. fischen Bedürfnisse bei Versicherungen. Während beispiels- 12 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 13
i Gerade bei den Agenturen besteht Weiterentwicklungs- hat diese Entwicklung eine gute und eine schlechte Seite. potenzial. Viele verfügen noch über einen veralteten Inter- Sie können alle relevanten Broker über eine solche Plattform netauftritt, der das Beratungs- und Transaktionsbedürfnis zielgerichtet erreichen und informieren. Dafür müssen sie Versicherung 2015: Die digitale Kfz-Police der Kunden nicht befriedigen kann. Es ist im Eigeninteresse im Gegenzug in Kauf nehmen, dass die Produkttransparenz der Versicherungen, diesen Zustand zu beenden und insbe- ihrer Angebote zunimmt und der Preisdruck steigt. Die erste Anlaufstelle für den Abschluss einer Vollkasko-Police nicht zu scheuen braucht. Nach einem Gespräch mit seiner sondere dem Ausschließlichkeitsvertrieb den Übergang in für seinen neuen Wagen ist und bleibt für Kurt Müller seine Frau unterschreibt er den Vertragsentwurf online und schickt das digitale Zeitalter zu erleichtern. Die Allianz beispiels- Mehr Gestaltungsspielraum haben Versicherer im direkten Agentur im Ort. Er kennt seinen Versicherungsspezialisten ihn ab. Die Zentrale erhält den Vertrag Sekunden später, prüft weise stellt lokalen Agenturen Werkzeuge und Inhalte für Geschäft mit Firmenkunden. Der intelligente Einsatz digi- schon seit Jahren und fühlt sich von ihm gut betreut, egal ob ihn und druckt die Police. deren Präsenz im Internet und in sozialen Netzwerken zur taler Plattformen kann hier zu einer stärkeren Kundenbin- es um die Schäden an seinem Haus nach einem Orkan oder Verfügung. Rund 1.000 Vertreter engagieren sich auf dieser dung führen. Ein deutscher Lebensversicherer beispielswei- die Absicherung seiner beiden Kinder ging. Das Ambiente im Grundlage bereits bei Facebook. se hat ein Informationsangebot für die betriebliche Alters- Büro auf der Hauptstraße hat sich allerdings geändert: Das vorsorge entwickelt, das sich nahtlos in das Intranet von wichtigste Arbeitsgerät des Agenten ist sein Tablet-Computer. Maßnahmen wie die Bereitstellung von Tablet-Computern Unternehmen integrieren lässt. Es bietet einen Mehrwert Auf diesem sind die Daten von Herrn Müller hinterlegt und mit einer einheitlichen, intuitiven Beratungssoftware kön- für alle Beteiligten. Die Mitarbeiter können sich bequem an dem langjährigen Kunden lassen sich anschaulich die ver- nen dazu beitragen, dass die Vertriebskräfte vor Ort nicht ihrem Arbeitsplatz oder zu Hause einen Überblick über den schiedenen Möglichkeiten präsentieren, wie er seinen Neu- nur stärker auf innovative Verkaufsformen setzen, sondern aktuellen Stand ihrer Altersvorsorge verschaffen. Dies entla- wagen absichern kann. Bei Spezialfragen reicht ein Klick auf zugleich konsistent alle Kundendaten in das System der Ver- stet die Personalabteilung des Arbeitgebers. Der Versicherer den Telefonbutton und schon schaltet sich ein Spezialist aus sicherung einpflegen. Ein solcher Datenfluss in beide Rich- trägt die Kosten der zusätzlichen Informationen – und pro- dem zentralen Videocenter hinzu. Er kann genau sagen, wie Nur wenige Wochen später passiert das Malheur: Herr Müller tungen stellt ein Novum für die bislang auf weitgehende Ei- fitiert dennoch. Denn er hat erstmals die Möglichkeit, auch sich die Prämie verändert, wenn Herr Müller das Auto ab und fährt im Berufsverkehr auf seinen Vordermann auf. Glücklicher- genständigkeit bedachten Agenturen und Makler dar. Doch bei der betrieblichen Altersvorsorge einen direkten Kontakt an dem Au-pair-Mädchen überlässt oder er es offroad nutzen weise hat er sich die App seines Versicherers vor zwei Wo- nur wenn die Unternehmen und ihre Vertriebsnetzwerke zu den Endkunden aufzubauen, deren Vertrauen in die eige- möchte. Am Ende der Beratung hält Herr Müller ein maßge- chen auf sein Smartphone geladen. Er folgt den Anweisungen sämtliche Daten teilen und sie damit jederzeit an jedem Ort ne Marke zu stärken und auf dieser Basis gezielt zusätzliche schneidertes Angebot samt Vertragsentwurf in der Hand und der App und nimmt den Schaden selbst auf. Dank GPS erfolgt über sämtliche aktuellen Informationen verfügen, können Produkte anzubieten. findet es Sekunden später auch in seiner Inbox. automatisch die Lokalisierung des Unfallorts. Die App zeigt, sie die Erwartungen ihrer Kunden erfüllen. wo die nächsten Werkstätten liegen, und veranlasst auch Diese Beispiele zeigen, dass in allen Vertriebskanälen die Am Abend vergleicht er auf seinem Tablet-Computer die die Bereitstellung eines Mietwagens. Alle Rechnungen wer- Zahlreiche Versicherer experimentieren bereits mit Apps Digitalisierung voranschreitet. Verzichtet ein Versicherer auf vorgeschlagene Prämie noch einmal mit den Tarifen anderer den online ausgetauscht und beglichen. Selbst die Prämien- für ihre Agenturen. Mit diesen mobilen Tools ermöglichen die Unterstützung seiner bewährten Partner, läuft er Gefahr, Anbieter bei verschiedenen Aggregatoren. Er stellt zum wie- erhöhung nach dem Unfall mit erheblichem Sachschaden Generali France und John Hancock ihren Agenten zum Bei- dass diese sich alternativen Anbietern zuwenden. Denn sie derholten Mal fest, dass seine Versicherung den Wettbewerb kommt automatisch. spiel Einblicke in das Investmentportfolio von Kunden und sind selbst mit dem Kundenwunsch nach einem überzeu- dessen Entwicklung – wichtige Informationen, die die Qua- genden Online-Auftritt konfrontiert und müssen handeln. lität der persönlichen Beratung verbessern. Die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) setzt konsequent auf iPads. 4. Stellhebel In beiden Fällen haben die Institute frühzeitig die entschei- 3. Stellhebel Mehr als 10.000 Vermögensberater setzen die Tablet-Com- puter bereits in der Beratung ein. Ein Teil von ihnen besitzt Anpassung der operativen Kernaktivitäten denden Voraussetzungen für ihre Omni-Kanal-Fähigkeit ge- Befähigung des bestehenden Vertriebsnetzwerks einen vollständigen Zugang zur eigenen Kundendatenbank Die Auswirkungen der Digitalisierung erfassen nicht nur schaffen: Omni-Kanal-Fähigkeit ist für Versicherungsunternehmen sowie zur Angebots- und Vermögensplanung und kann so den Vertrieb und die Schnittstellen zum Kunden, sondern mit einer zusätzlichen Herausforderung verbunden, da sie bei Kapitalanlegern mit einem multimedialen und interak- den gesamten Betrieb. Der Schlüssel für die allseits erhofften • Sämtliche Kundendaten sind jederzeit auf allen Kanälen in der Regel mit externen Vertriebspartnern zusammenar- tiven Auftritt punkten. Effizienzgewinne liegt in der Anpassung operativer Kernak- verfügbar. beiten. Das Spektrum reicht vom Ausschließlichkeitsvertrieb tivitäten wie der Schadensmeldung und -regulierung sowie • Das Informations-, Beratungs- und Produktangebot funk- bis hin zu unabhängigen Maklern. Auch hier gilt: Kunden Die Unterstützung unabhängiger Vertriebe ist auch im Fir- der Prämienkalkulation. tioniert kanalübergreifend. Kunden können selbst ent- unterscheiden nicht mehr länger zwischen den einzelnen menkundengeschäft notwendig. Allerdings kommen hier scheiden, wann und wo sie mit ihrem Institut in Kontakt Kommunikationskanälen und der Marke dahinter, sondern weniger die Versicherungen, sondern vielmehr unabhängige Dies gilt vor allem für die Übernahme ganzer Wertschöp- treten. sehen sie alle als mögliche Zugangspunkte zu einer Versi- Anbieter zum Zuge. Plattformen wie ProspX in den USA und fungsschritte durch die Kunden. Gute Beispiele sind die • Der Außenauftritt ist kanalübergreifend konsistent. Kun- cherung. INEX24 in Deutschland erleichtern Brokern die Auswahl automatisierte Meldung von Kfz-Schäden über Apps oder die den finden sich ohne Schwierigkeiten zurecht. geeigneter Produkte und Anbieter. Für Industrieversicherer Einreichung digitaler Rechnungen bei der Krankenversiche- 14 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 15
i rung. Je einfacher und intuitiver der Kunde diese Arbeiten britische AA sowie Direct Line bereits mit der Nutzung von mithilfe seines Smartphones oder Tablet-Computers erle- Smartboxen begonnen, die im Fahrzeug zum Beispiel die Ge- digen kann, desto größer ist seine Bereitschaft, auf Postver- schwindigkeit, das Bremsverhalten und die Art der genutzten kehr und Telefonate zu verzichten und desto höher sind die Straßen erfassen können. Der Versicherte erhält sämtliche Versicherung 2015: Altes Gewerbe, neue Technologien Effizienzgewinne für Versicherer. Eine Einbindung bislang Daten online und kann so sein Fahrverhalten – und damit papierlastiger Dienstleister wie Kfz-Werkstätten, Kranken- seine Prämien – über die Zeit anpassen. In Deutschland Herbert Schmitz, Erbe einer traditionsreichen Lackfabrik im Wie immer folgt Herr häuser und Arztpraxen verstärkt diesen Effekt noch. Am dürfte spätestens die derzeit für das Jahr 2015 geplante Ein- Rheinland, konzentriert sich auf sein Kerngeschäft. Auswahl Schmitz dieser Empfehlung Ende steht im Idealfall ein vollständig digitaler Prozess – von führung des europäischen Notrufsystems eCall und damit und Abschluss der notwendigen Versicherungen überlässt er und unterschreibt den Ver- der ersten Meldung eines Schadens bis hin zur Begleichung der Einbau entsprechender Geräte in Neuwagen dafür sor- einem Makler, mit dem schon sein Schwiegervater zusammen- trag wenige Tage später auf der letzten Rechnung. Zusätzliche Einsparungen resultieren gen, dass die Debatte um Telematiktarife bei Versicherern gearbeitet hat. Allerdings kann er sich nur schwer vorstellen, dem iPad seines Maklers. aus der Tatsache, dass schon bei der Dateneingabe Plausibili- an Fahrt gewinnt. dass sich der alte Herr mit den Arbeitsmethoden des Junior- Prüfung und Ausfertigung tätschecks und Fehlersuche möglich sind. Dadurch kann der chefs des Maklerbüros hätte anfreunden können. Denn dessen der Police erfolgt beim Ver- Prozess selbst zum Großteil in Dunkelverabeitung erledigt Telematiklösungen können auch eine entscheidende Rolle Büro ist komplett digitalisiert. Alle Informationen sind online sicherer seiner Wahl voll- werden. bei der Weiterentwicklung von Flottentarifen spielen. Pio- gespeichert und auf mobilen Endgeräten abrufbar, alle Mit- automatisch. Danach haben sowohl er als auch sein Makler niere in diesem Markt profitieren gleich mehrfach: Erstens arbeiter werden regelmäßig online geschult und beraten. Vor jederzeit einen vollständigen Einblick in die Police und können Aber Vorsicht! Aus Sicht der Kunden ist nicht der Effizienz- können sie sich im Wettbewerb mit einer innovativen Lösung Ort präsentiert der Makler sein Leistungsspektrum mit einem diese an neue Gegebenheiten anpassen. Eine Verlängerung gewinn des Versicherers entscheidend, sondern die Verein- abheben. Zweitens schärft die Information über das Fahr- Tablet-Computer und schaltet bei Bedarf Experten zu den ein- erfolgt per Knopfdruck, neue schriftliche Dokumente sind nicht fachung und Beschleunigung des Prozesses. Es gibt daher verhalten das Risikobewusstsein der Fahrer, was zu rück- zelnen Versicherungen hinzu. So lassen sich während eines erforderlich. nicht die eine universelle Lösung für die Digitalisierung der läufigen Schäden führt. Und drittens bietet die Datenmenge einzigen Termins selbst knifflige Fragen bezüglich der Absi- Kernaktivitäten. Vielmehr ist an jedem einzelnen Punkt zu aus den Fahrzeugen zahlreiche Anknüpfungspunkte für das cherung der mit Lackrohstoffen gefüllten Lagerhalle und der Herr Schmitz ist froh über den technologischen Fortschritt. entscheiden, welche Technologien bestmöglich zum Einsatz Generieren von Folgegeschäft. Die Unternehmen empfin- notwendigen Versiegelung klären. Nach dem zweistündigen Denn erst kürzlich haben seine Mitarbeiter im Keller Platz ge- kommen. Mobile Anwendungen bieten sich beispielsweise den dies keineswegs als lästig. Im Gegenteil: Sie müssen Termin hält Herr Schmitz bereits diverse Prämienvorschläge schaffen und dabei meterweise Versicherungsakten aus den für den Schadenfall bei Kfz-Versicherungen an. Sie ermög- nicht nur geringere Versicherungsprämien zahlen, sondern und eine Empfehlung seines Maklers in den Händen. vergangenen zwei Jahrzehnten entsorgt. lichen die genaue Ortung des Fahrers und in der Folge profitieren selbst von dem vorsichtigeren Fahrverhalten ihrer das Aufzeigen möglicher Werkstätten in der Umgebung des Mitarbeiter. Denn diese sind nicht nur seltener in Unfälle Unfallorts. Dagegen spielen mobile Anwendungen bei lang- verwickelt, sondern fahren darüber hinaus auch noch sprit- lebigen Produkten wie einer Lebensversicherung zumindest sparender. Diese Beispiele zeigen, dass die Digitalisierung die opera- levanter Prozesse bei Verträgen und in der Schadensregu- derzeit nur eine untergeordnete Rolle. Hier kommt es eher tiven Kernaktivitäten eines Versicherers verändert und seine lierung ergeben. Ein solcher Wandel lässt sich keineswegs auf ein umfassendes Beratungs- und Dialogangebot sowie Umfassende Einblicke in das tatsächliche Kundenverhal- Effizienz und Profitabilität steigern kann. Das Unternehmen von der IT-Abteilung allein bewerkstelligen. Es bedarf einer die ununterbrochene Auskunftsfähigkeit an – beispielsweise ten lassen sich nicht nur im Kfz-Markt gewinnen. Auch muss aber in der Lage sein, aus dem umfassenden Spek- noch engeren Zusammenarbeit zwischen den operativen durch einfachen Zugriff auf den jeweiligen Kontostand und soziale Medien bieten ein weites Feld, um mehr über die trum digitaler Technologien die für die jeweilige Situation Einheiten und den IT-Experten als heute schon üblich. die geleisteten Beiträge über alle erhältlichen Kanäle. individuellen Bedürfnisse, Vorlieben und Abneigungen der passende Lösung auszuwählen und diese für das eigene Ge- Verbraucher zu erfahren – selbstverständlich unter strikter schäft zu adaptieren. Die Ausgangsbasis für diese weitreichende Veränderung der Neue Formen der Produkt- und Preisgestaltung Beachtung des Datenschutzes. Die TD Bank nutzt eine spe- IT-Landschaft ist alles andere als ideal. Das Marktforschungs- Bei Betrachtung der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Betrieb sind Effizienzgewinne und Einsparungen nur zielle Software, um jederzeit einen Überblick über aktuelle Themen und Diskussionen in sozialen Netzwerken zu haben 5. Stellhebel unternehmen Gartner schätzt, dass mehr als zwei Drittel der Schadens- und Lebensversicherer weltweit noch mit Syste- die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite bieten und richtet die eigene Kommunikation entsprechend aus. Weiterentwicklung und Ausbau der IT men aus den 1970er- und 1980er-Jahren arbeiten. Dies führt die intelligente Nutzung und Aufbereitung vorhandener Einen Schritt weiter geht die türkische Garanti Bank. Deren Zweifelsohne steigert die Digitalisierung noch einmal die Be- in Einzelfällen zu hohen Systemausfällen, die sich in einer beziehungsweise verfügbarer Daten Möglichkeiten für eine Facebook-Team bereitet die frei zugänglichen Informationen deutung der IT für eine Versicherung. Denn nur mithilfe in- zunehmend digitalisierten Welt unmittelbar bei den Kunden Weiterentwicklung des operativen Geschäfts. Besonders gut aus sozialen Netzwerken so auf, dass sie für die Weiterent- telligenter und moderner Lösungen für den Omni-Kanal, für oder in den Kundencentern bemerkbar machen. Schon eine lassen sich die Auswirkungen einer intelligenten Datennut- wicklung von Produkten nutzbar werden. Es ist nur eine mobile Anwendungen, soziale Medien und die Verarbeitung um ein Prozent geringere Verfügbarkeit der IT bedeutet zung in der Kfz-Versicherung beschreiben. Durch die Er- Frage der Zeit, bis auch Versicherer damit beginnen, ihre großer Datenmengen (Big Data) sind die Erwartungen der einen Ausfall von bis zu 45 Minuten pro Tag. In dieser Zeit fassung der tatsächlichen Fahrgewohnheiten ihrer Kunden eigenen Schlüsse aus der neuen Offenheit der Konsumenten Kunden an ein kanalübergreifendes, einheitliches Angebot ist kein Zugriff auf die IT-Systeme möglich – keine gute Vo- sind Versicherer erstmals in der Lage, individuell risikoadä- in sozialen Netzwerken zu ziehen. zu erfüllen. Zudem gilt es, die Möglichkeiten auszuschöpfen, raussetzung für digitalisierte Prozesse. quate Prämien zu berechnen. So haben unter anderem die die sich aus der Digitalisierung kunden- und abwicklungsre- 16 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 17
Abb. 4: Virtualisierung ermöglicht Einsatz von IaaS/SaaS Modellen und somit effizientere IT Nutzung und reduzierte Kosten einer einzigen Frage an: Was hat der Kunde davon? Dessen Bedürfnisse spielen auch eine entscheidende Rolle bei der 6. Stellhebel Priorisierung sämtlicher IT-Projekte. Vorrang hat, was den Anpassung der Organisation an die neuen größten Nutzen am Markt verspricht. Ein solcher Ansatz Rahmenbedingungen IT Leistungbedarf in Unternehmen (Trenddarstellung) bedeutet aber nicht, dass die IT-Abteilung künftig zum Zu- Die beste Digitalisierungsstrategie verpufft, wenn sie im All- arbeiter des Vertriebs degradiert wird. Vielmehr müssen sich tag nicht gelebt wird. Dazu bedarf es weit mehr, als sämtliche heute beide Bereiche einer neuen Logik unterwerfen und sich stets Mitarbeiter im Umgang mit den neuen Technologien zu in ihre Kunden hineinversetzen. Nur so lässt sich feststellen, schulen. Denn mit der Digitalisierung und der zunehmenden Iaas/SaaS ob YouTube-Clips wirklich ihren Zweck erfüllen oder sich Macht der Konsumenten geht ein weitreichender Wandel (Infrastructure/Software as a Service) eine neue Eingabemaske eignet. Klar ist aber, dass künftig hin zu einer kundenzentrierten Organisation einher. Diese die Bedeutung von „Good-Enough“-Lösungen anstelle von benötigt eine neue DNA und eine entsprechende Kultur. Öffentliche Cloud perfekten neuen Anwendungen steigen wird. Der Vorteil Versicherer können gar nicht früh genug damit beginnen, eines früheren Tests am Markt und niedrigerer Vorlaufko- den notwendigen Bewusstseinswandel in einem Change- Private Cloud sten dürfte in vielen Fällen die Nachteile eventueller Fehler Management-Prozess voranzutreiben. Virtualisierung der Piloten mehr als ausgleichen, zumal es für eine Rei- he aktueller Themen ohnehin noch keine schlüsselfertigen Parallel müssen sie entscheiden, wer die Digitalisierungsstra- Bestehende IT Landschaft IT-Lösungen gibt. Den bislang ungewohnten Umgang mit tegie mit welchen Ressourcen forciert. In der Praxis haben Piloten und deren Integration in bestehende Umgebungen sich drei Ansätze herauskristallisiert. So übertragen einige können die IT-Abteilungen leichter meistern, wenn sie sich Unternehmen die Verantwortung dem CIO und/oder COO konsequent einer serviceorientierten Architektur verschrei- und damit dem Backoffice, andere nehmen den Marketing- Ursprüngliche Phase 1: Anpassung Phase 2: Phase 3: IT als Dienstleistung ben. Denn deren modularer Aufbau erleichtert das Andocken verantwortlichen in der Geschäftsführung in die Pflicht. Die IT Infrastruktur IT Infrastruktur Nutzungsoptimierte IT (IaaS/SaaS) – und im Fall eines Scheiterns auch das Abdocken – neuer dritte Möglichkeit ist, die Verantwortung zwischen Treibern • Anwendungsspezifische • Virtuelle Maschinen (VM) • Flexibles Anwendungs- • Zugriffsbasierte/nutzungs- Anwendungen an den Kundenschnittstellen. im Backoffice und Entscheidern möglichst nah am Kunden Server Konfiguration verringern Hardware Management im abhängige IT Infrastruktur aufzuteilen. Für die Zentralisierung unter der Ägide eines (“ein Server, eine Bedarf und ermöglichen Live-Betrieb über Kosten und “Intelligente IT” Während die IT-Abteilungen noch mit der Digitalisierung CIO und/oder COO spricht deren zentrale Steuerungsmög- Anwendung”) Server Nutzung für verschiedene Server der Wertschöpfungskette beschäftigt sind, müssen sie einen lichkeit über alle Sparten und Gesellschaften hinweg. Die IT • Einbezug von “IT Strategie“ mehrere Anwendungen und Rechenzentren • Direct attached storage in Management sich abzeichnenden grundlegenden Wandel in der gesamten gibt den Takt vor. Ganz anders ist die Situation bei der Füh- (DAS) oder Network • Direct attached storage • Server und Speicher Entscheidungen IT antizipieren: das Vordringen des Cloud Computing und rung durch Vertriebs- und Marketingverantwortliche. Hier attached storage (NAS) (DAS) oder Network sind “VM-aware” damit verbunden die rückläufige Bedeutung der Datennut- stehen von Beginn an die Bedürfnisse der Kunden im Mit- • Vernetzung von Rechen- attached storage (NAS) zentren mit privaten/ zung und -speicherung auf Endgeräten (Abb. 4). telpunkt. Die IT liefert lediglich die notwendigen Werkzeuge. öffentlichen Clouds Die Vorteile beider Ansätze versucht die dritte Möglichkeit In den kommenden Jahren werden Versicherer zunehmend zu vereinen. Hierbei sind IT und Zentrale für die Digita- Quelle: Bain & Company öffentliche und firmeninterne „Rechenwolken“ sowie dort lisierung verantwortlich, müssen sich bei Entscheidungen hinterlegte Programme nutzen. Im Gegenzug schwindet die aber mit den Geschäftsführern vor Ort abstimmen. Dies er- Angesichts der heranrollenden Digitalisierung haben Versi- zu überwinden und neue Anwendungen aufzusetzen sowie Bedeutung der althergebrachten IT, bei der die Software auf höht zwar die Komplexität bei Entscheidungen, gewährleistet cherer drei Möglichkeiten: Sie können den Status quo fort- bestehende Daten allen Beteiligten im Prozess verfügbar zu jedem Rechner installiert ist und dort auch die Speicherung aber, dass weder die Kundensicht noch die Potenziale und schreiben, das bestehende System weiterentwickeln oder machen. vieler Daten erfolgt. Den denkbaren Effizienzgewinnen, die Grenzen der IT aus dem Blick geraten. eine neue Plattform aufsetzen. Option eins verbietet sich sich gerade durch die zentrale Speicherung von Daten erge- von selbst, da sie über kurz oder lang zu einem Verlust Bei der Umsetzung kommt es darauf an, Prioritäten richtig zu ben, stehen insbesondere in Deutschland noch erhebliche Unabhängig von dieser Entscheidung ist für den Erfolg je- der Wettbewerbsfähigkeit führt. Die dritte Option ist mit setzen, die Zusammenarbeit zwischen IT und operativ Ver- Zweifel hinsichtlich der Datensicherheit gegenüber. Doch der Digitalisierungsstrategie ausschlaggebend, inwieweit ein massiven Investitionen und einem hohen Risiko verbunden. antwortlichen zu verbessern sowie den Paradigmenwechsel der Wunsch von Kunden – und auch Mitarbeitern – nach Unternehmen diese tatsächlich als funktions- und bereichs- Von daher dürften sich die meisten Versicherer für den von einer produkt- hin zu einer kundenzentrierten Organi- einem orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf Daten und übergreifendes Thema versteht und umsetzt. Insellösungen Einsatz einer serviceorientierten Architektur (SOA) und ent- sation nicht aus den Augen zu verlieren. Bislang dominieren Programme dürfte am Ende siegen und zu einer Rezentrali- oder reine IT-Projekte sind zum Scheitern verurteilt, da sie sprechender Middleware entscheiden. Letzere erleichtert es bei vielen IT-Entwicklungen noch interne Überlegungen und sierung der IT führen. den Wandel hin zu einer kundenzentrierten Organisation Softwareentwicklern, die Defizite der alten Legacy-Systeme Ziele, doch am Ende kommt es nur auf die Beantwortung kaum vorantreiben. 18 Versicherungen: Die digitale Herausforderung Versicherungen: Die digitale Herausforderung 19
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