Platz an der Sonne? - Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit
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? Sichert(e) sich auch unser Land einen Platz an der Sonne r. -St chael a -Mi onj dor-W Theo Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit
Einfuhrung Liebe Interessierte, liebe Engagierte, soll in dieser Broschüre behandelt werden. Kolonialzeit. Alles Vergangenheit? Schnee von gestern Schwerpunktmäßig soll es um Deutschland und den ohne jegliche Bedeutung für die Gegenwart? Oder: afrikanischen Kontinent gehen. Schlimm. Aber holte Afrika immerhin aus archaischen Zuständen raus? Solche Sichtweisen sind leider sehr Serge Palasie, Fachpromotor Flucht, Migration und verbreitet und bestätigen einmal mehr den Satz: „Der Entwicklung NRW, August 2020 Sieger schreibt Geschichte.“ Aus dem Inhalt Sichert(e) sich auch unser Land einen Platz 3 an der Sonne? Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit (Serge Palasie) Sklaven, Aktien, Bankhäuser – Deutsche 16 Kolonialaktivitäten vor 1884 (Tina Adomako) Interview „Oft werden wir noch immer mit 18 einem kolonialen Blick betrachtet.“ (Eli Abeke) Bilder und Karten 20 Dass das koloniale Erbe einen langen Schatten wirft, wurde uns erst jüngst wieder grausam vor Augen geführt: Die Autor*innen sind für den Inhalt allein verantwortlich. Die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch In den Beiträgen verwendete Bilder wurden durch die einen weißen1 Polizisten in den USA war nicht die jeweiligen Autor*innen und zum Teil durch den rassistische Tat eines Einzeltäters, sondern hat System. Herausgeber freigegeben, sofern nicht ausdrücklich Rassismus ist nicht das einzige, aber das sichtbarste und anders angegeben. offensichtlichste koloniale Erbe. Und leider können wir hier in Deutschland trotz aller Unterschiede zu den USA nicht einfach sagen: In Deutschland ist das ja ganz anders. Über den Autor Rassismus tötet auch hier. Das koloniale Erbe umfasst aber viel mehr: Die schlimmen Bilder, die im Serge Palasie ist Afrikanist und Zusammenhang mit George Floyds Ermordung um die befasst sich mit der Welt gingen, können auch auf das koloniale Erbe im Entstehung des globalen Kontext übertragen werden: Seit dem Entstehen transatlantischen Raums und einer christlich-abendländisch dominierten Welt vor gut der damit verbundenen 500 Jahren wird anderen systematisch die Luft zum © Andreas Grasser Geschichte von Sklavenhandel Atmen genommen – was Millionen Menschen das Leben und Kolonialismus. Weitere thematische kostet(e). Groß scheint die Angst zu sein, dass sich das Schwerpunkte: Flucht/ Globale Ungleichheiten/ Opfer, das das Knie fest im Nacken hat, aus dieser Chancen und Herausforderungen einer bunter Situation befreien könnte. Wieso die „Anderen“ werdenden Gesellschaft/ kleingemacht wurden bzw. kleingehalten werden und Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit warum ein historisch auf Rassismus fußendes sogenanntem Migrationshintergrund. Wirtschaftssystem auch zunehmend im Eigeninteresse serge.palasie@eine-welt-netz-nrw.de ehemaliger Kolonialmächte überwunden werden sollte, 2 www.eine-welt-netz-nrw.de
Sichert(e) sich auch unser Land einen Platz an der Sonne? Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit Sichtbarste Spitze dieses Eisbergs globaler Die deutsche Kolonialzeit ist bis heute in mehrfacher Ungerechtigkeit sind volle Flüchtlingsboote an Europas Hinsicht relevant – so beispielsweise im Bereich globaler Grenzen. Ob Menschen, negative klimatische wirtschaftlicher Beziehungsgeflechte, beim Thema Flucht Veränderungen oder – wie aktuell der Fall – Pandemien: und Migration oder wenn es um Rassismus und Identität Ignorieren wir die Probleme „der Anderen“, werden diese in Deutschland geht. Selbst der menschengemachte Probleme früher oder später irgendwann mal unsere Klimawandel bzw. die damit verbundene eigenen. Die Überwindung kolonialer Kontinuitäten – in Klimaungerechtigkeit muss hier aufgezählt werden. In der diesem Kontext konkret in Deutschland – ist also mehr als breiten deutschen Öffentlichkeit ist diese Phase der ein selbstloser Akt der Menschlichkeit. Es geht um unser Geschichte jedoch kaum präsent. Ausnahmen, wie etwa aller Zukunftsfähigkeit. die durch den französischen Staatspräsidenten Macron 2017 angestoßene Diskussion zur Rückgabe von Wieso die deutsche Kolonialzeit ausgeklammert wird Raubkunst aus der Kolonialzeit, bestätigen die Regel. Es gibt mehrere Gründe dafür, warum wir kaum etwas über die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Bezüge zur Vorliegender Beitrag will sich mit dieser oftmals Gegenwart wissen. In Deutschland gibt es zwei unterschlagenen Geschichte und ihren inner- und spezifische Gründe, warum keine angemessene Befassung zwischengesellschaftlichen Folgen auseinandersetzen. mit der Kolonialzeit stattfindet: Zentrale Frage: Kann sich eine selbsternannte Im Gegensatz zu einer seit Jahrhunderten betriebenen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, zu der auch wir als Kolonialpolitik durch Mächte wie Großbritannien, Deutsche gehören und deren Selbstdefinition erstmals in Frankreich, die Niederlande, Spanien oder Portugal ist der Menschheitsgeschichte neben religiösen und Deutschlands Geschichte als Staat vergleichsweise kurz. kulturellen Gemeinsamkeiten wesentlich auf einer Erst mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 Hierarchisierung von Hautfarben basiert, unverändert klinkte sich Deutschland in die damalige Weltpolitik ein. halten, ohne die eigene Zukunftsfähigkeit zu gefährden? Auch vor diesem Hintergrund ist der in der deutschen Angesichts globaler Herausforderungen und sich Kolonialzeit geprägte Ausdruck „Platz an der Sonne“ ändernder globaler Machtkonstellationen sollte diese (1897) zu verstehen: Die „verspätete Nation“ Frage eigentlich klar verneint werden können. Aber leider Deutschland beanspruchte nun neben den etablierten ist paradoxerweise vielfach das Gegenteil zu beobachten: Mächten, die schon seit Kolumbus und Co. aktiv waren, Nicht nur in Deutschland erstarken rassistische auch Einflusssphären in der Welt. Spät zu Kolonialbesitz Rechtspopulist*innen. Niemals seit 1945 waren nicht- gelangt, endete die Kolonialzeit schon wieder nach dem weiße Menschen in Deutschland so gefährdet wie seit der verlorenen Ersten Weltkrieg 1918/19. Bis heute wird Wiedervereinigung 1990. Auf Hautfarben basierende daher immer wieder darauf verwiesen, dass die geistige „Farbgefängnisse“ scheinen „rekultiviert“ zu deutsche Kolonialzeit nur kurz währte und daher werden. Wer aber einer wachsenden Zahl nicht-weißer historisch gesehen kaum relevant für die Gegenwart sei. Deutscher innerhalb der Gesellschaft nicht auf der oft Die berechtigte Aufmerksamkeit, die die gebetsmühlenartig wiederholten Augenhöhe begegnen Erinnerungspolitik rund um das Kapitel des kann, der wird dies auch nicht gegenüber den ehemaligen Nationalsozialismus erfordert, lässt kaum Raum für eine Kolonialgebieten tun können. Der Versuch der (z.T. angemessene Berücksichtigung anderer Epochen vermeintlichen) Nutznießer*innen, den Status quo – d.h. unserer Geschichte, die für unsere Gegenwart relevant den eigenen Besitzstand bzw. die eigenen Privilegien – zu sind. wahren, verhindert ein ehrliches Aufeinander-Zugehen und eine vollumfassende Solidarität in und zwischen Neben diesen beiden für Deutschland spezifischen Gesellschaften. Beides ist langfristig aber ein Schuss ins Gründen ist generell anzunehmen, dass alle ehemaligen eigene Knie: Innergesellschaftlich etwa, weil Deutschland Kolonialmächte insbesondere aufgrund ökonomischer keine Rohstoffe außer der Kreativität und Erwägungen kaum ein Interesse an einer Innovationskraft seiner Bürger*innen besitzt. Erinnerungspolitik haben können, die uns immer wieder Zwischengesellschaftlich etwa, weil die Auslagerung von klarmachen würde, dass unser heutiger Wohlstand Perspektivlosigkeit, Menschenrechtsverletzungen und vielfach mit der Kolonialzeit und damals eingefädelten Umweltzerstörungen nicht dauerhaft funktionieren kann. Formen einer „globalen Arbeitsteilung“ zusammenhängt. 3
Eine solche Erinnerungspolitik würde umgekehrt auch gegen die begehrte „menschliche Ware“ einzutauschen. viele Phänomene wie Armut und Perspektivlosigkeit sowie Noch heute rühmt sich die Stadt damit, „Rumstadt“ zu damit verbundene Fluchtbewegungen (auch in Richtung sein. Dass die Zucker- und Rumproduktion bis weit ins 19. EU) historisch erklärbarer machen. Despektierliche Jahrhundert untrennbar mit Sklavenarbeit verbunden war, Begrifflichkeiten wie „Wirtschaftsflüchtling“, die wird hingegen gerne ausgeblendet. Deutsche waren auch bestimmten Gruppen von Geflüchteten quasi generell in der Übergangszeit aktiv, in der der transatlantische unterstellen, sich aus überwiegend selbst verschuldeten Versklavungshandel abebbte und Stimmen nach Miseren auf den Weg ins „gemachte Nest“ zu begeben, offiziellem Kolonialbesitz in Deutschland lauter wurden. würden unweigerlich auf den Prüfstand gelangen. Denn So errichtete das Hamburger Handels- und dass es dieses „gemachte Nest“ gibt, hängt auch mit der Reedereiunternehmen Woermann 1849 – also schon vor Kolonialgeschichte zusammen und ist nicht allein mit der Reichsgründung und über drei Jahrzehnte vor Beginn Innovationskraft, Organisation und Arbeitsethik zu der Kolonialzeit – Stützpunkte an Afrikas Westküste. erklären. Haupthandelsgut: Alkohol. Dieses moralisch verwerfliche Geschäft rechtfertigte man auch mit dem Erhalt Frühes Engagement der „verspäteten Nation“ deutscher Arbeitsplätze in der Spirituosenproduktion. Mit Wenn man sich mit der deutschen Kolonialzeit und ihren solchen „Argumenten“ versuchten Geschäftsleute den Auswirkungen befassen will, genügt es nicht, sich auf den politischen Eliten Kolonialbesitz schmackhaft zu machen. Zeitraum 1871 bzw. 1884/85-1918/19 zu beschränken. Zu diesen deutschen Akteuren aus der Wirtschaft kamen noch Kartographen, Philosophen, Missionare etc. hinzu, die schon lange vor der Reichsgründung aktiv waren und die Unterwerfung der Welt entweder mitermöglichten, als Vordenker die ideologischen Grundlagen dafür schufen oder schlicht Nutznießer*innen von sich zugunsten weißer Menschen ändernden Machtverhältnissen wurden. Wenngleich aber andere – allen voran Großbritannien – das Geschäft vor Beginn des offiziellen Eintritts Deutschlands als Kolonialmacht dominierten, so ist dieses Der transatlantische Dreieckshandel ist als zentraler Kapitel auch in einer indirekteren Form für die Umverteilungsmotor bei der Schaffung einer christlich- nachfolgende Geschichte Deutschlands relevant: abendländisch dominierten Welt zu verstehen. Nie zuvor wurde so viel Kapital angehäuft. Neben unzähligen Die Sklaverei, die es seit dem Entstehen sogenannter Menschen aus dem späteren Deutschland, die zeitweise Hochkulturen weltweit in unterschiedlichen erhebliche Teile der Schiffscrews europäischer Ausprägungen gab, war in über 10.000 Jahren tendenziell Kolonialmächte ausmachten, profitierten deutsche „farbenblind“. Jede/r konnte theoretisch Sklav*in sein, Kaufleute im Schlepptau anderer Nationen dies- und was im Umkehrschluss heißt: Jede/r konnte auch frei sein. jenseits des Atlantiks. So versuchten etwa die Das heißt nicht, dass Menschen vorher keine Hautfarben Handelshäuser der Fugger und Welser schon von Anfang wahrnahmen. Aber: Es gab noch keine dauerhaft an mitzuverdienen, sei es als Kreditgeber, sei es durch etablierte „Rassen“2-Hierarchie. Die zunehmende den Erwerb eigener Territorien auf dem amerikanischen ökonomische Abhängigkeit von afrikanischen Sklav*innen Kontinent, um von der Sklavenwirtschaft unmittelbar zu schuf jedoch einen „Farbmarker“, wodurch die Sklaverei profitieren. Aber auch Territorien bzw. Städte, die sich erstmals dauerhaft aufgrund von äußerlichen Merkmalen entweder damals schon auf deutschem Boden befanden institutionalisiert wurde. Diese Schaffung einer „Rasse“, oder später deutsch wurden, engagierten sich früh. So die man als minderwertig definierte, schuf die moralische war das Kurfürstentum Brandenburg bzw. ab 1701 Rechtfertigung für dieses unmenschliche Preußen von 1684-1717/20 zwecks Erwerbs von Sklaven Wirtschaftssystem. Indem man Gruppen von Menschen an der Goldküste (heutiges Ghana) präsent (dazu siehe systematisch dehumanisierte, meinte man weiterhin auch den Beitrag von Tina Adomako ab Seite 16). Mit „gute/r Christ*in“ bleiben zu können: Die Tauschwaren beladene Schiffe verließen auch den damals Unmenschlichkeit – so die menschenverachtende „Logik“ dänischen Flensburger Hafen, um diese an Afrikas Küsten – richte sich ja schließlich nicht gegen Menschen. Damit 4 www.eine-welt-netz-nrw.de
gewann auch die Selbstbezeichnung „weiß“ (als Gegenpol zu „Schwarz“), die es vorher zwar gab, aber nicht von hierarchisierender Bedeutung war, an entscheidender Relevanz.3 Rassistische Beschreibungen Schwarzer Menschen aus Zeiten vor dem Schwarzwerden der Sklaverei dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Aspekte wie Religion das Selbstbild weißer Menschen bis dahin bestimmten. Erst mit dem Entstehen der westlichen Welt änderte sich dies. Die Idee eines ethnisch homogenen Nationalstaats war somit überhaupt erst möglich geworden. Beides, also zum einen der entstandene „moderne“ Die Anhäufung von Kapital in bis dahin nie dagewesenem Rassismus, der die Verbreitung einer Nationalstaatidee Maße schuf die Voraussetzung für die Industrialisierung begünstigte, sowie zum anderem die Industrialisierung wesentlich mit. Mit diesem Kapital wurde sozusagen die und damit verbundene neue Interessen, ermöglichte eine nächste „Entwicklungs“4-Stufe finanziert. Nicht zufällig neue Phase des Kolonialismus. Diesmal war Deutschland begann diese dort, wo man Jahrhunderte die Nase vorn von Beginn an offiziell beteiligt. Insbesondere die hektisch hatte im Geschäft mit Sklav*innen aus Afrika bzw. ihren betriebene Aufteilung Afrikas, deren Höhepunkt die Nachfahren in den Plantagengesellschaften der Amerikas: Berliner Afrika-Konferenz 1884/85 darstellte, ist an 1769 sorgte die erste taugliche Dampfmaschine in dieser Stelle zu nennen. Sie wäre ideologisch ohne den Großbritannien dafür, dass die Abhängigkeit von zuvor entstandenen Glauben an eine „Rassenhierarchie“ Muskelkraft nach einer Übergangsphase allmählich und ökonomisch ohne die mit der einsetzenden abnahm, womit Sklav*innenökonomien zum Auslaufmodel Industrialisierung nötig gewordene Sicherung von wurden. Von der Industrialisierung, die mit der Rohstoffen und Absatzmärkten kaum denkbar. Tragisch Textilindustrie begann, profitierte auch und gerade (bis heute): Möglicherweise wäre der „moderne“ Deutschland. Ohne die Baumwolle aus den USA, die bis in Rassismus, der sich im 17. Jahrhundert allmählich den US-amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) hinein entwickelte und sich bis ins späte 19. Jahrhundert durch Sklav*innenarbeit erzeugt wurde, wäre diese frühe weitestgehend in weißen Gesellschaften etabliert hatte, Phase der Industrialisierung kaum denkbar. Wichtig: Es nach Abebben des transatlantischen Versklavungshandels gab keinen alternativlosen Automatismus à la zu einem Auslaufmodel geworden. Tatsächlich blieb er „Sklavenökonomie = Kapitalanhäufung = aber zum einen weiter nützlich, weil man nun eine Industrialisierung“. Die Versklavungsökonomien Legitimation für den Zugang zu den Rohstoffen Afrikas Lateinamerikas industrialisierten sich etwa im Gegensatz (und anderen Kontinenten) brauchte (Stichwort: zu den USA kaum (die Gründe hierfür u.a. in aller Kürze: „Zivilisierungsmission“) und zum anderen angesichts der Langfristig machten die Investoren, die in Sklavenhandel im Zuge der Industrialisierung verelendenden und -ökonomie investierten und nicht die Arbeiter*innenmassen und den damit verbundenen Sklavenökonomien selbst das Rennen. Erstere konnten sozialen Spannungen ein doppeltes Ventil brauchte: Kapital in neue Ökonomien investieren, nachdem die Einerseits schuf man so über die Hautfarbe ein einendes Sklaverei Auslaufmodel geworden war; die (Nordstaaten (Pseudo-)Band zwischen weißen Eliten und Proletariat, das der) USA waren hier eher mit Europa vergleichbar. sich immerhin noch gegenüber Nicht-Weißen überlegen Letztere – also die unmittelbar auf Sklav*innenarbeit fühlen durfte, etwa indem ihm bei Völkerschauen5 das beruhenden Ökonomien – verloren ihre wirtschaftliche Gefühl der eigenen vermeintlichen Überlegenheit Grundlage.) vermittelt wurde. Auch Kolonialwaren, die oft mit rassistischer Werbung angepriesen wurden, gaben Konsument*innen das Gefühl vermeintlicher Überlegenheit.6 Andererseits dienten Kolonien auch als Ventil, um den einsetzenden Bevölkerungsdruck im „Mutterland“ zu regulieren. Viele Menschen, die es in den Kolonien „zu etwas brachten“, waren vorher eher erfolglos und entbehrlich. 5
Tatsächlich durchführbar wurde diese Kolonialisierung Kamerun (umfasste zeitweise auch Teile der heutigen aber auch und gerade durch die Situation in Afrika, die der Staaten Gabun, Republik Kongo, Nigeria, Tschad und transatlantische Sklavenhandel zuvor schuf. Relativ Zentralafrikanische Republik) und Deutsch-Ostafrika wenige profitorientierte afrikanische Akteur*innen, die an (heute: Tansania, Ruanda, Burundi sowie Teile des der größten Zwangsmigration der Geschichte über die nördlichen Mozambique) sowie im pazifischen Raum (Teile Jahrhunderte gut mitverdienten, förderten durchweg eine des heutigen Papua-Neuguineas sowie Inseln u. (Teile Destabilisierung in politischer, ökonomischer und sozialer von) Inselgruppen im Pazifik), wo deutsche Akteure Hinsicht. Immerhin verlor der Kontinent dadurch eigeninitiativ Tatsachen schufen. So auch der später im schätzungsweise 60 Millionen Menschen in etwa 400 Deutschen Kaiserreich aufgrund seiner Brutalität Jahren. Dies schwächte Afrika als Ganzes so sehr, dass gegenüber Afrikaner*innen als „Hänge-Peters“ die Kolonialisierung recht leicht durchführbar war. Zwar bezeichnete Carl Peters, der ganz klar formulierte, dass es gab es auch immer Widerstand. Der wurde aber mit dem am Ende um „die rücksichtslose und entschlossene immer größer werdenden Machtgefälle aussichtsloser. Bereicherung des eigenen Volkes auf anderer Der transatlantische Sklavenhandel verschob das schwächerer Völker Unkosten“ gehe. Durch Schutzbriefe Machtgefälle zugunsten der damit entstehenden übertrug das Deutsche Reich den privaten Akteuren die christlich-abendländischen Welt und zum Nachteil Afrikas, Organisation von Handel und Verwaltung vor Ort. weiter Teile Asiens, aber auch zum Nachteil des Kiautschou in China wurde erst spät (1897/98) erworben. vorkolumbianischen Amerikas und anderer Dabei handelte es sich in vielfacher Hinsicht um einen Weltgegenden. Trotz einer verhältnismäßig marginalen Sonderfall, auch deshalb, weil es ein Pachtgebiet war, das Beteiligung Deutscher während des transatlantischen nicht über das Auswärtige Amt bzw. später über das Sklavenhandels und den damit verbundenen Ökonomien Reichskolonialamt, sondern über das Marineministerium muss klar gesagt werden: Die daran primär beteiligten verwaltet wurde. Mächte ebneten auch Deutschland den Weg zur Besonders Aufstände in verschiedenen deutschen Kolonialmacht – wenngleich dies sicherlich nicht ihr Ziel Kolonialgebieten, die durch eine zunehmende gewesen war. Bevormundung der ansässigen Bevölkerung ausgelöst wurden, bewirkten ein immer direkteres Eingreifen des Die deutsche Kolonialzeit Deutschen Reichs. Bezogen auf Afrika sind in diesem Nachdem das Deutsche Reich 1871 gegründet worden Kontext vor allem zwei Aufstände zu nennen, die war, wurde in Teilen der Gesellschaft der Ruf nach Deutschland zum Handeln „zwangen“. Kolonialbesitz lauter. Diesem beugte sich schließlich auch Reichskanzler Otto von Bismarck, der ursprünglich an Widerstand in den Kolonien informellere (und damit billigere) Formen globaler Das damalige Deutsch-Südwestafrika war die einzige Einflussnahme zwecks Sicherung handelspolitischer richtige Siedlerkolonie Deutschlands. Siedlerkolonien Interessen gedacht hatte. Dabei wurde die deutsche entstehen in der Regel nur da, wo für Europäer*innen Politik zunächst oftmals vor vollendete Tatsachen gestellt klimatisch als geeignet erachtete Bedingungen herrschen. und geriet unter „Zugzwang“. Dort wurden 75 Prozent des Landes den Deutschen zugesprochen. Die Rinderpest von 1896/97 raffte vor allem das Vieh der ortsansässigen Bevölkerung dahin und beschleunigte die Verschuldung und die Verelendung der anfangs zum Teil mit den Deutschen kooperierenden Bevölkerungsgruppen vor Ort. Die Siedler*innen selbst konnten ihr Vieh weitestgehend durch Impfungen retten. So im Falle Deutsch-Südwestafrikas (heute Namibia), wo Darauffolgende Dürren, Epidemien sowie die der Bremer Kaufmann Lüderitz zuvor auf der Grundlage Bekanntgabe der Reservatgrenzen für die afrikanische betrügerischer Verträge Land von lokalen Autoritäten Bevölkerung 1903 lösten zusammen mit dem erworben hatte. Nach seinem Bitten wurde das Land Eisenbahnbau, der immer mehr Siedler*innen ins unter „Reichsschutz“ gestellt. Ähnlich verlief es auch in Landesinnere lockte, Anfang 1904 einen Aufstand der den meisten anderen Fällen in Afrika (neben Namibia Herero aus. Der Anführer Samuel Maharero kämpfte nun Togo (umfasste auch Teile des heutigen Ghanas), gegen die Deutschen. Nachdem der in zahlreichen 6 www.eine-welt-netz-nrw.de
Kriegen erprobte Lothar von Trotha den Gouverneur dagewesene Opferzahlen forderte, sollten breite Teile der Leutwein ablöste, begann ein Krieg, der sich zu einem Bevölkerung schnell am eigenen Leib erfahren.7 Vernichtungsfeldzug entwickelte. Nachdem die systematische Entwaffnung der Bevölkerung vor Ort bereits ab 1904 für Unmut sorgte, gipfelte die Unzufriedenheit mit der deutschen Kolonialherrschaft schließlich 1905 in der Erhebung vieler Gruppen gegen die Deutschen. Letzter Auslöser waren neue gesetzliche Regelungen: Zum einen sollte die Hütten- durch eine Kopfsteuer ersetzt werden, was den Abgabedruck weiter steigerte. Wer nicht zahlen konnte, Von Trotha selbst beschrieb den Krieg als „Rassenkampf“. musste arbeiten, um die Steuerpflicht zu begleichen. Die Nama beteiligten sich unter Führung von Hendrik Zudem wurde eine Regelung getroffen, die alle Männer Witbooi ab Herbst 1904 ebenfalls am Aufstand gegen die generell zu 28 Tagen Zwangsarbeit pro Jahr zusätzlich Kolonialmacht. Militärische Gewalt und Vertreibung in verpflichten sollte. Um das alles vor Ort kontrollieren zu unwirtliche Gebiete – namentlich das Abdrängen der können, wurden oftmals ortsfremde „Dorfvorsteher“ – oft Herero in die Omaheke-Wüste forderten am Ende – arabischer Herkunft – als verlängerter Arm der 1908 – je nach Schätzungen bis zu 100.000 Tote auf Kolonialmacht installiert. Zur Zeit der anstehenden afrikanischer Seite. Etwa vier von fünf Toten waren Baumwollernte begann der Aufstand. Zuvor gelang es Herero, der Rest Nama. Es wurde schätzungsweise die dem Prediger Kinjikitile Ngwale den Glauben zu streuen, Hälfte der Bevölkerung vor Ort vernichtet. Auf deutscher dass diejenigen, die das Wasser des Flusses Rufiji trinken Seite waren am Ende 1750 Opfer zu beklagen. Welches oder mit sich tragen, unverwundbar würden. Daher auch andere Wort als Völkermord wäre also sonst angemessen, der Name des Aufstands „Maji Maji“; auf Kiswahili um die damaligen Vorgänge zu beschreiben? Bis heute bedeutet Maji Wasser. Nicht alle kämpften jedoch gegen streiten Historiker*innen darüber. Fakt ist: Spätestens die Deutschen. Unter anderem warb die Kolonialmacht diese Vernichtungspolitik ebnete den deutschen zumeist ortsfremde, sogenannte Askaris an, die als Siedler*innen den Weg zur effektiven Besitznahme des Schutztruppe zusammen mit anderen Bevölkerungsteilen ihnen zugesprochenen Lands. An diesen aufseiten der Deutschen kämpften. Am Ende spricht man Besitzverhältnissen hat sich bis heute (!) kaum etwas von 300.000 Opfern. Diese Zahl umfasst auch die Opfer geändert. einer gezielten Politik der verbrannten Erde durch die Deutschen. Viele verhungerten. Zum Vergleich: Auf Das damalige Deutsch-Ostafrika unterschied sich in deutscher Seite starben (ohne afrikanische vielerlei Hinsicht grundlegend vom heutigen Namibia. Es Kollaborateure) 15 Menschen. 1908 löste sich der letzte lebten dort schätzungsweise nahezu 40-mal so viele Widerstand auf. Die Entvölkerung ganzer Landstriche Menschen wie in Deutsch-Südwestafrika. Zudem gab es führte zum Teil dazu, dass sich Wildtiere wieder in dieser Region schon seit Jahrhunderten ausbreiten konnten, auch in Gebieten, die der brutale transkontinentale Handelsnetzwerke und insbesondere an Kolonialakteur Hermann von Wissmann bereits Ende des den Küsten Städte, wo Kulturen seit Jahrhunderten 19. Jahrhunderts zwangsentvölkerte und zu verschmolzen. Der hohe Lehnwortschatz aus dem Wildtierreservaten erklären ließ. Wer heute also in Arabischen im Kiswahili (dt.: die Sprache der Tansania auf Safari ist, sollte sich bewusst sein, dass es Küstenbewohner) verdeutlicht dies. Romantisiert werden sich nicht immer um das „ursprüngliche, unberührte soll diese Epoche keinesfalls: Auch in diesem Kontext war Afrika“ handeln muss, das sie / ihn gerade umgibt. das Verhältnis oftmals eines von Herrschern und „Serengeti durfte“ also schon während der deutschen Beherrschten. Diesen Umstand nutzten nicht zuletzt die Kolonialzeit „nicht sterben“, während für die Bevölkerung europäischen Kolonialmächte aus, um die Errichtung ihrer andere Maßstäbe galten.8 Herrschaft zu rechtfertigen. Der vermeintliche Kampf Auch in anderen Gebieten gab es Widerstand. Und: gegen den innerafrikanischen, oftmals von arabischen Neben den beiden großen Aufständen gab es durchweg Händlern dominierten Sklavenhandel, diente vielfach als immer wieder kleinere und regional beschränkte Vorwand, um aktiv zu werden. Dass Zwangsarbeit unter Aufstände in allen überseeischen Besitzungen. Wer sich europäischer Herrschaft bestehen blieb und zum Teil nie auf das deutsche Recht berief, um zugefügtes Unrecht 7
wie etwa Enteignungen und Zwangsarbeitsregelungen Interessen der Kolonialmacht zu unterstützen. Die rückgängig zu machen, bekam schnell zu spüren, dass Reformen des 1907 gegründeten Reichskolonialamts dieses Recht nicht für nicht-weiße koloniale Untertanen scheiterten in der Praxis jedoch weitestgehend aufgrund galt. Rudolf Manga Bell aus Kamerun ist hier ein kurzsichtiger, primär ökonomischer Interessen. In prominenteres Beispiel: Aus königlicher Familie stammend Deutsch-Südwestafrika erreichte der Zustrom an und zum Teil in Deutschland lebend, bezahlte er seinen Siedler*innen nach dem Völkermord neue Dimensionen, Kampf gegen Willkürherrschaft, Arbeitszwang und wodurch eine Rückkehr zum vorkolonialen Status quo Enteignungen mit seinem Leben. Wenige Tage nach unmöglich wurde. Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er hingerichtet. Trotz aller Versuche, Gewinne aus den Kolonien zu ziehen, blieb das Handelsvolumen überschaubar. Das Volumen der Ausfuhren aus den Kolonien in Richtung Deutsches Reich betrug mit 0,5 Prozent sogar nur die Hälfte der Exporte, die von Deutschland in die deutschen Kolonien gingen. Afrika verließen damals vor allem agrarische Erzeugnisse wie Kaffee, Kakao, Baumwolle oder Kautschuk, während Bodenschätze kaum eine Rolle spielten – mit Ausnahme von Deutsch-Südwestafrika, wo Das Recht galt also nur dann, wenn es den (Erwerb von) ab 1908 Diamanten abgebaut wurden. In die Kolonien Besitzstand und die Wahrung von Privilegien absicherte. gingen unter anderem Alkohol, Waffen, Textilien sowie Am Ende galt folgender in jener Zeit durch einen Briten Baumaterialien. Das Handelsvolumen wuchs aber nach geäußerte Satz: „Whatever happens, we have got / the der Kolonialzeit weiter – bis heute. Viele weitere Maxim Gun, and they have not“, der die ungleichen Rohstoffe bzw. Produkte kamen hinzu. Kräfteverhältnisse veranschaulicht. Die Politik der totalen Aber auch in anderer Hinsicht versuchte man zu Vernichtung oder Unterwerfung mit allen Mitteln wurde profitieren, so beispielsweise in der Medizin: An den von oberster Stelle abgesegnet, wie etwa Kaiser Wilhelms kolonialen Untertanen wurden Experimente mit II. „Hunnenrede“ anlässlich des Aufstands in China Krankheitserregern durchgeführt. Auch Robert Koch – („Boxeraufstand“) 1900 verdeutlicht: „Wie vor tausend spätestens seit der Corona-Pandemie 2020 auch in der Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen breiten deutschen Öffentlichkeit wieder ein Begriff – Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung nutzte diese Situation aus, nachdem solche gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland Menschenversuche kurz zuvor in Deutschland selbst in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass verboten worden waren. niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 gingen außer Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Dass des Kaisers Deutsch-Ostafrika alle Kolonien schnell verloren. Dort damaliger Satz überholt ist, versteht sich von selbst. Kein kämpfte Lettow-Vorbeck mit überwiegend afrikanischen anderer Staat der Welt trägt zurzeit mehr zum Truppen bis zur deutschen Kapitulation 1918. Die später Bedeutungsverlust der transatlantischen, christlich- auch von den Nazis benutzte „Dolchstoßlegende“, nach abendländisch dominierten Welt bei als China; sein der eine verräterische Politik die Kapitulation Reiterstandbild etwa auf der Kölner Hohenzollernbrücke unterschrieben hatte, obwohl man im Kampf unbesiegt wird auch von einer wachsenden Zahl chinesischer gewesen sei, wurde auch durch diese letzten militärischen Geschäftsleute und Tourist*innen fotografiert. „Erfolge“ Deutschlands begründet. Von den Aufständen zum Verlust der Kolonien Koloniale Kontinuitäten in den ehemaligen Kolonien Die Niederschlagung der Aufstände machte „den Weg Das defizitäre Bild des Globalen Südens, vor allem Afrikas, frei“, um die Kolonialgebiete effektiver zu beherrschen. liefert auch heute noch vielfach die Rechtfertigung für Zwar versuchte man auch Lehren aus den Aufständen zu unser dortiges Engagement, das unter dem Strich vor ziehen. So sollte der Umgang mit der Bevölkerung vor Ort allen – wenn auch nicht ausschließlich – der maßvoller und humaner werden, getreu dem Motto: Eine Aufrechterhaltung ökonomischer und relativ zufriedene und friedliche Bevölkerung kann einen (sicherheits)politischer Interessen dient. Je stärker die größeren Beitrag dazu leisten, die ökonomischen Meinung weiter vorherrscht, dass etwa Afrika 8 www.eine-welt-netz-nrw.de
geschichtslos und unfähig zu „Entwicklung“ aus eigener vulnerabler Gruppen, die auch eine wachsende Kraft sei, desto leichter kann auch eine ehemalige wirtschaftliche Unabhängigkeit umfassen muss, ist Kolonialmacht dort weiterhin mit Billigung (oder langfristig Garant für unsere eigene Resilienz. Da dies nur zumindest der Gleichgültigkeit) der breiten Masse seiner unzureichend geschieht und eine Feigenblattpolitik Bürger*innen aktiv sein. Im Übrigen strahlt dieser beherztes Handeln oft ersetzt, drängt sich einem defizitäre Blick auf Afrika (und andere Weltgegenden) zumindest folgender Verdacht auf: Ein zu eigenständiges auch potentiell immer wieder auf nicht-weiße Deutsche und sich tatsächlich auf Augenhöhe befindendes Afrika aus. So gesehen kann beispielsweise ein starkes Afrika stellt eine Gefährdung einer vielfach historisch indirekt dazu beitragen, dass auch Schwarzen Deutschen, begründeten Mächtekonstellation dar. (Wachsende die mit Afrika teilweise gar nichts zu tun haben, langfristig handelspolitische Aktivitäten neuer globaler Mächte in öfters auf der so oft bemühten Augenhöhe begegnet Afrika und anderswo gehören im Übrigen zu diesem wird. „Bedrohungsszenario“ ebenfalls dazu.) Würde eine kritische Bevölkerungsmehrheit das defizitäre Bild von Afrika und Co. ernsthaft infrage stellen, wären viele unfaire Handelspraktiken oder andere Formen der Einflussnahme in dortige politische und gesellschaftliche Prozesse in ihrer aktuellen Form nicht mehr denkbar. Umgekehrt stehen aber auch viele Menschen in den ehemaligen Kolonien einer Überwindung der für sie Eine vielfach in der Kolonialzeit eingefädelte „globale nachteiligen Situation im Weg: Denn negative Arbeitsteilung“, in der sich vereinfacht gesprochen auf der Fremdzuschreibungen werden tendenziell mit einen Seite das Kapital und die weiterverarbeitende und fortschreitender Zeit auch zu Selbstzuschreibungen und wertschöpfende industrielle Produktion und auf der -beschränkungen. Die Kultivierung eines neuen anderen Seite die Lieferanten möglichst unverarbeiteter kollektiven Selbstbewusstseins ist daher mindestens Rohstoffe für die Industrie befinden, besteht im Kern bis genauso wichtig, wie eine Überwindung historischer heute vielfach fort. Unfaire Handels- und Zollpolitiken Rollenzuschreibungen in rein ökonomischer Hinsicht. Nur zementieren diese Rollenzuschreibungen vielfach. Diese wenn immer mehr Afrikaner*innen davon überzeugt sind, emissionsintensive Wirtschaftsweise ist auch dass sich ihre Zukunft in Afrika abspielt, kann auch in Hauptverursacher des menschengemachten dieser Hinsicht der lange Schatten der Kolonialzeit Klimawandels, von dessen Folgen insbesondere überwunden werden. Das wird übrigens in der Agenda Menschen im Globalen Süden betroffen sind. Während 2063 der AU (Afrikanische Union) auch ausdrücklich einerseits die Wüste auf dem Vormarsch ist – etwa im festgehalten: Damit Afrika das koloniale Erbe überwinden Sahel, werden andererseits Menschen vom steigenden kann, bedarf es nicht nur einer ökonomischen Meeresspiegel und Küstenerosion bedroht. Dass viele Entwicklung, die den Kontinent unabhängiger von Menschen, deren strukturelle Perspektivlosigkeit nun externen Zwängen macht; auch bedarf es einer neuen durch die Degradierung der Umwelt weiter zunimmt, auf Geisteshaltung – in der Agenda Panafrikanismus und der Suche nach Perspektiven ihre Heimat verlassen, muss African Renaissance genannt. Dieses Umdenken ist auch als Folge des Kolonialismus betrachtet werden. Der Grundlage dafür, dass alle anderen politischen, Platz an der Sonne, den der Globale Norden zumindest ökonomischen und ökologischen Ziele der Agenda 2063 auf der obersten politischen und ökonomischen Ebene, eine Chance auf Realisierung haben. der Makroebene – noch – besitzt, stellt andere in den Schatten. Anstatt dies anzuerkennen, schürt nicht nur die Von großen Teilen der derzeitigen Eliten vor Ort ist hier rechte Politik vielfach Ressentiments gegen Geflüchtete jedoch zurzeit kaum mehr als Rhetorik zu erwarten. Denn und illegalisiert sie zusehends. Dabei wäre es nicht nur zu sehr profitieren sie nach wie vor von dieser „globalen moralisch geboten, dass wir in die Widerstands- und Arbeitsteilung“: Ihre Rolle als Rohstofflieferant hat viele Anpassungsfähigkeit verwundbarer Gruppen vor Ort Vorteile. Während politische Eliten in Gesellschaften, in investieren, sodass diese angemessen auf denen verarbeitende Industrien dominierend sind, in der Herausforderungen reagieren können. Die Resilienz Regel durch demokratische Wahlen legitimiert werden 9
müssen, können primär Rohstoffe exportierende Länder Menschen – also im Wesentlichen von unten bzw. von bzw. die dortigen Eliten am Volk weitestgehend den Akteur*innen, die nicht vom Status quo profitieren vorbeiregieren – ohne tatsächlich demokratisch legitimiert (wollen) – erfolgen. Eine tatsächliche Dekolonisation, die zu sein. Europäische Eliten benötigten im Übrigen auch mehr als die formelle politische Unabhängigkeit lange keine demokratische Legitimation. Langfristig schuf ehemaliger Kolonien bedeutet, liegt also zu einem guten aber die Industrialisierung eine mit zunehmender Teil in ihren Händen. Und hier können wir etwa als Kaufkraft ausgestattete Konsument*innenschicht, die organisierte Zivilgesellschaft einschließlich der einen auf Steuerzahlungen fußenden Staat ermöglichte zunehmend organisierten Diasporaakteur*innen sicher und an politischem Gewicht gewann. An ihr konnte immer aufgrund unserer relativ großen Freiheiten und Freiräume weniger vorbeiregiert werden. Aber für die meisten – ohne Besserwisserei und Paternalismus – dazu afrikanischen Eliten besteht kein Zugzwang, ihre Länder beitragen, die Zivilgesellschaft vor Ort flankierend zu zu industrialisieren – mit allen erwähnten möglichen unterstützen, ob inhaltlich, personell oder finanziell. Denn Konsequenzen, die sie womöglich Macht und Einfluss so sehr das beschriebene, historisch bedingte „Big kosten würden. Der defizitäre Blick auf Afrika schadet Picture“ mit seinen „Rollenzuschreibungen“ nach wie vor diesen Eliten nicht. Der Rassismus des kleinen weißen besteht, so sehr wollen immer weniger Menschen bei uns Mannes (und Frau) etwa, der möglicherweise in eine derart degenerierte globale Schieflage akzeptieren – Deutschland am Existenzminimum lebt, bedroht ihr ganz gleich, ob man von ihr zurzeit profitiert. Getreu der Luxusleben nicht. Solange man eine/n solche/n Intention der Sustainable Development Goals, die bis Politiker*in nicht in einer Nacht- und Nebelaktion aus 2030 unter dem Strich Ungleichheit innerhalb und dem Präsidentenpalast entführt, zusammen mit Menschen zwischen Staaten möglichst umweltverträglich und der weit weniger privilegierten Masse seiner eigenen nachhaltig verringern wollen, könnte hier ein globales Bevölkerung ins nächstbeste „Flüchtlingsboot“ setzt und Experiment von unten gestartet werden, wenn der Wille in Europa persönlich mit dem Rassismus konfrontiert, den dazu auf allen Seiten da ist. Längst organisieren sich viele „seiner Leute“ tagtäglich – ob Geflüchtete/r oder in sowohl im Globalen Süden als auch im Norden immer bester beruflicher Position – zu erdulden haben, wird mehr oftmals junge Menschen gegen Ausbeutung, diese Person wohl eher am Status quo festhalten. Da Menschenrechtsverletzungen, Rassismus und dieser Typ Politiker*in auch nicht die erwähnte „globale Umweltzerstörung. Hier machen u.a. Bewegungen wie Arbeitsteilung“ infrage stellt, droht ihm auch von außen „Fridays for Future“ oder aber auch die verbreitete keine Gefahr – anders als bei der bisher recht Solidarität weißer Menschen nach der Ermordung des überschaubaren Zahl afrikanischer Hoffnungsträger, die Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen sich nicht selbst bereichern, sondern das koloniale Erbe Polizisten in den USA am 25. Mai 2020 Mut. In Afrika überwinden wollten. Letztere waren oft so schnell weg, selbst formieren sich auch immer mehr potentielle wie sie gekommen waren; wir als Globaler Norden hatten Change Makers. Das staatenübergreifende Netzwerk dabei nicht selten unsere Hände im Spiel. „Africans Rising“ sei hier beispielhaft genannt. Was einzelnen Hoffnungsträgern wie Patrice Lumumba, Thomas Sankara oder aber auch Nelson Mandela in Afrikas postkolonialer Geschichte nicht wirklich gelang – die tatsächliche Überwindung des kolonialen Erbes – erzwingt vielleicht eine Masse, deren Köpfe zu zahlreich sind, als dass man sie alle abschlagen könnte. Koloniale Kontinuitäten in Deutschland Die Dekolonisierung in den Köpfen vieler Menschen in Die Masse der afrikanischen Bevölkerung profitiert im Deutschland ist noch nicht abgeschlossen. Ein Beispiel: Gegensatz zu etablierten Eliten jedoch nicht von einer Das Entfernen oder Umwidmen historisch belasteter „globalen Arbeitsteilung“, die strukturelle Kolonialdenkmäler oder Straßennamen gestaltet sich bis Perspektivlosigkeit zementiert. Eine afrikanische heute trotz aller Fortschritte zäh. Die weltweiten Proteste Renaissance in psychologischer und ökonomischer nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd Hinsicht muss daher maßgeblich über die Masse der haben auch in Deutschland die Diskussion um Rassismus 10 www.eine-welt-netz-nrw.de
und das koloniale Erbe befeuert. Bundesweit haben Idee einer ethno-kulturellen Identität, die ehern an Postkolonial-Initiativen und -Vereine nun möglicherweise nationale Zugehörigkeit gebunden ist, kann nur mehr Gehör und Einfluss als jemals zuvor, um den funktionieren, wenn man einen Moment oder einen klar weiteren Umgang mit belasteten Denkmälern und umrissenen Zeitraum einfriert und verabsolutiert; viel Straßennamen zu diskutieren. eher handelt es sich bei der Verbindung von ethnischen Ein konkreter Vorschlag: 2019 verstarb der Afrodeutsche und kulturellen Eigenschaften um eine Beziehung auf Theodor Wonja Michael 94-jährig in Köln. Dieser Mann, Zeit. Salopper: „Biodeutsche“ hat es nie gegeben und wird der unter anderem den Spiegelbestseller „Deutsch sein es auch nie geben. und Schwarz dazu“ schrieb, überlebte den Wichtiger als die Umbenennung von Straßen etc. sowie Nationalsozialismus und setzte sich bis zu seinem Tod für die zunehmende Ächtung politisch unkorrekter, historisch ein Deutschland ein, das Hautfarbenhierarchien endlich belasteter Begriffe ist die Überwindung einer globalen überwindet. Es stehe schließlich nicht im Grundgesetz, Schieflage, die vielfach Resultat der oben angerissenen wie ein Deutscher auszusehen habe, so Michael in der Geschichte ist. Wenn sich an der Mächtekonstellation Deutsche Welle-Produktion „Afro.Deutschland“. In ganz zwischen Nord und Süd wenig oder gar nichts ändert und Deutschland gibt es Straßen und Plätze, die einen neuen in unserer Gesellschaft etwa Vorbehalte gegen Namen gebrauchen könnten. Menschen, die aufgrund ihres von der sogenannten Mehrheitsgesellschaft abweichenden Aussehens oft nicht als integraler Bestandteil der Gesellschaft angesehen werden, weiterbestehen, dann helfen auch Umbenennungen und das zunehmende Verwenden politisch korrekter Begrifflichkeiten wenig. Wenn beispielsweise ein – oft unterbewusster – struktureller Rassismus ausschließende Mechanismen etwa im Bereich von Bildungs- und Berufschancen, bei der Wohnungssuche oder aber im Bereich von gesellschaftlicher und politischer Partizipation aufrechterhält, dann können sich die marginalisierten Gruppen am Ende des Tags wenig davon kaufen (oftmals im wahrsten Sinne des Wortes), dass herabsetzende Begriffe zunehmend verschwinden und durch bessere ersetzt werden. Die bei einigen Aktiven verbreitete Argumentation, dass ein veränderter Sprachgebrauch der Veränderung tatsächlicher Sachverhalte vorausgeht, ist sicherlich bis zu einem gewissen Punkt richtig. Aber die Eine Theodor-Wonja-Michael-Straße beispielsweise im Konzentration auf Sprache birgt eine Gefahr: Ein deutlich Kölner „Afrika-Viertel“ im Stadtteil Nippes wäre eine gute veränderter Sprachgebrauch könnte im schlimmsten Fall Weiterführung eines Prozesses der Umwidmung sogar der Illusion Vorschub leisten, dass sich der belasteter Orte zugunsten Schwarzer Deutscher (und Sachverhalt – also ungleiche Machtverhältnisse und die zugunsten von Vertreter*innen anderer marginalisierter damit verbundenen Benachteiligungen marginalisierter Gruppen). Das würde zeigen, dass Deutschland begriffen Gruppen – automatisch verändert habe. Dann bestünde hat, dass Schwarze Menschen nicht erst mit „dem letzten die Gefahr, zu meinen, man könne das Engagement Flüchtlingsboot“ hierhergekommen sind, sondern viele vorzeitig herunterschrauben oder gar beenden, obwohl schon längst Deutsche sind. Eine solche neue sich im Wesentlichen „nur“ der Sprachgebrauch, nicht Erinnerungskultur hätte Deutschland dringend nötig, auch aber der Sachverhalt verändert hat. Nutzen tut das auch weil die Demografie Fakten schafft, die das Trugbild eines und gerade denen, die an einer Wahrung des Status quo weißen Deutschlands mit jedem Tag fragwürdiger machen. interessiert sind. Sie lernen dann im Zweifel „brav“ den Die Illusion, dass eine Nationalität quasi per Genetik an geänderten Sprachgebrauch, ohne dass es in ihren Köpfen eine Ethnie, also somit auch wesentlich an äußerliche zwangsläufig zu einem grundsätzlichen Umdenken Merkmale gebunden ist, wird zunehmend obsolet. Die kommen muss. 11
Rassismus war nie menschlich. Heute aber macht er auch ökonomisch für immer weniger Weiße Sinn. Heute machen strukturelle Ausbeutung und Perspektivlosigkeit vor immer weniger Gruppen halt. Das Zu Rassismus gehört aber nicht nur die künstliche ist die Logik eines strikt auf Wirtschaftswachstum Abwertung Nicht-Weißer, sondern auch – und das wird ausgelegten Systems, dessen Hauptziel die stetige seltener thematisiert – die ebenso künstliche Aufwertung Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist. Wer heute Weißer. Dass Rassismus entstand, um inhumane noch zu den „Gewinner*innen“ gehört, kann morgen Ökonomien abzusichern, wurde angerissen und ist relativ schon „Verlierer*in“ sein. Der große zeitgenössische bekannt und unumstritten. Aber die Dehumanisierung Denker Achille Mbembe spricht in diesem Zusammenhang Nicht-Weißer verfolgte auch ein weiteres Ziel, was auch von der „conditio nigra“ und meint mit „Neger“ und gerade heute wieder aktuell ist: Es ging auch stets keineswegs einen Menschen afrikanischer Herkunft darum, den kleinen weißen Mann (und Frau) im Zaum zu (wofür das Wort auch nicht mehr verwendet werden soll, halten: Schon in den Amerikas des 17. Jahrhunderts da klar rassistisch), sondern beschreibt vielmehr einen Typ verhinderte Rassismus eine Verbrüderung der Arbeiter*in, der in einer globalisierten Ökonomie auf der Ausgebeuteten etwa in den frühen Plantagenökonomien untersten Stufe steht und nicht einmal mehr als über Hautfarbengrenzen hinweg (am Anfang war Konsument*in gebraucht wird. Dieser Typus entwickelte Zwangsarbeit dort nicht Schwarz). Zur Beruhigung warfen sich zwar maßgeblich in der Zeit des transatlantischen Eliten den kleinen Weißen ein paar materielle und / oder Versklavungshandels. Das System wuchs und wächst aber psychologische „Extra-Happen“ zu. Damit lenkten sie auch seit dem Ende dieser Epoche weiter und erfasst schon damals Wut und Unzufriedenheit von sich selbst weltweit immer mehr Menschen, die in der Definition ab. Ähnliches geschah auch – wie weiter oben Mbembes als „Neger“ bezeichnet werden müssen. Der beschrieben – im Zeitalter der Industrialisierung. Und kleine weiße Mann (und Frau) also, der sich de facto längst heute werfen Trump, Le Pen, AfD und Co. ihrer Klientel in der „conditio nigra“ befindet (oder auf dem Weg dahin), wieder Happen zu. Nur: Die Happen, die ohnehin immer muss einem (fast) schon leidtun. Nur weil er / sie aktuell öfters rein psychologische sind, dürfen nicht darüber noch konsumieren kann – wenn auch immer öfters nicht hinwegtäuschen, dass die wachsende Zahl kleiner weißer durch den Lohn der eigenen Arbeit, sondern durch Leute weltweit dadurch nicht wirklich besser dasteht. Das staatliche Unterstützung und mit zunehmender ist vergleichbar mit dem Placebo-Effekt: Menschen bilden Verschuldung – kann dennoch nicht darüber sich „nur“ ein, dass es ihnen bessergeht oder zumindest, hinweggetäuscht werden: Sie haben keinen Platz an der dass sie besser als Nicht-Weiße sind bzw. ihnen mehr Sonne – trotz relativer materieller und psychologischer zustünde. Das „nur“ übrigens deshalb, weil wir alle wissen, Privilegien. Ihre Arbeit ist in einem zunehmend auf dass sich mit Einbildung Politik machen lässt. Der Einsparung von Produktionskosten ausgelegten System zu Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht nur Teile der teuer geworden. Mit dem Geld, das sie zum Konsumieren kleinen Weißen den Populist*innen auf den Leim gehen, vom Staat monatlich überwiesen bekommen, kaufen sie sondern Menschen aus allen sozialen Schichten. Je mehr Waren, die oft unter unmenschlichen Bedingungen die Struktur, die weiße Privilegien bestätigt, jedoch anderswo oder in Deutschland selbst erzeugt worden sind erodiert (und das tut sie, wie nicht zuletzt der globale und tragen somit zur Funktionsweise eines Aufstieg nicht-weißer Mächte zeigt), desto weniger wird Wirtschaftssystems bei, das das BIP-Wachstum als dieses Placebo namens Rassismus künftig wirken. Wenn Hauptgradmesser zur Beantwortung der Frage nutzt, ob der Westen bestehen will, muss er sich also im eigenen man einen Sonnenplatz hat oder nicht und das ihren Platz Interesse von seinem oftmals unausgesprochenen weißen an der Sonne für dieses Oberziel im Zweifel opfert. Die in Selbstbild verabschieden. Letzteres würde seine der Kolonialzeit eingefädelte „Arbeitsteilung“ ist also nicht Glaubwürdigkeit – auch und gerade die seiner freiheitlich- nur für die breiten Massen im Globalen Süden – wie demokratischen Werte, die sich parallel zur Geschichte weiter oben beschrieben – nachteilig, sondern richtet sich von Sklavenhandel und Kolonialismus entwickelt haben auch zunehmend gegen immer breitere Schichten und die im Wesentlichen trotz ihres universellen hierzulande. Statt sich mit denen zusammenzutun, mit Charakters exklusiv waren und sind – erheblich steigern. denen man sich gemeinsam gegen Ausbeutung und 12 www.eine-welt-netz-nrw.de
Perspektivlosigkeit und für gerechtere und nachhaltigere weil wir gedanklich noch im 19. bzw. in der ersten Hälfte Formen des Wirtschaftens einsetzten könnte, gehen des 20. Jahrhunderts, also sozusagen im „Farbgefängnis“ immer mehr Menschen der völkischen Rhetorik der hängen geblieben sind und unsere Anerkennungs- und Rechtspopulist*innen auf den Leim und stärken Erinnerungskultur zu wenig dazu beiträgt, dieses koloniale diejenigen, die unter „Wir-Gruppe“ am Ende nur die Erbe zu überwinden. Ein Teil der potentiell fähigsten eigene politische und ökonomische Führungsriege Köpfe – einziger strategischer Rohstoff Deutschlands – verstehen. kann durch dieses Hinterherhinken so der Gesellschaft als Ganzes verloren gehen. Wenn eine Person das Gefühl Auch hier – wie weiter oben bei der Betrachtung der hat, nie dazuzugehören – egal was sie tut – dann wendet kolonialen Kontinuitäten in Afrika – muss daher der sie sich möglicherweise von der Gesellschaft ab, in der sie potentiellen Rolle der breiten Bevölkerung als Change sozialisiert wurde. Dabei ist die rein persönliche Maker ein besonderes Gewicht beigemessen werden. Abkapselung noch das kleinste Problem – zumindest Denn: Ein doch immer wieder stark auf Rhetorik gesamtgesellschaftlich gesprochen, denn für die basierender politischer Diskurs lässt Zweifel zu, ob betroffene Person selbst ist das in der Regel durchaus ein politische und ökonomische Eliten trotz hehrer großes Problem. Gesamtgesellschaftlich gravierender wird Absichtserklärungen (wie etwa das Bekenntnis zu den es jedoch, wenn sich diese zurückgesetzten und Sustainable Development Goals) tatsächlich dazu gewillt enttäuschten Personen individuell oder gar in losen oder sind, signifikante Änderungen am bisherigen festen Zusammenschlüssen verschiedenster Art verbal Wirtschaftssystem vorzunehmen. oder darüberhinausgehend gegen die Gesellschaft richten, die eigentlich ihre Heimat sein könnte und müsste. Über ein zukunftsfähiges Deutschland wird auch maßgeblich die Frage bestimmen, wie sehr es gelingt, mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Komplexität umzugehen. Eine neue Erinnerungs- und Anerkennungskultur muss hier endlich von der Kita an konsequent etabliert werden. Eine zurzeit von wachsenden Erfolgen verwöhnte rassistische Politik der einfachen Lösungen verspielt also letztlich nicht „nur“ die Zukunftsaussichten einzelner Gruppen jenseits der konstruierten „Wir“-Gruppe, Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht die sondern langfristig der gesamten Gesellschaft. vermeintlich Fremden sind, die für steigende Abgrenzungsmechanismen werden allerdings Arbeitslosigkeit und zunehmend prekäre selbstredend nicht nur auf der einen Seite zunehmend Lebensverhältnisse der „Alteingesessenen“ verantwortlich generiert. Aufseiten der potentiell von Rassismus sind, sondern eine Art und Weise des Wirtschaftens, Betroffenen bleibt das Erstarken einer rechten Politik deren Hemmschwelle immer weiter sinkt und die immer auch nicht folgenlos: Im schlimmsten Falle geschieht eine mehr Menschen bedroht, wäre eine Resolidarisierung von umgekehrt vereinfachende Hetze – wenngleich mit dem Menschen untereinander unabhängig von Hautfarbe, großen Unterschied, dass diese Seite in der Regel kaum Religion, sozialer Schicht etc. wieder denkbar. Dass dies über strukturelle Macht verfügt. Zum Teil selbsternannte völlig entkoppelt von ökonomischen Erwägungen schon nicht-weiße und weiße Sprecher*innen der potentiell von allein aus menschlicher Sicht begrüßenswert wäre, ist Rassismus betroffenen Personen malen dann immer selbstredend. Aber angesichts sich ändernder globaler unabhängiger vom jeweils tatsächlichen Sachverhalt den Mächtekonstellationen sowie einem fortschreitenden Teufel an die Wand, das heißt, sie vermuten hinter allen demografischen Wandel in Deutschland sollten auch für „ihre Klientel“ im gesamtgesellschaftlichen Kontext politische Entscheidungsträger*innen zunehmend nachteiligen Erfahrungen strukturellen Rassismus. Das erkennen, dass es hier nicht nur um gönnerhaften Resultat: Ein Teufelskreis könnte in Gang gesetzt werden, Altruismus geht. Unser Land sollte allen Bürger*innen im in dem sich (vereinfacht gesprochen) beide Lager immer eigenen Interesse mehr tatsächliche Perspektiven bieten. weiter voneinander entfremden – Gift für die Gesellschaft Besonderer Nachholbedarf besteht hier jedoch bei der als Ganzes und somit für die Zukunftsfähigkeit nicht-weißen Bevölkerung. Deutschland kann auf einen Deutschlands. wachsenden Teil seiner Bevölkerung nicht verzichten, nur, 13
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