Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen

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Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R A r b eits w irts c haft un d O r g anisation I A O

H e r a u s g e b e r : D i e t e r S p a t h  |  A n e t t e W e i s b e c k e r
A u t o r e n : M a t t h i a s P e i s s n e r |  C o r n e l i a H i p p

Potenziale der
Mensch-Technik Interaktion
für die effiziente und vernetzte
Produktion von morgen

Fraunhofer Verlag
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
He ra u s g e b e r
Di e te r S p a th , An e tte Wei s bec ker

Au to re n
M a tth i a s P e i s s n e r, Cor nel i a H i pp

POTENZIALE DER
MENSCH-TECHNIK INTERAKTION
FÜR DIE EFFIZIENTE UND
VERNETZTE PRODUKTION VON
MORGEN

                                                    1
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
INHALT

1       ZUSAMMENFASSUNG.......................................................... 4

2       EINLEITUNG . . ...................................................................... 6

2.1     Zielsetzung................................................................................................................................ 6
2.2     Vorgehensweise....................................................................................................................... 7
2.2.1   Beteiligte Experten................................................................................................................... 7
2.2.2   Vorbereitung der Studie: Themenfelder identifizieren......................................................... 8
2.2.3   Expertenworkshop: Rahmenbedingungen, Entwicklungen und Themen skizzieren.......... 8
2.2.4   Einzelinterviews: Themen vertiefen und detaillieren............................................................ 9
2.3     Aufbau der Studie ................................................................................................................... 10

3       RAHMENBEDINGUNGEN
        DER PRODUKTION VON MORGEN........................................ 12

3.1     Vernetzte und intelligente Produktion................................................................................... 14
3.2     Transparente Systeme mit Echtzeitinformationen................................................................. 16
3.3     Flexibler Personaleinsatz......................................................................................................... 18
3.4     Mitarbeiterqualifikation.......................................................................................................... 20
3.5     Standardisierte Prozesse und Nachvollziehbarkeit ............................................................... 22
3.6     Sichere Systeme........................................................................................................................ 24
3.7     Produktvielfalt und kurze Produktzyklen............................................................................... 26
3.8     Internationalisierung............................................................................................................... 28
3.9     Nachhaltigkeit........................................................................................................................... 30
3.10    Mobile Geräte........................................................................................................................... 32
3.11    Social Media.............................................................................................................................. 34
3.12    Neue Technologien für die Mensch-Technik Interaktion ...................................................... 36

2
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
4       HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE DER
        MENSCH-TECHNIK INTERAKTION FÜR DIE PRODUKTION..... 38

4.1     Design für den Menschen ...................................................................................................... 38
4.1.1   Attraktives Design.................................................................................................................... 38
4.1.2   Menschzentrierte Entwicklungsprozesse ............................................................................... 40
4.1.3   Mehr als ein Werkzeug............................................................................................................ 42
4.2     Die Rolle des Menschen in der vernetzten Produktion......................................................... 47
4.2.1   Mensch als Sensor..................................................................................................................... 48
4.2.2   Mensch als Entscheider............................................................................................................. 50
4.2.3   Mensch als Akteur.................................................................................................................... 52
4.3     Multimodale Interaktion ......................................................................................................... 56
4.4     Wissen und Intelligenz des Systems effektiv einsetzen........................................................ 58
4.4.1   Dokumentation und Wissen im System................................................................................... 58
4.4.2   Systemintelligenz und Automation Hand-in-Hand mit den Nutzern.................................... 60
4.5     Ein Design – viele Varianten ................................................................................................... 63

5       BEISPIELPROJEKTE.............................................................. 68

5.1     EPIK – Effizienter Personaleinsatz durch intelligentes und adaptives Kooperations-
        und Informationsmanagement in der Produktion................................................................. 69
5.2     KapaflexCy - Selbstorganisierte Kapazitätsflexibilität in Cyber-Physical-Systems.............. 72

6       FAZIT UND VERZEICHNIS DER GUIDELINES.......................... 74

6.1     Überblick der Anforderungen und Guidelines für effektive HMI-Gestaltung..................... 76
6.2     Überblick der Anforderungen und Guidelines für zukunftssichere HMI-Werkzeuge......... 77
6.2.1   Unterstützung bei der effizienten HMI-Entwicklung............................................................. 77
6.2.2   Grundlagen einer intelligenten und kontextsensiblen Produktionssteuerung.................... 77
6.2.3   Schnittstellen und Kommunikationsfunktionalität................................................................ 77
6.2.4   Unterstützung neuer Technologien........................................................................................ 77

                                                                                                                                                3
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
1 ZUSAMMENFASSUNG

 Zur Steuerung und Überwachung von industriellen Prozessen         Neben einem methodischen und gestalterischen Know-How
 gewinnt das Human-Machine Interface (HMI) zunehmend an            sind auch die Entwicklungswerkzeuge und Engineeringumge-
 Bedeutung. Für produzierende Unternehmen leisten hervorra-        bungen maßgeblich dafür verantwortlich, dass ein hochwerti-
 gende HMIs einen wertvollen Beitrag zu Produktivität, Effizienz   ges HMI effizient erstellt werden kann. Die heute geforderten
 und Mitarbeitermotivation. Maschinen- und Anlagenhersteller       Qualitätsmerkmale solcher HMI-Tools werden in einer früheren
 versprechen sich in diesem Zusammenhang einen Wettbe-             Veröffentlichung1 des Fraunhofer IAO dargestellt. Die vorlie-
 werbsvorteil durch ein ergonomisches HMI. Daneben soll eine       gende Studie erweitert diese Ergebnisse durch einen Ausblick
 attraktive Gestaltung die Innovationskraft des Unternehmens       auf aktuelle und zukünftige Trends in der Produktion und de-
 und die technische Exzellenz der Maschine ausdrücken und Al-      ren Auswirkungen auf die Anforderungen, die sich zukünftig
 leinstellungsmerkmale schaffen.                                   an HMIs und HMI-Engineeringwerkzeuge stellen werden.

                                                                   Die wichtigsten Veränderungen der Rahmenbedingungen in
                                                                   der Produktion von morgen lassen sich unter dem Schlagwort
                                                                   »Industrie 4.0« zusammenfassen. Sensoren und Aktoren wer-
                                                                   den sich in der Produktionsumgebung vielfältig vernetzen und
                                                                   eine intelligente und unmittelbare Reaktion auf relevante Er-
                                                                   eignisse und Veränderungen ermöglichen. Neben einer zuneh-
                                                                   menden Produktvielfalt zu den Konditionen einer Massenpro-
                                                                   duktion ermöglichen sie eine hohe Flexibilität der
                                                                   Produktionsprozesse, was wiederum neue Anforderungen an
                                                                   die Flexibilität des Personaleinsatzes und die Mitarbeiterqualifi-
                                                                   kation mit sich bringt. Weitere Veränderungen betreffen die
                                                                   zunehmende Bedeutung der Sicherheit und Nachvollziehbar-
                                                                   keit der Prozesse, was unter anderem zu einer zunehmenden
                                                                   Standardisierung führen wird. Bereits andauernde Trends wie
                                                                   Internationalisierung und Nachhaltigkeit werden auch in der
                                                                   Zukunft neue Impulse setzen. Darüber hinaus werden auch ak-
                                                                   tuelle IT-Trends wie Social Media, neue mobile Geräte und al-
                                                                   ternative Interaktionstechniken die Rahmenbedingungen und
                                                                   den Gestaltungsspielraum moderner HMI-Lösungen beeinflus-
                                                                   sen und erweitern.

                                                                   1
                                                                       Bierkandt, J., Peissner, M., Hermann, F. & Hipp, C. (2011). Usability und
                                                                       Human-Machine Interfaces in der Produktion. Studie Qualitätsmerkmale für
                                                                       Entwicklungswerkzeuge. Dieter Spath, Anette Weisbecker (Hrsg.). Fraunhofer
                                                                       Verlag. Download unter: http://wiki.iao.fraunhofer.de/images/studien/usability-
                                                                       und-human-machine-interfaces-in-der-produktion.pdf

 4
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
Um den kommenden Herausforderungen gewachsen zu sein,
ergeben sich eine Reihe von Anforderungen an die HMI-Ge-
staltung und die eingesetzten HMI-Engineeringwerkzeuge:
Offene Schnittstellen und eine Kompatibilität mit anderen
IT-Systemen und Standards werden benötigt, um zukünftige
Vernetzungsszenarien in effizienten Entwicklungsprozessen
abbilden zu können. Dazu zählt auch die Unterstützung und
sinnvolle Nutzung von Kooperationsansätzen aus dem Web
2.0 und neuen Interaktionstechniken. Ein weiteres Themenfeld
betrifft die Entwicklung in einem iterativen und nutzerzentrier-
ten Gestaltungsprozess, der neben einer effizienten Aufgabe-
nerledigung auch emotionale Nutzungsfaktoren einbezieht.
Schließlich gewinnt eine transparente und passgenaue Visuali-
sierung an Bedeutung: einerseits, um die Überwachung kom-
plexer und teilweise abstrakter Gegebenheiten zu erleichtern;
andererseits, um effektive Unterstützung und Instruktionen zu
bieten – insbesondere in Fehler- und Ausnahmesituationen.
Dabei ist die Personalisierung und Anpassung der Inhalte, Dar-
stellungsformen und Interaktionsmechanismen an den indivi-
duellen Bedarf von großem Interesse.

In dieser Studie werden Anforderungen und Richtlinien für die
Gestaltung hochwertiger HMIs und entsprechender Enginee-
ringwerkzeuge formuliert. Sie können in zukünftigen HMI-Pro-
jekten als Orientierung dienen. Sowohl für die Gestaltung und
Entwicklung von attraktiven HMIs und effizienten Engineering-
werkzeugen als auch für die Auswahl einer geeigneten und
zukunftssicheren HMI-Engineeringumgebung.

                                                                   5
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
2 EINLEITUNG

 2.1 Zielsetzung

 Einfach bedienbare und attraktiv gestaltete Schnittstellen zwi-   HMIs werden häufig mit speziellen Entwicklungswerkzeugen
 schen Mensch und Technik unterstützen nicht nur den Benut-        erstellt. Diese Tools erleichtern die Entwicklung unter anderem
 zer beim Lernen und Bedienen eines Systems. Sie dienen auch       durch klassische SCADA3 -Funktionalitäten und Treiber für Ma-
 dazu, Kaufentscheidungen positiv zu beeinflussen und die ei-      schinensteuerungen. Andererseits schränken sie teilweise die
 gene Markenkommunikation zu unterstützen. Intuitive User          HMI-Gestaltungsmöglichkeiten ein und bestimmen durch ihren
 Interfaces können gegenüber Kunden als klarer Innovations-        Aufbau die Art und Weise wie Entwickler an die HMI-Gestal-
 schritt kommuniziert werden und sind ein Alleinstellungsmerk-     tung und Implementierung herangehen. Damit beeinflusst die
 mal gegenüber Wettbewerbern.                                      Auswahl eines HMI-Werkzeugs den Entwicklungsaufwand und
                                                                   die Qualität des resultierenden HMI häufig in erheblichem
 Dabei gehen die Mensch-Technik Schnittstellen in der Produk-      Maß.
 tion heute weit über die bloße Steuerung von Maschinenfunk-
 tionen hinaus. Sie dienen u.a. der Visualisierung von Prozess-    In einer Ende 2011 erschienen Studie hat das Fraunhofer IAO
 fortschritten, der Instruktion bei manuellen Tätigkeiten, der     bereits Qualitätsmerkmale für Werkzeuge zur Entwicklung
 Verwaltung von Rezepturen und Produktionsprogrammen, der          hochwertiger HMI beschrieben4.
 Unterstützung vielfältiger Überwachungsaufgaben bis hin zum
 integrierten Management des gesamten Produktionsgesche-           Dabei stehen aktuelle Anforderungen und Rahmenbedingun-
 hens. Human-Machine Interfaces (HMI) sind daher inzwischen        gen im Mittelpunkt der gebotenen Entscheidungshilfe.
 breiter zu verstehen und umfassen alle Kontaktpunkte zwi-         HMI-Projekte besitzen jedoch in den meisten Fällen einen Le-
 schen den verschiedenen Nutzergruppen und den IT-Systemen         benszyklus von mehr als zehn Jahren. Zudem ist mit der Aus-
 im gesamten Produktionsumfeld. Um der gewachsenen Kom-            wahl eines Entwicklungstools häufig eine noch längerfristige
 plexität Rechnung zu tragen, haben sich heute nutzerzentrier-     Technologieentscheidung verbunden. Daher sollten bei der
 te Entwicklungsprozesse als wesentliche Grundlage für eine
                          2
                                                                   Auswahl eines HMI-Werkzeugs auch die bereits absehbaren
 erfolgreiche HMI-Gestaltung etabliert. Auf Basis eines Ver-       Entwicklungen und Anforderungen der Zukunft berücksichtigt
 ständnisses der Nutzergruppen, ihrer Aufgaben und Nutzungs-       werden.
 bedingungen werden Bedienabläufe und Interaktionskonzepte
                                                                   2
 entwickelt, die in Benutzertests erprobt und iterativ optimiert       Siehe ISO/TC 159/SC 4 (2010). ISO 9241-210:2010 Ergonomics of human-
                                                                       system interaction -- Part 210: Human-centred design for interactive systems.
 werden. So kann eine hohe Bedienqualität und eine optimale
                                                                   3
                                                                       SCADA: Supervisory Control and Data Acquisition
 Passung des HMI an die Arbeitsabläufe erreicht werden. Dane-
                                                                   4
 ben ist in den letzten Jahren auch die graphische Gestaltung          Bierkandt, J., Peissner, M., Hermann, F. & Hipp, C. (2011). Usability und
                                                                       Human-Machine Interfaces in der Produktion. Studie Qualitätsmerkmale für
 der Benutzungsoberflächen immer wichtiger geworden. Ein               Entwicklungswerkzeuge. Dieter Spath, Anette Weisbecker (Hrsg.).
 wesentliches Ziel ist dabei die effiziente Visualisierung der         Fraunhofer Verlag

 wichtigen Informationen und Zusammenhänge. Darüber hin-
 aus geht es auch darum, eine ästhetische Identität zu schaf-
 fen, die in der Lage ist, beim Nutzer und Kunden Vertrauen,
 Bindung und eine positive Einstellung zu erzeugen.

 6
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
2.2 Vorgehensweise

Die Zielsetzung dieser Studie ist es deshalb, die aktuellen und   Die Inhalte der vorliegenden Studie wurden auf der Basis von
zukünftigen Veränderungen und Entwicklungen im Produkti-          Workshops und Interviews mit einschlägigen Fachexperten zu-
onsumfeld zu betrachten und deren potenzielle Auswirkungen        sammengetragen. Dabei wurden insbesondere die Perspekti-
auf die HMI-Gestaltung zu analysieren. Auf dieser Grundlage       ven des Produktionsbetriebs, der IT und der Mensch-Technik
identifiziert und erläutert die Studie:                           Interaktion abgedeckt. Um die Zukunftsperspektive der Studie
                                                                  mit einem starken Anwendungsbezug zu verbinden, wurden
 ƒƒGestaltungsempfehlungen und Best-Practice Ansätze für          Experten aus der Wissenschaft und der Praxis beteiligt. Die
   eine effektive und zukunftsweisende HMI-Gestaltung.            mitwirkenden Fachleute konnten neben den Erfahrungen aus
 ƒƒAnforderungen an zukunftssichere HMI-Entwicklungs-             den eigenen Betrieben auch wertvollen Input aus kooperieren-
   werkzeuge.                                                     den Unternehmen, Beratungsprojekten und größeren For-
                                                                  schungsinitiativen einbringen.
Damit kann diese Studie den Gestaltern und Entwicklern von
HMIs eine Orientierungshilfe für die strategische Weiterent-
wicklung von erfolgreichen Designkonzepten bieten. Darüber        2.2.1 Beteiligte Experten
hinaus unterstützt sie Unternehmen bei der Auswahl eines ge-
eigneten Entwicklungswerkzeugs, mit dem sie auch für zu-          Neben den Autoren haben die folgenden Personen in Work-
künftige Entwicklungen gerüstet sind.                             shops oder Einzelinterviews wertvolle Beiträge zu dieser Studie
Den Herstellern und Anbietern von Entwicklungswerkzeugen          geleistet (alphabetische Reihenfolge):
bietet die Studie Hinweise, welche Trends und Techniken sie
bei der Weiterentwicklung im Auge haben sollten.                   ƒƒMarkus Ammann,
                                                                     VOLLMER WERKE Maschinenfabrik GmbH
                                                                   ƒƒMario Beck, KHS GmbH
                                                                   ƒƒJan Becker, KHS GmbH
                                                                   ƒƒWolfgang Buchkremer, ELOPAK GmbH
                                                                   ƒƒDr.-Ing. Stefan Gerlach, Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒLorenzo Guazelli, Danieli & C. Officine Meccaniche S.p.A.
                                                                   ƒƒDr. Fabian Hermann, Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒTobias Krause, Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒDoris Janssen, Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒJoachim Lentes, Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒHagen Nürk, IST METZ GmbH
                                                                   ƒƒFriedrich Schneeberger, PAGO Fruchtsäfte GmbH
                                                                   ƒƒUniv.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Dieter Spath,
                                                                     Institutsleiter Fraunhofer IAO
                                                                   ƒƒPhillip Werr, Ing. Punzenberger COPA-DATA GmbH

                                                                                                                                   7
Potenziale der Mensch-technik interaktion für die effiziente und vernetzte Produktion von Morgen
2.2.2 Vorbereitung der Studie:
Themenfelder identifizieren

Zunächst wurden Themenfelder identifiziert, die als vermeintli-   1. Einführung:
che Schwerpunktthemen der zu erstellenden Studie dienen             Vorstellung der Zielsetzung und Darstellung der
sollten. Dabei sind Erfahrungen und Erkenntnisse aus zahlrei-       Vorüberlegungen, u.a. Schwerpunktthemen
chen Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Fraunhofer
IAO eingeflossen. Darüber hinaus wurden absehbare techni-         2. Zukunftsthemen und Trends:
sche Fortschritte und Trends einbezogen - insbesondere aus          Brainstorming, Präsentationen und Diskussion zu den
der aktuellen Diskussion um Industrie 4.0. Die in diesem ersten     folgenden Leitfragen:
Schritt identifizierten Schwerpunktthemen umfassen:
                                                                   ƒƒWelche IT-Systemeigenschaften werden in der Zukunft
    ƒƒEffiziente Prozesse und Kooperationsmodelle                   wichtig sein für eine effiziente und menschengerechte
    ƒƒVernetzung und Integration auch über Anlagen-, Unterneh-      Produktion?
     mens- und Technologiegrenzen hinweg                           ƒƒWelche Technologien und Arbeitsweisen werden wichtig
    ƒƒErgonomisches und attraktives HMI-Design                      sein?
    ƒƒEffizientes System-Engineering                               ƒƒWie sieht die menschliche Arbeit in der Produktion von
    ƒƒNeue Technologien für Human-Machine Interfaces                morgen aus?
    ƒƒMobilität und Flexibilität
    ƒƒIndividualisierung und Kontextadaptivität                   3. Strategien und Zielsysteme der Zukunft
    ƒƒAutomatisierung und Handlungsunterstützung                    Brainstorming, Präsentationen und Diskussion zu den
                                                                    folgenden Leitfragen:
2.2.3 Expertenworkshop: Rahmenbedingungen,
Entwicklungen und Themen skizzieren                                ƒƒWie werden sich die strategischen Ziele von produzierenden
                                                                    Unternehmen in der Zukunft verändern? (z.B. Ressourcen-
In einem zweiten Schritt wurde ein Workshop durchgeführt,           einsatz, Sicherheit, etc.)
um das Untersuchungsfeld der Studie zu strukturieren und zu        ƒƒWie wird man die Erreichung der zukünftig wichtigen Ziele
konkretisieren. Der Workshop war auf eine Dauer von vier            messen? (Key Performance Indikatoren)
Stunden angesetzt und wurde von Cornelia Hipp und Matthias         ƒƒMit welchen Strategien wird man die zukünftigen Ziele effi-
Peissner (beide Fraunhofer IAO) moderiert. Es nahmen fünf           zient erreichen?
weitere Experten des Fraunhofer IAO teil. Dabei waren insbe-
sondere die Bereiche Produktionsmanagement, Digitale Fabrik/      4. Zusammenfassung und Fazit
Digitales Engineering und Mensch-Technik Interaktion vertre-
ten. Aus diesen verschiedenen Perspektiven wurden im Rah-
men des Workshops konkrete Projekterfahrungen sowie Ein-
schätzungen zu zukünftigen Rahmenbedingungen,
Entwicklungen und Themen eingebracht. Die Workshop-
Agenda umfasste die folgenden Tagesordnungspunkte:

8
2. EINLEITUNG

2.2.4 Einzelinterviews:
Themen vertiefen und detaillieren

Die Einzelinterviews wurden in einem halbstrukturierten Ge-      Der Interviewleitfaden wurde auf Basis der Erkenntnisse aus
spräch geführt: einige am Telefon, einige bei einem persönli-    den Expertenworkshops erstellt und umfasste die folgenden
chen Treffen. Je nach Gesprächspartner dienten die Einzelin-     Themenbereiche:
terviews eher der Vertiefung und Detaillierung einzelner
Themen, in denen sich der Gesprächspartner besonders gut         1. Fragen zum Unternehmen und der persönlichen Rolle.
auskennt, oder der Abschätzung und Klärung, in wieweit die
beschriebenen Trends und zukünftigen Entwicklungen sich auf      2. Offene Fragen zu zukünftigen Entwicklungen, die die
die heute aktuelle bzw. absehbare industrielle Praxis beziehen     Rahmenbedingungen für eine effiziente und menschenge
lassen.                                                            rechte Produktion verändern werden, u.a. Technologien
                                                                   und Arbeitsweisen, Kosten und Effizienz neuer
                                                                   Entwicklungen.
                1. Themenfelder identifizieren
                                                                 3. Fragen zum Meinungsbild bezüglich Trends und zukünftiger
                                                                   Rahmenbedingungen, die in den Expertenworkshops
                                                                   identifiziert worden waren, z.B. Vernetzung und Intelligenz,
                                                                   Transparenz, Echtzeitfähigkeit, Mitarbeiterqualifikation,
                                                                   Standardisierung, Sicherheit, Nachvollziehbarkeit,
                                                                   Produktvielfalt, Internationalisierung, Nachhaltigkeit.

                                                                 4. Fragen zum Meinungsbild bezüglich der Produktionsunter-
                                                                   stützung durch neue Entwicklungen der Mensch-Technik
                                                                   Interaktion, die in den Expertenworkshops genannt wor-
                                                                   den waren, z.B. Nutzerfokus, Design-for-Error, mobile Gerä-
                                                                   te, Social Web, neue Interaktionstechnologien, adaptive
                                                                   und individualisierte Systeme, Informationsvisualisierung.

                                                                 5. Offene Fragen zu Themen, die dem Interviewpartner an-
           2. Expertenworkshop         3. Einzelinterviews         sonsten wichtig scheinen und zur Priorisierung der bereits
                                                                   diskutierten Themen.
Abbildung 1: Ablauf der Studie.

                                                                                                                                9
2.3 Aufbau der Studie

Die Ergebnisse der Studie gliedern sich im Wesentlichen in      Kapitel 5 dient der Illustration der beiden Hauptkapitel 3 und
zwei Hauptbereiche:                                             4. Mit EPIK und KapaflexCy werden zwei Forschungsprojekte
                                                                dargestellt, die beispielhaft demonstrieren, welchen Beitrag
Erstens werden Veränderungen in den zukünftigen Rahmen-         die Mensch-Technik Interaktion in der Zukunft für eine ver-
bedingungen der Produktion identifiziert, die neue Anforde-     netzte und effiziente Produktion leisten kann.
rungen an die Gestaltung der Mensch-Technik Schnittstellen
mit sich bringen. Diese Veränderungen sind damit sowohl         In Kapitel 6 findet sich neben einem Fazit eine Übersicht aller
beim HMI-Design als auch bei der Auswahl geeigneter HMI-        identifizierten Anforderungen und formulierten Guidelines be-
Engineeringwerkzeuge zu berücksichtigen. In Kapitel 3 sind      züglich der Gestaltung und des Engineerings der Mensch-
die wichtigsten dieser zu erwartenden Rahmenbedingungen         Technik Interaktion.
beschrieben.

Zweitens widmet sich das Kapitel 4 den Human-Machine Inter-
faces. Einerseits ergeben sich aus den vorhersehbaren Rah-
menbedingungen neue Herausforderungen für die HMI-Ge-
staltung. Andererseits ergeben sich aus den aktuellen
Forschungsaktivitäten im Bereich der Human-Computer Inter-
action interessante Potenziale für eine effiziente Produktion
der Zukunft. Vor diesem Hintergrund werden in Kapitel 4 Gui-
delines für die effektive HMI-Gestaltung und Guidelines die
Auswahl von zukunftssicheren HMI-Engineeringwerkzeugen
formuliert.

10
2. EINLEITUNG

           11
3 RAHMENBEDINGUNGEN DER
  PRODUKTION VON MORGEN

            Die Rahmenbedingungen der industriellen Produktion verän-
            dern sich. Einige der Entwicklungen, die in der Zukunft einen
            prägenden Einfluss haben werden, wirken bereits heute oder
            sind zumindest schon absehbar. In einem HMI-Projekt werden
            viele Entscheidungen getroffen, die über mehrere Jahre wirken
            und Bestand haben. Sowohl bei der Auswahl einer geeigneten
            HMI-Engineeringumgebung als auch bei grundlegenden HMI-
            Designentscheidungen sollten daher nicht nur die aktuellen
            Anforderungen berücksichtigt werden.
            Ein verantwortungsvolles und zukunftssicheres Projekt bezieht
            auch eine Prognose der zukünftigen Rahmenbedingungen und
            Anforderungen ein. Die in dieser Studie dargestellten zukünfti-
            gen Entwicklungen (s. Abbildung 2) wurden auf der Grund-
            lage von Gesprächen und Workshops mit Experten (vgl.
            Aschnitt 2.3) erfasst und konzentrieren sich auf diejenigen
            Rahmenbedingungen, die im engen Zusammenhang mit der
            Gestaltung, Entwicklung und Nutzung von Mensch-Technik
            Schnittstellen gesehen werden5.

            5
                Eine andere aktuelle Studie des Fraunhofer IAO bietet eine detaillierte Unter-
                suchung der zukünftigen Rahmenbedingungen der Produktionsarbeit:
                Spath, D., Ganschar, O., Gerlach, S., Hämmerle, M., Krause, T. & Schlund, S.
                (2013). Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0. Download unter http://
                www.iao.fraunhofer.de/images/iao-news/produktionsarbeit-der-zukunft.pdf

 12
Internationalisierung               Vernetzte und
                          Nachhaltigkeit                                        intelligente
                                                                                Produktion

                                                                                                   Transparente
 Produktvielfalt und                                                                               Systeme mit
kurze Produktzyklen                                                                                Echtzeitinformationen

      Sichere Systeme
                                                                                                  Standardisierte Prozesse
                                                                                                  und Nachvollziehbarkeit

              Mobile Geräte
                                                                                            Flexibler Personaleinsatz

                                                                           Neue Technologien für die
                          Social Media                                     Mensch-Technik Interaktion

                                           Mitarbeiterqualifikation

                                                                     Abbildung 2: Rahmenbedingungen der Produktion von morgen.

                                                                                                                             13
3.1 Vernetzte und intelligente Produktion

     In den vergangenen Jahren wurde durch die rasante Weiter-
     entwicklung der Computertechnik eine immer stärkere Vernet-
     zung ermöglicht. Die mobile Kommunikation schafft heute
     neue Perspektiven der Erreichbarkeit und Kollaboration. Auch
     in der Produktion haben diese Entwicklungen Einzug erhalten.
     Die Potenziale sind jedoch bei Weitem noch nicht ausge-
     schöpft. So werden beispielsweise die sozialen Kommunikati-
     onsformen des Web 2.0 noch recht zurückhaltend genutzt.
     Und die mobile Internetnutzung zur intelligenten Anbindung
     und Vernetzung von Mensch und Maschine ist noch stark aus-
     baufähig.

     Eine umfassende und intelligente Vernetzung lässt große
     Potenziale für Effizienzsteigerungen in der Produktion erwar-
     ten. Informationen aus unterschiedlichen Quellen können zu-
     sammengeführt werden und von beliebigen Orten abgerufen
     werden. So können umfangreiche Informationen und wichtige
     Hinweise ohne Zeitverlust ausgetauscht werden. Auf kurzfristi-
     ge Veränderungen und Ereignisse kann enorm schnell reagiert
     werden. Dadurch wird eine bedarfsgerechte Just-in-Time-Pro-
     duktion effektiv unterstützt. Zusätzlich können durch die Ver-
     netzung auch Service- und Wartungsleistungen über weite Di-
     stanzen hinweg erfolgen. Kosten und Zeit können eingespart
     werden.

14
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Die Vernetzung wird auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen:       Durch die starke Vernetzung werden sehr große Datenmen-
                                                                 gen zur Verfügung stehen. Eine große Herausforderung wird
 ƒƒStandorte in der globalisierten Produktion werden vernetzt.   es sein, daraus diejenigen Informationen zu extrahieren, die
  Dadurch bietet sich ein Vergleich der Produktionsprozesse      gewinnbringend genutzt werden können, um Produktionspro-
  an. Bereits heute verbinden Unternehmen so ihre verteilten     zesse zu optimieren. Ein Beispiel ist die exakte Berechnung der
  Niederlassungen.                                               aktuellen Produktionsauslastung und deren Optimierung.
 ƒƒMaschinen geben Informationen über ihren eigenen Zu-
  stand und ermöglichen so die Überwachung über eine zen-        Intelligente Produktionssysteme werden eben diese beiden
  trale Leitwarte. Die Vernetzung ermöglicht es auch, von be-    Aspekte aufgreifen: die Vernetzung und die sinnvolle Daten-
  liebigen Orten die Maschinen anzusteuern und                   auswertung. Integriert werden dabei Informationen aus unter-
  entsprechende Aktionen auszulösen. Bereits heute werden        schiedlichen Quellen wie z.B. Meldungen über Maschinenzu-
  einzelne Maschinen zur Fernwartung angesteuert, um ei-         stände und Informationen, die die Mitarbeiter über ihre
  nen hochwertigen Support zu gewährleisten.                     mobilen Geräte zur Verfügung stellen.
 ƒƒÜbergeordnete Produktionssysteme werden mit ihren Teil-       Darüber hinaus bietet eine intelligente Fabrik effektive Mecha-
  komponenten vernetzt, die zum Teil von unterschiedlichen       nismen, um auf die erfassten Informationen angemessen re-
  Herstellern kommen.                                            agieren zu können.
 ƒƒMitarbeiter sind zunehmend mit mobilen und vernetzten         Vordefinierte und selbstlernende Regeln können permanent
  Geräten ausgestattet. Mit der dadurch gesteigerten Erreich-    und automatisch eine hohe Effizienz sichern, indem sie be-
  barkeit und der Möglichkeit, Informationen mobil abzuru-       stimmte Sensorereignisse mit regulierenden Maßnahmen ver-
  fen, ergeben sich zahlreiche Szenarien zur Effizienzsteige-    knüpfen.
  rung.
 ƒƒSchnittstellen zu externer Software für Produktions- und
  Geschäftsprozesse wie z.B. ERP- oder Dokumentenmanage-
  ment-Systeme bieten bidirektionale Kommunikationsmög-
  lichkeiten mit wichtigen Datenressourcen.

                                                                                                                                15
3.2 Transparente Systeme mit Echtzeitinformationen

     Mittlerweile stehen umfangreiche Möglichkeiten zur Überwa-
     chung von Produktionsparametern zur Verfügung. Informatio-
     nen über den Ablauf der Produktion, über Zustände von Ma-
     schinen, Störungen und deren Lokalisierung sowie wichtige
     Kennzahlen (z.B. Auslastungsgrad) können dem Nutzer darge-
     stellt und graphisch in verschiedenster Weise aufbereitet wer-
     den. Mit zunehmender Automatisierung und immer komple-
     xeren Prozessen ist eine effektive Informationsvisualisierung
     heute eine wesentliche Voraussetzung für transparente Pro-
     duktionssysteme. Eine permanente Nachvollziehbarkeit des
     Systemverhaltens wird insbesondere dann wichtig, wenn we-
     sentliche Vorgänge durch den zunehmenden Software-Einsatz
     oder durch neue Technologien, wie z.B. Bio- oder Nanotech-
     nologie keine physische bzw. keine direkt wahrnehmbare Ent-
     sprechung6 mehr besitzen. Dann ergeben sich völlig neue Her-
     ausforderungen für eine klare und leicht verständliche
     Visualisierung.

     Neben einer geeigneten graphischen Informationsaufberei-
     tung übt auch die zeitliche Komponente der Informationsbe-
     reitstellung einen wesentlichen Einfluss auf die Systemtranspa-
     renz aus. Durch höhere Rechenleistung und Übertragungs-
     geschwindigkeiten sowie durch neue Schnittstellen können
     viele Informationen heute in Echtzeit angezeigt werden.
     Beispielsweise können Zustände von Maschinen und Anlagen
     sowie aggregierte Kennzahlen live übermittelt und dargestellt
     werden.

16
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Die Vorteile transparenter Systeme mit Echtzeitinformationen        ƒƒPersonalisierte Informationsdarstellung:
umfassen u.a. die folgenden Aspekte:                                 Durch den zunehmenden Umfang und die zunehmende
                                                                     Komplexität der verfügbaren Informationen wird die perso-
 ƒƒSchnellere Reaktion:                                              nalisierte Auswahl und Aufbereitung der darzustellenden
  Reaktionszeiten auf Veränderungen im Produktionssystem             Informationen immer wichtiger. Nicht alle Informationen
  können signifikant verringert werden, da die nötigen Infor-        sind für alle Mitarbeiter gleichermaßen sinnvoll. Das Ma-
  mationen unmittelbar vorliegen. Speziell im Bereich der            nagement ist an anderen Kennzahlen interessiert als der
  Fehlererkennung und –behebung ist dies von großem Vor-             Operator. Darüber hinaus verändern sich auch die Informa-
  teil.                                                              tionsbedarfe der einzelnen Personen über die Zeit und je
 ƒƒGezielte Maßnahmen:                                               nach Situation und Aufgabe. Deshalb ist eine optimale Auf-
  Durch eine exakte Identifikation der Problemquellen, kann          bereitung der Sichten für unterschiedliche Nutzer und Nut-
  feingranular eingegriffen werden.                                  zungssituationen wichtig.
 ƒƒNachvollziehbarkeit:                                             ƒƒAuswertung und Weiterverarbeitung:
  Die Prozesse werden für die Mitarbeiter verständlich und           Um die erfassten Echtzeitdaten sinnvoll für eine Optimierung
  nachvollziehbar. Dadurch wird die Produktionsüberwa-               des Gesamtsystems nutzen zu können, sind häufig intelligen-
  chung erleichtert.                                                 te Automatismen erforderlich, die die Daten integrieren, in-
 ƒƒHöhere Dynamik:                                                   terpretieren und entsprechende Reaktionen ableiten. Die Ent-
  Die vorliegenden Daten können unmittelbar für weitere Be-          wicklung derartiger Mechanismen ist teilweise kostspielig und
  rechnungen und kurzfristige Optimierungen genutzt wer-             sehr anspruchsvoll. Des Weiteren möchten menschliche Ent-
  den. Zum Beispiel können in Echtzeit Schichtpläne oder             scheider ihren Einfluss nicht vollständig aufgeben. Daher wer-
  Ressourcenplanungen erstellt und aktualisiert werden.Doch          den Gestaltungsansätze benötigt, die ein effizientes Miteinan
  die optimale Nutzung echtzeitfähiger Systeme bringt auch           der von automatischen Mechanismen und deren Kontrolle
  Herausforderungen mit sich:                                        und Optimierung durch menschliche Bediener ermöglichen.
 ƒƒKompetenzanforderungen an Mitarbeiter:                       6
                                                                    Weitere Beispiele umfassen hohe Geschwindigkeiten, die ohne Hilfsmittel
  Schnelle und angemessene Reaktionen auf Seiten der Mit-           nicht erfasst werden können (z.B. Getränkeabfüllung mit 50.000 Flaschen pro
  arbeiter erfordern gewisse Kompetenzen und fachliches             Stunde) oder die Überwachung von durch den Menschen nicht wahrnehmba-
                                                                    ren Qualitätsparametern (z.B. bei der Lackierung von Automobilen).
  Know-How, die möglicherweise nur über eine zusätzliche
  Qualifizierung der Mitarbeiter erworben werden können.

                                                                                                                                            17
3.3 Flexibler Personaleinsatz

     Bereits heute besteht eine starke Nachfrage nach flexiblem
     Personaleinsatz. Aktuelle Entwicklungen lassen darauf schlie-
     ßen, dass dieser Bedarf noch steigen wird.

     Die Absatzzahlen sind hoch volatil geworden. Verlässliche
     Prognosen zum Personalbedarf sind daher kaum möglich. Die
     extremen Konjunkturschwankungen führen zu einer weiteren
     Verunsicherung, die den Unternehmen eine längerfristige Per-
     sonalplanung zusätzlich erschwert.

     Viele Unternehmen reagieren darauf mit einem zunehmen-
     den Einsatz von Zeitarbeitern. Dadurch reduziert sich der
     Anteil der Stammbelegschaft, die langfristig angestellt ist. Der
     Anteil der Zeitarbeiter steigt - und damit auch die Fluktuation.

18
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Andererseits werden neue Ideen für flexiblere Arbeitszeit-    Auch in Bezug auf die Arbeitsschwerpunkte der einzelnen Mit-
modelle diskutiert, um auf die schwankende Auftragslage zu    arbeiter werden sich die Flexibilitätsanforderungen erhöhen:
reagieren. Darunter:
                                                               ƒƒBreiteres Aufgabenfeld – breitere Qualifizierung
 ƒƒDer bewusste Aufbau von umfangreichen Zeitkonten in          Durch den erhöhten Automatisierungsgrad und die zuneh-
  absatzstarken Monaten mit anschließendem Zeitabbau            mende Vernetzung (vgl. Abschnitt 3.1) wird die aktuell do-
  in absatzschwachen Phasen.                                    minierende 1:1-Zuordnung von Mitarbeiter zu Maschine
 ƒƒEin flexiblerer Wechsel von Wochenarbeitszeiten sowie        aufgelockert. Mitarbeiter werden zukünftig flexibler auf
  Teil- und Vollzeitbeschäftigung, der auch Veränderungen       Produktionsereignisse reagieren und stark unterschiedliche
  in der persönlichen Priorisierung von Freizeit und Gehalt     Aufgaben ausführen. Damit steigt die Vielfältigkeit des indi-
  in unterschiedlichen Lebensabschnitten abbilden kann.         viduellen Aufgabenspektrums. Gleichzeitig wird eine breite-
 ƒƒLebenszeitkonten, die unabhängig von der Firmenzugehö-       re Qualifizierung für verschiedene Aufgaben und Tätigkeits-
  rigkeit geführt werden und somit auch bei Wechsel des         felder wichtig (vgl. nächster Abschnitt).
  Arbeitsgebers erhalten bleiben.                              ƒƒAuf Abruf bereit
                                                                Zukünftig werden von Mitarbeitern häufiger Ad-hoc Ar-
                                                                beitseinsätze und kurzfristige Reaktionen auf kritische Er-
                                                                eignisse verlangt werden. Vernetzung und Echtzeitfähigkeit
                                                                der Systeme sowie die Ausstattung mit mobilen Geräten
                                                                schaffen dafür die technischen Voraussetzungen – auch au-
                                                                ßerhalb der üblichen Arbeitszeiten.
                                                               ƒƒMobil im Dienst
                                                                Ebenso werden mit Hilfe von mobilen Geräten bestimmte
                                                                Tätigkeiten auch von unterwegs und sogar von Zuhause er-
                                                                ledigt werden können.

                                                                                                                           19
3.4 Mitarbeiterqualifikation

     In Branchen mit hohem Automatisierungsgrad lässt sich für die
     westlichen Länder eine Entwicklung zu weniger Mitarbeitern
     mit wachsenden Zuständigkeiten und Aufgabenfeldern beob-
     achten. Insbesondere für die Gruppe der Maschinenbediener
     ergeben sich daraus steigende Qualifizierungsanforderun-
     gen. Sie müssen mit verschiedenen Maschinen und Ferti-
     gungsverfahren vertraut sein, Kenntnisse über gesamte Pro-
     duktionslinien und –abläufe entwickeln und auf
     unterschiedlichste Störfälle schnell und kompetent reagieren
     können. Zudem werden die Aufgaben komplexer, da teilweise
     Informationen von mehreren vernetzten Anlagen gleichzeitig
     berücksichtigt werden müssen.

     Neben dieser Entwicklung wird ein gegenläufiger Trend zum
     vermehrten Einsatz von kaum qualifizierten bis ungelernten
     Mitarbeitern berichtet, vor allem in Niedriglohnregionen. Häu-
     fig ergeben sich hier besonders günstige Produktionskosten
     durch einen niedrigen Automatisierungsgrad und einen hohen
     Einsatz gering ausgebildeter Arbeitskräfte. Darüber hinaus
     kann oft die Produkteinführungszeit (time to market) mini-
     miert werden, wenn auf die Entwicklung aufwendiger Auto-
     matisierungslösungen verzichtet wird und sofort mit der ma-
     nuellen Fertigung gestartet werden kann.

20
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

So zeichnen sich für die Zukunft insbesondere die folgenden      Neben ergonomischen User Interfaces werden vermehrt auch
Anforderungen für die Gestaltung von Mensch-Technik-Inter-       individuell zugeschnittene Qualifizierungsmaßnahmen be-
faces ab:                                                        nötigt werden, um den Bedarf an hochqualifiziertem und flexi-
                                                                 bel einsetzbarem Personal zu decken. Aktuelle und zukünftige
 ƒƒHohe Usability                                                Entwicklungen, die auf einen steigenden Weiterbildungsbe-
   Die Bedienoberflächen müssen so gestaltet sein, dass sie      darf schließen lassen, umfassen u.a.:
   auch von Mitarbeitern mit wenig Erfahrung, geringer Quali-
   fikation und niedrigem Bildungsniveau schnell verstanden       ƒƒDie Produktlebenszyklen werden kürzer, Flexibilitätsanforde-
   und leicht bedient werden können.                               rungen steigen. Dadurch werden Mitarbeiter häufiger mit
 ƒƒPersonalisierung                                                Neuerungen konfrontiert werden.
   Die Bedienoberflächen müssen Mitarbeitern mit sehr unter-      ƒƒDie Fluktuation des Personals erhöht sich, da mit Hilfe von
   schiedlichen Kompetenzen und Bildungsniveaus gleicher-          Zeitarbeitern auf kurzfristige oder saisonale Ereignisse re-
   maßen eine effektive und komfortable Nutzung ermögli-           agiert wird. Häufig müssen neue Mitarbeiter schnell einge-
   chen. Diese Anforderung spricht für den Einsatz von             arbeitet werden (vgl. 3.3).
   Mechanismen zur Personalisierung der Benutzungsschnitt-        ƒƒDie Heterogenität der Nutzergruppen wird steigen (vgl.
   stellen (vgl. Abschnitt 4.5).                                   3.8). Unterschiedliche Personenkreise müssen dieselben
 ƒƒWissen im System bereithalten                                   Produktionsprozesse beherrschen.
   Die Bedienoberflächen sollten das für die Bearbeitung wich-    ƒƒDer Fachkräftemangel in westlichen Ländern wird die Unter-
   tiger Aufgaben erforderliche Wissen für den Nutzer bereit-      nehmen zunehmend mit der Herausforderung konfrontie-
   halten, um auch weniger erfahrene Mitarbeiter für diese Tä-     ren, neue Mitarbeiter selbst auszubilden und gezielt auf die
   tigkeiten zu befähigen und um einen häufigen Wechsel            unternehmensspezifischen Anforderungen vorzubereiten.
   zwischen unterschiedlichen Aufgabengebieten zu unter-          ƒƒDer demografische Wandel wird das Angebot an Arbeitskräf-
   stützen. Eine strukturierte Benutzerführung und kontext-        ten verändern. Auch ältere Mitarbeiter werden sich häufiger
   sensitive Hilfesysteme können hierfür einen wichtigen Bei-      mit neuen Technologien und Prozesse vertraut machen müs-
   trag leisten.                                                   sen.
 ƒƒLernförderlichkeit
   Bedienoberflächen müssen lernförderlich sein, d.h. sie müs-
   sen den Nutzer beim Erwerb neuer Kompetenzen unter-
   stützen und Anreize bieten, sich immer wieder neu und
   weiter zu qualifizieren - auch im Hinblick auf den demogra-
   fischen Wandel.

                                                                                                                                  21
3.5 Standardisierte Prozesse und Nachvollziehbarkeit

     Die Nachvollziehbarkeit der tatsächlich erfolgten Produktions-
     abläufe wird immer wichtiger. In gewissen Branchen wie z.B.
     Pharma- und Medizintechnik gibt es heute gesetzliche Ver-
     pflichtungen zur vollständig nachvollziehbaren Dokumentati-
     on. In anderen Bereichen schützen sich Unternehmen dadurch
     gegenüber Regressansprüchen und Reklamationen, indem sie
     genau nachweisen können, dass Vorgaben des Qualitätsma-
     nagements eingehalten wurden. Je nach Branche ist daher
     teilweise ein Zugriff von über 10 Jahren auf Produktionsdaten
     zu gewähren.

     Im Zusammenhang mit der Vision der papierlosen Fabrik ent-
     steht dadurch der Bedarf nach einer längerfristigen Speiche-
     rung und Archivierung von sehr umfangreichen Datenbe-
     ständen. Einerseits sind damit technische Herausforderungen
     der Speicherung, Recovery und Archivierung in langfristig
     kompatiblen Formaten verbunden. Andererseits ergeben sich
     auch signifikante Anforderungen an die Gestaltung der
     Mensch-Technik Schnittstellen: insbesondere müssen die ge-
     suchten Inhalte leicht aufgefunden werden können und die
     Datenstrukturen müssen leicht verständlich auf dem User In-
     terface dargestellt werden.

22
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Neben der Nachvollziehbarkeit sprechen auch die Potenziale      Ein wesentlicher Trend zur Sicherung einer gleichbleibend ho-
der Qualitätssicherung und der kontinuierlichen Optimierung     hen Fertigungsqualität ist die Standardisierung der Prozesse.
für eine verstärkte Dokumentation der tatsächlichen Prozesse:   Ansätze zur Ablaufnormierung werden bereits seit vielen Jahren
                                                                in der »Lean Production« genutzt. Bei dieser »schlanken Pro-
 ƒƒMit der Überwachung und Überprüfung des Produktions-         duktion« werden alle Fertigungsabschnitte, bei denen Mitarbei-
  prozesses kann die Einhaltung von Vorgaben kontrolliert       ter beteilig sind, in klar definierte kleine Teilschritte eingeteilt. So
  werden.                                                       können Fehlerquellen, die aufgrund einer fehlenden Ablaufspe-
 ƒƒDie Dokumentation kann den kontinuierlichen Verbesse-        zifikation bestehen, vermieden werden. Darüber hinaus ermög-
  rungsprozess unterstützen. Die erhobenen Daten können         lichen standardisierte Abläufe ein hohes Maß an Benutzerfüh-
  nachträglich zur Analyse herangezogen werden, um Anhalts-     rung durch Mensch-Technik Systeme, um auch weniger
  punkte für die Optimierung zu identifizieren. Insbesondere    qualifizierte Nutzer effizient in die Prozesse einzubinden. Auch
  das Verhalten und entsprechende Resultate in noch nicht       für die Nachvollziehbarkeit ergeben sich gewisse Vorteile. In
  vollständig beherrschten Ausnahmesituationen können dabei     stark standardisierten Prozessen kann es ausreichen, Abwei-
  genutzt werden, um Regelmäßigkeiten abzuleiten und pass-      chungen vom Standard, wie beispielsweise manuelle Eingriffe in
  genaue Verfahrensvorschriften zu entwickeln.                  Fehlerfällen, zu dokumentieren.

                                                                Neben der Standardisierung der Abläufe innerhalb der Unter-
                                                                nehmen wird für die Zukunft auch eine verstärkte Standardisie-
                                                                rung der Kommunikationsschnittstellen zwischen Maschi-
                                                                nen, Anlagen und übergeordneten Systemen wie SCADA und
                                                                MES erwartet. Bestehende Standards, wie beispielsweise der
                                                                Weihenstephaner Standard in der Lebensmittelindustrie, erfah-
                                                                ren überwiegend eine hohe Marktakzeptanz. Jedoch reichen sie
                                                                in vielen Fällen noch nicht weit genug, um eine umfassende Ver-
                                                                netzung über Systemgrenzen hinweg zu sichern.

                                                                                                                                    23
3.6 Sichere Systeme

     Die Sicherheit wird in Produktionsprozessen in der Zukunft ei-
     nen noch höheren Stellenwert einnehmen.

     An erster Stelle ist die Arbeitssicherheit zu nennen. Für in-
     dustrielle Betriebe ist das Wohl ihrer Mitarbeiter nicht nur aus
     ethischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen von
     größter Bedeutung. Krankheits- und Ausfallzeiten sind Risiken,
     die gerade bei der zunehmenden Volatilität der Auftragslage
     minimiert werden müssen. In der westlichen Welt besteht be-
     reits ein hohes, gesetzlich reguliertes Sicherheitsniveau, das
     angesichts des Fachkräftemangels auch im Interesse der Unter-
     nehmen eher noch steigen wird. Auch für die Schwellenländer
     ist absehbar, dass die Arbeitssicherheit an Bedeutung gewin-
     nen wird und entsprechende Lösungen und Technologien ver-
     mehrt nachgefragt werden. Schließlich drückt sich in einem si-
     cheren bzw. abgesicherten Umfeld auch eine Wertschätzung
     gegenüber den eigenen Mitarbeitern aus, was zu einer höhe-
     ren Arbeitszufriedenheit, Mitarbeitermotivation und damit zu
     einer gesteigerten Produktivität führen kann.

24
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Darüber hinaus sind sichere Produktionssysteme wichtig, um         Neben den Sicherheitsrisiken, die der IT-Einsatz selbst mit sich
Produktionsausfälle zu vermeiden. Unerwartete Zwischen-            bringt, wird heute jedoch zunehmend erkannt, dass der Fort-
fälle, die eventuell größere Reparaturen nach sich ziehen, sind    schritt der Informationstechnik auch enorme Potenziale zur Stei-
mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden und gefähr-         gerung der Produktionssicherheit mit sich bringt. So können
den den immer prominenteren Erfolgsindikator der OEE (Over-        Probleme und Fehler frühzeitig erkannt, manchmal sogar vor-
all Equipment Efficiency). Produktionsstillstand oder Einschrän-   hergesagt oder vermieden werden, bevor sie auftreten. Darüber
kungen mit Verzögerungen können auch organisatorische und          hinaus können interaktive Systeme die Analyse und effektive
logistische Probleme nach sich ziehen. Insbesondere wenn die       Behebung von Fehlern unterstützen (vgl. Abschnitt 4.2.3).
Produktionsplanung sehr zeitkritisch berechnet ist (Just in
Time-Produktion).

Durch den zunehmenden IT-Einsatz gewinnt auch die IT-Si-
cherheit zunehmend an Bedeutung. Eine sichere und zuver-
lässige IT-Infrastruktur wird immer wichtiger, um Ausfall- und
Stillstandzeiten zu vermeiden und um eine optimale Planbar-
keit zu gewährleisten. Eine wesentliche Herausforderung er-
gibt sich zusätzlich durch die zunehmende Öffnung der Pro-
duktionsnetzwerke. Waren diese in der Vergangenheit meist
komplett autark und abgeschottet, werden sie zunehmend
über das Internet gegenüber externen Netzwerken geöffnet.
Die großen Vorteile, die sich dadurch für den Einsatz mobiler
Geräte und eine vernetzte und schnelle Kommunikation zwi-
schen verschiedenen Unternehmen und Standorten ergeben,
stehen dabei neuen Sicherheitsrisiken gegenüber. Eine sichere
IT-Infrastruktur umfasst daher u.a. die Sicherheit gegenüber
Angriffen von außen, die Systemstabilität und Wiederherstel-
lungsmöglichkeiten der IT bei Systemausfällen.

                                                                                                                                      25
3.7 Produktvielfalt und kurze Produktzyklen

     Heute gibt es kaum mehr größere Produktionsserien, die jahre-
     lang in der gleichen Form laufen. Dieser Trend geringer Stück-
     zahlen und kleiner Chargen wird sich wahrscheinlich in den
     nächsten Jahren noch verstärken. Ein Grund liegt in der massi-
     ven Verkürzung der Produktlebenszyklen. Ein anderer liegt in
     der steigenden Produktvielfalt im Zuge des Megatrends der
     Diversifizierung und Individualisierung.
     Die wesentliche Herausforderung dieser Entwicklung besteht
     darin, den Engineering Aufwand bezüglich Kosten und Zeit
     wirtschaftlich auf immer kleiner werdende Serien umlegen zu
     müssen. Ansätze, die in diesem Zusammenhang zukünftig an
     Bedeutung gewinnen werden, umfassen u.a.:

26
3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

ƒƒModularisierung                                              ƒƒParametrieren statt Programmieren
 Durch den Ansatz der Mass Customization wird versucht,         Engineering Tools werden zukünftig vor allem auch daran
 die Vorteile der günstigen Massenfertigung auf die Produk-     gemessen, in wieweit sie in der Lage sind, komplexe und
 tion von individualisierten Produkten zu übertragen. Häufig    dynamische Produktionsprozesse effizient vorzubereiten
 basiert eine Umsetzung auf einem massentauglichen              und zu unterstützen. Unter dem Schlagwort »Parametrieren
 Grundprodukt, das in bestimmten Eigenschaften angepasst        statt Programmieren« wird heute ein erfolgversprechender
 werden kann, um vielfältige Varianten zu erzeugen. Andere      Ansatz geführt, der es ermöglicht, durch die Angabe fall-
 Ansätze der Mass Customization beruhen auf Baukasten-          spezifischer Parameter ein Basisprogramm schnell und ein-
 modellen zur modularen Zusammenstellung eines individu-        fach so anzupassen, dass eine große Palette verschiedener
 ellen Produkts.                                                Varianten abgedeckt werden kann. Vor allem eine derartige
                                                                Erstellung aufgabenangemessener Human-Machine Inter-
ƒƒEinfachere Fertigungstechniken                                faces ist heute noch eine Herausforderung.
 Auch über eine Vereinfachung mehrstufiger Produktions-
 prozesse wird man zukünftig versuchen, den Engineering        ƒƒEffizientes Umrüsten
 Aufwand zu reduzieren. Generative Fertigungsverfahren,         Mit geringeren Stückzahlen und häufigeren Chargenwech-
 wie sie heute noch vorwiegend für Rapid Prototyping ein-       seln wird die Minimierung der Aufwände des Umrüstens zu
 gesetzt werden, bieten hierfür insbesondere bei kleinen        einem strategischen Ziel bei der Reduktion nicht-produkti-
 Stückzahlen hervorragende Potenziale.                          ver Zeiten. Automatisierte Lösungen, die das Chargen- und
                                                                Rezeptmanagement verbinden und manuelle Umrüsttätig-
ƒƒHybride Automatisierungslösungen                              keiten minimieren, können große Effizienzvorteile bringen
 Insbesondere um mit den rasanten Produktzyklen Schritt         und Fehlerquellen ausschließen. Ansonsten ist die System-
 halten zu können, wird man sich um eine deutliche Be-          gestaltung so auszurichten, dass die erforderlichen Tätigkei-
 schleunigung der Planungsverfahren bemühen müssen. Um          ten zum Umrüsten einfach, schnell und fehlerfrei durchge-
 die Zeit zwischen Konstruktion und Produktion zu minimie-      führt werden können. Instruktive Bedienoberflächen
 ren und dennoch nicht auf die Vorteile der Automatisierung     können hier effektive Hilfestellungen bieten.
 verzichten zu müssen, werden hybride Automatisierungs-
 modelle an Relevanz gewinnen, die bei extrem kurzer Pla-
 nungsphase sofort mit einer überwiegend manuellen Ferti-
 gung starten und »unterwegs« zunehmende
 Automatisierung und Feinjustierung vorsehen.

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3.8 Internationalisierung

     Die Globalisierung prägt die heutigen und zukünftigen Rah-
     menbedingungen der Produktion entscheidend – insbesondere
     durch die folgenden drei Aspekte:

      ƒƒInternationale Märkte
       Wir bewegen uns in globalen Märkten. Deutsche und euro-
       päische Produkte finden Absatzmärkte in der ganzen Welt
       und müssen sich gegen Produkte aus allen Teilen der Welt
       behaupten. Ebenso erfordert die heimische Produktion den
       Einkauf und die Zulieferung von Rohstoffen und Kompo-
       nenten aus verschiedenen Ländern.

      ƒƒInternationale Zusammenarbeit und Netzwerke
       Produkte werden heute häufig in internationalen Netzwer-
       ken produziert. Dabei sind die beteiligten Standorte oft
       über verschiedene Kontinente verteilt. Die Mitarbeiter der
       verschiedenen Teams stammen aus unterschiedlichen Kultu-
       ren.

      ƒƒService und Wartung in der Ferne
       Die Maschinen und Anlagen der führenden Hersteller wer-
       den in alle Welt ausgeliefert. Dennoch wird unmittelbare
       Erreichbarkeit und sofortige Reaktion verlangt, um Proble-
       me kurzfristig zu beheben oder um geplante Wartungs-
       und Serviceleistungen zu erbringen.

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3. RAHMENBEDINGUNGEN DER PRODUKTION VON MORGEN

Für die Gestaltung effektiver Mensch-Technik Systeme ergeben         ƒƒGlocalization
sich damit die folgenden Konsequenzen und Anforderungen:              Eine erfolgreiche HMI-Gestaltung für internationale Absatz-
                                                                      märkte und Nutzergruppen erfordert eine strategische Posi-
 ƒƒInternationales HMI-Design                                         tionierung zwischen den Polen des globalen Designs und
  Optimale HMI-Gestaltungslösungen erfordern ein tiefes Ver-          der Lokalisierung. Dabei muss insbesondere geklärt werden,
  ständnis der Nutzer, ihrer mentalen Modelle, Arbeitsweisen          welche Bestandteile der Bedienoberfläche einheitlich gestal-
  und Bedürfnisse. Dabei genügt es meistens nicht, die interkul-      tet und welche an unterschiedliche Sprachräume und Kul-
  turell unterschiedlichen Bedeutungen der Farben zu berück-          turen angepasst werden sollen.
  sichtigen. Kulturelle Standards beeinflussen darüber hinaus
  auch die Interpretation von Icons und Symbolen, sowie das          ƒƒRemote Zugriff
  Verständnis von Prozessen und Zusammenarbeit, Arbeitswei-           Der Fernzugriff auf wesentliche Informationen und Funktio-
  sen und Lerngewohnheiten.                                           nen des Produktionssystems und einzelner Maschinen wird
                                                                      in Zukunft eine zentrale Anforderung wirtschaftlicher Syste-
 ƒƒInternationales HMI-Engineering                                    me. Insbesondere die Möglichkeit, Service- und Wartungs-
  Software-Lösungen zur Erstellung und Verwaltung von Hu-             leistungen, die eine hohe technische Kompetenz erfordern,
  man-Machine Interfaces sollten alle Voraussetzungen für eine        aus großen Entfernungen fachgerecht durchzuführen, wird
  sichere und effiziente Internationalisierung erfüllen. Dabei ist    zukünftig an Bedeutung gewinnen. Neben einer entspre-
  es nicht nur wichtig, dass HMIs mit unterschiedlichen Schrift-      chenden technischen Infrastruktur erkennen immer mehr
  arten, Sprachversionen, Leserichtungen etc. ermöglicht wer-         Unternehmen die hierfür notwendigen Voraussetzungen in
  den, sondern auch, dass der Engineering-Prozess zur Bereit-         der HMI-Gestaltung, die u.a. prozess-angemessene interak-
  stellung vielfacher, lokalisierter Varianten optimal unterstützt    tive Funktionen, transparente Visualisierungstechniken und
  wird. Ein Beispiel hierfür könnten intelligente Mechanismen         effektive Kommunikationsmöglichkeiten umfassen.
  zur Verwaltung von verschiedenen Sprachversionen sein, die
  unter anderem die unterschiedlichen Textlängen auf Schaltflä-
  chen mit berücksichtigen.

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