Smart Engineering for Smart Mobility - IAV-Kundenmagazin | 01/2020

Die Seite wird erstellt Ruth Brinkmann
 
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Smart Engineering for Smart Mobility - IAV-Kundenmagazin | 01/2020
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motion
IAV-Kundenmagazin | 01/2020

Smart Engineering
for Smart Mobility
Smart Engineering for Smart Mobility - IAV-Kundenmagazin | 01/2020
Liebe Leserin,
lieber Leser,
„Smart Engineering for Smart Mobility“ lautet
das Motto dieser ersten automotion-Ausgabe
im neuen Jahrzehnt. Aber was bedeutet das
eigentlich? Wann ist ein Produkt, ein Service
oder eine Entwicklung „smart“?

                                                       Katja Ziegler
                                                       Kaufmännische
                                                       Geschäftsführerin
                                                       IAV GmbH

     Dr. Ulrich Eichhorn                                     Dr. Uwe Horn
     Vorsitzender der                                        Geschäftsführer/
     Geschäftsführung                                        Arbeitsdirektor
     IAV GmbH                                                IAV GmbH

                             Matthias Kratzsch
                             Geschäftsführer Technik
                             IAV GmbH
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automotion   |   Editorial    3

Nicolas Hayek,
Schweizer Unternehmer
mit revolutionären Ideen
für Uhren und Autos

                           Um das herauszufinden, lohnt ein Blick auf den        im Markt. Ergebnis: 1993 betrug der Anteil der
                           gleichnamigen Kleinwagen. Wussten Sie, dass die       Schweizer Uhren im Weltmarkt wieder mehr als
                           Idee zu diesem Fahrzeug auf einen libanesisch-        50 Prozent. Was für ein Comeback!
                           stämmigen Schweizer Unternehmer zurückgeht?
                           Nicolas Hayek, geboren am 19. Februar 1928 in         Anfang der 1990er Jahre startete eine weitere
                           Beirut, studierter Mathematiker, Physiker und Che-    Erfolgs-Story: Hayek gebar die Idee zum Swatch-
                           miker. Er war es, der zunächst in den 1980er Jahren   Mobil, heute bekannt als Smart (swatch, mercedes,
                           die strauchelnde Schweizer Uhrenindustrie zurück      art). Ein umweltfreundliches Mikrokompaktfahr-
                           in die Erfolgsspur führte und dann in den 1990er      zeug und Antwort auf immer mehr Verkehr und
                           Jahren die Autoindustrie mit einer revolutionären     immer weniger Platz in Großstädten. Querparken,
                           Idee bereicherte.                                     Sicherheitskonzept, Individualisierungsmöglich-
                                                                                 keiten, Vermarktungsansatz und ein CO2-Ausstoß
                           Die traditionelle Schweizer Uhrenindustrie war        im NEFZ von nur 86 g/km – mit dem kleinen Zwei-
                           ab 1970 unter Druck geraten. Uhren mit Quartz-        sitzer setzte Daimler früh Standards. Nicolas Hayek
                           Technologie ließen sich dank Mikroelektronik          verstarb am 28. Juni 2010. Viele seiner Ideen aber
                           günstiger herstellen als mechanische Zeitmesser.      sind bis heute im Massenmarkt erfolgreich. Wir
                           Zudem funktionierte die neue Technologie genauer      bei IAV sind stolz, dass wir beim Smart und vielen
                           und bis auf den Batteriewechsel wartungsfrei.         anderen Fahrzeugen und Herstellern unseren
                           Kunden waren von den völlig neuartigen, digitalen     Beitrag zum Erfolg leisten dürfen.
                           Uhren und ihren Vorzügen begeistert.
                                                                                 Das Lebensmotto von Nicolas Hayek lautete:
                           Hayeks Plan: das Beste aus zwei Welten zusam-         „Jeden Tag et was dazulernen.“ Die Beispiele
                           menführen. Er vereinte Schweizer Uhrenfirmen          Swatch und Smart zeigen, wie sich dieser An-
                           und Uhrwerkhersteller in der Swatch-Group und         spruch mit Leben füllen lässt. Entwicklungsprojekte
                           lancierte 1983 das revolutionäre Konzept einer        konsequent an Kundenbedürfnissen auszurichten,
                           elektronischen Qualitätsuhr. Ein zentrales Erfolgs-   Partnerschaften einzugehen, Ideen aus unter-
                           geheimnis der Swatch-Uhren bestand darin, dass        schiedlichen Welten miteinander zu verbinden und
                           deren Komponenten von bisher 150 Einzelteilen         neue, mutige Konzepte konsequent zur Serienreife
                           für herkömmliche Quartzuhren auf 50 genormte          zu führen – all das ist „smart“. Und genau das ist
                           Teile verringert wurden. Komplexitätsreduktion        auch unser Anspruch bei IAV.
                           par excellence. Hinzu kamen ein gespritzter, wech-
                           selbarer Plastikkörper als innovative Außenhülle,     Übrigens: Bei IAV entwickeln heute über 8.000
                           neue Produktionsverfahren und von Künstlern           Mitarbeiter aus mehr als 80 Nationen mit moderns-
                           kreierte Design-Kollektionen. 1984 – nur 1 Jahr       ten Entwicklungsmethoden die Technologien der
                           später – hatte Hayek bereits 800.000 Exemplare        Zukunft – einige davon auch aus der Heimat von
                           verkauft. Zeitgleich platzierte er Uhren-Nobel-       Nicolas Hayek. Auch darauf sind wir stolz.
                           marken wie Tissot, Omega, Longines, aber auch
                           Billigprodukte wie die Kinderuhr Flik Flak präzise    Viel Spaß beim Lesen!
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4    Inhalt   | automotion

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    Smart Engineering
    for Smart Mobility

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                                                                                Fokusthema

                                                                                Smart Engineering
                                                                                for Smart Mobility            6

                                                                                IAV – der Softwarepartner     8

                                                                                Rekordnachfrage auf
                                                                                der CES Las Vegas            12

                                                                                Ganz Ohr: Das Infotainment
                                                                                der Zukunft                  14

                                                                                Die Klimaautomatik
                                                                                mit dem Smart-Faktor         16

                                                                                Von einem, der auszog,
                                                                                eine Parklücke zu finden     17

                                                                                Das Cargobike folgt
                                                                                auf Schritt und Tritt        18

                                                                                Ein HMI für China            20

                                                                                Intelligenter Assistent
Die Kultur macht den Unterschied                                                des Zustellers               24

Christiane Hahn, Chief Compliance Officer von IAV über die Neuausrichtung der   „Das Mindset des gesamten
Compliance-Organisation                                                         Unternehmens ändern“         26
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Impulse

                                           14
Dr. Uwe Horn
Neuer Geschäftsführer und                       Ganz Ohr: Das Infotainment
Arbeitsdirektor                      28         der Zukunft

IAV Teslin: Maximale Effizienz für              Smartes Navigieren und personalisierte
Erprobung und Befundung              29         Spracherkennung

Semantische KI-Systeme               30

Die KI-basierte Poststelle           32

Alternative Wasserstoff              34

Projekte

                                           26
                                                „Das Mindset des gesamten
                                                Unternehmens ändern“
Die Zukunft der Mobilität ist
                                                Domänenwissen trifft auf Methoden-
vernetzt und synchronisiert          36
                                                und Prozesswissen: Das Digital Lab als
                                                Freiraum für kreative Ansätze
Vorausschauender
Truck senkt Emissionen               38

Bessere automatisierte
Fahrfunktionen durch Sensoren
im Scheinwerfer                      40

Spurwechsel                                     Alternative Wasserstoff

                                           34
                                                In einem sind sich alle einig: Auch Lkw
Smart Engineering for Smart Mobility:           müssen deutlich klimafreundlicher
Raus aus der Komfortzone              42        werden. Die Kombination aus Verbren-
                                                nungsmotor und Wasserstoff kann
                                                dafür einen wichtigen Beitrag leisten.

Über IAV

Die Kultur macht den
Unterschied                          44

Immer im optimalen Betriebspunkt     48

Unser Engineering                    50         Bessere automatisierte

                                           40
                                                Fahrfunktionen durch
Unser Produktportfolio               52         Sensoren im Scheinwerfer

IAV-Termine: Treffen wir uns?        55         Kameras, Radar und Lidar für das auto-
                                                nome Fahren lassen sich in den „smarten
Impressum                            55         Ecken“ von Fahrzeugen unterbringen
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6     Fokusthema   |   automotion

Smart Engineering
for Smart Mobility
Digitalisierung verändert vieles. Auf der einen Seite stehen neue, scheinbar
ungeahnte Möglichkeiten und Potenziale. Auf der anderen Seite stehen eine
enorme Komplexitätssteigerung, eine Vielzahl neuer Anforderungen und
die Frage, wie sich die Potenziale erfolgreich erschließen lassen. Welche
Wege wir bei IAV gehen, um mit klugem Engineering intelligente, vernetzte
Lösungen für die Mobilität von heute und morgen zu entwickeln, steht im
Fokus dieses Heftes.

Ab Seite 8 lesen Sie, wie wir uns zu einem der größten Software-Partner
entwickeln und wie wir unsere Kunden bei der Transformation unterstützen.
Es folgen Highlights von unserem Auftritt auf der CES in Las Vegas. Dort
haben wir gezeigt, wie wir Sprachsteuerung, Navigation und Klimatisierung
noch smarter machen und wie eine hochvernetzte Mobilitätsplattform für den
Warenverkehr auf der letzten Meile aussehen kann. Was wir im Hinblick auf die
Entwicklung moderner HMI von China lernen können, erfahren Sie ab Seite 20.
Neue Lösungen für automatisierte Logistik zeigen wir im Forschungsprojekt
„VanAssist“. Hier sollen autonome Transporter Paketboten wirksam entlasten
(Seite 24). Dass es bei aller technologischer Veränderung am Ende immer um
Menschen geht, zeigt ein Blick hinter die Kulissen von unserem Digital Lab
(Interview Seite 26).
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automotion   |   Fokusthema   7
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8   Fokusthema   |   automotion
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IAV – der Softwarepartner
Automobilelektronik verbindet sich mit Unternehmens-IT und Konsumer-Elektronik

                                 D
                                         ie klassischen Kriterien für den      Über welche Art von Software reden wir
                                         Kauf eines Fahrzeugs spielen für      dabei eigentlich?
                                         den Einzelnen in Zukunft vielleicht
                                 nicht mehr die entscheidende Rolle. Viel-     Wagner-Douglas: Bislang ist die Software
                                 mehr werden Fahrzeuge zu Rolling Devices,     im Fahrzeug durch Embedded Systeme
                                 die sich über software-basierte Funktio-      geprägt, beispielsweise bei der Klima- oder
                                 nen und Add-ons definieren. Das für die       Antriebssteuerung. Durch die zunehmen-
                                 Entwicklung dieser Systeme notwendige         de Vernetzung in und um das Fahrzeug
 Jean Wagner-Douglas (links)     Know-how verbindet Unternehmens-IT und        kommen mehr und mehr Konnektivitäts-
 leitet bei IAV die Bereiche     Konsumer-Elektronik mit der klassischen       dienste hinzu. Das erfordert ein nahtloses
 „Connected Software             Automobilelektronik. Wie das zusammen-        Zusammenspiel zwischen der Software
 Systems & Services“ und         spielt, erläutern die IAV-Manager Jean        im Fahrzeug, im Backend und auf mobilen
 „Vehicle Dynamics“.             Wagner-Douglas und Martin Richter.            Endgeräten. Wir bewegen uns auf eine
                                                                               Welt zu, in der Software-Updates oder
                                 Die Autohersteller wollen zukünftig mehr      neue Apps für das Auto genauso selbst-
                                 Software selbst entwickeln. Ist das eine      verständlich sind wie für ein Smartphone.
                                 gute oder eine schlechte Nachricht für
 Martin Richter (rechts)         IAV?                                          Richter: Künftig ist das Fahrzeug einge-
 verantwortet bei IAV den                                                      bettet in ein komplettes Mobilitätsöko­
 technischen Vertrieb            Wagner-Douglas: Eine gute. Wir werden         system. Damit ergeben sich neue Ser-
 des Bereichs „Connected         daran genauso beteiligt sein wie an Elek-     vices für die Nutzer, mit denen natürlich
 Software Systems & Services“.   tronik- und Software-Entwicklungen der        auch neue Anforderungen einhergehen.
                                 Vergangenheit.                                Gleichzeitig spielt beispielsweise auch die
                                                                               Einbindung in neue Betreibermodelle, wie
                                 Richter: „Selbst machen“ heißt ja zunächst    etwa Car- und Ride-Sharing, eine Rolle.
                                 einmal, dass das Thema Software als ab-
                                 solut erfolgskritisch erkannt wurde. Und      Daneben gibt es aber noch klassische
                                 die Aussage steht für das Bestreben, das      Software auf Embedded Systemen?
                                 Thema von Beginn an mitzudenken. Viele
                                 Hersteller werden diese Aufgaben auf-         Wagner-Douglas: Wenn man ins Auto
                                 grund verschiedener Faktoren, wie dem         schaut, unterscheidet man klassisch zwi-
                                 Fachkräftemangel und immer schneller          schen sicherheitsrelevanten Systemen,
                                 werdende Entwicklungszyklen, nicht al-        etwa im Fahrwerk, und Services, beispiels-
                                 leine meistern können. Hier kommen wir        weise zur Unterhaltung der Insassen.
                                 ins Spiel und unterstützen die OEMs mit
                                 unserer End2End-Expertise.                    Richter: Die Grundfunktion rund um das
                                                                               Fahren wird weiter als Embedded-Funktion
                                 Angefangen bei der Systemarchitektur          auf Classic AUTOSAR realisiert werden.
                                 über alle IoT-Elemente bis zu der Defini-     Das Zusammenspiel mit service-orientier-
                                 tion der Konnektivität sind wir der Part-     ten Strukturen, zum Beispiel auf Basis von
                                 ner, der sich in allen Bereichen auskennt.    Adaptive AUTOSAR oder direkt Linux, sorgt
                                 Wir übernehmen dabei Verantwortung            dann für eine Integration in die IoT-Welt.
                                 für die komplexe Softwareentwicklung,
                                 die anschließende Integration bis hin zur
                                 Absicherung.
Smart Engineering for Smart Mobility - IAV-Kundenmagazin | 01/2020
10    Fokusthema   |   automotion

      »Wir bewegen uns auf eine Welt
      zu, in der Software-Updates
      oder neue Apps für das Auto
      genauso selbstverständlich
      sind wie für ein Smartphone.«
        Jean Wagner-Douglas

Steuern künftig leistungsstarke Server         Software-Welt. Die Unterschiede zwischen
aus der Ferne das komplette Fahrzeug?          Apple und Windows sind bewusste Pro-
                                               duktentscheidungen, die marktrelevant
Wagner-Douglas: Für vollständig auto-          sind. Die Betriebssysteme nehmen einen
nom fahrende Fahrzeuge wird das ein gut        aktiven Einfluss auf das Nutzererlebnis und   Einheiten wie Antrieb oder Fahrwerk. In-
denkbares Szenario sein. Dafür benötigt        wirken sich damit auf Kaufentscheidung        sofern ist Software als Basiskompetenz
man eine hochverfügbare Bandbreite in der      und Markenbindung aus.                        auch weiterhin im gesamten Unterneh-
Datenübertragung, die sicher auch in fünf                                                    men vertreten. Insgesamt sprechen wir
Jahren nicht überall zur Verfügung stehen      Verlagert sich die Wertschöpfung von          hier von über 3.000 Software-Entwicklern
wird. Schon heute sehen wir diese Ver-         der Hard- in die Software?                    und software-nahen Spezialisten. Durch
schiebung immer häufiger in Teilbereichen,                                                   die neue Aufstellung mit einer zentralen
die nicht auf Fahrfunktionen zugreifen.        Wagner-Douglas: Definitiv ja. Auch das        Software-Einheit, in der wir 800 dieser
Wenn wir auf das Fahrwerk schauen, ist         kann man gut im Fahrwerk beobachten.          Spezialisten zusammengezogen haben,
die Adaption auf die Straßenbeschaffen-        Statt eines Lenkgestänges fährt das Auto      schaffen wir eine Querschnittsfunktion
heit zu nennen. Ein nächster Schritt wäre,     mit „Steer-by-Wire“.                          für all diese Themen bei IAV. Darüber hi-
dass sich das Fahrzeug selbstständig                                                         naus verbinden wir das Know-how aus
einen Datensatz herunterlädt, mit dem          Richter: Hinzu kommt der Trend, die Re-       der Embedded-Welt mit den Themen der
es einen bestimmten Alpenpass perfekt          chenleistung im Fahrzeug auf deutlich         IT-Welt. Das erlaubt es uns, einen ge-
passiert. Das Beispiel zeigt, dass sich Kom-   weniger Steuergeräte zu verteilen. Zum        samtarchitektonischen Ansatz über die
fortfunktionen und sicherheitsrelevante        Teil sind das Hochleistungsrechner, auf       verschiedenen Bereiche wie Fahrzeuge,
Funktionen gar nicht mehr vollständig          denen Software von mehreren Dutzend           Backend und mobile Endgeräte zu verfol-
trennen lassen. Dennoch wird auch in           Lieferanten zum Einsatz kommt.                gen. Damit können wir neue Themen wie
Zukunft ein gewisser Anteil an Intelligenz                                                   die Datenanalyse und Cloudanwendungen
direkt im Fahrzeug bleiben. Das ist not-       Und das funktioniert?                         effektiv angehen.
wendig, um insbesondere die Sicherheit
der Fahrzeuginsassen zu gewährleisten          Richter: Ja, aber nur wenn die Architektur    Richter: Um das auch praktisch umsetzen
– auch dann, wenn die Konnektivität nicht      vorher ordentlich durchdacht wurde und        zu können, sind unsere Teams entspre-
uneingeschränkt verfügbar ist.                 es eine Entwicklungsplattform gibt, die       chend aufgestellt. So arbeiten Experten
                                               diese Mammutaufgabe unterstützt.              aus beiden Welten je nach Projektanfor-
Wie sehr wird das Auto in Zukunft durch                                                      derung zusammen. Gleichzeitig bauen wir
das herstellerspezifische Betriebs­system      Wagner-Douglas: Wichtig ist dabei, die        die Software-Einheit als internen Dienst-
geprägt?                                       Software-Strukturen ganzheitlich zu den-      leister in der Form aus, dass alle anderen
                                               ken. Genau das macht bei IAV unsere neue      Bereiche jederzeit die Fachunterstützung
Richter: Elektromobilität, Autonomes Fah-      Geschäftseinheit „Connected Software          und den Support von uns bekommen, die
ren und Vernetzung verändern das Auto an       Systems & Services“.                          sie brauchen.
sich grundlegend. Über software-basierte
Systeme können die Automobilhersteller         Sie haben die komplette Software-Ent-         Wie gut funktioniert die Zusammen­arbeit
diese Entwicklung in den eigenen Händen        wicklung in einer Einheit gebündelt?          zwischen diesen Welten?
behalten – und nicht zuletzt ihre Wert-
schöpfung sichern. Denken Sie nur an           Wagner-Douglas: IAV entwickelt natür-         Wagner- Douglas: Knapp ein halbes
die Betriebssysteme aus der klassischen        lich weiterhin in domänenspezifischen         Jahr nach der Gründung unseres neuen
automotion   |   Fokusthema         11

­ ereichs funktioniert das natürlich an
B
mancher Stelle noch nicht ganz reibungs-
los. Immerhin reden wir hierbei von knapp
1.000 Kolleginnen und Kollegen, die sich                          »Künftig ist das
neu zusammenfinden müssen. Um allen
eine optimale Basis im Alltag zu bieten und                       Fahrzeug eingebettet
das Miteinander zu fördern, orientieren wir
uns an den agilen Prinzipien. Gleichzeitig                        in ein komplettes
profitieren wir durch diese Arbeitsweise,
indem wir flexibler auf die immer schnelle-                       Mobilitätsökosystem. «
ren Entwicklungszyklen und individuellen
Anforderungen reagieren können.
                                                                    Martin Richter
Und das geht ohne Qualitätseinbußen?

Wagner-Douglas: Es ist ein Mythos, dass
agiles Arbeiten zu weniger Qualität führt.     damit agile Arbeitsweisen mit verschiede-    Pitch-Nächten teilnehmen. Auch arbeiten
Das Gegenteil ist der Fall! In einigen Teams   nen Werkzeugen aus der Embedded- und         wir seit vielen Jahren intensiv mit Hoch-
arbeiten wir schon seit Jahren agil und        der IT-Entwicklung verbinden können, um      schulen zusammen und setzen weiter auf
haben gemerkt, dass Fehler viel schneller      den Standards nach Automotive SPICE          solche starken Partnerschaften. Für viele
entdeckt werden. Denn in jedem Sprint          gerecht zu werden.                           Top-Talente ist IAV vor allem deshalb so
werden alle Prozessstufen durchlaufen, nur                                                  spannend, weil man bei uns sehr früh Ver-
eben in kleinen Schritten. Das Team schau-     Wo nehmen Sie all die IT-Spezialisten her?   antwortung übernehmen und eine große
kelt sich zudem im positiven Sinne hoch,                                                    Themenvielfalt bearbeiten kann.
um rechtzeitig fertig zu werden. Wenn man      Wagner-Douglas: Wir haben viele Kolle-
die Methode richtig anwendet, arbeitet         ginnen und Kollegen neu eingestellt, um      Wagner-Douglas: Immer nur alles neu,
man strukturierter als in einer klassischen    das Wachstum zu meistern. Darüber hinaus     alles jung funktioniert natürlich auch nicht.
Wasserfall-Projektorganisation – auch          setzen wir bei IAV auf ein rollenbasiertes   Entscheidend ist, dass wir die richtige
wenn eine klassische Arbeitsweise bei          Qualifizierungsprogramm. Das bedeutet,       Mischung aus Berufseinsteigern und er-
bestimmten Themen sicherlich weiterhin         dass wir verschiedene Schulungsmög-          fahrenen Entwicklern an Bord haben, die
Sinn macht und keinesfalls ausgedient hat.     lichkeiten – online, inhouse, aber auch      gemeinsam an neuen Ideen für unsere
                                               extern – anbieten, um eine kontinuierliche   Kunden arbeiten.
Richter: Um agile Praktiken auch auf un-       Weiterentwicklung auf höchstem Niveau
seren Software-Engineering-Alltag zu           zu ermöglichen.
übertragen, haben wir eine agile Projekt-                                                   Kontakt:
landschaft aufgesetzt, die wir „AgiPro“        Richter: Auch bei der Rekrutierung gehen     jean.wagner-douglas@iav.de
nennen. Das Besondere daran ist, dass wir      wir neue Wege, zum Beispiel indem wir an     martin.richter@iav.de
12    Fokusthema   |   automotion

Rekordnachfrage auf
der CES Las Vegas
Großes Interesse an IAV-Lösungen: Urbane Mobilität im Fokus

D
        ie Consumer Electronics Show           Systems and Services bei IAV. Das Be-         Thematisch setzte IAV gleich mehrere Aus-
        (CES) in Las Vegas ist längst nicht    sondere: Kontakt gab es nicht nur mit         rufezeichen. Das lag nicht zuletzt an einer
        mehr nur eine Messe für Unterhal-      Unternehmen aus dem OEM- und Zulie-           Reihe eindrucksvoller Exponate und High-
tungselektronik. Inzwischen ist sie der glo-   ferbereich, sondern weit darüber hinaus,      lights aus der technologischen Entwick-
bale Hotspot für alle Tech-Themen – und        zum Beispiel mit Amazon oder Vertretern       lung. Der Showcase „Smart Guide – Next
Präsentationsfläche für Unternehmen aus        von Metropolen in den USA und Südkorea.       Level Navigation“ vermittelte beispielswei-
der ganzen Welt, die über den Tellerrand       Allein daran wird deutlich, dass der Wandel   se einen Einblick in das Navigationssystem
blicken wollen. Unter dem Motto „Smart         in der Mobilität eine Herausforderung ist,    der Zukunft. Ein innovativer Routingalgo-
Engineering for Smart Mobility" legte          die weit über klassische Branchengrenzen      rithmus berechnet im Hintergrund alle
IAV dieses Jahr den Schwerpunkt seines         hinausreicht.                                 möglichen Alternativrouten und blendet sie
Auftrittes auf die Mobilität im städtischen                                                  farblich hinterlegt in die Streckenführung
Raum. Mit Erfolg: Nie zuvor war das Inte-      Über 30 IAV-Kollegen aus unterschied-         ein. Der Fahrer muss somit weder seinen
resse am Stand größer.                         lichen Bereichen betreuten dabei die          Blick vom Verkehr abwenden noch sich auf
                                               Exponate und kümmerten sich auf 225           ungenaue Sprachanweisungen verlassen.
„Wir haben allein auf unserem Stand über       Quadratmetern Standfläche um die Fragen
600 dokumentierte Gespräche geführt            der Besucher. „Der Teamspirit war toll. Wir   Dennoch ist und bleibt Sprache ein sehr rele-
– so viele wie noch nie. Das ist ein toller    waren eine bunte Mischung mit Kollegen        vantes Thema. „Smart Speech“ von IAV ist ein
Rekord und eine Bestätigung für die Rele-      aus den verschiedensten Standorten in         weiterer Schritt zum vollständig per Sprache
vanz unserer Produkte und präsentierten        Deutschland, den USA, Frankreich, China       steuerbaren Fahrzeug. Dabei reagiert der
Themen“, bilanziert Martin Richter, Seni-      und Japan. Das hat hervorragend funkti-       Sprach-Assistent auf jeden Fahrer indivi-
or Vice President Connected Software           oniert“, freut sich Richter.                  duell, angemessen und vorausschauend.
automotion   |   Fokusthema      13

Dank intelligenter Spracherkennung und          Doch nicht nur das Auto steht im Fokus          agnosen dienen. Darüber hinaus kann über
Rechtevergabe ist individuell bestimmbar,       der künftigen Mobilität. Auch alternative       das System auch die Orchestrierung der
wer was im Fahrzeug steuern darf und wer        Ideen und Konzepte gewinnen durch die           gesamten Flotte erfolgen. Prediktive Diag-
nicht. Sogar das Verschicken persönlicher       Verdichtung der Lebensräume und eine            nostic, Mobilitätsplattformen und digitale
Nachrichten oder die individuelle Shop-         stetig wachsende Zahl von Verkehrsteil-         Services bieten ungeahnte Möglichkeiten
pingtour im Internet werden auf diese Weise     nehmern an Bedeutung. Ein gutes Beispiel        und standen daher besonders im Fokus.
per Sprachsteuerung machbar.                    liefern intelligente und vernetzte Mobili-
                                                tätsplattformen wie das „Smart Cargobike“       Martin Richter ist überzeugt: „Für IAV war
Bequemlichkeit und Wohlbefinden – zwei          von IAV. Es kann einem Boten im urbanen         es genau die richtige Entscheidung, unse-
weitere Komplexe, die im Fahrzeug für die       Umfeld automatisch folgen und sich auch         ren CES-Auftritt dieses Jahr ganz auf das
Kunden immer wichtiger werden. Dazu             automatisch ver- und entriegeln. Gerade für     Thema ‚Urbane Mobilität‘ zuzuschneiden.“
gehört auch die Klimaregulierung, die bei       den Transportverkehr im städtischen Raum
IAV auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert.   kann das Cargobike zur echten Entlastung        Kontakt:
Während der CES konnte „Simply Cozy –           bei der Warenzustellung beitragen. Neben        martin.richter@iav.de
AI-driven Climate Control“ anhand einer         der „Follow-me“-Funktion hat aber speziell
Modellfahrt durch unterschiedliche Wet-         die smarte Vernetzung rund um das Cargo-
terlagen getestet werden. Selbstlernende        bike die Messebesucher überzeugt. Mittels
Algorithmen erfassen und bewerten hierbei       Cloudanbindung sendet das Fahrrad rele-
unterschiedliche Daten und physikalische        vante Wartungs- und Betriebsparameter an
Zustände. Ergebnis: Eine perfekt und indi-      den Digitalen Service Assistenten (DiSA)
viduell abgestimmte Temperatur im Auto.         von IAV, die als Grundlage für prediktive Di-
14    Fokusthema   |   automotion

Ganz Ohr:
Das Infotainment
der Zukunft
Smartes Navigieren und personalisierte
Spracherkennung

D
        ie Zukunft des automobilen Info­        projiziert und der Fahrer muss dafür keine    Frontscheibe abgebildet und liegen dank
        tainments hat bereits begonnen.         Knöpfe mehr bedienen, sondern gibt dem        Augmented Reality scheinbar vor dem
        Davon konnten sich die Besucher         Fahrzeug per Stimme während waghal-           Fahrzeug auf der Straße. AR-Dienste sind
der CES in Las Vegas live überzeugen.           siger Verfolgungsjagden Befehle. Dass         nicht nur durch die gestiegene Verbreitung
IAV präsentierte sein neuartiges Navigati-      diese Technik auch dann hilfreich ist, wenn   auf dem Smartphone auf dem Vormarsch.
onskonzept, das dank Augmented Reality          keine Verfolgungsjagd à la James Bond         Gerade im Automobilbereich wird es in
ohne visuelle Manöver und Sprachausgabe         gemeistert werden muss, zeigt die neue        den kommenden Jahren hohe Zuwachs-
auskommt. Weiteres Highlight: eine Sprach-      Infotainment-Plattform von IAV.               raten geben: Die Unternehmensberatung
steuerung, die genau weiß, wer mit ihr redet.                                                 Deloitte prognostizierte unlängst, dass
                                                Alles im Blick dank                           schon 2022 jeder vierte Deutsche AR-
Wenn in Science-Fiction- oder moder-            Augmented Reality                             Dienste regelmäßig nutzen wird. In der Au-
nen Agentenfilmen die Autos der Zukunft                                                       tomobilbranche sowie der Fertigungs- und
zu sehen sind, fallen natürlich besonders       Mit dem von IAV entwickelten Softwaremo-      Versorgungsindustrie kommt AR bereits in
Design und Technik auf. Informationen wer-      dul „Smart Guide“ werden die Informatio-      jedem dritten Unternehmen zum Einsatz –
den sekundengenau auf die Frontscheibe          nen genau wie im Film über die komplette      Tendenz steigend.
automotion   |   Fokusthema          15

                                                 Smart Guide mit AR von IAV

                                                 im Hintergrund alle möglichen Alternativ-       bestimmbar, wer was im Fahrzeug ansagen
                                                 routen und blendet sie farblich hinterlegt in   und steuern darf und wer nicht. Soll also
                                                 die Streckenführung ein. Der Fahrer sieht       nur der Fahrer das Fahrziel bestimmen,
                                                 dadurch zu jeder Zeit, welche alternativen      dann ist das kein Problem. Dafür dürfen die
                                                 Routen ihn im berechneten Zeitfenster am        Kinder dann vielleicht beim Radioprogramm
                                                 besten zum Ziel führen. So kommt er nicht nur   buchstäblich mitreden. Mit dem Befehl „Ich
                                                 stressfrei, sondern auch sicher an sein Ziel.   möchte mein Lieblingslied hören“ sind dann
                                                                                                 beispielsweise individuelle Playlists abrufbar,
                                                 Auch das Smartphone dient als Schnittstelle:    sodass jeder Passagier ein eigenes Profil hat.
                                                 Wird das Telefon etwa mit dem Fahrzeug          Denn: Smart Speech lässt sich mit individu-
                                                 verbunden, so kann „Smart Guide“ zum            ellen Accounts von zum Beispiel Streaming­
                                                 Beispiel auf die Termine zugreifen und das      anbietern und Onlinehändlern verknüpfen
                                                 Fahrzeug zu dem angegeben Ort des Ka-           und führt diese Dienste intelligent mit der
                                                 lendereintrags navigieren.                      Sprachsteuerung zusammen. Befehle von
                                                                                                 unbekannten Personen können komplett
                                                 Hör mal, wer da spricht                         unterbunden werden – was auch Diebstähle
                                                                                                 erschwert oder bei deren Aufklärung hilft.
                                                 Da viele Funktionen moderner Fahrzeuge          Die Möglichkeiten sind vielfältig und lassen
                                                 über Sprachbefehle geregelt werden kön-         sich individuell zuschneiden.
                                                 nen, ist es wichtig, dass das Fahrzeug weiß,
                                                 wer welche Anweisungen geben darf. Denn         Für Hersteller wie Kunden ist Sprach-
                                                 wenn der Nachwuchs von der Rückbank             steuerung gleichermaßen interessant:
                                                 plötzlich lieber zur nächsten Eisdiele oder     Laut Gesellschaft für Konsumforschung
                                                 zum Spielzeugladen möchte, sollte das Fahr-     nutzt bereits jeder dritte Deutsche digitale
                                                 zeug das im Zweifelsfall ablehnen können.       Sprachassistenten, 29 Prozent nutzen sie im
Navigation wird dank „Smart Guide“ noch                                                          Auto. Und: 38 Prozent haben im vergangenen
intuitiver und sicherer. Vorbei sind damit die   Dank „Smart Speech“ von IAV ist die Verga-      Jahr verbal ihr Navigationssystem bedient.
Zeiten, in denen der Fahrer seine Strecke        be von individuellen Rechten im Fahrzeug        Dank der IAV-Vision vom Infotainment der
auf einem kleinen Display nachverfolgen          kein Problem mehr. Durch die intelligente       Zukunft kann der Fahrer seinen Blick also
musste, denn nun liegt sie jederzeit im Blick-   Sprach- und Zonenerkennung weiß das             jederzeit dort lassen, wo er hingehört: auf
feld. Die Streckenführung wird dezent in die     Fahrzeug nicht nur, wer gerade spricht, son-    der Straße.
reale Welt hinein projiziert, ohne dass die      dern auch, wo im Fahrzeug die Insassen
Einblendung den Fahrer ablenkt. Auch Hin-        sitzen. Die Software erkennt verschiedene       Kontakt:
weise zur Strecke mittels Sprachansagen          Personen und passt den Sprachdialog in          marcel.stein@iav.de
sind so nicht mehr nötig. Das hilft besonders    Wortwahl und Interaktionsmöglichkeiten
dann, wenn es im Verkehr mal unübersicht-        an die Nutzergruppe an.
lich werden sollte – zum Beispiel an einer
mehrspurigen und vielbefahrenen Kreu-            Dafür wird für die Passagiere lediglich
zung. Parallel dazu berechnet der in „Smart      einmalig im System ein Sprachmuster an-
Guide“ integrierte Routingalgorithmus            gelegt. Danach ist flexibel und individuell
16    Fokusthema   |   automotion

Die Klimaautomatik                                                                              Luftfeuchtigkeit können optional ergänzt
                                                                                                werden. Eine Eingabe auf dem Touchpad

mit dem Smart-Faktor
                                                                                                oder ein einfacher Sprachbefehl genügen
                                                                                                dann und das Fahrzeug passt die Klimatisie-
                                                                                                rung entsprechend an. Somit entfallen die
                                                                                                heutigen zahlreichen Eingabemöglichkeiten
                                                                                                und sorgen beim Nutzer für eine verbesserte
                                                                                                Übersichtlichkeit und intuitive Bedienung.

D
                                                                                                Die Zukunft
       ie Temperatur spielt eine entschei-      eingaben und lernt daraus, unter welchen
       dende Rolle für unser Wohlbefin-         Bedingungen und mit welchen Einstel-            Es wird eine besondere Herausforderung bei
       den im Auto – und auch für unsere        lungen der Klimaautomatik ein optimales         der neuen Generation von Elektrofahrzeu-
Sicherheit. IAV hat sich mit „Simply Cozy“      Innenraumklima geschaffen werden kann.          gen sein, die Klimaprofile in Einklang mit der
ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Entwick-                                                       Energieeffizienz zu bringen. Denn je mehr
lungsabteilungen der OEMs entlasten             Individuelles Wohlfühlklima                     Energie für ein Klimaprofil nötig ist, desto
sowie das perfekte Klima für Insassen                                                           geringer wird die Reichweite der Fahrzeuge.
unkompliziert ermitteln und bereitstellen.      Nutzer profitieren von der Adaptionsfähig-      Doch auch hier hat IAV mitgedacht. Bald
Auf der CES in Las Vegas gab IAV einen          keit von „Simply Cozy“, denn das System         können die persönlichen Wohlfühlprofile an
ersten Einblick in die automatische Kli-        passt sich den individuellen Vorlieben nach     ein „Stromspar-Profil“ angeglichen werden,
matisierung der Zukunft.                        und nach immer weiter an. Der Fahrer de-        damit sich Behaglichkeit und Verbrauch
                                                finiert, welches Klima er als behaglich und     nicht in die Quere kommen.
Reduzierung von                                 angenehm empfindet – je nach Wetter und
Entwicklungsaufwänden                           Situation – und das System sorgt dafür,         Bereits jetzt können Systeme wie „Simply
                                                dass es im Auto auch so bleibt. Wird es im      Cozy“ in zukünftige Fahrzeuge integriert
Für die automatische Klimatisierung der         Innenraum beispielsweise wärmer, weil           werden. Daran arbeitet IAV in enger Ab-
Zukunft setzt IAV auf ein KI-basiertes intel-   auf einmal die Sonne herauskommt, dann          stimmung mit den Automobilherstellern, da
ligentes System - mit Vorteilen für Nutzer      erkennt „Simply Cozy“ dies und passt die        es sich bei den IAV-Systemen heute noch
und Entwickler. Denn die bislang komplexe       Temperatur automatisch den jeweiligen           nicht um Add-On-Lösungen handelt, die
Funktionsentwicklung und Abstimmung der         Vorlieben entsprechend an, ohne dass der        nachträglich ins Auto integriert werden kön-
Klimaautomatik vereint das System in ei-        Fahrer selbst tätig werden muss.                nen. Doch auch das ist in Zukunft denkbar.
nem einzigen Arbeitsschritt - und entlastet
damit den Entwickler. Möglich macht dies        Um jedem Nutzer das jeweils individuell         Kontakt:
ein komplexes neuronales Netzwerk. Es           ideale Klima bieten zu können, sammelt          martin.noltemeyer@iav.de
verarbeitet und analysiert mehrere Dutzend      das Fahrzeug sämtliche relevanten Daten
Sensordaten in Verbindung mit den Nutzer­       und verknüpft diese mit definierten Nutzer-
                                                profilen. Mit jedem Änderungswunsch des
                                                Nutzers lernt das System ihn besser kennen
                                                und passt sich so seinen Vorlieben an. In
                                                Zukunft soll das System unterschiedliche
                                                Fahrer automatisch identifizieren können,
                                                sodass jeder ein individuelles Wohlfühlprofil
                                                ohne weitere Eingriffe erhalten kann. In
                                                Mehr-Zonen-Klimaanlagen im Premium-
                                                Segment kann „Simply Cozy“ bereits heute
                                                umgesetzt werden.

                                                Kinderleichte Bedienung

                                                Gegenüber heutigen Bedienkonzepten
                                                punktet „Simply Cozy“ zudem mit einer
                                                deutlich einfacheren Nutzung. Das System
                                                orientiert sich an den Empfindungen des
                                                Nutzers und fragt ihn, wie er sich fühlt, ob
                                                es ihm zu kühl oder zu stickig ist. Weitere
                                                Fragestellungen zum Beispiel nach der
automotion   |   Fokusthema   17

Von einem,
der auszog,
eine Parklücke
zu finden
Loomo, der Parkroboter

Was sollten Entwickler tun? Genau, entwickeln – erst recht, wenn sie noch Studenten
sind! Wenn damit auch noch Alltagssorgen wie die leidige Parkplatzsuche gelöst
werden – umso besser! Kann dann eben nur sein, dass auf Firmenparkplätzen nicht
mehr die Autofahrer das Sagen haben. So geschehen bei IAV in Gifhorn. Dort hat
in ersten erfolgreichen Versuchen ein kleiner mobiler Roboter die platzsuchenden
Fahrzeuge direkt und autonom zu freien Stellplätzen geführt.

Ermöglicht hat das unser Bereich „Connected Software Systems & Services“. Mit
diesem extra für Studenten geschaffenen Projekt erhielten zwei Praktikanten die
Gelegenheit, sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeit in den Bereichen Robotik und
Autonomes Fahren zielorientiert und wissenschaftlich auszutoben. Das Ergebnis
heißt: „Loomo, der Parkroboter“.

Loomo – Segway und Roboter in einem – ist eine Plattform für Entwickler und Desig-
ner. Wir haben ihn mit verschiedenen Sensoren und einem Open-Source-Computer
ausgerüstet. So wurde aus dem Segway ein autonomes Gefährt. Das Erkennen der
freien Parkplätze übernimmt ein auf dem benachbarten Gebäude platziertes Kame-
rasystem namens „Eagle Eye“. Mit perfekter Übersicht ausgestattet, identifizieren
Bilderkennungsalgorithmen geeignete Lücken zwischen den Autos und melden
diese dem Roboter. Dann übernimmt Loomo – der Rest ist bekannt.

Doch Stillstand ist die Sache von Loomo nicht – es hat sich bereits ein weiterer
Student an die Weiterentwicklung gemacht. Lidar-Sensoren und „differential GPS“
stehen auf der Liste – auch Loomo wird bald von den Vorteilen der sogenannten
„Sensor Fusion“ profitieren: eine größtmögliche autonome Navigation durch viele
verschiedene Datenquellen und eine ganzheitliche Auswertung dieser.

Und was hat IAV davon, wenn Studenten bei uns forschen und sich ausprobieren
können? Mehr Know-how und neue kompetente Mitarbeiter. Die beiden ehemals
studentischen Forscher sind jetzt Teil des Entwicklerteams um Fachbereichsleiter
Kai Feuerstake und sorgen zukünftig dafür, dass derartige Entwicklungen erfolg-
reich in Serie gehen.

Kontakt: michael.riepen@iav.de
18     Fokusthema   |   automotion

Das Cargobike folgt
auf Schritt und Tritt
Komfortabel unterwegs auf der letzten Meile

G
         erade auf die Mobilität wird Digita-    Registrierung auf Schritt und Tritt. Das funk-
         lisierung künftig einen immer grö-      tioniert dank der kamerabasierten „Follow-
         ßeren Einfluss haben – und egal, ob     me“-Funktion. Dabei folgt das Bike seinem
für zwei, drei, vier oder noch mehr Räder: Es    Besitzer aber nicht blind, sondern erkennt
gibt entsprechende innovative Lösungen           auch Passanten oder Hindernisse und weicht
von IAV. Hier im Fokus: eine Mobilitäts-         diesen aus. Dabei kommt ihm seine Dynamik
plattform mit Logistikschwerpunkt. Dass          und Variabilität zugute.
heute nahezu alles per Versand bestellbar
ist – von Kleidung bis Medizin – stellt die      Die aufwendige Suche nach Parkplätzen
Versandhändler insbesondere in Städten           oder das Stehen in zweiter Reihe sind dann
vor große Herausforderungen. Oftmals             nicht mehr nötig. Dauerndes Auf- und Ab-
fehlen hier Parkplätze für Lieferwagen oder      steigen gehört ebenfalls der Vergangenheit
die letzte Meile ist autofrei. Der Paketbote     an. Und die Waren sind selbst ohne ständi-
muss so weitere Wege zurücklegen und die         ge Aufsicht durchgängig sicher. Die große
Lieferung dauert länger – ein Problem in ei-     Transportbox lässt sich nur öffnen, wenn der
ner Branche mit einem so hohen Zeitdruck .       Bote in der Nähe ist. Durch Näherungssenso-
                                                 rik ist sie gesichert, sodass ein Öffnen durch
Eine aktuelle Studie des Digitalverbandes Bit-   unbefugte Personen ausgeschlossen ist.
com verdeutlicht die Problematik: 46 Prozent
der Händler beklagten verstopfte Straßen         Selbst wenn sich das Cargobike in Zukunft
durch zu viel Lieferantenverkehr. Und sogar      allein auf die Reise macht und ohne mensch-
48 Prozent gaben an, dass steigende Logistik-    liche Begleitung unterwegs ist, braucht sich
und Lieferkosten inzwischen zur größeren Be-     der Empfänger um die Absicherung seines
lastung werden. Unternehmen wie Städte und       Versandguts keine Sorgen zu machen. Dank
Kommunen suchen deshalb Lösungen und             des Routenmanagements und der Fähig-
alternative Konzepte im Zustellungsverkehr.      keit, Hindernissen auszuweichen, findet
                                                 das Fahrrad auch allein seinen Weg. Der
Aber auch ohne großes Lieferfahrzeug läuft       Empfänger bekommt seinen persönlichen
nicht immer alles rund: Ist der Bote zum         Zugriffs-Code übermittelt, mit dem er die
Beispiel mit dem Fahrrad unterwegs, kann         Transportbox des Cargobikes öffnen kann.
er zum einen nicht viele Sendungen mit-          So kann eine einfache, ressourcenscho-
nehmen, zum anderen muss er selbst für           nende Lieferung erfolgen – etwa bei Es-
kürzeste Strecken immer wieder auf seinen        senszustellungen.
Drahtesel steigen. IAV hat die Lösung: Auf
der Digitalmesse CES in Las Vegas haben          Sollte doch ein Bote nötig sein, bietet die
wir mit dem Cargobike ein Mobilitätskonzept      Cargobike-Plattform darüber hinaus eine
der Zukunft vorgestellt, das speziell Boten      Smartphone-App. Damit können Zusteller
und Zustellern viel Freude bereiten wird.        ihre persönliche Route planen und alle tech-     verwalten, sondern auch technisch über-
Gerade in der Stadt kommen die Stärken der       nischen Details des Fahrrads einsehen. Alle      wachen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die
neuen Mobilitätsplattform voll zur Geltung.      Vorgänge laufen dabei auf einem Backend-         Flotte nur aus Cargobikes oder darüber
                                                 Server zusammen.                                 hinaus auch aus Pkw, Lkw oder Bussen
Verkehrsraum wird entlastet –                                                                     besteht. Ist beispielsweise der Reifendruck
ebenso wie der Bote                              Reparaturen vorbeugen                            bei einem der Fahrzeuge zu niedrig, meldet
                                                                                                  das System automatisch den Fehler, bevor
Der Clou: Das Lastenfahrrad erkennt „sei-        Dank des Digital Service Assistant (DiSA)        es zu einem Problem wird. Das spart wert-
nen“ Boten und folgt ihm nach einmaliger         lassen sich größere Fuhrparks nicht nur          volle Zeit für Wartungen und Reparaturen­
automotion   |   Fokusthema   19

und erhöht die Ser vice- Qualität und        Terminwunsch auf passende Fahrzeug­          Kontakt:
Zuverlässigkeit spürbar. Sollte es doch      typen und Routen verteilen. So lassen sich   martin.richter@iav.de
einmal zu einem schwer wiegenderen           Lieferungen spontan anpassen, planen
Fehler kommen, vereinbart das System         und optimieren. Das spart nicht nur Zeit
direkt einen Servicetermin vor Ort. Auch     und Geld, sondern dem Boten vor Ort auch
bei der Routen- und Ressourcenplanung        Nerven und Laufstrecken. Und nicht zuletzt
hilft DiSA. Die Basis bilden dabei mehrere   trägt unser smartes Routenmanagement
Algorithmen, welche die Bestellungen         dazu bei, den Verkehr in Innenstädten zu
zusammenfassen und je nach Umfang und        reduzieren.
20   Fokusthema   |   automotion
automotion   |   Fokusthema      21

Ein HMI
für China
IAV hat für einen chine­sischen
OEM das Cockpit der Zukunft
entworfen

D
        igitalisierung und Autonomes Fahren verän-
        dern die Benutzerschnittstellen im Fahrzeug.
        Bei neuen HMI-Konzepten spielen aber auch
kulturelle Unterschiede eine wichtige Rolle. Timm Kel-
lermann, Geschäftsführer der IAV-Beratungstochter
consulting4drive, und Marcus Heinath, IAV-Abtei-
lungsleiter UX, HMI & Instrument Cluster, berichten
über Herausforderungen und Chancen bei der HMI-
Entwicklung für den chinesischen Markt.

Warum denken Sie über neue HMI-Konzepte nach?

Kellermann: Weil sich durch die Digitalisierung alles
ändert. Heutige Autos mit neuen Anzeigen, Displays
und Bedienkonzepten sind erst der Anfang. Wir fragen
uns: Wie müssen sich Konzepte ändern? Welches Er-
lebnis begeistert die Kunden in Zukunft? Was sind die
Technologietreiber im Markt? Hier ergänzen sich die
Kompetenzen von consulting4drive und IAV perfekt:
Wir sind besonders gut bei Strategien, Konzepten und
beim Anforderungsmanagement, während das IAV-
Team von Marcus Heinath enorme Praxiserfahrung aus
diversen Projekten mitbringt und genau weiß, was im
Feld funktioniert. Kombiniert man beides, kann man ein
wahrhaft zukunftsweisendes und menschengerechtes
HMI für das digitale Zeitalter entwickeln.

Heinath: Wir haben schon konkrete Vorstellungen zu
neuen HMI-Konzepten und dazu bereits eine Vielzahl
von Kundengesprächen geführt. Dabei hat sich gezeigt,
dass die Digitalisierung und das autonome Fahren die
zwei wichtigsten Treiber bei der HMI-Weiterentwicklung
sind. Außerdem müssen sich die Systeme in Zukunft
noch stärker von alleine an ihre Nutzer anpassen und
proaktiv auf deren Vorlieben und Verhaltensmus-
ter eingehen sowie Umgebungsvariablen innerhalb
und außerhalb des Fahrzeuges berücksichtigen. Und
noch etwas spielt hier eine zentrale Rolle: der digitale
Nutzer-Kosmos. Die meisten Nutzer kommen aus der
Apple- oder Android-Welt und sind dadurch geprägt.
Künftige HMIs müssen sich an diese außerhalb des
22   Fokusthema   |   automotion

                                                                          »In China wünschen
                                                                          sich die Menschen
                                                                          zum Beispiel einen
                                                                          Avatar, der sie beim
                                                                          Einsteigen begrüßt,
                                                                          als „Companion“ ihre
                                                                          Wünsche antizipiert
                                                                          und sie unterstützt. «

                                                                          Marcus Heinath

                Autos erworbenen Präferenzen anpassen und erlernte           Heinath: Es kommen aber noch andere Fragen hinzu,
                Bediengewohnheiten berücksichtigen. Die Smart­               die stark von der Kultur abhängen: Wie wichtig sind
                phone-Welt sollte sich im Fahrzeug wiederfinden.             Datenschutz und Privatsphäre? Legen die Kunden Wert
                                                                             auf Prestige oder bevorzugen sie Understatement?
                Gibt es eine Lösung, die in allen Märkten funktioniert?      Aus all diesen Informationen haben wir einen Anfor-
                                                                             derungskatalog an die Gestaltung und die Funktionen
                Kellermann: Wahrscheinlich nein, denn wir müssen             des HMIs abgeleitet.
                uns bei der Bedienung an das anpassen, was die Men-
                schen vor Ort bereits kennen und nutzen. In China            Und was haben Sie daraus für China gelernt?
                verwendet praktisch jeder WeChat und Alibaba. Die
                Erwartungshaltung der Kunden ist darum von ganz              Heinath: In China wünschen sich die Menschen zum
                anderen Benutzerschnittstellen geprägt als beispiels-        Beispiel einen Avatar, der sie beim Einsteigen begrüßt,
                weise in Deutschland und Europa.                             als „Companion“ ihre Wünsche antizipiert und sie un-
                                                                             terstützt. Dafür muss man viele Daten sammeln und
                Autos werden sich in den kommenden Jahren stark              mit Künstlicher Intelligenz ständig dazulernen – wobei
                verändern. Wie lässt sich schon heute herausfinden,          der Lernprozess nicht nur im Auto, sondern auch au-
                was sich die Kunden in Zukunft wünschen?                     ßerhalb in einer Cloud ablaufen kann. Datenschutz ist
                                                                             für uns bei IAV natürlich ein wichtiges Thema und zwar
                Kellermann: Um dieser Antwort näher zu kommen,               überall auf der Welt – auch wenn viele Menschen in
                haben wir in China rund 1.500 Menschen aus allen             China diesem Aspekt offenbar vergleichsweise wenig
                Altersgruppen sowie aus der Stadt und vom Land               Beachtung schenken.
                befragt. Wir wollten aber nicht nur wissen, welche
                konkreten Funktionen sie sich in Zukunft wünschen            Kellermann: Ein solcher Companion könnte ein Mobi-
                – stattdessen hat uns interessiert, wie sie leben und        litätsassistent sein, der seinem Nutzer bereits proaktiv
                welche Gewohnheiten sie haben: Wie fahren sie? Wie           über Handy, Uhr oder Tablet bei der Planung der Fahrt
                navigieren sie? Was machen sie im Auto? In China wird        hilft – egal, ob im eigenen Auto oder mit öffentlichen
                beispielsweise gerne während der Fahrt gegessen,             Verkehrsmitteln. Heute gibt es noch keinen Dienst,
                was natürlich Auswirkungen auf das HMI und die               der die Menschen dabei wirklich gut und durchgängig
                Sicherheit hat.                                              unterstützt. Er sollte den Menschen die Wünsche von
automotion   |   Fokusthema   23

      »Künftig wird das
      gleiche Fahrzeug sich
      jedem Nutzer leicht an-
      ders präsentieren. Diese
      Flexibilität und selbstler-
      nende Individualisierung
      beherrscht heute noch
      kein Serienfahrzeug.«

       Timm Kellermann

den Augen ablesen und den Stress während der Fahrt           Warum sollte ein Kunde zu IAV kommen, um ein neues
reduzieren, ohne dabei zu nerven. KI kann aber auch          HMI-Konzept zu entwickeln?
ganz praktische Dinge lernen, zum Beispiel intelligente
Sitze mit mehr als 20 Verstellmöglichkeiten an die           Heinath: Weil wir alle Kompetenzen für solche Innova-
Bedürfnisse des Fahrers anzupassen. Denkbar wäre             tions- und Serienentwicklungsprojekte an Bord haben:
auch das proaktive Einstellen für Klima, Umgebungs-          Design, Technologie und Geschäftsmodelle. Und wir
ambiente sowie das assistierte Fahren.                       können alles gemeinsam mit unseren Kunden vor Ort
                                                             umsetzen – in diesem Fall in China für China. Hier sind
Warum sind asiatische Hersteller hier so aktiv?              wir in Shanghai und Peking mit eigenen Engineering-
                                                             Standorten und mehr als 100 IAV-Entwicklern vertreten.
Kellermann: Viele Hersteller in Europa und den USA glau-     Wir haben mehr als 20 Jahre lokale Projekterfahrung
ben, dass ihre aktuellen Fahrzeuge über ein ausgereiftes     und Mitarbeiter vor Ort, die den Markt und die Ge-
HMI verfügen – was in gewisser Weise natürlich auch          gebenheiten bestens kennen. Denn es reicht eben
stimmt. Die Menschen in Europa haben jedoch teilweise        nicht, einfach die Sprache im HMI an das jeweilige
noch sehr traditionelle Bedürfnisse in puncto Benutzer-      Land anzupassen. Wir müssen unser Verständnis von
schnittstellen und Funktion. In Asien ist das anders: Dort   Kultur und Bedürfnissen der Menschen kontinuierlich
agieren die Menschen viel stärker mit ihren Smartphones,     weiterentwickeln, um den Kunden ein HMI-Erlebnis mit
und ihr ganzes Leben ist von digitalen Diensten noch mehr    echtem Mehrwert bieten zu können – ein Erlebnis, das
als bei uns durchdrungen – zum Beispiel beim Bezahlen.       die Fahrzeugwelt mit der Außenwelt verbindet.
Das wollen und müssen die asiatischen Hersteller in der
Fahrzeugentwicklung berücksichtigen. Mit etwas Zeitver-      Kontakt:
satz werden wir wohl eine ähnliche Entwicklung auch in       marcus.heinath@iav.de
Europa und den USA erleben. Aber selbst dann müssen          t.kellerman@consulting4drive.com
wir eine gewisse Flexibilität bewahren, weil die Menschen
auch in Zukunft die gleichen Dinge auf unterschiedliche
Art erledigen. Das bedeutet, dass künftig das gleiche
Fahrzeug sich jedem Nutzer leicht anders präsentiert.
Diese Flexibilität und selbstlernende Individualisierung
beherrscht heute noch kein Serienfahrzeug.
24   Fokusthema   |   automotion

     Intelligenter Assistent
     des Zustellers
     Förderprojekt „VanAssist“: Autonome
     Transporter entlasten Paketboten

                                           D
                                                     ie Paket- und Güterlogistik boomt,
                                                     vor allem wegen des Online-Han-
                                                     dels. Das bedeutet viel Arbeit für
                                           die Zusteller – die heute aber einen Groß-
                                           teil ihrer Arbeitszeit im Stau und im Depot
                                           verbringen und dadurch zu wenig Zeit für
                                           den Kundenkontakt haben. Im Förderpro-
                                           jekt „VanAssist“ entsteht ein intelligentes
                                           System für autonome fernüberwachte Klein-
                                           transporter in der Paketlogistik, das den
                                           Zustellprozess optimieren soll. IAV ist dabei
                                           für die Lokalisierung und die hochgenauen
                                           Karten verantwortlich.

                                           Paketzusteller haben keinen einfachen
                                           Job: Bevor sie mit ihrer eigentlichen Arbeit
                                           beginnen, müssen sie morgens ins Depot
                                           fahren, ihr Fahrzeug beladen und sich dann
                                           durch den dichten Verkehr auf den Weg in
                                           ihr Zustellgebiet machen. Abends folgt das
                                           gleiche Spiel in umgekehrter Reihenfolge:
                                           zurück ins Depot, nicht zugestellte Pakete
                                           ausladen, neue Pakete rein in den Wagen.
                                           Allein mit diesen Tätigkeiten verbringen
                                           die Mitarbeiter der Paketdienste etwa die
                                           Hälfte ihrer Arbeitszeit – Zeit, die ihnen für
                                           den persönlichen Kundenkontakt und die
                                           Auslieferung fehlt.

                                           Das Förderprojekt VanAssist (Interakti-
                                           ves, intelligentes System für autonome
                                           fernüberwachte Kleintransporter in der
                                           Paketlogistik) will diese ineffizienten Abläufe
                                           überwinden und den Zustellern mehr Zeit
                                           für ihren eigentlichen Job verschaffen.
                                           Die Grundidee dahinter: In dem Depot des
                                           Paketdienstes steht ein autonomes Zu-
                                           stellfahrzeug, das morgens zur Laderampe
                                           fährt und von einem Logistik-Mitarbeiter
                                           beladen wird. Er kennt die geplante Route
automotion   |   Fokusthema        25

und lädt – angeleitet von einer App – die        zu s
                                                    ­ einen Kunden führen lassen. Sind die       aktualisieren die Karte. Wenn ein Fahrzeug
Pakete in der richtigen Reihenfolge in den       Pakete zugestellt, sendet er per Smart-         dennoch nicht mehr autonom weiterkom-
Transporter. Sobald alles verladen ist, gibt     phone eine Meldung an den Transporter           men sollte, schaltet sich die Leitstelle ein
die Leitstelle das Signal zum Losfahren. Das     und trifft sich mit ihm an einer vereinbarten   und wählt aus einem vorgegebenen Katalog
Zustellfahrzeug verlässt das Depot, steuert      Stelle – etwa am anderen Ende einer Fuß-        ein Fahrmanöver aus.
autonom durch den Verkehr und trifft sich        gängerzone, um die nächsten Sendungen
mit dem Zusteller, zum Beispiel auf einem        auszuladen und zuzustellen.                     Derzeit entsteht der erste Prototyp des
Ride-Sharing-Parkplatz nahe des Zustellge-                                                       Zustellfahrzeugs auf Basis eines Rolling
biets. Per Smartphone verschafft sich der        Abends steigt der Zusteller wieder irgendwo     Chassis. Ende des Jahres wollen die
Zusteller Zugang zum Transporter und macht       zwischen Zustellgebiet und Depot aus und        ­VanAssist-Projektpartner dann auf einem
sich auf den Weg zu seinen Kunden, wobei         lässt das Fahrzeug autonom zum Logistik-         Testparcours auf dem Gelände der TU
er entweder selbst am Steuer sitzt oder der      zentrum zurückfahren. Auf dem Gelände            Braunschweig zeigen, dass die Technik
autonomen Technik das Fahren überlässt.          des Paketdienstes werden nicht zugestellte       zuverlässig funktioniert und die Zusteller
                                                 Sendungen ausgeladen und neu ange-               tatsächlich spürbar entlasten kann. „Wir
Permanent lernendes System                       kommene Pakete eingeladen. Dort gibt             wollen nicht nur ein autonomes Fahrzeug
                                                 es auch eine Werkstatt für die Reinigung         bauen, sondern es nahtlos in den Zustell-
Die Reihenfolge der Zustellung wird im           und Wartung der Fahrzeuge sowie eine             prozess integrieren“, betont Czerwionka.
Hintergrund geplant, wobei das System            Infrastruktur zum Aufladen der Batterien. So
neben der Straßenkarte auch die aktuelle         kann das Procedere am nächsten Morgen           Kontakt:
Verkehrslage berücksichtigt (zum Beispiel        von vorne beginnen.                             paul.czerwionka@iav.de
Staus oder Baustellen). Gelerntes Wissen
soll ebenfalls einfließen, etwa über die         Lidar-Sensoren und Kameras
­Erreichbarkeit einzelner Empfänger. „Der Zu-    erkennen Landmarken
 steller kann die Reihenfolge aufgrund ­seiner
 Erfahrung selbst anpassen“, erklärt Paul        IAV ist im VanAssist-Projekt für die Loka-        VanAssist
 Czerwionka, IAV-Projektleiter für ­VanAssist    lisierung der Fahrzeuge und die hochge-
 und Experte für Karten. „So können wir auch     nauen Karten zuständig. „GPS reicht hier
 das menschliche Wissen nutzen und das           nicht aus, weil wir eine höhere Genauigkeit       Im Projekt VanAssist arbeiten
 System permanent lernen lassen.“                benötigen“, sagt Czerwionka. „Darum nut-          neben IAV auch DPD (Konsortial-
                                                 zen wir Lidar-Sensoren und Kameras, mit           führer), bridgingIT, Ibeo Automoti-
Während der Zustellung parken die Trans-         denen wir die Position auf rund zehn Zen-         ve Systems, die TU Braunschweig,
porter heute mangels Alternativen oft in der     timeter genau bestimmen können.“ Zwei             die TU Clausthal, die Universität
zweiten Reihe. Geht es nach den Entwick-         Lidar-Sensoren (vorne und hinten) und vier        Mannheim und die Hochschule
lern von VanAssist, soll auch damit Schluss      Kameras (in alle vier Richtungen) erfassen        Offenburg mit. Es wird gefördert
sein: In Zukunft könnte der Zusteller drei       Landmarken wie Bäume oder Schilder, de-           vom Bundesministerium für
oder vier Pakete ausladen, das Fahrzeug zu       ren Position zuvor genau bestimmt und in          Verkehr und digitale Infrastruktur.
einem offiziellen Haltepunkt weiterschicken      hochgenauen Karten eingetragen wurde.
                                                                                                   Weitere Informationen:
und sich auf den Weg zu den Empfängern           Die Zustellfahrzeuge erkennen, wenn sich in
                                                                                                   www.vanassist.de
machen. Per Indoor-Navigation kann er            der Umgebung etwas geändert hat – etwa
sich in größeren Gebäuden dabei sogar            durch ein neu aufgestelltes Schild – und
26    Fokusthema   | automotion

„Das Mindset des gesamten
Unternehmens ändern“
Domänenwissen trifft auf Methoden- und Prozesswissen:
Das Digital Lab als Freiraum für kreative Ansätze

I
   m Digital Lab erprobt IAV neue Methoden     Ohmenzetter: Dabei spielt das Digital Lab      Session wer weiter kommt, bewertet also
   und Arbeitsweisen. Matthias Schultalbers,   eine Schlüsselrolle. Es ist ein Freiraum, in   die vorgestellten Ideen. Danach werden
   Chief Digital Officer bei IAV, und Maike    dem wir kreative neue Ansätze ausprobieren     die Gewinner zu Product Ownern ernannt
Ohmenzetter, Agile Master bei IAV, berichten   können und in dem auch eine besonders          und können unternehmensweit unter allen
über die Erfahrungen aus den ersten zwei       offene Fehlerkultur herrscht. Denn eines ist   IAV-Kollegen Mitstreiter für ihr Team finden.
Jahren, den neuen Innovationsprozess und       sicher: Die Welt um uns herum wird immer       Es folgt ein Probesprint von vier bis sechs
die aktuellen Themen im Zukunftslabor des      vielfältiger, die Herausforderungen komple-    Wochen, ein Review und die Entwicklung
Unternehmens.                                  xer. Das erfordert neue Kreativ- und Inno-     eines Minimum Viable Products (eines mini-
                                               vationstechniken. Im Digital Lab kommen        mal funktionsfähigen Produktes/Services) –
Herr Schultalbers, Sie sind der neue CDO       darum Kollegen aus den IAV-Bereichen           ständig begleitet von einem Scrum-Master
von IAV. Was haben Sie vor?                    mit Spezialisten für neue Technologien und     aus dem Kernteam, der sie coacht.
                                               neue Arbeitsweisen zusammen. Experten
Schultalbers: Ich setze darauf, dass wir       aus den Domänen treffen zum Beispiel auf       Schultalbers: Dabei ist es uns sehr wich-
weiterhin über unser großes Forschungs-        Experten für Künstliche Intelligenz oder       tig, dass auch die technischen Bereiche
netzwerk aktuelles Wissen ins Unternehmen      agiles Arbeiten.                               schon frühzeitig mit eingebunden sind. Die
holen. Wir wollen den letzten Stand der                                                       Bereichsleiter übernehmen als Manage-
Technik kennen und allen unseren Kollegen      Wie ist das Digital Lab organisiert?           ment-Pate die Rolle von Sparringspartnern
immer die neuesten Erkenntnisse zugänglich                                                    für die Projektteams. Schon während der
machen. Derzeit prägen viele neue Trends       Ohmenzetter: Es gibt ein Kernteam von          Entwicklung und spätestens sobald das
und immer kürzere Entwicklungszyklen           rund zehn Mitarbeitern. Darunter sind die      Minimum Viable Product verfügbar ist,
unser Geschäft, weshalb wir auch agile         Methoden-Experten, die sich zum Beispiel       entscheiden wir im Management von IAV,
Arbeitsweisen wie Design Thinking oder         mit Künstlicher Intelligenz, Data Science,     wie wir damit weiter verfahren wollen. Wir
Barcamps im Unternehmen etablieren. Wir        autonomen Systeme und Computer Visi-           könnten beispielsweise ein entsprechendes
sind mitten in einer Weiterentwicklung von     on auskennen. Andere Kollegen sind auf         Doktorandenprogramm aufsetzen oder
IAV und dabei bereits ein gutes Stück vor-     neue Prozesse wie agiles Arbeiten und De-      direkt mit der Akquise beginnen.
angekommen.                                    sign Thinking spezialisiert. Neben diesem
                                               Kernteam sind immer etwa 20 Kollegen aus       Welche Kampagnen sind in
Welche Rolle spielt dabei das Digital Lab?     den IAV-Bereichen bei uns, die drei bis vier   diesem Jahr geplant?
                                               Monate im Digital Lab verbringen, um dort
Schultalbers: Das Digital Lab dient uns als    ihre Idee umzusetzen.                          Ohmenzetter: Eines der Themen ist „Auto-
Plattform, um diese innovativen Themen und                                                    matisierung/Digitalisierung“. Es geht um die
Arbeitsweisen ins gesamte Unternehmen          Wie kommt man als IAV-Mitarbeiter ins          Frage, wo wir Routineaufgaben in der Verwal-
zu tragen. Im operativen Geschäft ist es       Digital Lab?                                   tung oder der Entwicklung automatisieren
schwierig, neue Methoden und Prozesse zu                                                      können, um effizienter und effektiver zu
testen und zu bewerten. Im Digital Lab kön-    Ohmenzetter: Viermal im Jahr starten           werden. In anderen Kampagnen geht es um
nen wir neue Arbeitsweisen, aber auch neue     wir eine thematische Kampagne und la-          die Bereiche „Non-Automotive“, „Powertrain“
Technologien wie Künstlicher Intelligenz       den alle IAV-Mitarbeiter ein, sich über eine   sowie „Fahrzeug/Mobilität“. Das Interesse bei
oder das Internet der Dinge erproben und       Online-Plattform mit ihren Ideen bei uns zu    den Kollegen ist sehr groß: Wir haben jedes
für alle 8.000 IAV-Mitarbeiter nutzbar ma-     bewerben. Die Pitch Session ist offen für      Mal deutlich mehr als 50 Vorschläge erhalten,
chen – und damit natürlich auch für unsere     alle IAV-Kollegen und hat immer um die         von denen zehn für den Pitch ausgewählt
Kunden. Wir wollen nicht nur Leuchtturm-       100 Zuschauer: Freiwillige, die sich dafür     wurden. Bei den Ideenvorstellungen waren
projekte durchführen, sondern das Mindset      interessieren – jeder kann dabei sein! Die     rund 200 Kollegen als Zuschauer mit dabei,
des gesamten Unternehmens ändern.              Jury entscheidet dann innerhalb dieser         entweder live oder per Skype.
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