Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung - Rahmenprogramm empirische ...
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1 Inhaltsverzeichnis 1 Bildungs- und forschungspolitische Herausforderungen 2 2 Ziele des Rahmenprogramms empirische Bildungsforschung 4 2.1 Erkenntnisse in neuen Feldern gewinnen – Wissensbasis für Bildungspraxis und -politik stärken ............6 2.2 Kooperation von Forschung und Praxis fördern ....................................................................................................6 2.3 Das Bildungswesen verbessern – Innovationen durch Forschung voranbringen ...........................................7 2.4 Exzellente Bildungsforschung strukturell weiter ausbauen ...............................................................................7 3 Handlungsfelder 8 3.1 Bildungsgerechtigkeit verbessern – individuelle Potenziale erkennen und entwickeln ...............................9 3.2 Mit Vielfalt umgehen und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken .......................................................... 12 3.3 Qualität im Bildungswesen fördern ...................................................................................................................... 14 3.4 Technologische Entwicklungen im Bildungsgeschehen gestalten und nutzen ........................................... 16 Interview mit Mitgliedern des Begleitgremiums zum Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung ............. 18 4 Struktur, Instrumente und Organisation 22 4.1 Strukturförderung in der Bildungsforschung fortsetzen .................................................................................. 23 4.2 Flexibel auf Herausforderungen reagieren: partizipative Weiterentwicklung des Rahmenprogramms...... 24 4.3 Qualitätssicherung und Evaluation ....................................................................................................................... 26 4.4 Förderinstrumente ................................................................................................................................................... 27 5 Mittelvolumen und Laufzeit 28 6 Vernetzung mit anderen Programmen und Förderschwerpunkten 30 6.1 Forschungs- und Innovationsförderung des BMBF ........................................................................................... 31 6.2 Forschungsförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ................................................................... 35 Impressum 37
1 | BILDUNGS- UND FORSCHUNGSPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN 3 Wir stehen heute vor großen und neuen Herausforde- rungen: der Digitalisierung fast aller Lebensbereiche, der voranschreitenden Globalisierung, den demogra- fischen Veränderungen, der Sicherung unserer demo- kratischen Werte. Diesen Herausforderungen muss sich auch das Bildungssystem stellen, denn Bildung ist unerlässlich für ein selbstbestimmtes Leben. Sie beein- flusst die Lebenschancen jedes Menschen ebenso wie seine Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. Damit sind gelingende Bildungsprozesse auch eine Grundbedingung für jede demokratische Gesellschaft. Sie sind ein Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Unser Ziel ist deshalb, das Bildungssystem so zu fördern, dass es die Herausforderungen unserer Zeit annimmt und allen, die in Deutschland leben, bestmögliche Mit der demografischen Entwicklung stellt sich die Bildungschancen eröffnet – unabhängig von Herkunft, Frage, welche Herausforderungen eine alternde Ge- Geschlecht, sozialem Status, religiöser oder sexueller sellschaft mit sich bringt und wie gesellschaftliche und Orientierung. berufliche Teilhabe für alle über eine lange Lebens- spanne hinweg gewährleistet werden kann. Auch für Die Bundesregierung stellt sich diesen Herausfor- regionale Disparitäten bedarf es geeigneter Lösungen derungen. Das Bundesministerium für Bildung und – ob in strukturschwachen Regionen oder den sozialen Forschung (BMBF) hat die Aufgabe, die Bildungsprozes- Brennpunkten der Ballungsräume. Die Vielfalt inner- se in unserem Land über den gesamten Lebensverlauf halb der Gesellschaft wächst und stellt neue Anforde- hinweg bestmöglich zu unterstützen. Um dieses Ziel rungen an ein friedliches und gerechtes gesellschaft- zu erreichen, müssen immer wieder die Bedingungen liches Miteinander. geklärt werden, die diese Bildungsprozesse optimal för- dern. Dazu brauchen wir eine exzellente Bildungsfor- Das BMBF setzt seine erfolgreiche Forschungsförde- schung. Sie schafft die Wissensgrundlagen für rationale rung deshalb mit dem Rahmenprogramm empirische Entscheidungen in Bildungspolitik und Bildungspraxis. Bildungsforschung seit 2017 fort – zehn Jahre nach Daher beschränkt sich Bildungsforschung nicht darauf, dem Beginn des ersten Rahmenprogramms. Das neue Beschreibungs- und Erklärungswissen zu erzeugen, Rahmenprogramm bildet ein organisatorisches Dach, sondern erarbeitet auch Handlungs- und Verände- unter dem die Bildungsforschung optimale Bedingun- rungswissen, das das vielfältige Erfahrungswissen gen finden soll. der Praktikerinnen und Praktiker erweitern kann. Kernstück des Programms ist die Orientierung an den Globalisierung und Digitalisierung lassen die Bedeu- aktuellen bildungspolitischen Herausforderungen. tung von Bildung für Innovation, für technologischen Die Forschungsergebnisse sollen noch stärker genutzt Fortschritt, aber auch für gesellschaftliche Integration werden, um diese Herausforderungen in Bildungskon- weiter wachsen. In der Arbeitswelt werden Beschäftigte texten zu bewältigen. Dafür werden die Gegenstands- gesucht, die hohe fachliche Qualifikationen und die bereiche der geförderten Forschungsvorhaben ebenso Fähigkeit zu Flexibilität, Kooperation und Kommuni- erweitert wie die methodischen Herangehensweisen. kation mitbringen. Der rasante digitale Wandel betrifft Innovations-, Implementations- und Transferforschung nicht nur den beruflichen und privaten Alltag der rücken stärker in den Mittelpunkt. Auch der Dialog und Erwachsenen, sondern zunehmend auch die Lebens- die Zusammenarbeit von Forschung mit Bildungspraxis wirklichkeit von Kindern und Jugendlichen. und Bildungspolitik sollen ausgeweitet werden. Die einzelnen Themen werden in Förderbekanntmachun- gen konkretisiert.
2 | ZIELE DES RAHMENPROGRAMMS EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG 5 Das erste Rahmenprogramm zur Förderung der empi- gesellschaftliche Orientierung der Forschungsförderung rischen Bildungsforschung hat seit 2007 entscheidend über die gesamte Laufzeit zu gewährleisten. Das BMBF dazu beigetragen, die empirische Bildungsforschung steht im fortlaufenden Dialog mit Vertreterinnen und in Deutschland zu etablieren: Es gibt eine deutliche Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung, Zunahme an Lehrstühlen mit dem Schwerpunkt Bildungspraxis und Zivilgesellschaft, um die Themen- empirische Bildungsforschung, und auch die Zahl hoch setzungen, die Instrumente und die erwartete Wirkung qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und der Fördermaßnahmen zu prüfen und – wenn nötig – -wissenschaftler ist angestiegen. Die Verstetigung des anzupassen. Nationalen Bildungspanels (National Educational Panel Study, NEPS) als eigenständiges Institut in der Leibniz- Gemeinschaft ist ein Beleg für die erfolgreiche Förde- rung der Forschungsinfrastruktur in der empirischen Bildungsforschung. Dadurch ist eine Datenbasis für die Analyse von Bildungsverläufen geschaffen worden, die auch im internationalen Vergleich herausragt. Die empirische Bildungsforschung in Deutschland konnte ihre internationale Sichtbarkeit steigern und ist interdisziplinärer geworden. Die Vorhaben der bisheri- gen Forschungsbereiche – wie Professionalisierung des pädagogischen Personals, Steuerung im Bildungssys- tem, Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten, Chancengerechtigkeit und Teilhabe sowie verschiedene Schwerpunkte zur sprachlichen Bildung – weisen eine große Bandbreite auf. Erarbeitet wurden dabei um- fangreiches Beschreibungs-, Erklärungs- und Hand- lungswissen, aber auch konkrete Handreichungen für die Bildungspraxis, vor allem für den Schulbereich. Das neue Programm wird diese erfolgreichen Ansätze weiterverfolgen und fortentwickeln. Es bleibt an den Das Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung hohen methodischen Qualitätsstandards einer evi- verfolgt folgende forschungspolitische Ziele: denzbasierten, empirisch-wissenschaftlichen For- schung ausgerichtet. Erkenntnisse vertiefen und in neuen Feldern gewinnen – Wissensbasis für Bildungspraxis und Forschung im Rahmenprogramm empirische Bil- -politik stärken dungsforschung untersucht Voraussetzungen, Be- Kooperation von Forschung und Praxis fördern dingungen und Prozesse von Bildung sowie Wirkun- Innovationen zur Verbesserung des Bildungswe- gen von Bildungsangeboten. Sie führt zu empirisch sens durch Forschung voranbringen gesicherten, verallgemeinerbaren Erkenntnissen und exzellente Bildungsforschung strukturell ausbauen macht sie der Bildungspolitik und der Bildungspraxis zugänglich. Sie verknüpft exzellente Grundlagenfor- schung mit anwendungsorientierter Forschung und Diese Ziele werden in Förderrichtlinien zu einzel- zeichnet sich durch ihre Problemlösungsorientierung nen Forschungsschwerpunkten konkretisiert. Diese aus. Das setzt den Dialog mit Expertinnen und Exper- Schwerpunkte spezifizieren den jeweiligen Zuwen- ten und relevanten Akteurinnen und Akteuren aus dungszweck, den Gegenstand beziehungsweise die Bildungspraxis, -politik und -administration voraus. Themen der Förderung und die Adressatinnen und Adressaten. Das Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus, um die
6 2.1 Erkenntnisse in neuen Feldern gewinnen – Wissensbasis für Bildungspraxis und -politik stärken Die Forschungsförderung geht künftig über den bis- herigen Fokus auf den schulischen Bereich hinaus und erfasst alle Bildungsetappen und -prozesse über die gesamte Bildungsbiografie. Einige Schwerpunkte der bisherigen Forschung werden vertiefend weitergeführt. Die Forschung zu aktuellen gesellschaftlichen Pro- blemlagen und ihren Implikationen für die Bildung wird weiter gestärkt. Dazu gehören Fragestellungen, die mit der Fortsetzung der Bildungsexpansion und der Reduzierung der Anzahl Geringqualifizierter zusam- menhängen. Im Mittelpunkt stehen auch der Abbau sozialer und regionaler Disparitäten, der Umgang mit zunehmender Heterogenität in Bildungseinrichtungen und die Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Bildung. Darüber hinaus sind strukturelle Rahmen- bedingungen im Bildungssystem und in Bildungs- Schließlich werden Forschungsfragen stärker berück- einrichtungen Gegenstand der Forschungsförderung. sichtigt, die sich mit dem Transfer und der Implemen- Besondere Beachtung erhalten die jeweiligen Schnitt- tation wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse in die stellen zwischen den Bildungseinrichtungen, den Bildungspraxis befassen. Teilsystemen des Bildungswesens und zwischen den Bildungsetappen. 2.2 Kooperation von Forschung und Im Bildungswesen trifft eine Vielzahl unterschiedlicher Praxis fördern Interessen und Entwicklungen aufeinander. Politische Institutionen und Bildungspraxis benötigen eine solide Damit der Transfer wissenschaftlich fundierten empirische Wissensbasis, um Entscheidungen sachge- Handlungs- und Veränderungswissens in die Praxis recht treffen zu können. Die Bildungsforschung liefert noch besser gelingt, sollen alle relevanten Gruppen dafür nicht nur umfangreiches Grundlagenwissen, einbezogen werden: Erzieherinnen und Erzieher, Lehr- sondern kann durch theoretisch fundierte und empi- kräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder, Verantwortliche risch geprüfte Modelle auch zur Weiterentwicklung der in Bildungsadministration und Bildungspolitik und Praxis beitragen. Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft. Im Rahmenprogramm werden geeignete Instrumente Bildungsforschung kann dabei helfen, die Möglichkei- entwickelt, um die Zusammenarbeit zu verbessern. ten und Grenzen politischer und praktischer Gestal- So wird eine strukturierte Kommunikation und tung aufzuzeigen. Sie liefert Erkenntnisse darüber, Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis auf welche Faktoren Innovations- und Gestaltungsprozes- Ebene der Programmsteuerung eingerichtet. Bei der se begünstigen, warum intendierte Wirkungen zuwei- Steuerung der Förderschwerpunkte werden Koope- len ausbleiben und worauf unerwünschte Begleiter- rationen unterstützt, die bestehende Netzwerke der scheinungen zurückzuführen sind. Bei der Vermittlung, Bildungspraxis einbeziehen. Denn Politik, Verwaltung, Nutzung und Interpretation dieser Erkenntnisse Bildungseinrichtungen und das pädagogische Personal müssen auch die Bedarfe der verschiedenen beteiligten tragen gemeinsam die Verantwortung für die Qualität Akteurinnen und Akteure sowie deren unterschiedli- von Bildung. che Interessenlagen berücksichtigt werden.
7 Bildungseinrichtungen, die Kooperation und Kom- munikation. Auf Personengruppen wie Leitungen, Lehrpersonal und Lernende kommen neue Aufgaben und Zuständigkeiten zu. Zugleich gilt es aus bildungs- politischer Sicht, Bewährtes zu identifizieren. Das wissenschaftlich gestützte Festhalten an erfolgreichen Handlungsroutinen („Best Practice“) und Strukturen ist für die Gestaltung des Bildungswesens ebenso relevant wie die Frage nach dem Verbesserungsbedarf und nach dem Beschreiten neuer Wege. Die Ergebnisse der Bildungsforschung kommen nicht nur der Bildungspolitik zugute. Von den Erkenntnissen profitieren auch forschungs- und innovationspolitische Ansätze wie die Hightech-Strategie der Bundesregie- rung oder das Zehn-Punkte-Programm „Vorfahrt für den Mittelstand“ des BMBF. Diese Strategien sollen dazu beitragen, den Fachkräfte- und Qualifikations- bedarf der Wirtschaft zu decken. Mit ihren Ergebnissen kann die Bildungsforschung somit die Innovations- fähigkeit Deutschlands erhöhen. 2.3 Das Bildungswesen verbessern – Innovationen durch Forschung 2.4 Exzellente Bildungsforschung voranbringen strukturell weiter ausbauen Dem Rahmenprogramm empirische Bildungsfor- Nur die Ergebnisse einer exzellenten Forschung haben schung liegt ein weiter Innovationsbegriff zugrunde, das Potenzial, das Bildungssystem voranzubringen und der für das BMBF auch in anderen Forschungs- und Bildungsprozesse zu verbessern. Die grundlagen- und Förderbereichen maßgeblich ist. Er schließt soziale In- die anwendungsorientierte Forschung müssen hohen novationen ein und berücksichtigt die Zivilgesellschaft Qualitätskriterien für wissenschaftliches Arbeiten ge- als wichtige Akteurin in Innovationsprozessen. nügen und auch international sichtbar und anschluss- fähig an den aktuellen Forschungsstand sein. Das Gelingen sozialer Innovation setzt wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs und praktische Erfahrungen voraus. Das Rahmenprogramm knüpft an die Ergebnisse seines Innovationsprozesse verlaufen in der Regel nicht linear Vorgängers an und setzt die Strukturentwicklung in von der Grundlagenforschung über angewandte For- der Bildungsforschung fort. Das gilt vor allem für den schung bis hin zur Umsetzung. Sie sind komplex, und ihr weiteren Ausbau der Informations- und Forschungs- Erfolg ist abhängig von den Kontextbedingungen. Das gilt infrastrukturen, die Förderung des wissenschaftlichen gerade im Bildungssystem, in dem vielfältige Rückkopp- Nachwuchses und die Unterstützung der internatio- lungen zwischen den Teilprozessen sowie den Institutio- nalen Zusammenarbeit. Vielfalt und Breite der in der nen und handelnden Personen notwendig sind. Dafür die Bildungsforschung bearbeiteten Themen erfordern geeigneten Formate und Organisationsformen zu finden unterschiedliche bildungswissenschaftliche sowie ist Bestandteil bildungspolitischer Innovationen. inter- und transdisziplinäre Zugänge. Angesprochen sind die Erziehungswissenschaften, die Psychologie, Die Digitalisierung im Bildungsgeschehen ist dafür die Allgemeine Didaktik und die Fachdidaktiken, die ein gutes Beispiel: Sie beschränkt sich nicht auf neue Soziologie, die Politik-, Wirtschafts- und Verwaltungs- technische Lösungen, sondern geht einher mit einem wissenschaften, die Neurowissenschaften sowie je nach Bedarf an neuen Formen für die Organisation in den Themenfeld auch weitere Disziplinen.
3 | HANDLUNGSFELDER 9 Aus den genannten bildungs- und forschungspoliti- Zusammenhang in den Blick genommen. Und schließ- schen Zielsetzungen ergeben sich vier zentrale Hand- lich geht es um die Kompetenzen des pädagogischen lungsfelder für die Forschungsförderung: Personals und die pädagogisch-didaktischen Praktiken, die auf die unmittelbare Gestaltung von Bildungsange- Bildungsgerechtigkeit verbessern – individuelle boten zielen. Potenziale erkennen und entwickeln mit Vielfalt umgehen und gesellschaftlichen Zu- Dieses Modell wird auch für die Strukturierung der sammenhalt stärken Handlungsfelder angewandt. Für bestimmte Frage- Qualität im Bildungswesen fördern stellungen ist es unerlässlich, Untersuchungen auf technologische Entwicklungen im Bildungsbereich mehreren Ebenen anzusiedeln, um relevante Bedin- gestalten und nutzen gungsfaktoren, Wechselwirkungen und Effektketten ausmachen zu können. Innerhalb dieser Handlungsfelder werden jeweils For- schungsschwerpunkte gefördert. Die Handlungsfelder weisen untereinander vielfältige Berührungspunkte auf. 3.1 Bildungsgerechtigkeit verbessern – individuelle Potenziale erkennen In der empirischen Bildungsforschung hat es sich be- und entwickeln währt, Bildung als Mehrebenensystem zu betrachten. Auf der Mikroebene wird zum Beispiel die Förderung Bildungsgerechtigkeit muss Ziel und Maßstab der des Individuums mit seinen Ausgangsbedingungen be- Bildungspolitik in einer demokratischen Gesellschaft trachtet. Auf der Mesoebene steht die Verbesserung des sein. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, institutionellen Rahmens von Bildungsangeboten und Chancen auf Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg -gelegenheiten im Mittelpunkt. Dazu gehören neben ist in Deutschland zwar nicht mehr so stark wie noch Bildungseinrichtungen auch andere wichtige Bildungs- vor zehn Jahren; das zeigen unter anderem die neueren und Lernorte je für sich und an den Schnittstellen zur PISA-Studien. Dennoch ist der Einfluss der sozialen institutionalisierten Bildung (zum Beispiel Betriebe, Herkunft weiterhin groß. Mehr Bildungsgerechtigkeit Familien und Freundeskreise sowie Vereine oder kul- bleibt deshalb eine zentrale politische und gesellschaft- turelle Aktivitäten). Auf der Makroebene werden die liche Aufgabe. Strukturen des Bildungssystems im gesellschaftlichen „Kultur macht stark“ zur Förderung von Kindern und Jugendlichen Die soziale Herkunft wirkt sich nach wie vor auf den Bildungserfolg aus. Mehr als jedes vierte Kind in Deutschland wächst in schwierigen sozialen oder finanziellen Verhältnissen oder in einem bildungsfernen Umfeld auf. Bildungsge- rechtigkeit und damit die gezielte Förderung von bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Deshalb hat das BMBF das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ gestartet. Mit dem Programm wer- den außerschulische Maßnahmen der kulturellen Bildung für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 18 Jahren gefördert. Außerschulische kulturelle Bildung trägt in besonderem Maße zur Persönlichkeitsentwick- lung bei und stärkt soziale Kompetenzen. Mindestens drei Partner entwickeln in Bündnissen für Bildung Maßnahmen, die von zivilgesellschaftlichen Akteuren, ge- stützt durch ehrenamtliches Engagement, vor Ort umgesetzt werden. So werden bürgerschaftliche Netzwerke initiiert und gefördert. Bis Ende 2017 haben fast 600.000 Kinder und Jugendliche in mehr als 7.000 lokalen Bündnissen an rund 17.000 Projekten teilgenommen. Das erfolgreiche Programm „Kultur macht stark“ wird bis Ende 2022 fortgesetzt. Bis dahin stellt das BMBF bis zu 250 Millionen Euro bereit und leistet damit einen wichtigen Beitrag, um den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg abzuschwächen. Die begleitende Bildungsforschung ist hierbei ein wichtiger Faktor für Qualitätssicherung und Innovationen und soll daher zukünftig ein fester Bestandteil des Programms sein.
10 RAHMENPROGRAMM EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG Bildungschancen sind individuelle Lebenschancen Übergänge an den Schnittstellen der einzelnen Bil- und eröffnen die Möglichkeit zu einer selbstbestimm- dungsetappen und -institutionen. Forschung kann dazu ten und selbstbewussten gesellschaftlichen Teilhabe. beitragen, Konzepte und Modelle für eine individuell Chancengerechtigkeit heißt nicht, allen die gleichen und flexibel gestaltete Bildungsbiografie zu entwickeln, Leistungspotenziale zuzusprechen. Vielmehr soll jeder die sozialen Aufstieg und Integration ermöglicht. Mensch seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert werden und Chancen auf Bildungsbeteiligung unab- Die Chancen, unterschiedliche Bildungs- und Karriere- hängig von seiner sozialen Herkunft erhalten. wege zu wählen, können die Menschen nur nutzen, wenn sie die eigenen Fähigkeiten und die bestehen- Die Forschung kann dazu beitragen, die Bedingungen den Bildungsangebote kennen. Auch in den Familien für Chancengerechtigkeit besser zu verstehen und braucht es die notwendigen Kompetenzen, um die geeignete Maßnahmen und Instrumente zu entwi- eigene Bildungsbiografie vorausschauend, realistisch ckeln. Fragen des Zugangs zu Bildungsangeboten, der und selbstbestimmt gestalten zu können. Durchlässigkeit sowie der Förderung über alle Bil- dungsetappen hinweg sind dabei ebenso wichtig wie Dies ist in der sich rasch verändernden Arbeitswelt informelle Angebote – etwa in den Familien – und ihre von entscheidender Bedeutung. Einmal erworbene Schnittstellen zur formalen Bildung. Wissensbestände und Fähigkeiten tragen nicht mehr für das gesamte Erwerbsleben. Auch die Möglichkeit, Förderung über alle Bildungsetappen hinweg aktiv und selbstbestimmt am gesellschaftlichen, kultu- In den verschiedenen Lebensphasen und in allen Bil- rellen und politischen Leben teilzuhaben, ist davon ab- dungsetappen – von der frühkindlichen Bildung bis zur hängig. Im Zuge der demografischen Entwicklung mit Erwachsenenbildung – sollen Fragen der Entfaltung einem steigenden Anteil älterer Menschen gewinnen und Entwicklung individueller Potenziale Gegenstand Fragen der individuellen und institutionellen Gestal- der Förderung sein. tung lebenslangen Lernens zunehmend an Bedeutung. Das gilt nicht nur für das Erwerbsleben, sondern für die Bildungsgerechtigkeit setzt voraus, dass die Rahmen- persönliche Lebensplanung insgesamt. bedingungen und Erfordernisse für die Qualitätsent- wicklung der Bildungs- und Betreuungsangebote in der Der Forschung kommt die Aufgabe zu, Antworten auf frühkindlichen Bildung wissenschaftlich untersucht viele damit verbundene Fragen zu finden: Wie können werden. Mit Blick auf Bildung im Lebensverlauf richtet die Kompetenzen, die zur selbstbestimmten Planung sich die Forschungsförderung auf das Management der der eigenen Bildungsbiografie benötigt werden, ge- fördert werden? Wie müssen Beratungs- und Unter- stützungsangebote aussehen, um die Bildungs- und Berufswahl bestmöglich zu unterstützen? Welche Rolle spielen Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte dabei, und unter welchen Rahmenbedingungen können die Akteurinnen und Akteure über alle Bildungsetappen hinweg optimal kooperieren? Individuelle Potenziale erkennen und entwickeln Die Förderung individueller Potenziale ist Teil der bil- dungspolitischen Ziele des Rahmenprogramms. Ebenso wichtig ist es, Freiräume zu schaffen, in denen neue Interessen und Potenziale angeregt und entwickelt wer- den können. Im Rahmen individueller Förderung geht es darum, jede und jeden den eigenen Voraussetzungen entsprechend zu unterstützen. Gleichzeitig gilt es, die gemeinsame Kommunikation unter den Lernenden im Blick zu behalten.
3 | HANDLUNGSFELDER 11 Im Bereich der Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten soll an die bisherigen Ergebnisse des Förderschwerpunktes angeknüpft werden. Neue Un- tersuchungen beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen Entwicklungsstörungen schulischer Fertig- keiten – beispielsweise Dyslexie oder Dyskalkulie – mit weiteren individuellen Dispositionen der Kinder – bei- spielsweise psychosoziale Belastungen – und darauf ab- gestimmte fachbezogene Förderangebote. Eine wichtige Weiterentwicklung ist die Erweiterung der Forschungs- förderung auf das Jugend- und Erwachsenenalter. Gesellschaftliche Teilhabe eröffnen Das Bildungswesen hat gemeinsam mit der Familie die Aufgabe, jeder und jedem die Fähigkeiten und Kom- petenzen zu vermitteln, aktiv und selbstbestimmt am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben teilzuhaben. Eine wichtige Rolle spielt dabei neben der Kultur- und Wertebildung auch Eine geeignete Balance von individuellem und gemeinsa- die sprachliche Bildung. Ohne gute Sprachkenntnisse mem Lernen kann nur gelingen, wenn das pädagogische sind Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe Personal über gute diagnostische Kompetenzen verfügt. kaum vorstellbar. Umso bedenklicher ist daher die Tat- Außerdem bedarf es erprobter Diagnose- und Förderin- sache, dass zahlreiche Studien bei vielen Kindern und strumente. Im Rahmenprogramm empirische Bildungs- Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund forschung hat die Forschung zur Diagnostik und zur deutliche Sprachdefizite festgestellt haben. Wie kann Förderung individueller Potenziale deshalb einen hohen der Erwerb der deutschen Sprache gefördert werden Stellenwert. Ziel ist es, Instrumente für die Unterstützung und wie die Mehrsprachigkeit? Hierzu besteht weiter- von Lernenden unterschiedlicher Bildungsetappen zu hin Forschungsbedarf. entwickeln und in ihren Wirkungen zu erforschen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Austausch mit Expertin- Eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe ist die sprach- nen und Experten der Bildungspraxis. liche Bildung neu Zugewanderter, und zwar von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenen- und Auch für die Förderung leistungsstarker und potenziell Weiterbildung. Daher widmet sich ein Schwerpunkt besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler im Rahmenprogramm den Bedingungen für das sind fachspezifische Diagnose- und Förderansätze zu Erlernen von Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache. entwickeln. Internationale Vergleichsstudien zeigen, Im Fokus stehen dabei die Entwicklung geeigneter dass in Deutschland die Potenziale dieser Spitzen- diagnostischer Instrumente zur Feststellung des För- gruppe noch nicht hinreichend gefördert werden. Hier derbedarfs und die damit verbundene Qualifizierung besteht Handlungsbedarf, da wir auf die Ideen, Krea- der Fachkräfte. Die Forschung kann dabei anknüpfen tivität und Leistungsbereitschaft von Spitzenkräften an die Ergebnisse der Förderschwerpunkte „Sprach- angewiesen sind. Im Rahmenprogramm sollen daher diagnostik/Sprachförderung“ und „Sprachliche Bildung Forschungsvorhaben gefördert werden, die Verbesse- und Mehrsprachigkeit“. rungen anstreben bei der Qualität von Beratungs- und Förderangeboten, der Diagnosekompetenz von Lehren- Neben der Sprache spielt die kulturelle Bildung für die den und der Motivation und Kompetenzentwicklung gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Rolle. Sie bietet von Lernenden. Diese Forschung wird die gemeinsame dem einzelnen Menschen die Chance, sich im Medium Bund-Länder-Initiative zur Förderung leistungsstarker der Künste mit sich selbst und seiner Umwelt ausein- und potenziell besonders leistungsfähiger Schülerin- anderzusetzen. Eine erste, im Jahr 2015 veröffentlichte nen und Schüler unterstützen und ergänzen. Förderrichtlinie zielt darauf, Fragen der kulturellen
12 RAHMENPROGRAMM EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG Bildung auf eine tragfähige bildungswissenschaftliche Deshalb müssen die Potenziale des guten Miteinanders Grundlage zu stellen. Die künftige Forschungsförderung von Menschen unterschiedlicher Herkunft gestärkt, in diesem Bereich soll Fragen zu neuen Herausforde- Risiken identifiziert und institutionelle und systemi- rungen in diesem Bereich in den Blick nehmen, vor sche Voraussetzungen berücksichtigt werden. Hierin allem solche, die durch die Digitalisierung entstehen. liegt eine wichtige Bedingung für ein gelingendes Gleiches gilt für mögliche Wirkungen kultureller Bil- demokratisches Gemeinwesen. dung auf kognitive und nicht kognitive Kompetenzen. Mit Vielfalt umgehen Gesellschaftliche Teilhabe ist abhängig von äußeren Wie pädagogisches Handeln bei zunehmender Vielfalt Rahmenbedingungen wie dem Zugang zu qualitativ erfolgreich gestaltet werden kann, gehört zu den wich- hochwertigen Bildungsangeboten, etwa in der früh- tigen Fragen, die im Rahmenprogramm aufgegriffen kindlichen Bildung oder der schulischen Ganztags- werden. Einen Schwerpunkt bildet die Forschung zum betreuung. Eine wichtige Rolle spielen auch regionale Umgang mit Heterogenität in Bildungseinrichtungen, Bildungslandschaften und sozialräumliche Unterschie- in der Unterrichtsgestaltung, in konkreten Lehr-Lern- de zwischen Stadt und Land. Forschung kann dazu Situationen und in Lerngruppen. Ein Fokus liegt auf beitragen, diese Zusammenhänge besser zu verstehen der Weiterentwicklung und Evaluation fachdidak- und Lösungsmöglichkeiten für den Ausgleich von Dis- tischer Konzepte, die individualisiertes Lernen und paritäten zu entwickeln. Dies gilt es weiterzuverfolgen Lernen in Gemeinschaft verbinden. Die Rolle pädago- und auszubauen. gischer Fachkräfte und die für ihre Arbeit notwendigen Kompetenzen sind ebenfalls zentrale Themen. Grundvoraussetzung für Teilhabe ist das Aufwachsen ohne körperliche und psychische Gewalt. Um den Der Umgang mit Vielfalt ist immer auch danach zu Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, bewerten, wie es in Bildungseinrichtungen gelingt, die fördert das BMBF daher die Erforschung struktureller, Potenziale aller Lernenden zu fördern und die Lern- personaler und interaktionaler Bedingungsfaktoren sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten so- wie die Evaluation und Weiterentwicklung präventiver Qualifizierung von Fachkräften für pädagogischer Konzepte, Strategien und Materialien. inklusive Bildung Inklusive Bildung ist eines der zentralen Anliegen der 3.2 Mit Vielfalt umgehen und Bildungspolitik. Gemeinsame Lehr-Lern-Prozesse von gesellschaftlichen Zusammenhalt Menschen mit unterschiedlichen Lern- und Leistungs- stärken voraussetzungen bilden die Grundlage für persönliche Entwicklung, soziale Teilhabe und einen gleichberech- Die Vielfalt in unserer Gesellschaft nimmt weiter zu. tigten Zugang zum Arbeitsleben. Menschen in Deutschland unterscheiden sich durch ihre ethnische, kulturelle und soziale Herkunft, ihre Im Jahr 2009 hat Deutschland die Konvention der Lebensentwürfe und Lernwege sowie ihre psychoso- Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit ziale und kognitive Entwicklung. Globalisierung und Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) Digitalisierung begünstigen die weitere Ausdifferenzie- ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, ein inklu- rung von Interessen, Anschauungen, Bedürfnissen und sives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleis- Fähigkeiten, tragen aber auch zur sozialen Interaktion ten. Menschen mit Behinderungen sollen jederzeit und Integration bei. einen gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hoch- wertiger Bildung erhalten. Auch das Bildungssystem ist von zunehmender Diver- Damit inklusive Bildung in der Praxis gelingt, hat das sität geprägt. Es steht vor der schwierigen Aufgabe, bei BMBF 2016 die Förderlinie „Qualifizierung der pädagogi- allen Unterschieden jede und jeden Einzelnen best- schen Fachkräfte für inklusive Bildung“ gestartet. Geför- möglich individuell zu fördern, ohne dabei die notwen- dert werden 21 Einzelprojekte und 18 Verbundprojekte. digen Gemeinsamkeiten aus den Augen zu verlieren.
3 | HANDLUNGSFELDER 13 gemeinschaft zu stärken, zum Beispiel in einer Schul- Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken oder Berufsschulklasse, einer Kita-Gruppe, einer Sport-, Im Licht der wachsenden gesellschaftlichen Vielfalt ha- Theater- oder Tanzgruppe. Zu berücksichtigen sind da- ben Chancengerechtigkeit und die Entwicklung eines bei neben den Interaktionen in Lehr-Lern-Situationen demokratischen Werteverständnisses einen besonde- auch die Konstellationen in verschiedenen Lernum- ren Stellenwert. welten, inklusive regionaler Bildungslandschaften, und die Wechselwirkungen zwischen außerinstitutionellen Neue Forschungsschwerpunkte in diesem Feld sind und informellen Bildungsorten. Das integrative Poten- die interkulturelle Bildung und Wertevermittlung, zial, das sich durch den Einsatz digitaler Medien ergibt, einschließlich der Frage nach der Entwicklung von spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. Werthaltungen, weiterhin die Suche nach fördernden und hemmenden Faktoren für interkulturelle Ver- Fortgeführt wird der Forschungsschwerpunkt zur ständigungsprozesse. Demokratieverständnis, Tole- Inklusion. Inklusive Bildung – verstanden als gemein- ranz und gegenseitige Verständigung setzen in einer samer Lehr-Lern-Prozess von Menschen mit unter- Gesellschaft, die durch Vielfalt gekennzeichnet ist, schiedlichen Lern- und Leistungsvoraussetzungen – ist einen mit Anstrengung und Engagement verbundenen eines der zentralen Anliegen der Bildungspolitik. Dabei Lernprozess voraus – sowohl aufseiten derer, die zu sind auch die exkludierenden Mechanismen der Gesell- uns kommen, als auch aufseiten der aufnehmenden schaft in den Blick zu nehmen. Die Forschungsförde- Gesellschaft. Es geht um das demokratische Selbst- rung des BMBF konzentriert sich zunächst auf die Qua- verständnis, das Lernen und Einüben demokratischer lifizierung des pädagogischen Personals für inklusive Verfahrensweisen, gesellschaftliches Engagement und Bildungsprozesse über alle Bildungsbereiche hinweg: die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das Wissen, Kompetenz und Handeln des pädagogischen Rahmenprogramm bietet die Möglichkeit, die hier- Personals bilden die zentralen Voraussetzungen für für notwendigen individuellen und institutionellen die Lernerfolge von Lernenden mit und ohne Behin- Rahmenbedingungen zu untersuchen und geeignete derungen. Im Fokus stehen Fragen zur Diagnostik und Konzepte für Bildungsprozesse zu entwickeln. weitere Themen aus dem Bereich inklusiver Bildung inner- und außerhalb schulischer Kontexte.
14 RAHMENPROGRAMM EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG 3.3 Qualität im Bildungswesen Strukturen und Rahmenbedingungen, nach Quali- fördern tätssicherungsmaßnahmen und Qualitätsentwicklung sowie nach den Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Deutschland steht mit anderen Ländern Europas Auch sollten Erkenntnisse darüber gewonnen werden, und der Welt im Wettbewerb um die Entwicklung zu- wie sich erworbene Bildung für den einzelnen Men- kunftsweisender und arbeitsplatzschaffender Produkte, schen und für die Gesellschaft auszahlt. Hier spielen Dienstleistungen und Technologien. Unternehmen monetäre Erträge ebenso eine Rolle wie die Art und die konkurrieren weltweit um gut ausgebildete Beschäftig- Höhe nicht monetärer Erträge von Bildung – und dies te. Bildungsstand und Qualifikation der Absolventin- über alle Qualifizierungswege und Bildungsetappen nen und Absolventen der Bildungseinrichtungen sind hinweg. Es geht unter anderem auch um das Verhält- mitbestimmend für die Attraktivität des Wirtschafts- nis von Bildung und Gesundheit, um gesellschaftliche standorts und ein Schlüssel für den wirtschaftlichen Teilhabe, Wertorientierungen und Familienbildung. Erfolg im internationalen Wettbewerb. Bildungssys- teme sind nicht mehr nur mittelbar – aufgrund ihrer Qualität auf organisationaler Ebene Bedeutung für den Erfolg von Wirtschaft – ein wichti- Die meisten Konzepte der Qualitätsentwicklung und ger Faktor im internationalen Wettbewerb. Die Qualität Qualitätssicherung setzen auf der Ebene der Institu- von Bildungssystemen ist selbst zum Gegenstand tionen und Organisationen im Bildungsbereich an. weltweiter Konkurrenz geworden. Ins Blickfeld der Forschung rücken daher vor allem das Bildungsmanagement, das Leitungshandeln sowie Eine Qualitätsentwicklung im Bildungssystem ist auch Konzepte für die Organisations- und Personalentwick- notwendig, um die zentralen gesellschaftlichen Her- lung in Bildungseinrichtungen im Kontext von Indivi- ausforderungen zu bewältigen, wie sie in den übrigen dualisierung und regionaler Entwicklung. Ein wichtiges Handlungsfeldern skizziert sind. Qualitätsentwicklung Thema für Bildungspolitik und Bildungsforschung ist muss auf allen Ebenen – Mikro-, Meso- und Makroebe- die Begleitung von Bildungseinrichtungen in sozial ne – und in allen Bildungsetappen ansetzen. herausfordernden Lagen, beispielsweise in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit, einem hohen Anteil von In den vergangenen 15 Jahren wurde vor allem in der schulischen Bildung eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Qualität entwickelt und erprobt sowie neue Steuerungsinstrumente eingeführt. Sie zeigen, dass es nicht nur eine Vielfalt von Qualitätsperspekti- ven und -kriterien gibt, sondern auch offene Fragen, die durch wissenschaftliche Forschung zu klären sind. Qualität auf Systemebene Auf Makroebene soll erforscht werden, wie sich qualitätssichernde Maßnahmen – wie Gesetze, Regu- lierungen, bildungspolitische Vorgaben und Steue- rungsmechanismen – auf das Gesamtsystem Bildung auswirken. Von Interesse sind auch die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Handlungsebenen, die Handlungsmuster der rahmensetzenden Akteurin- nen und Akteure und die Frage, was hohe Qualität in der Bildung im Detail kennzeichnet. Die Rolle neuer Bildungsanbieter im Bildungssystem insgesamt sowie in bildungsökonomischer, bildungsgeografischer, so- ziologischer und ordnungspolitischer Hinsicht soll im Rahmenprogramm ebenfalls erforscht werden. Im Vor- dergrund stehen Fragen nach der Wirkung bestehender
3 | HANDLUNGSFELDER 15 Qualitätsentwicklung für gute Bildung in der frühen Kindheit Die Forschung im Bereich der frühen Bildung ergänzt den quantitativen Ausbau der Kindertageseinrichtungen. Denn nur qualitativ hochwertige frühe Bildung trägt nachhaltig zur Bildungsteilhabe von Kindern bei. Das BMBF hat deshalb schon vor einigen Jahren begonnen, die Qualität der frühen Bildung zu fördern. Die Aufnahme der Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung für gute Bildung in der frühen Kindheit“ in das Rahmenprogramm für empirische Bildungsfor- schung zeigt: Die Bildung von Kindern unter 6 Jahren genießt einen vergleichbaren Stellenwert wie die Bildung ab dem Schulalter. Die Projekte der Förderrichtlinie sollen dabei helfen, Kindertageseinrichtungen auf ihre künftigen Aufgaben vorzube- reiten. Forschungsschwerpunkte bilden zum Beispiel das pädagogische Handeln der Erzieherinnen und Erzieher, die Rolle der Kita-Leitungen bei der Personalentwicklung oder die Interaktion aller beteiligten Akteure. Familien mit Migrationshintergrund und schwacher sammenarbeit über die Unterrichts- beziehungsweise Infrastruktur. Hier kann an die Ergebnisse aus dem Lernprozesse hinaus: Wie lässt sich eine gute Koopera- Forschungsschwerpunkt „Steuerung im Bildungssys- tion pädagogischer Fachkräfte mit den Eltern gestal- tem“ angeknüpft werden. Angesichts der gewachsenen ten? Wie werden Fachkräfte auf die Arbeit in multi- Eigenverantwortlichkeit von Bildungsinstitutionen geht professionellen Teams vorbereitet, und wie können es zudem darum, geeignete Konzepte zum Management Forschungsergebnisse aus der Bildungsforschung in von Bildungsinstitutionen zu entwickeln. der pädagogischen Praxis umgesetzt werden? Darüber hinaus widmet sich die Forschung auch den Chancen Qualität auf Ebene des Personals in Bildungs kooperativer Weiterbildungskonzepte für pädagogi- einrichtungen sches Personal, zum Beispiel in Learning Communities. Die Qualität im Bildungswesen hängt maßgeblich ab von Soweit sich diese Fragen auf die Handlungskompetenz der Professionalität des pädagogischen Personals und der von Lehrerinnen und Lehrern beziehen, können die Fachkräfte im schulischen und außerschulischen Bereich. Schnittstellen zur Qualitätsoffensive Lehrerbildung Mit den gesellschaftlichen Herausforderungen wachsen für eine Vernetzung genutzt werden. die Anforderungen an die Kompetenzen des Personals in Bildungseinrichtungen und Betrieben. Offene Fragen Qualität auf Ebene der pädagogischdidaktischen sind zum einen Konzeptionen der Aus- und Weiterbil- Praktiken dung pädagogischer Fachkräfte in den unterschiedlichen Die empirische Forschung im schulischen Bereich hat Bildungsetappen. Zum anderen sollten Kompetenzen erkannt, wie wichtig die Unterrichtsqualität für die des pädagogischen Personals als zentrale Voraussetzun- Lernwirksamkeit ist. Dasselbe gilt für die pädagogisch- gen für die Lernerfolge der verschiedenen Gruppen von didaktischen Praktiken in anderen Bildungseinrich- Lernenden untersucht werden. Ein Anknüpfungspunkt tungen und in Betrieben. Entscheidend sind nicht die ist der Förderschwerpunkt „Qualifizierung der pädago- äußere Organisation von Lerngruppen und die Sozial- gischen Fachkräfte für inklusive Bildung“. Er unterstützt formen, sondern Lernendenorientierung, kognitive die Untersuchung der Entwicklungsbedingungen für Aktivierung und andere Kriterien für Unterrichtsqua- professionelle Kompetenzen des pädagogischen Perso- lität. Die Umsetzung und Beachtung solcher Quali- nals für inklusiven Unterricht. tätskriterien sind auf allen Ebenen von Bedeutung: für das pädagogische Personal, die Bildungseinrichtungen Weitere Forschungsthemen auf dem Gebiet der pro- (Verankerung in den Organisationen) und das Bil- fessionellen Handlungskompetenz sind die Diagnose- dungssystem insgesamt. und Fachkompetenzen, die Rolle der nicht kognitiven Kompetenzen in Lehr-Lern-Prozessen sowie der Für eine Umsetzung dieser Qualitätskriterien in die Umgang mit fachübergreifenden beruflichen Anforde- Praxis fehlen in vielen Kontexten und Fächern noch rungen. Ferner geht es um geeignete Formen der Zu- geeignete Modelle. Im ersten Rahmenprogramm
16 RAHMENPROGRAMM EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG waren Themen der Didaktik und Fachdidaktik bislang ist es, junge Menschen frühzeitig auf diese neuen nicht Gegenstand systematischer Forschungsför- Herausforderungen vorzubereiten. Sie sollen im- derung. Im neuen Rahmenprogramm empirische stande sein, sich den verändernden Anforderungen Bildungsforschung besteht nun die Möglichkeit, fach- einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt zu und themenbezogene Modelle (weiter) zu entwickeln, stellen und verantwortungsvoll mit den technischen um pädagogisch-didaktische Praktiken zu verbessern. Möglichkeiten umzugehen. Die Aufgabe für jeden Unter welchen Bedingungen die Modelle und Prakti- einzelnen Menschen besteht nicht allein darin, mit ken erfolgreich angewandt werden und welche Wir- der Entwicklung Schritt zu halten, sondern auch die kungen sie dabei erzielen, soll systematisch untersucht Prozesse zu verstehen und mitzugestalten. werden. Technologische Neuerungen und digitale Medien haben das Potenzial, die Qualität im Bildungswesen zu 3.4 Technologische Entwicklungen verbessern. Das BMBF hat mit der „Strategie Bildungs- im Bildungsgeschehen gestalten offensive für die digitale Wissensgesellschaft“ einen und nutzen umfassenden Handlungsrahmen für das gesamte Bildungssystem vorgelegt und damit an die „Digitale Der rasante technologische Wandel bringt zahlreiche Agenda 2014–2017“ der Bundesregierung angeknüpft. grundlegende Veränderungen mit sich, zum Beispiel Gleichzeitig verfolgen die Bundesländer die Strategie neue digitale Lehr-Lern-Formate, Infrastrukturinno- „Bildung in der digitalen Welt“, die vor allem auf Schu- vationen in den Informations- und Kommunikations- len, berufliche Schulen und Hochschulen ausgerichtet technologien und eine zunehmende Automatisierung. ist. Beide Strategien zeigen auch neue Forschungsbe- Er beeinflusst die Art und Weise, wie Menschen in darfe auf, etwa in Bezug auf geeignete Rahmenbedin- Deutschland leben, lernen und arbeiten. Vor allem die gungen, damit Schulentwicklung hin zu einer umfas- Arbeitswelt erfährt durch die Digitalisierung einen send angelegten digitalen Bildung gelingen kann. Wandel, der zu völlig neuen Kompetenzprofilen bei den Beschäftigten führt. Darüber hinaus bedürfen Bildungspraxis und -politik Antworten auf weitere Fragen: Inwieweit verändert der Für das Bildungssystem ergeben sich aus dieser technologische Wandel das Rezeptions- und Produkti- Entwicklung tief greifende Veränderungen und onsverhalten? Welche Folgen ergeben sich daraus für Herausforderungen. Für jede Etappe braucht es neue das Lernverhalten, für Lernstrategien und Lernprozes- Antworten: in Kitas, Schulen und Hochschulen, in se? Erkenntnisse in diesen Bereichen sind erforderlich, der beruflichen Aus- und Weiterbildung und bei um angemessen auf Veränderungen im Bildungsge- Bildungsangeboten für Senioren. Besonders wichtig schehen reagieren zu können. Digitalisierung im Bildungsbereich Mit dem Förderschwerpunkt „Digitalisierung im Bildungsbereich“ unterstützt das BMBF die Umsetzung der Strategie „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“. Im Mittelpunkt stehen dabei zunächst grundsätzliche Fragen zu den Wirkungen von Digitalisierungsprozessen und den Anforderungen an ihre Implementierung. Darüber hinaus soll die Entwicklung und Erprobung von Konzepten gefördert werden, die auf die Gestaltung von Veränderungsprozessen im Bildungswesen unter den Bedingungen der Digitalisierung zielen. In dem Förderschwerpunkt werden vor allem interdisziplinäre Projekte unterstützt. Hierbei ist ausdrücklich die Betei- ligung von Fachgebieten und Disziplinen gewünscht, die den Kanon der üblichen Disziplinen der Bildungsforschung erweitern, wie zum Beispiel Medienwissenschaften, Organisationssoziologie oder Informatik. Eine enge Zusammen- arbeit mit der Bildungspraxis und mit anderen Institutionen des Bildungssystems auf den verschiedenen Ebenen des Forschungsprozesses wird unterstützt. Der Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis soll Bestandteil der Vorhaben sein.
3 | HANDLUNGSFELDER 17 Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen Jeder Mensch soll aus den neuen technologischen Möglichkeiten Gewinn für seinen individuellen Bildungsprozess ziehen. Aus bildungspolitischer Per- spektive sind Forschungsvorhaben zu fördern, die zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Neben der Erfor- schung der notwendigen Kompetenzen und Fähig- keiten gilt es, den sinnvollen Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lern-Prozessen auszuloten. Wissenschaftlich fundierte pädagogische Konzepte sind erforderlich, um digital gestützte Bildung in allen Altersstufen zu ermöglichen und neue Technologien in bestehende Lernumgebungen zu integrieren. Ein zentrales Thema ist der Einsatz digitaler Medien für die individuelle Förderung, einschließlich der Gefahren der Vereinze- lung im Lernprozess durch hoch individualisierte Lösungen. Weitere Themen sind neue Wege in der Kompetenzdiagnostik, digitale Lehr-Lern-Konzepte für Gruppen und die Frage nach generellen Vorteilen digitaler Lernumgebungen gegenüber traditionellen Lernmedien. Im Rahmenprogramm wird deshalb Forschung zu nimmt die digitale Bildung im Bereich der beruflichen neuen Konzepten in der Medienbildung gefördert. Aus- und Weiterbildung ein. Digitales Lernen wird Wie wird anwendungsbezogenes Grundlagenwissen alltäglicher Bestandteil in der beruflichen Bildung generiert? Unter welchen Bedingungen setzt man sein. Diesen Veränderungsprozess voranzutreiben welche Medien didaktisch sinnvoll und wirksam ein? und zugleich qualitativ hochwertig zu gestalten ist In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach Ziel der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Die Art und Umfang des digitalen Medieneinsatzes, um den beruflichen Schulen sind wichtig für die Sozialisierung verschiedenen Altersstufen gerecht zu werden. junger Menschen, gerade auch hinsichtlich ihrer Lern- gewohnheiten und Lernmethoden. Bislang vermitteln Bildungspraxis benötigt Erkenntnisse über neue nur wenige berufliche Schulen konsequent digitale Anforderungen an die Qualifizierung des pädagogi- Kompetenzen. schen Personals. Das Augenmerk gilt den Potenzialen, die sich durch die Neuen Medien und Technologien Selbstbewussten Umgang mit digitalen Medien im Rahmen individualisierter Lernumgebungen und stärken aus selbst gesteuerten Lernprozessen ergeben. Um das Welche Kompetenzen sind nötig, um sich in der Infor- Lernen in unterschiedlichen Lernumgebungen besser mationsflut zurechtzufinden, die über Neue Medien ver- zu verstehen und optimieren zu können, wird auch breitet wird? Wie lässt sich Wichtiges von Unwichtigem Forschung gefördert, die sich auf das Analysieren und unterscheiden, und wie beurteilt man die Zuverlässigkeit Auswerten von großen Datenmengen über Lernende und Qualität von Informationen und ihren Quellen? beim Lernen mit Neuen Medien beziehen (Learning Hier eröffnen sich durch das Rahmenprogramm neue Analytics). Untersuchungsfelder. Die Bildungsforschung kann wert- volle Hinweise zu Aufnahme- und Auswahlprozessen Wie sich digital gestützte Lehr-Lern-Formate in von Informationen geben und geeignete Konzepte für formalen Bildungszusammenhängen verbreiten und Lernende entwickeln. Auch sozialräumliche Disparitäten etablieren, ist ebenfalls von Interesse. Im Fokus stehen oder geschlechterspezifische Fragen werden in diesem hier Struktur- und Organisationsfragen sowie geeigne- Zusammenhang näher zu untersuchen sein. te Formen der Implementation. Eine besondere Rolle
18 RAHMENPROGRAMM EMPIRISCHE BILDUNGSFORSCHUNG Interview mit Mitgliedern des Begleitgremiums zum Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung Ein zukunftsfähiges Bildungssystem und bestmög- Klein: Metropolen wie Köln sind wachsende Millio- liche Bildungschancen für alle – dieses bildungspoli- nenstädte. Wir wissen, dass der enorme Zuwachs von tische Anliegen durch exzellente Bildungsforschung Menschen in allen Altersgruppen großen Einfluss zu unterstützen ist das Ziel des Rahmenprogramms auf den Ausbau der Bildungsinfrastruktur hat. Hinzu empirische Bildungsforschung. Es ist entstanden kommt die Zuwanderung. Die Städte sehen sich in der in Zusammenarbeit mit erfahrenen Vertreterinnen Verantwortung gegenüber allen Kindern und Jugend- und Vertretern aus Bildungsforschung, -praxis und lichen und natürlich auch deren Familien, eine gute -verwaltung. Im Interview erklären vier Mitglieder des Bildung anzubieten und eine Willkommenskultur zu programmbegleitenden Gremiums aus unterschied- eröffnen. Ziel ist es, die zugewanderten Kinder und licher Perspektive, wie gute Bildung zukünftig ausse- Jugendlichen möglichst zügig in Regeleinrichtungen hen sollte und was Bildungsforschung hierzu bei- zu versorgen und präventive Angebote für diese Ziel- tragen kann: der Bildungsexperte im Land Hamburg gruppe zu erweitern. Norbert Maritzen, die Kölner Bildungsdezernentin Dr. Agnes Klein, der Bildungsforscher Prof. Dr. Hans Wassmuth: Der Bundeselternrat wünscht sich gute Anand Pant und Stephan Wassmuth, der die Stimme und gesunde Bildungseinrichtungen. Die Bildungs- der Eltern bundesweit vertritt. einrichtungen sollten nicht nur gut erreichbar sein, sondern auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten Welche gesellschaftlichen Herausforderungen ausgestattet sein. Hier wünschen wir uns eine Berufs- sehen Sie aus Ihrer Perspektive im Bildungs und Schulentwicklungsplanung über die kommunalen bereich? Grenzen hinaus. Maritzen: Die entscheidenden Weichen für die Bil- dungsbiografie von Kindern werden sehr früh gestellt, Wie können bzw. sollten das Bildungssystem schon vor der Schule. Doch die Bildungspolitik zieht und die Bildungseinrichtungen diesen Heraus erst sehr spät Konsequenzen aus dieser Einsicht. Wenn forderungen begegnen? mit der Devise „Niemand darf verloren gehen“ der Klein: Es gibt ein paar Themen, die für uns handlungs- Fokus bisher auf dem schulischen Bereich lag, gerät aus leitend sind. Dazu gehören der bedarfsgerechte Ausbau dem Blick, dass schon in den Institutionen der früh- der Kindertageseinrichtungen und natürlich auch kindlichen Bildung konsequent Strukturen geboten die qualitative Weiterentwicklung im Kita-Bereich. werden müssen, die zweierlei erlauben: erstens Kinder Beispielsweise bezogen auf die Sprachförderung und die im Erwerb der geistigen und emotionalen „Werkzeuge“ Förderung der Herkunftssprache. Ein weiterer Punkt ist zu unterstützen, mit denen sie sich ihre Welt neugierig die Ganztagsbetreuung im schulischen Bereich, die wir und angstfrei erschließen können; zweitens zu erken- weiter ausbauen müssen. Auf der Qualitätsebene ist der nen, wenn die dafür individuellen Voraussetzungen der Einsatz digitaler Medien ein wichtiges Thema. Wir als Kinder beeinträchtigt oder gefährdet sind, und gezielt Schul- und Bildungsträger müssen der Verpflichtung zu intervenieren. nachkommen, den allgemeinen Stand der Technik zur Verfügung zu stellen. Da haben wir eine gemeinsame Bildungsverantwortung mit dem Land, einerseits bezo- gen auf die Infrastruktur und andererseits bezüglich der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern.
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