Weichen stellen Wie Deutschland 2030 klimaschonend und verlässlich mobil sein kann Seite 6 - Das Magazin
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Schutzgebühr: 3,20 Euro Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe November 2017 Weichen stellen Wie Deutschland 2030 klimaschonend und verlässlich mobil sein kann Seite 6 ÖPNV in Wien: Örtliche Abgabe Auf App-Ruf: In Duisburg Karlsruhe: Seit 25 Jahren per treibt den Ausbau voran kommt der Bus bei Bedarf Tram zwischen Stadt und Land Seite 12 Seite 20 Seite 22
EDITORIAL Der Einstieg in die 6 Verkehrswende: Was die Branche Verkehrswende von der Bundesregierung fordert muss jetzt kommen 20 Bus on demand: Duisburg testet Noch ist unklar, was im Koalitionsvertrag Es geht dabei nicht nur um weniger CO2 in einen nachfragebasierten ÖPNV. der neuen Bundesregierung stehen wird, fest der Atmosphäre und weniger Stickoxide in steht aber: Im Verkehrssektor liegen immense der Großstadtluft – es geht auch um staatli- Herausforderungen vor uns. Das gilt für die che Daseinsvorsorge. Die uneingeschränkte Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkom- Mobilität von Menschen und Gütern muss ge- mens wie für die Luftreinhaltung in unseren währleistet sein, damit der Wirtschaftsstand- Städten. Der neu gewählte Bundestag und die ort Deutschland attraktiv und leistungsfähig Bundesregierung stehen in den kommenden bleibt. Für die Menschen muss die Lebens- vier Jahren vor zukunftsweisenden Weichen- qualität gesichert bleiben. Aber dafür brau- stellungen. Sie haben es in der Hand, nachhal- chen wir eine bessere Mobilität. Der Trend tige Veränderungen nun endlich einzuleiten. geht auch in Richtung Sharing Mobility. Das Konzept ist für uns nicht neu: Wer Busse und 16 Weltklimakonferenz: Saubere Busse Wir brauchen eine Mobilität, die das Klima Bahnen des öffentlichen Personenverkehrs verkehren im Shuttledienst. und die Umwelt schont und dabei flexibel gemeinsam mit anderen Fahrgästen nutzt, ist und verlässlich ist. Kurz gesagt: Wir brauchen längst Teil eines seit Jahrzehnten erfolgrei- die Verkehrswende. Das heißt, wir brauchen chen Systems von „Sharing“ im Verkehrsbe- mehr ÖPNV und mehr Personen- und Güter- reich. Jetzt kommt es darauf an, mit klugen verkehr auf der Schiene. Nur so lassen sich Entscheidungen den Marktanteil des Öffent- Klimaschutz, Luftreinhaltung und Mobili- lichen Verkehrs deutlich zu erhöhen. Den po- tät in Einklang bringen. Konkrete Ziele und litischen Entscheidern in Bund und Ländern Maßnahmen müssen Bestandteil des Koaliti- stehen wir bei der großen Aufgabe Verkehrs- onsvertrags werden. Wie die Verkehrswende wende gerne und partnerschaftlich zur Seite. zu schaffen ist, schlagen wir in unseren vier 22 Karlsruher Erfolgsmodell: Tram-Trains Handlungsempfehlungen für eine bessere verbinden Stadt und Land seit 1992. Verkehrspolitik vor. Mehr dazu erfahren Sie Herzlichst Ihr auf den folgenden Seiten. Jürgen Fenske 12 U-Bahn-Steuer: Wie der Wiener ÖPNV finanziert wird 3 Editorial 12 Grenzenlos Seite 21: VDV-Geschäftsführer ÖPNV 29 Aktuell Der Einstieg in die Verkehrswende Finanzspritze für Wiens ÖPNV Dr. Jan Schilling im Interview Mitarbeiter mobil informieren VDV Das Magazin muss jetzt kommen. als E-Paper unter: 16 Aktuell 22 Unterwegs im Netz 30 Zu guter Letzt www.vdv-dasmagazin.de 4 DV im Bild V Mission Weltklima: Clean Shuttle Karlsruher Modell: Zwischen der City Vom Auto- zum ÖPNV-Fan Gesucht: Deutschlands beste Fahrer befördert Konferenzteilnehmer. und der Region per Tram unterwegs 6 Titelstory 20 Aktuell 26 Aus dem Verband Verkehrswende: Die Zeit ist reif für Projekt in Duisburg: Am Wochenende VDV-Personalkongress: mehr ÖPNV und Eisenbahnen. kommt der Bus auf Abruf. Wie arbeiten wir morgen? 2 05 | 2017 05 | 2017 3
VDV IM BILD Gesucht: Deutschlands beste Fahrer Wie macht ein Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels auf sich auf- merksam? Die Verkehrsgemeinschaft Osnabrück (VOS) hat darauf ihre eigene Antwort gefunden – und zu einem ganz besonderen „Casting“ eingeladen: „Os- nabrück sucht Deutschlands Super-FiF“ (Fachkraft im Fahrbetrieb). In ver- schiedenen Wettkämpfen stellten 17 Teams aus Verkehrsunternehmen in ganz Deutschland ihr Fahrgeschick im Linienbus unter Beweis. „Wir wollten uns und die VOS-Partner als leistungsstarke Ausbildungsbetriebe präsentieren sowie das Berufsbild der FiF vorstellen“, erklärte André Kränzke, Bereichs- leiter Verkehrsbetrieb der Stadtwerke Osnabrück AG, als er das Projekt auf dem diesjährigen VDV-Personalkongress vorgestellt hat. Die Idee zu „OSDSF“ war geboren. Erster in der Gruppenwertung wurde am Ende das Team der Regionalverkehr Münsterland GmbH. Alle anderen haben 2018 Gelegenheit zur Revanche: Dann wollen die VOS zur zweiten Runde einladen. Aktionen wie diese könnten Vorbildcharakter für andere Verkehrsunternehmen haben, so Kränzke auf dem Kongress. Dort war Employer Branding wieder ein großes Thema – neben den Fragen rund um Arbeit 4.0 (siehe Seite 26-28). 4 05 | 2017 05 | 2017 5
TITELSTORY Welche grundlegenden Entscheidun- Schienenverkehr Vorreiter beim Klima- und Verkehrswende: gen die Politik für die Verkehrswende Umweltschutz. Dennoch muss er im Vergleich treffen und welche Schritte sie jetzt zur Straße und Wasserstraße höhere Belas- einleiten muss, erläutert der VDV an- tungen durch Trassenpreise sowie Energie- Die Zeit ist reif hand seiner vier zentralen Handlungs- steuern und -umlagen tragen. Hier fordert empfehlungen (siehe ab Seite 8). Vor der VDV, diese Wettbewerbsnachteile abzu- allem der dringend erforderliche Aus- bauen und den Eisenbahnverkehr insgesamt bau des ÖPNV kann zu stärken. dem VDV zufolge Nur mit mehr ÖPNV und nur mit einem Son- Eisenbahnen lassen sich die derprogramm des Herausforderungen beim Den Öffentlichen Personennahverkehr ausbauen, die Digitalisierung beschleu- Bundes gestemmt LEITFADEN FÜR EINE Klimaschutz und bei der nigen, die Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs langfristig sichern und den werden. Um den BESSERE VERKEHRSPOLITIK Luftreinhaltung meistern. kommunalen ÖPNV Schienenverkehr stärken: Diese Kernforderungen richtet der VDV an die Abge- zu modernisieren Aktuell hat der VDV eine Broschüre herausgegeben, die die Hand- Jürgen Fenske, ordneten des neu gewählten Bundestages und an die künftige Bundesregierung. VDV-Präsident und auszubauen, lungsempfehlungen für die 19. Legislaturperiode des Deutschen müssten über einen Bundestages ausführlich er- Zeitraum von zehn Jahren jährlich 1,5 Mil- läutert. Die Publikation mit liarden Euro sowie zusätzlich 500 Millionen 1,5 dem Titel „Neue Mobilität für Euro pro Jahr von Seiten der Länder investiert ein mobiles Land“ (Foto) enthält werden. Unterstützung vom Bund verspricht D zudem umfangreiches Mate- Deutschland mobil: Handlungsempfehlungen für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ie Verkehrs- und Bahnen auch sich die Verkehrsbranche ebenfalls bei der rial an Daten und Fakten und wende muss in Deutschland endlich in diesem Jahr auf einen weiteren Fahr- Digitalisierung. Derzeit bauen die öffentli- chen Verkehrsunternehmen und -verbünde stellt Hintergründe umfassend dar. Die Broschüre steht zum NEUE ernsthaft angepackt gastrekord zu. Für ihre Plattform „Mobility inside“ auf. Ab 2019 Download im Internet zur MOBILITAT werden: Das sieht der VDV als eine der wich- MILLIARDEN EURO Jürgen Fenske ist das Potenzial des ÖPNV wird es mit ihr bundesweit möglich sein, eine Fahrt oder Reise unkompliziert zu planen, zu Verfügung und kann auch als gedrucktes Exemplar beim FUR EIN tigsten Aufgaben der jährlich müsste Sonderprogramms der Bund für die im Rahmen nächsten eines zehn jedoch bei Weitem buchen und zu bezahlen. VDV-Hauptstadtbüro Berlin MOBILES neuen Bundesregie- rung. In den nächsten Jahre zur Verfügung stellen, um den kommu- nalen ÖPNV zu modernisieren und auszu- nicht ausgeschöpft: Der VDV-Präsi- Ein Dauerthema bleiben Finanzierungsfra- gen. Sichergestellt werden muss, dass die bestellt werden. LAND. vier Jahren gehe es bauen, fordert der VDV. dent glaubt, dass ein Verkehrsinfrastruktur des kommunalen Bestellungen per Mail: darum, die Weichen für Wachstum von jähr- ÖPNV sowie der bundes- und nichtbundes- hauptstadtbuero@vdv.de die Zukunft richtig zu lich sechs bis sieben eigenen Eisenbahnen langfristig und ver- WWW.DEUTSCHLAND-MOBIL.DE stellen. Eine Mobilität, die das Klima und die Prozent möglich sei – vorausgesetzt, die Rah- lässlich finanziert wird. Schon heute ist der Umwelt schont und dabei flexibel und verläss- menbedingungen stimmen. „Wir brauchen die www.deutschland-mobil-2030.de lich ist, müsse ganz oben auf der politischen Verkehrswende“, bringt er es auf den Punkt: Agenda stehen, so der VDV. „Nur mit mehr Bussen, Stadt-, Straßen-, U- und Eisenbahnen lassen sich die Heraus- Angesichts drohender Fahrverbote in Groß- forderungen beim Klimaschutz und bei der ANZEIGE städten und der Chancen von neuen, digital Luftreinhaltung meistern.“ Derzeit liegt der gesteuerten Mobilitätsangeboten spürt die Marktanteil des öffentlichen Personenver- Verkehrsbranche Rückenwind. Ebenso bei kehrs bei elf Prozent. Bis 2030 müsse sich der Nachfrage der Kunden: Im ersten Halbjahr dieser Anteil jedoch verdoppeln. Bereits in 13 2017 legten die Fahrgastzahlen um 1,5 Prozent Jahren soll Deutschland modern, effizient und erneut deutlich zu. Damit bewegen sich Busse klimaschonend mobil sein. Ticketing als Service für Sie Intelligent. Vielseitig. Verfügbar. FareGo Cloud ist die nächste Evolutionsstufe für den öffentlichen Personenverkehr. Wir realisieren ID-basiertes Ticketing auch als integrierten IT-Service – vielseitig und zukunftssicher. So entfalten moderne Mobilitätskonzepte ihr volles Potential. Besuchen Sie uns! 6 05 | 2017 cloud-ticketing.scheidt-bachmann.de 05 | 2017 7
TITELSTORY Öffentlichen Personenverkehr ausbauen Gegen drohende Fahrverbote und für bessere Luft in den Städten gibt es nur ein wirksames Rezept: den ÖPNV auszubauen. Das geht jedoch nur mit einem Sonderprogramm des Bundes. Leise vor sich hin surrende Elektrobusse und neue Stadtbahnlinien, die am Stau vorbeifahren, machen den modernen ÖPNV zum Erlebnis. Wo Strecken ausgebaut wurden und neue Fahrzeuge im Einsatz sind, steigen die Fahrgastzah- len spürbar an. Unabhängig davon verzeichnen die Verkehrsunternehmen seit fast 20 Jahren in Folge neue Fahrgastrekorde. Von mehr als zehn Milliarden Fahrten jährlich finden acht Milliarden im kommunalen ÖPNV statt. Aber hier stecken Strecken, Stationen und Fahrzeuge im Investitionsstau der Vergangenheit. Der Bedarf für die Modernisierung und den Ausbau der kommunalen Verkehrsinfrastruktur sum- miert sich auf rund 15 Milliarden Euro, so das Ergebnis einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des VDV. Das dringend benötigte Sonderprogramm des Bundes muss sich am tatsächlichen Bedarf und an klaren verkehrspolitischen Zielen orientieren. Über einen Zeit- raum von zehn Jahren werden also 1,5 Milliarden Euro jährlich benötigt, um den kommunalen ÖPNV zu modernisieren und auszubauen. Unterstützung muss auch von den Ländern kommen: Sie sind aufgerufen, zusätzlich 500 Millionen Euro beizusteuern. Die Mittel müssen in den Kommunen direkt in den Aus- und Neubau der ÖPNV-Infrastruktur fließen sowie für den Kauf neuer Fahrzeuge verwendet werden. Digitalisierung beschleunigen Über nur eine Mobilitätsplattform eine Fahrt unkompliziert planen, buchen und bezahlen – und das transparent und nach einheitlichen Regeln. Ab 2019 wird das branchenübergreifend und bundesweit möglich sein. Dann geht „Mobility Fahrgäste* im ÖPNV inside“ an den Start – die digitale Lösung der Verkehrsverbünde und Ver- (2007–2016) kehrsunternehmen. Damit diese Plattform ein Erfolg wird, muss der Bund die Verkehrsbranche weiterhin dabei unterstützen, die unterschiedlichen Tarife, Fahrgäste Tickets und Fahrplaninformationen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr (in Mio.) zu vernetzen. Online-Angebote und Sharing-Dienste spielen schon heute eine 10.184 immer wichtigere Rolle im Mobilitätsverhalten der Menschen. Rückgrat der vernetzten öffentlichen Mobilität sind die Busse und Bahnen. Von daher sind 10.000 10.004 die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde prädestiniert, verschiedene 9.954 Mobilitätsangebote in den Städten und Gemeinden zu einem leistungsfähigen 9.800 9.825 Gesamtangebot zusammenzuführen und verfügbar zu machen. Die Digitalisie- rung bietet die Chance, Zugangsbarrieren zum öffentlichen Personenverkehr 9.747 9.691 abzubauen, und schafft die Voraussetzung für neue Angebotsformen. Automa- 9.600 9.628 tisiertes und autonomes Fahren sind dabei ein wichtiges Zukunftsthema. In 9.586 9.595 Verbindung mit Sharing-Diensten können sie einen Hochleistungs-ÖPNV viel- 9.487 versprechend ergänzen. Hier kommt es darauf an, diese Lösungen durch For- 9.400 schung und entsprechende Pilotprojekte zu unterstützen und voranzutreiben. Index 100,0 101,0 101,1 101,5 101,5 102,7 104,3 104,9 105,4 107,3 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 20161 Stand: Januar 2017 | *Unternehmensfahrten 1) Auf Basis der Unternehmensmeldungen des 1. bis 3. Quartals 8 02 | 2017 01 05 05 | 2017 9
TITELSTORY Finanzierung sichern Der kommunale ÖPNV und die Eisenbahnunternehmen müssen ihre Verkehrsinfra- struktur ausbauen und modernisieren. Die langfristige Finanzierung dieser Vorhaben muss gewährleistet sein, vorhandene Finanzierungsinstrumente müssen angepasst und ergänzt werden. Dabei kann die neue Bundesregierung auf der Vorarbeit aus der vergan- genen Legislaturperiode aufbauen. Bund und Länder haben ihre Finanzbeziehungen neu geordnet und die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zwar bis 2025 fortgeschrieben, je- doch auf heutigem Niveau „versteinert“. Seit 1997 liegt die Höhe der Mittel für das GVFG-Bundesprogramm, aus dem Bauvorhaben im öffentlichen Nah- und Regional- verkehr ab einer Summe von 50 Millionen Euro finanziert werden, unverändert bei 333 Millionen Euro pro Jahr. Für mehr klimafreundlichen Verkehr und den Ausbau in den Städten reicht das bei Weitem nicht. Die Folge: Bereits heute ist das Programm zwanzigfach überzeichnet. Deshalb fordert der VDV, das GVFG-Bundesprogramm in dieser Legislaturperiode an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und zu erhö- hen. Um die Leistungsfähigkeit und die Qualität des bundeseigenen Schienennet- zes sicherzustellen, gibt es die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen (LuFV) zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn – aus Sicht des VDV ein hervorragend geeignetes Instrument, das die Beteiligung des Bundes an notwendigen Ersatzinves- titionen vorsieht und von dem es bereits zwei bewährte „Auflagen“ gibt. In der lau- fenden Legislaturperiode muss nun die LuFV III für die Zeit nach 2019 abgeschlossen werden. Den nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen bietet das Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz (SGFFG) eine gesicherte Finanzie- rungsbasis. In den nächsten vier Jahren müssen die Ausgestaltung des Gesetzes und die Fördermechanismen noch besser an die Bedürfnisse des Marktes angepasst werden. Investitionen des Staates in die Schieneninfrastruktur Schienenverkehr stärken (in Euro pro Einwohner) Wenn es darum geht, Menschen und Güter umweltfreundlich an ihr Ziel zu bringen, ist die Eisenbahn schon heute Vorreiter. Mehr als 90 Prozent ihrer Leistungen erbringt sie elektrisch 378 angetrieben. In Deutschland nutzen jährlich 2,6 Milliarden Fahrgäste die Züge des Nah- und 400 Fernverkehrs, 600 Millionen Tonnen Güter werden auf der Schiene transportiert. In puncto 350 Umwelt im Vorteil, aber im Wettbewerb benachteiligt: Um sich vor allem gegenüber dem Lkw 300 behaupten zu können, benötigt die Schiene bessere und faire Rahmenbedingungen. Anders als auf der Straße wird auf der Schiene im gesamten Netz eine Maut fällig – die Trassenpreise. 250 In der vergangenen Legislaturperiode hat die Bundesregierung beschlossen, die Trassen- 198 151 170 200 gebühren im Rahmen des Masterplans Schienengüterverkehr deutlich zu senken. Gleiches 133 136 150 muss für den Personenverkehr folgen. Neben weiteren Maßnahmen zur Ertüchtigung des Schienennetzes für 740 Meter lange Güterzüge sollen Engpässe an den großen Verkehrskno- 64 68 100 ten beseitigt sowie Zulaufstrecken ausgebaut werden. Zudem fordert die Branche die Einfüh- 36 37 50 rung des Deutschland-Taktes, ein Programm zur Elektrifizierung weiterer Strecken sowie Bundesprogramme für eine dauerhafte Forschungsförderung. Damit sollen Innovationen im 0 Schienenverkehr wie effiziente Antriebstechnologien oder automatisiertes und vernetz- Deutschland Spanien Frankreich Italien Niederlande Dänemark Großbritannien Schweden Österreich Schweiz tes Fahren auf der „Schiene 4.0“ mit Blick auf die Verkehrswende vorangebracht werden. Trendanalyse – stetig anwachsender Mobilitätsmarkt (Verkehrsleistung Güterverkehr) Quelle: Allianz pro Schiene auf Basis von BMVI, VöV, BMVIT, SCI Verkehr + 38 % (Tonnenkilometer) 837,6 Mrd. tkm 607,1 Mrd. tkm 2010 2030 Quelle: BMVI, Verkehrsverflechtungsprognose 2030 10 01 | 2017 05 05 | 2017 11
GRENZENLOS Seit September fährt die U1 auch regulär bis nach Oberlaa. Weitere Ausbaumaßnahmen folgen – auch dank umfangreicher Förderung. Ziel ist es, das Netz Schritt für Schritt noch besser zu machen – durch Netzausbau, neues Wagenmaterial, bessere Intervalle und guten Service. Renate Brauner, Stadträtin für Finanzen, Wirtschaft und Internationales der Stadt Wien FÜR EINEN EFFIZIENTEN ÖPNV Wie soll Wien im Jahr 2025 aussehen? Im Stadtentwicklungsplan „Step 2025“ wurden dazu verschiedene Ziele und Visionen defi- niert und in sechs Fachkonzepten weiter ausgeführt. Dabei spielt auch das „Fachkonzept Mobilität“ eine zentrale Rolle auf dem Weg zur lebenswerten, umweltfreundlichen Großstadt. Die Mobili- tätsangebote sollen demnach „fair, gesund, kompakt, ökologisch, robust und effizient“ sein, heißt es bei der Stadt. Ziel sei es, einen allem den Menschen in Wiens ein- Die U5 wird die erste vollautomatisch Modal-Split-Anteil des Umweltverbundes von 80 Prozent zu er- wohnerstärkstem Gemeindebezirk betriebene U-Bahn-Linie in der ös- reichen. Derzeit liegt er bei 72 Prozent. Dafür soll auch der ÖPNV Favoriten zugute. 50.000 von ihnen terreichischen Hauptstadt sein, ver- gestärkt werden. Als tragende Säule gelten Verbesserungen im leben im direkten Einzugsbereich der künden Stadt und Wiener Linien. Und S- und U-Bahn-Netz. Bereits heute kommen in Wien auf 1.000 neuen U-Bahnstationen und sind nun nebenbei werden auch die restlichen Einwohner nur 381 Pkw – diese Zahl soll noch weiter sinken. deutlich besser ans Stadtzentrum an- U-Bahn-Strecken weiter moderni- gebunden. Viele weitere profitieren siert. von der Anpassung des Busnetzes an die neue Linienführung der U1. Es scheint, als könnte das Verkehrsun- ternehmen beim Erhalt und Ausbau Finanzspritze Mit der Verlängerung umfasst das seines U-Bahn-Netzes konsequent Liniennetz der erst 1978 eröffneten aus dem Vollen schöpfen. Und so ganz S amstag, 2. September, 10 Uhr früh: In der U-Bahnstation Reumannplatz drängen sich die Menschen. Am Gleis U-Bahn jetzt etwas mehr als 80 Kilo- meter. „Und es wächst immer weiter“, sagt Johanna Griesmayr, Sprecherin trügt der Eindruck nicht: In wenigen europäischen Großstädten wird der U-Bahn-Bau beziehungsweise der setzt sich ein Zug der Linie U1 in Be- des kommunalen Verkehrsunterneh- Öffentliche Verkehr generell so konse- wegung. „Oberlaa“ steht in leuchtendem mens, der Wiener Linien. „Aber das ist quent gefördert wie in Wien. Und das, für Wiens ÖPNV Orange vorne auf der Zielanzeige – eine auch notwendig – schließlich legt auch obwohl – oder gerade weil – das Unter- Premiere im regulären Betrieb. An die- unsere Stadt um 30.000 bis 40.000 grundnetz zu den jüngeren Europas ge- sem Samstagmorgen ist ein 600-Milli- Einwohner pro Jahr zu.“ hört. Erst Ende der 1960er-Jahre, und onen-Euro schweres Großprojekt nach damit im Vergleich zu anderen Groß- gut fünf Jahren Bauzeit abgeschlossen Schon 2018 soll es weitergehen. Bis städten relativ spät, fiel der Entschluss, Die U-Bahn in Wien wächst und wächst. Finanzierungsprobleme oder Vorbehalte der Bürger gegen Baupro- worden. Wien feiert die Verlängerung Ende der 2020er-Jahre will das Ver- hier eine U-Bahn zu bauen. Doch Wien seiner U1. kehrsunternehmen dann in zwei Aus- stand damals vor dem Verkehrsinfarkt. jekte scheint der Öffentliche Verkehr dort nicht zu kennen. Woran liegt das? Nachdem „VDV Das Magazin“ in baustufen die U2 um sechs Kilometer „Der Leidensdruck in der Innenstadt der vergangenen Ausgabe bereits einen Blick nach Dänemark geworfen hat, geht es nun in die österreichische Um fünf Stationen beziehungsweise verlängern und mit einer neuen U5 den war wirklich groß. Überall gab es Stau, Hauptstadt. Hier hat sich vor allem die „Dienstgeberabgabe“ als wichtiges Finanzierungsinstrument erwiesen. 4,6 Kilometer ist die U1 in Richtung 17. Bezirk Hernals an die Innenstadt die Luft war nicht mehr zum Atmen“, Süden gewachsen. Das kommt vor anschließen. Und das völlig autonom: so Johanna Griesmayr. Einkaufs- 12 01 | 2017 05 05 | 2017 13
GRENZENLOS DRITTNUTZERFINANZIERUNG IN DEUTSCHLAND Anders als in Österreich fehlt in Deutschland bisher der Rechtsrah- men zur Drittnutzerfinanzierung. Der VDV setzt sich deswegen für eine Anpassung der rechtlichen Grundlage ein. Denn ein moderner, len sie heute zwei Euro pro Woche an die Stadt. 2016 leistungsfähiger ÖPNV und eine erfolgreiche Verkehrswende ver- kamen so fast 72 Millionen Euro zusammen. Diese langen in Zukunft erhebliche finanzielle Anstrengungen in Sachen Modernisierung und Infrastrukturausbau. Aus Sicht des VDV stellt Mittel werden zweckgebunden für den U-Bahn-Bau die Drittnutzerfinanzierung hierfür ein geeignetes Instrument dar. verwendet. Wird der Topf in einem Jahr nicht aus- Denkbar wären etwa Beiträge von Immobilieneigentümern, Arbeitge- geschöpft, wird das Geld für künftige Investitionen bern, Autofahrern oder dem Handel, die von einem guten kommunalen zurückgestellt. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für ÖPNV profitieren. Auf freiwilliger Basis ist das übrigens nichts ganz diese Steuer: groß. Genauso wie für den ÖPNV und Neues: Es gibt vereinzelte Übereinkünfte zwischen Verkehrsbe- seinen Ausbau generell – egal, ob es um das U-Bahn-, trieben und Unternehmen, die sich zum Beispiel an den Kosten für Straßenbahn- oder Busnetz geht. „Neue Projekte den Stadtbahnbau in einem neuen Gewerbegebiet beteiligen. werden grundsätzlich eher gefordert als abgelehnt“, sagt Johanna Griesmayr. Gerade die U-Bahn genieße ein sehr gutes Image – etwa aufgrund ihrer hohen Taktung. zentren und Unternehmen zogen raus auf die grüne Eine solide Finanzierung, eine hohe Akzeptanz der Wiese. „Die Wertschöpfung floss ab. Zum Glück hatte Bürger gegenüber Baumaßnahmen: Aus Sicht man- man dann recht bald realisiert, dass das Auto hier ches Verkehrsunternehmens mag die Situation wie nicht zielführend war.“ Eine attraktivere Innenstadt, ein wahrgewordener Traum klingen. „Also mit Blick weniger Autoverkehr: Der Bau der U-Bahn sowie die auf die Wertschätzung und den Fokus der Politik auf Stärkung des ÖPNV insgesamt sollten dafür die Lö- den Öffentlichen Verkehr ist unsere Wunschliste sung sein. Auf die Frage nach einer Finanzierung fand schon sehr kurz“, scherzt Johanna Griesmayr. „In man rasch eine Antwort: die Dienstgeberabgabe. Wien wird der ÖPNV gut finanziert.“ Arbeitgeber zahlen Wichtigste Grundlage sind dabei die Finanzierungs- Bei dieser „U-Bahn-Steuer“, so der Spitzname, wer- vereinbarungen zwischen der Stadt und dem Ver- Sanierungsarbeiten an der U4: Bis 2024 investieren Stadt und Wiener Linien insgesamt 335 Millionen Euro in die Modernisierung der Linie. den die Arbeitgeber im Stadtgebiet zur Kasse gebeten. kehrsunternehmen, die immer über einen Zeitraum Für jeden Vollzeit-Mitarbeiter unter 55 Jahren zah- von 15 Jahren geschlossen werden. Die aktuelle gilt seit diesem Jahr – ihr zufolge sollen bis 2032 ins- „Unser erklärtes Ziel ist es, das Netz Schritt für Schritt gesamt 7,5 Milliarden Euro an Investitions- und noch besser zu machen – durch Netzausbau, neues Betriebskostenzuschüssen in U-Bahn, Bus und Stra- Wagenmaterial, bessere Intervalle und guten Service“, ßenbahn fließen. Die Dienstgeberabgabe ist dabei sagt dazu Renate Brauner, Stadträtin für Finanzen, nicht das einzige drittnutzerfinanzierte Instrument. Wirtschaft und Internationales. Auch die günstigen Unter anderem fließen auch Einnahmen aus der Tickets gehören dazu. „Wir sind davon überzeugt, Parkraumbewirtschaftung an den ÖPNV. dass nur diese Kombination weitere Menschen davon überzeugt, die Öffis zu nutzen.“ Gefördert werden dabei nicht nur Ausbau und Erhalt, sondern auch das Angebot für die Kunden. Das Jah- Auf einem guten Weg befindet sich die Stadt zumin- resticket kostet seit 2012 nur noch 365 statt 449 Euro dest: 2016 fuhren 954 Millionen Menschen mit dem – was die Zahl der Abonnenten entsprechend anstei- ÖPNV. Spätestens 2020 soll die Grenze von einer Mil- gen ließ: von rund 400.000 auf aktuell über 735.000. liarde Fahrgäste fallen. „Solche Maßnahmen haben natürlich mit der politi- schen Zielsetzung zu tun“, so Johanna Griesmayr. Und in Wien wolle die Politik eben den ÖV stärken und seinen Anteil am Modal Split erhöhen. Der liegt ak- tuell bei 39 Prozent, der des Individualverkehrs bei 27 Prozent. Bis 2025 soll das Auto nur noch 20 Pro- Mehr Informationen zu Großprojekten im zent ausmachen, heißt es im maßgeblichen Mobili- Wiener ÖPNV finden Sie online unter: tätskonzept zum Stadtentwicklungsplan (Step) 2025 tinyurl.com/yb2l5j2b (siehe Infokasten, Seite 12). Fünf Jahre Bauzeit, fünf neue Stationen, fast fünf Kilometer länger: Der Ausbau der U1 war ein echtes Großprojekt. Das Netz wurde unter anderem um die Stationen Altes Landgut (l.) oder Alaudagasse (r.) erweitert. Vor allem der Gemeindebezirk Favoriten rückt so näher ans Stadtzentrum. 14 05 | 2017 05 | 2017 15
AKTUELL Mission Weltklima: Sauber durch Bonn Im November ist die Welt zu Gast in Bonn. Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen wird darüber verhandelt, wie das Pariser Abkommen von 2015 konkret in die Tat umgesetzt wird. Möglichst treib- hausgasneutral soll das Treffen verlaufen. Ihren Beitrag dazu leisten auch Verkehrsunternehmen aus DER LINIENVERLAUF DES CLEAN SHUTTLE ganz Deutschland und der VDV. Sie ermöglichen den mehr als 20.000 Teilnehmern einen emissionsfreien Bustransfer – den Clean Shuttle. FLUGHAFEN KÖLN/BONN Flughafen Köln/Bonn – SH1 WCCB 59 Anlässlich der Weltklimakonferenz organisieren wir gemeinsam mit dem VDV einen emissionsfreien Shuttle verkehr für die Kongressteilnehmer, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass WCCB – Öffentlicher Personennahverkehr zu- SH5 Robert-Schuman-Platz künftig eine noch größere nachhaltige RHEIN Rolle spielen kann bei der Erreichung 562 der gesetzten Klimaschutzziele. WORLD CONFERENCE CENTER BONN (WCCB)/ BULA-ZONE Anja Wenmakers, RHEINAUE Geschäftsführerin der SWB Bus und Bahn Kolumbusring – UN CAMPUS SH4 WCCB – UN Campus BONN-ZONE D ass ein leistungsfähiger und um- weltfreundlicher Verkehr mit alternativen Antrieben schon heute zusammenkommen, werden emissi- onsfreie Fahrzeuge von verschiedenen Verkehrsunternehmen im Einsatz sein. lers Sileo, der bei der Bremer BSAG im Einsatz ist. Auf vier eigens einge- richteten Linien verkehren Elektro-, DEUTSCHES MUSEUM möglich ist, wollen die Verkehrsunter- Die Bogestra, der Regionalverkehr Köln Wasserstoff- und Hybridbusse. Sie nehmen während der UN-Klimakon- (RVK), die Kölner Verkehrs-Betriebe sollen die Teilnehmer und Besucher ferenz (COP 23) in Bonn unter Beweis (KVB), die Düsseldorfer Rheinbahn, die schnell und umweltfreundlich an die stellen. Gemeinsam haben der VDV Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), die beiden Hauptschauplätze der Konfe- und SWB Bus und Bahn einen „Clean Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) renz bringen und den Flughafen Köln/ Deutsches Museum – SHD Bad Godesberg Shuttle“ organisiert. Wenn unter der und als Gastgeber die Stadtwerke Bonn Bonn, den neuen DB-Haltepunkt „UN BAD GODESBERG Präsidentschaft der Republik Fidschi (SWB) stellen bis zu 15 Fahrzeuge mit Campus“ sowie die Bonner Innenstadt die Delegierten aus 197 Nationen und alternativen Antrieben zur Verfügung. anbinden. Unterstützt wird der Shuttle mehr als 20.000 Konferenzteilnehmer Dazu zählt auch ein Bus des Herstel- vom internationalen Dachverband 16 05 | 2017 05 | 2017 17
AKTUELL der Verkehrsunternehmen UITP und der SWB Bus und Bahn: „Auch der lichen Verkehr zu verdeutlichen, wurde tung nahmen zudem weitere Politiker der Nationalen Organisation Wasser- Einsatz innovativer, C02-neutraler symbolisch ein Staffelstab zwischen aus Bund und Ländern teil. Ursprünglich E-BUSSE FAHREN stoff- und Brennstoffzellentechnologie Batteriebusse im Linienverkehr trägt der Schiene und den Beteiligten des sollte die überwiegend mit Mitteln des DREI FRAGEN AN MIT ÖKOSTROM (NOW). Das Bundesumweltministerium dazu deutlich bei.“ Schon seit Jahren Clean Shuttle übergeben. Dazu reiste Landes Nordrhein-Westfalen gebaute Ingo Wortmann, stellt zudem 600 Fahrräder und einen befassen sich die Stadtwerke Bonn eigens ein Tram-Train aus Karlsruhe Station erst im Dezember in Betrieb Die Elektrobusse, die während der UN-Klima- VDV-Vizepräsident E-Shuttle durch die Rheinaue bereit, intensiv mit dem Thema Elektromo- an – eine Straßenbahn, die sowohl das gehen. Nachdem im November 2016 konferenz im Clean Shuttle eingesetzt werden, für den Bereich Bus um die Tagungsbereiche „Bonn“- und bilität und dem Einsatz von E-Bussen Netz der Eisenbahn als auch der Stadt- Bonn kurzfristig als Austragungsort der fahren mit Ökostrom der Stadtwerke Bonn. Der „Bula“-Zone mit emissionsfreien Pkw im Nahverkehr. Damit sind sie inner- bahn nutzen kann (siehe Beitrag Seite UN-Weltklimakonferenz ausgewählt Strom ist mit dem von Umweltverbänden ver- und Kleinbussen zu verbinden. „Bula“ halb der deutschen Verkehrsbranche 22). Im Sonderzug fuhren unter anderem worden war, übernahm der Nahverkehr gebenen Gütesiegel „Grüner Strom“ zertifiziert steht übrigens für eine fidschianische einer der Vorreiter. Baden-Württembergs Verkehrsminis- Rheinland die Zusatzkosten für die be- und besteht zu 100 Prozent aus regenerativen » Ist der E-Bus das Patentrezept für Klimaschutz Grußformel. Die Elektromobilität auf Straße und ter Winfried Hermann, der Karlsruher schleunigte Fertigstellung. Nach dem Energien. Damit werden auch die sechs und Luftreinhaltung? „Die Bundesstadt Bonn nimmt als Schiene stand bereits am Tag vor der Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup Ende von COP 23 wird die Station vor E-Busse, die die SWB Bus und Bahn regulär Ingo Wortmann: Ich möchte vor übertriebe- Sitz des Klimasekretariats der Ver- Eröffnung der UN-Klimakonferenz sowie zahlreiche Vertreter aus Politik, allem Pendlern den Zugang zum Schie- einsetzen, CO2-neutral betrieben. nen Hoffnungen warnen. Denn der Anteil des einten Nationen ihre besondere im Fokus. In Bonn fand in diesem Jahr Wirtschaft und Verkehrsunternehmen nenpersonennahverkehr erleichtern. ÖPNV an den klimaschädlichen Emissionen im Verantwortung für den Klimaschutz auch die zentrale Veranstaltung zum mit. Ihr Ziel: die Eröffnungsfeier am Straßenverkehr ist vergleichsweise gering. Eine durch die Umsetzung konkreter Kli- Deutschland-Tag des Nahverkehrs neuen DB-Haltepunkt „UN Campus“ an Antriebswende hin zur E-Mobilität bei Bussen maschutzmaßnahmen wahr“, betont statt. Um das Engagement der ÖPNV- der linken Rheinstrecke zwischen Bonn Mehr Informationen wäre bei Weitem noch keine Verkehrswende. Anja Wenmakers, Geschäftsführerin Unternehmen für den umweltfreund- und Bad Godesberg. An der Veranstal- finden Sie online unter: Für diese benötigen wir zusätzliche Milliarden www.cop23.de investitionen, um ein attraktives Angebot mit mehr ÖPNV – dichtere Takte, moderne Fahrzeu- ge, erweiterte Netze – zu schaffen. Alternative Antriebe können jedoch Teil eines Gesamtkon- zepts zur Verkehrswende sein. » Was muss passieren, um alternativen Antrie- ben zum Durchbruch zu verhelfen? Bis auf Weiteres können die Verkehrsunterneh- men ihre Fahrzeuge mit alternativen Antrieben weniger wirtschaftlich betreiben als ihre klassi- schen Busse. Auch deswegen sind wir weiter- hin auf öffentliche Förderung angewiesen. Die E-Busse müssten noch zuverlässiger und wirt- In Zeiten des Klimawandels Wir präsentieren schaftlicher werden, um im direkten Vergleich sind wir uns unserer Verant- in Bonn alternative Vor dem Hintergrund der mit dem Euro-6-Dieselbus bestehen zu können. wortung bewusst. In unseren Antriebe, weil Klima- aktuellen NOx-Diskussion Bis 2020 wollen wir hinreichende Erkenntnisse Verkehrsgebieten setzen wir schutz konkret machbar beschleunigen wir die Er- darüber sammeln, welche Betriebskosten und jeweils die ökologisch und ist und nicht nur auf dem neuerung unserer Busflotte. Investitionen mit der Einführung von E-Bussen betrieblich sinnvollste alter- Papier stehen darf. Vor Das untermauern wir auch verbunden sind und wie sie sich im Alltag be- native Antriebsform ein, um allem laden wir die Welt mit den Fahrzeugen, die wir währen. Auf diesen Erfahrungen müssen weitere Förderprogramme aufgebaut werden, auf die wir Nachdem die Klima- unseren Beitrag zum Um- ein, gelebte E-Mobilität nach Bonn schicken. Insge- zwingend angewiesen sein werden. konferenz in Reichweite welt- und Klimaschutz und auf unserer Linie 133 in samt investieren wir in den unserer Busse stattfindet, insbesondere zur Luftqualität Köln zu erfahren. nächsten vier Jahren über Der erste Hybridbus » Ist der Dieselbus ein Auslaufmodell? war es für die SSB selbst- zu leisten. Mit Wasserstoff 70 Millionen Euro, auch fährt bei uns seit 2008, Sicherlich nicht. Moderne Euro-6-Fahrzeuge verständlich, dem Wunsch betriebene Brennstoffzel- Jörn Schwarze, in elektrisch angetriebene heute betreiben wir die – genauso wie Erdgasbusse – erfüllen alle um- des VDV zu entsprechen len-Hybridbusse sind dabei Vorstand Technik der Busse. größte Hybridbusflotte weltpolitischen Anforderungen und Auflagen. und Brennstoffzellenbusse von besonderer Bedeutung. Kölner Verkehrs-Betriebe NRWs. Durch den Einsatz Den Dieselbus weiterzuentwickeln und an der nach Bonn zu entsenden. Michael Clausecker, moderner Technik ist es Technik weiter zu forschen, wird auch künftig Eugen Puderbach, Vorstandssprecher Rheinbahn gelungen, im Busbereich ein Thema sein. Der Bus ist das Rückgrat des Geschäftsführer der seit 2014 circa 3.800 Personennahverkehrs, und der Personennah- Wolfgang Arnold, Regionalverkehr Köln GmbH Technischer Vorstand und Tonnen CO2 einzusparen. verkehr ist der Schlüssel zu Klimaschutz und Vorstandssprecher der SSB Luftreinhaltung. Mit dem Elektroantrieb kann Gisbert Schlotzhauer, der Bus seine ohnehin schon gute Umweltbilanz Vorstand Bogestra jedoch künftig weiter verbessern. 18 05 | 2017 05 | 2017 19
TITELSTORY AKTUELL Bus auf App-Ruf Kein Fahrplan, keine festen Strecken und Haltestellen: Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) testet ein nachfrageorientiertes Bus-Konzept. Am Wochenende ergänzen nun Kleinbusse das bestehende ÖPNV-Angebot. I n Duisburg bringt der ÖPNV Nachtschwärmer jetzt von Tür zu Tür: Seit Ende September testet das städtische Verkehrsunternehmen den On-demand-Bus – den Bus auf künftig eine Option, die Verkehrsleistung in Randgebieten oder zu Schwachverkehrszeiten flexibler zu gestalten und auf die individuelle Nachfrage der Fahrgäste anzupassen.“ DREI FRAGEN AN Dr. Jan Schilling, VDV-Geschäftsführer Abruf. In den Nächten am Wochenende sowie tagsüber an für den Bereich ÖPNV Sonntagen gibt es nun „Mybus“ als zusätzliches Angebot im Angebot passt sich in Echtzeit der Nachfrage an Nahverkehr. Fünf silber-rote Vans können jeweils bis zu In der Testphase bedienen die Kleinbusse ein Gebiet von fünf Fahrgäste individuell abholen und sie zum Wunschziel etwa sechs Quadratkilometern rund um den Hauptbahnhof. bringen. Neu ist, dass die DVG dafür eine digitale Plattform Das Prinzip ist einfach: Der Nutzer gibt in sein Smartphone » Macht sich der ÖPNV mit Angeboten wie Bus-on-demand samt App einsetzt. Entwickelt wurde die technische Grund- den Start- und Endpunkt seiner Fahrt sowie die Anzahl der jetzt selbst Konkurrenz? lage vom Berliner Start-up „Door2Door“. „Die Technik, die Personen ein. Das System ermittelt dann den kürzesten Weg Dr. Jan Schilling: Keineswegs, neue Angebote haben das dahintersteckt, hätten wir nur mit sehr viel Aufwand selbst zum Ziel. Wollen weitere Nutzer an anderer Stelle zusteigen, Potenzial, die Leistungen von Verkehrsunternehmen als auf die Beine stellen können. Deshalb hat sich eine Koope- rechnet ein Algorithmus die Anfragen in die Route ein. Auf Mobilitätsdienstleister zu erweitern und zu ergänzen. Viele ration mit einem Start-up angeboten, das genau auf diese diese Weise passt sich das Angebot in Echtzeit der Nachfrage Unternehmen sind hier aktiv und beschäftigen sich intensiv mit dem Thema. Darüber hinaus zeigt das aktuelle Beispiel Lösung spezialisiert ist“, sagt Ingo Blazejewski, Leiter der an. Größtmögliche Flexibilität gilt jedoch nur für den Kun- den Kun- aus Duisburg, dass solche Innovationen auch im Rahmen Konzernkommunikation der Duisburger Versorgungs- und den, nicht für den Fahrer. Er darf keinesfalls vermeintliche den an, wo der bestehenden gesetzlichen Regelungen möglich sind. Der Verkehrsgesellschaft. Abkürzungen nehmen, die den Algorithmus durcheinander- sich sein Bus befin- bestehende Rechtsrahmen reicht derzeit völlig aus. Anders Unter den deutschen Verkehrsunternehmen nimmt die bringen würden, sondern muss sich genau an die Vorgaben det und wann er bei ihm ein- als von manchen Anbietern digitaler Plattformen gefordert, DVG mit ihrem datenbasierten Mobilitäts- seines Navis halten. Zeitgleich zeigt das Handy des warten- trifft. Die DVG verspricht: Nicht länger als 20 Minuten soll brauchen wir keine Liberalisierung des PBefG. Denn es ist konzept eine Vorreiterrolle ein Fahrgast auf seinen Bus warten und keine Umwege von nicht per se innovationsfeindlich. ein. „Einerseits wollen wir mehr als einer Viertelstunde in Kauf nehmen müssen. neue Kunden für den Bis Ende Oktober war das Angebot für die 1.000 registrier- » Dennoch dauert es, bis innovative Angebote in die Praxis ÖPNV gewinnen“, be- ten freiwilligen Testkunden kostenlos. Mittlerweile können umgesetzt werden. Woran liegt das? richtet Birgit Adler, die es alle Duisburger zum Preis von 3,20 Euro für die einfache Sehr viel Zeit geht beispielsweise durch intensive Diskussionen PERSONENBEFÖRDERUNGSGESETZ mit den Genehmigungsbehörden verloren. Wünschenswert das Projekt sowie den Fahrt im Stadtgebiet nutzen. Kunden mit Abo oder Zeit- wäre es, die Verfahren einheitlicher zu gestalten und adminis- Bereich Betrieb und karten sowie Kinder zahlen 2,50 Euro. Abgerechnet wird Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) regelt, unter welchen Vor- trative Hürden zu senken. Bislang sind meines Wissens jedoch Markt verantwortet. ebenfalls über die App. Die Testphase mit dem begrenzten aussetzungen Unternehmen mit ihren Bussen, Straßen-, Stadt- und alle innovativen Verkehrsformen, die beantragt wurden, auch „Andererseits bie- Bediengebiet und den auf das Wochenende beschränkten genehmigt worden – wenngleich teilweise mit Einschränkun- U-Bahnen sowie Taxen Fahrgäste befördern dürfen. Neue Markt- tet sich mit ,Mybus‘ teilnehmer wie Uber oder Mytaxi, die Ridesharing und Rideselling Betriebszeiten läuft bis Ende 2020. „Unser Ziel ist es, ein be- gen. Wenn wir Innovationen wollen, wäre eine Debatte um das anbieten, kritisieren insbesondere die Regelungen zu Taxi- und darfsgerechtes Zusatzangebot dauerhaft zu etablieren und in PBefG gegebenenfalls auch kontraproduktiv. Denn in der damit Mietwagenverkehren als nicht mehr zeitgemäß und unflexibel. unser bestehendes ÖPNV-System zu integrieren“, erläutert verbundenen langen Phase der Verunsicherung würden wir Nach Auffassung des Taxigewerbes schützt das PBefG dagegen Projektleiterin Birgit Adler: „Da es sich um ein völlig neues eher weniger als mehr Innovationen sehen. Unternehmen und Kunden vor Dumping und unlauterem Wettbe- System handelt, werden wir zunächst Erfahrungen sammeln werb. Innovationen im Personenverkehr wie der von der DVG an- müssen.“ Wie die aussehen, interessiert bereits andere Ver- » Welche Auswirkungen befürchten Sie, wenn die Änderung gebotene „Mybus“ – er gilt im Sinne des PBefG als Mietwagen mit kehrsunternehmen. An den ersten Wochenenden lief das des bestehenden Ordnungsrahmens zur Debatte steht? Fahrer – und bestehende gesetzliche Regelungen stehen nicht im System stabil. Ingo Blazejewski: „Viele waren überrascht, Wir sind gerade in einer Phase, in der viele Anbieter mit Widerspruch. Das PBefG sei „nicht per se innovationsfeindlich“, be- Lösungen experimentieren und Erfahrungen sammeln. Das dass es so funktioniert, wie wir angekündigt haben.“ tont Dr. Jan Schilling, VDV-Geschäftsführer ÖPNV (siehe Interview ist gut so, denn wir brauchen am Ende passgenaue Lösun- Seite 21). Wenn sie öffentlichen Verkehrsinteressen nicht entge- gen. „One size fits all“ gibt es nicht. Aber auch neue Mobi- genstehen, erlaubt das Gesetz auch „atypische“ Verkehrsformen litätsangebote müssen sich einfügen und die Spielregeln (Paragraf 2, Abs. 6). Das sind Angebote, die vom klassischen Linien- Mehr Informationen finden Sie online unter: des Verkehrssektors anerkennen. Das PBefG gibt uns eine verkehr abweichen. Zudem gibt es zur praktischen Erprobung neuer www.dvg-mybus.de Marktordnung, die diese öffentlichen Verkehrsinteressen be- Verkehrsarten eine „Experimentierklausel“ (Paragraf 2, Abs. 7). rücksichtigt und ein entsprechendes Abstandsgebot zwischen allen Marktteilnehmern im Interesse der Daseinsvorsorge und www.gesetze-im-internet.de/pbefg/index.html gleichwertiger Lebensverhältnisse vor Ort absichert. 20 02 | 2017 01 05 05 | 2017 21
UNTERWEGS IM NETZ Bessere Bahn zwischen Stadt und Land Mit der Straßenbahn aus der City auf die Schienen in der Region: Das ist das „Karlsruher Modell“. Gerade wurde das national wie international kopierte „Tram-Train“-Konzept der Albtal- Verkehrs-Gesellschaft (AVG) 25 Jahre alt. Und nun haben sich Betreiber und öffentliche Geldgeber geeinigt, wie sie die Zukunft des attraktiven Nahverkehrsangebots sichern wollen. Knotenpunkt Hauptbahnhof: Die Grundidee des Karlsruher Modells war es, das gut ausgebaute innerstädtische Straßenbahnnetz mit den vorhandenen Eisenbahnstrecken in der Region zu verbinden. A nfangs traute mancher Intercity-Lokführer auf der Reise nach Basel seinen Augen nicht mehr: Da kam ihm doch kurz hinter Karlsruhe auf schlängelten sich – und schlängeln sich heute – die rot-gelben Stadtbahnen der AVG durch die Wei- chenstraßen in den Albtalbahnhof. Wechseln dann steigen mussten. Da nahmen viele potenzielle Kunden lieber das Auto. hatte die Tram dort aber einen entscheidenden Vorteil: Sie war leichter, beschleunigte schnel- ler und bremste kürzer. Das schuf Reisezeitge- Systemübergang: Ohne dass dem anderen Gleis wahrhaftig eine Straßenbahn ins innerstädtische Gleisnetz der Straßenbahn, Für den durchgehend umsteigefreien Bahnver- winne, die in zusätzliche Haltepunkte investiert die Fahrgäste etwas merken, entgegen! Mehr noch würden die Hochgeschwin- halten brav an Ampeln, rollen durch die belebte kehr zwischen City und dem Umland mussten wurden. So entstanden – nah an den Kunden – wechselt die Stadtbahn zwischen digkeitspiloten gestaunt haben, wenn sie den Fußgängerzone bis zum Marktplatz mitten in der technische Probleme gelöst werden. Zum Bei- allein an der Pilotstrecke mehr als ein Dutzend Gleichspannung über eine kurze weiteren Weg der Bahn hätten verfolgen können: City. Und das nun schon seit September 1992. spiel die Energieversorgung: Die Karlsruher zusätzlicher Stopps. neutrale Strecke ohne Spannung auf Wechselstrom. Im Gleisvorfeld des Karlsruher Hauptbahnhofs Tram fährt mit 750 Volt Gleichspannung, die Hauptbahnhof in Randlage Deutsche Bahn mit 15.000 Volt und Wechsel- „Ludwigs Bahn“ „Man muss die Bahn zu den Menschen brin- strom. Karlsruhe musste deshalb Zwei-Sys- Von der Eröffnung an war die neue Bahn ein gen und nicht die Menschen zur Bahn.“ Wie tem-Fahrzeuge entwickeln und beschaffen, Renner, die Fahrgastzahlen vervielfachten sich ein Mantra hatte Dieter Ludwig, langjähriger die nun an den drei eigens gebauten Gleisver- in wenigen Monaten. Und so fiel es Dieter Lud- Chef der AVG und der Verkehrsbetriebe Karls- bindungen zwischen den Schienennetzen au- wig, der seit den Tagen seines Ingenieurstudi- ruhe (VBK), seit Mitte der 1980er-Jahre diesen tomatisch auf die richtige Energieeinspeisung ums die Lizenz als Tramführer hatte und immer Satz stets parat, wenn er in der Politik für sein umschalten. Es mussten Radsätze gewählt wer- wieder selbst in den Führerstand stieg, nicht Modell eines besseren ÖPNV warb. Und das aus den, die beides „können“ – auf dem schmalen allzu schwer, mit der guten Idee des Karlsruher gutem Grund: In einer Zeit des ungebremsten Rillengleis in der Straße sowie auf Vollbahnglei- Modells weiter zu werben. Am Ende stand ein motorisierten Individualverkehrs verlor der sen rollen. Ein- und Ausstiege benötigen aus- S-Bahn-Netz von über 600 Kilometern Länge, Schienenpersonennahverkehr allenthalben fahrbare Schrittstufen, damit die Fahrgäste aus mit Endpunkten beispielsweise in Heilbronn, massiv an Kundschaft; Bahnhöfe verfielen, den schmaleren Trams gefahrlos die Bahnsteig- Bad Wildbad, Bietigheim-Bissingen, Germers- Strecken verrosteten und wurden stillgelegt. kanten erreichen können. Ein weiteres zentra- heim, Freudenstadt, Baden-Baden und Achern. Ludwig, lange Jahre Präsident des VDV, hatte les Problem: Die Umlandstrecken waren längst Nur ein Teil der Strecken gehört der Albtalbahn. früh eines der zentralen Probleme seiner Region nicht alle elektrifiziert. So wurde damals die 30 Gefahren wird auch auf Gleisen nichtbundes- erkannt: Der Hauptbahnhof von Karlsruhe liegt Kilometer lange Pilotstrecke von Karlsruhe nach eigener Eisenbahnen ebenso wie im DB-Netz. am Rande der Innenstadt – mit der Folge, dass Bretten mit Fahrdraht und Stromversorgung Und einige Linien, wie die Gebirgsbahn durch Bahnreisende in die Residenzstadt vom Zug ausgestattet – ein 80-Millionen-D-Mark-Pro- das Murgtal hinauf in den Schwarzwald nach immer noch in örtliche Busse und Bahnen um- jekt. Gegenüber klassischen Nahverkehrszügen Baiersbronn und Freudenstadt, wurden von 22 05 | 2017 05 | 2017 23
UNTERWEGS IM NETZ Tennetschlucht bei Forbach: Die Zwei-System-Fahrzeuge der AVG haben die Zulassung für Steilstrecken und können das VIER FRAGEN AN Murgtal hinauffahren. die AVG-Geschäftsführer Dr. Alexander Pischon (l.) und Ascan Egerer » Wie groß ist das künftige Direktvergabe-Netz der AVG? Alexander Pischon: Das lässt sich noch nicht im Detail sagen. Nach heutigem Stand „wegfallen“ werden die Stadtbahn- Streckenäste von Baden-Baden in Richtung Achern sowie von Forbach in Richtung Freudenstadt. Bereits im Wettbewerb vergeben sind die Strecken Bruchsal – Mühlacker und Pforz- heim – Bietigheim-Bissingen (Betriebsaufnahme 2019). Diese 170 werden in Zukunft nicht mehr von AVG-Stadtbahnfahrzeu- gen bedient. Die AVG wird im Gegensatz zu der heutzutage erbrachten Verkehrsleistung bis zu 30 Prozent weniger an Zugkilometern zu erbringen haben. » Inwieweit kann die Fahrzeugflotte nach 2022 verkleinert werden? Wie wirkt sich das auf die Personalsituation aus, wie MILLIONEN auf die Instandhaltungsinfrastruktur und deren Mitarbeiter- bestand? So viele Fahrgäste nutzen jedes Jahr die Ascan Egerer: Grundsätzlich ist geplant, ältere Fahrzeu- Straßenbahnen in und um Karlsruhe. Zum Start des Modells vor 25 Jahren ge sukzessive auszumustern und durch neue zu ersetzen. waren es 100 Millionen. Der künftige Bestand wird erst durch den zu schließenden Verkehrsvertrag und die darin zu vereinbarenden Fahrzeug- kapazitäten festgelegt. Wir gehen davon aus, dass die AVG in den kommenden Jahren zunehmend erforderliche Instandhal- tungs- und Serviceleistungen für Dritte anbieten kann. Hier- für werden die Fachkräfte der AVG aus den unterschiedlichs- ten Bereichen selbstverständlich auch weiterhin benötigt. Vor diesem Hintergrund soll es keinen Personalabbau geben. der AVG für Jahrzehnte gepach- und inzwischen haben wir auch beralisierten Verkehrsmarkt auszurichten. In einem » Beim Ausbau der Fernlinien wurden vielfach – zum Bei- tet, elektrifiziert und für den die Weichen für eine erfolgrei- Eckpunktepapier verständigten sich die Stadt Karls- spiel Richtung Bretten – zusätzliche stadtnahe Haltestellen Stadtbahnbetrieb ausgebaut. che Zukunft gestellt.“ Zunächst ruhe und das Land Baden-Württemberg darauf, das eingerichtet. Entfällt deren Bedienung im künftigen reinen „Ludwigs Bahn“ – wie eine Fach- durch ein ambitioniertes Infra- Modell auf seinen qualitativen Ursprung zurückzu- Eisenbahnverkehr? zeitschrift seinerzeit das Karls strukturprojekt: Die Stadt leistet führen. Nach dem Auslaufen der derzeitigen Betrei- Pischon: Nein, auch nach der Umstellung werden diese Hal- ruher Modell anerkennend in sich zwei derzeit im Bau befind- berverträge im Jahr 2022 will das Land alle Linien, testellen von den Stadtbahnen weiterhin bedient. Zudem hat Reminiszenz an die „Ludwigs- liche, insgesamt gut vier Kilo- die mit Zwei-System-Fahrzeugen umsteigefrei zwi- das Land Baden-Württemberg zugesagt, auf den durch reine bahn“, die erste deutsche Eisen- meter lange Tunnelabschnitte schen Stadt und Region bedient werden, per Direkt- Eisenbahnleistungen bedienten Streckenabschnitten alle bahn zwischen Nürnberg und mitten im Zentrum mit sieben vergabe bis zunächst 2035 von der AVG betreiben Halte auch in Zukunft zu bedienen. Fürth, betitelte – sorgte schnell unterirdischen Haltestellen, die lassen. Vier reine Eisenbahn-Verbindungen dage- für ein verändertes Kundenver- bis 2021 in Betrieb gehen sollen. gen werden dann EU-konform als klassischer SPNV » Die AVG hat ihre Fernlinien und die Infrastruktur dafür er- halten. Dank der durchgehenden „Mit der Fertigstellung des In- europaweit ausgeschrieben und nicht mehr mit den heblich ausgebaut. Bleiben die Strecken und Infrastruktur wie Stadt-Umland-Verbindungen nenstadttunnels können wir mit rot-gelben Stadtbahnzügen bedient. Bahnhofsgebäude, die heute im Eigentum der AVG sind, wei- mit modernen Stadtbahn-Trieb- einem noch attraktiveren Ange- Seit den Anfängen lockt das Verkehrskonzept bis terhin beim Unternehmen und erhält sie künftig von Dritten wagen stieg die Zahl der Fahr- bot weitere Fahrgäste hinzuge- heute Tram-Train-Experten aus aller Welt nach Trassenpreise auf den nicht mehr von ihr bedienten Strecken? gäste in den 25 Jahren von 100 winnen“, ist Pischon überzeugt. Karlsruhe. Das Modell wurde vielfach in ähnlicher Egerer: Ja, diese Strecken und die Infrastruktur bleiben im Ei- Millionen auf 170 Millionen im Form realisiert, zum Beispiel in Kassel, Chemnitz und gentum des Unternehmens. Die Pachtstrecken sind über lang Jahr, berichtet Dr. Alexander Pi- Modell in andere Saarbrücken, in französischen und britischen Stadt- laufende Verträge bis ins Jahr 2045 von der AVG gepachtet schon, heute Vorsitzender der Städte übertragen regionen von Straßburg bis Sheffield. Und auch bei worden. Dort, wo Dritte auf dieser AVG-Infrastruktur ver- Geschäftsführung von AVG und Zugleich wurden in Karlsruhe der Renaissance des Schienennahverkehrs in Nord- kehren, erhält die AVG Trassenpreise und Stationsentgelte. VBK: „Das Karlsruher Modell erste Schritte unternommen, amerika gibt es erste vergleichbare Angebote eines hat sich hervorragend bewährt, das bewährte System auf den li- besseren ÖPNV. Eine Stadtbahn vom Typ Flexity Swift überquert den Vorplatz des Karlsruher Hauptbahnhofs. 24 05 | 2017 05 | 2017 25
1 AUS DEM VERBAND 1: Prof. Dr. Ewald Wessling erklärte, wie Unternehmen Arbeit neu denken können. 2 & 3: Die Teilnehmer diskutierten über die Anforderungen des digitalen Wandels im Personalbereich. 4: Für Abwechslung sorgte Poetry-Slammer Bas Böttcher. Er reimte über Bus und Bahn. 2 3 Digitalisierung: Wie arbeiten KREATIVES PERSONALMANAGEMENT Welche Verkehrsunternehmen haben die spannendsten Personal- und Organi- sationskonzepte entwickelt? Das sollte der „Innovatoren- und Best-Practice- Pitch“ beim VDV-Personalkongress zeigen. Fünf Finalisten präsentierten wir morgen? ihre Projekte. Am Ende entschied das Publikum, welches das Beste war. 1. Deutsche Bahn Die Bahn im 360-Grad-Film: Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen, setzt 4 die DB in der Personalgewinnung auf Virtual Reality. Bahnberufe werden so hautnah erlebbar. Die innovative Wandel nehmen, hieß es. Andererseits sollen Industrie 4.0, Mobilität 4.0: All das steht auch für die Digitalisierung und Vernetzung ganzer Technik setzt die DB unter anderem sie eine neue Unternehmenskultur voran- erfolgreich auf Berufsmessen (Foto) Wirtschafts- und Lebensbereiche. Doch was bedeutet der digitale Wandel für die Mitarbeiter treiben, um ihren Betrieb fit für die Arbeit 4.0 ein – und landete damit auf Platz eins. der Verkehrsbranche? Und wie lassen diese sich mitnehmen? Der VDV-Personalkongress und attraktiv für den Nachwuchs zu machen. wollte auf diese Fragen erste Antworten geben – und vor allem einen weitergehenden Strate- Starre Hierarchien und die klassische Füh- 2. Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) rung von oben nach unten hätten ausgedient. Mit ihrer „Agilen Toolbox“, die den giediskurs in Sachen Human Ressources (HR) starten. Rahmen für agiles Arbeiten bei der BVG definiert, landeten die Berliner auf Der Nachwuchs verlange heute flexible Ar- Platz zwei. Die BVG setzt verstärkt auf die Ideen der eigenen Mitarbeiter – zum beitsformen, über alle Hierarchiestufen und Beispiel für neue Produkte und Services. In interdisziplinären, agilen Teams Bereichsgrenzen hinweg. Führungskräfte treiben sie selbst Innovationen voran. Die BVG stattet sie dafür mit zeitlichen hingegen werden zu Beratern und Unter- „A und finanziellen Ressourcen aus. Bisher wurden damit neun Projekte realisiert. rbeit, Kultur, Technik: Die Chancen des digitalen ligkeit. „Sie müssen neue Wege finden, miteinander stützern. Damit Personaler diesen Wandel Wandels für die Verkehrsbranche nutzen“ lautete zu kommunizieren“, appellierte Wessling deshalb an angehen und die Mitarbeiter sowie Füh- 3. MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft mbH der Titel der diesjährigen Veranstaltung, die von der die über 200 Teilnehmer, die vor allem aus den Perso- rungskräfte gleichermaßen begleiten kön- Die drittplatzierten Mannheimer setzen im E-Learning auf 360-Grad- VDV-Akademie und der Rheinbahn in Düsseldorf nalabteilungen der Verkehrsunternehmen stammten. nen, benötigen sie Zeit: „Bei der Rheinbahn Videos. Mit „Trainscape Engine“ hat das Eisenbahnunternehmen eine ausgerichtet worden war. Damit hatte der Kongress Dass die Digitalisierung den Markt für den Öffentli- rüsten wir deshalb den Personalbereich digi- interaktive Baureihenkunde für Tablet und Desktop-PC entwickelt. einen weiten Bogen zu schlagen: von der Vision der chen Verkehr massiv verändert, davon ist auch Dr. Jan tal auf“, beschrieb etwa Rheinbahn-Vorstand Angehende Lokführer können damit Fahrzeuge verschiedener Baurei- Mobilität 4.0 und des vernetzten, autonomen ÖPNV Schilling, Geschäftsführer ÖPNV im VDV, überzeugt. und Arbeitsdirektor Klaus Klar. Dies solle die hen „begehen“. Der trockene Lehrstoff soll so spannender werden. „on demand“ bis hin zu den vielfältigen Folgen, die Neue Geschäftsmodelle führen wiederum zu neuen nötigen Freiräume schaffen. 4. Leipziger Verkehrsbetriebe diese Entwicklung für die Mitarbeiter haben wird. Arbeitswelten – und Personal und Führung spielten Dass man den Wandel annehmen und aktiv Mehr Effizienz und Effektivität: Mit diesem Ziel vor Augen hat „Der digitale Wandel ist disruptiv“, betonte etwa bei diesem Wandel eine Schlüsselrolle, so Schilling: angehen sollte, betonte auch Udo-Ernst die Leipziger Gruppe, zu der auch die LVB gehören, ihren HR-Be- Prof. Dr. Ewald Wessling, Professor für Neue Kom- „Wenn Sie im Unternehmen keine Kultur haben, die Haner vom Fraunhofer Institut für Arbeits- reich umgekrempelt. Dabei ging es vor allem um die Standardisie- munikationsformen an der Hochschule Hannover, den Wandel unterstützt, wird ein anderer gewinnen. wirtschaft und Organisation IAO. „Warum rung von Prozessen in der Personalabteilung. Dies soll Freiräume in seinem Impulsvortrag. Disruptiv – das heißt um- Sie brauchen Leute, die diesen Wandel jenseits aller Sie das tun sollten? Weil Mitarbeiter heute schaffen – vor allem für beratende und strategische Aufgaben. brechend. Neue Geschäftsmodelle ersetzen die alten. technischen Fragen gestalten.“ die Freiheit haben zu entscheiden, wo sie Und so wie einst die MP3 den gesamten Musikmarkt Die Mitarbeiter mitzunehmen durch den digitalen arbeiten wollen“, so der Leiter des Teams 5. Üstra umkrempelte, seien es heute die Plattformen, die den Wandel, war deshalb ein zentrales Thema des Per- „Information Work Innovation“ beim IAO. Das neue „Kulturbarometer“ der Üstra soll einen Wandel in der Unter- Umbruch bedeuten. Doch der digitale Wandel ver- sonalkongresses – ebenso wie die Frage, wie sich in Stichwort: Fachkräftemangel. nehmenskultur ermöglichen. Insgesamt wurden acht Werte definiert ändere nicht nur die Welt außerhalb, sondern auch Zeiten des Fachkräftemangels qualifizierte neue Kol- Vor möglichen negativen Folgen warnte – wie „Fehler zulassen“ oder „Beteiligung leben“. Das Kulturbarome- innerhalb der Unternehmen. „Die Werte sind heute legen finden lassen. Eine besondere Rolle, da waren indes Dr. Norbert Huchler, Vorstandsmit- ter überwacht die Einhaltung dieser Werte: In Fragebögen werden Teams und Führungskräfte einmal im Jahr dazu befragt. Die Ergebnisse wer- ganz andere“, so Wessling. Während Ältere etwa auf sich alle Referenten einig, komme hier den Persona- glied im Institut für Sozialwissenschaftliche den besprochen und Verbesserungspotenziale ausgemacht. Qualität, Sicherheit und Datenschutz achteten, gehe lern zu. Sie müssen ihre Mitarbeiter einerseits stärker Forschung in München. Arbeit 4.0 bedeute es den Jungen um Offenheit, Transparenz und Schnel- begleiten und ihnen die Ängste vor dem digitalen vor allem Selbstorganisation und Selbst- 26 05 | 2017 05 | 2017 27
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