RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN

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RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Raum.
StraSSe.   Ein Programm im Rahmen
           der Ausstellung

Stadt.     »Neue Standards. 10 Thesen
           zum Wohnungsbau«
RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Raum.
StraSSe.
Stadt.
Ein Programm im Rahmen der Ausstellung
»Neue Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau«
vom 20.08. – 28.10.2018

Bund Deutscher Architekten BDA Landesverband Rheinland-Pfalz
in Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz,
der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, dem Ministerium der Finanzen
Rheinland-Pfalz und dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat
RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
4   Sozialraum Stadt   Heinrich Lessing

 6   Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen               Heiner Farwick

 8   Grusswort   Doris Ahnen

10   Relevanz und Wirkmacht des Experiments             Thomas Metz

11   Menschenrecht Wohnen      Gerold Reker

12   Qualität für den Wohnungsbau          Gunter Adler

14   Der notwendige Diskurs    Enrico Santifaller

16   Workshop für Studierende

58   Workshop für Schüler

60   8. BDA-Gespräch   Marcus Rommel

62   Im Dienste des Menschenrechts         Enrico Santifaller

66   Das Müll-Raustragen dauert eine Stunde             Enrico Santifaller

68   Bildnachweis

68   Impressum
RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Sozialraum Stadt                                               Die Grundlage für diesen Diskurs, die Ausstellung »Neue       Die Zusammenarbeit mit den Studierenden, unterstützt            Thema mit soziologischem und vor allem ethischen
Prof. Heinrich Lessing,                                        Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau«, haben der BDA          auch von Dirk Bayer war Kern des Programms und hat              Anspruch. Gestalten können die Städte als Akteure der
Vorsitzender des BDA LV RLP, Mainz                             Bund gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern,          uns besondere Freude gemacht. Dank damit auch den 17            Stadtentwicklung die Wohnungsfrage nur mit einer
                                                               für Bau und Heimat (BMI) geschaffen. Danken möchte ich        engagierten TeilnehmerInnen. Das Arbeiten im Maßstab            Änderung der Bodenpolitik. Auch das ist innerhalb des
Wird die Gestalt unserer Städte und Landschaften durch         dafür dem Präsidenten des BDA Bundesverbands, Heiner          1:1 und am konkreten Ort hat eine eindrucksvolle Qualität       Ausstellungszeitraumes deutlich geworden. Verkaufen
die Interessen Einzelner bestimmt oder ist die Idee der        Farwick und dem Staatssekretär des BMI, Gunther Adler. Mit    und hat uns alle gemeinsam bereichert. Nicht zuletzt Dank       wir weiterhin die Städte, wird das Sicherstellen des
Gemeinschaft die gestaltende Kraft? Das Bild der Städte hat    der Ausstellung – die nicht erklärt, sondern Fragen stellt,   auch an Frido Roth, der mit seinen SchülerInnen der IGS         »Menschenrecht Wohnen« mehr und mehr Illusion bleiben.
sich innerhalb der letzten 100 Jahre dramatisch verändert.     Grundlagen positioniert und Thesen formuliert – wurde uns     Mainz-Bretzenheim den Schülerworkshop mitgestaltet hat.         Ich hoffe, dass die Fragen und Erkenntnisse, die uns von
Vieles mussten die Stadtbilder in diesem Zeitraum ertragen.    die Gelegenheit gegeben, die dort benannten Fäden auf-        Auch für die TeilnehmerInnen des Leistungskurses Bildende       August bis Oktober 2018 beschäftigt haben, nicht in den
Auch die Motivationen, die Stadt zu entwickeln, haben sich     zugreifen und weiterzuspinnen. Besser kann man sich eine      Kunst der IGS werden die vielseitigen Raumerfahrungen, die      Räumen geblieben sind, sondern in den Köpfen fortbeste-
gewandelt. »Wessen Stadt ist die Stadt? Für wen wird sie       Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesstrukturen          wir gemeinsam machen konnten, in besonderem Maße in             hen und früher oder später einen Beitrag zu einer Stadt
gebaut? Dienen die Stadt und ihre Gebäude den Menschen,        kaum vorstellen.                                              Erinnerung bleiben.                                             für alle leisten können.
die darin leben, oder der Demonstration von Macht und                                                                        Der Sozialraum Stadt geht uns alle an. Das ist nicht nur eine
Reichtum und der Profitmacherei?« Diese Fragen, die Bruno      Besonders danken möchte ich auch den Kooperations-            Architekturdebatte sondern ein gesellschaftspolitisches
Flierl bereits in den 1990er Jahren gestellt hat, verlieren    partnern, Frau Ministerin Doris Ahnen für das Finanz- und
nicht an Aktualität. Die Ausstellung »Neue Standards. 10       Bauministerium Rheinland-Pfalz, Präsident Gerold Reker für
Thesen zum Wohnungsbau« war für uns, den BDA Landes-           die Architektenkammer Rheinland-Pfalz sowie Thomas Metz
verband Rheinland-Pfalz, eine sehr gute Grundlage, um          für die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.
den Grundsatzfragen Fliers nachzugehen und damit auch          Nur gemeinsam war es möglich, die Ausstellung und das
drängende Fragen des Wohnungsbaus in Rheinland-Pfalz zu        damit verbundene Programm aufzustellen, zu organisieren,
thematisieren.                                                 durchzuführen und, nicht zuletzt, zu finanzieren. Mein
 »Sozialraum Stadt« war für uns Arbeitstitel und später        besonderer Dank gilt der Generaldirektion Kulturelles Erbe
auch Anspruch für das Rahmenprogramm. Wie wollen wir           auch dafür, dass sie der Ausstellung und allen Akteuren
künftig wohnen? Und wie können wir den Zusammenhang            für mehr als zwei Monate einen Ort gegeben hat. Wir
zwischen Wohnraum und Stadt herstellen und sinnvoll            hatten damit Gelegenheit, das Landesmuseum Mainz als ein
gestalten? Das waren die Fragen, die wir uns gestellt haben,   lebendiges und engagiertes Haus einer Gegenwarts- und
die von den teilnehmenden Schülern und Studierenden            Zukunftskultur zu erleben und neu kennenzulernen. Hier
diskutiert und bearbeitet, die in den Podiumsgesprächen        hat es uns, dank der hervorragenden Unterstützung von
zum Thema gemacht wurden und die den Hintergrund für           Direktorin Dr. Birgit Heide und der Leiterin des Bereiches
das »Machen« in diesen Wochen waren. Wohnungsbau muss          Vermittlung Ellen Löchner, an nichts gefehlt. Die vorange-
für alle gedacht werden. Das heißt nicht nur für diejenigen,   stellte Kooperation hatte ihren besonderen Wert auch darin,
die vornehmlich an der Rendite interessiert sind, sondern      dass wir gemeinsam die Gesellschaft in einer ungewöhnli-
für Menschen in unserer Gesellschaft, die nicht an dem zu      chen Breite ansprechen konnten und uns nicht, wie so oft,
großen Teilen herrschenden Wohlstand teilnehmen können.        in fachspezifischen Kreisen drehen mussten. Mein besonde-
Sozialraum Stadt heißt aber auch, die Schnittstelle zwischen   rer Dank gilt Marcus Rommel, der mit mir gemeinsam das
dem Innenraum, der dem Wohnen dient, und dem Außen-            gesamte Projekt vorbereitet und geplant hat. Ohne seine
raum, der der Gemeinschaft dient, in den Blick zu nehmen.      Unterstützung und engagierte Zusammenarbeit hätte der
Dieser oft zu wenig beachtete Bereich muss so bearbeitet       »Sozialraum Stadt« nicht in dieser Breite behandelt werden
werden, dass die Verknüpfung zwischen Individuum und           können. Herzlichen Dank auch an Sonja Nagel und Stefan
Gemeinschaft unterstützt wird und so zum Gelingen von          Schumacher, die mit ihren Workshops dem forschenden Teil
Stadt und Landschaftsraum beitragen kann.                      des Programms in besonderer Weise Gestalt gegeben haben.

4                                                                                                                                                                                                                                                   5
RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Neue Standards.                                               »Mainz findet sich seit längerer Zeit auf der Rangliste der    Städte und damit für unsere Gesellschaft geleistet hat
Zehn Thesen zum Wohnen                                        deutschen Städte mit den teuersten Mietpreisen wieder.         oder ob wir heute die Problemviertel von morgen bauen.
Heiner Farwick, Präsident des Bund                            Hinter Städten wie München und Frankfurt am Main               Der Bund Deutscher Architekten BDA steht für Qualität
Deutscher Architekten BDA, Berlin                             rangiert auch Mainz derzeit auf einem der Spitzenplätze.       des Planens und Bauens in Verantwortung gegenüber
                                                              Die Universitätsstadt Mainz ist als Schwarmstadt weit          der Gesellschaft und der Umwelt. Wir haben daher die
Seit fast zwei Jahren wird die Ausstellung »Neue Standards«   davon entfernt, demographisch zu schrumpfen. Im                Herausforderung gerne angenommen, diese Ausstellung
des BDA-Bundesverbands an wechselnden Orten gezeigt.          Gegenteil: Die Einwohnerschaft und damit der Bedarf            »Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen« auf die
Mainz ist der Schlusspunkt dieser sehr erfolgreichen Aus-     an Wohnraum nehmen kontinuierlich zu.«                         Beine zu stellen. Zehn Architektinnen und Architekten
stellung.                                                                                                                    denken hier zum Beispiel über »Dichte als Möglichkeit«,
                                                              Hier und in vielen anderen Städten finden also nicht mehr      über »Monotonie als Qualität« oder über den »Respekt
Es ist also an der Zeit, zurück und nach vorn zu schauen.     alle Menschen die Wohnungen, in denen sie leben möch-          vor dem Unspektakulären« nach. Jeder dieser zehn hat
Die Ausstellung ist der Beitrag des BDA zum Bündnis für       ten, weil es diese Wohnungen auf dem Markt entweder            eine eigene »These« entwickelt, die zur Debatte gestellt
bezahlbares Wohnen und Bauen auf Bundesebene, mit             nicht gibt oder sie für ein durchschnittliches Haushaltsein-   wird.
welchem die Vorgängerregierung auf die zunehmend an-          kommen nicht mehr bezahlbar sind oder, und dieser As-
gespannten Wohnungsmärkte reagierte und welches auch          pekt hat sich in den letzten Jahren verschärft, Mietsteige-    In den Begleitveranstaltungen zur Ausstellung hat sich ein
in dieser Legislaturperiode fortgesetzt wird.                 rungen im Bestand die angestammten Mieter verdrängen.          Diskurs entwickelt, aus dem sich auch konkrete politische
                                                                                                                             Anliegen herauskristallisieren. In vielen fruchtbaren
Neben der Bundesebene gibt es aber auch auf Landes-,          Mehr Wohnraum und bezahlbar für alle – das ist eine            Diskussionen in Berlin und den weiteren Stationen hat
Regional- und lokaler Ebene Bündnisse zu Verbesserung         berechtigte Forderung. Doch in welchem Verständnis, mit        sich herausgestellt, dass es vor allem die Bodenfrage ist,
des Wohnens. So auch in Mainz, wo das »Bündnis Wohnen         welcher Haltung soll das gewaltige Volumen an Woh-             die Bezahlbarkeit und Qualität des Wohnens beeinflusst.
in Mainz« zwischen der Wohnungswirtschaft und der             nungen gebaut werden? Um eine gute Wohnqualität zu             Eine Vergabe von öffentlichen Grundstücken an genos-
Landeshauptstadt Mainz geschlossen wurde. Wir lesen           bezahlbaren Preisen zu gewährleisten, müssen wir jeden-        senschaftlich organisierte Akteure, eine Konzeptvergabe
dort diese Zustandsbeschreibung:                              falls über die Kosten durch immer höhere Anforderungen         statt Veräußerung zum Höchstgebot und das Instrument
                                                              an das Bauen – vom Stellplatznachweis über mittlerweile        der Erbpacht sind drei Stichworte, die wir immer wieder
                                                              unüberschaubare Baunormen bis zur Energieeinsparver-           gehört haben.
                                                              ordnung – nachdenken. Isoliert betrachtet ist die Absicht
                                                              vieler dieser Vorgaben nachvollziehbar; in der Summe füh-      Diese Ausstellung des BDA wäre nicht möglich gewesen
                                                              ren sie allerdings zu Kosten, die es selbst gemeinnützigen     ohne vielfältige Unterstützung. Ganz besonders danken
                                                              Unternehmen unmöglich machen, Sanierung und Neubau             möchte ich dem Bundesministerium für Inneres, für Bauen
                                                              von Wohnungen wirtschaftlich darzustellen. Hier brau-          und Heimat. Diese Station der Ausstellung in Mainz wurde
                                                              chen wir in Zukunft eine moderatere Ordnungspolitik. Wir       vom BDA-Landesverband Rheinland-Pfalz, dem Ministeri-
                                                              unterstützen das Bestreben von Staatssekretär Gunther          um der Finanzen Rheinland-Pfalz, der Architektenkammer
                                                              Adler entschieden, die Normungswut zurückzudrängen.            Rheinland-Pfalz und der Generaldirektion Kulturelles Erbe
                                                                                                                             Rheinland-Pfalz möglich gemacht. Dafür möchten wir –
                                                              Den dringenden Bedarf an Wohnungen sollten wir unbe-           stellvertretend für alle anderen vor Ort – Heinrich Lessing
                                                              dingt als Gelegenheit zu einer Qualitätsoffensive nutzen,      ganz herzlich danken.
                                                              um nicht die Problembauten von morgen zu schaffen.
                                                              Tristesse in Serie kann und darf nicht die Antwort sein
                                                              auf die Wohnungsfrage. Das, was wir heute und morgen
                                                              errichten, wird beweisen müssen – und das in der Regel
                                                              erst in vielen Jahren –, ob es ein guter Beitrag für unsere

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RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Grusswort                                                        gemeinsam mit unseren 21 Partnerinnen und Partnern
Doris Ahnen, Ministerin für Bau und                              nach innovativen Lösungen. Serielles Bauen, Konzeptver-
der Finanzen, Mainz                                              gabe, gemeinschaftliches bzw. bezahlbares Wohnen oder
                                                                 das Thema Bauland sollen hier nur schlagwortartig die
Das Thema Wohnen ist aktueller denn je. Fast täglich             Bandbreite aufzeigen.
wird in den Medien berichtet, wie sehr der angespannte           Um auch weiterhin gut in Rheinland-Pfalz wohnen, leben
Wohnungsmarkt, insbesondere in den Schwarmstädten,               und arbeiten zu können sollen neue, bzw. sanierte Gebäu-
das Leben der Menschen beeinträchtigt. Bilder von endlos         de im Bestand von überzeugender Qualität, innovative
langen Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen ver-            Architektur im Städtebau, besondere Konzepte für at-
deutlichen, wie schwierig es ist, eine bezahlbare Wohnung        traktive Ortskerne sowie prägende Orts- und Stadtbilder
in zentraler Lage zu finden – auch in Rheinland-Pfalz.           entstehen.
Dem gegenüber steht die Entwicklung im ländlichen
Raum. Hier zeigt sich ein anderes Bild. Oftmals bestimmen        Die Durchführung der Schüler- und Studentenworkshops
Leerstände die Mitte des Ortes. Hier suchen Ladenlokale          waren daher eine hervorragende Ergänzung zur Aus-
und Wohngebäude gleichermaßen Nachmieter bzw. neue               stellung im Landesmuseum in Mainz. Aufzuzeigen, was
Besitzer. Parallel dazu entstehen am Rande der Orte Neu-         Räume ausmachen, wie wichtig unser Wohnumfeld ist und
baugebiete. Eine Modernisierung im Bestand und damit             die Sinne für das »Alltägliche zu schärfen«, tragen dazu
auch eine Erhaltung des Ortskerns erscheint vor allem für        bei, dass Wohnen auch in Zukunft als die wichtige Quer-
viele jungen Familien keine Option zu sein.                      schnittsaufgabe wahrgenommen wird, die sie ist. Themen
                                                                 wie Arbeit, Mobilität oder Infrastruktur beeinflussen, wo
Wohnen ist ein hohes soziales Gut. Ziel der Landesregie-         und auch wie gewohnt wird. Zudem konnte durch die
rung in Rheinland-Pfalz ist es, gutes Wohnen sowohl in           aktive Einbindung der Schulen und Hochschulen auch der
der Stadt als auf dem Land zu ermöglichen. Egal ob jung          Nachwuchs, unsere zukünftigen Fachkräfte, an die Wohn-
oder alt, als Single, als Paar oder als Familie – jeder sollte   belange herangeführt werden. Ich danke an dieser Stelle
seine individuellen Wohnwünsche umsetzen können. Mit             allen sehr herzlich, die zu dem Gelingen der Workshops
unseren Förderprogrammen, Wettbewerben und Initiati-             beigetragen haben und freue mich, dass wir die Ergebnis-
ven unterstützen wir dabei die unterschiedlichen Bedürf-         se dokumentiert haben. Menschen zu begeistern und das
nisse und Anforderungen.                                         öffentliche Bewusstsein für die Qualität des Planens und
                                                                 Bauens zu prägen, ist mir eine Herzensangelegenheit.
In der Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum
Wohnen« werden viele der aktuellen Themen der Woh-               Daher habe ich mich sehr gefreut, dass wir die Ausstellung
nungspolitik andiskutiert. Die sogenannten Denkräume,            »Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnungsbau« in
die die Kuratoren der Ausstellung erzeugt haben, zeigen          Rheinland-Pfalz zeigen konnten.
eindrucksvoll die Bandbreite auf und laden zur Diskussion        Ich danke an dieser Stelle sehr herzlich unseren Partne-
ein. Als zuständige Finanz- und Bauministerin ist es mir         rinnen und Partnern – dem BDA Rheinland-Pfalz, der
besonders wichtig, gute Wohnverhältnisse im ganzen               Architektenkammer Rheinland-Pfalz sowie der General-
Land zu sichern, trotz der regional unterschiedlichen            direktion Kulturelles Erbe – für die bewährte gute
Entwicklung im Land.                                             Zusammenarbeit und freue mich auf weitere Projekte!
Daher bearbeiten wir im Rahmen des »Bündnisses für
bezahlbares Wohnen und Bauen in Rheinland-Pfalz« viele
der in der Ausstellung gezeigten Thesen und suchen

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RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Relevanz und Wirkmacht des                                     wären. Dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und          »Menschenrecht Wohnen«
Experiments                                                    Innovation wollte nun mit persönlicher Relevanz ge-         Gerold Reker, Präsident der
Thomas Metz, Generaldirektor, Generaldirektion                 füllt werden von den Menschen, die sich im Umfeld des       Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz                               Wohnbaus jetzt und in Zukunft bewegen und engagie-
                                                               ren. In Podiumsveranstaltungen wurden die Argumente         Immer häufiger finden Menschen auf dem heiß umkämpf-
Das Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturel-          für Veränderungen ausgetauscht und dem interessierten       ten Wohnungsmarkt keine Bleibe mehr – sie können sich
les Erbe Rheinland-Pfalz war nicht nur gerne Gastgeber         Publikum dargelegt.                                         angemessenen Wohnraum schlicht nicht mehr leisten.
für die Ausstellung »Neue Standards«, sondern auch in                                                                      Initiativen und Bündnisse zur Lösung der Wohnraum-
einiger Hinsicht Nutznießer. Das Thema der Ausstellung,        Studierende der Architektur verbrachten auf Einladung       frage haben sich nicht nur gebildet, sie weisen auch erste
ihre den Besucher aktivierende Gestaltung und beide            ihrer Lehrenden vier Tage mit Erkundungen im Museum         Erfolge auf. Gebaut wird wie seit Jahren nicht. Doch trotz
Podiumsveranstaltungen öffneten das Museum gedank-             und im Stadtraum und legten in erfrischend neugieriger      alledem fehlen weiterhin bezahlbare Wohnungen.
lich hin zum Stadtraum. Diese Verknüpfung tut gut,             und gleichzeitig fachkompetenter Art nahe, dass gebaute     Immobilien werden immer teurer und erschwinglicher
verwaltet doch das Museum die Bestände der Städtischen         Räume, aber auch Stadtquartiere ihr Angesicht verändern     Wohnraum bleibt knapp.
Galerie Mainz und damit viele Zeugnisse, die das Stadt-        werden. Der Innenhof des Landesmuseums war im besten
bild früherer Zeiten zeigen bzw. Aspekte der Entstehung        Sinne Spielwiese für das Inszenieren von Gedanken zu per-   Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz, die Arbeitsge-
beleuchten und damit ins Jetzt deuten. Dieses Museum           sönlichem und sozialem Raum, sichtbar aus der Arkade –      meinschaft der rheinland-pfälzischen Wohnungsunterneh-
also, in dieser Zeit, in dieser Stadt beherbergte für einige   dem Bauteil, welcher die Trakte aus dem 18. Jahrhun-        men und die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rhein-       bei der Vergabe öffentlicher Grundstücke erhält nicht
Monate eine Ausstellung, die nicht erklärte oder belegte,      dert im 21. Jahrhundert zusammenbindet. Und nun? Die        land-Pfalz haben deshalb gemeinsam das Positionspapier       der Höchstbietende den Zuschlag, sondern derjenige mit
sondern fragte. Sie fragte nach den Besuchern und ihren        Ausstellung – durchaus nicht die erste des BDA im Landes-   »Menschenrecht Wohnen« erarbeitet und im Rahmenpro-          dem besten Konzept. Hierzu braucht es Masterpläne, die
Lebensumfeldern, nach der Relevanz und Wirkmacht von           museum Mainz und ganz sicher nicht die letzte – ist abge-   gramm der Ausstellung »X Thesen zum Wohnen« in Mainz         Entwicklungsoptionen verzeichnen und Investitionen und
Gedankenexperimenten, nach der Aufgabe von Gestal-             baut. Die Utopie des Bauens nach Neuen Standards ist in     präsentiert. Die im Papier formulierten zwölf wohnungs-      Förderungen gezielt lenken können.
tung, letztlich den Begriffen von Schönheit und Zweckmä-       die Welt gesetzt und latenter Aufruf. Das Landesmuseum      und sozialpolitischen Forderungen richten sich an die
ßigkeit und ihrem Verhältnis zueinander. Solche Fragen zu      hat sich unwiderruflich als Raum erwiesen, der Experimen-   Landespolitik und die Kommunen in Rheinland-Pfalz:           Während in der Stadt bezahlbarer Wohnraum fehlt,
stellen, gedankliche Räume zu öffnen, Diskurse anzusto-        te ermöglicht.                                              Verlässliche Daten sind die Grundlage einer nachhaltigen     stehen im ländlichen Raum Häuser und Wohnungen leer.
ßen und ggf. deren Verlauf erneut zu dokumentieren, zu                                                                     Wohnungspolitik. Daher fordern wir gemeinsam mit der         Doch das niedrige Preisniveau ist nicht nur Segen, son-
inszenieren und zu befragen ist eine maßgebliche Rolle,                                                                    Wohnungswirtschaft und den Sozialverbänden aktuelle          dern auch Investitionshemmnis. Erhalt und Ertüchtigung
welche eine demokratische Gesellschaft ihren Museen                                                                        Bestandsdaten und flächendeckende Sozialberichte in          der Bausubstanz unterbleiben und letztendlich leiden die
zuschreibt.                                                                                                                Rheinland-Pfalz. Außerdem empfehlen wir die Bündelung        Ortsbilder. Auch hier sind Förderprogramme nötig.
Der Diskurs entspann sich zunächst zwischen Gastgeber                                                                      von Förderprogrammen, die Schaffung öffentlich getrage-      Marktmechanismen alleine schaffen es nicht, in Stadt und
und Gast: Ein Landesmuseum mit seinem altehrwürdigen,                                                                      ner Unternehmen und die Erarbeitung einer Arbeitshilfe       Land ausreichend zukunftsfähigen Wohnraum zur Verfü-
verschiedenartig genutzten, zerstörten, wieder aufge-                                                                      für Kommunen und Arbeitsagenturen, um angemessene            gung zu stellen. Kommunen und Land stehen in der Ver-
bauten und schließlich ergänzten Baukörper und seiner                                                                      Kosten der Unterkunft zu ermitteln.                          antwortung, ihre Instrumente zur Förderung bezahlbaren
kulturhistorischen Tradition zeigte die Ausstellung eines                                                                                                                               Wohnens zu verzahnen. Denn Wohnen ist kein Luxusgut,
Kollektivs von zehn Architekten, welches vor allem einen                                                                   Eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Wohnungsnot           sondern ein Menschenrecht.
Gedanken teilte: Dem, was aktuell in unkonventionel-                                                                       spielt das Thema nachhaltige Stadtentwicklung. Wir
ler Weise zweckmäßig sein könnte, um das menschliche                                                                       fordern die Einführung einer sozialen Quotierung für
Grundbedürfnis nach »gutem Wohnen« zu befriedigen,                                                                         gemischte Quartiere. Doch die Ausweisung von Bauland
vielfältige Gesichter zu geben. Es ging nicht um Patentre-                                                                 um jeden Preis kann und darf nicht die Lösung sein. Denn
zepte, sondern um Konzepte, welche auf der Folie einer                                                                     nachhaltige Stadtentwicklung setzt nicht alleine auf quan-
wünschenswerten Anerkennung und Würdigung dieses                                                                           titative, sondern auf qualitative, zukunftsfähige Lösungs-
Grundbedürfnisses in seinen vielen Facetten machbar                                                                        beiträge. Hier sind Konzeptvergaben gefragt. Das heißt,

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Qualität für den Wohnungsbau                                  Architektinnen und Architekten. Deshalb unterstützen wir
Gunther Adler, Staatssekretär a.D.                            als Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die
im Bundesministerium des Innern für Bau                       Initiative des BDA, als Partner im Bündnis für bezahlbares
und Heimat, Berlin                                            Wohnen und Bauen mit eigener Begleitaktion aktiv zu
                                                              werden.
Vor fast zwei Jahren, im Oktober 2016, eröffnete im Deut-
schen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin die Ausstellung     Entstanden sind eine Ausstellung und eine Publikation,
»Neue Standards« mit einer in der breiten Öffentlichkeit,     die das kreative Potential von Expertinnen und Experten
in der Architekturszene wie in der Immobilienbranche viel     nutzen, um Anstoß für neue Perspektiven in der Woh-
beachteten Vernissage. Die Ausstellung wurde in Berlin,       nungsbaudiskussion zu eröffnen. »Neue Standards« führt
Kassel, Nürnberg, Köln, Dresden, Linz, München, Wolfs-        ein in eine Diskussion um Lebensentwürfe und neue quali-
burg, Erfurt, Bremen, Stuttgart und – als Finissage – in      tative Wohnkonzepte.
Mainz gezeigt.                                                Die Thesen der Autoren eröffnen uns neue Blicke auf The-
                                                              men wie serielle Vorfertigung, Selbstausbau oder privates
Zwei Jahre später steht der Erfolg von »Neue Standards«       und gemeinschaftliches Wohnen. In Zusammenarbeit mit
sinnbildlich dafür, wie sehr das Thema Wohnen unsere Ge-      dem BDA und dem DAZ ist es gelungen, durch vielfältige,
sellschaft damals wie heute beschäftigt. Die Bereitstellung   innovative Beiträge, einen atmosphärischen Zugang zum
von bezahlbarem und lebenswertem Wohnraum gehört              Thema Wohnen zu ermöglichen und dieses in einem ge-
zu den drängendsten Handlungsfeldern auf der politi-          samtgesellschaftlichen Kontext zu präsentieren.
schen Agenda. Das Ziel: Die Neuschaffung von 1,5 Millio-
nen Wohnungen in dieser Legislaturperiode, begleitet von      Die Arbeit zeigt einmal mehr: Architektinnen und
Maßnahmen in der Eigentumspolitik, beim Mietrecht, bei        Architekten sind unsere Partner bei der Gestaltung eines
der Planungsbeschleunigung, der Baukostensenkung und          nachhaltigen und qualitätsvollen Wohnungsbaus. Auf
der Baulandmobilisierung.                                     ihre Kompetenz sollten Wohnungsunternehmen und
Als Bundesregierung schaffen wir die Rahmenbedingun-          Wohnungsgenossenschaften vertrauen und gemeinsam
gen für den notwendigen Wohnraum. Für den nachhaltig          mit ihnen einen innovativen, bedarfsgerechten und
guten Wohnungsbau braucht es gute und innovative              nachhaltigen Wohnungsbau voranbringen.

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Der notwendige Diskurs                                          letzte Standort der gut zweijährigen Ausstellungstour ist,     Wohnquartieren Sorgen mache. Der BDA-Präsident                unterschreiben kann. Andere regen zum Weiterdenken
Zur BDA-Ausstellung »Neue Standards. 10 Thesen                  meinte Doris Ahnen, die rheinland-pfälzische Finanz- und       erinnerte Staat, Länder und Kommunen, »ihre sozialstaat-      an, und wieder andere sind allerdings zu differenzieren.
zum Wohnen« im Mainzer Landesmuseum                             Bauministerin: »Das Beste zum Schluss.« Und sie erzählte       liche Verpflichtung wahr(zu)nehmen, das menschliche           Ein Zitat aus der Handreichung zur Ausstellung: »Mit
Enrico Santifaller, Architekturjournalist, Frankfurt            von den gemeinsamen Anstrengungen bei der Lösung der           Grundbedürfnis Wohnen zu fördern, um auch Menschen            ‚Dichte als Möglichkeit‘ stellen Tim Heide und Verena von
                                                                Wohnungsfrage. So beispielsweise, dass »unser rhein-           mit kleineren und normalen Einkommen angemessenen             Beckerath ein Verständnis von Dichte vor, das auf Diffe-
Ihren eigentlichen Sinn hatte die Ausstellung schon vor         land-pfälzisches Bündnis für bezahlbares Wohnen und            Wohnraum in den Kernstädten zu ermöglichen«. Wobei            renz, Heterogenität und Verschiedenartigkeit städtischer
der feierlichen Eröffnung im Mainzer Landesmuseum               Bauen« eine »sehr gute« Vorlage zum Thema Konzept-             er dieses durch die Tatsache, dass sich inzwischen große      Funktionen beruht und in dessen Zentrum die Bedürfnisse
erfüllt. Denn die Schau »Neue Standards. 10 Thesen zum          vergabe in Kürze mit Handlungsempfehlungen vorstellen          Wohnungsbestände im Eigentum börsennotierter Akti-            des Menschen stehen«. Gilt das nicht auch für die keine 50
Wohnungsbau«, die der Bund Deutscher Architekten im             wird. Dass viele in der Ausstellung angesprochene Themen       engesellschaften befänden, bedroht sieht. Denn die seien      Kilometer von Mainz entfernte Frankfurter Neue Alt-
Jahre 2016 aus der Taufe hob, will erklärtermaßen keine         auch in diesem Bündnis mit insgesamt 21 Partnern verhan-       »nach Aktienrecht ihren Aktionären, nicht aber unbedingt      stadt, die so viele BDA-Kollegen verdammen? Wer Augen
neuen Standards setzen. Zumindest nicht rechtlicher Art.        delt werden. Ahnen erinnerte an ein »sehr gut umgesetz-        den Mietern mit bezahlbaren Mieten verpflichtet«. In          hat, die nicht von ideologischen Scheuklappen verdeckt
Die Ausstellung will kein Rezept sein, das der Verband          tes Beispiel« auf dem ehemaligen Konversionsgebiet im          seiner Mahnung, unbedingt aus den Fehlern der Vergan-         sind, wird genügend »Differenz, Heterogenität und
den an Wohnungen Interessierten an die Hand gibt, um            pfälzischen Landau, auf dem 2015 die Landesgartenschau         genheit zu lernen, traf Farwick sich mit Gunther Adler,       Verschiedenartigkeit städtischer Funktionen«, wird die
derzeit höchst bedrängende Fragen kurzerhand zu lösen.          stattgefunden hat. Dort wurde ein Grundstück nach den          Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres, Heimat       zahlreichen, freilich eher subtilen Brüche, Störungen und
Schnell, mühelos, dienstbeflissen. Denn das wissen die          Regeln der Konzeptvergabe verkauft, wobei Kriterien wie        und Bauen. Nach Schilderung der »sehr, sehr ambitionier-      Hinweise auf Diskontinuität des kurz vor seinen Abschluss
Kollegen: Die Wohnungsfrage ist viel zu komplex, viel-          Qualität, Wirtschaftlichkeit und Barrierefreiheit die Verga-   ten« Wohnungs-Anstrengungen der Bundesregierung be-           stehenden, freilich auch hochsubventionierten Projektes
schichtig und spricht eine Menge sich überlagernder Fak-        be entscheidend beeinflusst haben. 50 Prozent sozial ge-       tonte er die Wichtigkeit »des lebendigen Quartiers«. Nicht    sehen. Doch gerade dieser für manchen BDA-Kollegen irri-
toren an – soziale, kulturelle, wirtschaftliche, juristische,   förderter Wohnraum konnte realisiert werden. Allerdings,       nur die Qualität von Wohnungen, sondern auch die von          tierende Verweis zeigt die dringende Notwendigkeit, über
politische, wahrscheinlich eine viel zu große Menge –           über die Frage der Gestaltung dieses Quartiers gehen           Wohnquartieren mahnte er an. Deswegen sei sowohl die          Qualitäten im Wohnungsbau und seines immer anderen
als dass man sie mit einer Art Gebrauchsanweisung               die Meinungen auseinander. Der BDA-Präsident Heiner            soziale Mischung im Quartier als auch die Qualität des öf-    städtischen Umfeldes zu diskutieren. Das unter dem Titel
geschwind und ohne Umstände beantworten könnte,                 Farwick sagte, dass die Ausstellung mit ihren insgesamt 13     fentlichen Raumes von zentraler Bedeutung. Nur so könne       »Sozialraum.Stadt« vom rheinland-pfälzischen BDA orga-
um dann eiligst in diverse Kameras zu lächeln. Nein, die        Stationen der Beitrag des Verbandes zum Bündnis be-            »Heimat vor der Haustür« entstehen. Und zur Ausstellung       nisierte Begleitprogramm zur Ausstellung gibt reichlich
Intention dieser zehn Thesen ist den Diskurs anzuregen,         zahlbares Wohnen und Bauen auf Bundesebene gewesen             meinte Adler: Die zehn Thesen seien keine zehn Gebote –       Gelegenheit dazu.
Akteure ins Gespräch zu bringen, nicht nur an Quantitä-         sei. Farwick ließ keinen Zweifel, dass ihm die derzeitige      »aber sie könnten es sein«.
ten, sondern auch an Qualitäten zu erinnern und »Brü-           Wohnungsnot und die Verdrängung von Menschen mit                                                                             Ob Workshop für Schüler und Studenten, ob im BDA-Ge-
cken zur Wohnungspolitik und zur Wohnungswirtschaft«            durchschnittlichen Einkommen aus ihren angestammten            Nun ist die BDA-Installation im Vergleich zu den durch-       spräch oder bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit
zu schlagen, wie Heinrich Lessing, Vorsitzender des BDA                                                                        arrangierten Ausstellungen des Deutschen Architektur-         der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, der Arbeitsge-
Landesverband Rheinland-Pfalz, erklärte. Das geschieht                                                                         museums beispielsweise skizzenhafter, spielerischer, ja       meinschaft rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen
mit einem breiten Rahmenprogramm, das geschieht mit                                                                            auch architektonischer. Nicht das fertige Produkt steht im    und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege unter dem
den Kooperationspartnern der Ausstellung, mit denen                                                                            Focus, nicht die sofortige Umsetzung oder gar konkrete        Motto »Menschenrecht Wohnen«: Es geht auch in Zukunft
man freilich schon eine ganze Weile im Gespräch ist. Etwa                                                                      Planungsleistungen, letztlich auch keine figurativen, auf     nicht nur um das immer optimiertere Dach überm Kopf,
mit dem heimischen Finanz- und Bauministerium oder mit                                                                         Ort und Kontext bezogenen Konzepte, sondern jene oh-          sondern auch um die Verknüpfung der individuellen Woh-
der Generaldirektion kulturelles Erbe, und die Architek-                                                                       nehin von keiner HOAI erfassbaren Vorüberlegungen, wie        nung zum Block, zur Straße, zum Quartier, zum öffentli-
tenkammer sowie der BDA-Bundesverband teilen ohnehin                                                                           das Wohnen heute und morgen denkbar ist. Auch wenn            chen Raum und der Infrastruktur, um das Gemeinschafts-
seit Jahrzehnten ähnliche Interessen. Und so hielt sich der                                                                    keiner – zumindest bei der Eröffnung – ein Paar der zahl-     erlebnis Stadt erst zu generieren.
Neuigkeitswert in den Grußworten zur Ausstellungser-                                                                           reich bereitliegenden Hausschlappen angezogen hatte,
öffnung in Grenzen, sie illustrierten eher die langjährige                                                                     so waren doch die ebenso zahlreichen Sitzgelegenheiten
Zusammenarbeit mit nachdrücklichen Beispielen.                                                                                 und die bedruckten Kissen eifrig in Gebrauch. Nicht nur
                                                                                                                               durch das raumgreifend verteilte kräftige Rot ist die Schau
Dennoch lohnt es sich, auf einige Inhalte des Gespro-                                                                          sinnlich – und gleichzeitig auch sehr abstrakt. Wobei man
chenen näher einzugehen: Zur Tatsache, dass Mainz der                                                                          einige der von BDA-Kollegen erarbeiteten Thesen sofort

14                                                                                                                                                                                                                                                  15
RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
Workshop für Studierende | Tag 1
Der theoretische Raum – eine Annäherung
Einführung mit Laura Holzberg, Referentin BDA Bund, Berlin

Die Ausstellung »Neue Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau« stellt den
Einstieg in den Workshop dar. An einen gemeinsamen Rundgang durch die
Ausstellung schließt sich die Zuordnung der Themen zu Arbeitsgruppen an.
Danach werden die Thesen anhand des eigenen Erfahrungshorizontes
diskutiert. Welche Möglichkeit stellt Dichte dar? Was gewinnen wir durch
gemeinschaftliches Wohnen? Was steht möglicherweise auf dem Spiel?
Wie privat leben wir und wie öffentlich und – was passiert dazwischen?
Die Ausstellung dient als Grundlage für eine Annäherung an das Wohnen
und den damit verbundenen Potentialen, die uns in den nächsten Tagen
beschäftigen werden. Die Annäherung wird von Prof. Dirk Bayer, Technische
Universität Kaiserslautern, Prof. Heinrich Lessing, Frankfurt University of
Applied Sciences und Prof. Marcus Rommel, Hochschule Augsburg moderiert.
18   19
Workshop für Studierende | Tag 2
Mensch und Raum
Sonja Nagel, Architektin, Stuttgart

Im zweiten Teil des Workshops gehen wir der Urfrage der Architektur nach und
erspüren mit den Teilnehmern des Workshops das Wesen und den Charakter von
Räumen. Der Innenhof des Landesmuseums in Mainz wird zum »Forschungsfeld«
für unsere Raumexperimente. Mit einfachen Materialien werden verschiedene
Archetypen von Räumen im Maßstab 1:1 nachgebildet und zusammen erkundet.
Was ist das Besondere an einem quadratischen, einem runden oder fünfeckigen
Raum? Welchen eigenen Charakter bilden diese Räume aus? Welchen Einfluss hat
die Grundform und Größe des Raums auf die Raumwahrnehmung und welche
Raumform unterstützt welche soziale Interaktion am besten?

                                                                               Diesen und ähnlichen Fragen versuchen die Teilnehmer durch die achtsame
                                                                               Wahrnehmung auf die Spur zu kommen. Durch die Übung wird der eigene Körper
                                                                               als primäres Medium aller Raumerfahrungen aktiviert und ermöglicht eine
                                                                               verfeinerte Raumwahrnehmung.

20                                                                                                                                                          21
In einem lebendigen Gedankenaus-
                                          tausch sammeln wir kollektiv unsere
                                          individuellen Raumeindrücke und
                                          bereichern unser Formverständnis
                                          um vielfältige Aspekte.
                                          Der Wechsel des Baumaterials eröffnet
                                          neue Gestaltungsmöglichkeiten. Mittels
                                          Klettband können die großformatigen
                                          Pappwabenplatten in verschiedene
                                          Konstellationen gebracht werden. Das
                                          experimentelle Spiel kommt nun richtig
                                          in Fahrt, da jeder Mitspieler in die Rolle
                                          des Bauleiters springen kann, um seine
Raumvorstellung aufbauen zu lassen. Durch das unmittelbare und sinnliche Erleben
von unterschiedlichen Räumen, durch das intuitive Verändern von Wänden und
Öffnungen wächst die Erkenntnis, welchen großen Einfluss einfache architektonische
Setzungen auf den Raum selbst und die Beziehungen zum Umraum haben.

24
Abgrenzen und Öffnen. Körper-
liche Erfahrungen, die das Potential
beinhalten, fruchtbar auf die Raum-
gestaltung und die Gestaltung von
Lebensräumen übertragen zu werden.
Auch für mich als langjährige Architektin
stellen sich einige überraschende Erkennt-
nisse ein. Mir wurden räumliche Aspekte
einfacher Grundformen bewusst, über
die ich bisher so noch nicht nachgedacht
hatte. Von dem Tag nehme ich wertvolle
Impulse für die Gestaltung von
Architektur mit nach Hause.
Sonja Nagel
Workshop für Studierende | Tag 3
Mensch und Stadt – der soziale Raum
Stefan Schumacher, Fotograf und Kommunikationsdesigner, München

Der nächste Schritt des Workshops führt uns in den dritten Raum, den
Stadtraum. Fokus des Workshops ist jetzt der Sozialraum Stadt. Wie steht
es um die Beziehung zwischen dem privaten Raum zum Wohnen und dem
öffentlichen Raum? Wir laufen durch Mainz und überprüfen, ob sich die
Erkenntnisse vom zweiten Tag über die Beziehung »Mensch und Raum« in
den Stadtraum übertragen lassen. Wie kann diese Beziehung da, wo sie gestört
ist, möglicherweise durch Eingriffe verstärkt oder vielleicht auch nur sichtbar
gemacht werden? Zur Annäherung an dieses Thema dient die fotografische
Auseinandersetzung. Wir erfassen städtische Übergangszonen zwischen
privaten und öffentlichen Räumen. Dazu fotografieren wir mit der Digital-
kamera bestehende Situationen in der Mainzer Neustadt. Nicht das technisch
                                                 perfekte Bild steht im
                                                 Vordergrund, sondern ein
                                                 Erspüren und Sich-Einlassen
                                                 auf die spezifischen
                                                 Verhältnisse vor Ort.

                                                                                  29
Aus einem Fundus fotografischer Skizzen wollen wir dann eine Auswahl
von Bildern erstellen, die das Potential für einen Eingriff in die abgebildete
Situation erkennen lässt. Unterschiedlichste Szenarien sind dabei denkbar:
die Umnutzung leerstehender Ladenlokale, Möglichkeiten an brachliegenden
Grundstücken, Treppenhäuser als temporäre Bühnen, Müllhäuschen als                                                         Privatem und Öffentlichem im Weg
Galerien, das bislang Undefinierte neu definieren, Bestandssituationen                                                     stehen. So lautet also unser Plan.
einbinden, aber auch Objekte entfernen, die uns für die Verzahnung von                                                     Nach einer kurzen Vorlesung im
                                                                                                                           Landesmuseum schwärmen wir zu
                                                                                 Fuß Richtung Neustadt aus, verlassen vorgeschriebene Wege, suchen neue
                                                                                 Perspektiven, wir flanieren also im besten Sinne und versuchen, Zusammen-
                                                                                 hänge zu verstehen und Potentiale des Ortes zu erkennen und diese mit
                                                                                 unserer Kamera festzuhalten. Spannende Ecken markieren wir auf unserem
                                                                                 Stadtplan, so entwickeln wir unsere Themen. Während einer improvisierten
                                                                                 Mittagstafel auf der grünen Brücke tauschen wir uns gegenseitig über die
                                                                                 bisherigen Ergebnisse aus. Die Ergebnisse dieser fotografischen Annäherung
                                                                                 sind auf den Seiten 34 bis 52 zu bestaunen. Sie belegen erneut, dass Fotografie
                                                                                 im städtebaulichen und architektonischen Kontext mehr kann als fertige Bau-
                                                                                 vorhaben bei idealen Lichtverhältnissen für den Bauherrn zu dokumentieren.
                                                                                 Die Fotografie kommt hier völlig uneitel zum Einsatz, sie ist ein Hilfsmittel,
                                                                                 das unseren Blick schärft, sie ist ein Skizzenbuch, in dem wir immer wieder
                                                                                 blättern können, um uns inspirieren zu lassen.
                                                                                 Stefan Schumacher

                                                                                                                                                               33
Workshop für Studierende | Tag 4
Resümee und Bildauswahl
Prof. Dirk Bayer, Prof. Heinrich Lessing, Prof. Marcus Rommel

Am 4. Tag des Workshops werden die Ergebnisse der drei Tage zusammen-
getragen und dokumentiert. Innerhalb eines Abschlussgespräches werden die
Erkenntnisse für den Themenkomplex »Wohnen und Stadt« ausgewertet.
Dabei entsteht die Grundlage für die Abschlussveranstaltung am 26.10.2018
im Landesmuseum, in deren Rahmen persönliche Eindrücke mit dem für das
Wohnen zuständigen Staatssekretär Stephan Weinberg diskutiert werden.

34                                                                          35
Bildauswahl

36
Richard Q. H. Beilmann

                                                            »Das gerasterte Tor in unmittelbarer Nähe zum Rhein könnte
                                                            hinter sich ein(e) zur Straße offene(s) Cafe / Bar oder eine
                                                            Ausstellung beherbergen, um die wenig attraktive Verkehrs-
                                                            fläche des Bürgersteigs zu beleben. Der bewusste Dialog von
                                                            Innen- und Außenraum verleiht der Stadt ihre (notwendige)
                                                            inhaltliche Tiefe.«

                         »Die starke Geometrie und
                         materielle Strenge des Ortes
                         sind auf ihre Art zwar
                         ästhetisch, laden jedoch kaum
                         zum Verweilen, zum Leben ein.
                         Die breite Treppe der Schule
                         wäre ein für Schüler idealer Ort
                         des Austauschs – ihm fehlen
                         lediglich einige einladende
                         Gesten, zum Beispiel Sitzmöbel.«

  38
Richard Q. H. Beilmann                                      Franka Neu

                         »Der triste Vorgarten des
                         leerstehenden Hauses befindet
                         sich mitten in einem Wohn-
                         gebiet, das über wenige
                         markante Treffpunkte verfügt.
                         Die private Fläche könnte als
                         gemeinsam genutzter Garten
                         oder Biergarten zum öffentlichen
                         Raum umgenutzt werden
                         und die Gegend mit Leben
                         versehen.«

  40
Marina Mang                           Clara Beckers

              »Hinterhof-Patchwork«

                                              »Hinterhof:
                                            ein wichtiger
                                             Lebensraum.
                                                 Platz für
                                               Kreativität
                                             und zugleich
                                             Intimität für
                                          die Bewohner.«

»Hinterhof-Wohnen«

 42
Nils Luscher
Max Renz-Wieland
Lukas Ringwald
Max Schüssler

                                                    »Gegossenes Fundament. Keiner versammelt sich an
                                                    einem versiegten Brunnen. Wenn er schon nutzlos ist,
                                                    sollte man ihm eine Funktion geben. Wir schlagen
                                                    diesen als Sockel vor, auf dem Pavillons stehen,
                                                    die den Platz neu beleben und zentrieren.«

     »Schön hier!
        Wie schön,
   bestimmt jeder
         für sich.«

                      »Potentialraum.
                      Ein Hinterhof muss nicht
                      nur ein Hinterhof sein,
                      sowie eine Garage nicht nur
                      zum Parken dienen muss.«

  44
Nils Luscher
Max Renz-Wieland
Lukas Ringwald
Max Schüssler                      »Urban was?
                       Urban Gardening sollte
                       nicht nur eine Absichts-
                       erklärung sein, sondern
                            mit Verantwortung
                             betrieben werden.
                        Hier passiert das nicht.
                                Ein öffentlicher
»Stadtraum ist            Stadtraum mit guten
begrenzt – Nutze ihn       Vorsätzen getötet.«
sinnvoll! Und wenn
Du schon dabei bist,
denke mal über die
Fassade und die
Funktionen im
Erdgeschoss nach.«

                                                   »Schöne Farben und öde
                                                   Fläche. Wäre der Park in
                                                   Anlehnung an die Fassade
                                                   gestaltet, würden beide
                                                   davon profitieren und der
                                                   Ort wäre aufgewertet.«

                                                                               47
Tom Mergenthaler

                   »Zwei Abluftschächte, zwischen denen mein Kommilitone
                   auf dem Foto springt, erinnern mich an die Monolithen
                   aus Stanley Kubricks 2001: a space Odyssey ...
                   Der Absprung in neue Modelle des urbanen Wohnens
                   scheint geschafft. Gelingt es auch, diese Projekte zu
                   realisieren und zu landen? Hoffentlich schon.«

                                                                              »Der Baum welcher
                                                                              eingezäunt in einen
                                                                                Metallkäfig durch
                                                                           eine Fußgängerbrücke
                                                                           wächst zeigt, dass die
                                                                              Menschheit mit der
                                                                               Natur in friedlicher
                                                                              Koexistenz wohnen
                                                                                 und leben kann.«

  48                                                                                                  49
Tom Mergenthaler                                                            Damaris Röcker
                                                                            Julius Schwarzer

                                                                                                                    »Wohnen auf dem Wasser:
                                                                                                                        - Platz für neues Leben
                                                                                                                - Lebensraum auf dem Wasser
                                                                                                                     - Ungenutztes Potenzial«
                                                                                                                                  Julius Schwarzer

                                                                                 »Farbraum in der Stadt.
                                                                                 Der rote Schrank steht
                   »In meinen Augen symbolisiert die geöffnete Tür am            eingerückt an der Hausecke.
                   Fuße des Treppenabganges das Ungewisse, welches wir           Die weißen schmalen Pfosten
                   dann jedoch noch erkundeten. Die Reflektionen in der          formen einen Grundriss.
                   Pfütze stehen für mich für die imaginäre Gedankenwelt,        Im geöffneten Schrank ein
                   in welchen solche Orte zu wunderbaren Oasen der               Fernseher. Im Gedanken die
                   Entspannung erwachsen können.«                                davor platzierte Couch. Kann
                                                                                 Stadt Wohnzimmer sein?«
                                                                                 Damaris Röcker

  50                                                                                                                                         51
Marius Mersinger

                                                                              »Fassadenbegrünung:
                                                                              - Kontrast
                                                                              - soziale Interaktion
                                                                              - weniger Vandalismus
                                                                              - sauberere Luft«

                                                  »Tiny Urban Gardening:
                                                            - Privates Grün
                                                      auf kleinstem Raum
                                                - Platz für Individualität«

                   »Verlassene Areale:
                   - Platz für Neues
                   - Umnutzung
                   - Gemeinschschaftsflächen«

  52
Paul Groß

                        »Tiefgaragensakralität«

    »Gott im Gitter –
      Zur Identität«                              »Bewegung in Zonen«

  54                                                                    55
Carolin Riffel   Julian Glunde

                                 »Leerstehende Tankstelle Rheinallee /
                                 Mit eigenen Ideen echt was erreichen«

  56                                                                     57
Workshop für Schüler
Prof. Dirk Bayer, Prof. Heinrich Lessing, Prof. Marcus Rommel, Frido Roth

TeilnehmerInnen IGS Mainz Bretzenheim, Leistungskurs Bildende Kunst, Jahrgang 11:
Olivia Bach, Ashley Belsat, Sinem Demirkaya, Juliana Graham, Sophie Kauzmann, Andres Marcu,
Samantha Pachen, Annika Reussner, Leila Schneider, Luca Schütze, Christian Seidel, Charlotte Stelzer,
Lilli Thiele, Peter Ulbricht, Hilal Vatansever, Eva Wienhold

Die Erkenntnisse, die mit den Studierenden während der drei Tage in den drei
unterschiedlichen »Räumen« gewonnen werden konnten, waren Grundlage für
einen daran anschließenden Schülerworkshop. Moderiert wurde der Prozess
von Dirk Bayer, Heinrich Lessing und Marcus Rommel zusammen mit dem
Kursleiter Frido Roth, Fachschaft Kunst, IGS Mainz-Bretzenheim.

58
8. BDA Gespräch: Das Kollektive in                          dere die Sorge um die Verantwortlichkeit von Qualität
gemeinsamer Verantwortung von                               und gesellschaftlicher Wirkung aus.
Wohnungswirtschaft, Politik und                             Neben der, in Anbetracht des Umfangs der Aufgabe, aber
Architekten                                                 auch der institutionellen Größe mancher der handelnden
am 16.10.2018 im Landesmuseum Mainz                         Akteure, kollektiven Verantwortung für die Einlösung
Prof. Marcus Rommel Architekt BDA,                          der Zielvorgaben des prognostizierten Wohnraumbedarfs
Stuttgart/Augsburg                                          stellte sich der BDA-Landesverband bei der Vorbereitung
                                                            des Rahmenprogramms die Frage nach dem öffentlichen
1,5 Millionen neue Wohnungen innerhalb der aktuellen        Raum und dem Wohnumfeld in seiner kollektiven Dimen-
Legislaturperiode im Jahr 2021 sind als Zielvorgabe im      sion. Der niederländische Architekt Herman Hertzberger
Koalitionsvertrag der Bundesregierung im März 2018          spricht von den »Spielräumen« und regt zu einem durch-
definiert worden. Erkannten Fehlentwicklungen oder          aus vielschichtigen Blick auf diesen Begriff an. Von der
Missständen muss vermutlich mit entsprechenden Super-       Ebene des Quartiers bis zur einzelnen Wohnung bzw.
lativen begegnet werden. Die Frage der Umsetzung            deren Nutzer sind diese Schnittstellen bzw. Angebote an
wurde dann erstmals am 21. September beim Wohngipfel        halböffentlichen und öffentlichen Räumen in ihrer sozial-
im Kanzleramt in Berlin verhandelt. In der Hoffnung mit     räumlichen Wirkung entscheidend für den langfristigen
Vertretern von Bund, Ländern, Baubranche, Kommunalen        bzw. nachhaltigen Erfolg von Stadtquartieren.
Spitzen- und Berufsverbänden sowie Mieterverbänden
gemeinsam diese Aufgabe anzugehen sollten rund 100 an       Ein aktueller Blick zeigt, wie unvermittelt, oftmals abge-
der »Wohnraumproduktion« beteiligte Akteure in zwei-        wandt oder verkehr(t)gerecht sich uns vernachlässigte
einhalb Stunden zu Wort kommen. Vier beteiligte Bundes-     öffentliche Räume bei den Erkundungen mit den Studie-
ministerien und allein die Anzahl der Vertreter machen      renden im Umfeld der Mainzer Innenstadt »in den Weg«
deutlich, von welcher gesellschaftlichen Tragweite das      gestellt haben, aber auch welche räumlichen Potentiale       Positive Beispiele, wie mit eingeschränkten finanziellen    vielfältigen aktuellen Aufgaben des gesellschaftlichen
Thema ist. Möglicherweise müssten Verantwortlichkeiten      aufgedeckt werden könnten. Oftmals einseitige Ansprüche      Mitteln bei gleichzeitiger kreativer Herangehensweise zur   Miteinanders hingewiesen werden, zum anderen wollten
für ein Scheitern an diesen Vorgaben am Ende auch auf       des Individualverkehrs belassen seit Jahrzehnten die Ver-    Identifikation und zum Austausch der Bewohner beige-        wir dies von verschiedenen Seiten beleuchten und damit
viele Schultern zurückverteilt werden.                      mittlung zwischen Wohnung und Stadt unberücksichtigt.        tragen werden kann, zeigen die Erschließungsräume in der    auch an die Verantwortlichkeit der eigenen Zunft appel-
Nach Jahrzehnten, in denen individuellem Handeln und                                                                     SAAL-Siedlung Bouca II des portugiesischen Architekten      lieren.
individueller Verantwortung möglichst viel Raum gegeben                                                                  Álvaro Siza Viera in Porto. In derselben Stadt überzeugt
wurde, stellt sich zunehmend wieder ein Bewusstsein ein,                                                                 die Gestaltung mit unterschiedlich gruppierbaren Klapp-     Was lag da näher als möglichst viele der beteiligten
dass die Frage des Wohnens als eine gesamtgesellschaft-                                                                  stühlen, die auf der von Parkierung befreiten Avenida       Akteure nach Ihren Statements in einer Podiumsdiskus-
liche und soziale Frage, die für den Zusammenhalt der                                                                    dos Aliados stehen. Mit einfachsten Mitteln wird hier zur   sion miteinander ins Gespräch zu bringen. Unter dem
Gesellschaft entscheidend ist, verstanden werden muss.                                                                   Begegnung im öffentlichen Raum aufgefordert. Auch der       Titel »Das Kollektive in gemeinsamer Verantwortung von
Allein über die Ursachen für den Verlust dieses Bewusst-                                                                 umgestaltete Platz vor dem Rathaus wurde von Siza Viera     Wohnungswirtschaft, Politik und Architekten« gaben
seins in der Breite der Gesellschaft könnte man einen                                                                    in Zusammenarbeit mit Eduardo Souto de Moura geplant.       Karl-Heinz Seeger, als Geschäftsführer der GEWOBAU Bad
ganzen Abend diskutieren.                                                                                                                                                            Kreuznach aus der Sicht der Wohnungswirtschaft, Christa
                                                                                                                         »Wenn bei den Investoren das Interesse, bei der öffent-     Brown als Bewohnerin der mehrfach ausgezeichneten
Die Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum                                                                         lichen Hand das Geld und bei den Planern das berufliche     Wohnanlage Am Cavalier Holstein in Mainz-Hartenberg
Wohnungsbau« gibt zur Wohnungsfrage verschiedene                                                                         Ethos fehlt, stehen die Vermittlungszonen zwischen          (Wohnbau Mainz) und Architekt Rainer Hofmann (boge-
Anregungen. Außer einer möglichen Reflexion über die                                                                     Wohnen und Stadt auf dem Spiel.« hatten wir als »ansto-     vischs buero) in den Prozess des kollektiven Entwerfens
Optimierung von Prozessen, Abläufen und Kosten drückt                                                                    ßenden« Untertitel für das BDA-Gespräch gewählt. Zum        beim Projekt wagnisART in München unterschiedliche
die Ausstellung in ihrer Gänze aus meiner Sicht insbeson-                                                                einen sollte auf die Bedeutung des »Dazwischen« für die     Einblicke zum Thema.

60                                                                                                                                                                                                                                        61
Im Dienste des Menschenrechts                                  der Freien Wohlfahrtspflege und der Arbeitsgemeinschaft      Sache. Gleichsam als Finissage der vom Bundes-BDA kon-       stöße« und mahnte eine »stärkere Verzahnung von Stadt
Zur Veranstaltung am 26.10.2018                                rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen hat sich die       zipierten Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum       und Land, von Mainz und dessen Umgebung« an. Kein
Enrico Santifaller, Architekturjournalist, Frankfurt           Kammer unlängst zusammengetan, ein Positionspapier           Wohnen« lud Landesvorsitzender Heinrich Lessing zum          bisschen nervös und weitgehend frei von Politikersprech
                                                               zum Thema »Menschenrecht Wohnen« verfasst und dieses         Abend »Raum.Straße.Stadt« ins Landesmuseum Mainz,            kamen im »Podium 1« drei Studenten zu Wort, die an
Das Recht auf Wohnen, lehrt uns die Online-Enzyklopädie        im Rahmen eines parlamentarischen Abends den Frakti-         in dem das Thema »Menschenrecht Wohnen« nochmal              dem vom rheinland-pfälzischen BDA konzipierten Work-
Wikipedia, sei ein »Menschenrecht zweiter Generation«.         onen im rheinland-pfälzischen Landtag vorgestellt. Zwar      ausführlich besprochen wurde.                                shop »Raum-Straße-Stadt« im Rahmen der Ausstellung
Verankert und international gültig wurde es im sogenann-       war das Presseecho eher bescheiden, doch auf operativer                                                                   teilgenommen hatten. Vor allem sahen Marius Mersinger
ten UN-Sozialpakt, den die Bundesrepublik Deutschland          Ebene, also in der Kooperation mit der Landespolitik war     »Bei Wohnen ist jeder Partei«, »jeder hat dazu was zu        (FH Frankfurt), Clara Beckers (TU Delft) und Nils Luscher
1973 ratifizierte, der 1976 in Kraft trat. Gleichwohl sind     die Resonanz auf diese Aktion erfolgreich. Damit dieses      sagen«: Mit diesen Formulierungen eröffnete Ralph            (Hochschule Kaiserslautern) noch ungenutzte Potentiale
alle Initiativen, das Recht auf Wohnen als Grundrecht in       Anliegen kein One-Hit-Wonder bleibt, stellte sich der Lan-   Szepanski, ebenso souveräner wie eloquenter Moderator        für Wohnungsbau in rheinland-pfälzischen Landeshaupt-
das Grundgesetz aufzunehmen, bisher gescheitert. Im            desverband Rheinland-Pfalz des BDA in den Dienst dieser      des Abends, die Diskussion. Szepanski, im bürgerlichen       stadt. Mersinger wie Lüscher plädierten für Umnutzung
Gegenteil: Der rigorose Ausverkauf öffentlicher Woh-                                                                        Leben Nachrichtensprecher beim ZDF, referierte die           von Parkanlagen im Zentrum, während die an holländi-
nungsbestände sowie die Vernachlässigung des sozialen                                                                       Preissteigerungen bei Mieten in München und Mainz: Von       sche Hausboote erinnernde Beckers fragte: »Warum ist es
Wohnungsbaus in der jüngeren Vergangenheit haben es                                                                         2010 bis 2017 haben sich die Mieten in beiden Städten        am Rhein und seiner Uferpromenade komplett leer«. Auch
hierzulande für Einkommensschwächere immer schwerer                                                                         um zwei Drittel erhöht, während sich in Deutschland          Zwischenräume in bereits bestehenden Wohnanlagen
gemacht, das Recht auf Wohnen gerade in den Ballungs-                                                                       die Zahl der Sozialwohnungen auf 1,5 Millionen halbiert      könnte man doch besser nutzen. Beckers lobte die hohe
gebieten zu verwirklichen. Laut einer Mitteilung der                                                                        habe. Die Mietpreisbremse habe ihre Wirkung verfehlt.        Qualität der Gemeinschaftsflächen in Amsterdam, wäh-
European Federation of National Organisations Working                                                                       Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rhein-         rend Mersinger und Luscher die Qualität der Grün- und
with the Homeless (FEANTSA) von 2018 gibt es nur zwei                                                                       land-Pfalz, meinte, dass die vermeintlich »moderne Frage     Freiflächen in Mainz kritisierten. Heinrich Lessing kam die
EU-Länder – Bulgarien und Griechenland –, in denen arme                                                                     nach bezahlbarem Wohnen« sich schon eine geraume Zeit        Rolle des Mahners zu: Zahlreiche Chancen seien in Mainz
Haushalte noch stärker durch Wohnkosten belastet seien                                                                      stelle und verwies auf die sehr erfolgreiche Ausstellung     vertan worden, die Stadt besitze weniger als 10 Prozent
als in Deutschland. In einem in der Zeitschrift »Aus Politik                                                                zum Wiener Wohnungsbau in den Trierer Viehmarkt-             ihrer Fläche, Grundstücke würden unter dem Renditeas-
und Zeitgeschichte« veröffentlichten Artikel vom Sommer                                                                     thermen. Mit 220.00 Gemeindewohnungen und 220.000            pekt verkauft. Und der BDA-Landesvorsitzende kritisierte
2018 plädiert Michael Krennerich, Hochschullehrer am                                                                        Genossenschaftswohnungen und einem durchschnittli-           das von der Bundesregierung initiierte Baukindergeld: Die
Lehrstuhl für Menschenrechte an der Uni Erlangen-Nürn-                                                                      chen Mietpreis von 6 Euro/qm könnten die Einwohner der       Mittel, die nun hierein flössen, seien größer als die für den
berg, dennoch für einen Rekurs auf das Menschenrecht                                                                        österreichischen Metropole ein so qualitätsvolles und kos-   sozialen Wohnungsbau.
Wohnen und damit verbundene Staatspflichten: Es verlei-                                                                     tengünstiges Wohnungsangebot an Wohnungen wie in
he »entsprechenden gesellschaftspolitischen Forderungen                                                                     keiner anderen europäischen Stadt finden. Metz attestier-    Im »Podium 2« kamen darauf die Experten zu Wort. Wo-
zusätzlich Schubkraft und Legitimität«.                                                                                     te immerhin Rheinland-Pfalz, dass in dem Bundesland in       bei Kammerpräsident Gerold Reker zunächst den Studen-
                                                                                                                            den vergangenen Jahren ein »Auftrieb im Wohnungsbau«         ten applaudierte. Sie hätten ihm aus der Seele gespro-
Die Architekten hierzulande und ihre Verbände en-                                                                           stattgefunden hätte.                                         chen, die Sensibilität, die sie zeigten, den präzisen Blick
gagieren sich seit langem für bezahlbaren Wohnraum                                                                                                                                       für das Städtische, der in ihren Aussagen stecke, würde er
– nicht zuletzt bei den diversen »Wohngipfeln« und                                                                          Erwartungsgemäß nutzte Dr. Stephan Weinberg, Staats-         manchen Kommunalpolitikern wünschen. Kritisch wandte
»Wohnungsbauoffensiven« der vergangenen Jahre. Die                                                                          sekretär im rheinland-pfälzischen Finanz- und Bauminis-      sich Reker an Land und Kommunen: Lange hätten sie nicht
Bundesarchitektenkammer veröffentlichte 2017 ein recht                                                                      terium, diese rhetorische Steilvorlage – wer könnte es ihm   erkannt, welche Probleme mit dem fehlenden Wohnraum
beeindruckendes Dokument, das die zahlreichen Aktivi-                                                                       verdenken? Das Thema »bezahlbares Wohnen« sei ein            entstehen. Das Ulmer Modell der Flächenbevorratung
täten der Länderkammern auflistet. Wobei es ebenfalls                                                                       »wahnsinnig wichtiges Thema«, dem sich die Landesregie-      sollen sich Städte zum Vorbild nehmen, wobei er vor dem
beeindruckend ist, dass die von ihren Mitgliederzahlen                                                                      rung »seit langem« widme. Die Inhalte diverser Woh-          Vernachlässigen des ländlichen Raumes warnte. Von den
allenfalls im unteren Mittelfeld rangierende Architekten-                                                                   nungsgipfel seien »schon recht wegweisend«, allerdings       Kommunen verlangte Kammerpräsident – und BDA-
kammer Rheinland-Pfalz in dieser Liste ganz weit vorne                                                                      brauche es »noch ein Stück Weg«. Er lobte die Schau zu       Mitglied – Reker auch Master- bzw. Stadtentwicklungspläne,
ist. Und damit gibt sie sich nicht zufrieden: Mit der LIGA                                                                  den neuen Standards für deren »ungewöhnliche Denkan-         um Einzelprobleme in einem Gesamtkonzept lösen zu

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