RAUM. STRASSE. EIN PROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG "NEUE STANDARDS. 10 THESEN ZUM WOHNUNGSBAU" - BUND DEUTSCHER ARCHITEKTEN
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Raum. StraSSe. Ein Programm im Rahmen der Ausstellung Stadt. »Neue Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau«
Raum. StraSSe. Stadt. Ein Programm im Rahmen der Ausstellung »Neue Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau« vom 20.08. – 28.10.2018 Bund Deutscher Architekten BDA Landesverband Rheinland-Pfalz in Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, dem Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz und dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat
4 Sozialraum Stadt Heinrich Lessing 6 Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen Heiner Farwick 8 Grusswort Doris Ahnen 10 Relevanz und Wirkmacht des Experiments Thomas Metz 11 Menschenrecht Wohnen Gerold Reker 12 Qualität für den Wohnungsbau Gunter Adler 14 Der notwendige Diskurs Enrico Santifaller 16 Workshop für Studierende 58 Workshop für Schüler 60 8. BDA-Gespräch Marcus Rommel 62 Im Dienste des Menschenrechts Enrico Santifaller 66 Das Müll-Raustragen dauert eine Stunde Enrico Santifaller 68 Bildnachweis 68 Impressum
Sozialraum Stadt Die Grundlage für diesen Diskurs, die Ausstellung »Neue Die Zusammenarbeit mit den Studierenden, unterstützt Thema mit soziologischem und vor allem ethischen Prof. Heinrich Lessing, Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau«, haben der BDA auch von Dirk Bayer war Kern des Programms und hat Anspruch. Gestalten können die Städte als Akteure der Vorsitzender des BDA LV RLP, Mainz Bund gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern, uns besondere Freude gemacht. Dank damit auch den 17 Stadtentwicklung die Wohnungsfrage nur mit einer für Bau und Heimat (BMI) geschaffen. Danken möchte ich engagierten TeilnehmerInnen. Das Arbeiten im Maßstab Änderung der Bodenpolitik. Auch das ist innerhalb des Wird die Gestalt unserer Städte und Landschaften durch dafür dem Präsidenten des BDA Bundesverbands, Heiner 1:1 und am konkreten Ort hat eine eindrucksvolle Qualität Ausstellungszeitraumes deutlich geworden. Verkaufen die Interessen Einzelner bestimmt oder ist die Idee der Farwick und dem Staatssekretär des BMI, Gunther Adler. Mit und hat uns alle gemeinsam bereichert. Nicht zuletzt Dank wir weiterhin die Städte, wird das Sicherstellen des Gemeinschaft die gestaltende Kraft? Das Bild der Städte hat der Ausstellung – die nicht erklärt, sondern Fragen stellt, auch an Frido Roth, der mit seinen SchülerInnen der IGS »Menschenrecht Wohnen« mehr und mehr Illusion bleiben. sich innerhalb der letzten 100 Jahre dramatisch verändert. Grundlagen positioniert und Thesen formuliert – wurde uns Mainz-Bretzenheim den Schülerworkshop mitgestaltet hat. Ich hoffe, dass die Fragen und Erkenntnisse, die uns von Vieles mussten die Stadtbilder in diesem Zeitraum ertragen. die Gelegenheit gegeben, die dort benannten Fäden auf- Auch für die TeilnehmerInnen des Leistungskurses Bildende August bis Oktober 2018 beschäftigt haben, nicht in den Auch die Motivationen, die Stadt zu entwickeln, haben sich zugreifen und weiterzuspinnen. Besser kann man sich eine Kunst der IGS werden die vielseitigen Raumerfahrungen, die Räumen geblieben sind, sondern in den Köpfen fortbeste- gewandelt. »Wessen Stadt ist die Stadt? Für wen wird sie Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesstrukturen wir gemeinsam machen konnten, in besonderem Maße in hen und früher oder später einen Beitrag zu einer Stadt gebaut? Dienen die Stadt und ihre Gebäude den Menschen, kaum vorstellen. Erinnerung bleiben. für alle leisten können. die darin leben, oder der Demonstration von Macht und Der Sozialraum Stadt geht uns alle an. Das ist nicht nur eine Reichtum und der Profitmacherei?« Diese Fragen, die Bruno Besonders danken möchte ich auch den Kooperations- Architekturdebatte sondern ein gesellschaftspolitisches Flierl bereits in den 1990er Jahren gestellt hat, verlieren partnern, Frau Ministerin Doris Ahnen für das Finanz- und nicht an Aktualität. Die Ausstellung »Neue Standards. 10 Bauministerium Rheinland-Pfalz, Präsident Gerold Reker für Thesen zum Wohnungsbau« war für uns, den BDA Landes- die Architektenkammer Rheinland-Pfalz sowie Thomas Metz verband Rheinland-Pfalz, eine sehr gute Grundlage, um für die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. den Grundsatzfragen Fliers nachzugehen und damit auch Nur gemeinsam war es möglich, die Ausstellung und das drängende Fragen des Wohnungsbaus in Rheinland-Pfalz zu damit verbundene Programm aufzustellen, zu organisieren, thematisieren. durchzuführen und, nicht zuletzt, zu finanzieren. Mein »Sozialraum Stadt« war für uns Arbeitstitel und später besonderer Dank gilt der Generaldirektion Kulturelles Erbe auch Anspruch für das Rahmenprogramm. Wie wollen wir auch dafür, dass sie der Ausstellung und allen Akteuren künftig wohnen? Und wie können wir den Zusammenhang für mehr als zwei Monate einen Ort gegeben hat. Wir zwischen Wohnraum und Stadt herstellen und sinnvoll hatten damit Gelegenheit, das Landesmuseum Mainz als ein gestalten? Das waren die Fragen, die wir uns gestellt haben, lebendiges und engagiertes Haus einer Gegenwarts- und die von den teilnehmenden Schülern und Studierenden Zukunftskultur zu erleben und neu kennenzulernen. Hier diskutiert und bearbeitet, die in den Podiumsgesprächen hat es uns, dank der hervorragenden Unterstützung von zum Thema gemacht wurden und die den Hintergrund für Direktorin Dr. Birgit Heide und der Leiterin des Bereiches das »Machen« in diesen Wochen waren. Wohnungsbau muss Vermittlung Ellen Löchner, an nichts gefehlt. Die vorange- für alle gedacht werden. Das heißt nicht nur für diejenigen, stellte Kooperation hatte ihren besonderen Wert auch darin, die vornehmlich an der Rendite interessiert sind, sondern dass wir gemeinsam die Gesellschaft in einer ungewöhnli- für Menschen in unserer Gesellschaft, die nicht an dem zu chen Breite ansprechen konnten und uns nicht, wie so oft, großen Teilen herrschenden Wohlstand teilnehmen können. in fachspezifischen Kreisen drehen mussten. Mein besonde- Sozialraum Stadt heißt aber auch, die Schnittstelle zwischen rer Dank gilt Marcus Rommel, der mit mir gemeinsam das dem Innenraum, der dem Wohnen dient, und dem Außen- gesamte Projekt vorbereitet und geplant hat. Ohne seine raum, der der Gemeinschaft dient, in den Blick zu nehmen. Unterstützung und engagierte Zusammenarbeit hätte der Dieser oft zu wenig beachtete Bereich muss so bearbeitet »Sozialraum Stadt« nicht in dieser Breite behandelt werden werden, dass die Verknüpfung zwischen Individuum und können. Herzlichen Dank auch an Sonja Nagel und Stefan Gemeinschaft unterstützt wird und so zum Gelingen von Schumacher, die mit ihren Workshops dem forschenden Teil Stadt und Landschaftsraum beitragen kann. des Programms in besonderer Weise Gestalt gegeben haben. 4 5
Neue Standards. »Mainz findet sich seit längerer Zeit auf der Rangliste der Städte und damit für unsere Gesellschaft geleistet hat Zehn Thesen zum Wohnen deutschen Städte mit den teuersten Mietpreisen wieder. oder ob wir heute die Problemviertel von morgen bauen. Heiner Farwick, Präsident des Bund Hinter Städten wie München und Frankfurt am Main Der Bund Deutscher Architekten BDA steht für Qualität Deutscher Architekten BDA, Berlin rangiert auch Mainz derzeit auf einem der Spitzenplätze. des Planens und Bauens in Verantwortung gegenüber Die Universitätsstadt Mainz ist als Schwarmstadt weit der Gesellschaft und der Umwelt. Wir haben daher die Seit fast zwei Jahren wird die Ausstellung »Neue Standards« davon entfernt, demographisch zu schrumpfen. Im Herausforderung gerne angenommen, diese Ausstellung des BDA-Bundesverbands an wechselnden Orten gezeigt. Gegenteil: Die Einwohnerschaft und damit der Bedarf »Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen« auf die Mainz ist der Schlusspunkt dieser sehr erfolgreichen Aus- an Wohnraum nehmen kontinuierlich zu.« Beine zu stellen. Zehn Architektinnen und Architekten stellung. denken hier zum Beispiel über »Dichte als Möglichkeit«, Hier und in vielen anderen Städten finden also nicht mehr über »Monotonie als Qualität« oder über den »Respekt Es ist also an der Zeit, zurück und nach vorn zu schauen. alle Menschen die Wohnungen, in denen sie leben möch- vor dem Unspektakulären« nach. Jeder dieser zehn hat Die Ausstellung ist der Beitrag des BDA zum Bündnis für ten, weil es diese Wohnungen auf dem Markt entweder eine eigene »These« entwickelt, die zur Debatte gestellt bezahlbares Wohnen und Bauen auf Bundesebene, mit nicht gibt oder sie für ein durchschnittliches Haushaltsein- wird. welchem die Vorgängerregierung auf die zunehmend an- kommen nicht mehr bezahlbar sind oder, und dieser As- gespannten Wohnungsmärkte reagierte und welches auch pekt hat sich in den letzten Jahren verschärft, Mietsteige- In den Begleitveranstaltungen zur Ausstellung hat sich ein in dieser Legislaturperiode fortgesetzt wird. rungen im Bestand die angestammten Mieter verdrängen. Diskurs entwickelt, aus dem sich auch konkrete politische Anliegen herauskristallisieren. In vielen fruchtbaren Neben der Bundesebene gibt es aber auch auf Landes-, Mehr Wohnraum und bezahlbar für alle – das ist eine Diskussionen in Berlin und den weiteren Stationen hat Regional- und lokaler Ebene Bündnisse zu Verbesserung berechtigte Forderung. Doch in welchem Verständnis, mit sich herausgestellt, dass es vor allem die Bodenfrage ist, des Wohnens. So auch in Mainz, wo das »Bündnis Wohnen welcher Haltung soll das gewaltige Volumen an Woh- die Bezahlbarkeit und Qualität des Wohnens beeinflusst. in Mainz« zwischen der Wohnungswirtschaft und der nungen gebaut werden? Um eine gute Wohnqualität zu Eine Vergabe von öffentlichen Grundstücken an genos- Landeshauptstadt Mainz geschlossen wurde. Wir lesen bezahlbaren Preisen zu gewährleisten, müssen wir jeden- senschaftlich organisierte Akteure, eine Konzeptvergabe dort diese Zustandsbeschreibung: falls über die Kosten durch immer höhere Anforderungen statt Veräußerung zum Höchstgebot und das Instrument an das Bauen – vom Stellplatznachweis über mittlerweile der Erbpacht sind drei Stichworte, die wir immer wieder unüberschaubare Baunormen bis zur Energieeinsparver- gehört haben. ordnung – nachdenken. Isoliert betrachtet ist die Absicht vieler dieser Vorgaben nachvollziehbar; in der Summe füh- Diese Ausstellung des BDA wäre nicht möglich gewesen ren sie allerdings zu Kosten, die es selbst gemeinnützigen ohne vielfältige Unterstützung. Ganz besonders danken Unternehmen unmöglich machen, Sanierung und Neubau möchte ich dem Bundesministerium für Inneres, für Bauen von Wohnungen wirtschaftlich darzustellen. Hier brau- und Heimat. Diese Station der Ausstellung in Mainz wurde chen wir in Zukunft eine moderatere Ordnungspolitik. Wir vom BDA-Landesverband Rheinland-Pfalz, dem Ministeri- unterstützen das Bestreben von Staatssekretär Gunther um der Finanzen Rheinland-Pfalz, der Architektenkammer Adler entschieden, die Normungswut zurückzudrängen. Rheinland-Pfalz und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz möglich gemacht. Dafür möchten wir – Den dringenden Bedarf an Wohnungen sollten wir unbe- stellvertretend für alle anderen vor Ort – Heinrich Lessing dingt als Gelegenheit zu einer Qualitätsoffensive nutzen, ganz herzlich danken. um nicht die Problembauten von morgen zu schaffen. Tristesse in Serie kann und darf nicht die Antwort sein auf die Wohnungsfrage. Das, was wir heute und morgen errichten, wird beweisen müssen – und das in der Regel erst in vielen Jahren –, ob es ein guter Beitrag für unsere 6 7
Grusswort gemeinsam mit unseren 21 Partnerinnen und Partnern Doris Ahnen, Ministerin für Bau und nach innovativen Lösungen. Serielles Bauen, Konzeptver- der Finanzen, Mainz gabe, gemeinschaftliches bzw. bezahlbares Wohnen oder das Thema Bauland sollen hier nur schlagwortartig die Das Thema Wohnen ist aktueller denn je. Fast täglich Bandbreite aufzeigen. wird in den Medien berichtet, wie sehr der angespannte Um auch weiterhin gut in Rheinland-Pfalz wohnen, leben Wohnungsmarkt, insbesondere in den Schwarmstädten, und arbeiten zu können sollen neue, bzw. sanierte Gebäu- das Leben der Menschen beeinträchtigt. Bilder von endlos de im Bestand von überzeugender Qualität, innovative langen Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen ver- Architektur im Städtebau, besondere Konzepte für at- deutlichen, wie schwierig es ist, eine bezahlbare Wohnung traktive Ortskerne sowie prägende Orts- und Stadtbilder in zentraler Lage zu finden – auch in Rheinland-Pfalz. entstehen. Dem gegenüber steht die Entwicklung im ländlichen Raum. Hier zeigt sich ein anderes Bild. Oftmals bestimmen Die Durchführung der Schüler- und Studentenworkshops Leerstände die Mitte des Ortes. Hier suchen Ladenlokale waren daher eine hervorragende Ergänzung zur Aus- und Wohngebäude gleichermaßen Nachmieter bzw. neue stellung im Landesmuseum in Mainz. Aufzuzeigen, was Besitzer. Parallel dazu entstehen am Rande der Orte Neu- Räume ausmachen, wie wichtig unser Wohnumfeld ist und baugebiete. Eine Modernisierung im Bestand und damit die Sinne für das »Alltägliche zu schärfen«, tragen dazu auch eine Erhaltung des Ortskerns erscheint vor allem für bei, dass Wohnen auch in Zukunft als die wichtige Quer- viele jungen Familien keine Option zu sein. schnittsaufgabe wahrgenommen wird, die sie ist. Themen wie Arbeit, Mobilität oder Infrastruktur beeinflussen, wo Wohnen ist ein hohes soziales Gut. Ziel der Landesregie- und auch wie gewohnt wird. Zudem konnte durch die rung in Rheinland-Pfalz ist es, gutes Wohnen sowohl in aktive Einbindung der Schulen und Hochschulen auch der der Stadt als auf dem Land zu ermöglichen. Egal ob jung Nachwuchs, unsere zukünftigen Fachkräfte, an die Wohn- oder alt, als Single, als Paar oder als Familie – jeder sollte belange herangeführt werden. Ich danke an dieser Stelle seine individuellen Wohnwünsche umsetzen können. Mit allen sehr herzlich, die zu dem Gelingen der Workshops unseren Förderprogrammen, Wettbewerben und Initiati- beigetragen haben und freue mich, dass wir die Ergebnis- ven unterstützen wir dabei die unterschiedlichen Bedürf- se dokumentiert haben. Menschen zu begeistern und das nisse und Anforderungen. öffentliche Bewusstsein für die Qualität des Planens und Bauens zu prägen, ist mir eine Herzensangelegenheit. In der Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen« werden viele der aktuellen Themen der Woh- Daher habe ich mich sehr gefreut, dass wir die Ausstellung nungspolitik andiskutiert. Die sogenannten Denkräume, »Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnungsbau« in die die Kuratoren der Ausstellung erzeugt haben, zeigen Rheinland-Pfalz zeigen konnten. eindrucksvoll die Bandbreite auf und laden zur Diskussion Ich danke an dieser Stelle sehr herzlich unseren Partne- ein. Als zuständige Finanz- und Bauministerin ist es mir rinnen und Partnern – dem BDA Rheinland-Pfalz, der besonders wichtig, gute Wohnverhältnisse im ganzen Architektenkammer Rheinland-Pfalz sowie der General- Land zu sichern, trotz der regional unterschiedlichen direktion Kulturelles Erbe – für die bewährte gute Entwicklung im Land. Zusammenarbeit und freue mich auf weitere Projekte! Daher bearbeiten wir im Rahmen des »Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen in Rheinland-Pfalz« viele der in der Ausstellung gezeigten Thesen und suchen 8
Relevanz und Wirkmacht des wären. Dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und »Menschenrecht Wohnen« Experiments Innovation wollte nun mit persönlicher Relevanz ge- Gerold Reker, Präsident der Thomas Metz, Generaldirektor, Generaldirektion füllt werden von den Menschen, die sich im Umfeld des Architektenkammer Rheinland-Pfalz Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Wohnbaus jetzt und in Zukunft bewegen und engagie- ren. In Podiumsveranstaltungen wurden die Argumente Immer häufiger finden Menschen auf dem heiß umkämpf- Das Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturel- für Veränderungen ausgetauscht und dem interessierten ten Wohnungsmarkt keine Bleibe mehr – sie können sich les Erbe Rheinland-Pfalz war nicht nur gerne Gastgeber Publikum dargelegt. angemessenen Wohnraum schlicht nicht mehr leisten. für die Ausstellung »Neue Standards«, sondern auch in Initiativen und Bündnisse zur Lösung der Wohnraum- einiger Hinsicht Nutznießer. Das Thema der Ausstellung, Studierende der Architektur verbrachten auf Einladung frage haben sich nicht nur gebildet, sie weisen auch erste ihre den Besucher aktivierende Gestaltung und beide ihrer Lehrenden vier Tage mit Erkundungen im Museum Erfolge auf. Gebaut wird wie seit Jahren nicht. Doch trotz Podiumsveranstaltungen öffneten das Museum gedank- und im Stadtraum und legten in erfrischend neugieriger alledem fehlen weiterhin bezahlbare Wohnungen. lich hin zum Stadtraum. Diese Verknüpfung tut gut, und gleichzeitig fachkompetenter Art nahe, dass gebaute Immobilien werden immer teurer und erschwinglicher verwaltet doch das Museum die Bestände der Städtischen Räume, aber auch Stadtquartiere ihr Angesicht verändern Wohnraum bleibt knapp. Galerie Mainz und damit viele Zeugnisse, die das Stadt- werden. Der Innenhof des Landesmuseums war im besten bild früherer Zeiten zeigen bzw. Aspekte der Entstehung Sinne Spielwiese für das Inszenieren von Gedanken zu per- Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz, die Arbeitsge- beleuchten und damit ins Jetzt deuten. Dieses Museum sönlichem und sozialem Raum, sichtbar aus der Arkade – meinschaft der rheinland-pfälzischen Wohnungsunterneh- also, in dieser Zeit, in dieser Stadt beherbergte für einige dem Bauteil, welcher die Trakte aus dem 18. Jahrhun- men und die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rhein- bei der Vergabe öffentlicher Grundstücke erhält nicht Monate eine Ausstellung, die nicht erklärte oder belegte, dert im 21. Jahrhundert zusammenbindet. Und nun? Die land-Pfalz haben deshalb gemeinsam das Positionspapier der Höchstbietende den Zuschlag, sondern derjenige mit sondern fragte. Sie fragte nach den Besuchern und ihren Ausstellung – durchaus nicht die erste des BDA im Landes- »Menschenrecht Wohnen« erarbeitet und im Rahmenpro- dem besten Konzept. Hierzu braucht es Masterpläne, die Lebensumfeldern, nach der Relevanz und Wirkmacht von museum Mainz und ganz sicher nicht die letzte – ist abge- gramm der Ausstellung »X Thesen zum Wohnen« in Mainz Entwicklungsoptionen verzeichnen und Investitionen und Gedankenexperimenten, nach der Aufgabe von Gestal- baut. Die Utopie des Bauens nach Neuen Standards ist in präsentiert. Die im Papier formulierten zwölf wohnungs- Förderungen gezielt lenken können. tung, letztlich den Begriffen von Schönheit und Zweckmä- die Welt gesetzt und latenter Aufruf. Das Landesmuseum und sozialpolitischen Forderungen richten sich an die ßigkeit und ihrem Verhältnis zueinander. Solche Fragen zu hat sich unwiderruflich als Raum erwiesen, der Experimen- Landespolitik und die Kommunen in Rheinland-Pfalz: Während in der Stadt bezahlbarer Wohnraum fehlt, stellen, gedankliche Räume zu öffnen, Diskurse anzusto- te ermöglicht. Verlässliche Daten sind die Grundlage einer nachhaltigen stehen im ländlichen Raum Häuser und Wohnungen leer. ßen und ggf. deren Verlauf erneut zu dokumentieren, zu Wohnungspolitik. Daher fordern wir gemeinsam mit der Doch das niedrige Preisniveau ist nicht nur Segen, son- inszenieren und zu befragen ist eine maßgebliche Rolle, Wohnungswirtschaft und den Sozialverbänden aktuelle dern auch Investitionshemmnis. Erhalt und Ertüchtigung welche eine demokratische Gesellschaft ihren Museen Bestandsdaten und flächendeckende Sozialberichte in der Bausubstanz unterbleiben und letztendlich leiden die zuschreibt. Rheinland-Pfalz. Außerdem empfehlen wir die Bündelung Ortsbilder. Auch hier sind Förderprogramme nötig. Der Diskurs entspann sich zunächst zwischen Gastgeber von Förderprogrammen, die Schaffung öffentlich getrage- Marktmechanismen alleine schaffen es nicht, in Stadt und und Gast: Ein Landesmuseum mit seinem altehrwürdigen, ner Unternehmen und die Erarbeitung einer Arbeitshilfe Land ausreichend zukunftsfähigen Wohnraum zur Verfü- verschiedenartig genutzten, zerstörten, wieder aufge- für Kommunen und Arbeitsagenturen, um angemessene gung zu stellen. Kommunen und Land stehen in der Ver- bauten und schließlich ergänzten Baukörper und seiner Kosten der Unterkunft zu ermitteln. antwortung, ihre Instrumente zur Förderung bezahlbaren kulturhistorischen Tradition zeigte die Ausstellung eines Wohnens zu verzahnen. Denn Wohnen ist kein Luxusgut, Kollektivs von zehn Architekten, welches vor allem einen Eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Wohnungsnot sondern ein Menschenrecht. Gedanken teilte: Dem, was aktuell in unkonventionel- spielt das Thema nachhaltige Stadtentwicklung. Wir ler Weise zweckmäßig sein könnte, um das menschliche fordern die Einführung einer sozialen Quotierung für Grundbedürfnis nach »gutem Wohnen« zu befriedigen, gemischte Quartiere. Doch die Ausweisung von Bauland vielfältige Gesichter zu geben. Es ging nicht um Patentre- um jeden Preis kann und darf nicht die Lösung sein. Denn zepte, sondern um Konzepte, welche auf der Folie einer nachhaltige Stadtentwicklung setzt nicht alleine auf quan- wünschenswerten Anerkennung und Würdigung dieses titative, sondern auf qualitative, zukunftsfähige Lösungs- Grundbedürfnisses in seinen vielen Facetten machbar beiträge. Hier sind Konzeptvergaben gefragt. Das heißt, 10 11
Qualität für den Wohnungsbau Architektinnen und Architekten. Deshalb unterstützen wir Gunther Adler, Staatssekretär a.D. als Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die im Bundesministerium des Innern für Bau Initiative des BDA, als Partner im Bündnis für bezahlbares und Heimat, Berlin Wohnen und Bauen mit eigener Begleitaktion aktiv zu werden. Vor fast zwei Jahren, im Oktober 2016, eröffnete im Deut- schen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin die Ausstellung Entstanden sind eine Ausstellung und eine Publikation, »Neue Standards« mit einer in der breiten Öffentlichkeit, die das kreative Potential von Expertinnen und Experten in der Architekturszene wie in der Immobilienbranche viel nutzen, um Anstoß für neue Perspektiven in der Woh- beachteten Vernissage. Die Ausstellung wurde in Berlin, nungsbaudiskussion zu eröffnen. »Neue Standards« führt Kassel, Nürnberg, Köln, Dresden, Linz, München, Wolfs- ein in eine Diskussion um Lebensentwürfe und neue quali- burg, Erfurt, Bremen, Stuttgart und – als Finissage – in tative Wohnkonzepte. Mainz gezeigt. Die Thesen der Autoren eröffnen uns neue Blicke auf The- men wie serielle Vorfertigung, Selbstausbau oder privates Zwei Jahre später steht der Erfolg von »Neue Standards« und gemeinschaftliches Wohnen. In Zusammenarbeit mit sinnbildlich dafür, wie sehr das Thema Wohnen unsere Ge- dem BDA und dem DAZ ist es gelungen, durch vielfältige, sellschaft damals wie heute beschäftigt. Die Bereitstellung innovative Beiträge, einen atmosphärischen Zugang zum von bezahlbarem und lebenswertem Wohnraum gehört Thema Wohnen zu ermöglichen und dieses in einem ge- zu den drängendsten Handlungsfeldern auf der politi- samtgesellschaftlichen Kontext zu präsentieren. schen Agenda. Das Ziel: Die Neuschaffung von 1,5 Millio- nen Wohnungen in dieser Legislaturperiode, begleitet von Die Arbeit zeigt einmal mehr: Architektinnen und Maßnahmen in der Eigentumspolitik, beim Mietrecht, bei Architekten sind unsere Partner bei der Gestaltung eines der Planungsbeschleunigung, der Baukostensenkung und nachhaltigen und qualitätsvollen Wohnungsbaus. Auf der Baulandmobilisierung. ihre Kompetenz sollten Wohnungsunternehmen und Als Bundesregierung schaffen wir die Rahmenbedingun- Wohnungsgenossenschaften vertrauen und gemeinsam gen für den notwendigen Wohnraum. Für den nachhaltig mit ihnen einen innovativen, bedarfsgerechten und guten Wohnungsbau braucht es gute und innovative nachhaltigen Wohnungsbau voranbringen. 12
Der notwendige Diskurs letzte Standort der gut zweijährigen Ausstellungstour ist, Wohnquartieren Sorgen mache. Der BDA-Präsident unterschreiben kann. Andere regen zum Weiterdenken Zur BDA-Ausstellung »Neue Standards. 10 Thesen meinte Doris Ahnen, die rheinland-pfälzische Finanz- und erinnerte Staat, Länder und Kommunen, »ihre sozialstaat- an, und wieder andere sind allerdings zu differenzieren. zum Wohnen« im Mainzer Landesmuseum Bauministerin: »Das Beste zum Schluss.« Und sie erzählte liche Verpflichtung wahr(zu)nehmen, das menschliche Ein Zitat aus der Handreichung zur Ausstellung: »Mit Enrico Santifaller, Architekturjournalist, Frankfurt von den gemeinsamen Anstrengungen bei der Lösung der Grundbedürfnis Wohnen zu fördern, um auch Menschen ‚Dichte als Möglichkeit‘ stellen Tim Heide und Verena von Wohnungsfrage. So beispielsweise, dass »unser rhein- mit kleineren und normalen Einkommen angemessenen Beckerath ein Verständnis von Dichte vor, das auf Diffe- Ihren eigentlichen Sinn hatte die Ausstellung schon vor land-pfälzisches Bündnis für bezahlbares Wohnen und Wohnraum in den Kernstädten zu ermöglichen«. Wobei renz, Heterogenität und Verschiedenartigkeit städtischer der feierlichen Eröffnung im Mainzer Landesmuseum Bauen« eine »sehr gute« Vorlage zum Thema Konzept- er dieses durch die Tatsache, dass sich inzwischen große Funktionen beruht und in dessen Zentrum die Bedürfnisse erfüllt. Denn die Schau »Neue Standards. 10 Thesen zum vergabe in Kürze mit Handlungsempfehlungen vorstellen Wohnungsbestände im Eigentum börsennotierter Akti- des Menschen stehen«. Gilt das nicht auch für die keine 50 Wohnungsbau«, die der Bund Deutscher Architekten im wird. Dass viele in der Ausstellung angesprochene Themen engesellschaften befänden, bedroht sieht. Denn die seien Kilometer von Mainz entfernte Frankfurter Neue Alt- Jahre 2016 aus der Taufe hob, will erklärtermaßen keine auch in diesem Bündnis mit insgesamt 21 Partnern verhan- »nach Aktienrecht ihren Aktionären, nicht aber unbedingt stadt, die so viele BDA-Kollegen verdammen? Wer Augen neuen Standards setzen. Zumindest nicht rechtlicher Art. delt werden. Ahnen erinnerte an ein »sehr gut umgesetz- den Mietern mit bezahlbaren Mieten verpflichtet«. In hat, die nicht von ideologischen Scheuklappen verdeckt Die Ausstellung will kein Rezept sein, das der Verband tes Beispiel« auf dem ehemaligen Konversionsgebiet im seiner Mahnung, unbedingt aus den Fehlern der Vergan- sind, wird genügend »Differenz, Heterogenität und den an Wohnungen Interessierten an die Hand gibt, um pfälzischen Landau, auf dem 2015 die Landesgartenschau genheit zu lernen, traf Farwick sich mit Gunther Adler, Verschiedenartigkeit städtischer Funktionen«, wird die derzeit höchst bedrängende Fragen kurzerhand zu lösen. stattgefunden hat. Dort wurde ein Grundstück nach den Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres, Heimat zahlreichen, freilich eher subtilen Brüche, Störungen und Schnell, mühelos, dienstbeflissen. Denn das wissen die Regeln der Konzeptvergabe verkauft, wobei Kriterien wie und Bauen. Nach Schilderung der »sehr, sehr ambitionier- Hinweise auf Diskontinuität des kurz vor seinen Abschluss Kollegen: Die Wohnungsfrage ist viel zu komplex, viel- Qualität, Wirtschaftlichkeit und Barrierefreiheit die Verga- ten« Wohnungs-Anstrengungen der Bundesregierung be- stehenden, freilich auch hochsubventionierten Projektes schichtig und spricht eine Menge sich überlagernder Fak- be entscheidend beeinflusst haben. 50 Prozent sozial ge- tonte er die Wichtigkeit »des lebendigen Quartiers«. Nicht sehen. Doch gerade dieser für manchen BDA-Kollegen irri- toren an – soziale, kulturelle, wirtschaftliche, juristische, förderter Wohnraum konnte realisiert werden. Allerdings, nur die Qualität von Wohnungen, sondern auch die von tierende Verweis zeigt die dringende Notwendigkeit, über politische, wahrscheinlich eine viel zu große Menge – über die Frage der Gestaltung dieses Quartiers gehen Wohnquartieren mahnte er an. Deswegen sei sowohl die Qualitäten im Wohnungsbau und seines immer anderen als dass man sie mit einer Art Gebrauchsanweisung die Meinungen auseinander. Der BDA-Präsident Heiner soziale Mischung im Quartier als auch die Qualität des öf- städtischen Umfeldes zu diskutieren. Das unter dem Titel geschwind und ohne Umstände beantworten könnte, Farwick sagte, dass die Ausstellung mit ihren insgesamt 13 fentlichen Raumes von zentraler Bedeutung. Nur so könne »Sozialraum.Stadt« vom rheinland-pfälzischen BDA orga- um dann eiligst in diverse Kameras zu lächeln. Nein, die Stationen der Beitrag des Verbandes zum Bündnis be- »Heimat vor der Haustür« entstehen. Und zur Ausstellung nisierte Begleitprogramm zur Ausstellung gibt reichlich Intention dieser zehn Thesen ist den Diskurs anzuregen, zahlbares Wohnen und Bauen auf Bundesebene gewesen meinte Adler: Die zehn Thesen seien keine zehn Gebote – Gelegenheit dazu. Akteure ins Gespräch zu bringen, nicht nur an Quantitä- sei. Farwick ließ keinen Zweifel, dass ihm die derzeitige »aber sie könnten es sein«. ten, sondern auch an Qualitäten zu erinnern und »Brü- Wohnungsnot und die Verdrängung von Menschen mit Ob Workshop für Schüler und Studenten, ob im BDA-Ge- cken zur Wohnungspolitik und zur Wohnungswirtschaft« durchschnittlichen Einkommen aus ihren angestammten Nun ist die BDA-Installation im Vergleich zu den durch- spräch oder bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit zu schlagen, wie Heinrich Lessing, Vorsitzender des BDA arrangierten Ausstellungen des Deutschen Architektur- der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, der Arbeitsge- Landesverband Rheinland-Pfalz, erklärte. Das geschieht museums beispielsweise skizzenhafter, spielerischer, ja meinschaft rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen mit einem breiten Rahmenprogramm, das geschieht mit auch architektonischer. Nicht das fertige Produkt steht im und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege unter dem den Kooperationspartnern der Ausstellung, mit denen Focus, nicht die sofortige Umsetzung oder gar konkrete Motto »Menschenrecht Wohnen«: Es geht auch in Zukunft man freilich schon eine ganze Weile im Gespräch ist. Etwa Planungsleistungen, letztlich auch keine figurativen, auf nicht nur um das immer optimiertere Dach überm Kopf, mit dem heimischen Finanz- und Bauministerium oder mit Ort und Kontext bezogenen Konzepte, sondern jene oh- sondern auch um die Verknüpfung der individuellen Woh- der Generaldirektion kulturelles Erbe, und die Architek- nehin von keiner HOAI erfassbaren Vorüberlegungen, wie nung zum Block, zur Straße, zum Quartier, zum öffentli- tenkammer sowie der BDA-Bundesverband teilen ohnehin das Wohnen heute und morgen denkbar ist. Auch wenn chen Raum und der Infrastruktur, um das Gemeinschafts- seit Jahrzehnten ähnliche Interessen. Und so hielt sich der keiner – zumindest bei der Eröffnung – ein Paar der zahl- erlebnis Stadt erst zu generieren. Neuigkeitswert in den Grußworten zur Ausstellungser- reich bereitliegenden Hausschlappen angezogen hatte, öffnung in Grenzen, sie illustrierten eher die langjährige so waren doch die ebenso zahlreichen Sitzgelegenheiten Zusammenarbeit mit nachdrücklichen Beispielen. und die bedruckten Kissen eifrig in Gebrauch. Nicht nur durch das raumgreifend verteilte kräftige Rot ist die Schau Dennoch lohnt es sich, auf einige Inhalte des Gespro- sinnlich – und gleichzeitig auch sehr abstrakt. Wobei man chenen näher einzugehen: Zur Tatsache, dass Mainz der einige der von BDA-Kollegen erarbeiteten Thesen sofort 14 15
Workshop für Studierende | Tag 1 Der theoretische Raum – eine Annäherung Einführung mit Laura Holzberg, Referentin BDA Bund, Berlin Die Ausstellung »Neue Standards. 10 Thesen zum Wohnungsbau« stellt den Einstieg in den Workshop dar. An einen gemeinsamen Rundgang durch die Ausstellung schließt sich die Zuordnung der Themen zu Arbeitsgruppen an. Danach werden die Thesen anhand des eigenen Erfahrungshorizontes diskutiert. Welche Möglichkeit stellt Dichte dar? Was gewinnen wir durch gemeinschaftliches Wohnen? Was steht möglicherweise auf dem Spiel? Wie privat leben wir und wie öffentlich und – was passiert dazwischen? Die Ausstellung dient als Grundlage für eine Annäherung an das Wohnen und den damit verbundenen Potentialen, die uns in den nächsten Tagen beschäftigen werden. Die Annäherung wird von Prof. Dirk Bayer, Technische Universität Kaiserslautern, Prof. Heinrich Lessing, Frankfurt University of Applied Sciences und Prof. Marcus Rommel, Hochschule Augsburg moderiert.
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Workshop für Studierende | Tag 2 Mensch und Raum Sonja Nagel, Architektin, Stuttgart Im zweiten Teil des Workshops gehen wir der Urfrage der Architektur nach und erspüren mit den Teilnehmern des Workshops das Wesen und den Charakter von Räumen. Der Innenhof des Landesmuseums in Mainz wird zum »Forschungsfeld« für unsere Raumexperimente. Mit einfachen Materialien werden verschiedene Archetypen von Räumen im Maßstab 1:1 nachgebildet und zusammen erkundet. Was ist das Besondere an einem quadratischen, einem runden oder fünfeckigen Raum? Welchen eigenen Charakter bilden diese Räume aus? Welchen Einfluss hat die Grundform und Größe des Raums auf die Raumwahrnehmung und welche Raumform unterstützt welche soziale Interaktion am besten? Diesen und ähnlichen Fragen versuchen die Teilnehmer durch die achtsame Wahrnehmung auf die Spur zu kommen. Durch die Übung wird der eigene Körper als primäres Medium aller Raumerfahrungen aktiviert und ermöglicht eine verfeinerte Raumwahrnehmung. 20 21
In einem lebendigen Gedankenaus- tausch sammeln wir kollektiv unsere individuellen Raumeindrücke und bereichern unser Formverständnis um vielfältige Aspekte. Der Wechsel des Baumaterials eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten. Mittels Klettband können die großformatigen Pappwabenplatten in verschiedene Konstellationen gebracht werden. Das experimentelle Spiel kommt nun richtig in Fahrt, da jeder Mitspieler in die Rolle des Bauleiters springen kann, um seine Raumvorstellung aufbauen zu lassen. Durch das unmittelbare und sinnliche Erleben von unterschiedlichen Räumen, durch das intuitive Verändern von Wänden und Öffnungen wächst die Erkenntnis, welchen großen Einfluss einfache architektonische Setzungen auf den Raum selbst und die Beziehungen zum Umraum haben. 24
Abgrenzen und Öffnen. Körper- liche Erfahrungen, die das Potential beinhalten, fruchtbar auf die Raum- gestaltung und die Gestaltung von Lebensräumen übertragen zu werden. Auch für mich als langjährige Architektin stellen sich einige überraschende Erkennt- nisse ein. Mir wurden räumliche Aspekte einfacher Grundformen bewusst, über die ich bisher so noch nicht nachgedacht hatte. Von dem Tag nehme ich wertvolle Impulse für die Gestaltung von Architektur mit nach Hause. Sonja Nagel
Workshop für Studierende | Tag 3 Mensch und Stadt – der soziale Raum Stefan Schumacher, Fotograf und Kommunikationsdesigner, München Der nächste Schritt des Workshops führt uns in den dritten Raum, den Stadtraum. Fokus des Workshops ist jetzt der Sozialraum Stadt. Wie steht es um die Beziehung zwischen dem privaten Raum zum Wohnen und dem öffentlichen Raum? Wir laufen durch Mainz und überprüfen, ob sich die Erkenntnisse vom zweiten Tag über die Beziehung »Mensch und Raum« in den Stadtraum übertragen lassen. Wie kann diese Beziehung da, wo sie gestört ist, möglicherweise durch Eingriffe verstärkt oder vielleicht auch nur sichtbar gemacht werden? Zur Annäherung an dieses Thema dient die fotografische Auseinandersetzung. Wir erfassen städtische Übergangszonen zwischen privaten und öffentlichen Räumen. Dazu fotografieren wir mit der Digital- kamera bestehende Situationen in der Mainzer Neustadt. Nicht das technisch perfekte Bild steht im Vordergrund, sondern ein Erspüren und Sich-Einlassen auf die spezifischen Verhältnisse vor Ort. 29
Aus einem Fundus fotografischer Skizzen wollen wir dann eine Auswahl von Bildern erstellen, die das Potential für einen Eingriff in die abgebildete Situation erkennen lässt. Unterschiedlichste Szenarien sind dabei denkbar: die Umnutzung leerstehender Ladenlokale, Möglichkeiten an brachliegenden Grundstücken, Treppenhäuser als temporäre Bühnen, Müllhäuschen als Privatem und Öffentlichem im Weg Galerien, das bislang Undefinierte neu definieren, Bestandssituationen stehen. So lautet also unser Plan. einbinden, aber auch Objekte entfernen, die uns für die Verzahnung von Nach einer kurzen Vorlesung im Landesmuseum schwärmen wir zu Fuß Richtung Neustadt aus, verlassen vorgeschriebene Wege, suchen neue Perspektiven, wir flanieren also im besten Sinne und versuchen, Zusammen- hänge zu verstehen und Potentiale des Ortes zu erkennen und diese mit unserer Kamera festzuhalten. Spannende Ecken markieren wir auf unserem Stadtplan, so entwickeln wir unsere Themen. Während einer improvisierten Mittagstafel auf der grünen Brücke tauschen wir uns gegenseitig über die bisherigen Ergebnisse aus. Die Ergebnisse dieser fotografischen Annäherung sind auf den Seiten 34 bis 52 zu bestaunen. Sie belegen erneut, dass Fotografie im städtebaulichen und architektonischen Kontext mehr kann als fertige Bau- vorhaben bei idealen Lichtverhältnissen für den Bauherrn zu dokumentieren. Die Fotografie kommt hier völlig uneitel zum Einsatz, sie ist ein Hilfsmittel, das unseren Blick schärft, sie ist ein Skizzenbuch, in dem wir immer wieder blättern können, um uns inspirieren zu lassen. Stefan Schumacher 33
Workshop für Studierende | Tag 4 Resümee und Bildauswahl Prof. Dirk Bayer, Prof. Heinrich Lessing, Prof. Marcus Rommel Am 4. Tag des Workshops werden die Ergebnisse der drei Tage zusammen- getragen und dokumentiert. Innerhalb eines Abschlussgespräches werden die Erkenntnisse für den Themenkomplex »Wohnen und Stadt« ausgewertet. Dabei entsteht die Grundlage für die Abschlussveranstaltung am 26.10.2018 im Landesmuseum, in deren Rahmen persönliche Eindrücke mit dem für das Wohnen zuständigen Staatssekretär Stephan Weinberg diskutiert werden. 34 35
Bildauswahl 36
Richard Q. H. Beilmann »Das gerasterte Tor in unmittelbarer Nähe zum Rhein könnte hinter sich ein(e) zur Straße offene(s) Cafe / Bar oder eine Ausstellung beherbergen, um die wenig attraktive Verkehrs- fläche des Bürgersteigs zu beleben. Der bewusste Dialog von Innen- und Außenraum verleiht der Stadt ihre (notwendige) inhaltliche Tiefe.« »Die starke Geometrie und materielle Strenge des Ortes sind auf ihre Art zwar ästhetisch, laden jedoch kaum zum Verweilen, zum Leben ein. Die breite Treppe der Schule wäre ein für Schüler idealer Ort des Austauschs – ihm fehlen lediglich einige einladende Gesten, zum Beispiel Sitzmöbel.« 38
Richard Q. H. Beilmann Franka Neu »Der triste Vorgarten des leerstehenden Hauses befindet sich mitten in einem Wohn- gebiet, das über wenige markante Treffpunkte verfügt. Die private Fläche könnte als gemeinsam genutzter Garten oder Biergarten zum öffentlichen Raum umgenutzt werden und die Gegend mit Leben versehen.« 40
Marina Mang Clara Beckers »Hinterhof-Patchwork« »Hinterhof: ein wichtiger Lebensraum. Platz für Kreativität und zugleich Intimität für die Bewohner.« »Hinterhof-Wohnen« 42
Nils Luscher Max Renz-Wieland Lukas Ringwald Max Schüssler »Gegossenes Fundament. Keiner versammelt sich an einem versiegten Brunnen. Wenn er schon nutzlos ist, sollte man ihm eine Funktion geben. Wir schlagen diesen als Sockel vor, auf dem Pavillons stehen, die den Platz neu beleben und zentrieren.« »Schön hier! Wie schön, bestimmt jeder für sich.« »Potentialraum. Ein Hinterhof muss nicht nur ein Hinterhof sein, sowie eine Garage nicht nur zum Parken dienen muss.« 44
Nils Luscher Max Renz-Wieland Lukas Ringwald Max Schüssler »Urban was? Urban Gardening sollte nicht nur eine Absichts- erklärung sein, sondern mit Verantwortung betrieben werden. Hier passiert das nicht. Ein öffentlicher »Stadtraum ist Stadtraum mit guten begrenzt – Nutze ihn Vorsätzen getötet.« sinnvoll! Und wenn Du schon dabei bist, denke mal über die Fassade und die Funktionen im Erdgeschoss nach.« »Schöne Farben und öde Fläche. Wäre der Park in Anlehnung an die Fassade gestaltet, würden beide davon profitieren und der Ort wäre aufgewertet.« 47
Tom Mergenthaler »Zwei Abluftschächte, zwischen denen mein Kommilitone auf dem Foto springt, erinnern mich an die Monolithen aus Stanley Kubricks 2001: a space Odyssey ... Der Absprung in neue Modelle des urbanen Wohnens scheint geschafft. Gelingt es auch, diese Projekte zu realisieren und zu landen? Hoffentlich schon.« »Der Baum welcher eingezäunt in einen Metallkäfig durch eine Fußgängerbrücke wächst zeigt, dass die Menschheit mit der Natur in friedlicher Koexistenz wohnen und leben kann.« 48 49
Tom Mergenthaler Damaris Röcker Julius Schwarzer »Wohnen auf dem Wasser: - Platz für neues Leben - Lebensraum auf dem Wasser - Ungenutztes Potenzial« Julius Schwarzer »Farbraum in der Stadt. Der rote Schrank steht »In meinen Augen symbolisiert die geöffnete Tür am eingerückt an der Hausecke. Fuße des Treppenabganges das Ungewisse, welches wir Die weißen schmalen Pfosten dann jedoch noch erkundeten. Die Reflektionen in der formen einen Grundriss. Pfütze stehen für mich für die imaginäre Gedankenwelt, Im geöffneten Schrank ein in welchen solche Orte zu wunderbaren Oasen der Fernseher. Im Gedanken die Entspannung erwachsen können.« davor platzierte Couch. Kann Stadt Wohnzimmer sein?« Damaris Röcker 50 51
Marius Mersinger »Fassadenbegrünung: - Kontrast - soziale Interaktion - weniger Vandalismus - sauberere Luft« »Tiny Urban Gardening: - Privates Grün auf kleinstem Raum - Platz für Individualität« »Verlassene Areale: - Platz für Neues - Umnutzung - Gemeinschschaftsflächen« 52
Paul Groß »Tiefgaragensakralität« »Gott im Gitter – Zur Identität« »Bewegung in Zonen« 54 55
Carolin Riffel Julian Glunde »Leerstehende Tankstelle Rheinallee / Mit eigenen Ideen echt was erreichen« 56 57
Workshop für Schüler Prof. Dirk Bayer, Prof. Heinrich Lessing, Prof. Marcus Rommel, Frido Roth TeilnehmerInnen IGS Mainz Bretzenheim, Leistungskurs Bildende Kunst, Jahrgang 11: Olivia Bach, Ashley Belsat, Sinem Demirkaya, Juliana Graham, Sophie Kauzmann, Andres Marcu, Samantha Pachen, Annika Reussner, Leila Schneider, Luca Schütze, Christian Seidel, Charlotte Stelzer, Lilli Thiele, Peter Ulbricht, Hilal Vatansever, Eva Wienhold Die Erkenntnisse, die mit den Studierenden während der drei Tage in den drei unterschiedlichen »Räumen« gewonnen werden konnten, waren Grundlage für einen daran anschließenden Schülerworkshop. Moderiert wurde der Prozess von Dirk Bayer, Heinrich Lessing und Marcus Rommel zusammen mit dem Kursleiter Frido Roth, Fachschaft Kunst, IGS Mainz-Bretzenheim. 58
8. BDA Gespräch: Das Kollektive in dere die Sorge um die Verantwortlichkeit von Qualität gemeinsamer Verantwortung von und gesellschaftlicher Wirkung aus. Wohnungswirtschaft, Politik und Neben der, in Anbetracht des Umfangs der Aufgabe, aber Architekten auch der institutionellen Größe mancher der handelnden am 16.10.2018 im Landesmuseum Mainz Akteure, kollektiven Verantwortung für die Einlösung Prof. Marcus Rommel Architekt BDA, der Zielvorgaben des prognostizierten Wohnraumbedarfs Stuttgart/Augsburg stellte sich der BDA-Landesverband bei der Vorbereitung des Rahmenprogramms die Frage nach dem öffentlichen 1,5 Millionen neue Wohnungen innerhalb der aktuellen Raum und dem Wohnumfeld in seiner kollektiven Dimen- Legislaturperiode im Jahr 2021 sind als Zielvorgabe im sion. Der niederländische Architekt Herman Hertzberger Koalitionsvertrag der Bundesregierung im März 2018 spricht von den »Spielräumen« und regt zu einem durch- definiert worden. Erkannten Fehlentwicklungen oder aus vielschichtigen Blick auf diesen Begriff an. Von der Missständen muss vermutlich mit entsprechenden Super- Ebene des Quartiers bis zur einzelnen Wohnung bzw. lativen begegnet werden. Die Frage der Umsetzung deren Nutzer sind diese Schnittstellen bzw. Angebote an wurde dann erstmals am 21. September beim Wohngipfel halböffentlichen und öffentlichen Räumen in ihrer sozial- im Kanzleramt in Berlin verhandelt. In der Hoffnung mit räumlichen Wirkung entscheidend für den langfristigen Vertretern von Bund, Ländern, Baubranche, Kommunalen bzw. nachhaltigen Erfolg von Stadtquartieren. Spitzen- und Berufsverbänden sowie Mieterverbänden gemeinsam diese Aufgabe anzugehen sollten rund 100 an Ein aktueller Blick zeigt, wie unvermittelt, oftmals abge- der »Wohnraumproduktion« beteiligte Akteure in zwei- wandt oder verkehr(t)gerecht sich uns vernachlässigte einhalb Stunden zu Wort kommen. Vier beteiligte Bundes- öffentliche Räume bei den Erkundungen mit den Studie- ministerien und allein die Anzahl der Vertreter machen renden im Umfeld der Mainzer Innenstadt »in den Weg« deutlich, von welcher gesellschaftlichen Tragweite das gestellt haben, aber auch welche räumlichen Potentiale Positive Beispiele, wie mit eingeschränkten finanziellen vielfältigen aktuellen Aufgaben des gesellschaftlichen Thema ist. Möglicherweise müssten Verantwortlichkeiten aufgedeckt werden könnten. Oftmals einseitige Ansprüche Mitteln bei gleichzeitiger kreativer Herangehensweise zur Miteinanders hingewiesen werden, zum anderen wollten für ein Scheitern an diesen Vorgaben am Ende auch auf des Individualverkehrs belassen seit Jahrzehnten die Ver- Identifikation und zum Austausch der Bewohner beige- wir dies von verschiedenen Seiten beleuchten und damit viele Schultern zurückverteilt werden. mittlung zwischen Wohnung und Stadt unberücksichtigt. tragen werden kann, zeigen die Erschließungsräume in der auch an die Verantwortlichkeit der eigenen Zunft appel- Nach Jahrzehnten, in denen individuellem Handeln und SAAL-Siedlung Bouca II des portugiesischen Architekten lieren. individueller Verantwortung möglichst viel Raum gegeben Álvaro Siza Viera in Porto. In derselben Stadt überzeugt wurde, stellt sich zunehmend wieder ein Bewusstsein ein, die Gestaltung mit unterschiedlich gruppierbaren Klapp- Was lag da näher als möglichst viele der beteiligten dass die Frage des Wohnens als eine gesamtgesellschaft- stühlen, die auf der von Parkierung befreiten Avenida Akteure nach Ihren Statements in einer Podiumsdiskus- liche und soziale Frage, die für den Zusammenhalt der dos Aliados stehen. Mit einfachsten Mitteln wird hier zur sion miteinander ins Gespräch zu bringen. Unter dem Gesellschaft entscheidend ist, verstanden werden muss. Begegnung im öffentlichen Raum aufgefordert. Auch der Titel »Das Kollektive in gemeinsamer Verantwortung von Allein über die Ursachen für den Verlust dieses Bewusst- umgestaltete Platz vor dem Rathaus wurde von Siza Viera Wohnungswirtschaft, Politik und Architekten« gaben seins in der Breite der Gesellschaft könnte man einen in Zusammenarbeit mit Eduardo Souto de Moura geplant. Karl-Heinz Seeger, als Geschäftsführer der GEWOBAU Bad ganzen Abend diskutieren. Kreuznach aus der Sicht der Wohnungswirtschaft, Christa »Wenn bei den Investoren das Interesse, bei der öffent- Brown als Bewohnerin der mehrfach ausgezeichneten Die Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum lichen Hand das Geld und bei den Planern das berufliche Wohnanlage Am Cavalier Holstein in Mainz-Hartenberg Wohnungsbau« gibt zur Wohnungsfrage verschiedene Ethos fehlt, stehen die Vermittlungszonen zwischen (Wohnbau Mainz) und Architekt Rainer Hofmann (boge- Anregungen. Außer einer möglichen Reflexion über die Wohnen und Stadt auf dem Spiel.« hatten wir als »ansto- vischs buero) in den Prozess des kollektiven Entwerfens Optimierung von Prozessen, Abläufen und Kosten drückt ßenden« Untertitel für das BDA-Gespräch gewählt. Zum beim Projekt wagnisART in München unterschiedliche die Ausstellung in ihrer Gänze aus meiner Sicht insbeson- einen sollte auf die Bedeutung des »Dazwischen« für die Einblicke zum Thema. 60 61
Im Dienste des Menschenrechts der Freien Wohlfahrtspflege und der Arbeitsgemeinschaft Sache. Gleichsam als Finissage der vom Bundes-BDA kon- stöße« und mahnte eine »stärkere Verzahnung von Stadt Zur Veranstaltung am 26.10.2018 rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen hat sich die zipierten Ausstellung »Neue Standards. Zehn Thesen zum und Land, von Mainz und dessen Umgebung« an. Kein Enrico Santifaller, Architekturjournalist, Frankfurt Kammer unlängst zusammengetan, ein Positionspapier Wohnen« lud Landesvorsitzender Heinrich Lessing zum bisschen nervös und weitgehend frei von Politikersprech zum Thema »Menschenrecht Wohnen« verfasst und dieses Abend »Raum.Straße.Stadt« ins Landesmuseum Mainz, kamen im »Podium 1« drei Studenten zu Wort, die an Das Recht auf Wohnen, lehrt uns die Online-Enzyklopädie im Rahmen eines parlamentarischen Abends den Frakti- in dem das Thema »Menschenrecht Wohnen« nochmal dem vom rheinland-pfälzischen BDA konzipierten Work- Wikipedia, sei ein »Menschenrecht zweiter Generation«. onen im rheinland-pfälzischen Landtag vorgestellt. Zwar ausführlich besprochen wurde. shop »Raum-Straße-Stadt« im Rahmen der Ausstellung Verankert und international gültig wurde es im sogenann- war das Presseecho eher bescheiden, doch auf operativer teilgenommen hatten. Vor allem sahen Marius Mersinger ten UN-Sozialpakt, den die Bundesrepublik Deutschland Ebene, also in der Kooperation mit der Landespolitik war »Bei Wohnen ist jeder Partei«, »jeder hat dazu was zu (FH Frankfurt), Clara Beckers (TU Delft) und Nils Luscher 1973 ratifizierte, der 1976 in Kraft trat. Gleichwohl sind die Resonanz auf diese Aktion erfolgreich. Damit dieses sagen«: Mit diesen Formulierungen eröffnete Ralph (Hochschule Kaiserslautern) noch ungenutzte Potentiale alle Initiativen, das Recht auf Wohnen als Grundrecht in Anliegen kein One-Hit-Wonder bleibt, stellte sich der Lan- Szepanski, ebenso souveräner wie eloquenter Moderator für Wohnungsbau in rheinland-pfälzischen Landeshaupt- das Grundgesetz aufzunehmen, bisher gescheitert. Im desverband Rheinland-Pfalz des BDA in den Dienst dieser des Abends, die Diskussion. Szepanski, im bürgerlichen stadt. Mersinger wie Lüscher plädierten für Umnutzung Gegenteil: Der rigorose Ausverkauf öffentlicher Woh- Leben Nachrichtensprecher beim ZDF, referierte die von Parkanlagen im Zentrum, während die an holländi- nungsbestände sowie die Vernachlässigung des sozialen Preissteigerungen bei Mieten in München und Mainz: Von sche Hausboote erinnernde Beckers fragte: »Warum ist es Wohnungsbaus in der jüngeren Vergangenheit haben es 2010 bis 2017 haben sich die Mieten in beiden Städten am Rhein und seiner Uferpromenade komplett leer«. Auch hierzulande für Einkommensschwächere immer schwerer um zwei Drittel erhöht, während sich in Deutschland Zwischenräume in bereits bestehenden Wohnanlagen gemacht, das Recht auf Wohnen gerade in den Ballungs- die Zahl der Sozialwohnungen auf 1,5 Millionen halbiert könnte man doch besser nutzen. Beckers lobte die hohe gebieten zu verwirklichen. Laut einer Mitteilung der habe. Die Mietpreisbremse habe ihre Wirkung verfehlt. Qualität der Gemeinschaftsflächen in Amsterdam, wäh- European Federation of National Organisations Working Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rhein- rend Mersinger und Luscher die Qualität der Grün- und with the Homeless (FEANTSA) von 2018 gibt es nur zwei land-Pfalz, meinte, dass die vermeintlich »moderne Frage Freiflächen in Mainz kritisierten. Heinrich Lessing kam die EU-Länder – Bulgarien und Griechenland –, in denen arme nach bezahlbarem Wohnen« sich schon eine geraume Zeit Rolle des Mahners zu: Zahlreiche Chancen seien in Mainz Haushalte noch stärker durch Wohnkosten belastet seien stelle und verwies auf die sehr erfolgreiche Ausstellung vertan worden, die Stadt besitze weniger als 10 Prozent als in Deutschland. In einem in der Zeitschrift »Aus Politik zum Wiener Wohnungsbau in den Trierer Viehmarkt- ihrer Fläche, Grundstücke würden unter dem Renditeas- und Zeitgeschichte« veröffentlichten Artikel vom Sommer thermen. Mit 220.00 Gemeindewohnungen und 220.000 pekt verkauft. Und der BDA-Landesvorsitzende kritisierte 2018 plädiert Michael Krennerich, Hochschullehrer am Genossenschaftswohnungen und einem durchschnittli- das von der Bundesregierung initiierte Baukindergeld: Die Lehrstuhl für Menschenrechte an der Uni Erlangen-Nürn- chen Mietpreis von 6 Euro/qm könnten die Einwohner der Mittel, die nun hierein flössen, seien größer als die für den berg, dennoch für einen Rekurs auf das Menschenrecht österreichischen Metropole ein so qualitätsvolles und kos- sozialen Wohnungsbau. Wohnen und damit verbundene Staatspflichten: Es verlei- tengünstiges Wohnungsangebot an Wohnungen wie in he »entsprechenden gesellschaftspolitischen Forderungen keiner anderen europäischen Stadt finden. Metz attestier- Im »Podium 2« kamen darauf die Experten zu Wort. Wo- zusätzlich Schubkraft und Legitimität«. te immerhin Rheinland-Pfalz, dass in dem Bundesland in bei Kammerpräsident Gerold Reker zunächst den Studen- den vergangenen Jahren ein »Auftrieb im Wohnungsbau« ten applaudierte. Sie hätten ihm aus der Seele gespro- Die Architekten hierzulande und ihre Verbände en- stattgefunden hätte. chen, die Sensibilität, die sie zeigten, den präzisen Blick gagieren sich seit langem für bezahlbaren Wohnraum für das Städtische, der in ihren Aussagen stecke, würde er – nicht zuletzt bei den diversen »Wohngipfeln« und Erwartungsgemäß nutzte Dr. Stephan Weinberg, Staats- manchen Kommunalpolitikern wünschen. Kritisch wandte »Wohnungsbauoffensiven« der vergangenen Jahre. Die sekretär im rheinland-pfälzischen Finanz- und Bauminis- sich Reker an Land und Kommunen: Lange hätten sie nicht Bundesarchitektenkammer veröffentlichte 2017 ein recht terium, diese rhetorische Steilvorlage – wer könnte es ihm erkannt, welche Probleme mit dem fehlenden Wohnraum beeindruckendes Dokument, das die zahlreichen Aktivi- verdenken? Das Thema »bezahlbares Wohnen« sei ein entstehen. Das Ulmer Modell der Flächenbevorratung täten der Länderkammern auflistet. Wobei es ebenfalls »wahnsinnig wichtiges Thema«, dem sich die Landesregie- sollen sich Städte zum Vorbild nehmen, wobei er vor dem beeindruckend ist, dass die von ihren Mitgliederzahlen rung »seit langem« widme. Die Inhalte diverser Woh- Vernachlässigen des ländlichen Raumes warnte. Von den allenfalls im unteren Mittelfeld rangierende Architekten- nungsgipfel seien »schon recht wegweisend«, allerdings Kommunen verlangte Kammerpräsident – und BDA- kammer Rheinland-Pfalz in dieser Liste ganz weit vorne brauche es »noch ein Stück Weg«. Er lobte die Schau zu Mitglied – Reker auch Master- bzw. Stadtentwicklungspläne, ist. Und damit gibt sie sich nicht zufrieden: Mit der LIGA den neuen Standards für deren »ungewöhnliche Denkan- um Einzelprobleme in einem Gesamtkonzept lösen zu 62 63
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