Recht PRAXIS - mediservice vsao
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Leitfaden PRAXIS 7. Recht Das Medizinalberufegesetz, kantonale Vorschriften sowie die Standesordnungen legen den Rahmen fest, in dem die ärztliche Berufsausübung erfolgen darf. Festgelegt sind die Voraussetzungen zur Er- teilung der Praxisbewilligung. Hinzukommen die Vorschriften bezüglich den ärztlichen Berufspflichten. › Vorschriften und Gesetze – eidgenössisches oder als gleichwertig anerkanntes ausländisches Arztdiplom Aufgrund der hohen beruflichen Verantwortung ist – eidgenössischer oder als gleichwertig anerkannter der Arztberuf einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmun- ausländischer Weiterbildungstitel (Facharzt) gen unterworfen. Die Regelungen sollen insgesamt – Vertrauenswürdigkeit (guter Leumund) sicherstellen, dass ein Arzt über die erforderliche Aus- – physische und psychische Voraussetzung zur ein- und Weiterbildung verfügt, sich fortbildet und dieses wandfreien Berufsausübung (keine einschränken- Wissen sorgfältig und gewissenhaft anwendet. den Krankheiten oder Gebrechen) – Kenntnis der am jeweiligen Ort gesprochenen Oft ist der niedergelassene Arzt selbstständig tätig, Amtssprache, resp. Landessprache weshalb im Folgenden die Vorschriften über die Be- – Berufliche Tätigkeit von mindestens drei Jahren an rufspflichten in der Ausübung privatwirtschaftlicher einem Schweizer Spital. Tätigkeit grundlegend sind. Diese fussen im Bundes- gesetz über die universitären Medizinalberufe Obwohl diese Vorgaben eidgenössisch und bindend (MedBG), welches den kantonalen Gesetzen gegen- sind, können Kantone in begründeten Fällen, sei dies über Vorrang hat. z. B. bei Unterversorgung oder im universitären Um- feld, davon abweichen. Die Standesordnungen der FMH und der kantonalen Ärztegesellschaften hingegen haben privatrechtlichen Diese Ausnahmeregelung wird aber nur sehr restriktiv Charakter, sie bilden in gewisser Weise einen Vertrag angewendet. Sicher nicht in Zentren wie Zürich, Basel mit ihren Mitgliedern, sind aber nicht Gesetz und oder Bern und sicher nicht, wenn in der Region schon dürfen gesetzlichen Bestimmungen auch nicht wider- ein genügendes medizinisches Angebot besteht. Was sprechen. Im Falle eines rechtlichen Verfahrens kön- konkret genügend ist, entscheidet die kantonale nen die teilweise detaillierten Standesordnungen Behörde. Es ist also empfehlenswert, sich vor Ver- aber von beteiligten Parteien zur Auslegung der gel- tragsunterzeichnung bei der kantonalen Gesund- tenden Gesetze und Verordnungen herangezogen heitsdirektion schriftlich zu erkundigen. werden. Die Praxisbewilligung kann von der kantonal zustän- digen Stelle auch entzogen werden. Dies, wenn sich › Praxisbewilligung und Berufs- etwa herausstellt, dass die Erteilung unter falschen pflichten Voraussetzungen erfolgte oder diese nicht mehr ge- geben sind. Das Entzugsverfahren dient also letztlich Um in der privaten Praxis tätig zu werden, ist eine dem öffentlichen Interesse des Schutzes der Patien- kantonale Bewilligung erforderlich. Diese ist eine poli- ten. zeiliche Bewilligung und berechtigt lediglich zur Be- rufsausübung im Kanton. Die Anerkennung durch Der Staat führt ein sogenanntes Medizinalberufe- die Krankenkassen mit entsprechender Leistungsver- register, welches öffentlich als Webdienst zugänglich gütung ist eine separate Sache. Die Voraussetzungen ist. Das Register umfasst Qualifikationen und erteilte zur kantonalen Praxisbewilligung (meist Berufsaus- Bewilligungen (z.B. Praxisapotheke), aber auch allfäl- übungsbewilligung genannt) ergeben sich aus den lig verfügte disziplinarische Massnahmen wie etwa MedBG und verlangen kumulativ: den Bewilligungsentzug: www.medregom.admin.ch. mediservice vsao-asmac –1–
Leitfaden PRAXIS Ärztliche Berufspflichten handlung nicht beteiligten Medizinalpersonen. Sie gilt Das Medizinalberufegesetz benennt abschliessend die nur dann nicht, wenn der Patient den Behandelnden ärztlichen Berufspflichten. Damit wurde seit seiner Ein- explizit oder durch sein Verhalten davon entbunden führung vor einigen Jahren die Orientierung der Prak- hat. Letzteres beispielsweise, wenn der Patient Ange- tiker im Verordnungsdschungel wesentlich vereinfacht. hörige bei Besprechungen mitnimmt. Personen, die einen universitären Medizinalberuf selbstständig ausüben, halten sich unter anderen an › Notfallpflicht folgende Berufspflichten: – Teilnahme an kantonal organisierten Notfalldiens- ten, mit wenigen (kantonal geregelten) Ausnahmen › Sorgfältige sowie gewissenhafte Berufsausübung – Beistandspflicht in Notfallsituationen: im Gegen- Insbesondere soll ein Arzt seine Kompetenzen und satz zu Laien sind Ärzte nicht nur in akut lebens- Grenzen erkennen und nach bestem Wissen und Ge- bedrohlichen Situationen beistandspflichtig, son- wissen gegenüber seinem Auftraggeber, dem Patien- dern auch bei «umgehend benötigter Hilfe», so- ten, handeln oder, sofern geboten, nicht handeln. fern diese dem Arzt zumutbar ist. Letzteres bedeutet in der Praxis meist, dass Hilfe geleistet › Lebenslange Fortbildung werden muss, sofern man sich oder andere da- Diese ist nicht zu verwechseln mit der Fortbildungs- durch nicht ernsthaft gefährdet. pflicht der Fachgesellschaften (Credits), obwohl beide dem Ziel dienen, Patienten kunstgerecht zu behan- › Haftpflicht deln. Verpflichtung zu einer dem Fach- und Tätigkeitsbe- reich angepassten Haftpflichtversicherung oder einer › Wahrung der Patientenrechte äquivalenten Sicherheit (Barhinterlegung, Garantie insbesondere: dritter). – Selbstbestimmungsrecht der Patienten (ob und wie behandeln) Diese im eidgenössischen Medizinalberufegesetz – Informationsrecht (Aufklärung und Rechenschaft festgelegten Pflichten können durch weitere kanto- über Behandlung) nale und standesrechtliche Pflichten ergänzt werden, sofern letztere dem MedBG nicht widersprechen. › Werbung Auch wenn Werbung nicht per se verboten ist, soll Schweigepflicht, Meldepflichten und auf vergleichende und heilsversprechende Aussagen Melderechte verzichtet werden. In begründeten Fällen kann ein Arzt die Schweige- pflicht brechen. So kennt das Gesetz folgende Aus- › Interessenwahrung bei Kooperation nahmen: und Zusammenarbeit – Aussergewöhnlicher Todesfall (d.h. bei unklarem Insbesondere verbietet das Gesetz die Vergütung oder nicht-natürlichem Tod wie etwa Suizid): eines zuweisenden Arztes z.B. Einweisungsprämie für Meldepflicht in allen Kantonen an Polizei oder Un- neue Patienten. Ein Arzt kann aber z.B. Aktien eines tersuchungsbehörden. Privatspitals haben, in das er Patienten einweist. Zen- – Verbrechen oder Vergehen gegen Leib, Leben und tral ist jedoch der Punkt, dass Geld oder finanzielle Sittlichkeit (Sexualdelikte, Körperverletzung): Vorteile keine Rolle bei der Überweisung spielen dür- Meldepflicht in den Kantonen NW, SZ, TI, UR und fen, sondern diese einzig und allein zum Wohl und in schweren Fällen BL. In den anderen Kantonen im Interesse des Patienten erfolgen darf. besteht entweder Melderecht oder keine Rege- lung, wobei in beiden Fällen vom Interesse des › Schweigepflicht Patienten ausgegangen werden muss. Die Schweigepflicht gilt für alle Informationen, die – Strafbare Handlungen gegen Unmündige: Eidg. während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit Gesetz, Meldung an Vormundschaftsbehörden. einem mitgeteilt oder in Erfahrung gebracht wurden. – Fahruntüchtige Personen: Melderecht an Kantons- Sie gilt auch gegenüber Angehörigen und an der Be- arzt oder Strassenverkehrsamt. mediservice vsao-asmac –2–
Leitfaden PRAXIS – Betäubungsmittel-Missbrauch: Weiterführende Informationen finden sich auch in Melderecht an Behandlungs- und Fürsorgestellen. der Publikation «Rechtliche Grundlagen im medizini- – Ansteckende Krankheiten: schen Alltag», herausgegeben von der Schweizeri- Meldepflicht an Kantonsarzt oder Gesundheitsde- schen Akademie der Medizinischen Wissenschaften partement. Unter Nennung der infizierten Person und der FMH. (Vor- und Nachname) an Kantonsarzt und BAG zu melden sind Anthrax, Botulismus, Creutzfeldt- Jakob-Krankheit, Diphtherie, Invasive Meningo- kokken-Erkrankungen, Influenza A HxNy (neuer Subtyp), Masern, Pest, Pocken (Variola/Vaccinia), Poliomyelitis, SARS (Schweres Akutes Respiratori- sches Syndrom), Tollwut, Tuberkulose, Tularämie sowie virale hämorrhagische Fieber/Gelbfieber. Quellen • Systematische Rechtsammlung der Schweizerischen • Bundesamt für Gesundheit BAG Eidgenossenschaft Abteilung Gesundheitsberufe Sektion Gesundheitsberuferegister Das Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe 3003 Bern fördert im Interesse der öffentlichen Gesundheit die Telefon 058 462 15 97 Qualität der universitären Ausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Fortbildung sowie der Berufsaus- Im Medizinalberuferegister sind Personen registriert, übung der Fachpersonen im Bereich der Humanmedizin, die über ein eidgenössisches Diplom oder über ein aus- der Zahnmedizin, der Chiropraktik, der Pharmazie und ländisches und von der Medizinalberufekommission der Veterinärmedizin. anerkanntes Diplom der universitären Medizinalberufe www.admin.ch › Bundesrecht › Systematische Rechts- verfügen. sammlung › Landesrecht › 8 Gesundheit – Arbeit – Soziale www.medregom.admin.ch Sicherheit › 81 Gesundheit › 811.11 Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die universitären Medizinalberufe • Schweizerische Akademie der (Medizinalberufegesetz, MedBG) Medizinischen Wissenschaften Petersplatz 13 • Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH 4051 Basel Elfenstrasse 18 Telefon 061 269 90 30 Postfach 170 mail@samw.ch 3000 Bern 15 www.samw.ch Telefon 031 359 11 11 mpa@fmh.ch Mit der Broschüre «Rechtliche Grundlagen im medi- www.fmh.ch zinischen Alltag» möchten die SAMW und die FMH hier eine Hilfestellung bieten. Den Leserinnen und Die Standesordnung der FMH gilt für alle Mitglieder der Lesern soll dieser Leitfaden eine Übersicht bieten über FMH – unabhängig von ihrer beruflichen Stellung. jene rechtlichen Regelungen, welche für den medi- Sie konkretisiert die wichtigsten Berufspflichten des zinischen Alltag relevant sind. Medizinalberufegesetzes (MedBG) und definiert zusätz- www.sggg.ch › Fachthemen › Guidelines › Rechtliche liche berufsethische Regeln. Grundlagen im medizinischen Alltag (2013) www.fmh.ch › Über die FMH › Rechtliche Grundlagen › Standesordnung mediservice vsao-asmac –3–
Leitfaden PRAXIS Interview «Kantonsärzte sind Verbindungsoffiziere, Übersetzer und Qualitätsmanager zugleich» mediservice vsao-asmac: Politikerinnen und Politikern zu präsentieren. Ihnen Was macht ein Kantonsarzt? aufzuzeigen, wo die jeweiligen Probleme sind und auch bei Fragen zur Verfügung zu stehen. Dr. med. Danuta Reinholz: Ein Kantonsarzt ist eine Art «Verbindungsoffizier» zwischen der Praxis/Klinik Welches sind denn Fragen, und der Politik. Wir übersetzen in beide Richtungen. die Sie aus der Praxis erhalten? Dies, indem wir der Politik verständlich machen, was Sehr häufig geht es um Alltägliches. Typische Pro- in den Praxen/Spitälern passiert, medizinische Begriff- blemstellungen sind etwa Entscheide zu Umge- lichkeiten und Zusammenhänge erklären und Inhalte bungsuntersuchungen bei Infektionskrankheiten, verdaubar machen. Auf der anderen Seite versuchen wie beispielsweise bei Tuberkulose. Man muss ent- wir, der Ärzteschaft die politische Dimension des Ge- scheiden, welche Massnahmen aus Sicht des Public sundheitswesens näher zu bringen. Weiter sind wir Health ergriffen werden sollten, was gemeldet wer- auch in den ärztlichen Gremien vertreten, beispiels- den muss, Kontakte mit Schulbehörden herstellen weise in der kantonalen Ärztegesellschaft und berich- und vieles mehr. Dann gibt es sehr viele rechtliche ten dort aus der Politik und versuchen manchen poli- Fragen, welche häufig zwischen Kantonsarzt und tischen Entscheid oder Weisung zu erklären, weshalb dem juristischem Dienst der kantonalen Verwaltung etwas sinnvoll ist. Dies ist unsere zentrale Rolle. aufzuteilen sind. Es geht um Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der Ärzte und Patienten, fürsorgerische Sollen nicht die Vorstände der Ärzte- Unterbringung mit ihrem wer, wo und was – das gesellschaften die Ärzteschaft gegenüber sind spezielle Situationen. Ein weiteres Thema sind der Politik vertreten? ausserkantonalen Hospitalisationen. Es stellen sich Ja, diese Präsidentinnen und Präsidenten sind extrem Fragen wie: «wo kann ein Patient hospitalisiert wer- wichtige Partner. Als Kantonsärztin / -arzt ist man den, wo gibt es eine Kostenübernahme, was ist sinn- aber noch näher an der Politik dran. Regierungsräte voll, welche Leistung kann im Kanton erbracht wer- brauchen in ihrem täglichen Geschäft Inputs. Die den, wann muss der Patient in einem anderen Kan- Thematiken sind breit von der Vernehmlassung zum ton hospitalisiert werden?» Zulassungsstopp bis zu Entscheiden im Bereich der hochspezialisierten Medizin. Es geht also nicht nur Und die Gewährleistung um Standespolitik und medizinische Versorgung: wir der medizinischen Qualität? sind auch medizinische Beraterinnen und Berater. Da haben wir den eher unerfreulichen Bereich der Politikerinnen und Politiker haben sehr unterschiedli- Aufsicht. Bei Beschwerden von Patientinnen und Pa- che Berufe, manchmal näher an der Medizin, manch- tienten, welche bei uns eintreffen, nehmen wir un- mal ferner. Entsprechend muss man medizinische mittelbar mit dem betroffenen Arzt oder Ärztin Kon- Unterstützung und Know-how bieten. takt auf und versuchen die Situation zu verstehen, zu vermitteln und Lösungen zu finden, wenn etwas Neben dem Übersetzen und Erklären müssen wir uns schief lief. Daraus ergeben sich manchmal lange Pro- selbst fortlaufend zu den unterschiedlichsten The- zesse, welche oft in Massnahmen enden. Diese kön- men à jour halten. Beispielsweise in der hochspezia- nen von einer Ermahnung bis zum Entzug der Pra- lisierten Medizin, welche sehr komplexe Entscheide xisbewilligung reichen. Das sind dann längerfristige beinhaltet. Hier ist es unsere Aufgabe, sich eine Mei- Projekte. Es gibt auch Problematiken der Ärztinnen nung zu bilden und die jeweilige Thematik dann den und Ärzte, bei denen sie selber menschlich und ge- mediservice vsao-asmac –5–
Leitfaden PRAXIS Interview sundheitlich an ihre Grenzen gelangen. Hier müssen zer Gesundheitsinstitution gearbeitet hat, darf eine wir Massnahmen definieren, Lösungen finden, zu- Praxis eröffnen. Wenn jemand direkt aus dem Aus- sammen schauen, wie es trotzdem funktionieren land kommt, wird einerseits geprüft, ob in der ge- kann, abklären, ob es eine Supervision oder Kontroll- planten Niederlassungsregion eine Unterversorgung massnahmen braucht. vorhanden ist (anhand von Richtwerten) und ande- rerseits werden die regionalen Ärztegesellschaften Sie ermöglichen also, dass Ärzte konsultiert. Diese Ärzte können nur unter bestimm- trotz Einschränkungen praktizieren? ten Voraussetzungen zugelassen werden. Genau. Unsere Aufgabe ist es, zu schauen, ob Ärzte trotz bestimmter Probleme, wie etwa eine psychi- Was wir nicht haben, ist die Möglichkeit, Ärzte in sche oder somatische Erkrankungen, sozialen Pro- eine entlegene Region zu schicken. Wir können das blemen, noch arbeiten können und zugleich für die Gespräch suchen und eine dürftig besetzte Gegend Patientinnen und Patienten eine korrekte Behand- empfehlen, aber wenn sich jemand für einen be- lung gewährleistet werden kann. stimmten Ort entscheidet, geht er oder sie halt dort- hin. Entbinden Sie auch Ärzte auf Anfrage vom Arztgeheimnis? Können Sie von diesen Kriterien Ja. Im Kanton St. Gallen macht dies der Rechtsdienst, und Richtlinien abweichen? in anderen Kantonen entbinden Kantonsärzte auf Ja, wenn wir eine Unterversorgung in einer bestimm- Anfrage Ärzte gegenüber Dritten vom Arztgeheimnis. ten Gegend belegen können, dann schon. Beispiels- Grundsätzlich sind Ärztinnen und Ärzte in ihrer weise in der Gynäkologie, wenn jemand aus dem Kommunikation gegenüber dem Kantonsarzt vom Ausland sich direkt niederlassen möchte und es gibt Arztgeheimnis entbunden, damit sie die betreffenden regional einen ausgewiesenen Bedarf, dann wird Fälle überhaupt schildern können. Ein klassisches diese Person dort zugelassen. Beispiel ist hier ein Ehepartner, der HIV-positiv ist, es aber dem anderen Partner nicht sagen möchte. In Kann sie oder er dann mit dieser Situation muss der Arzt versuchen, den HIV+- der Praxisbewilligung nicht Partner zu überzeugen, das mitzuteilen. Sollte dies einfach die Praxis dislozieren? nicht gelingen, kann der Arzt auf Antrag hin von uns Wir haben die Möglichkeit die Praxisbewilligung auf der Schweigepflicht entbunden werden. Ohne diese einen bestimmten Ort zu beschränken. Wir haben Entbindung vom Arztgeheimnis könnte in diesem etliche Ärztinnen und Ärzte, die auf bestimmte Orte Fall der Vorwurf der unerlaubten Datenweitergabe zugelassen sind. erhoben werden. Themenwechsel: Sind auch Kantonsärzte erteilen die Meldepflichten bei Infektions- auch Praxisbewilligungen? krankheiten kantonal geregelt? Ja, zusammen mit dem juristischen Dienst beurteilen Nein, das ist vom Bund vorgegeben. Er schreibt auf- wir, wer eine Berufsausübungsbewilligung und vor grund des Epidemiengesetzes und seiner Verordnun- allem eine Bewilligung zum Abrechnen zu Lasten der gen vor, was und wie zu melden ist. Das ist aber nicht Allgemeinen Obligatorischen Krankenpflege (OKP) kantonal geregelt und wir, als kantonale Behörden, erhält. Diese Bewilligungen folgen genauen Vorgaben. sind eigentlich nur für das Einsammeln der Formulare Im Kanton St. Gallen haben wir keinen Zulassungs- von Laboratorien und Ärztinnen und Ärzten und die stopp, sondern eine Zulassungssteuerung. Letztere Einleitung von Sofortmassnahmen zuständig. Der bedeutet, dass wir Grundversorger und Grundver- Bund nimmt dann Auswertungen vor, zieht Schlüsse sorgerinnen grundsätzlich zulassen. Dies gilt auch für und definiert Programme. Pädiaterinnen und Pädiater, da sie auch Grundver- sorgung erbringen. Bei den Spezialistinnen und Spe- Und wie ist das bei strafrechtlich zialisten halten wir uns an die Vorgaben des Bundes. relevanten Themen wie etwa Kinds- Dies heisst, wer mindestens drei Jahre in einer Schwei- missbrauch? mediservice vsao-asmac –6–
Leitfaden PRAXIS Interview Wenn die behandelnde Ärzteschaft Verdacht schöpft, Abschlussfrage: Wie wird man ist die erste Ansprechstelle die KESB, also die Kinder- Kantonsarzt, Kantonsärztin? und Erwachsenenschutzbehörde. Indem man sich bewirbt, wenn eine entsprechende Stelle ausgeschrieben ist. Gute Voraussetzungen sind Nicht der Kantonsarzt? Spital- und Praxiserfahrung und eine Weiterbildung Nein, weil wir hier keine Handhabe haben. Da müs- oder zumindest Interesse für Public Health-Aspekte, sen vor Ort Untersuchungen angestellt werden, auch beispielsweise in einem Master of Public Health- oder im Sozialbereich und bei Gefährdung muss eine Ge- einer Management-Ausbildung. Oder rechtliche Ver- fährdungsmeldung erfolgen. tiefung, die ist immer sehr willkommen und rundet das Profil ab. Die Kantonsärzte sind aber auch für die Ausführung von eher unbeliebten Impfprogrammen zuständig? › Dr. med. Danuta Reinholz Ja, HPV ist ein Beispiel. Im Kanton St.Gallen ist das Amt für Gesundheitsvorsorge zuständig. Funktion: Kantonsärztin St. Gallen Kontakt: Oberer Graben 32, CH-9001 St.Gallen Es müssen Lösungen gefunden werden, die kosten- Telefon: 058 229 35 64 mässig tragbar sind. Impfprogramme, kantonal oder Website: www.sg.ch national, sind mit bestimmten Vorgaben verbunden: einerseits der Qualitätssicherung und andererseits einer gewissen Kostenkontrolle. In der Praxis ist dies manchmal umständlich und für den Einzelnen nicht unmittelbar nachvollziehbar, aber die Überlegungen bei solch grossen Programmen erfolgen aus Public Health-Sicht. Was können und wollen wir mit be- stimmten Mitteln erreichen? Und da haben wir volles Verständnis, dass man sich gelegentlich in der Praxis nach den Überlegungen dahinter fragt. Das bringt mehr Administration und Aufwand für den Einzel- nen, aber die Idee dahinter ist ja nie eine Schikane einzubauen, sondern es hat immer einen oder meh- rere gute Gründe ein Impfprogramm so aufzugleisen. Zum Beispiel beim HPV ist es ganz klar der Preis des Impfstoffes, welcher sehr teuer ist und der in einem Programm gesenkt werden konnte. Bewilligen Sie auch die direkte Medikamentenabgabe in der Praxis? In St. Gallen haben wir Selbstdispensation. Wir ertei- len die Bewilligung zum Führen einer Praxisapotheke. Dazu müssen die Ärztinnen und Ärzte einen Antrag an den Kantonsapotheker stellen und er wird diesem unter gewissen Voraussetzungen stattgeben. Wird die Führung der Praxis- apotheke kontrolliert? Ja, mit Inspekoren, die vor Ort die Einhaltung der Vor- gaben überprüfen. Dies ist immer eine Ressourcen- Interview online anhören: frage, aber grundsätzlich «ja». www.msva.ch/pp8 mediservice vsao-asmac –7–
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