Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV

Die Seite wird erstellt Hanno Herbst
 
WEITER LESEN
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
relevant.
Das Magazin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger        Nr 2 | 2020

                                                             Mit Zeitungszahlen 2020
                                                             Der Branchenbericht des BDZV

                                                        Die neue Normalität
                                                       Kommen wir nach der Pandemie
                                                            wieder aus den Puschen?
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
MANIFEST

         Zeitungen sind und
          bleiben relevant.
            Unabhängige Zeitungen
           sind unerlässlich für eine
           pluralistische Meinungs-
             und Haltungsbildung
            in der Demokratie. Ihre
              Existenz ermöglicht
             verantwortungsvollen
                 Journalismus.

INTRO relevant. 2|2020      2
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
VORWORT

                                                                  Liebe Leserinnen und Leser,
                                                                  das Jahr 2020 wird als das Jahr der Verschie-            seren Blick auf das, was möglich ist, nachhaltig
                                                                  bungen, Veränderungen und Absagen in die Ge-             verändert. Mit Hinhaltetaktiken und Ausreden
                                                                  schichte eingehen. Die Corona-Pandemie hat               ist in Zeiten einer Pandemie kein Staat mehr zu
                                                                  mittlerweile alles fest im Griff. Abgesagte Events       machen. Es muss schnell gehandelt werden, Be-
                                                                  oder ausgefallene Treffen sind aber noch das             denken müssen ausgeräumt sowie Abläufe und
                                                                  geringste Übel angesichts der wirtschaftlichen           Strukturen neu gedacht werden.
                                                                  Auswirkungen. Und während die Infektionszah-
© Fotos: Bernd Brundert/BDZV, Coverfoto: Pixel-Shot/Adobe Stock

                                                                  len weltweit wieder steigen, ist klar, dass sich         Auch wenn wir uns beim BDZV. Der Kongress
                                                                  selbst die robuste Wirtschaft in Deutschland             2020 „nur“ virtuell begegnen werden, ist dieses
                                                                  keinen zweiten Lockdown wird leisten können.             Heft pünktlich zum Kongress fertig geworden. Er-
                                                                  Diese weltweite Pandemie ist Katalysator und Be-         fahren Sie, wie vielfältig sich die Branche mit dem
                                                                  schleuniger zugleich.                                    Corona-Virus arrangiert hat und welche Antwor-
                                                                                                                           ten auf die Herausforderungen gefunden wurden.
                                                                  Alle Herausforderungen und Unabwägbarkeiten
                                                                  in diesem verrückten Jahr werden jedoch von ei-          Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
                                                                  ner positiven Botschaft überragt: Corona hat un-         Ihre Redaktion

                                                                  Alexander von Schmettow                   Dr. Andrea Gourd                         Hans Hendrik Falk

                                                                                                                       3                                  relevant. 2|2020 INTRO
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
INHALT

 DIE KERNFRAGEN

         Was bleibt nach der Covid-19-Pandemie?
         Ist das Jahr 2020 eine Zeitenwende oder nur
         der Beginn einer vorübergehenden Krise?

         06 KURZMELDUNGEN AUS DEM VERBAND

 POLITIK

         08 MEINUNG „EXTREM KOMPLEX UND ERSTAUNLICH EINFACH“
         	
          Stuttgarter-Zeitung-Chefredakteur Joachim Dorfs über geänderte Redaktionsabläufe,
          Herausforderungen und positive Überraschungen in Covid-19-Zeiten.

         12 WISSEN GEMEINSAM GEGEN DIE PANDEMIE
         	Vom Corona-Hotspot zum fachübergreifenden Krisenmanagement: Warum das
           Medienhaus Aachen ein bedeutender Kommunikator der Krise wurde.

         18 ANWENDUNG „IN DER KRISE HAT SICH AUS­GEZAHLT,
            DASS DER BDZV DIGITAL AUFGESTELLT IST“
         	Was waren die Reaktionen des Verbands in der Krise und welche Lösungen
           haben künftig Bestand? BDZV-Geschäftsführerin Katrin Tischer im Interview.

 MARKT

         22 MEINUNG VOM LESER LERNEN
         	Welche Learnings ziehen europäische Medienhäuser aus der Corona-Krise?
           Einblick in Nutzeranalysen, Paywall und journalistische Prinzipien.

INHALT relevant. 2|2020                        4
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
INHALT

   26 WISSEN WIE EIN VIRUS DIE LESERNÄHE STÄRKT
   	Über die Bedeutung des Lokaljournalismus, neue Nutzer-Zielgruppen
     und die Fähigkeit zur schnellen Veränderung.

   30 ANWENDUNG NEUE KOOPERATIONEN IN NEUEN ZEITEN
   	#ZeitungenHelfen: Wie sich die Zeitungen als Partner und Impulsgeber in der
     Region bewährt haben – auch für den lokalen Handel.

PERSPEKTIVEN

   36 MEINUNG MOBILES ARBEITEN – FLUCH ODER SEGEN?
        Die Begeisterung fürs Homeoffice ist mancherorts groß. Was bedeutet
        diese Tendenz für den Journalismus und seine Qualität?

   40 WISSEN DIE SACHE MIT DEM GENDERSTERN
   	Optionen für gendersensible Sprache in deutschsprachigen Medien
     und welche Hürden die Verwendung (noch) hemmen.

   44 ANWENDUNG WORTE MIT ZUKUNFT
   	Wohin geht die Reise im Spektrum des Zeitungsmachens?
     Welche Aussagen der letzten Monate haben Langzeitwirkung?

ZEITUNGSZAHLEN 2020

   46 DER BRANCHENBERICHT DES BDZV
   	Kleines Wissenskompendium zur Zeitungsbranche mit aktuellen Daten, Leistungs-
     werten und Kennziffern. Von A wie Auflage bis Z wie Zielgruppen finden sich hier
     komprimiert und übersichtlich dargestellte Zahlen und Fakten.

                                           5                               relevant. 2|2020 INHALT
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
KURZMELDUNGEN

Corona-Tarifvereinbarung
abgeschlossen
UNTERSTÜTZUNG Auch das Tarifgeschehen in                	Für die Gruppe der arbeitnehmerähnlichen
der Zeitungsbranche bleibt nicht unberührt von            Journalisten können einmalig Unterstützungs-
der Corona-Pandemie. Angesichts ihrer weitrei-            leistungen gezahlt werden.
chenden wirtschaftlichen Folgen für die gesamte         	Darüber hinaus haben sich die Tarifparteien auf
Branche haben sich der BDZV und der Deutsche              Empfehlungen geeinigt, die unter anderem eine
Journalisten-Verband (DJV) am 3. Juli darauf ver-         Doppelbelastung für von Kurzarbeit betroffene
ständigt, eine zunächst bis Jahresende 2020 be-           Redakteure vermeiden sollen.
fristete Corona-Tarifvereinbarung zu schließen.
Sie soll die Auswirkungen der Pandemie abfedern         „Ich freue mich, dass wir uns mit den Gewerk-
und die Beschäftigung sichern. Die Kernpunkte:          schaften in gemeinsamer Verantwortung auf
 	In diesem Jahr gibt es keine Tariferhöhungen.        dieses Ergebnis einigen konnten. Damit schaffen
 	Eine Öffnungsklausel ermöglicht es den Verla-        wir Planungssicherheit für Verlagsunternehmen
   gen, die Jahresleistung („Weihnachtsgeld“) bei       und Redaktionen“, erklärte dazu Georg Wallraf,
   wirtschaftlichen Schwierigkeiten ganz oder           BDZV-Verhandlungsführer und Vorsitzender des
   teilweise zu kürzen.                                 Sozialpolitischen Ausschusses. «

Wir sind die Augen                                       Investition in
und Ohren der Fans!                                      Digitalisierung
APPELL Fußball ohne Fans im Stadion – das gibt           FÖRDERUNG In seinem zweiten Nachtragshaus-
der Presse-Berichterstattung über das Sportge-           halt hat der Deutsche Bundestag eine Förderung
schehen in Corona-Zeiten noch mehr Gewicht.              der digitalen Transformation von Verlagen in
Die Journalisten und Fotografen sind die Au-             Höhe von 220 Millionen Euro vorgesehen. Dass
gen und Ohren der Fans. Deshalb appellieren              es sich bei dieser Förderung nicht um die ur-
BDZV, dju/ver.di, DJV, VDS und VDZ gemeinsam             sprünglich geplante und im Koalitionsvertrag
an die Entscheidungsträger der Politik und an            vereinbarte, übergangsweise Sicherstellung
die Deutsche Fußball Liga (DFL), die zuletzt             der Infrastruktur bei der Zeitungszustellung
sehr weitreichenden Beschränkungen bei der               handelt, hat der BDZV nochmals klargestellt.
Bundesliga-Berichterstattung aus den Fuß-                Mit der Investition in IT gebe es einen Paradig-
ballstadien etwas zu lockern. Für ausführliche           menwechsel weg von der Zustellförderung hin
und originäre Spielberichte wären mehr Jour-             zur Förderung technologischer digitaler Ausrüs-
nalisten und insbesondere mehr Fotografen im             tung. Wichtig bleibe, dass der weitere Ausbau
Innenraum und auf den Tribünen erforderlich              der Infrastruktur der Verlage gestärkt werde,
und unter Beachtung der Abstands- und Hy-                ohne dass die Unabhängigkeit der Redaktionen
gieneregeln auch möglich, argumentieren die              berührt sei, betont BDZV-Hauptgeschäftsführer
Verbände. «                                              Dietmar Wolff. «

AKTUELL relevant. 2|2020                            6
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
Seriösität. Vertraeun. Konpetens.*

              *) Nur mit guter Rechtschreibung.
              Wenig schafft so sehr Vertrauen wie gute Rechtschreibung.
              Sie möchten sich Ihren Kunden gegenüber im besten Licht zeigen.
              Sie wünschen sich fehlerfreie Texte, die inhaltlich und formal über-
              zeugen. Wir unterstützen Sie dabei: Die Duden-Korrekturlösungen
              aus dem Hause EPC finden mehr Rechtschreib- und Grammatik-
              fehler als jede andere Rechtschreibkorrektursooware.
              Mit den Duden-Korrekturlösungen können Sie dort ansetzen, wo es
              für Sie sinnvoll ist: im Redaktionssystem, in der Webanwendung, in
              Adobe InCopy und InDesign, am Microsoo-Office-Arbeitsplatz.

              Überzeugen Sie sich selbst.
              www.epc.de/relevant
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
„Extrem komplex und
             erstaunlich einfach“
             MEINUNG Die Stuttgarter Zeitung änderte aufgrund
             von Covid-19 in kürzester Zeit sämtliche Redaktions-
               abläufe. Chefredakteur Joachim Dorfs erzählt von
              Herausforderungen und positiven Überraschungen.
                           INTERVIEW VON ALEXANDER VON SCHMETTOW

                                                                   Auch wenn die Homeoffice-­
                                                                     Ausstattung bei manchen
                                                                   zunächst recht spartanisch
                                                                        aussah, wurde Großes
                                                                                     geleistet.

POLITIK relevant. 2|2020                        8
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
TIMELINE               Wie erlebte die Redaktion der Stuttgarter
                                                                                                    Zeitung die Corona-Zeit? Hier die wichtigsten
                                                                                                    Geschehnisse in der Chronologie.

                                                                          28. Februar 2020
                                                                            Start Corona-
                                                                              Newsletter

                                H
                                                                           Start des täglichen
                                         err Dorfs, wie haben Sie die     Corona-Newsletters        ten Corona-Phase zu Hause. Auch das
                                                                          mit aktuellen Beiträ-
                                         erste Phase der Corona-Pan-      gen zum Thema, der        lief reibungslos.
                                         demie erlebt? Wie einfach         separat abonniert
                                war es, eine Zeitungsredaktion ins         werden kann. Über        Sie sind seit zwölf Jahren Chefredak-
                                                                          7.000 Leser nehmen
                                Homeoffice zu schicken?                     das Angebot an.
                                                                                                    teur der Stuttgarter Zeitung. Haben
                                Es war gleichzeitig extrem komplex                                  Sie eine Phase mit so vielen Unsicher-
                                und erstaunlich einfach. Schwierig                                  heiten und einer vollständigen Um-
                                                                               Ab dem
                                und aufwendig war es, weil wir inner-      16. März 2020            stellung des Alltags von einem Tag
                                halb von kürzester Zeit praktisch alle    Ab ins Homeoffice         auf den anderen schon mal erlebt?
                                redaktionellen Abläufe geändert ha-       Der Großteil der Re-      Ich glaube, das hat noch niemand, der
                                ben, von den digitalen Konferenzen bis     daktion ist von nun      heute in einer Führungsposition ist.
                                zum Homeoffice für die meisten der         an im Homeoffice.        Es ist ja nicht so, dass nicht jeder Tag
                                                                           Das Führungsteam
                                Kolleginnen und Kollegen. Erstaunlich                               in meinem Beruf einen Veränderungs-
                                                                          wird in drei Einheiten
                                einfach war es andererseits, weil wir       geteilt; physische      druck mit sich bringen würde. Aber in
                                alle innerhalb kürzester Zeit gelernt       Kontakte gibt es        dieser Brutalität und Geschwindigkeit …
                                                                           nur innerhalb eines
                                haben, wie gut sich digital konferieren
                                                                                  Teams.
                                lässt, selbst wenn ein physisches Zu-                               Gibt es auch positive Auswirkungen
                                sammentreffen immer noch einen ge-                                  auf die Arbeitswelt einer Tageszeitung
                                                                              März 2020
                                haltvolleren Austausch gewährleistet.                               durch die Folgen der Corona-Pandemie?
                                                                             Technik läuft
                                                                                                    Auf jeden Fall: Wir haben gesehen, in
                                                                              Damit im Home­
                                Waren die Herausforderungen eher                                    welcher Geschwindigkeit wir uns ver-
                                                                          office technisch alles
                                technischer oder organisatorischer           klappt, legte sich     ändern können. Wir haben nicht nur
                                Natur?                                      die IT ins Zeug. Die    alle Prozesse und Arbeitsweisen umge-
                                Beides: Technisch war es am Anfang        digitalen Konferenzen     stellt; wir haben bei der Stuttgarter Zei-
                                                                            laufen in kürzester
                                schwierig, für so viele Leute VPN-Ver-       Zeit reibungslos.      tung innerhalb von vier Tagen ein kom-
                                bindungen zu bekommen, was unsere         Schwierig ist es ledig-   plett neues Buch „Zuhause“ aus dem
© Foto: makistock/Adobe Stock

                                IT aber hervorragend gemeistert hat.       lich, kurzfristig über   Boden gestampft, mit dem wir unsere
                                                                          200 VPN-Zugänge zu
                                Organisatorisch haben wir beispiels-            bekommen.           Leserinnen und Leser mit Gedankenfut-
                                weise unsere Führungsmannschaft                                     ter und viel Service für die Tage in ihrer
                                in drei Einheiten verteilt; physische                               Wohnung versorgt haben. Dafür haben
                                Kontakte gab es nur innerhalb eines                                 wir enorm viel Zuspruch erfahren. Und
                                Teams, die anderen waren in der ers-                                die Erkenntnisse und Erfahrungen »

                                                                                                                          relevant. 2|2020 POLITIK
Relevant - Die neue Normalität Kommen wir nach der Pandemie wieder aus den Puschen? - BDZV
Unsere Berichterstat-
tung, unsere Einschät-
zungen wurden uns aus
den Händen gerissen –
sowohl frei verfügbare                                               ZUR PERSON Joachim Dorfs
                                                                     geboren 1964 in Essen, ist seit 2008 Chefre-

Inhalte als auch Beiträ-                                             dakteur der Stuttgarter Zeitung. Davor war er in
                                                                     leitenden Funktionen beim Handelsblatt tätig,
                                                                     u. a. als Korrespondent in Washington und Paris

ge hinter der Paywall.                                               sowie seit 2002 als stellvertretender Chefredak-
                                                                     teur. 2007 hat der studierte Volkswirt das Buch
                                                                     „Die Herausforderer: 25 neue Weltkonzerne, mit
                                                                     denen wir rechnen müssen“ im Hanser-Verlag
JOACHIM DORFS, CHEFREDAKTEUR, STUTTGARTER ZEITUNG                    München herausgegeben.
VERLAGSGESELLSCHAFT MBH

                           »  für dezentrales Arbeiten werden wir    Newsletter haben sich stark steigender
                           sicher für die Zukunft nutzen.            Nachfrage erfreut; allein unser Coro-
                                                                     na-Newsletter wurde über 7.000-mal
                           Nach der ersten Phase der Verunsi-        abonniert. Und auch der Austausch mit
                           cherung hat das Interesse der Men-        vielen Zeitungsleserinnen und -lesern
                           schen an seriösen und verlässlichen       war extrem stark.
                           Informationen in ganz Deutschland
                           zunächst stark zugenommen – haben         Welche Rolle kommt einer Regional-
                           Sie das bei der Stuttgarter Zeitung       zeitung als Mittler zwischen Politik
                           auch gespürt?                             und Bevölkerung in einer solchen
                           Absolut. Unsere Berichterstattung, un-    Ausnahmesituation zu?
                           sere Einschätzungen wurden uns aus        Ich finde die Zuweisung von staatspoli-

+100 %                     den Händen gerissen. Wir haben das
                           in den Zugriffszahlen auf unsere In-
                                                                     tischen Aufgaben für die Medien immer
                                                                     schwierig. Unsere Aufgabe ist eine sehr
Die Zugriffszahlen         halte auf unseren Webseiten gesehen,      gute, saubere Berichterstattung, Ein-
auf die Webseite der       die sich verdoppelt haben – übrigens      ordnung, Kommentierung und – wenn
Stuttgarter Zeitung
haben sich während         sowohl frei verfügbare Inhalte als auch   nötig – auch Kritik. Unsere Aufgabe ist
der Krise verdoppelt.      Beiträge hinter der Paywall. Unsere       aber nicht, kommunikative Probleme

POLITIK relevant. 2|2020                               10
der Regierenden auszubügeln. Ich fin-        19. März 2020           das Virus nutzt, um die Menschheit zu
                              de allerdings, dass die Politik nach an-     Buchproduktion          dezimieren. Aber wir haben schon ge-
                              fänglichen Schwierigkeiten unter dem         In gerade mal vier      fragt, ob jede Anti-Corona-Maßnahme
                              Strich gut kommuniziert hat. Gleich-       Tagen produziert die      sinnvoll und notwendig war, warum die
                                                                          Stuttgarter Zeitung
                              wohl war das Interesse an allen Aspek-     das Buch „Zuhause“        Kitas nicht früher wieder geöffnet wur-
                              ten der Pandemie enorm, und zwar vor        komplett im Home­        den oder ob man anders aus dem Lock-
                              allem an sicheren Informationen aus        office. Gedankenfut-      down hätte herauskommen können.
                                                                          ter und viel Service
                              verlässlichen Quellen.                     für die Leser in ihren
                                                                              Wohnungen.           Wie erklären Sie sich, dass ausgerech-
                              Während sich die Bevölkerung in der                                  net in einer der wohlhabendsten Regi-
                              ersten Phase der strengen Kontakt-         Anfang April 2020         onen Deutschlands so viele Menschen
                              beschränkungen sehr diszipliniert           Neue Plattform           offenbar empfänglich für „Wutbür-
                              gezeigt hatte, änderte sich das im Ver-      Start der Online-       ger“-Botschaften sind? Woher kommt
                              lauf von ein paar Wochen deutlich und      plattform „Stuttgart      dieses Misstrauen gegenüber dem
                                                                          gemeinsam stark“
                              die Zahl der Kritiker an den Maßnah-                                 Establishment?
                                                                            von Verlag und
                              men der Regierung ist stark gewach-           Redaktion. Die         Nach meiner Einschätzung liegt das
                              sen. Stuttgart war und ist eine Hoch-        Seite gibt lokalen      an einer Kombination aus verschiede-
                              burg dieser wütenden Proteste – war         Händlern Raum für        nen Faktoren. Zum einen gab es einen
                                                                          ihre Angebote und
                              Ihre Redaktion ebenfalls Zielscheibe       bietet Menschen aus       Organisator, der schnell auch über-
                              von Kritik und Angriffen? Wie sind Sie      Risikogruppen eine       regionale Größen wie etwa den You-
                              damit umgegangen?                          Anlaufstelle für Hilfe.   tuber Ken Jebsen in Stuttgart auf die
                              Man muss das einordnen. Die über-                                    Bühne geholt hat. Entsprechend war
                              wiegende Mehrheit der Deutschen               15. Mai 2020           auch viel überregionales Publikum
                                                                         Erste Schritte zurück
                              hat das Regierungshandeln für rich-                                  vor Ort. Hinzu kommt: Der Schwa-
                              tig gehalten, und im internationalen        „Zuhause“ sind die       be ist nicht so bieder, wie es seinem
                                                                            Menschen nicht
                              Vergleich ist Deutschland extrem gut       mehr ganz so oft; der     Klischee entspricht. Es gibt hier eine
                              durch die Krise gekommen. Trotzdem          Titel für die Sektion    selbstbewusste, mitunter auch rebel-
                              gab es natürlich Kritiker, und hier muss   verschwindet wieder.      lische Bürgerschaft. Und wir haben
                                                                           In der Stuttgarter
                              man differenzieren: Es gab und gibt die    Zeitung kommen Kul-
                                                                                                   dem Kommunikationswissenschaftler
                              Verschwörungstheoretiker und dieje-        tur und Sport wieder      Frank Brettschneider irgendwann die
                              nigen, die ernsthafte Anliegen haben,       stärker zur Geltung.     gleiche Frage gestellt. Seine Antwort:
                              sich vielleicht um ihre Existenz sor-                                Die Stuttgarter seien per se nicht de-
                              gen, nicht wissen, wie sie ihre Kinder            FAZIT              monstrationsfreudiger als etwa die
                                                                             Veränderung
                              betreuen sollen. Letztere muss man                                   Frankfurter. Wenn es aber einmal
                              sehr ernst nehmen und darf sie nicht         In der Krise hat sich   eine Protestkultur mit gewachsenen
                                                                         die Redaktion auf ihre
                              mit Ersteren in einen Topf schmeißen.                                Strukturen gebe, dann erhöhe das die
                                                                            Stärken besonnen.
© Foto: Stuttgarter Zeitung

                              Das ist extrem wichtig. Wir haben uns      Eine schnelle Reaktion    Wahrscheinlichkeit weiterer Kundge-
                              redaktionell bemüht, die Fragen aufzu-      ist in solchen Phasen    bungen. Und eine Protestkultur gibt es
                              greifen, die dort gestellt wurden, ohne         extrem wichtig.      wirklich in Stuttgart: Die Gegner von
                                                                             Gleichzeitig sind
                              den Verrückten hinterherzulaufen. Wir       Veränderungen auch       Stuttgart 21 waren inzwischen mehr
                              haben also nicht geprüft, ob Bill Gates     leichter umzusetzen.     als 500-mal auf der Straße. «

                                                                                  11                                 relevant. 2|2020 POLITIK
Gemeinsam gegen
die Pandemie
WISSEN Der Landkreis Heinsberg im äußersten Westen der Bundes-
republik war der erste Corona-Hotspot. Von den Erfahrungen, die hier
gemacht wurden, profitierten im weiteren Verlauf der Pandemie auch
die anderen Landesteile.
VON ANDREAS MÜLLER

                           D
                                  ie Nachricht erreichte unsere     durchgespielt, welche Folgen eine Pan-
                                  Redaktion am Abend des Ro-        demie in unserem Verbreitungsgebiet
                                  senmontags, also mitten im        für uns hätte. Am Abend des Rosen-
                           rheinischen Karneval: „Im Kreis Heins-   montags wurde uns schnell klar, dass
                           berg ist bei zwei schwer erkrankten      unsere Planspiele nun Realität wurden.
                           Menschen eine Infektion mit Covid-19     Nach ersten Gesprächen mit dem
                           nachgewiesen worden. Bei dem Ehe-        Landrat des Kreises Heinsberg und
                           paar handelt es sich um langjährige      seinen Kollegen in den benachbar-
Nach anfänglicher          Geschäftspartner des Medienhauses        ten Kreisen begannen wir 24 Stunden
Begeisterung über          Aachen. Beide kämpfen um ihr Leben.      nach Eingang der Erstinformation da-
das Homeoffice kann
sich die Mehrheit der      Und beide haben noch wenige Tage         mit, unser Haus in den Krisenmodus
Mitarbeiter nur mehr       zuvor in ihrem Heimatort Gangelt eine    zu versetzen: Einberufung des inter-
ein bis zwei Tage pro      Karnevalssitzung besucht.“               nen Krisenstabs, Einrichtung von Ho-
Woche vorstellen,
                           Schon Wochen vor dem Ausbruch hat-       meoffice-Plätzen, Neuordnung aller
von zu Hause aus
zu arbeiten. Der           ten wir vor dem Hintergrund der Ent-     Vertretungsregelungen, strikte Tren-
Kontakt zu Kollegen        wicklungen im chinesischen Wuhan         nung von Schichten in Druckerei und
fehlt.                     im Führungskreis unseres Hauses          Versand, Ausgabe von Schutzmateria-

POLITIK relevant. 2|2020                               12
Miteinander statt
                                                                                        gegeneinander: In
                                                                                        Heinsberg gab es viel
                                                                                        Solidarität und Ver-
                                                                                        trauen in der Krise.

lien, Zugangsbeschränkungen im Ge-        gut. Erste Informationen erreichten
bäude. Das volle Programm, das nach       uns in der Geschäftsführung teilweise
und nach in allen Unternehmen in          morgens um sieben Uhr, wenn sich die
Deutschland zum Standard wurde.           Krisenstäbe über die Entwicklungen
                                          der Nacht informierten.
Austausch mit Krisenstäben
Mehrfach täglich kommunizierte un-        Fragen über Fragen
ser Führungsteam mit den Leitern der      In den ersten Tagen galt unser Fokus
in unserem Verbreitungsbiet (Stadt        einer Großveranstaltung, die drei Wo-
Aachen, Städteregion Aachen, Kreis        chen nach Bekanntwerden der ersten
Heinsberg, Kreis Düren) gebildeten        Infektion in Aachen durch unser Haus
Krisenstäbe sowie deren Pressespre-       ausgerichtet werden sollte: eine große        Die 34. Ausgabe der
chern, die allesamt einmal Redakteure     Verbraucherschau mit gut 250 Ausstel-         Euregio Wirtschafts-
                                                                                        schau findet nun von
unserer Zeitungen waren. Von der ers-     lern und bis zu 70.000 Besuchern an           5.–14. März 2021 in
ten Stunde an herrschte hier ein un-      zehn Tagen. Täglich diskutierten wir mit      Aachen statt.
gewöhnlich vertrauensvoller Umgang,       den Krisenstäben, ob wir die Veranstal-
denn alle Beteiligten kannten sich sehr   tung absagen oder ausrichten sollten. »

                                                 13                                  relevant. 2|2020 POLITIK
Es hätte jeden von uns treffen können.
Das Ehepaar ist selber Opfer des Virus.
Beide sind nicht Auslöser dieser Krise,
sondern haben sich selbst bei irgend­
jemandem angesteckt.
STEPHAN PUSCH, LANDRAT DES KREISES HEINSBERG

Nachdem in den sozialen Medien unsachliche Vorwürfe gegen die ersten beiden
Covid-19-Patienten im Kreis Heinsberg veröffentlicht wurden, stellte sich Stephan
­Pusch in einer Pressekonferenz schützend vor das aus Gangelt stammende Ehepaar.

                            »  Allen Beteiligten war bewusst, wel-                  von Tageszeitungen und/oder Anzei-
                            che wirtschaftliche Bedeutung eine                      genblättern in ein Gebiet wie den Kreis
                            solche Veranstaltung hat und welche                     Heinsberg zu schicken, in dem die Zahl
                            Signalwirkung von einer Absage aus-                     der Infizierten und mittlerweile auch To-
                            gehen würde. Allen Beteiligten war aber                 ten täglich stieg? Werden wir in der Lage
                            auch klar, welche Risiken mit einer Aus-                sein, weiterhin regulär zu produzieren?
                            richtung verbunden waren. Die „Euregio                  Bleibt der Grenzübertritt für die Mitar-
                            Wirtschaftsschau“ wurde erst drei Tage                  beiter, die in Belgien oder in den Nieder-
Der BDZV hat sich
eng mit seinen zehn         vor der Eröffnung abgesagt. Neben die-                  landen wohnen, weiter möglich?
Landesverbänden             sem Thema beschäftigten uns aber auch
ausgetauscht und            noch andere Fragen: Dürfen wir wei-                     Intensivere Kommunikation
die Situation vor Ort
in allen Regionen           ter unsere Zeitungen überall zustellen?                 Am Rande einer Sitzung des Aache-
beobachtet.                 Können wir es verantworten, Zusteller                   ner Krisenstabs simulierte ein Poli-
                                                                                    zeibeamter, was ein zum damaligen
                                                                                    Zeitpunkt diskutiertes weitreichendes
                                                                                    Ausgehverbot für Folgen hätte. Ange-
                                                                                    sichts der gespenstischen Szenarien
                                                                                    wuchs bei uns die Sorge um unseren
                            ZUR PERSON Andreas Müller                               Hauptstandort. Wäre ein Gebäude, das
                                                                                    wegen der Ausgangssperre komplett
                            1983 Einstieg als Volontär in die Redaktion
                            der Aachener Nachrichten. Danach diverse                leer steht und nur von einem Pförtner
                            Funktionen in nahezu allen Verlagsbereichen             „bewacht“ wird, nicht ein willkomme-
                            von Tageszeitung und Anzeigenblättern der               nes Objekt für Einbrecher? Schon frü-
                            Unternehmensgruppe in Deutschland und in
                            den Niederlanden. Seit 2008 Geschäftsführer             her hatten wir damit in einer unserer
                            der Medienhaus Aachen GmbH.                             Druckereien Probleme. Wir bereiteten

POLITIK relevant. 2|2020                                          14
Arbeiten in kleinen
                                                                                                                     Teams: Immer sechs
                                                                                                                     Mitarbeiter waren
                             uns deshalb darauf vor, dass neben       „Vertrauen Sie AZ und AN“                      insgesamt im Ver-
                                                                                                                     lagshaus und in der
                             dem Pförtner rund um die Uhr sechs       Unsere Initiative führte dazu, dass der        Druckerei anwesend
                             weitere Mitarbeiter das Verlagshaus      schon vertrauensvolle Umgang noch              – auch um vor Ein-
                             und die Druckerei schützen sollten –     vertrauensvoller wurde. Unsere Re-             brechern geschützt
                                                                                                                     zu sein.
                             und orderten Feldbetten und „Proviant“   daktion erhielt „inoffiziell“ Informatio-
                             für den Fall des Falles.                 nen, die anderen Medien verschlossen
                             Es dauerte nicht lange, bis in den so-   blieben. Nicht nur aus den Krisenstä-
                             zialen Medien die ersten falschen        ben der Kommunen, sondern auch
                             Horror­geschichten über die Zahl der     aus den Krankenhäusern, in denen
                             Toten sowie zweifelhafte Schutzmaß-      die schwersterkrankten Menschen der
                             nahmen veröffentlicht wurden. Den        Region behandelt wurden. Das hatte
                             örtlichen Behörden wurde schnell klar,   einen enormen Einfluss auf die Quali-
                             dass sie noch intensiver mit den Bür-    tät unserer Berichterstattung und auch
                             gern kommunizieren mussten als in        auf die Entwicklungen des Lesermark-
                             den Tagen zuvor. Die Möglichkeiten       tes. Wenn ein Behördenleiter, der zuvor
                             der Behörden waren hier allerdings       eher als Kritiker von Aachener Nach-
                             sehr beschränkt. Spontan boten wir       richten und Aachener Zeitung galt, in
                             allen Krisenstäben an, dazu kosten-      einer internen Sitzung gegenüber sei-
                             los „Anzeigen“ in unseren Tageszei-      nen Mitarbeitern betont: „Vertrauen Sie
                             tungen und Anzeigenblättern zu nut-      ruhig AZ und AN“, dann wirkt das wie
© Fotos: Medienhaus Aachen

                             zen. Sie nutzten beide Gattungen. Die    ein Vertrauens-Booster auf die Aufla-
                             Anzeigenblätter, um Ratschläge flä-      genentwicklung.
                             chendeckend zu kommunizieren. Die        Alle Kliniken suchten für den Fall des
                             Tageszeitungen, um tagesaktuell zu       Falles zusätzliches Personal. Dazu
                             kommunizieren.                           wurde von den Krisenstäben in der »

                                                                             15                                   relevant. 2|2020 POLITIK
+25 %
INFO Auflagenentwicklung
                                                                                              Steigerung der vollzahlenden
                                                                                              Paid-Content- und E-Paper-
                                                                                              Kunden konnte das Medien-
                                                                                              haus Aachen von Februar
                                                                                              auf Juli 2020 verzeichnen.

Anfangs stark von der Corona-Berichterstattung beeinflusst, ist es heute vor allem die konsequente re-
daktionelle Ausrichtung auf lokale Themen, die für eine Steigerung der digitalen Neukundenproduktion
um gut 40 Prozent verantwortlich ist. Bei einer Haltbarkeit von durchschnittlich 77,3 Prozent nach drei
Monaten gelingt es aktuell auch, diese Kunden längerfristig im Abonnement zu halten. Im gleichen
Zeitraum haben sich die Verluste in der Printabonnement-Auflage um gut 10 Prozent gegenüber den
Vormonaten verringert, was in der Gesamtbetrachtung von Digital und Print mit derzeit 87.175 Kun-
den trotz Preiserhöhung im März zu einem steigenden Kundenbestand führt (vgl. 03/20: 87.028).

                           »  Region eine Koordinierungsstelle                tabel durch die Helfer erledigt werden
                           beim Deutschen Roten Kreuz einge-                  konnten. Und auch das hatte wieder
                           richtet. Hier sollten sich Menschen                Auswirkungen auf die krisenbedingte
                           mit beliebiger medizinischer Qualifi-              Zusammenarbeit zwischen den Behör-
                           kation melden. Geplant war, dass die               den und dem Medienhaus der Region
                           Rotkreuzler die Profile der Bewerber               Aachen. Diese hält bis heute an.
                           telefonisch aufnehmen und dann auf                 Mittlerweile werden die Anzeigen
                           Papierformulare übertragen sollten.                seitens der Behörden bezahlt. Bei der
                           Bei Anforderungen seitens der Klini-               Aufarbeitung des bisherigen Verlaufs
                           ken sollten die Mitarbeiter dieser be-             der Pandemie ernten wir von allen
                           hördlichen Koordinierungsstelle die                Seiten viel Lob. Und alle kommunalen
                           Qualifizierten aus den Aktenordnern                Spitzenpolitiker denken mit uns dar-
5 Tage                     heraussuchen. Alle zuvor diskutierten
                           digitalen Möglichkeiten scheiterten
                                                                              über nach, wie wir bei der gebotenen
                                                                              kritischen Distanz zwischen Politik/
nach Start des Lock-
downs ging das Por-        daran, dass sich die Behörden nicht in             Verwaltung und Medien gemeinsam
tal „Aachen handelt“       der Lage sahen, auf die Schnelle eine              da­ran arbeiten können, das Gemein-
online. Parallel dazu
                           technische Lösung bereitzustellen.                 wesen in Deutschland lebendig und
entstand eine Ver-
netzungsplattform          Wir gingen wieder in Vorleistung: Die              funktionsfähig zu halten.
im Bereich „medizini-      Programmierer des Medienhauses Aa-                 Die daraus entstandenen Projekte hel-
sches Fachpersonal“        chen bauten innerhalb von 36 Stunden               fen uns, einen kleinen Teil unserer
für die Krisenstäbe
und das Deutsche           eine Onlinelösung auf, mit der diese Ar-           Ausfälle auf dem Werbemarkt zu kom-
Rote Kreuz.                beiten automatisiert und sehr komfor-              pensieren. «

POLITIK relevant. 2|2020                                     16
FLAUTE?
MIT UNS NIMMT IHR
WOCHENBLATT WIEDER
FAHRT AUF!

      ZUSÄTZLICHE VERMARKTUNGSERLÖSE
      HOCHWERTIGER CONTENT
      STÄRKERE LESERBINDUNG
      MEHR INDIVIDUALITÄT

Haben Sie noch weitere Fragen rund um unser Produkt?
Dann treten Sie mit uns in Kontakt, wir beraten Sie gerne:
   kundenservice@rtv.de
„In der Krise hat sich aus­
gezahlt, dass der BDZV schon
länger digital aufgestellt ist“
ANWENDUNG BDZV-Geschäftsführerin Katrin Tischer spricht im Interview
über die Herausforderungen in der Corona-Krise, wie der Verband reagiert
hat und welche Lösungen auch künftig Bestand haben werden.
INTERVIEW VON WOLFRAM A. ZABEL

                           F
                                   rau Tischer, die Corona-Krise,    verstreut. Die erste Herausforderung
                                   und hier besonders der Shut-      bestand also darin, unsere Arbeitsfä-
                                   down, hat Verbände vor beson-     higkeit sicherzustellen, technisch und
                           dere Herausforderungen gestellt. Wel-     prozessual die plötzlich im Wohn- und
                           che waren das für die Arbeit des BDZV?    Arbeitszimmer sitzenden Kolleginnen
                           Wie die meisten waren wir es ge-          und Kollegen wieder an alle Workflows
                           wohnt, gemeinsam in einem Haus zu         anzubinden.
                           arbeiten: physische Präsenz, kurze
                           Wege und eine schnelle Erreichbar-        Wie ist Ihnen dies gelungen?
                           keit. Von einem auf den anderen Tag       Durch schnelles Handeln. Als deutlich
                           fiel dies komplett weg, plötzlich waren   wurde, dass ein Arbeiten im Büro nicht
                           alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter     mehr möglich sein wird, haben wir die
                                                                     Computer aller Mitarbeiterinnen und
                                                                     Mitarbeiter mit VPN-Zugängen ausge-
                                                                     stattet. Einige davon habe ich selbst
   Mit Beginn der Krise konnten wir auf                              den Kollegen nach Hause gebracht.
den Punkt den gestiegenen Informa-
                                                                                                               © Foto: Frank Nürnberger

                                                                     Es hat sich ausgezahlt, dass sich der
                                                                     BDZV bereits seit geraumer Zeit digita-
tions- und Abstimmungsbedarf unserer
                                                                     ler aufgestellt hat: mit entsprechenden
Mitglieder organisieren und realisieren.                             Kommunikationstools und digitalen
KATRIN TISCHER, BDZV-GESCHÄFTSFÜHRERIN                               Formaten. Diese haben wir während

POLITIK relevant. 2|2020                               18
Katrin Tischer erläu-
                                                                                         tert im Gespräch, mit
                                                                                         welchen Maßnahmen
des Shutdowns ausgebaut, zum Bei-           fen, von der Pandemie betroffen sind:        der BDZV seine
                                                                                         Arbeitsfähigkeit
spiel mit unserem täglich morgens           Arbeitsrecht, Sozialpolitik, Medienpo-       sichergestellt hat.
stattfindenden „Covid-Call“. Für unsere     litik, Kommunikation, Leser- und Wer-
Mitglieder bieten wir zudem wöchent-        bemarkt. Es gibt kein Thema, das von
liche, themenspezifische Webinare           der Krise verschont bleibt, da ist eine
und Adhoc-Calls zu wichtigen Themen         tägliche Abstimmung aller Bereiche
an. Mit Beginn der Corona-Krise konn-       unerlässlich. Wenn sich die Wirtschaft
ten wir auf den Punkt den gestiegenen       im Krisenmodus befindet, rückt die
Informations- und Abstimmungsbe-            Daseinsberechtigung eines Verbandes
darf unserer Mitglieder entsprechend        noch einmal mehr in den Fokus als zu
organisieren und realisieren.               normalen Zeiten. So ist es dem BDZV
                                            äußerst schnell gelungen, die System-
Was ist der Covid-Call?                     relevanz der Zeitungen bei Politik und
Der Covid-Call ist eine tägliche virtu-     Verwaltung zu verankern. Dadurch war         Der neue Covid-Call
elle Zusammenkunft der Geschäfts-           es unseren Mitgliedern möglich, nicht        als tägliches Dia-
                                                                                         loginstrument für
führung und aller Ressortleiter der         nur täglich eine Zeitung zu produzie-        die BDZV-Führung
BDZV-Geschäftsstelle, der unsere wö-        ren, sondern auch zu drucken und zu-         wird auch in Zukunft
chentliche Hauskonferenz abgelöst           zustellen. Außerdem haben wir die Be-        weitergeführt.
hat. Wir haben sehr schnell festgestellt,   deutung der Verkaufsstellen adressiert
dass alle Themenbereiche, die in der        und aufgeklärt, dass das Virus nicht an
BDZV-Geschäftsstelle zusammenlau-           Papier haftet.                        »

                                                   19                                 relevant. 2|2020 POLITIK
Mit einer guten Portion Mut für Neues und
Teamgeist sind wir gut gerüstet, um auch
künftige Herausforderungen zu meistern.
KATRIN TISCHER, BDZV-GESCHÄFTSFÜHRERIN

                           »  Auf politischer Ebene wurde die          onsfluss in die Mitgliedschaft hinein.
                           Rolle des Föderalismus in der Pande-        Auch die verschiedenen Learnings und
                           mie teilweise kritisiert. Übertragen        Best Practices konnten wir als kom-
                           auf die Verbandslandschaft: Welche          munikativer Dreh- und Angelpunkt
                           Bedeutung hatte das Zusammenspiel           schnell verteilen: Was läuft in Bayern
                           zwischen dem BDZV und seinen Lan-           anders als in NRW und umgekehrt, zu
                           desverbänden?                               welchen länderspezifischen Entwick-
                           Eine sehr große Bedeutung. Bereits          lungen lassen sich Analogien bilden,
                           bei den bisherigen Herausforderungen        um nur zwei Beispiele zu nennen. Ins-
                           funktioniert die Aufgabenverteilung         gesamt gab es immer eine zügige und
Die föderale Struktur      gut. Der BDZV und seine Landesver-          zeitnahe Abstimmung, die dem ge-
des BDZV und seiner        bände ergänzen sich hervorragend.           meinsamen Anliegen eine zusätzliche
Mitgliedsverbände
war eine wichtige          Während des Shutdowns hat die Zu-           Schlagkraft verliehen hat.
Basis, um auf unter-       sammenarbeit eine neue Qualität er-
schiedlichen Ebenen        reicht. Als zentraler Ansprechpartner       Viele Verbände haben Mitgliederver-
die Politik adressie-
                           für die Politik konnte der BDZV die un-     sammlungen und Tagungen ausfallen
ren zu können.
                           terschiedlichen Entwicklungen in den        lassen, der BDZV nicht. Besonders be-
                           einzelnen Bundesländern analysieren         merkenswert war, dass Sie die beBETA
                           und daraus Schlüsse für das weitere         virtuell durchgeführt haben. Welche
                           Vorgehen ziehen. Umgekehrt ermög-           Herausforderungen mussten Sie dafür
                           licht unsere föderale Verbandsstruktur      meistern?
                           einen besonders schnellen Informati-        Nachdem relativ schnell klar war, dass
                                                                       eine Präsenzveranstaltung so nicht
                                                                       mehr stattfinden konnte, haben wir Al-
                                                                       ternativen geprüft. Dabei reichten die
                                                                                                                © Fotos: Frank Nürnberger, Privat

                                                                       Überlegungen von einer klassischen
                                                                       Onlinekonferenz via Zoom bis hin zu
ZUR PERSON Katrin Tischer                                              aufwendigeren Formaten. Wir haben
                                                                       innerhalb von zwei Monaten ein kom-
Katrin Tischer verantwortet als BDZV-Geschäftsführerin den Fach-
bereich Märkte. Ihr Team fokussiert die Bereiche Vertrieb, Anzeigen,   plett neues Konzept aus dem Boden
Digitales, Forschung, Analyse und Database (Print & Digital).          gestampft, obwohl die Location bereits

POLITIK relevant. 2|2020                                    20
gebucht und das Programm für zwei
Tage geplant waren. Diese Neuorgani-
sation haben wir in der Hochphase der
ersten Corona-Welle realisiert, das war
schon eine echte Herausforderung mit
sehr vielen Hürden und so manchem
Nervenkitzel. Das Motto war: Einfach
machen! Wir haben unterschiedliche
Teams gebildet, die Abstimmungen über
Telefon- und Webcalls organisiert und
die gemeinsame Projektarbeit über ein
digitales Kanban-Board abgewickelt.
Die Konferenz wurde ein großer Erfolg
und ein wesentlicher Erfolgsfaktor war
hierbei echtes Teamwork. Hier mei-
ne ich Teamwork im weitesten Sinne:
Die engagierte Unterstützung aus der
Mitgliedschaft durch Thomas Düffert,
Vizepräsident des BDZV, war sehr in­
                                                                                       Der BDZV bietet
spirierend und gewinnbringend.                                                         seinen Mitgliedern
                                                                                       seit der Corona-Krise
Unter anderem bemisst sich der Erfolg      grund, dass wir nicht von einer exter-      verschiedene digitale
                                                                                       Formate für Dialog
eines solchen Formats auch an der          nen Agentur unterstützt wurden, son-        und Erfahrungsaus-
Teilnehmerzahl. Wie viele Gäste hat-       dern alle Anforderungen mit unseren         tausch.
ten Sie auf der Onlineveranstaltung?       verbandsinternen personellen Res-
Wir hatten bereits im Vorfeld über 1.200   sourcen bewältigt haben ...
Anmeldungen für die beBETA – in der
Spitze waren es fast 900 Teilnehmer,       Wie ist die beBETA außerhalb der ver-
die unsere Veranstaltung verfolgten.       bandseigenen Community aufgenom-
Unterm Strich sind das exzellente          men worden?
Zahlen und auch ein Beleg dafür, dass      Sehr gut. Wir haben unseren Teilneh-
es uns gelungen ist, ein attraktives,      merkreis deutlich über die klassischen
spannendes und informatives Format         Mitglieder hinaus erweitern können
umzusetzen. Am Ende hat alles ge-          und auch insgesamt viel Lob für die
stimmt: die umsichtige Organisation,       Veranstaltung erhalten. Das ist für
die technische Basis, die Dramaturgie,     uns auch eine wichtige Basis, um un-
die professionelle Umsetzung und der       serem neuen Verbandsnamen, der
erfolgreiche Dialog mit den Speakern       mittlerweile auch die Digitalpublisher
und Teilnehmern.                           umfasst, gerecht zu werden. Diesen
Wenn man bedenkt, dass wir von der         Beweis haben wir erbracht. Mit ei-          Das Interview
Planung bis zum Veranstaltungster-         ner guten Portion Mut für Neues und         führte Wolfram A.
min gerade einmal zwei Monate Zeit         Teamgeist sind wir gut gerüstet, um         Zabel, Journalist
                                                                                       und Kommunikati-
hatten, sind wir mit dem Resultat sehr     auch künftige Herausforderungen zu          onsberater, Inhaber
zufrieden – vor allem vor dem Hinter-      meistern. «                                 74z Consult.

                                                  21                                relevant. 2|2020 POLITIK
Vom Leser lernen
MEINUNG Ein Virus kennt keine Grenzen. Für die
Eindämmung von Covid-19 ist das ein Nachteil, für das
gegenseitige Lernen aus der Krise von Vorteil. Ebenso
für Medienhäuser: Ähnliche Problemlagen, gleiche
Ziele, unterschiedliche Lösungsansätze befeuern das
Lernen voneinander. Auch grenz­überschreitend, zeigt
der Blick ins europäische Ausland.
VON ANDREA GOURD

                         Z
                               usammenarbeit ist entschei-         trierung fällig. Und wer an die Grenze
                               dend“, meint mit Stijn Vercamer,    von fünf Freiartikeln im Monat stößt,
                               Digital Director beim belgischen    bekommt postwendend ein günstiges
                         Verlagshaus Mediahuis, einer, der sich    Abo-Angebot.
                         auskennt im Markt. Mit regionalen und
                         nationalen Zeitungen, Rubrikenporta-      Ohne Nutzeranalysen geht nichts
                         len und Magazinen ist Mediahuis in        Essenziell ist für Vercamer dabei eine
                         fünf europäischen Ländern vertreten       flexible Preisstrategie. Er spricht von ei-
                         und erreicht täglich etwa zehn Millio-    ner smarten Paywall und davon, dass es
                         nen Menschen. Oder mehr, wenn gera-       eben keine „one size fits all Paywall so-
                         de Corona das Leben und die Nachrich-     lution“ gebe. In der Corona-Ausnahme­
Wie das Verlagshaus      tenlage beherrscht. Auch für Mediahuis­   situation hat Mediahuis seine Preispo-
die gestiegenen          kam mit dem Lockdown der Höhenflug        litik daher angepasst. Standardmäßig
Reichweiten für
die Konvertierung        der digitalen Reichweiten – und eine      gibt es ein Promo-Angebot mit 50 Pro-
neuer Digitalkunden      nahezu Verdreifachung der digitalen       zent Rabatt. In der Corona­-Krise wurde
genutzt hat, erklärte    Abschlüsse. Mit 4.000 und mehr neuen      der Einstiegsmonat mit nur einem Euro
Stijn Vercamer vom
Mediahuis in Antwer-     Abonnenten pro Woche war das Virus        berechnet. Immer das Ziel vor Augen,
pen in der Webi-         ein kräftiger Treiber für die Paid-Con-   den neuen Covid-19-Lesern den Weg ins
nar-Reihe „Wissens-      tent-Strategie der Belgier. Unter an-     Abonnement zu ebnen. Ein erfolgrei-
WERT“, mit der BDZV
                         derem deshalb, weil Media­    huis sich   ches Stufenkonzept, wie der Abo-Boom
und ZV Akademie
ihre Mitglieder auch     in der Krise gegen eine Absenkung         seit März zeigt. Um aus den Neukunden
in der Corona-Zeit       der Paywall entschieden hatte. Die        aber auch loyale Dauergäste auf den
regelmäßig mit wich-     wichtigsten Covid-19-Infos sind frei      hauseigenen Websites zu machen, hat
tigen Insights von Ex-
perten versorgten.       zugänglich, für ausführliche Berichte     Vercamer ein weiteres Rezept: testen,
                         und Premium Content ist eine Regis-       was das Zeug hält. Und alles messen,

MARKT relevant. 2|2020                               22
Bindung. Die Lese-Intensität hat sich
                                               während des Lockdowns auf mehr als
                                               zehn Artikel täglich gesteigert. Die
                                               Mediahuis-Antwort darauf war, noch
                                               mehr Nicht-Corona-Inhalte zur Verfü-
                                               gung zu stellen. Und, auch das ist für
                                               Vercamer eine klare Erkenntnis: „Digi-
                                               tal first is not good enough any more.
                                               It has to be mobile first.“ Der Zugriff via
                                               Smartphone habe überproportional
                                               zugenommen, also müssten auch alle
                                               Formate mobiloptimiert sein.

  There is no such thing as a ‚one size
fits all Paywall solution‘. The Paywall is
a gateway, but content is key.
STIJN VERCAMER, DIGITAL DIRECTOR MEDIAHUIS, ANTWERPEN, BELGIEN

was irgendwie messbar ist. Sein Augen-         Loyalität erhöhen
merk gilt detaillierten Nutzeranalysen         Die wichtigste aller Fragen: Wie schafft
– und dem intensiven Bemühen um je-            man es, die neu hinzugewonnenen
den einzelnen Leser.                           Leser dauerhaft bei der Stange zu hal-
Was lesen die User, wann, wie und              ten? Für die „Corona-Subscribers“ hat
wie viel lesen sie, was ist der beste          Mediahuis ein intensives „Bleib bei
Einstiegs-, was ein realistischer Abo-         uns“-Programm ausgearbeitet. Sein               Um neue Kunden
Preis? Mit seinen Datenanalysen gene-          Kern: User immer wieder zu aktivieren.          direkt zu binden,
                                                                                               bekommen sie
riert Mediahuis wertvolles Wissen für          Mit einem täglichen Corona-News-                regelmäßig Post von
die Kundenbindung. So sind die durch           letter, einer Zufriedenheitsbefragung           Mediahuis: Neben
Corona neu gewonnenen Kunden                   innerhalb der ersten 30 Abo-Tage und            dem Corona-News-
                                                                                               letter auch Mails mit
durchaus nicht nur am Virus-Thema              einer Extraportion Aufmerksamkeit
                                                                                               Hinweisen auf span-
interessiert, sondern lesen regelmäßig         für Nutzer, die das journalistische An-         nende Artikel. „To
auch andere Inhalte – eine wichtige            gebot an weniger als drei Tagen in der          keep them reading“,
Voraussetzung für eine langfristige            Woche nutzen. Auf Leserrückmel- »               so Vercamer.

                                                       23                                    relevant. 2|2020 MARKT
10   Guiding
                                                                  ben. Abo-Kündiger müssten auf jeden
                                                                  Fall weiter im Blick bleiben, appelliert
                                                                  Vercamer. Für Mediahuis gelte jeden-

                         Principles                               falls, dass jeder Aussteiger definitiv
                                                                  weitere Angebote bekomme, um wie-
                         des Svenska Dagbladet                    der an Bord zu kommen. Aktivieren
                                                                  und reaktivieren ist die Zauberformel,
                         1 Our readers are our focus              so scheint es. You always see twice –
                         2 We are always relevant                 wenn es nach dem Verlag geht.

                         3 We add something unique                Klare Leserorientierung
                         4W
                           e respect our readers‘ ability        beim Svenska Dagbladet
Die Idee dahinter         to think for themselves                 Auch etwas weiter im Norden hat Co-
„The smart news
experience“ nennt        5W e provide several multiple           rona den Blick für die Bedürfnisse der
das Svenska Dagbla-       ­perspectives                           Leserinnen und Leser noch weiter
det sein Projekt, mit                                             geschärft. Für das Svenska Dagbla-
dem bis 2022 alle        6 We care about our readers‘ time
                                                                  det aus Stockholm galt schon vor der
Weichen auf „digital“
gestellt werden. Eine    7 We care about quality                  Pandemie die Maßgabe, dass auf lan-
digitale Landkarte
                         8 We are transparent                     ge Sicht nur eine starke Marktposition
zeichnet die Etappen                                              im Digitalen wirtschaftlichen Erfolg
vor. Die zehn Leitsät-   9 We collaborate                         verspricht. Den Weg dahin beschreibt
ze geben übergeord-
nete Orientierung.       10 We dare to try new things             ein Programm mit zehn Leitlinien (sie-
                                                                  he Auflistung links). Dessen oberster
                                                                  Grundsatz: Our readers are our focus.
                                                                  Die absolute Leserorientierung stehe
                                                                  über allem, betont Anna Careborg, CEO
                                                                  und Chefredakteurin des Svenska Dag-
                         »  dungen und Anregungen geht der        bladet. Aber nicht die Gelegenheitsle-
                         Verlag intensiv ein. Schnell zu sein     ser, sondern digital aktive Abonnenten
                         und proaktiv tätig zu werden, gehört     sind das Ziel: Leser, die an mehr als vier
                         für Vercamer zu den wesentlichen Er-     Tagen pro Woche die journalistischen
Das Leseverhalten        folgsfaktoren, um Kunden zu halten.      Angebote der zum Schibsted-Konzern
ist ein wichtiger        Wer dennoch aus dem Abonnement           gehörenden Zeitung nutzen. Und was
Indikator: Je weniger    aussteigen möchte, kommt um einen        zieht sie an? Guter Journalismus, ist
                                                                                                               © Foto: Lindisima - Linda Broström

ein Abonnent das
                         persönlichen Kontakt zum Kunden-         sich Careborg sicher. Relevanter, in-
Angebot nutzt, desto
größer ist das Risiko,   service nicht herum. Der ist geschult,   vestigativer, auf die Bedürfnisse der
dass er bald kündigt.    Aussteiger möglichst zu halten – auch    Nutzerinnen und Nutzer ausgerichte-
Der „roten Gruppe“       mit preislich gestaffelten Angeboten.    ter Journalismus. Was genau sie gerne
der Wenig-Leser gilt
daher besonderes         Und wer sich trotzdem verabschiedet,     lesen, hat die schwedische Zeitung in
Engagement.              wird noch lange nicht verloren gege-     reichlich Leserbefragungen und noch

MARKT relevant. 2|2020                               24
Our vision: An open
                                           and democratic society
                                           with investigative and
                                           independent journalism.
                                           ANNA CAREBORG, CEO UND CHEFREDAKTEURIN SVENSKA DAGBLADET,
                                           STOCKHOLM, SCHWEDEN

mehr Datenanalysen ergründet. Es           ihn beschleunigt. Quasi im Zeitraffer
sind vor allem die ausführlichen Re-       hat das Virus weitere Lerneffekte pro-
cherchen und vertiefenden Geschich-        duziert. Dass die Menschen in der Krise
ten, die Leser faszinieren und für die     den lösungsorientierten, konstruktiven
sie bereit sind zu zahlen.                 Journalismus besonders nachfragen –
Die Antwort des Svenska Dagbladet:         und trotz des großen Infobedarfs rund       Für eine erfolgreiche
ein massiver Ausbau der Redaktion,         um Covid-19 eben auch andere Inhal-         Marktposition im
                                                                                       Digitalen braucht es
ressort­übergreifende      Team-Zusam-     te suchen und angeboten bekommen            agiles Umdenken –
mensetzungen und Investition in neue       möchten. So konnte das Svenska Dag-         und Geld. Vor allem
journalistische Formate. Vor allem in      bladet mit einer einfachen Hinweis-         in die Produktent-
                                                                                       wicklung haben die
solche, die den Dialog mit den Lesern      box auf die Top-30-Artikel der Zeitung
                                                                                       Schweden mit neuen
und ihre Bindung forcieren – indem         – darunter auch ältere – viele Abon-        Analysetools und
sie digitale Gewohnheiten festigen. Das    nenten gewinnen. Auch Video-Events,         dem Ausbau der
funktioniert zum Beispiel mit dem tägli-   Angebote zur Unterhaltung und für           Redaktion investiert.
                                                                                       Ihr Learning: „People
chen Morgen-Newsletter für Abonnen-        Kids brachten gute Conversions. Eine        are willing to pay for
ten: Bis zu 71.000 Abonnenten versorgt     abteilungsübergreifende Taskforce be-       quality journalism
„The SvD Morning Report“ morgens um        schäftigt sich ausschließlich damit,        – but they have to
                                                                                       think it is worth it!“
halb sieben mit den wichtigsten News.      wie man neue Abonnenten anzieht –
90 Sekunden intensive Leserbindung.        und wie man sie hält. Das funktioniert
Entwickelt wurde der Newsletter mit-       gut. Mit einem Plus von 130 Prozent bei
hilfe von mehr als 15.600 Leserrück-       den Digitalabos habe Corona die digi-
meldungen. Das sei eine neue Art,          tale Route der Schweden beschleunigt,
Feed­back wirklich ernst zu nehmen,        freut sich Careborg: „The Corona crisis
meint Careborg. Und ein Weg, den sie       has strengthened us – now we have to
weiter beschreiten möchte. Corona hat      move even faster.“ «

                                                  25                                 relevant. 2|2020 MARKT
Danke für Ihr erhebliches
                                                                        Engagement, eine informative
  Sie machen                     Ich finde es toll, wie                 und zuverlässige Zeitung
  einen tollen Job.              differenziert und um-                  weiterhin herauszugeben.
  Bitte berichten                fassend Sie zum Thema
  Sie auch weiter-               Corona informieren –
  hin sachlich                   auch bei Themen, die
  und kritisch.                  in anderen Medien eher
                                 unter den Tisch fallen.                           Die Zeitung ist
                                                                                   im Moment ein
                                                                                   echter Ruhepol.
                                                                                   Ich weiß, ich
                                                                                   kann mich auf

Wie ein Virus die
                                                                                   die Zeitung
                                                                                   verlassen.

Lesernähe stärkt
WISSEN Der Kampfansage durch Covid-19 sind viele Zeitungen
mit besonderer Agilität begegnet. Auf dem Lesermarkt und in
ihren eigenen Häusern haben sie damit viel bewegt.
VON ANDREA GOURD

                         N
                                 icht immer sind Leserbriefe so     Wandlungsfähig in der Krise
                                 aufmunternd wie die Beispiele      Das ist den meisten Zeitungen in der
                                 oben. Aber auch das ist eine Be-   Corona-Hochphase in einer Weise ge-
                         gleiterscheinung der Pandemie: Viele       lungen, wie man es ihnen ohne dieses
                         Zeitungen bekamen für ihre journalis-      Krisenszenario vielleicht nicht zuge-
Mit umfangreichen        tische Arbeit unter extrem erschwerten     traut hätte. Das Virus wurde zum un-
Informationen zu         Bedingungen mehr geäußerte Anerken-        geplanten Stresstest für die Verlage.
Rechtsfragen, Anzei-
genkampagnen und         nung als sonst üblich. In einer Krisen-    Immerhin galt es für sie, (mindestens)
Studien zur Bedeu-       situation systemrelevant zu sein, heißt    zwei Herausforderungen gleichzeitig
tung der Zeitungen       eben auch, unmittelbar in der Lebens-      zu meistern: Eben jene journalistische
hat der BDZV seine
                         welt der Menschen verankert zu blei-       Aufgabe zu erfüllen und die eigenen
Mitgliedsverlage in
der Krisenzeit inten-    ben. Lokaljournalismus soll die großen     Strukturen innerhalb von Tagen so an-
siv unterstützt.         Themen für die Menschen vor Ort he­        zupassen, dass dies auch organisato-
                         runterbrechen, heißt es. Zeigen, welche    risch möglich ist. Ein Kraftakt auf meh-
                         Konsequenzen politische Entscheidun-       reren Ebenen. Die Redaktion aus dem
                         gen vor der eigenen Haustür haben.         dezentralen Homeoffice war völliges
                         Oder eben: Was eine weltweite Pande-       Neuland. Druck, Logistik, bis hin zum
                         mie für den eigenen Alltag bedeutet.       Einwurf in die Briefkästen, mussten als

MARKT relevant. 2|2020                                26
Teil der „kritischen Infrastruktur“ auch
                  im Shutdown aufrechterhalten werden.
                  „Zeitungmachen ging bisher anders“,
                  überschreibt die Frankfurter Allgemei-
                  ne Zeitung ihren Erfahrungsbericht
                  zum Arbeiten aus der Distanz. Aber
                  es bleibt die Erkenntnis: Es geht auch
                  anders. Mit mobilem Arbeiten, neuen
                  Tools und Kommunikationsformen
                  innerhalb der Medienhäuser, innovati-
                  ven Formaten für die Leser, der Abkehr
                  vom Terminjournalismus. Nicht leicht
                  für eine Branche, die im Ruf steht, bei
                  Neuerungen vorsichtig, gar träge zu
                  sein. „In der Krise ist unsere Angst vor         Für uns war Corona eine Bestätigung
                  Veränderung gewichen“, so Swantje              der These, dass wir vor allem für die
                  Dake, Chefredakteurin Digital bei der          regionalen und lokalen Themen gelesen
                  Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nach-
                  richten. Und: „Die Krise war der Auslö-
                                                                 werden. Die Frage, was die globale Pan-
                  ser für einen enormen Energielevel, den        demie für mich vor Ort bedeutet, kann
                  wir jetzt halten müssen.“ Auch für Steffi      nur die lokale Zeitung beantworten.
                  Dobmeier, stellvertretende Chefredak-          SWANTJE DAKE, CHEFREDAKTEURIN DIGITAL,
                  teurin und Leiterin digitale Inhalte und       STUTTGARTER ZEITUNG/STUTTGARTER NACHRICHTEN
                  Strategie bei der Schwäbischen Zeitung,
                  ist das eines der wichtigsten Learnings.
                  „Wir haben gemerkt, dass wir uns viel
                  schneller verändern können, als wir das
                  gedacht haben. Wir können uns schnell
                  anpassen, schnell neue Strukturen und       Jahren auf die Portale gekommen, das
                  Themen aufsetzen.“ Das wirke in die         Publikum sei insgesamt weiblicher ge-
                  Zukunft, denn „das, was wir in dieser       worden und die Mobilnutzung habe ge-
                  Zeit über die Möglichkeiten des Digita-     genüber der Desktopnutzung deutlich
                  len, agiles Arbeiten und Anpassungsfä-      zugelegt, stellt Dobmeier für die Schwä-
                  higkeit lernen, wird uns und auch den       bische Zeitung fest. Außerdem kamen
                  Journalismus nachhaltig verändern“.         die User häufiger und blieben länger –
                  Das klingt ermutigend. Auch die jour-
                  nalistische Leistung im Angesicht der
                  Pandemie macht Mut. Die Blätter und
                                                              die Nutzung hat sich intensiviert.

                                                              Zahlungsbereitschaft gestiegen
                                                                                                           + 80 %
                                                                                                           Mit Nutzer-Zuwäch-
                  Portale lieferten die so dringend benö-     Es wurde nicht nur heftig geklickt, es       sen von 80 Prozent
                                                                                                           und mehr erreich-
                  tigten Fakten und Einordnungen und          wurde auch bezahlt dafür. Zuwäch-
                                                                                                           ten die digitalen
                  wurden belohnt mit einem Reichwei-          se bei den Print-, mehr noch bei den         Zeitungsangebote im
                  ten-Boost. Nicht nur die Zahl der Leser,    E-Paper-Abos zeugen davon. Mit ei-           März wöchentlich bis
© Foto: StZ/StN

                  auch die Nutzer selbst haben sich ver-      nem Plus von 20,8 Prozent sind die           zu 46 Millionen User.
                                                                                                           Das sind über zwei
                  ändert. Während der Corona-Hochpha-         E-Paper-Verkäufe im 2. Quartal 2020          Drittel der Bevölke-
                  se seien mehr jüngere Nutzer unter 35       stärker gestiegen als üblich. Täglich »      rung – mehr denn je.

                                                                     27                                  relevant. 2|2020 MARKT
»  mehr als zwei Millionen digitale
                           Zeitungsausgaben – das ist eine neue
                           Bestmarke. Etwa jede achte verkaufte
                           Zeitung ist damit eine digitale.
                           Bergauf ging es auch mit den Paid-Con-
                           tent-Erlösen. Rund zwei Drittel der Ver-
                           lage melden hier Steigerungen bis zu 20
                           Prozent, manche auch deutlich mehr.
                           Die F.A.Z. verzeichnete für ihr digita-
                           les Bezahlangebot F+ Ende März mehr
                           als 10.000 neue Abonnenten innerhalb
                           nur einer Woche – flankiert von einem
                           kostengünstigen Neukunden-Angebot.
                           Der Prüfstein wird sein, wie viele davon
                           dann zum regulären Abo wechseln.                brauche es digitale Rituale, meint Yannick
                           Auch in den Regionen wurde mehr Geld            Dillinger, der die digitale Transformation
                           für guten Journalismus lockergemacht.           bei der Augsburger Allgemeinen verant-

1.700
neue Digitalabos
                           „Wir haben in manchen Wochen im
                           März und April so viele neue Digital-
                           abo-Abschlüsse erzielt wie sonst in ei-
                                                                           wortet und redaktionelle Newsletter als
                                                                           gutes Instrument empfiehlt, um Nutzung
                                                                           zu ritualisieren. „Wir müssen unverzicht-
wurden bei der             nem ganzen Monat“, berichtet Dobmeier           bar im Alltag der Menschen werden“, so
Schwäbischen Zei-
                           aus Ravensburg. Viele Digitalnutzer wur-        sein Credo.
tung allein im März
abgeschlossen.             den so zu Kunden, die Conversion Rate           Wie wird man unverzichtbar und schafft
                           verdoppelte sich in der Corona-Hochpha-         ein Angebot, für das Menschen dauer-
                           se. Diese Dynamik hat wieder nachgelas-         haft bereit sind zu bezahlen? Indem man
                           sen. Nun geht es für die Medienhäuser           ihnen das bietet, was sie brauchen. Ha-
                           darum, die neuen Leser zu halten. Dafür         ben viele Zeitungen in ihrer Themenpla-
                                                                           nung schon vor Corona die Bedürfnisse
                                                                           der Nutzer zum Dreh- und Angelpunkt
                                                                           gemacht, so hat sich das jetzt noch-
                                                                           mals verstärkt. Die Abkehr vom Termin-
                                                                           journalismus hat Raum geschaffen für
                                                                           neue Schwerpunktsetzungen. Weniger
Mit dem Digitalkongress #beBETA2020 hat der BDZV im Mai 2020
                                                                           Chronistenpflicht, sondern mehr selbst
erstmals eine Veranstaltung rein virtuell durchgeführt. Bis zu 1.000 Zu-
schauer verfolgten die Vorträge und Gesprächsrunden an ihren Screens.      gesetzte Themen. Dobmeier fasst die
                                                                           Erwartungen der Leser zusammen: „Sie
Im Panel „Corona sei Dank: Turbo-Transformation im regionalen
Journalismus“ berichteten Swantje Dake (Chefredakteurin Digital,           wollen möglichst viel Nutzwert, Service,
Stuttgarter Nachrichten/Stuttgarter Zeitung), Steffi Dobmeier              Geschichten über Menschen, Unge-
(stellvertretende Chefredakteurin Schwäbische Zeitung, Ravensburg)         wöhnliches. Dafür zahlen sie auch.“ Was
und Yannick Dillinger (stellvertretender Chefredakteur Augsburger
Allgemeine) von ihren Erfahrungen in der Corona-Hochphase.                 an sich nichts Neues ist, hätten sich vie-
                                                                           le Verlage in den vergangenen Monaten
Das Video zu dieser und den elf
                                                                           neu bewusst gemacht. „Corona hat da in
anderen Sessions gibt es auf
www.bdzv-bebeta.de und auf dem                                             gewisser Weise geholfen.“
Youtube-Channel bdzvtv zu sehen.                                           In der Pandemie wurde aus diesen Er-
                                                                           kenntnissen schnelles Handeln. Im Di-

MARKT relevant. 2|2020                                         28
Sie können auch lesen