RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen

 
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                                          INKLUSION
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RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
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Inhalt

LWL-Aktionsplan Inklusion                       04

Der LWL leistet seinen Beitrag für eine
inklusive Gesellschaft

Permanenter Wandel                              06

Menschen mit Behinderungen in der
Geschichte des LWL

Was heißt schon behindert?                      10

Daten und Fakten zum Thema Behinderung

Handlungsfelder

Handlungsfeld Kindheit und Jugend               12
Handlungsfeld Schule                            22
Handlungsfeld Arbeit                            28
Handlungsfeld Wohnen                            38
Handlungsfeld Gesundheit                        48
Handlungsfeld Freizeit und Kultur               58

Barrieren abbauen, Bewusstsein bilden           68

Der LWL als inklusiver Arbeitgeber              75

Impressum                                       79

                                          Inhalt 03
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
LWL-Aktionsplan Inklusion
Der LWL leistet seinen Beitrag
für eine inklusive Gesellschaft
Der LWL setzt sich schon seit Jahrzehnten für ein möglichst selbstbestimmtes Leben von Menschen mit
Behinderungen ein – und damit lange vor dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen, die die Inklusion als gesellschaftliches Ziel stärker ins öffentliche Interesse
gerückt hat. Die UN-Konvention formuliert Leitsätze, die für Bund, Länder und Kommunen, Verbände,
Einrichtungen und Interessenvertretungen zielsetzend sind. Auch wenn aus den Bestimmungen der
­UN-Konvention keine unmittelbaren Leistungsansprüche hergeleitet werden können, so ist die UN-Kon-
 vention für uns doch handlungsleitend. Denn inklusives Leben ist in vielen Lebensbereichen noch lange
 nicht umgesetzt.

Dieser erste LWL-Aktionsplan Inklusion zeigt, welche        Arbeit aber darauf ausrichten, einer möglichst ­großen
Position wir in unseren vielen Einrichtungen einnehmen      Zahl von Kindern den Besuch der Regelschulen zu
und wie sich unsere Arbeit in den kommenden Jahren          ermöglichen. Zudem kann der gemeinsame Unterricht
weiterentwickeln wird. Wir haben schon viel erreicht,       von Kindern mit und ohne Behinderung auch ein Kon-
wissen aber auch, dass wir noch viel tun müssen. Erst       zept für Förderschulen sein. Der LWL wird die Entwick-
recht, weil die Zahl der Menschen mit wesentlichen          lung eines inklusiven Angebots unterstützen, damit
Behinderungen nach wie vor deutlich zunimmt. So wird        Eltern eine echte Alternative haben.
es immer mehr ältere Menschen mit geistiger Behinde-
rung geben, deren Lebenserwartung sich der allgemei-        Wir müssen mit und für Menschen mit Behinderun-
nen Lebenserwartung angleicht. Darauf kann unsere           gen ein Umfeld entwickeln, das so viel Normalität wie
Gesellschaft stolz sein, gleichzeitig bedeutet es aber      möglich schafft – gleichzeitig aber muss es Angebote
auch, sich auf neue Herausforderungen einzustellen.         und Einrichtungen geben, die speziellen individuellen
Für den LWL ist es wichtig, dass Inklusion mit Augen-       Bedürfnissen gerecht werden. Das Wichtigste scheint
maß vorangetrieben wird. Zwar fordert die UN-Konven-        aber zu sein, dass sich das Bewusstsein in der Gesell-
tion keineswegs die Abschaffung von Förderschulen.          schaft ändert, wenn es um Menschen mit Behinderun-
Das Recht auf Bildung wird auch dort durch die den          gen geht. Denn oft verhindern nicht die Behinderungen
jeweiligen Bedarfen angepasste besondere Förderung          die aktive Teilhabe, sondern die Barrieren von außen:
gewährleistet. Allerdings beinhaltet die UN-Konvention      die räumlichen und insbesondere auch die in den
darüber hinaus das Recht auf diskriminierungsfreien,        Köpfen, wenn sich zum Beispiel Widerstand in einem
gleichberechtigten und wohnortnahen Zugang zur              Wohnviertel gegen neue Nachbarn mit Behinderungen
­allgemeinen Schule sowie den Anspruch auf die dazu         regt. Dafür ist Kommunikation unabdingbar: Unsere
 notwendige Förderung. Die Umsetzung dieses Rechts,         Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen in vielfältiger
 vor allem aber des Anspruchs auf die erforderliche För-    Weise mit Menschen mit Behinderungen und ihren Ver-
 derung bedarf für die Schülerinnen und Schüler der         bänden in Kontakt. Mit den Behinderten- und Selbst-
 LWL-Förderschulen besonderer Sorgfalt und wird daher       hilfeverbänden etwa pflegt unser LWL-Sozialdezernat
 in vielen Fällen kurzfristig nicht möglich sein. Solange   seit vielen Jahren einen intensiven Austausch. Auch
 dieser Umsetzungsprozess nicht abgeschlossen ist, wird     die Inhalte des LWL-Aktionsplans haben wir mit ihnen
 es weiterhin Förderschulen geben. Diese m   ­ üssen ihre   diskutiert. Wir nehmen die berechtigte Forderung von

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
Dr. Wolfgang Kirsch
LWL-Direktor

Dieter Gebhard
Vorsitzender der Landschaftsversammlung

Menschen mit Behinderungen ernst: nicht ohne uns          Bund oder Land übertragen, nicht bewältigen. Inklusion
über uns! Aus dieser Zusammenarbeit ergeben sich          in allen ihren Facetten ist eine Aufgabe für mehrere
immer wieder wertvolle Impulse, wie wir unsere Arbeit     Generationen. Der Herausforderung muss sich unsere
und fachlichen Positionen weiterentwickeln sowie neue     Gesellschaft nicht nur heute, sondern auch in den kom-
Perspektiven einnehmen und Projekte planen können.        menden Jahren und Jahrzehnten immer wieder stellen.
                                                          Gleichzeitig ist Inklusion ein dynamischer Prozess, der
Was wir nicht vergessen dürfen: Der Umbau zu einer        sich ständig verändert, weiterentwickelt und neue Ideen
inklusiven Gesellschaft mit entsprechenden Strukturen     und Impulse benötigt. Der LWL wird sich aktiv daran
verlangt von uns allen einen wahren Kraftakt – von        beteiligen und die Entwicklung weiter vorantreiben.
Bund, Ländern und vom LWL ebenso wie von den Krei-
sen, Städten und Gemeinden. Diese große, langwierige      Der Landschaftsausschuss des LWL hat den vorliegen-
Aufgabe können wir nur gemeinsam meistern. Schon          den ersten Aktionsplan Inklusion nach Diskussion mit
heute reicht aber die Landschaftsumlage allein für        Verbänden, Experten und Betroffenen in seiner Sitzung
die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit       am 5. Mai 2014 beschlossen. Der LWL-Aktionsplan
Behinderungen nicht aus. Land und Bund, die für die       Inklusion ist ein Arbeitsprogramm für die nächsten
Gesetzgebung zuständig sind und Standards setzen,         Jahre und wird fortlaufend weiter konkretisiert. Auch
müssen sich finanziell beteiligen. Erfreulich ist, dass   die zahlreichen Anregungen und Änderungsvorschläge
im Koali­tionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die        aus der von allen LWL-Fraktionen gemeinsam ­initiierten
18. Legis­laturperiode des Deutschen Bundestages (2013    Anhörung der Betroffenenverbände am 9. April 2014
bis 2017) ausdrücklich festgeschrieben worden ist, dass   werden nun in den Fraktionen diskutiert und nach
die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des             Abstimmung bei der Fortschreibung des Aktionsplans
Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fünf Mrd. Euro       entsprechend berücksichtigt. Zudem wird in den poli-
jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden     tischen Gremien regelmäßig und zukünftig darüber
sollen. Damit wurde eine Forderung aufgenommen, die       hinaus in jährlichen Fortschrittsberichten über die LWL-
die ganze kommunale Familie und insbesondere auch         Aktivitäten zur Inklusion und den Fortgang auf dem
der LWL seit Jahren erhoben haben. Diese Entlastung       Weg in eine inklusive Gesellschaft berichtet.
muss nun spürbar und schnell, spätestens im Jahr 2017,
bei den Kommunen auch tatsächlich ankommen.               Wir würden uns freuen, wenn dieser Aktionsplan rege
                                                          Aufmerksamkeit findet und es möglichst viele Rückmel-
Wir können nur die Schritte zur Inklusion gehen, die      dungen von Leserinnen und Lesern gibt.
wir auch finanzieren können. Alle Ziele, Maßnahmen
und Projekte, die im LWL-Aktionsplan aufgeführt sind,     Münster, im Mai 2014
stehen – wie der Aktionsplan der Landesregierung –
unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel. Trotz
seit Jahren angespannter Haushaltssituation haben
wir bis heute bereits vieles getan, um Menschen mit
Behinderungen eine umfassende Teilhabe am Leben in        Dr. Wolfgang Kirsch         Dieter Gebhard
der Gemeinschaft zu ermöglichen. Ohne finanziellen
Ausgleich können wir zusätzliche Aufgaben, die uns

                                                                                                     Vorwort 05
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
Permanenter Wandel
Menschen mit Behinderungen
in der Geschichte des LWL
Die Fürsorge für Menschen mit geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung zählt seit über
140 Jahren zu den Kernaufgaben des LWL und seiner Vorgängereinrichtung, des Provinzialverbandes
Westfalen. Eine lange Zeit, in der sich große gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Umwälzungen
ereigneten. Vor ihrem Hintergrund veränderten sich die öffentliche Wahrnehmung und die Deutungs-
prozesse von körperlicher, geistiger und seelischer „Andersheit“ – vom „Krüppel“ zum „Menschen mit
Behinderung“.

Ebenso entstanden und entwickelten sich wissenschaft-       in Soest und Paderborn, die 1919 von 225 Schülern und
liche Professionen wie Psychiatrie und Sozialpädagogik,     Lehrlingen besucht wurden. Die Gehörlosenschulen in
die zu Anfang die Ursachen der „Andersheit“ kaum            Büren, Soest, Langenhorst und Petershagen hatten im
definieren konnten, keine ausdifferenzierten Bilder von     selben Jahr 492 Schüler.
Krankheit und Behinderung hatten und wenig zielge-
richtete therapeutische Konzepte und Hilfen bieten          Den entscheidenden Anstoß für die weitere Expan-
konnten. In den 140 Jahren entwickelten sich zudem          sion der Fürsorge gab die Novelle zum Gesetz über
die gesellschaftspolitisch gebilligten Ziele der Fürsorge   den Unterstützungswohnsitz vom 11. Juli 1891. Sie
und entsprechende Erwartungen an die Fürsorgeträger,        verpflichtete die Provinzialverbände in Preußen, für
wenn es um Heilung, Erziehung, Ausbildung, Sicherung        die „Bewahrung, Kur und Pflege der hilfsbedürftigen
und Verwahrung der Menschen mit Behinderungen               Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen
ging.                                                       und Blinden, soweit dieselben der Anstaltspflege bedür-
                                                            fen, in geeigneten Anstalten Fürsorge zu treffen“. Mit
Nicht zuletzt veränderten sich auch die gesellschaftspo-    diesem gesetzlichen Anspruch auf Anstaltsversorgung
litischen Vorstellungen über die Teilhabe von Menschen      stieg die Zahl der psychisch Kranken und „geistig
mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben – von         Behinderten“ in den psychiatrischen Anstalten rasant
der Exklusion über Maßnahmen zur medizinischen,             an. Er lieferte die Grundlage, möglichst viele Kranke
beruflichen und sozialen Rehabilitation und Integration     und Personen mit abweichendem Verhalten in Anstal-
bis zur Inklusion.                                          ten abzuschieben: nicht allein aus medizinischen Grün-
                                                            den, sondern auch aus Sicherheits- und Ordnungsinter-
Kaiserzeit                                                  essen sowie Kostenerwägungen.

In den wenigen Jahrzehnten von der Gründung des             Die Bevölkerungsexplosion war eine Ursache für die
Deutschen Reichs (1871) bis zum Ende des Ersten Welt-       steigenden Zahlen, insbesondere im Industrierevier.
krieges (1918) entwickelte sich die Fürsorge für Arme,      Hinzu kam aber die Auflösung traditioneller familiärer
psychisch Kranke und Behinderte zur bedeutendsten           und ländlicher Versorgungsstrukturen, die Verbreitung
Aufgabe des Provinzialverbandes Westfalen. Mit der          bestimmter Krankheiten, die Beschreibung und Defini-
Dotationsgesetzgebung von 1873/75, mit der der preu-        tion neuer Krankheitsformen und der Glaube an deren
ßische Staat die notwendige Finanzierung sicherstellte,     Heilungsmöglichkeiten. Bis 1919 entstand in Westfalen
wurde der Provinzialverband Träger der Blindenschulen       ein Versorgungssystem von 14 psychiatrischen Großein-

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
Drangvolle Enge im Rittersaal von Schloss
               Ulenburg, Löhne, wo Anfang der 1950er-
               Jahre bis zu 42 Jungen schliefen

richtungen in provinzieller und konfessioneller Träger-      „Kriegsbeschädigten“ sollte nicht nur die finanzielle
schaft mit einer Gesamtkapazität von 11.000 Plätzen.         Versorgung regeln, sondern entwickelte mit Nach-
In den Provinzialanstalten gehörten nach unserem             druck ein Instrumentarium, um „Kriegskrüppel“ in das
­heutigen Verständnis mindestens 20 % der Patientinnen       Arbeits- und Berufsleben wiedereinzugliedern. Gleich-
 und Patienten zum Kreis der Menschen mit geistiger          zeitig baute sich innerhalb der Fürsorge ein neues Leis-
 und seelischer Behinderung, in den konfessionellen Ein-     tungsgefälle auf. Die Kriegsfürsorgeempfänger wurden
 richtungen sogar der überwiegende Anteil. In der Phase      als Gruppe mit gehobenen Leistungsansprüchen her-
 der Hochindustrialisierung ging die Gesellschaft also       ausgestellt. Das ließ die traditionelle Fürsorge für Behin-
 dazu über, diese Menschen dauernd in Anstalten unter-       derte und Arme um so diskriminierender erscheinen.
 zubringen. Das bedeutete die Exklusion möglichst aller      Das Kausalprinzip wies die Menschen nach den Ursa-
 pflegebedürftigen „Geisteskrüppel“, die in den groß-        chen ihrer Behinderung entweder der Sozialversiche-
 betrieblichen Anstalten einen neuen Lebensraum fan-         rung, dem Versorgungswesen oder der öffentlichen
 den. Menschen mit Funktionsdefiziten wurden von der         Fürsorge zu. Es schuf erhebliche soziale Ungleichheiten,
 ­Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.       die über Jahrzehnte die soziale Lage der Menschen
  Die Anstalten trugen alle Züge einer „totalen Institu-     mit Behinderung in Deutschland prägen sollten. An
  tion“, die darauf abzielte, sämtliche Lebensäußerungen     der Spitze standen die „schwerbeschädigten“ Kriegs-,
  der Insassen allumfassend zu regeln und zu kontrollie-     Arbeits- und Unfallverletzten als privilegierte Gruppe. Es
  ren. Ein möglichst störungsfreier Betriebsablauf über­     folgte die Masse der „Krüppel“, also der Menschen mit
  lagerte das eigentliche Ziel: einem medizinischen Erklä-   angeborenen körperlichen Behinderungen, die teilweise
  rungsansatz zu folgen, der Behinderung als individuelle    in den Arbeitsmarkt integrierbar schienen. Im Abseits
  körperliche Defekte und Störungen auffasste und diese      standen die nicht mehr leistungs- und arbeitsfähigen
  therapeutisch behandeln wollte.                            Menschen mit körperlichen, geistigen und Mehrfachbe-
                                                             hinderungen, auch Personen, die zugleich als „asozial“
Weimarer Republik                                            oder „psychopathisch“ galten.

Der Erste Weltkrieg (1914 –1918) und seine Folgen            Im Weimarer Wohlfahrtsstaat ging es immer mehr
machten Bevölkerungsgruppen zu Fürsorgeempfän-               darum, die Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behin-
gern, die von ihrem Selbstverständnis weit von den           derungen herzustellen und sie in den Arbeitsmarkt ein-
traditionellen Armutsgruppen entfernt waren. Insbe-          zugliedern. Diese Herangehensweise wurde zum Kern
sondere die Unterstützung der „Kriegsversehrten“ und         des sozialpolitischen Diskurses, wie die Gesundheits-

                                                                                           Permanenter Wandel 07
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
und Sozialfürsorge zukünftig gestaltet werden sollte.
Das spiegelte sich auch in der Reichsverordnung über
die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 wider, die die
gesamte Wohlfahrtspflege sowohl organisatorisch als
auch inhaltlich auf eine neue Basis stellte. Charakteris-
tisch für das neue Fürsorgerecht waren vor allem der
Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ und eine enge Koppe-
lung von Fürsorgeleistungen und Arbeitsfähigkeit. Das
Ziel der Fürsorge war, Arbeitsunfähigkeit durch vorbeu-
gende Maßnahmen zu verhindern und die Arbeitsfähig-
keit wiederherzustellen, um eine dauerhafte Notlage zu
vermeiden. Die neuen gesellschaftlichen Anforderungen
lauteten Heilung, Besserung und Rehabilitation.
                                                               Nationalsozialistische Propaganda gegen sogenannte
Diese Prinzipien förderten eine Reform des psychiat-           „Erbkranke“
rischen Versorgungssystems und gaben den Impuls,
offene Fürsorgestrukturen und arbeitstherapeutische
Ansätze auszubilden. Sie machten aber auch die nicht-
therapierbaren, nicht-arbeitsfähigen und pflegebedürfti-    NS-Mordaktionen gegen psychisch Kranke und geistig
gen Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung       Behinderte, die mit dem Begriff „Euthanasie“ verschlei-
zu einer vernachlässigten Größe im Reformprozess. Sie       ert wurden.
wurden in der Praxis zur Abschiebemasse. Als mit der
Weltwirtschaftskrise und der Krise des Wohlfahrtsstaa-      Die Zwangssterilisation, die im „Gesetz zur Verhü-
tes das psychiatrische Versorgungssystem funktions­         tung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933
unfähig wurde, avancierte die Eugenik, die auf eine         ihre Grundlage fand, war die erste systematische
Vergrößerung der positiv bewerteten Erbanlagen und          ­Maßnahme der Erb- und Rassenpflege. Das Gesetz
auf eine Verringerung der negativ bewerteten Erban­          sah auch bei „angeborenem Schwachsinn“, „erblicher
lagen zielte, zur Leitwissenschaft für das gesundheits-      Blindheit“, „erblicher Taubheit“ und „schwerer erb­
politische und fürsorgerische Handeln. Das Volk und          licher körper­licher Missbildung“ die Sterilisation durch
seine Überlebensfähigkeit bekamen den Vorrang vor            einen chirur­gischen Eingriff vor. Die Beschlusspraxis
den Bedürfnissen des Individuums; diese Einstellung          der eigens eingerichteten „Erbgesundheitsgerichte“
ließ die „Krüppelsiechen“ und „Idioten“ nur noch als         war durch folgende Merkmale geprägt: Sie machte
„Ballast­existenzen“ erscheinen.                             die Erblichkeit von Geisteskrankheiten zum Dogma,
                                                             ­missachtete wissen­schaftliche Standards bei der Diag-
NS-Zeit                                                       nostik und setzte schließlich die Verfahren mit Zwang
                                                              durch. Von 36.500 Verfahren, die von 1934 bis 1944
Für die Nationalsozialisten bildete die Rassenfrage das     vor den westfälischen Erbgesundheitsgerichten verhan-
zentrale Leitmotiv der Politik. Das hieß: Sie nahmen eine     delt wurden, richtete sich rund die Hälfte gegen Men-
biologische Ungleichheit der Menschen an und unter-           schen mit geistiger und körperlicher Behinderung.
schieden rassisch „Wertvolle“ und „Minderwertige“.
Dieses Menschenbild verlangte neue Grundsätze in            Die Menschen mit Behinderung waren von der Kinder-­
der Gesundheits- und Sozialpolitik, da es soziale Leis-     „Euthanasie“-Aktion und von der Erwachsenen-­„Eu­
tungen des Staates nur den „erbgesunden“ und „leis-         thanasie“ betroffen. Die sogenannten „Kinderfach­
tungsfähigen“ Volksgenossen zubilligte. Es mündete in       abteilungen“ in Niedermarsberg (1940/1941) und
konkreten Maßnahmen zur Erb- und Rassenpflege. Die          Dortmund-Aplerbeck (1941–1945) erfassten, beobach-
Ressourcenverteilung innerhalb des Gesundheits- und         teten und ermordeten Kinder mit „angeborenen Miss-
Fürsorgesystems wurde an rassenhygienische Grund-           bildungen“ und „geistigen Unterentwicklungen“. In
sätze angepasst. Menschen mit Behinderung wurden            Niedermarsberg starben mindestens 36 Säuglinge und
sowohl Opfer der NS-Zwangssterilisationen als auch der      Kinder. Für Aplerbeck ist anzunehmen, dass ein großer

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
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Teil der über 220 verstorbenen Kinder Opfer von Gewalt        Die steigende Zahl der Hilfeempfänger in stationären
wurde. Rund 5.700 erwachsene Anstaltspatienten wur-           Einrichtungen (z. B. Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe)
den von 1940 bis 1943 in der Aktion gegen jüdische            und von Einrichtungen im teilstationären Bereich in den
Patienten, der „Aktion T4“ und der „Aktion Brandt“,           Jahren 1964 bis 1974 zeigt die großen Schritte in Rich-
also in den „Euthanasie“-Transporten, aus Westfalen           tung „Chancengleichheit“. So stieg zum Beispiel die
verlegt. Ein großer Teil waren Menschen mit Behinde-          Zahl der Sonderkindergärten für geistig Behinderte von
rungen. Sie starben durch Gas, Medikamente, „Hunger-          4 auf 44 Einrichtungen, die der Tagesbildungsstätten
kost“ und katastrophale Lebensbedingungen. Lediglich          von 10 auf 44 und die der Werkstätten für Behinderte
15 % erlebten das Ende des Zweiten Weltkrieges.               von 5 auf 37 Einrichtungen. Der Ausbau des Sonder-
                                                              schulsystems und des Sonderarbeitsmarktes förderte
Bundesrepublik Deutschland                                    allerdings auch wieder die Ausbildung „separierter For-
                                                              men des Lebens, Wohnens, Arbeitens und Lernens“,
Die Reorganisation der „Behindertenpolitik“ in der            gegen die sich die Kritik am „Behütungs- und Schon-
­Bundesrepublik begann in den 1950er-Jahren und               raumprinzip“ richtete.
 wurde mit dem Bundessozialhilfegesetz (1961) und
 ­seinen Novellen (1969/1974) auf eine neue Basis             Erst in den 1970er-Jahren verschob sich der Fokus von
  gestellt. Obwohl das vorher hoffnungslos zersplitterte      der beruflichen Rehabilitation zur „Normalisierung“
  System verbessert und vereinheitlicht wurde, blieb der      und Integration, wobei Selbsthilfeorganisationen mit-
  Behindertenbegriff „defizitorientiert und diskriminie-      wirkten. Es ging um „gleichberechtigte Teilhabe an
  rend“. Menschen mit Behinderungen stellten nach wie         allen Lebensbereichen“ und Selbstverwirklichung auch
  vor keine homogene Gruppe dar, obwohl die Behinder-         abseits der Arbeit in der Freizeit, beim Sport, in der
  tenpolitik allmählich vom Kausalprinzip abrückte und        Kultur und Kommunikation. Die soziale Rehabilitation
  sich das Finalprinzip, sprich die Ausrichtung am Bedarf     gewann an Gewicht. Sie konzentrierte sich zunächst
  des Menschen mit Behinderung, durchsetzte. Behin-           darauf, materielle Barrieren abzubauen, um die Lebens-
  dertenpolitik war bis in die 1970er-Jahre in erster Linie   welt an die Bedürfnisse von Menschen mit körperlicher
  „Sozialleistungspolitik“ und wie in der Weimarer Zeit       Behinderung anzupassen. Das war jedoch nur eine Vor-
  vorrangig auf die (Wieder-)Eingliederung und Rehabili-      aussetzung von Inklusion, deren Ziel es ist, Menschen
  tation, also auf die Wiederherstellung der Arbeits- und     mit „Andersheiten“ zum Teil des Ganzen zu machen,
  Erwerbsfähigkeit, ausgerichtet.                             damit sie das Leben in der Gesellschaft gleichberechtigt
                                                              mitgestalten können.

                                                                                                 Schwerst- und mehr-
                                                                                                 fachbehinderte blinde
                                                                                                 Kinder in der Westfäli-
                                                                                                 schen Schule für Blinde,­
                                                                                                 ­Paderborn, in den
                                                                                                 1970er-Jahren

                                                                                            Permanenter Wandel 09
RICHTUNG INKLUSION - Gemeinsam einfach machen
Was heißt schon behindert?
Daten und Fakten
zum Thema Behinderung
In Westfalen-Lippe leben rund 8,2 Mio. Menschen – davon haben gut 10 % und damit mehr als 850.000
eine anerkannte Schwerbehinderung mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50. Nur mit einer
amtlich anerkannten Behinderung können Förderungen und Unterstützungsleistungen in Anspruch
genommen werden, die die mit der Behinderung verbundenen Nachteile ausgleichen sollen.

Mit dem Begriff „Menschen mit Behinderungen“ ver-          dass nicht nur die Beeinträchtigungen des Menschen an
binden viele in der Öffentlichkeit vor allem solche im     sich eine Rolle spielen, sondern auch das soziale Umfeld
Rollstuhl oder mit einer geistigen Behinderung – tat-      den Menschen an der Wahrnehmung seiner Rechte
sächlich hatten aber zum Beispiel im Jahr 2013 rund        hindern kann.
83 % dieser 850.000 Menschen eine andere Art von
Schwerbehinderung. Mit rund 30 % sind viel häufiger        Die wesentlichen Normen des deutschen Sozialrechts
Funktionsbeeinträchtigungen von inneren Organen            sind im Sozialgesetzbuch geregelt, das aus zwölf
oder der Wirbelsäule der Grund, dass eine Schwerbe-        Büchern besteht. Das Sozialgesetzbuch IX befasst sich
hinderung anerkannt wird.                                  mit der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit
                                                           Behinderungen und ist die Rechtsgrundlage vor allem
Hinzu kommt: Eine große Gruppe von Menschen mit            für die Aktivitäten des LWL im Bereich Arbeit. Laut
Behinderungen wird überhaupt nicht erfasst und ist         Paragraph 2 sind Menschen „behindert, wenn ihre
daher auch nicht in den Statistiken zu finden. Men-        körper­liche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische
schen mit psychischen Behinderungen zum Beispiel           Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als
definieren ihre Erkrankung oft nicht als Behinderung,      sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen
häufig aus Angst vor Stigmatisierung. Auch Eltern          Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben
von Kindern mit Behinderungen fällt es schwer, einen       in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behin-
Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Ebenso             derung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwar-
­nehmen manche ältere Menschen, die im Laufe der           ten ist.“
 Jahre eine Beeinträchtigung erfahren haben, keine
 Angebote in Anspruch.                                     Demgegenüber spricht der Paragraph 53 des Sozial­
                                                           ge­setzbuchs XII, in dem die Sozialhilfe behandelt
Zudem existiert eine Vielzahl von Definitionen von         wird, von Menschen, „die durch eine Behinderung
Behinderungen, die eine Eindeutigkeit manchmal             [...] wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft
­vermissen lässt. Sehr weit fasst es der Artikel 1 der     teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen
 UN-Behindertenrechtskonvention: „Zu den Menschen          wesentlichen Behinderung bedroht sind“. Sie „erhalten
 mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige       Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange
 körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträch-   nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere
 tigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit          nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht
 verschiedenen Barrieren am vollen und gleichberech-       besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt
 tigten Gebrauch ihrer fundamentalen Rechte hindern        werden kann.“ Die Eingliederungshilfe soll helfen,
 ­können.“ Wichtig hierbei: Es wird Wert darauf gelegt,    „eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu      Diese gesetzlichen Grundlagen ergeben ein facetten-
mildern und die behinderten Menschen in die Gesell-      reiches Bild und eine Vielzahl von Begrifflichkeiten
schaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den    und Zusammenhängen, mit denen der LWL in der täg-
behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in           lichen Arbeit umgehen muss. Der LWL-Aktionsplan
der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern,     Inklusion verwendet daher je nach Zusammenhang die
ihnen die ­Ausübung eines angemessenen Berufs oder       Begriffe „Menschen mit Behinderungen“, „Menschen
einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen    mit einer Schwerbehinderung“ oder „Menschen mit
oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu   ­wesentlichen Behinderungen“.
machen.“

Schwerbehinderte Menschen in Westfalen-Lippe
nach Art der Behinderung (Stand 31.12.2013)

265.435 (31,1 %)

Sonstige und ungenügend
bezeichnete Behinderungen

                                                                                         439.391 (51,5 %)
                                                853.300
                                                                                         Körperliche Behinderungen,
                                                                                         darunter
                                                                                         61.675 (7,2 %)
                                                                                         Sinnesbehinderungen

148.474 (17,4 %)

Zerebrale Störungen,
geistige und / oder seelische
Behinderungen

                                                                        LWL-Statistik Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen unter
                                                                        Zugrundelegung der jeweiligen schwersten Behinderung,
                                                                        Rundungsdifferenzen enthalten. 2014 / 07

                                                                              Was heißt schon behindert? 11
„ Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen
                           ­Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit
                            Behinde­rungen gleichbe­­rechtigt mit anderen Kindern
                            alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen
                            können.“ Artikel 7 der UN-Behindertenrechtskonvention

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behin-
derungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein
­Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen
 ist.“ Artikel 7 der UN-Behindertenrechtskonvention

                   „Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behin-
                   derungen das Recht haben, ihre Meinung in allen sie be-
                   rührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen
                   Kindern frei zu äußern (…) [und dass sie] behinderungs­
                   gerechte sowie altersgemäße Hilfe erhalten, damit sie dieses
                   Recht verwirklichen können.“ Artikel 7 der UN-Behindertenrechtskonvention

LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
Handlungsfeld
                                 Kindheit und
                                      ­Jugend
Herausforderungen
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben das gleiche Recht, für ihr soziales, physisches und psy-
chisches Wohlbefinden bestmöglich gefördert und unterstützt zu werden, wie Kinder und Jugendliche
ohne Behinderung. Um dieses Recht zu verwirklichen, muss der LWL eine Reihe von Herausforderungen
in unterschiedlichen Aufgabenfeldern bewältigen.

1. Im Rahmen der Tagesbetreuung haben Kinder mit            tionierung von Angeboten die Möglichkeit der Teilhabe
Behinderungen generell Zugang zu allen Betreuungsfor-       von Kindern mit Behinderungen systematisch berück-
men. Inklusion ist hier anders als im Regelschulbetrieb     sichtigt wird.
weitgehend umgesetzt. Dennoch muss zum einen die
praktische Arbeit entsprechend inklusiver Z­ ielsetzungen   3. Die Jugendsozialarbeit ist ein exklusives Angebot
weiterentwickelt werden, hier wird der LWL durch            für diejenigen, die aus Regelsystemen herausgefallen
Veranstaltungen und Arbeitshilfen Unterstützung leis-       sind oder herauszufallen drohen. Auch in einem inklu-
ten. Zum anderen sind diagnostizierende Stellen wie         siven System wird es zukünftig junge Menschen geben,
Gesundheitsämter, Frühförderstellen und Ärzte noch zu       die an bestehenden Systemen scheitern und besonders
häufig am System der gesonderten, vermeintlich fürs         unterstützt werden müssen, um ihnen persönliche und
Kind besseren Fördersituation in heilpädagogischen          berufliche Perspektiven zu eröffnen. Unter inklusiven
Gruppen orientiert. Hier wird der LWL im interdiszipli­     Gesichtspunkten muss sichergestellt sein, dass junge
nären Austausch für eine Verwirklichung des Inklusions-     Menschen mit und ohne Behinderungen von dieser
gedankens eintreten.                                        Unterstützung in gleicher Weise profitieren können.

2. Anders als der Bereich der Tagesbetreuung hat die        4. Im Freiwilligem Ökologischen Jahr (FÖJ) stellte
offene Kinder- und Jugendarbeit junge Menschen              sich in den vergangenen Jahren bei einem Teil der Teil-
mit Behinderungen systematisch bislang wenig im Blick.      nehmenden nach Beginn des Bildungsjahres ein beson-
Selten gehört Inklusion zum ausgewiesenen Profil einer      derer Betreuungsbedarf aufgrund vorhandener Beein-
Einrichtung. Zwar nehmen im Alltag vielfach bei Ferien-     trächtigungen heraus. Diesen konnte die Einsatzstelle
angeboten auch Kinder mit Behinderungen teil, auch          nicht immer auffangen, sodass es zuweilen zu einem
bestehen teilweise Angebote für benachteiligte Kinder       Wechsel oder Ausstieg gekommen ist. Hier entwickelt
und Jugendliche mit Beeinträchtigungen im Bereich           der LWL Lösungen, um Wechsel oder vorzeitige Beendi-
Lernen, soziale oder emotionale Entwicklung. Zukünftig      gungen künftig zu vermeiden.
muss es aber gelingen, dass bereits bei der Konzep­

                                                                         Handlungsfeld Kindheit und Jugend 13
In vielen Kitas wird
Inklusion selbstverständ-
lich gelebt.

5. Kinder und Jugendliche in erzieherischen Hilfen           Hier muss der LWL sicherstellen, dass diese Familien die
haben häufig in sehr vielfältiger Weise soziale Ausgren-     erforderliche Unterstützung erfahren.
zung erfahren. Die erzieherischen Hilfen sind dem Ziel
verpflichtet, eine gesellschaftliche Teilhabe aller Kinder   8. Hinsichtlich des Schutzes von Kindern in Einrich-
und Jugendlichen umzusetzen. Hier muss eine stärkere         tungen stellen die Systemunterschiede der Jugend-
Öffnung gegenüber Familien mit behinderten Kindern,          und Sozialhilfe eine besondere Herausforderung dar.
die erzieherischen Bedarf haben, angestrebt werden.          Bei der Entscheidung über eine Unterbringung eines
Der Blick von Fachkräften darf bei diesen Kindern nicht      Kindes in einer Einrichtung darf der Blick nicht allein
allein auf die Behinderung gerichtet werden.                 auf die Art der Behinderung gerichtet werden, auch die
                                                             Berücksichtigung erzieherischer Bedarfe ist sicherzu-
6. Im Bereich der Adoption und der Pflegekinder-             stellen. Hier muss der LWL in seinen Aufgabenfeldern
vermittlung besteht für Kinder mit Behinderungen             Behinderten- und Jugendhilfe im Interesse der Kinder
ein erheblicher Bedarf an besonderen Pflegestellen           abgestimmte Lösungsansätze entwickeln.
und Adoptionsbewerbern. Demgegenüber steht der
Wunsch vieler Bewerber nach einem möglichst gesun-           9. In Jugendhilfeeinrichtungen existiert ein Prozess
den Kleinstkind. Der LWL wird dazu beitragen, das            des Ausbaus und der Ausdifferenzierung von Spezial-
Auseinanderfallen von Vorstellungen und Realität im          gruppen für einen Teil der stationär untergebrachten
Interesse der Kinder mit Beeinträchtigungen aufzufan-        Kinder und Jugendlichen, insbesondere für Kinder mit
gen und auch diesen Kindern ein Aufwachsen in einer          seelischer Behinderung. Dies kann als Ausdruck einer
geeigneten Familie zu ermöglichen.                           größeren Professionalisierung der Hilfeangebote für
                                                             diese Zielgruppe und damit mittelfristig als Verbesse-
7. Der Zugang von Kindern mit Behinderungen zu               rung von Teilhabechancen positiv betrachtet werden.
wohnortnahen und familienähnlichen Unterbringungs-           Im Hinblick auf den Gedanken von Inklusion muss aber
formen ist noch nicht gleichrangig zu anderen Kindern        kritisch überprüft werden, ob das Erfordernis solcher
gegeben, wenn Erziehung im Elternhaus nicht möglich          Spezialangebote im Vorfeld verhindert werden kann
ist. Kinder mit Behinderungen sind aber in erster Linie      und ob das jeweilige Spezialangebot auf die Rückkehr
Kinder mit allen dazugehörigen Wünschen und Bedürf-          zum Regelangebot ausgerichtet ist.
nissen, denen es gerecht zu werden gilt. Dies kann in
einer Pflegefamilie geleistet werden, auch wenn die
Behinderung eine besondere Herausforderung darstellt.

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
Ziele, Konzepte,
Erfolge und Maßnahmen­
Der LWL engagiert sich seit vielen Jahren in Sachen       tischen Versorgung der Kinder ist nicht mehr erforder-
Inklusion. Mehr als 90 % der Kinder mit Behinderung       lich. Aber nicht nur bei der Inklusion in Kitas kann der
werden inzwischen gemeinsam mit Kindern ohne              LWL auf Erfolge zurückblicken. Beispielsweise ermög-
Behinderungen gefördert. Sie sind in den Kindertages­     licht der LWL auch zahlreichen Kindern mit Behinde-
stätten weitestgehend sozial integriert. Weiterhin        rungen ein Aufwachsen in einer Westfälischen Pfle-
betreuen von ehemals 33 reinen heilpädagogischen          gefamilie. Anfang 2013 lag der Anteil der Kinder mit
Kitas (HPK) heute nur noch 18 ausschließlich Kinder mit   Behinderungen bei ca. 10 % von insgesamt 1.230 Kin-
Behinderungen und auch hier ist eine weitere Umwand-      dern. Im Bereich der Jugendfreiwilligendienste hat der
lung geplant. Alle anderen HPKs betreuen sowohl Kin-      LWL seit Installierung der Dienste für eine große Vielfalt
der mit als auch ohne Behinderung. Eine große Erleich-    von Teilnehmenden gesorgt und dadurch stetig Aus-
terung stellt für Eltern und Kinder die Möglichkeit der   tausch und Akzeptanz von Verschiedensein gefördert.
therapeutischen Behandlung in der Kita dar. Das auf-
wändige Aufsuchen einer externen Praxis zur therapeu-

1. Tagesbetreuung von Kindern

Ziele

• Alle Kinder mit Behinderungen im Alter von 0 bis        • Ein Wechsel eines Kindes mit Behinderung von einer
6 Jahren sollen uneingeschränkten Zugang zu allen         Regeleinrichtung auf einen Platz in einer heilpädago­
Betreuungsformen im Rahmen der Tagesbetreuung von         gischen Einrichtung soll weitgehend ausgeschlossen
Kindern haben.                                            werden.

                                                          • Bis 2015 sollen die derzeit bestehenden 18 reinen
                                                          heilpädagogischen Einrichtungen in Kindertagesstätten
                                                          mit gemeinsamer Förderung umgewandelt sein.

Erfolge und Maßnahmen

• Zur Unterstützung der Fachkräfte in Kitas, die Kinder   Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt in
mit und ohne Behinderungen betreuen, entwickelt der       Kooperation mit Einrichtungen
LWL eine Arbeitshilfe mit dem Titel: „Die Kindertages-    Zeitplanung: bis 2015
stätte – ein Lebens- und Bildungsraum für alle Kinder /
Die Förderrichtlinien des LWL. Text und Erläuterungen.“   • Vor dem Wechsel eines behinderten Kindes aus einer
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                Regeleinrichtung in eine heilpädagogische Einrichtung
Zeitplanung: 2014                                         verpflichtet der LWL die betreuende Einrichtung zu einer
                                                          Fachberatung. Diese hat das Ziel, Förderpotenziale der
• Pro Jahr unterstützt der LWL mindestens fünf reine      Kita für das Kind vollständig auszuschöpfen.
heilpädagogische Einrichtungen in ihrer Weiterentwick-    Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt in
lung zu Einrichtungen mit gemeinsamer Förderung von       Kooperation mit Einrichtungen
Kindern mit und ohne Behinderungen.                       Zeitplanung: laufend

                                                                       Handlungsfeld Kindheit und Jugend 15
• Der LWL hat einen Forschungsauftrag an die Uni-          Zuständig / beteiligt: Universität Siegen im Auftrag
versität Siegen vergeben, um Voraussetzungen einer         des LWL-Landesjugendamts
gelingenden gemeinsamen Förderung in der Kinder­           Zeitplanung: bis Juni 2014
tagespflege zu untersuchen und entsprechende Empfeh-
lungen zu entwickeln.

2. Offene Kinder- und Jugendarbeit

Ziele

• Zukünftig soll es inklusive Praxisprojekte in Einrich-   • Die Fachkräfte und Ehrenamtlichen der offenen
tungen und Angeboten der Jugendförderung geben,            Kinder- und Jugendarbeit müssen über grundlegende
ausgerichtet an Konzepten der Lebenswelt- und Sozial­      Kenntnisse darüber verfügen, welche Barrieren die
raumorientierung, die allen Kindern mit und ohne           Teilhabe von jungen Menschen mit Behinderungen
Behinderungen offenstehen und Teilhabe ermöglichen.        erschweren und wie diese überwunden werden können.

Erfolge und Maßnahmen

• Modellprojekt zur „Inklusion in der Jugendförderung“     • Landesweite Transfertagung präsentiert Ergebnisse, um
an sechs Standorten, das auf der Grundlage von drei        eine Basis für eine breite Umsetzung im Handlungsfeld
Entwicklungswerkstätten zur „Inklusion in der Jugend­      Jugendarbeit zu schaffen.
arbeit“ sowie einer Jahrestagung zum Thema „Psy-           Zuständig / beteiligt: LVR und LWL
chische Auffälligkeiten von Jugendlichen und jungen        Zeitplanung: 2015
Erwachsenen – Anforderungen an Streetwork / Mobile
Jugend­arbeit“ entstanden ist.
Zuständig / beteiligt: LVR und LWL
Zeitplanung: bis August 2015

                              Jugendarbeit muss junge
                              Menschen mit Behin-
                              derungen systematisch
                              mitberücksichtigen.

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
3. Jugendsozialarbeit

Ziele

• Inklusiv arbeitende Fachkräfte und ehrenamtlich          • Weiterhin muss erreicht werden, dass alle Kinder
Tätige kennen zukünftig die Interessen der Familien mit    und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen einen
behinderten Kindern und Jugendlichen im Sozialraum         gleichberechtigten Zugang zu den Angeboten der
und halten Angebote vor, die dieser Zielgruppe die         Jugendsozial­arbeit haben.
Möglichkeit der Teilhabe eröffnen.

Erfolge und Maßnahmen

• Workshop „Inklusion und Jugendsozialarbeit“              • Entwicklung eines Beratungskonzepts
mit Trägervertretungen                                     Konzeptionierung von Fortbildungen für Träger
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                 und Fachkräfte
mit freien Trägern                                         Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Zeitplanung: 2015                                          Zeitplanung: 2015

4. Freiwilliges Ökologisches Jahr

Ziele

• In den kommenden fünf Jahren wird die Anzahl vor-        • Einsatzstellen und Seminarteams verfügen zukünftig­
zeitiger Beendigungen des FÖJ von Teilnehmenden mit        über notwendiges Wissen im Umgang mit den beson-
besonderen Förderbedarfen von derzeit gut 10 % auf         deren Herausforderungen der Teilnehmenden mit
höchstens 5 % reduziert.                                   Be­nachteiligungen, auch in Bezug auf die besondere
                                                           ­Problematik im Umgang mit behinderten Frauen und
• Teilnehmende mit besonderen Förderbedarfen ent­           ihren Problemen.
wickeln mithilfe von Beratung des LWL unter Beteiligung
qualifizierter Fachstellen eine geeignete Anschlussper­
spektive.

Erfolge und Maßnahmen

• Mindestens 10 % der Plätze werden pro Bildungsjahr       • Ein Netzwerk von Fachdiensten wird installiert, um für
für junge Menschen mit Behinderungen oder besonde-         jeden Bewerber ein angemessenes Einsatzfeld anbieten
ren Förderbedarfen bereitgestellt.                         zu können.
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                 Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Zeitplanung: jährlich                                      Zeitplanung: ab 2015

• Erarbeitung eines Konzepts zur Förderung benach­         • Seminarteams und Einsatzstellen werden durch Fort-
teiligter junger Menschen in Jugendfreiwilligendiensten.   bildungen in die Lage versetzt, zielgerichtet auf Bedarfe
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                 der Jugendlichen mit Benachteiligung zu reagieren.
Zeitplanung: bis 2015                                      Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
                                                           Zeitplanung: bis 2015

                                                                        Handlungsfeld Kindheit und Jugend 17
5. Hilfen zur Erziehung

Ziele

• In der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten ­zukünftig        • Familien mit behinderten Kindern sollen über ausrei-
Fach- und Leitungskräfte, die für den Gedanken der          chende Informationen zu den Angeboten der Jugend-
Inklusion sensibilisiert sind und über ausreichende         hilfe verfügen.
Kenntnisse im Umgang mit unterschiedlichen Formen
von Behinderung verfügen.

Erfolge und Maßnahmen

• Die Verwirklichung von Inklusion wird in den Arbeits-     Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
kreisen für Leitungskräfte des Allgemeinen Sozialen         Zeitplanung: 2014
Dienstes und der Jugendhilfeplanung beraten.
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                  • Jährlich findet mindestens eine Fortbildung für
Zeitplanung: 2014                                           ­Fachkräfte aus der Jugendhilfe statt, die über Grund­
                                                             lagen und Strukturen der Behindertenhilfe informiert.
• Inklusion wird als Querschnittsthema in alle Arbeits­      Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
hilfen für die Praxis einfließen, beispielsweise in die      Zeitplanung: jährlich
­Empfehlung zum Hilfeplanverfahren.
 Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                 • Zeitnahe Herausgabe einer Broschüre über die
 Zeitplanung: laufend / 2014                                Leistungen der Jugendämter in Leichter Sprache.
                                                            Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt,
• Die Möglichkeiten für ein Modellprojekt zur Umset-        BAG Landesjugendämter 2014
zung von Inklusion im Bereich Hilfen zur Erziehung          Zeitplanung: 2014
­werden ausgelotet.

6. Adoption

Ziele

Adoptivkindern mit Behinderungen soll ein Aufwachsen in einer Adoptivfamilie ermöglicht werden, die in der Lage
und bereit ist, den besonderen Bedürfnissen eines solchen Kindes gerecht zu werden.

Erfolge und Maßnahmen

• Um für behinderte Adoptivkinder ein geeignetes            Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Zuhause zu finden, beteiligt sich die Zentrale Adoptions-   Zeitplanung: laufend
stelle am überregionalen Vermittlungsausgleich.
                                                            • Durchführung einer Veranstaltung für Adoptiv- und
• Zukünftig wird mit allen Adoptionsbewerbern auch          Pflegeeltern, die diese im Umgang mit der Behinderung
die Möglichkeit der Adoption eines Kindes mit Behin-        ihres Kindes unterstützt.
derungen erörtert. Zudem werden sie hinsichtlich der        Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Unterstützungsmöglichkeiten bei der Betreuung eines         Zeitplanung: bis 2015
solchen Kindes beraten.

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
7. Westfälische Pflegefamilien

Ziele

• Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sollen mit         • Mindestens 10 % der Plätze in Westfälischen Pflege­
dem Anspruch größtmöglicher Normalität auch außer-            familien werden dauerhaft von Kindern mit Behinde­run­
halb der eigenen Familie in einem familienähnlichen           gen genutzt.
Umfeld aufwachsen können (Westfälische Pflegefamilie).

Erfolge und Maßnahmen

• Der LWL bietet Fortbildungen für Fachkräfte der             • Für die Eltern von Pflegekindern mit Behinderungen
­Pflegekinderdienste an, um über die besonderen Bedarfe       bietet der LWL Fortbildungen an, um sie im alltäglichen
 von Kindern mit Behinderungen zu informieren.                Umgang mit diesen Kindern zu unterstützen.
 Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                   Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
 Zeitplanung: drei- bis fünfmal jährlich                      Zeitplanung: viermal in 2014

• Das LWL-Landesjugendamt muss dafür Sorge tragen,            • Der LWL ist Ansprechpartner für Träger und Jugend­
dass die Pflegefamilien qualifiziert sind für die besondere   ämter bei Fragen zu den besonderen Bedürfnissen von
Aufgabe, Pflegekinder mit Behinderungen aufzunehmen           Pflegekindern mit Behinderungen.
und angemessen zu versorgen. Dazu soll ein Konzept            Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
erarbeitet werden.                                            Zeitplanung: laufend
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Zeitplanung: 2015                                             • Ein Marketingkonzept wird erarbeitet, um die Arbeit
                                                              der Westfälischen Pflegefamilien bekannter zu machen.
                                                              Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
                                                              Zeitplanung: 2014

                                                                                               Kinder leben einen ganz
                                                                                               selbstverständlichen
                                                                                               Umgang mit Stärken
                                                                                               und Beeinträchtigungen
                                                                                               anderer.

                                                                           Handlungsfeld Kindheit und Jugend 19
8. Schutz von Kindern in Einrichtungen

Ziele

• Einrichtungen der Eingliederungshilfe sollen über        • Standards für die fachlich-inhaltlichen und räumlichen
Konzepte verfügen, die Möglichkeiten zur Beteiligung       Rahmenbedingungen in Einrichtungen für Kinder und
von Kindern und Jugendlichen und ein angemessenes          Jugendliche sind weiterzuentwickeln, um auch zukünftig
Beschwerdemanagement ausweisen.                            die angemessene Betreuung von Kindern mit und ohne
                                                           Behinderungen durch Fachkräfte sicherzustellen.

Erfolge und Maßnahmen

• Behindertenhilfe und Landesjugendamt entwickeln          Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
gemeinsam Ansätze zur Steuerung der Hilfen (insbeson-      Zeitplanung: laufend
dere zur Aufnahme und zur weiteren Perspektivklärung
bei Erreichen der Volljährigkeit) für Kinder und Jugend-   • Jede Maßnahme mit Freiheitsbeschränkung oder
liche mit Behinderungen, um Fehlplatzierungen von          ­Freiheitsentzug in der Betreuung junger Menschen mit
Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen weiter zu        Behinderungen wird sehr kritisch auf Notwendigkeit und
minimieren.                                                 Rechtmäßigkeit überprüft.
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt                  Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
und LWL-Behindertenhilfe                                    Zeitplanung: laufend
Zeitplanung: laufend
                                                           • Einrichtungen der Jugendhilfe werden bei der Pla-
• Beratende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eignen        nung von Baumaßnahmen im Hinblick auf Barrierefrei-
sich durch die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen          heit beraten.
tiefere Kenntnisse zu Behinderungsformen und deren         Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt
Auswirkungen an, um Missstände in Einrichtungen            Zeitplanung: laufend
beurteilen und Hilfestellung anbieten zu können.

9. LWL-Einrichtungen der Jugendhilfe

LWL-Jugendheim Tecklenburg  /  LWL-Heilpädagogisches Kinderheim Hamm  /  LWL-Jugendhilfezentrum Marl  /  
LWL-Berufskolleg – Fachschulen Hamm  /  LWL-Bildungszentrum Jugendhof Vlotho

Ziele

• Jugendhilfeeinrichtungen sind langfristig in der Lage,   men in der Behindertenhilfe, wenn eine Betreuung im
Angebote für alle Kinder, Jugendlichen und ihre Familien   Elternhaus nicht möglich ist.
zu machen.
                                                           • In Mutter-Kind-Einrichtungen sollen Mütter bzw.
• Familien mit behinderten Kindern können zukünftig        Eltern mit psychischen und / oder geistigen Behinde-
alle Unterstützungsangebote der Jugendhilfe wahrneh-       rungen professionell mit dem Ziel betreut werden, für
men. Sie haben Zugang zu Unterbringungsformen wie          diese Familien eine gemeinsame Zukunftsperspektive zu
dezentralen Wohngruppen der Jugendhilfe bis hin zu         er­öffnen.
sozialräumlich und dezentral ausgerichteten Wohnfor-

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
• Das Thema „Inklusion“ ist Bestandteil der Ausbildung     • „Inklusion“ gehört als Thema zum Angebotsspek­
aller Studierenden des LWL-Berufskollegs – Fachschulen     trum des LWL-Bildungszentrums Jugendhof Vlotho.
Hamm.

Erfolge und Maßnahmen

• Für Eltern mit Behinderungen sollen spezifische          • Die Studierenden beim LWL-Berufskolleg – Fach­
Unterstützungsangebote konzeptionell erarbeitet            schulen Hamm lernen die Inklusionsthematik über die
­werden.                                                   Lernplattform „Fronter“ auf zwei Themenseiten kennen.
 Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt und            Zuständig / beteiligt: LWL-Berufskolleg
 LWL-Jugendhilfeeinrichtungen                              Zeitplanung: laufend
 Zeitplanung: 2015
                                                           • Das Berufskolleg als Einrichtung der Fort- und Weiter­
• Der Schulungsbedarf der Beschäftigten in den LWL-        bildung arbeitet die Inhalte der UN-Konvention in alle
Jugendhilfeeinrichtungen zum Umgang mit Behinde­           Bildungsgänge ein, sodass diese Teil der Ausbildung aller
rungen wird erhoben und an den unterschiedlichen           Studierenden sind.
Bedarfen von Frauen und Männern ausgerichtet.              Zuständig / beteiligt: LWL-Berufskolleg
Zuständig / beteiligt: LWL-Jugendhilfeeinrichtungen        Zeitplanung: laufend
Zeitplanung: 2014
                                                           • Das Berufskolleg bietet den Zertifizierungskurs
• Im Anschluss erfolgen konkrete Schulungsmaß­             ­„Konzept der gemeinsamen Erziehung“ an. Mit diesem
nahmen.                                                     Angebot unterstützt es die Qualifizierung von Beschäf-
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt und              tigten für die inklusive Arbeit in Tageseinrichtungen.
LWL-Jugendhilfeeinrichtungen                                Zuständig / beteiligt: LWL-Berufskolleg
Zeitplanung: ab 2015                                        Zeitplanung: laufend

• Die Rahmenbedingungen und die Konzeption der             • Das LWL-Bildungszentrum Jugendhof Vlotho
­sta­tionären Wohngruppen auch in Mutter-Kind-Ein-         be­handelt das Thema Inklusion in Seminaren für den
 richtungen werden mittelfristig so gestaltet, dass eine   Kita-Bereich und für die Schulsozialarbeit.
 inklusive Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher   Zuständig / beteiligt: LWL-Bildungszentrum
 möglich ist.                                              Jugendhof Vlotho
 Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt und            Zeitplanung: laufend
 LWL-Jugendhilfeeinrichtungen
 Zeitplanung: laufend                                      • Konkret gelebt wird Inklusion in der Ferienmusikwerk-
                                                           statt, an der Menschen jeden Alters, aus unterschied-
• Um eine inklusive Betreuung behinderter Kinder in        lichen Kulturen, sowohl mit und ohne Behinderungen
Wohngruppen der Jugendhilfe zu ermöglichen, werden         teilnehmen.
Leistungsvereinbarungen mit dem überörtlichen Sozial-      Zuständig / beteiligt: LWL-Bildungszentrum
hilfeträger angestrebt. Hierzu werden eine Konzeption      Jugendhof Vlotho
erarbeitet und Gespräche zwischen Vertretungen des         Zeitplanung: laufend
Jugendhilfe- und Sozialhilfeträgers geführt.
Zuständig / beteiligt: LWL-Landesjugendamt, LWL-
Jugend­hilfeeinrichtungen und LWL-Behindertenhilfe
Zeitplanung: 2014

                                                                        Handlungsfeld Kindheit und Jugend 21
„ Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen
mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskri-
minierung zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten
ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen [...]. Bei der
Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher,
dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behin-
derung vom allgemeinen Schulsystem ausgeschlossen werden
[...]; Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt
mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu
einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unter-
richt an Grundschulen und weiterführenden Schulen.“
Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention

 LWL-Aktionsplan Inklusion 2014
Handlungsfeld
                                     Schule

Herausforderungen
In Deutschland hat sich mit der Schulpflicht für alle Kinder mit Behinderungen ein sehr ausdifferenzier-
tes System von Förderschulen entwickelt, die der größte Teil der Kinder auch besucht. Die Schulen waren
von Anfang an nicht als Orte der Aussonderung gedacht. Im Gegenteil: Sie bieten Kindern mit Behinde-
rungen den adäquaten Zugang zu Bildung, indem die pädagogische Förderung auf sie ausgerichtet wird.
Auch die speziellen Ausstattungen, Räume und Lehrmaterialien sichern die künftige Teilhabe der Kinder
und Jugendlichen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben.

 Von den nordrhein-westfälischen Schülerinnen und          Laut UN-Konvention sollen besondere Förderbedin-
 Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf             gungen im Regelsystem gewährleistet werden, um
 be­suchen aktuell rund 13 % die Förderschulen der         damit das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und
 Landschaftsverbände. 6.600 Kinder werden in den           Schülern mit und ohne Behinderungen in einer Schule
­LWL-Schulen unterrichtet.                                 sicherzustellen. Das stellt den LWL vor große Aufga-
                                                           ben: Der Verband will das gemeinsame Lernen von
Die UN-Behindertenrechtskonvention formuliert nun          Kindern mit und ohne Behinderungen ermöglichen und
das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderun-         unterstützen, die speziellen Kenntnisse im Bereich der
gen und den gleichberechtigten, diskriminierungsfreien     Förderung von Kindern mit Körper- und Sinnesbehin-
Zugang zur allgemeinen Schule, wohnortnah im sozia-        derungen einbringen, die Qualität der sonderpädagogi-
len Umfeld. Sie fordert nicht die vollständige Auflösung   schen Förderung sichern und dem Elternwahlrecht mit
von Förderschulen, sondern geht von einer Quote des        flächen­deckender sonderpädagogischer Förderung und
„Gemeinsamen Lernens“ von 80 bis 90 % aus. Auch            Beratung gerecht werden. Als gutes Bespiel für Inklu-
deswegen – so zeigt es die Erfahrung des LWL –, weil in    sion in einer LWL-Schule kann hier die Irisschule, LWL-
bestimmten Fällen für besonders beeinträchtigte Kinder     Förderschule mit dem Schwerpunkt Sehen in Münster,
und Jugendliche weiterhin Förderschulen erforderlich       genannt werden: Über 2/3 der Schülerinnen und Schü-
sind und von Eltern gewünscht werden.                      ler besuchen bereits Regelschulen und werden dort von
                                                           dem Lehrpersonal der Irisschule gefördert.

                                                                                      Handlungsfeld Schule 23
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