Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich

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Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Kanton Zürich

                 Schulblatt
                 Bildungsdirektion

                                              4/2019

                                     100 Jahre AJB
                                          Nah an Schule
                                            und Familie

Zirkuslehrerin
Mit dem Schulzimmer
von Ort zu Ort

MINT-Labor
Ein Raum für
kreative Köpfe

Kompetenzzentren
Auf dem Weg
zu einer Lösung
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
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                                         Magazin                                             Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                             100 Jahre AJB
                                         4                                                                                                            22
                                         Kommentar                                           12                                                       Mentoring
                                         Bildungsdirektorin Silvia                            Im Gespräch                                             Dank «Ithaka» die passende
                                         ­Steiner über 100 Jahre AJB                          Amtschef André Woodtli                                  Lehrstelle finden
                                                                                              über die Zusammenarbeit mit
                                         5                                                    den Schulen und die Familie                             24
                                         Im Lehrerzimmer                                      als Netzwerk                                            Stafette
                                         Kantonsschule Uetikon                                                                                        Die Tagesschule der Stiftung
                                         am See                                              16                                                       Kind und Autismus ist auch
                                                                                              Kinder- und Jugendhilfe                                 ein Teilzeitinternat
                                         6                                                    Wenn es um das Kindswohl
                                         Persönlich                                           geht, arbeiten Fachleute und                            27
                                         Die Zirkuslehrerin Claudia                           Schule eng zusammen                                     In Kürze
                                         Brummer und ihr fahrendes
                                         Klassenzimmer                                       18
                                                                                              Elternbildung
                                         9                                                    Auch für Eltern gibt es viel
                                         Meine Schulzeit                                      zu lernen
                                         Heiko Nieder, Koch des Jahres

                                         Wichtige Adressen                                                    Impressum Nr. 4/2019, 21.6.2019
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Inhalt

                                         Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                         Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: sechsmal jährlich, 134. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                         Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und          reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                         ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend       Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Journalistische Mitarbeit an dieser Aus­
                                         und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­          gabe: Walter Aeschimann, Bettina Büsser, Paula Lanfranconi, Andreas Minder Abonnement:
                                          verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe-   Lehr­personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das ­«Schulblatt» in ihrem
                                         urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsrats­beschlüsse:     ­Schulhaus ­gratis beziehen (Bestellwunsch an Schul­leitung). ­Be­stellung des «Schulblatts»
                                          www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­archiv Regierungsrats­        an ­Privat­adresse ­sowie Abonne­ment weiterer Interessierter: ­abonnemente@staempfli.com,
                                          beschlüsse: www.rrb.zh.ch                                           031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch ­Gestaltung: www.bueroz.ch
                                                                                                              Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 Re­daktions-
                                                                                                              und Inserateschluss nächste Aus­gabe: 18.7.2019 Das n      ­ ächste «Schulblatt» erscheint
                                         Titelbild: Stephan Rappo                                             am: 16.8.2019

                                         Weiterbildungsangebote
                                         Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                         leitende: Volksschulamt: www.vsa.zh.ch > Ausbildung & Weiterbildung Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unterstrass.edu:
                                         www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Interkantonale
                                         Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­        gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen des
                                         ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für ­Weiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für Ange-
                                          wandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
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Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
28                                                                                                                                                  36
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          41
                                                                                                               Amtliches
28                                                     34
MINT-Labor                                             Kompetenzzentren                                        42
Ein Raum für technik­                                  Der Lösungsvorschlag für                                Stellen
begeisterte Jugendliche an                             die geplante neue Berufs­
der Kantonsschule Im Lee                               zuteilung liegt vor                                     44
                                                                                                               schule & kultur
30                                                     36
Arbeitsort Mittelschule                                Berufslehre heute                                       46
Monika Guldener berät                                  Bootbauer EFZ                                           Agenda
­Schülerinnen und Schüler in
 schwierigen Situationen                               39
                                                       In Kürze
33
In Kürze

    Editorial
                                                               Das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) kommt im «Schulblatt» selten
                                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Inhalt

                                                               zu Wort. Das mag daran liegen, dass es weniger stark mit den Schulen in Ver-
                                                               bindung gebracht wird als etwa das Volksschul- oder das Mittelschul- und
     Reto Heinzel                                              ­Berufsbildungsamt. Dabei verfolgt das AJB durchaus ähnliche Ziele: Indem es
                                                                Tag für Tag Familien informiert, unterstützt und berät, sorgt es dafür, dass Kin-
                                                                der und Jugendliche ihren Weg in die Erwachsenenwelt möglichst gut zurück-
                                                                legen können. Das AJB nimmt eine beeindruckende Vielfalt an Aufgaben wahr:
                                                                Es berät beispielsweise Jugendliche und Erwachsene bei Fragen rund um
                                                                ­Berufswahl und Laufbahn, führt Mütter- und Väterberatungen durch oder or-
                                                                 ganisiert Workshops zur Elternbildung. Es ist auch Kompetenz- und Dienst-
                                                                 leistungszentrum für die Kinder- und Jugendhilfe und übt die Aufsicht über
                                                                 die Kinder- und Jugendheime aus.
                                                                 Das AJB wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Es ist höchste Zeit, diesem grossen und
                                                                 in den Gemeinden fest verankerten Amt einen Schwerpunkt zu widmen. 
                                                                                                                                                         3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
100 Jahre AJB                                                                                                                stimmtes Leben zu unterstützen, erbringt

       Bildung
                                                                                                                                    das Amt für Jugend und Berufsberatung
                                                                                                                                    (AJB) Leistungen, die das Angebot unse­
                                                                                                                                    rer Schulen ergänzen. Daher ist es wie das

       fürs Leben
                                                                                                                                    Volksschulamt, das Mittelschul- und Be­
                                                                                                                                    rufsbildungsamt und das Hochschulamt
                                                                                                                                    meiner Bildungsdirektion angegliedert.
                                                                                                                                        Das AJB wurde 1919 gegründet und

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                       feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Be­
                                                                                                                                    stehen. Die AJB-Fachpersonen mit Aus­
                                                                                                                                    bildungen im Gesundheitswesen, in Psy­
                                                                                                                                    chologie oder sozialer Arbeit informieren,
                                                                                                                                    beraten und unterstützen Familien, Kin­
                                          Wenn von Bildung die Rede ist, denken                                                     der und Jugendliche, aber auch Lehrerin­
                                          die meisten Menschen spontan an die                                                       nen und Lehrer zu den Themen Familie,
                                          Schule. Manche erinnern sich an ihren en­                                                 Erziehung, Beruf und Laufbahn.
                                          gagierten Deutschlehrer, der sie für Aben­                                                    So kann die Erziehungsberaterin im
                                          teuerromane begeisterte. Andere den­ken                                                   Kinder- und Jugendhilfezentrum (kjz) des
                                          an ihre Studienzeit oder an die Weiter­                                                   AJB Sofias Eltern helfen, auf die Bedürf­
                                          bildung, die sie gerade an einer Fachhoch­                                                nisse ihrer Tochter einzugehen. Und der
                                          schule absolvieren. Bildung, so scheint es,                                               Berufsberater im Berufsinformationszen­
                                          ist vor allem Sache der Schule.                                                           trum (biz) schafft es in wenigen Gesprä­
                                               Die Lehrpersonen können das durch­                                                   chen, Leons Interessen und Fähigkeiten

                                                                                          «Bildung hört
                                          aus bestätigen. Um Bildung zu vermitteln,                                                 zu ermitteln und ihn zu einer Schnupper­
                                          gestalten sie einen qualitativ hochstehen­                                                lehre zu motivieren. Mütter- und Väter­
                                          den Unterricht und setzen sich täglich für
                                          das Wohl der Kinder und Jugendlichen
                                                                                        nach Schulschluss                           beraterinnen der kjz beraten junge Eltern,
                                                                                                                                    wie sie für ihre Kleinkinder ein anre­
                                          ein. Gleichwohl haben diese jungen Men­          nicht auf.»                              gendes Umfeld gestalten und sie alters­
                                          schen Familien und ein Umfeld, von dem                                                    gerecht fördern können.
                                          sie geprägt werden und in dem sie ausser­                                                     Ich danke allen AJB-Mitarbeitenden
                                          halb der Schule Erfahrungen sammeln,                                                      für diese und alle anderen Leistungen, die
                                          die ihre Bildung beeinflussen.                gelesen bekommen und kann im Kinder­        sie seit Jahren mit Engagement und Herz­
                                               So plagen die 7-jährige Sofia, deren     garten den Erzählungen nicht folgen. Es     blut erbringen. Gemeinsam mit unseren
                                          Eltern sich in Trennung befinden, in der      zeigt sich, Bildung beginnt lange vor dem   Fachleuten im Schulfeld stärken sie nicht
                                          Schule seit Wochen Bauchschmerzen, die        Kindergarten und hört auch nach Schul­      nur den Bildungsstandort Zürich, sondern
                                          nicht medizinisch begründet sind. Und der     schluss nicht auf. Bildung begleitet uns    leisten einen wert­vollen Beitrag für den
                                          15-jährige Leon spielt lieber Fussball, als   ein Leben lang.                             Zusammenhalt unserer Gesellschaft. 
                                          sich um eine Lehrstelle zu bemühen. Die           Um Kindern und Jugendlichen einen
                                          5-jährige Chiara wiederum hat vor der         erfolgreichen Bildungsverlauf zu ermögli­    Weitere Informationen zum Jubiläum
                                                                                                                                    des AJB sind im Internet abrufbar:
                                          Einschulung noch nie ein Bilderbuch vor­      chen und sie auf dem Weg in ein selbstbe­   www.fuerslebengut.ch
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Magazin

                                                                                                                                               Mein
                                                                                                                                               Traumschulhaus
                                                                                                                                               Noemi Reichlin (10),
                                                                                                                                               4. Klasse, Schul­
                                                                                                                                               haus Tömlimatt,
                                                                                                                                               Kappel am Albis.
4
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                                                           Kantonsschule
                                                          Uetikon am See
                                                                      Hier sitzen alle Mitarbeitenden
                                                                                      am selben Tisch
                                                                                                                      Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Magazin

Hell und sonnig: präsentiert sich das Lehrerzimmer im ersten Stock dank der grossen Fensterfront. Erst vor Kurzem angeschafft:
wurden die grauen Sessel um die zumeist runden Tische, sie sollen dem Raum mehr Gemütlichkeit verleihen. Mobile Verpflegung:
für Pause und Mittag gibt es jeweils während der 10-Uhr-Pause am Wagen der Bäckerei Steiner, den die Schulleitung mangels eige­
ner Mensa organisiert hat. Noch weitgehend kahl: sind die Wände hier und in den Korridoren des Provisoriums der blutjungen
Kantonsschule am rechten Zürichseeufer, dies soll sich aber noch ändern. Identitätsstiftend: soll der Aufenthalt möglichst aller
anwesenden Lehrpersonen während der grossen Pause im Lehrerzimmer wirken. Mit am Tisch: sitzen deshalb auch die weiteren
Mitarbeitenden, das Sekretariat ist in dieser Zeit geschlossen. 11 neue Lehrpersonen: werden nach den Sommerferien zum Team
stossen, an einem Weiterbildungstag hat man sich bereits kennengelernt. Schade: finden es einige der zurzeit 110 Schülerinnen und
Schüler, dass nach den Sommerferien sechs neue Klassen hinzukommen und man nicht mehr unter sich ist. Vorfreude: verspürt
hingegen Rektor Martin Zimmermann: «An eine Schule gehören Schülerinnen und Schüler, und es darf auch etwas wuseln.» [jo]
                                                                                                                                       5
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                      sich von dem «normaler» Gleichaltriger

       Schule, aber
                                                                                                                                       schon genug. Auch Prüfungen und Zeug­
                                                                                                                                       nisse werden also im Wagen 48 geschrie­
                                                                                                                                       ben, Hausaufgaben gehören ebenfalls

       ganz anders
                                                                                                                                       dazu. Elterngespräche finden im üblichen
                                                                                                                                       Turnus statt, und die Mütter und Väter
                                                                                                                                       erlebt die erfahrene Lehrerin als aus-
                                                                                                                                       gesprochen unterstützend. Den grössten

       Claudia Brummer unterrichtet                                                                                                    Aufwand bedeutet für sie die Unterrichts­
                                                                                                                                       vorbereitung – für jedes Kind andere
       Zirkuskinder, lebt und reist mit ihnen.                                                                                         Themen und andere Aufgaben. «Dafür bin

       Und findet das grossartig.                                                                                                      ich mit dem Korrigieren oder den Eltern­
                                                                                                                                       gesprächen schneller durch.»

       Text: Jacqueline Olivier Foto: Stephan Rappo
                                                                                                                                       «Eine gute Art, aufzuwachsen»
                                                                                                                                       Wichtig ist, dass die Kinder die Lernziele
                                                                                                                                       erreichen, denn nach Saisonende besu­
                                                                                                                                       chen die meisten von ihnen während
                                                                                                                                       der Wintermonate eine öffentliche, ein­
                                                                                                                                       zelne auch eine Privatschule. Im vergan­
                                          48 – diese Nummer ist Claudia Brummers          Klassenunterricht ist in der Zirkusschule    genen Winter hat Claudia Brummer einzig
                                          Unterrichtsraum. Allerdings handelt es          nur selten möglich, in der Regel arbeitet    noch die achtjährige Chanel, Tochter von
                                          sich nicht um eine Zimmer-, sondern um          jedes Kind an seinem eigenen Programm.       Géraldine Knie und Maycol Errani, im
                                                                                                                                       ­
                                          eine Wagennummer. Und wir befinden              Es gilt der Lehrplan des Kantons St. Gal­    Schulwagen unterrichtet, der dann jeweils
                                          uns nicht in einem Schulhaus, sondern           len, in dem das Unternehmen Knie seinen      im Winterquartier in Rapperswil-Jona
                                          auf einem Parkplatz am Fusse des Üetli­         Sitz hat. Für die aus Wil stammende Leh­     steht. Damit für die anderen Kinder der
                                          bergs, auf dem der Circus Knie während          rerin optimale Voraussetzungen. Auch         Wechsel in die reguläre Schule und im
                                          seines Zürcher Gastspiels Quartier be­          ihre Ausbildung am früheren Lehrersemi­      Frühling wieder zurück möglichst rei­
                                          zieht. Eine Schule auf Rädern mit Platz         nar in Wattwil kommt der Mittvierzigerin     bungslos verläuft, spricht die Zirkuslehre­
                                          für sechs bis sieben Schüler, einer Mini-       zugute, verfügt sie dadurch doch über ein    rin mit den Lehrpersonen vor Ort den
                                          Bibliothek, einem Lehrerpult nicht grös­        Lehrdiplom in allen Fächern. Nur Sport­      Stoff in den einzelnen Fächern jeweils ge­
                                          ser als die Tische der Kinder und einem         unterricht muss sie hier keinen erteilen,    nau ab. Alles andere schaffen die Zirkus­
                                          kleinen Whiteboard an der Rückwand –            der sei gestrichen. «Das ist kein Problem,   kinder bestens allein. «Sie sind sehr flexi­
                                          dies ist das Reich der lebhaften Lehrerin,      denn die Kinder hier bewegen sich sehr       bel, offen gegenüber anderen Menschen
                                          deren Dialekt schon bei der Begrüssung          viel. Und jene, die im Programm auftreten,   und anderen Kulturen, weil sie dieses
                                          ihre Ostschweizer Herkunft verrät.              sind ohnehin körperlich fit.»                Miteinander tagtäglich erleben. Ich finde
                                              Vor fünf Jahren hat es sie hierher ver­                                                  dies eine gute Art, aufzuwachsen.»
                                          schlagen, in einem Moment, in dem sie           Schweizer Geografie live                         Mittlerweile ist die Lehrerin längst
                                          sich Gedanken darüber machte, ob es für         Je nach Wetter unternimmt Claudia Brum­      selber vom Zirkus-Virus befallen. Die Vor­
                                          sie vielleicht auch noch etwas anderes          mer mit ihrer Klasse auch den einen oder     stellung hat sie in den zwei Monaten seit
                                          gäbe, als zu unterrichten. Nach 14-jähriger     anderen Ausflug. Lange Anreisen für Ex­      Tournee-Beginn bereits viermal gesehen.
                                          Tätigkeit an der Primarschule Lenggen­          kursionen fallen weg, baut der Circus        «Es packt einen schon», sagt sie, «die Zir­
                                          wil und zuvor einigen Jahren in Mosnang         Knie doch sein Chapiteau – wie das Zir­      kus-Vorstellung ist schliesslich der Grund,
                                          schien ihr ein Richtungswechsel angezeigt.      kuszelt im Fachjargon genannt wird – alle    warum wir alle hier sind.» An den ver­
                                          Und dann stiess sie auf das Stelleninserat      paar Tage oder Wochen in einer anderen       schiedenen Spielorten geht sie ausserdem
                                          des Circus Knie und zögerte nicht lange.        Stadt auf. 33 Spielorte zwischen März und    regelmässig auf Erkundigungstouren. Am
                                          «Die Vorstellung war verlockend: Schule,        November – Schweizer Geografie lernen        Wochenende kehrt sie jedoch wenn im­
                                          aber doch ganz anders.» Sie wurde nicht         die Schülerinnen und Schüler auf diese       mer möglich nach Hause zurück, nach
                                          enttäuscht: «Ich kann hier völlig selbst­       Weise fast schon nebenbei. Dafür haben       Schmerikon, wo sie und ihr Mann erst vor
                                          ständig arbeiten und übernehme vom              sie k
                                                                                              ­ einen Schulweg zurückzulegen, leben    Kurzem hingezogen sind. Während sie mit
                                          Hauswart bis zur Schulleitung sämtliche         in der Zirkus-Gemeinschaft in einer eige­    dem Zirkus auf Reisen ist, führen die bei­
                                          Rollen. Das ist enorm spannend. Und ich         nen Welt – und ihre Lehrerin mitten unter    den also eine Wochenendbeziehung. Und
                                          habe viel mehr Zeit für die einzelnen Kin­      ihnen. Dadurch ergibt sich automatisch
                                                                                          ­                                            das ist der Grund, warum Claudia Brum­
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Magazin

                                          der als in einer normalen Klasse.»              eine Nähe zu den Kindern wie auch zu         mer diesen Sommer, am Ende des laufen­
                                                                                          den Eltern, die man als Lehrperson nor­      den Schuljahrs, ihre Stelle aufgeben wird.
                                          Jedes Kind hat sein Programm                    malerweise nicht hat. Ist es nicht schwie­   Mit Wehmut zwar, aber auch in der Über­
                                          Derzeit sitzen an den Wochentagen jeweils       rig, sich in diesem Umfeld genügend ab­      zeugung, dass es nun an der Zeit sei, wie­
                                          fünf Schülerinnen und Schüler in dem ge­        zugrenzen und die Autorität zu wahren,       der sesshaft zu werden. «Man muss auch
                                          mütlich eingerichteten Schulwagen – zwei        die es im Unterricht braucht? Claudia        wieder einmal ein gemeinsames Leben
                                          Knie-Sprösslinge und drei Kinder von            Brummer überlegt kurz, schüttelt dann        führen», meint sie. Dass sie in Zukunft
                                          Mitarbeitern. Die jüngste ist Erstklässlerin,   ­lachend den Kopf. «Das funktioniert gut»,   regelmässig im Circus Knie zu Besuch
                                                                                                                                       ­
                                          der älteste in der 1. Sek. In anderen Jahren     antwortet sie, «auch wenn ich nicht sagen   sein wird, steht für sie schon heute fest.
                                          hat auch schon der eine oder andere              kann, wie.» Und sie schätzt diese Nähe,     Und für ihre neue Stelle – doch wieder an
                                          Nachwuchs von Gastartistenfamilien hier          vor allem zu den Schülern. «Die Kinder      einer Schule – nimmt sie von den ver­
                                          die Schulbank gedrückt, sofern er genü­          bringen mir grosses Vertrauen entgegen,     gangenen fünf Jahren einiges mit: «Die
                                          gend gut Deutsch sprach. Ansonsten wür­          erzählen mir viel.                          Freude am Unterrichten und an den Kin­
                                          den solche Kinder von ihren eigenen                  Den Schulalltag versucht sie für die    dern, die ich hier verspüre, das harmoni­
                                          ­Eltern unterrichtet, erklärt Claudia Brum­      Zirkuskinder so normal wie möglich zu       sche Klima – so möchte ich es möglichst
                                           mer, diese Familien seien es so gewohnt.        gestalten, denn deren Leben unter­scheide   wieder haben.» 
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Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Magazin

  Als Zirkuslehrerin geniesst
       Claudia Brummer ihre
   Selbstständigkeit und die
   Zeit, die sie sich für jedes
einzelne Kind nehmen kann.
                                  7
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Soziale Arbeit

                                  Interdisziplinäre
                                  Weiterbildungen im
                                  Kontext Schule.
                                  Kurs Zusammenarbeit mit Eltern
                                  im schulischen Kontext
                                  Proaktive Beziehungsgestaltung mit Eltern. Die
                                  Zusammenarbeit mit Elternbildung CH gibt Einblick
                                  in die Perspektive und Anliegen von Eltern.
                                  28./29.10.2019 und 18.11.2019

                                  Kurs Ausserunterrichtliche
                                  Betreuung – Kinder im Fokus
                                  Handlungsmöglichkeiten in der ausserunterrichtlichen
                                  Betreuung vor dem Hintergrund gesellschaftlicher
                                  Entwicklungen.
                                  4./5.11.2019 und 25./26.11.2019

                                  Kurs Kindesschutz und Schule
                                  Abläufe bei vermuteten Kindeswohlgefährdungen
                                  und Verständnis für die professionelle Rolle
                                  im Rahmen von kindesschutzrechtlichen Fällen.
                                  14./15.11.2019

                                  Kurs Prävention und Intervention
                                  in der Schule
                                  Vielseitiges Handlungsrepertoire in der Prävention
                                  und Intervention, z.B. Förderung von Sozial-
                                  kompetenz und Zivilcourage, Bearbeitung von
                                  Konfliktdynamiken oder (Cyber-)Mobbing.
                                  23./24.1.2020 und 27./28.2.2020

                                  Kurs Interdisziplinäre Zusammen-
                                  arbeit in der Schule
                                  Einflussfaktoren in der Kooperation verschiedener
                                  Professionen sowie Handlungsmöglichkeiten
                                  der jeweiligen Berufsgruppen im Umgang mit
                                  schulischen Herausforderungen.
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019

                                  6./7.2.2020 und 5./6.3.2020
                                                                      Mehr Infos und
                                                                     Anmeldung unter
                                                                     www.zhaw.ch/
                                                                      sozialearbeit

                                  Hochschulcampus Toni-Areal, Zürich
                                     www.zhaw.ch/sozialearbeit
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Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                    Meine Schulzeit

                                                            «Die Schule ist
in Erinnerung und warum?
Eigentlich sind mir alle drei grossen Rei­
sen in Erinnerung geblieben. Von jeder

                                                          ein guter Pfeiler»
ein bisschen. 4. Klasse: Nordsee. Wattwan­
dern und das erste Mal «Kinder-Disco»
mit «We Will Rock You» von Queen. Wir
alle haben gestampft und geklatscht –
Wahnsinn! 7. Klasse: Ostsee. Die ersten
Neigungen zum anderen Geschlecht. Viel
                                                                              Fünf Fragen an Heiko Nieder,
Natur, Fahrradfahren. Und die Möwe, die                                      Chefkoch Dolder Grand, Zürich
ihr Geschäft auf meine einzige Mahlzeit
beim Ausflug gemacht hat. 10. Klasse:
Freiburg. Sehr viele Erinnerungen, die ich
jedoch hier nicht erzählen werde …
     Welche Lehrperson werden Sie nie
vergessen?
     Die Englischlehrerin Frau Eggers und
Herrn Lange, den Mathematik- und Biolo­
gielehrer. Die beiden waren super! Zwar         Was haben Sie in der Schule fürs
auch ein bisschen streng, aber es hat           ­Leben gelernt?
Spass gemacht, bei ihnen im Unterricht zu        Gute Frage. Ich würde sagen: vermutlich
sein. Aber auch die anderen Lehrerinnen          alles und nichts. Aus meiner Sicht ist die
und Lehrer waren gut. Ich glaube sogar, an       Schule, sofern man gern hingeht, ein guter
meiner Schule gab es nie irgendwelche            Pfeiler, eine gute Basis, auf die man sein
Lehrer, die wir Schüler nicht mochten.           späteres Leben aufbauen kann. Dazu
     Welches war Ihr liebstes Fach und           gehören Wissen, Fleiss, Geduld, Zusam­
                                                 ­
weshalb?                                         menarbeit, Zuhören, Verstehen. Für den
Im Nachhinein würde ich sagen, dass mir          Kochberuf wurde auf den ersten Blick
Mathematik am besten gefallen hat. An­           in der Schule vielleicht kein riesiges
fangs war es einfach, dann wurde die Sa­         Fundament gelegt. Aber in menschlicher
che unverständlicher. Doch dann kam              Hinsicht wurde dort eine wichtige Basis
Herr Lange, der uns den Stoff gut vermit­        geschaffen, auf der man aufbauen kann,
                                                                                                     Heiko Nieder (47) ist in Reinbek (D)
telt hat. Danach konnte ich gewissermas­         egal in welche Richtung man sich später             ­geboren. Seine Kochausbildung absolvierte
sen die «Matrix lesen». Ich bin schon ge­        entwickelt.                                          er im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg,
                                                                                                      sein weiterer beruflicher Weg führte ihn
spannt, wann meine Kinder mit den                    Was hat Ihnen in der Schule gar                  ­unter anderem nach Bonn und Berlin. Seit
ersten schwierigen Matheaufgaben nach            nicht gefallen?                                       2008 ist er «Chef Fine Dining» in «The
                                                                                                       ­Restaurant» des Dolder Grand Hotels in
Hause kommen. Mal schauen, was ich                   Da fällt mir nichts ein. Die negativen             ­Zürich, das mit 2 Michelin-Sternen und
dann noch draufhabe.                             Dinge habe ich wohl alle verdrängt …                    19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Schwerpunktfach
                                                                                                                                                      Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Magazin
                                                                                                                                                      9
Schulblatt4/2019 100 Jahre AJB - Nah an Schule und Familie - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus
Fokus

100 Jahre
AJB
Als 1919 das «Kantonale Jugendamt» ge­
gründet wurde, lag der Fokus auf den teilweise
desolaten Familienverhältnissen als Folge der
Industrialisierung. Heute beschäftigt sich das
Amt für Jugend und Berufsberatung mit ­einer
grossen Vielfalt an Themen – mit welchen, das
erklärt Amtschef André Woodtli im Interview.
Berührungspunkte mit der Schule gibt es
­immer wieder, etwa, wenn es um den Kindes­
 schutz geht. Und auch bei den Elternbildungs­
 angeboten arbeitet das AJB eng mit den
 ­Schulen zusammen.
Fotos: Stephan Rappo hat den diesjährigen kantonalen Elternbildungstag in Winterthur besucht.

                                                                                                Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus
                                                                                                11
Im Gespräch                                                                                                                    teln zwischen den Bedürfnissen des Indi­

       «Die Kinder- und
                                                                                                                                      viduums und den Ansprüchen der Gesell­
                                                                                                                                      schaft. Das ist ihre grosse Rolle. Und der
                                                                                                                                      Bedarf nach dieser Vermittlungsfunktion

       Jugendhilfe ist
                                                                                                                                      ist in den vergangenen 100 Jahren stark
                                                                                                                                      gewachsen. Heute findet man Sozialarbei­
                                                                                                                                      terinnen und Sozialarbeiter im Justizvoll­

       allgegenwärtig»
                                                                                                                                      zug, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
                                                                                                                                      und eben auch im Bildungssystem. Jede
                                                                                                                                      Sekundarschülerin und jeder Sekundar­
                                                                                                                                      schüler trifft, weil er oder sie ja eine Be­
       Seit 2008 leitet André Woodtli das Amt                                                                                         rufsausbildung machen soll, ­irgendwann
                                                                                                                                      einmal auf eine Berufsberaterin oder ei­
       für Jugend und Berufsberatung (AJB).                                                                                           nen Berufsberater. Sie sehen: Die Kinder-

       Im Gespräch bezeichnet er die Familie                                                                                          und Jugendhilfe ist allgegenwärtig und ist
                                                                                                                                      unverzichtbar geworden.
       als «Normalitätsmaschine» und zeigt                                                                                                 Gewisse Leute stören sich am
                                                                                                                                      ­allgemeinen Bedeutungszuwachs der
       auf, wo überall die Schulen auf das                                                                                             Sozialpädagogik und sprechen despek­

       AJB treffen. Und er wagt einen Blick                                                                                            tierlich von einer «Sozialindustrie».
                                                                                                                                       Klar, diese Stimmen gibt es. Doch die be­
       in die Zukunft.                                                                                                                 schriebene Entwicklung ist meines Erach-
                                                                                                                                      tens irreversibel. Die Modernitätsdyna­
       Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo                                                                                         mik verlangt nach einer starken Kinder-
                                                                                                                                       und Jugendhilfe. Übrigens ist das vom
                                                                                                                                       Kantonsrat bereits verabschiedete neue
                                                                                                                                       Kinder- und Jugendheimgesetz mit sei­
                                                                                                                                       ner zentralen Versorgungsplanung steue­
                                                                                                                                       rungslogisch ziemlich das Gegenteil von
                                                                                                                                       Sozialindustrie.
                                                                                                                                           In welchen Bereichen arbeiten
                                                                                                                                       die Schulen gegenwärtig mit dem AJB
                                        Das Amt für Jugend und Berufs­                 Und eben vor 100 Jahren: Kinder- und Ju­        zusammen?
                                        beratung wurde 1919 als Kantonales             gendhilfe ist gut für die Schule! Als die       Neben der Berufsberatung und der Schul­
                                        Jugendamt gegründet. Welche Themen             Zürcher Regierung 1918 die Schaffung ei­        sozialarbeit geschieht dies zum Beispiel
                                        standen damals, kurz nach Ende des             nes Jugendamts vorschlug, stiess sie damit      bei der Elternbildung. Wir unterstützen
                                        Ersten Weltkriegs und des Landes­              auf grosse Resonanz. Innerhalb nur eines        und beraten Schulen dabei, ein passendes
                                        streiks, im Vordergrund?                       Jahres nahm das Amt den Betrieb auf.            Elternbildungsprogramm bereitzustellen.
                                        Es war eine bewegte, krisenhafte Zeit, ge­           Wie hat sich die Beziehung                Eine Lehrperson hat aber auch dann mit
                                        prägt von sozialen Spannungen. Dabei ging      ­zwischen Schule und Jugendamt                  dem AJB zu tun, wenn das Wohl eines
                                        es um die negativen Spätfolgen der Indus­       ­seither entwickelt?                           Kindes gefährdet ist, wenn sie befürchtet,
                                        trialisierung. Diese trieben auch die Erfin­     Auch wenn der Ruf nach Kinder- und Ju­        dass ein Kind vernachlässigt oder miss­
                                        dung der Kinder- und Jugendhilfe voran.          gendhilfe von der Schule her ertönte, ent­    handelt wird. In diesem Fall wird sie unter
                                        Insbesondere seitens der Volksschule wur-        wickelte sich die Sozialpädagogik wäh­        Umständen eine Gefährdungsmeldung
                                        den ausserschulische Hilfestellungen für         rend langer Zeit ausserhalb der Schule.       an die Kindes- und Erwachsenenschutz­
                                        Familien gefordert.
                                            Weshalb?
                                        Die Armut war gross, und die Lehrer und
                                        Lehrerinnen waren zum Teil mit Kindern
                                        aus desolaten Familiensituationen kon­

                                                                                                       «Frühe Förderung ist gut
                                        frontiert. Das heisst: mit Problemen, de­
                                        ren Entstehung offensichtlich ausserhalb
                                        der Schule lag. Seitens der Schule, be­
                                        sonders auch seitens der schulärztlichen
                                                                                                        für den Kindergarten.»
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus

                                        Dienste, ertönte deshalb der Ruf an die
                                        Politik, Abhilfe zu schaffen. Von der Argu­
                                        mentationslinie her, wenn auch in ganz
                                        anderem Format, erinnert uns das an die
                                        heutigen Diskussionen rund um den Kin­
                                        dergarten.                                     Erst in den letzten 30 Jahren kehrte sie       behörde (KESB) machen. Die KESB be­
                                            Wie kommen Sie darauf?                     sozusagen in die Schulen zurück. Ich           auftragt dann eines unserer Kinder- und
                                        Eines der Argumente für die Frühförde­         denke hier natürlich an die schulische
                                                                                       ­                                              Jugendhilfezentren (kjz) mit der Abklä­
                                        rung weist doch zu Recht darauf hin, dass      Heilpädagogik, an die Schulsozialarbeit        rung der Situation. Es sind glücklicher­
                                        der Kindergarten mit Problemstellungen         und insbesondere an die schulergänzen­         weise nur wenige Fälle, aber es gibt sie.
                                        konfrontiert ist, die ausserhalb seines        den Betreuungsangebote.                            Heute ist viel vom Übergang in den
                                        Einflussbereiches liegen. Die eben früher,         Wie erklären Sie sich diese                Kindergarten die Rede. Warum findet
                                        zu einem früheren Zeitpunkt im Leben           ­Entwicklung?                                  dieser heutzutage so viel Beachtung?
                                        der Kinder entstanden sind. Kurz: Frühe         Die Sozialpädagogik insgesamt und damit       Der Übergang vom unsystematischen
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                                        Förderung ist gut für den Kindergarten!         auch die Kinder- und Jugendhilfe vermit­      Frühbereich ins strukturierte Schulsys­
André Woodtli (57) ist seit 2008
                                                                                                 Vorsteher des Amts für Jugend und
                                                                                                Berufsberatung (AJB) der Bildungs­
                                                                                              direktion. Er ist ausgebildeter Primar­
tem ist äusserst wichtig. Und der Kin­          was die Familie im Kern ausmacht, extrem          lehrer und hat später Germanistik,
dergarten kümmert sich genau um diese           stabil ist. Wir merken es gar nicht, aber        Philosophie und politische Wissen­
                                                                                                 schaften studiert. Von 1998 bis 2006
Übergangsphase, die geprägt ist von sehr        jede Familie stellt Tag für Tag vor allem
                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus

                                                                                                    leitete er das Sozialpädagogische
unterschiedlichen und individuellen Kin­        Normalität her. Die Familie ist eine hoch­                        Zentrum Gfellergut.
der- und Elternbedürfnissen. Dabei be­          dynamische Lebensgemeinschaft, deren
kommt der Kindergarten sozusagen das            Mitglieder sich im Laufe der Zeit enorm
in hohem Masse geschenkt, worum sich            stark verändern – auch in den Beziehun­
heutzutage viele Firmen bemühen müs­            gen untereinander. Also: Entwicklungs­
sen: Diversity!                                 dynamik, Beziehungsdynamik, Gruppen­
      Wir leben in einer Zeit rascher           dynamik und so weiter. Die Familie ist
­gesellschaftlicher Entwicklungen.              also eine grandiose Dynamikbewältigungs-
 ­Viele Familien sehen heute anders aus         und Normalitätsmaschine, die sich lau­
  als noch vor 30 Jahren. Wie reagiert          fend neu erfinden muss.
  das AJB auf diese Veränderungen?                   Hat das klassische Familienmodell
  Ich bezweifle stark, dass diese Entwick­      heute nicht Seltenheitswert?
  lungen tatsächlich so rasant sind und ob      Ja, gewiss, die Rollenaufteilung der Eltern
  sich die Familie wirklich derart stark ver­   hat sich enorm verändert. Das traditionelle
                                                                                                                                         13

  ändert hat. Vielmehr denke ich, dass das,     Rollenmodell – die Frau steht am Herd, 
der Mann am Arbeitsplatz – ist wohl nur          Woran denken Sie genau?                      gehen in jedes Schulhaus, auch die Müt­
                                        noch für eine Minderheit attraktiv. Wäh­         Gemessen am sozioökonomischen Durch­         ter- und Väterberaterinnen der kjz bieten
                                        rend mehr als 500 Jahren und bis hinein in       schnitt der Haushalte in der Schweiz         ihre Beratungsleistungen in fast ­     jeder
                                        die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts       wachsen Kinder in deutlich unterdurch­       Gemeinde des Kantons an. Wir ­
                                                                                                                                      ­                                    müssen
                                        haben sich Familien tendenziell geschlos­        schnittlichen Milieus auf. Interessanter­    aber tendenziell noch mehr an jenen Or­
                                        sen, heute öffnen sie sich wieder. Gross­        weise ist diese Tatsache wenig bekannt       ten präsent sein, wo sich die Leute natur­
                                        eltern spielen wieder eine ­wichtigere Rolle.    und hängt damit zusammen, dass die           gemäss aufhalten und Zeit haben für uns.
                                        Familienergänzende Betreuungs­angebote           Fertilitätsrate bei Akademikerinnen und
                                                                                         ­                                                  An welche Orte denken Sie?
                                        sind nicht mehr wegzudenken. Familien            Akademikern seit Jahrzehnten sehr tief       Einerseits könnte man die Schulhäuser
                                        sind heute Netzwerke, denen es in der Re­        ist, der Anteil an Akademikern aber in den   noch stärker für Familienangebote ­nutzen,
                                        gel – gerade als Netzwerk – ausgezeichnet        letzten 30 Jahren stetig zugenommen hat.     zum Beispiel abends. Wir unterstützen
                                        gelingt, einen warmen Kern zu bewahren.          Für die sozioökonomischen Kinderwelten       ja auch Gemeindebibliotheken, und diese
                                        Gleichzeitig steht heute die Familie als         tut sich somit eine Schere auf. Selbstver­   entwickeln sich zu richtigen Familien­
                                        ­Institution auch weniger in der Kritik.         ständlich hat das Thema Familienarmut        treffpunkten, das ist grossartig. In diese
                                             Woran denken Sie?                           noch eine Reihe weiterer Aspekte.            Richtung müssen wir weiterdenken. Ich
                                         Die 68er-Bewegung hatte die Institution              Was heisst das für die Arbeit           denke aber auch an Spielplätze, Shopping­
                                         Familie stark kritisiert und man wollte         des AJB?                                     center, an alle Orte, wo Familien ver­
                                         sich durchaus auch – und zwar auch kon­         Wichtig ist, dass Eltern, die Schwierig­     kehren. Auch die Digitalisierung bietet
                                         kret – von den altmodischen Eltern be­          keiten haben, die Existenz ihrer Familie     Chancen. Sie ermöglicht uns, dass unse­
                                         freien. Familie wurde als starre Repro­         zu sichern, richtig unterstützt werden.      re Angebote in jedem Hosensack Platz
                                         duktionsmaschine kritisiert. Heute ist der      Ich glaube, dass nur eine Doppelstrategie    finden.
                                         Drang der Jugend, sich von den Eltern zu        nachhaltig sein wird: Wir müssen die               Wo wollen Sie als Amtschef die
                                                                                                                                      weiteren Schwerpunkte setzen?
                                                                                                                                      Ich möchte, dass das AJB noch stärker
                                                                                                                                      von den Zielgruppen her denkt. Wir müs­
                                                                                                                                      sen noch näher an die Familien, Kinder,
                                                                                                                                      Jugendlichen und Ratsuchenden heran­
                                                 «Ich möchte, dass das AJB                                                            kommen und mit unseren Leistungen

                                              noch stärker von den Zielgruppen                                                        noch gezielter auf die individuellen Be­
                                                                                                                                      dürfnisse eingehen. Damit diese nicht ein
                                                         her denkt.»                                                                  Multipack erhalten, sondern genau das
                                                                                                                                      bekommen, was sie brauchen. Und wir
                                                                                                                                      müssen an die eigenen Lebensvorstellun­
                                                                                                                                      gen der Menschen anschliessen. Wir soll­
                                                                                                                                      ten ihnen keine fertigen Pläne für ein
                                                                                                                                      ­gescheites Leben vorlegen. Natürlich gibt
                                        befreien, viel kleiner. Schauen Sie sich         ­ ltern in ihrer beruflichen Entwicklung,
                                                                                         E                                             es auch kulturelle Differenzen, das alles
                                        nur die Klimademonstrationen an, an              in der permanenten Verbesserung bezie­        muss man thematisieren.
                                        denen die Mutter gemeinsam mit der
                                        ­                                                hungsweise Sicherung ihrer Arbeitsmarkt­           In Ihrer Arbeit ist die Politik
                                        Tochter teilnimmt. Beide tragen die glei­        fähigkeit unterstützen, so technisch das      immer wieder ein Thema. Sie könnte
                                        chen Jeans und das gleiche T-Shirt.              tönt. Und auf der anderen Seite müssen        zum Bei­spiel die Weiterentwicklung
                                             Neben der klassischen Familie               wir quali­ tativ hochstehende familien­       des AJB bremsen, indem sie beispiels­
                                        gibt es aber auch viele neue Familien­           ergänzende Betreuungsangebote bereit­         weise Ressourcen kürzt. Bereitet
                                        formen.                                          stellen können. Damit unterstützen wir        ­Ihnen diese Ungewissheit gelegentlich
                                        Klar, es gibt Regenbogenfamilien, Multi­         die Eltern auf dem Weg zur ökonomischen        Bauchweh?
                                        lokalität und so weiter. Dieser Anteil ist       Selbstständigkeit, sichern optimale früh­      Nein, überhaupt nicht. Ich liebe unser
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                                        aber nicht besonders gross, die Schweiz          kindliche Entwicklungen und schaffen           politisches System! Daran müssen wir
                                                                                                                                        ­
                                        ist hinsichtlich der Familienstrukturen ei­      keine falschen Anreize.                        uns messen lassen, daran müssen wir
                                        nes der konservativsten Länder Europas:               Das AJB mit seinen Berufsinfor­           unsere Arbeit ausrichten. Unser Service
                                                                                                                                        ­
                                        Über 75 Prozent der Neugeborenen kom­            mationszentren (biz) und Kinder- und           public ist innerhalb dieses politischen
                                        men bei uns nach wie vor als Kinder              Jugendhilfezentren (kjz) weist eine            Systems entstanden. Aus diesem Grund
                                        von verheirateten Eltern auf die Welt. In        stark regionalisierte Struktur auf. Ist        ist es auch so wichtig, dass wir kritische
                                        Frankreich, Schweden oder Island sind es         diese tragfähig genug für die Zukunft?         Stimmen nicht nur in unsere strategi­
                                        zum Teil deutlich unter 50 Prozent, selbst       Die Zentralisierung macht vor allem für        schen Über­legungen einbinden, sondern
                                        in Italien ist der Anteil tiefer als in der      interne Unterstützungsleistungen Sinn:         in den Alltag der Hilfestellungen. Im Stif­
                                        Schweiz. Natürlich gibt es eine hohe             Bereitstellung von Informationsmaterial,       tungsrat eines Heims sollten beispiels­
                                        Scheidungsrate und die strukturelle Viel­        Einrichten von Webinaren, Abklären von         weise möglichst viele verschiedene Par­
                                        falt ist viel grösser als früher. Doch all das   Leistungsansprüchen etc. Insbesondere für      teizugehörigkeiten vertreten sein. Denn
                                        sollte man nicht überschätzen. Viel grös­        die Beratungsleistungen gilt eher das Ge­      nur wer sieht, was dort genau gemacht
                                        ser sind die sozioökonomischen Heraus­           genteil: aus den Bürozentren heraus! Bei       wird, kann ein Verständnis für diese wich­
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                                        forderungen.                                     der Berufsberatung machen wir das ja, wir      tige Arbeit entwickeln. 
15   Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus
Kinder- und Jugendhilfe                                                                                                             Familie in eine Notlage gerät. Kupper

       Eine gute Ver-
                                                                                                                                           spricht diesbezüglich von einer «Förder­
                                                                                                                                           kette für Familien». Aus Sicht des kjz sei es
                                                                                                                                           wichtig, stets hellhörig zu sein und zu ver­

       netzung ist
                                                                                                                                           suchen, familiäre Belastungen möglichst
                                                                                                                                           frühzeitig zu erkennen, im Idealfall noch
                                                                                                                                           vor dem Schuleintritt. Dabei gilt es in Zu­

       entscheidend
                                                                                                                                           sammenarbeit mit den Familien sorgfältig
                                                                                                                                           einzuschätzen, wo die Beratung durch die
                                                                                                                                           kjz die Familien im Alltag zielführend un­
                                                                                                                                           terstützen und stärken kann. Das sei oft
       Ist das Wohl eines Kindes akut gefährdet,                                                                                           eine Gratwanderung, denn die Familien
                                                                                                                                           dürften sich durch das kjz nicht bevor­
       sind rasche Eingriffe unabdingbar. Damit                                                                                            mundet fühlen.

       sie gelingen, braucht es Sachverstand                                                                                                   Es gibt jedoch Bereiche, in denen ein
                                                                                                                                           Handeln zwingend nötig ist. Dazu gehö­
       und Fingerspitzengefühl, aber auch die                                                                                              ren Situationen, in denen das Kindeswohl
                                                                                                                                           akut gefährdet ist, zum Beispiel, wenn die
       ­reibungslose Kooperation von Schule                                                                                                Eltern Gewalt als Erziehungsmethode an­

        und Kinder- und Jugendhilfe.                                                                                                       wenden oder Gewalt generell ein fester
                                                                                                                                           Bestandteil des Familienalltags ist. In sol­
       Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo                                                                                              chen Fällen sei die Kindes- und Erwach­
                                                                                                                                           senenschutzbehörde (KESB) gefragt, die
                                                                                                                                           beispielsweise eine Erziehungsbeistand­
                                                                                                                                           schaft anordnen kann. Für das kjz kann
                                                                                                                                           der Kindesschutz schon zu einem frühen
                                                                                                                                           Zeitpunkt, zum Beispiel während einer
                                                                                                                                           freiwilligen Erziehungsberatung zu einem
                                        Sarah* ist 15 Jahre alt. Sie steckt mitten         Sarah ihre Freundin aufschrecken: «Bald         Thema werden. «Es kann sein, dass wir in
                                        in der Pubertät, übernimmt aber bereits            werden mein Bruder und ich für immer            einer Familie Mehrfachbelastungen fest­
                                        täglich die Aufgaben einer Erwachsenen.            Ruhe und Frieden finden», heisst es darin.      stellen und damit rechnen müssen, dass
                                        Ihre Eltern leben getrennt, sie selbst             Die Freundin informiert die Schulsozial­        wichtige Entwicklungsschritte des Kindes
                                        wohnt mit ihrem 2-jährigen Halbbruder              arbeiterin, diese tauscht sich mit dem kjz-     dadurch möglicherweise gefährdet sind.»
                                        und dem Stiefvater bei der Mutter. Die             Berater aus. Als Sarah am nächsten Tag in       Kupper erzählt Geschichten von Depres­
                                        ­familiäre Situation ist sehr schwierig: Die       der Schule fehlt, schliessen die Fachleute      sion, von Überforderung. Von Müttern, de­
                                         Erwachsenen streiten viel, zudem zeigt            eine akute Bedrohung der Kinder nicht           nen bereits der siebenjährige Sohn nicht
                                         sich die Mutter mit der Erziehung der             mehr aus. Nun geht es sehr schnell: Ge­         mehr gehorcht, denen morgens die Ener­
                                         Kinder überfordert. Sarah übernimmt viel          meinsam mit Mitarbeitenden der Gewalt-          gie fehlt, aufzustehen und das Morgen­
                                         Verantwortung, auch für den kleinen               schutz­abteilung der Stadtpolizei fahren        essen zuzubereiten, und die der Tochter
                                         Halbbruder. Zu viel. Sehr oft fehlt Sarah         sie zum Wohnort der Familie, wo sie die         deshalb erlauben, sich mit einer Chipstüte
                                         nämlich in der Schule.                            völlig ­
                                                                                                  aufgelöste Sarah, den im Kinder-         vor den Fernseher zu setzen. Von beruf­
                                              Die Lehrerin merkt, dass etwas nicht         wagen schreienden Halbbruder und die            lich schlecht qualifizierten Vätern, die viel
                                         stimmt, versucht Sarah zur Rede zu stel­          unter der Wirkung von Schlafmitteln ste­        arbeiten, wenig verdienen, damit aber eine
                                         len. Doch es gelingt ihr nicht, Näheres           hende Mutter antreffen.                         fünfköpfige Familie ernähren müssen. «In
                                         zu erfahren. Sie schlägt deshalb ein Ge­                                                          solchen Fällen ist es von grosser Bedeu­
                                         spräch mit der Schulsozialarbeiterin vor.         Eine Förderkette für Familien                   tung, dass wir die Familien erreichen kön­
                                         Ihr gegenüber beginnt Sarah von der               Möglicherweise konnte in diesem Fall eine       nen, dass diese eine Unterstützung oder
                                         schwierigen Familiensituation zu erzäh­           fatale Entwicklung gerade noch verhin­          Begleitung zulassen und wir die Vernet­
                                         len. Tränen fliessen, schliesslich bricht         dert werden. Diese Ereignisse liegen zwei       zung fördern zwischen Familie und Schu­
                                         die Jugendliche zusammen. Nach einem              Jahre zurück. Es ist eine Geschichte, die       le. Wir alle müssen ständig im Gespräch
                                         Gespräch mit der Mutter entscheiden alle          sich in ähnlicher Weise überall und jeder­      bleiben.»
                                         gemeinsam, dass Sarah kurzfristig bei             zeit abspielen kann. «In Winterthur haben
                                         ­einer Freundin wohnen und die nächsten           wir immer wieder mit ähnlichen Fällen zu        Für die Sache gewinnen
                                          Wochenenden bei ihrem Vater verbringen           tun», sagt Regula Kupper. Die auf Kindes­       Die Schulen sind nach Ansicht von Kup­
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                                          soll. Die Schulsozialarbeiterin zieht das        schutzfragen spezialisierte Sozialarbeite­      per heute grundsätzlich gut aufgestellt,
                                          örtliche Kinder- und Jugendhilfezentrum          rin leitet seit 2017 das kjz Winterthur. Dort   um den Kindern und Jugendlichen einen
                                          (kjz) bei. Ziel ist es, die familiären Schwie­   hat sie Tag für Tag mit Familien zu tun, in     guten Rahmen für die Bildungslaufbahn
                                          rigkeiten zu bearbeiten und Sarah zu ent­        denen vieles nicht rund und in manchen          zu bieten. Allerdings seien die Möglich­
                                          lasten. In der Folge vereinbaren Familie,        Fällen gar aus dem Ruder läuft.                 keiten und Ressourcen der Schule be­
                                          Schule und Beratungsperson des kjz in                Das zum Amt für Jugend und Berufs­          grenzt. Diese Grenze könne erreicht wer­
                                          einem Dreiecksvertrag, sich ab sofort re­        beratung (AJB) gehörende kjz berät Fami­        den, wenn zum Beispiel eine Lehrperson
                                          gelmässig zu treffen und miteinander             lien mit Kindern im Alter zwischen 0 und        und ein Schulsozialarbeiter mit einer
                                          auszutauschen.                                   18 Jahren. Das freiwillige und kostenlose       ­besonders heiklen Situation konfrontiert
                                              Die Situation beruhigt sich allerdings       Angebot umfasst neben der klassischen            seien und das Familiensystem des Kindes
                                          nur kurzfristig, denn einige Wochen spä­         präventiven Beratung durch die Mütter-           als gefährdet einstuften. In solchen Mo­
                                          ter lässt eine Whatsapp-Nachricht von            und Väterberaterinnen auch Beratungen            menten werde oft das kjz beigezogen.
                                                                                           in Erziehungsfragen und im Familienall­          Vielfach gelinge es dann, die Eltern für
                                                                                           tag. Unterstützung bieten die 16 Zentren         eine Vereinbarung zu gewinnen. Doch es
16

                                        * Name geändert                                    im Kanton Zürich auch dann, wenn eine            komme auch vor, dass dieser freiwillige
fühlten und eine unparteiische Meinung
                                                                                                hören wollten. «Für uns ist es enorm
                                                                                                wichtig, dass die Schulsozialarbeit als un­
                                                                                                abhängige Anlaufstelle wahrgenommen
                                                                                                wird und nicht etwa als verlängerter Arm
                                                                                                der Schule», sagt die Abteilungsleiterin.
                                                                                                Selbstverständlich hat die Schulsozial-
                                                                                                arbeit einen klaren Auftrag. «Aber die
                                                                                                Unabhängigkeit und die Vertraulichkeit
                                                                                                sind die Grundlage unse­rer Arbeit.» Gleich-
                                                                                              zeitig hat die gute Zusammenarbeit mit
                                                                                              Erziehungsberechtigten und der Schule
                                                                                              stets höchste Priorität.
                                                                                                    Gerade bei einem sensiblen Thema
                                                                                              wie der Gefährdung des Kindeswohls sei
                                                                                              es enorm wichtig, dass die Zusammen­
                                                                                              arbeit zwischen Schulsozialarbeit und
                                                                                              Schule reibungslos klappe. Angesprochen
                                                                                              seien insbesondere die Lehrpersonen,
                                                                                              denn sie seien oft die ersten, die merkten
                                                                                              oder hörten, dass in der Familie des Kin­
                                                                                              des etwas nicht stimme. Aber wie sollten
                                                                                              sich Lehrerinnen und Lehrer in einer
                                                                                              ­solchen Situation verhalten? «Beginnt ein
                                                                                               Kind zu erzählen, was es daheim erlebt,
                                                                                               sollte man unbedingt ruhig bleiben und
                                                                                               nicht in Aktivismus verfallen», rät Vogt.
                                                                                               Wichtig sei, das Kind ernst zu nehmen,
                                                                                               ihm zuzuhören und bei Unklarheiten
                                                                                               nachzufragen und die Aussagen gut zu do­
                                                                                               kumentieren. Auf keinen Fall dürfe man
                                                                                               aber Versprechungen machen, im Stil von
                                                                                               «ich sage es niemandem» oder «alles wird
                                                                                               gut». Etwas dürfe man dabei nicht verges­
                                                                                               sen: Kinder, die in der Familie psychische,
                                                                                               physische oder sexuelle Gewalt erlebten
                                                                                               und sich anderen gegenüber öffneten,
Regula Kupper leitet das Kinder- und Jugendhilfe­                                              stünden unter einem unheimlichen Druck
zentrum Winterthur. Die ausgebildete Sozialarbeiterin
ist auf Kindesschutzfragen spezialisiert.                                                      und verspürten eine grosse Ambivalenz.
                                                                                               «Sie möchten, dass sich etwas verbessert.
                                                                                               Anderseits wissen sie, dass sie dafür einen
                                                                                               Vertrauensbruch begehen gegenüber je­
Rahmen nicht funktioniere. «Manchmal             Gruppen im Kanton Zürich treffen sich         mandem, den sie gern haben.»
müssen wir auch erkennen, dass eine              laut Kupper regelmässig. Dabei kommen              Dieser Druck wurde auch spürbar bei
­Verbesserung nicht zu erreichen ist, zum        stets auch aktuelle und besonders schwie­     der eingangs geschilderten Geschichte
 Beispiel weil das Commitment der Eltern         rige Fälle zur Sprache.                       von Sarah. Dank äusserer Unterstützung
 zu schwach oder die Situation zu heikel,                                                      gelang es ihr, sich zu öffnen. Seit der aku­
 zu komplex ist.» In diesem Fall kann es         Nicht in Aktivismus verfallen                 ten Krise befindet sie sich in der Obhut
 sein, dass die Schule eine Gefährdungs­         Eine besonders enge und gute Zusam­           ihres Vaters. Die stark überforderte, psy­
 meldung an die KESB machen müsse.               menarbeit pflegt Kupper mit der Leite­        chisch belastete Mutter trennte sich von
 Diese hat ihrerseits die Möglichkeit, dem       rin der Schulsozialarbeit Winterthur,         ihrem Partner und unterzog sich
 kjz einen Auftrag zu erteilen, den Sach­        Vera Vogt. Ihre Abteilung, angesiedelt im     einer Therapie, Sarahs Halbbruder lebt
                                                                                               ­
 verhalt detailliert abzuklären. Die daraus      Departement Schule und Sport, nimmt           bei seinem leiblichen Vater. Beide Kinder
 gezogenen Schlüsse sind entscheidend            eine Schaltstellenfunktion wahr zwischen      sehen die Mutter regelmässig. Der kjz-
                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus

 für das weitere Vorgehen. «Auch hier ist        Schule und Familie. Grundsätzlich wird        Berater begleitet die Familien weiterhin.
 die Vernetzung zentral, nur sie ermöglicht      die Schulsozialarbeit immer dann beige­       «Die Situation hat sich beruhigt, doch da­
 es letztlich, eine saubere Beurteilung zu       zogen, wenn in der Schule psychosoziale       mals wussten wir nicht, ob es um Leben
 machen», sagt Kupper.                           Themen aufkommen. Diese reichen von           oder Tod ging», erinnert sich kjz-Leiterin
     Vernetzung ist ein Wort, das die kjz-       Stören des Unterrichts und Streitigkeiten     Regula Kupper. Angesichts der SMS hät­
 Leiterin oft verwendet. «An dieser Ver­         unter den Schülerinnen und Schülern           ten sich die Fachleute grosse Sorgen ge­
 netzung», betont sie, «müssen wir ständig       über Mobbing, Konflikte mit den Eltern,       macht und einen möglichen erweiterten
 arbeiten, sie aufrechterhalten, sie verbes­     Schulabsentismus bis hin zu häuslicher        Suizid nicht ausgeschlossen. «Dass es
 sern.» Eine in diesem Zusammenhang              Gewalt. Es komme aber auch vor, sagt          ­Sarah in Wirklichkeit nur darum ging, zu
 zentrale Einrichtung sei Interfall, ein kan­    Vogt, dass sich unzufriedene Eltern direkt     ihrem Vater zu kommen, wurde erst im
 tonales Netzwerk, das den interdisziplinä­      an die Schulsozialarbeit wendeten, wenn        Nachhinein klar.» Es ist ein klassischer
 ren Dialog zwischen den verschiedenen           sie Schwierigkeiten mit den Lehrpersonen       Fall, der zum beruflichen Alltag von Kup­
 Kooperationspartnern rund um Familie,           oder der Schulleitung haben. Das seien         per gehört und allen Beteiligten viel ab­
 Volksschule und Kinder- und Jugendhilfe         meist Fälle, in denen die Eltern sich von      verlangt. «Es ist Knochenarbeit. Für alle
                                                                                                                                               17

 fördern will. Die fünf regionalen Interfall-    der Schule nicht richtig ernst genommen        Beteiligten.» 
Elternbildung                                                                                                            Bonstetter Schulleiterin Muriel Dogwiler

       Wie an den
                                                                                                                                in der konzentrierten Darbietung der Re­
                                                                                                                                ferate an einem Vormittag. «Das wird sehr
                                                                                                                                geschätzt.» Sie habe die Erfahrung ge­

       Zürcher Schulen
                                                                                                                                macht, dass es schwieriger sei, Eltern für
                                                                                                                                einzelne Anlässe zu spezifischen Themen
                                                                                                                                zu gewinnen.

       Eltern gebildet
                                                                                                                                    Jörg Schuhmacher weist auf eine He­
                                                                                                                                rausforderung hin, die der Elbimorgen mit

       werden
                                                                                                                                sich bringt: Neue Themen finden: «Immer
                                                                                                                                wieder Medien, immer wieder Hausauf­
                                                                                                                                gaben, immer wieder starke Kinder. Für
                                                                                                                                Eltern, die jedes Jahr kommen, wiederholt
                                                                                                                                es sich.» Allerdings schneide das Pro­
       Schulerfolg wird durch das Elternhaus                                                                                    gramm in der Evaluation trotzdem immer

       mitbestimmt. Schulen haben deshalb                                                                                       sehr gut ab. «Wir treffen die Bedürfnisse
                                                                                                                                der Eltern offenbar gut.» Ein Blick in die
       ein Interesse daran, Mütter und Väter                                                                                    Referatslandschaft zeige zudem, dass es
                                                                                                                                gar nicht viel anderes gebe. «Trotzdem
       durch Elternbildung kompetenter                                                                                          überlegen wir immer, wie wir das Angebot

       zu machen. Im Kanton Zürich gibt es                                                                                      etwas frischer machen können.» So wurde
                                                                                                                                letztes Jahr zur Feier des zehnten Elbi­
       an fast allen Schulen ein Angebot.                                                                                       morgens ein interaktives Forumstheater
                                                                                                                                geboten. Für die Ausgabe 2019 ist ein
       Text: Andreas Minder Fotos: Stephan Rappo                                                                                ­Inputreferat zu Humor in der Erziehung
                                                                                                                                 geplant.

                                                                                                                                Dauerbrenner Neue Medien
                                                                                                                                Die Geschäftsstelle Elternbildung des AJB
                                                                                                                                hat vor einigen Jahren erhoben, welche
                                                                                                                                Themen bei den Schulen besonders be­
                                                                                                                                liebt sind. Demnach waren die Neuen
                                                                                                                                ­Medien der grosse Renner. Auf viel An­
                                                                                                                                 klang stiessen auch Anstand und Respekt
                                        Einmal im Jahr wird die Elternbildung in   können sie ihre Kinder betreuen lassen.       sowie Gesundheitsförderung und Sucht­
                                        Bonstetten, Stallikon und Wettswil zum     Zwischen den Workshops trifft man sich        prävention. Dahinter folgten Grenzen set­
                                        Ereignis. Zwischen 120 und 150 Mütter      in der Kaffeestube.                           zen, Hausaufgaben, Mobbing und Gewalt.
                                        und Väter treffen an einem Samstagmor­         «Es ist eine grosse Kiste», sagt Jörg     «Daran hat sich wahrscheinlich nicht sehr
                                        gen im Herbst in der Sekundarschule        Schuhmacher, der Präsident des Eltern­        viel geändert», sagt Geschäftsstellenleite­
                                        Bonstetten ein, um am «Elbimorgen» teil­   rats Bonstetten, der den Anlass zusam­        rin Gabriela Leuthard.
                                        zunehmen. Sie können aus einem reich­      men mit 24 anderen Elternräten auf die             An der Schuleinheit Fondli in Dieti­
                                        haltigen Programm wählen: Übers Nein­      Beine stellt. Die Organisation sei aufwen­    kon ist der Themenmix ähnlich. Die Ver­
                                        sagen wird referiert, über Konsum, über    dig, dank zehn Jahren Erfahrung mittler­      anstaltungen, die von der Schulleitung
                                        Sexualerziehung, über die Kunst des Ler­   weile aber auch hochprofessionell. Ein        organisiert werden, finden einmal pro
                                        nens, darüber, wie Kinder stark werden,    anderer Vorteil der Kontinuität ist, dass     Stufe an einem Abend statt und richten
                                        und natürlich über Neue Medien. Damit      das Angebot inzwischen sehr bekannt ist       sich jeweils an die Eltern eines Jahrgangs.
                                        sich die Teilnehmenden ungestört mit       und der Zulauf entsprechend hoch. Einen       Den Eltern der Erst-Jahr-Kindergärtler
                                        ­diesen Fragen auseinandersetzen können,   weiteren Grund für den Erfolg sieht die       wird die Sprachförderung nähergebracht.
                                                                                                                                 Väter und Mütter der Kinder in der
                                                                                                                                 1. Klasse bekommen einen Input zu Frei­
                                          Geschäftsstelle Elternbildung                                                          heit und Grenzen in der Erziehung. «Die­
                                          Die Geschäftsstelle Elternbildung des AJB informiert alle Interessierten über          ses Jahr haben wir das erstmals um Hin­
                                          das Elternbildungsangebot im Kanton Zürich. Sie unterhält unter anderem eine           weise zu Neuen Medien ergänzt», sagt
                                          Veranstaltungsdatenbank und verschickt einen Newsletter. Die Geschäftsstelle           Schulleiterin Susanne Weinmann. In der
Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus

                                          führt selbst den jährlich stattfindenden kantonalen Elternbildungstag und Kurse        4. Klasse ist der Umgang mit digitalen
                                          für spezifische Zielgruppen durch.                                                     ­Medien dann das Hauptthema des Eltern-
                                          Die Geschäftsstelle unterstützt Schulen, Elternräte und andere Veranstalter,            Infoabends. Dabei machen auch jemand
                                          die Anlässe durchführen. In einem Katalog listet sie empfehlenswerte Veranstal­         von der Suchtpräventionsstelle der Be­
                                          tungen für verschiedene Zielgruppen auf und vermittelt Referierende. Sie stellt         zirke Affoltern und Dietikon und der Ju­
                                          Merkblätter und Vorlagen zur Verfügung und berät Schulen, die ein eigenes               gendbeauftragte der Kantonspolizei mit.
                                          ­Angebot auf die Beine stellen wollen. Interessierte Schulen kann sie auch um­          Er informiert darüber, was im Internet
                                           fassend vor Ort begleiten. Stadtzürcher Schulen erhalten die gleiche Beratung          überhaupt erlaubt ist. In der fünften Klasse
                                           bei der Fachschule Viventa.                                                            erklärt ein Schulleiter der Sekundarstufe,
                                           Für Veranstalter organisiert die Geschäftsstelle jeweils im Herbst die kantonale       was die Anforderungen für die Sekstufen
                                           Elternbildungsbörse, an der aktuelle Themen und Referentinnen und Referen­             A, B und C sind.
                                           ten vorgestellt werden. In der Schulung «Elternbildung erfolgreich organisieren»           «Wir erklären diese Anlässe als ver­
                                           lernen die Teilnehmenden, wie man einen Anlass plant und durchführt. [ami]           bindlich, mit Abmeldemöglichkeit», sagt
                                           www.elternbildung.zh.ch/schule                                                      Susanne Weinmann. Wer unentschuldigt
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                                                                                                                                fehlt, erhält einen Mahnbrief. Bis vor vier
Das Angebot an Elternbildung
                                                                                                                im Kanton Zürich ist reichhaltig.
                                                                                                                      Auf grossen Anklang stösst
                                                                                                                  jeweils der jährliche kantonale
                                                                                                              Eltern­bildungstag, der vor Kurzem
                                                                                                                          in Winterthur stattfand.

Jahren hatte das Elternforum die Eltern­     rum reiche von einem Themenabend pro         suchten sie Kurse, die zu einem Zertifikat
bildung angeboten – mit unbefriedigender     Jahr bis zu ausgefeilten, umfangreichen      führten, um ihre Chancen auf dem Ar­
Resonanz. Seit die Schule die Info-Abende    Programmen. Dabei spielen die Grösse         beitsmarkt zu verbessern. Diese Gruppe
selbst durchführe, sei es besser geworden,   der Schule, die Struktur der Bevölkerung     verstehe allerdings das hiesige System
sagt Weinmann. Sie schätzt, dass durch­      und die aktuellen Probleme in einer Ge­      auch besser: «Wer aus Portugal kommt,
schnittlich rund 70 Prozent der Eltern       meinde eine Rolle. In einer reichen Gold­    weiss, was ein Zeugnis ist.»
teilnehmen. Das Elternforum organisiert      küstengemeinde gibt es andere Bedürf­
daneben in unregelmässigen Abständen         nisse als in der Agglo von Zürich oder       Ein kultureller Anlass
weitere Anlässe.                             einer Gemeinde im Zürcher Oberland.          Neben den Sprachkursen bietet die El­
    Als «praktische Elternbildung» be­            Wald im Zürcher Oberland hat einen      ternbildung Wald die üblichen Kurse vom
zeichnet Susanne Weinmann die Bot­           Ausländeranteil von gut 26 Prozent. Da­      Umgang mit Neuen Medien, über Lern­
schaften, die sie platziert, wenn gerade     runter sind Eltern, die schlecht oder gar    technik bis Sexualerziehung. Das Pro­
sehr viele Eltern im Schulhaus sind. Zum     nicht Deutsch sprechen. Für sie bietet       gramm umfasst vier bis acht Themen­
Beispiel am ersten Schultag. Die Väter       die Gemeinde schon lange Deutschkurse        abende pro Schuljahr und in der Regel
und Mütter verbringen eine Stunde in der     über die Schule an. Der für die Elternbil­   ein mehrteiliges Elterntraining. Zusam­
Klasse ihres Kindes, dann eine mit der       dung zuständige Schulleiter Ernst Eich­      mengestellt wird es von zwei Personen
Schulleiterin. Diese gibt ihnen eine Hand­   müller koordiniert derzeit einen Grund­      aus dem Elternrat und Ernst Eichmüller.
voll wichtige Infos auf den Weg, damit       kurs für Anfänger und «Deutsch für           Allerdings: Alle Eltern erreicht man mit
der Schulstart funktioniert. Anschliessend   Eltern», in dem die Teilnehmenden ihre       dem Angebot nicht.
lernen sie auf einem Parcours, wo die        Deutschkenntnisse anhand von Schulthe­           Nur selten würden Veranstaltungen
                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 4/2019 Fokus

Schulleitung, die Logopädie und die Schul­   men vertiefen. «Eltern, die in die Schweiz   für verbindlich erklärt. «Wir setzen auf
sozialarbeit ihre Büros haben und wie die    geflüchtet sind, verordnen wir diese Kurse   hohe Zufriedenheit und nehmen tiefere
Betreuung funktioniert. An den Besuchs­      praktisch», sagt Eichmüller. Dies, weil      Präsenz in Kauf», sagte Eichmüller. Der
morgen schaltet die Schule einen Block       ­ihnen ihre neue Heimat häufig nicht nur     innere Kreis der Teilnehmenden seien
mit Infos über Schulwegsicherheit, Zahn­      sprachlich, sondern auch kulturell fremd    Leute, die schon viel wüssten und noch
pflege, Ernährung und Ähnliches ein.          sei. Ziel sei es, dass sie das Bildungs­    mehr wissen wollten. Sie verstünden El­
                                              system einigermassen durchschauten,         ternbildung als kulturelle Anlässe. «Sie
«Alle tun etwas»                              Zeugnisse verstünden und Elternbriefe       besuchen unsere Kurse mit einer ähnli­
Eine Pflicht zur Elternbildung gebe es        lesen könnten. Sie sollten sich auch mit    chen Motivation, wie sie ins Theater ge­
für Schulen nicht, sagt Gabriela Leuthard.    Lehrpersonen unterhalten und ihrem          hen.» Dass so vor allem die Bedürfnisse
Sie seien aber zur Zusammenarbeit mit         Kind bei den Hausaufgaben helfen kön­       einer relativ kleinen Gruppe befriedigt
den Eltern verpflichtet und man könne         nen. Fremdsprachige aus kulturell nähe­     werden, hält Eichmüller für legitim. Dazu
Elternbildung als eine Form dieses Auf­       ren Ländern wie Italien, Portugal, Kosovo   komme, dass diese Leute die Elternbil­
trags verstehen. «Wir gehen davon aus,        oder der Türkei kämen oft nur in den        dung und ihre Inhalte weitertrügen. «Es
                                                                                                                                               19

dass alle Schulen etwas tun.» Das Spekt­      Grundkurs, sagt Eichmüller. Danach be­      sind gut vernetzte Multiplikatoren.» 
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