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RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Potenziale der Digitalisierung erschließen – Risiken aktiv managen
SMARTE WERTSCHÖPFUNG BRAUCHT SMARTES RISIKOMANAGEMENT „Weshalb die Vision der Industrie 4.0 ihre Potenziale noch nicht voll entfaltet hat? Weil wir die Risiken, die mit neuen Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien einhergehen, bisher nicht systematisch betrachtet haben!“ Prof. Dr. Julia Arlinghaus, Leiterin Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und –automatisierung IFF Gefördert durch: Herausgeber: Lehrstuhl für Produktionssysteme und -automatisierung Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Universitätsplatz 2, 39106 Magdeburg Autoren: Julia Arlinghaus, Falko Bendik, Yazgül Fidan, Melanie Kessler, Laura Reinecke Telefon: +49 391 4090–477 E-Mail: julia.arlinghaus@ovgu.de Gefördert durch die Funk Stiftung. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF. Wenn Sie uns zitieren möchten: Arlinghaus, J.; Bendik, F.; Fidan, Y.; Kessler, M.; Reinecke, L. (2021): Risikomanagement für die Smarte Fabrik. Online verfügbar unter https://www.psa.ovgu.de/iniaf_media/Risikomanagement_Smarte_Fabrik.pdf
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK DIPL.-BETRIEBSWIRT (BA) HENDRIK F. LÖFFLER Funk Stiftung Liebe Leserinnen und Leser, Außerdem werden Risikofaktoren für Technologien, vor zehn Jahren weckte der Begriff Industrie 4.0 erstmals Technologiebündel sowie erfolgreiche Mitigationsstra- große Hoffnungen auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit tegien aufgezeigt. am Hochlohnstandort Deutschland. Tatsächlich revolu- Anfang 2021 hat die EU eine neue Vision der indust- tionieren Digitalisierung und Automatisierung derzeit riellen Wertschöpfung aufgezeigt. Der Begriff Industrie die industrielle Wertschöpfung. Neue Produktions- und 5.0 steht für eine Industrie jenseits von Effizienz und Kommunikationstechnologien – von Sensorik, über Ro- Produktivität als alleinige Zielsetzungen. Industrie 5.0 boter und autonome Systeme bis hin zu sogenannten hebt die Rolle des Menschen und den Beitrag der in- Wearables wie Datenhandschuhe oder Datenbrillen dustriellen Produktion zur Gesellschaft hervor. Die – locken noch immer mit großen Potenzialen. Verbes- mensch-zentrierte Gestaltung von Technologien und serte Vorhersagen von Kundenbedarfen, reduzierter Produktionssystemen wird so zum Schlüssel langfristi- Wartungs- und Instandhaltungsaufwand, niedrigere La- ger Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. gerkosten und höhere Qualität bei deutlich verkürzten Auch die Studie Risikomanagement für die Smarte Time-to-Market-Zyklen sowie Entwicklungskosten sind Fabrik hebt den Menschen im Zentrum der industriel- nur einige Beispiele. len Wertschöpfung hervor. Verzerrte Entscheidungs- 2021 ist der Zeitpunkt, an dem auch kleine und mittel- prozesse und mangelndes Digitalisierungs-Know-how ständische Unternehmen die Phase der Leuchtturm- sind echte Risikofaktoren für die Fabrik der Zukunft projekte verlassen. Aus digitalen Einzelprojekten wer- und müssen deshalb aktiv gemanagt werden. Die Au- den digitale Unternehmen, digitale Lieferketten und toren zeigen dafür Wege auf. digitale Ökosysteme. Dieser Netzwerkeffekt wird weite- Wir freuen uns, dass die Funk Stiftung den Leser durch re Potenziale freisetzen. Damit diese Potenziale schnell diese Studie einen leichten Einstieg in das Thema Risi- realisiert werden können, braucht es ein neues Risiko- komanagement in der Fabrik der Zukunft geben kann. management: Ein Risikomanagement für die smarte Viel Spaß beim Lesen! Wertschöpfung. Die Studie Risikomanagement für die Smarte Fabrik Hendrik Löffler zeigt, wie neue Technologien auch die Risikosituation von Vorstandsvorsitzender Unternehmen – jenseits von Cyberrisiken – verändern. Funk Stiftung 3
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK 06 INDUSTRIE 4.0 – GAMECHANGER? 08 RISIKOFAKTOREN VON INDUSTRIE 4.0-ANWENDUNGEN 10 FORSCHUNGSDESIGN 14 NEUE TECHNOLOGIEN – DIE ENABLER DER SMARTEN FABRIK INHALT 22 NEUE TECHNOLOGIEN – NEUE RISIKEN – NEUE MITIGATIONSANSÄTZE 36 FAKTOR MENSCH 38 AUSGEWÄHLTE RISIKEN UND MITIGATIONSANSÄTZE DER KERNTECHNOLOGIEN 42 DER DIGITAL QUICK CHECK 44 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR EIN ZUKUNFTSORIENTIERTES RISIKOMANAGEMENT 46 ÜBER UNS 5
INDUSTRIE 4.0 – GAMECHANGER? INDUSTRIE 4.0 BRAUCHT RISIKOMANAGEMENT 4.0 ” Industrie 4.0 – mit diesem Begriff verbinden Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung große Potenziale. Neben der Steigerung von Effizienz, Flexibilität, Lieferservice und Qualität entstehen entlang der Wertschöpfungsnetze ganz neue Produkte, Services und datenbasierte Geschäftsmodelle. Der Einsatz neuer Techno- logien und die Vernetzung in Fabriken und Gebäuden, Anlagen und Produkten bringt ” aber auch bisher unterschätzte Risiken mit sich. WERTSCHÖPFUNGS- FABRIKEN & ANLAGEN & DATEN & NETZWERKE GEBÄUDE PRODUKTE GESCHÄFTSMODELLE 6
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Industrie 4.0 steht für die Digitalisierung und Insbesondere die zunehmende Vernetzung Vernetzung der industriellen Wertschöpfung. der Wertschöpfungsketten über Unterneh- Die reale und die virtuelle Welt verschmel- mensgrenzen hinweg erfordert daher ein zen in der rasanten Technologieentwicklung angepasstes Risikomanagement entlang in den Bereichen der Sensorik, Datenspei- der gesamten Supply Chain, um neben den cherung, -verarbeitung und -analyse sowie unternehmensbezogenen Risikoquellen auch Cloud-Computing. Kernelemente sind die Risiken aus dem Umfeld und der Branche zu Cyber-physischen-Systeme, verbunden über betrachten. das Internet der Dinge und Services. Der er- hoffte Effizienzsprung von bis zu 45 Prozent Ein leistungsfähiges Risikomanagement steht in der Smarten Fabrik wäre die vierte indus- weit oben auf der strategischen Management- trielle Revolution. Die Vision der selbststeu- agenda vieler Unternehmen. Denn Industrie ernden, adaptiven Fabrik zieht folglich immer 4.0-Technologien sichern Prozesse ab, identi- mehr Unternehmen in ihren Bann. Im globa- fizieren Störungen und erlauben eine effektive len Wettbewerb sichern dann höherer Liefer- Reaktion. Aber gleichzeitig tragen sie Risiken service und verbesserte Qualität, steigende in die Unternehmen ein. Durch die Corona- Produktivität und sinkende Kosten für War- Krise angetrieben, intensivieren jetzt auch tung, Instandhaltung und Lagerung sowie kleine und mittelständische Unternehmen kürzere und effizientere Entwicklungsprozes- ihre Digitalisierungsprojekte. Diese Studie will se langfristig die Marktposition. Entscheidern in klein- und mittelständischen wie in großen Unternehmen eine Orientie- Zehn Jahre nach der Einführung des Begriffes rung bieten, um die neuen Risikoherausfor- Industrie 4.0 zeigt sich, dass viele Potenziale derungen zu meistern. Die Studie hilft Risiken noch nicht realisiert wurden. Denn Risiken im zu erkennen und diese proaktiv zu managen. Zusammenhang mit Industrie 4.0-Projek- ten werden oft nicht systematisch gemanagt. Über 350 Industrie 4.0-Projekte aus 24 Bran- Der Projektfokus liegt häufig auf den vielfälti- chen und mehr als 50 ausführliche Experten- gen Vorteilen und Potenzialen, während zahl- interviews bilden die Basis der vorliegenden reiche Risikofaktoren die Projekte zum Schei- Studie. Anhand von zwölf Kerntechnologien tern bringen. Es gilt also Adaptionsrisiken, werden hier die wichtigsten Risikofaktoren in Risiken aus menschlichem, technischem und der Smarten Fabrik identifiziert und wirksa- organisatorischem Versagen genauso aktiv zu me Mitigationsstrategien vorgestellt. managen wie Risiken aus gezielten und unge- zielten Cyber-Angriffen. 7
RISIKOFAKTOREN VON INDUSTRIE 4.0- ANWENDUNGEN UMFE L DBEZ OGEN B R ANC HE NB E Z O G E N POLITISCHE/RECHTLICHE IMPLIKATIONEN WETTBEWERBSUMFELD Datenschutzbestimmungen Alternativlösung zu verbreitetem Branchenbestand HÖHERE GEWALT BESCHAFFUNGS-/ABSATZMÄRKTE Stromausfall, Feuer, > Abhängigkeit von bestimmten Überschwemmung technischen Komponenten > Beschränkte Schnittstellen zu Supply Chain-Partnern 8
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Fokus dieser Studie sind insbesondere die unternehmensbezogenen Risiken: Über die Probleme der Adaption und Organisation insbesondere in der Implementierungsphase der Industrie 4.0-Anwendungen, über Fehler durch Versagen von Mensch, Technik oder der Organisation bis hin zur Risi- ken durch Angriffe. Ebenfalls finden sich Einblicke in Risiken aus politischen und rechtlichen Implikationen. UN TER N E HME NSB E Z O G E N PROBLEME DER ADAPTION DURCH FEHLER DURCH ANGRIFFE UND ORGANISATION UNZUFRIEDENHEIT/ MENSCHLICHES VERSAGEN GEZIELTE ANGRIFFE ABLEHNUNG DURCH > Bedienungsfehler > Datendiebstahl MITARBEITENDE > Programmierfehler > (Cyber)-Angriffe auf (IT)-Infrastruktur UNERWARTETE TECHNISCHES VERSAGEN UNGEZIELTE ANGRIFFE OPPORTUNITÄTS- > Fehlfunktion/Ausfall > Phishing KOSTEN > Datenverlust > Terroranschläge > Malware ORGANISATORISCHES VERSAGEN > Unzureichende Wartung FOKUS DER > Fehlende Updatevorgänge STUDIE 9
FORSCHUNGS- DESIGN Die vorliegende Studie kombiniert das Wissen aus einer umfangreichen Literaturrecherche mit der Analyse von 359 Industrie 4.0-Anwendungsfällen und mehr als 50 Expertengesprächen. Die in dieser Studie ausgewerteten Industrie Dieses Wissen wurde ergänzt um Erkenntnis- 4.0-Anwendungsfälle stammen aus der Daten- se aus 54 geführten Experteninterviews. Wäh- bank „Plattform Industrie 4.0“. Hierbei handelt rend 14 der Interviews dem Hintergrund des es sich um eine Austauschplattform für Indus- Forschungsbereiches und der allgemeinen trie 4.0-Use Cases. Systematisierung dienten, wurden 40 Inter- views gezielt mit Anwendern und Technologie- Initiiert durch die deutsche Bundesregierung anbietern verschiedener Branchen und aus hat sie das Ziel, Wissen, Erfahrungsberichte Unternehmen verschiedener Größe geführt. und Best Practices zu bündeln und der breiten Die Experten wurden in einem fragebogen- Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Unter- basiertem, halbstrukturiertem intensiven nehmen beschreiben hier anhand eines struk- Interview zu Technologieauswahl und -kom- turierten Erfassungsbogens ihre Industrie bination, zu Nutzenpotenzialen und Heraus- 4.0-Projekte und teilen spezifische Erfahrun- forderungen im Projektablauf befragt. Insbe- gen. Aus den dort im März 2019 als Rohdaten sondere konnte die Bedeutung des Faktors erfassten 359 Use-Cases konnten 300 voll- Mensch beleuchtet werden. ständig ausgewertet werden. Auf ihrer Basis konnten zwölf Technologiekategorien gebildet Die Interviews wurden zwischen November und die damit einhergehenden Nutzenpoten- 2018 und März 2019 durchgeführt, aufgezeich- ziale und Herausforderungen für die jeweilige net, transkribiert und den Expertinnen und Ex- Industrie 4.0-Technologie analysiert werden. perten zur Durchsicht zur Verfügung gestellt. 10
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Die Plattform Industrie 4.0 bündelt Wissen, bietet Hand- lungsempfehlungen und Best Practices auch für kleine und mittelständische Unternehmen und stellt diese auf einer interaktiven „Industrie 4.0 Landkarte“ als Anwendungsbei- spiele von Industrie 4.0-Umsetzungen dar. Als Datenbasis dieser Studie wurden 300 Datensätze im Jahr 2019 aus der Datenbank der Plattform ausgewertet. (Plattform Industrie 4.0, 2021) Geografische Verteilung der Experteninterviews Geografische Verteilung der analysierten Industrie 4.0-An- wendungsfälle auf Basis der 2 „Plattform Industrie 4.0“. 2 1 Weitere Informationen und 5 detaillierte geographische 7 Verteilung verfügbar unter: 2 https://www.plattform-i40.de/ 2 I40/Navigation/Karte 20 3 12 5 3 6 57 2 6 6 20 6 8 6 7 102 47 1 ÖSTERREICH 2 SCHWEIZ Ergänzend auf der Karte dargestellt ist die geo- grafische Verteilung der 40 Experteninterviews, die N=300, Stand März 2019, Datenbasis: Analyse der Fallbeispiele, mit Unternehmensvertretern in Deutschland und Ergänzt um N=40, Datenbasis: Interviews im deutschsprachigen Ausland geführt wurden. 11
H I NT E R G R Ü N D E Z U D E N EX P ER T E N I N TE R VI E W S FRAGENKOMPLEXE IN DEN GRÖSSE DER UNTERNEHMEN EXPERTENINTERVIEWS Nach Anzahl der Mitarbeitenden Teil 1: Industrie 4.0-Anwendungen 1-250 45,0% Anwendungsbereiche und betroffene Prozesse, Mitarbeitende, Ziele der Anwendung und Technologiekomponenten 250-5.000 22,5% Teil 2: Herausforderungen und Risikofaktoren in der Implementierung und Umsetzung 5.000-15.000 15,0% Teil 3: Reaktive und proaktive Risiko- managementstrategien und Mitigation >15.000 17,5% in Implementierung und Umsetzung 0% 10% 20% 30% 40% 50% N = 40, Mehrfachnennungen normalisiert | Datenbasis: Interviews. POSITIONEN DER EXPERTEN BRANCHEN in Prozent in Prozent 7,5 5 25 Mittleres Management 7, ,0 7,5 38% 15 ,0 ,5 Top Management 15,0 22 23% EDV / IT / Kommunikation 20% 20% Anlagenbau / Automatisierungstechnik Maschinenbau Metalltechnik / Elektrotechnik Bildungseinrichtung / Forschung / Entwicklung Beratende/ Operative Dienstleistungen / Beratung / Handwerk Forschende Funktion Ebene Verkehr / Logistik N = 40, Mehrfachnennungen normalisiert | N = 40 | Datenbasis: Interviews. Datenbasis: Interviews. 12
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK S T A T I S T I S C HE A U SW E R T U N G DER I N D U S T RI E 4.0- F A L L B E I S P I E LE GRÖSSE DER UNTERNEHMEN Nach Anzahl der Mitarbeitenden 1-250 46,3% 250-5.000 20,7% 5.000-15.000 14,7% >15.000 18,3% 0% 10% 20% 30% 40% 50% N = 300, Mehrfachnennungen normalisiert | Datenbasis: Analyse der Fallbeispiele. BRANCHEN REIFEGRAD in Prozent in Prozent 5,3 8,8 7,5 29 ,3 12 8,3 ,7 15 ,8 ,0 18 ,3 17,3 17 59,7 EDV / IT / Kommunikation Umsetzung durch erste Forschungs- und Anlagenbau / Automatisierungstechnik Entwicklungsergebnisse Maschinenbau Prototypen (Demonstrator) Metalltechnik / Elektrotechnik Umsetzung im eingeschränkten Bereich Bildungseinrichtung / Forschung / Entwicklung des Anwendungsumfeldes Dienstleistungen / Beratung / Handwerk Umsetzung in vollem Umfang Sonstige Branchen des Anwendungsumfeldes N = 300, Mehrfachnennungen normalisiert | N = 300, Mehrfachnennungen normalisiert | Datenbasis: Analyse der Fallbeispiele. Datenbasis: Analyse der Fallbeispiele. 13
NEUE TECHNOLOGIEN – DIE ENABLER DER SMARTEN FABRIK ” In der Fabrik der Zukunft liefern Fahrerlose Transportsysteme Material. Der Mensch wird bei komplexen Montage-, Planungs- und Steuerungsaufgaben digital unterstützt. Intelligente Objekte kommunizieren untereinander über die Cloud. Daten werden kontinuierlich gesammelt und ausgewertet. Alternative Zukunftsszenarien werden ent- worfen und bewertet, um noch bessere Entscheidungen zu treffen. So kommen Stö- rungen im Prozess gar nicht erst vor oder werden automatisiert flexibel gehandhabt. Die Smarte Fabrik: Durchgängige Automatisierung, größte Adaptivität und Resilienz. ” 14
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Neue Produktions- und Kommunikationstechnologien revolutionieren die Wertschöpfung Das Internet der Dinge revolutio- BETRACHTETE TECHNOLOGIEGRUPPEN IN DER STUDIE niert die Arbeitswelt in der Ferti- gung. In den Smarten Fabriken Fahrerlose Transportsysteme (FTS) der Zukunft herrscht eine völlig MOBILE AKTOREN Unmanned Aerial Systems (UAS, Drohnen) neue Produktionslogik. Die Vision Schienengebundene Systeme | Förderbandsysteme der vierten industriellen Revolu- tion lässt dabei Produktion und IT STATIONÄRE Industrieroboter (z.B. Montage, Schweißen) AKTOREN zunehmend verschmelzen. Intel- Steuerungs-/Regelungs-Komponenten ligente Werkstücke kennen ihre RFID/NFC Historie, ihren derzeitigen Zustand IDENTIFIERS Barcodes/QR-Codes und ihren Endbestimmungsort Kameramodule | Farb-/Formerkennungen und steuern ihren Weg dorthin Smartphones/Tablets/Smartwatches selbst. Dabei sind die Produkte auf MOBILE DEVICES Handhelds (z.B. Scanner) ihrem Weg durch die Fabrik jeder- zeit identifizierbar und lokalisier- Head-mounted Displays (VR) bar. Die Maschinen und Logistik- WEARABLES Datenbrillen (AR) systeme von Unternehmen sind Sensor-/Identifier-Armbänder/Handschuhe innerhalb von Produktionsnetz- Touch Interfaces MENSCH- werken entlang der gesamten Sup- MASCHINE- Motion Capture/Tracking, Gestenerkennung INTERAKTION ply Chain miteinander verknüpft Spracherkennung und kommunizieren in Echtzeit ÜBER- Bluetooth/BLE miteinander. Durch den Einsatz TRAGUNGS- STANDARDS GPS modernster Kommunikationstech- WLAN | LAN/Ethernet nologien entsteht eine völlig neue 3G/LTE | 4G/LTE Advanced | 5G CLOUD Art der Zusammenarbeit zwischen COMPUTING Online-Plattformen Mensch und Maschine. Private Clouds | Public Clouds | Community Clouds SOFTWARE- IaaS/SaaS Digitale Technologien sind dabei LÖSUNGEN die wichtigsten Elemente der Smar- ERP-Systeme | MES | CAx ten Fabrik. 41 Basistechnologien Apps DATENVER- wurden im Rahmen der Studie in ARBEITUNG Artificial Intelligence (AI) zwölf Hauptkategorien gruppiert. Simulationen Für jede Gruppe wurden die wich- ADDITIVE Datenvisualisierung/Dashboards tigsten Begleittechnologien und FERTIGUNG Data Analytics/Data Mining die assoziierten Risiken und Mitiga- ERP-/MES-Anbindung tionsstrategien identifiziert. SENSORIK Blockchain Harddrives/lokale Server RFID: Radio-Frequency Identification | NFC: Near Field Communication | QR-Code: Quick Response Code | VR: Virtual Reality| AR: Augmented Reality | BLE: Bluetooth Low Energy | GPS: Global Positioning System | WLAN: Wireless Local Area Network | LAN: Local Area Network | LTE: Long Term Evolution | IaaS: Infrastructure-as-a-Service | SaaS: Software-as-a-Service | ERP: Enterprise- Resource-Planning | MES: Manufacturing Execution System | CAx: Oberbegriff für computergestützte Prozesse (Computer-Aided) 15
AUSGE WÄ HL T E R I S IK E N D ER KER N T ECHNO L O G IE N IN D ER SM A R T EN F A B R IK SENSORIK Sensible Technologie- ÜBERTRAGUNGSSTANDARDS bausteine sind häufig Fehlende Standardisierung erschwert Ursache für hohe eine fehlerfreie Datenübertragung. Fehleranfälligkeit der Gesamtlösung. STATIONÄRE AKTOREN IDENTIFIERS Steigern die Komplexität für Beschädigungen oder Verschmutzun- Datensammlung, -auswertung gen im operativen Betrieb führen zu sowie Wartung und Instand- fehlender Datenverfügbarkeit. haltung. WEARABLES Unzureichende Ergonomie verhindert langfristige Erfolge. FABRIK DER ZUKUNFT: EFFIZIENT, MENSCHEN- ZENTRIERT, RESILIENT UND KLIMANEUTRAL. 12 KERNTECHNOLOGIEN sollen aus der Vision Wirklichkeit machen: die Smarte Fabrik ist dabei Teil smarter und nachhaltiger Wertschöpfungs- netze mit einer Vielfalt intelligenter Anlagen und Produkte, die gemeinsam die Grundlage für neue und datenbasierte Geschäftsmodelle bilden. 16
CLOUD COMPUTING Mangelndes Know-how führt zu Unsicherheit bei Fragen der IT- Integration und Sicherheit. SOFTWARELÖSUNGEN Fehlende Schnittstellen und Standards erzeugen Übertragungsfehler und schon kurzfristig erhebliche Mehraufwände. MOBILE DEVICES DATENVERARBEITUNG Mangelhafte Interoperabilität Unstrukturierte Daten durch zahlreiche notwendige erschweren Auswertung Schnittstellen. und Weiterverarbeitung. MOBILE AKTOREN Oft unterschätzte Unfallgefahr. MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Oft unterschätzte zeit- und kosten- intensive Entwicklungsprozesse. ADDITIVE FERTIGUNG Fehlendes Know-how im Technologieumgang führt mittelfristig zu Qualitätsproblemen. 17
T EC H N O L O GI E N Fahrerlose Transportsysteme (FTS) MOBILE Unmanned Aerial Systems (UAS, Drohnen) AKTOREN Schienengebundene Systeme | Förderbandsysteme Transportieren Güter unter Verwendung kabelloser Technologie, meist über eine Funkverbindung gesendete Signale. Begleitende Technologien: Übertragungsstandards, Softwarelösungen, Datenverarbeitung STATIONÄRE Industrieroboter (z.B. Montage, Schweißen) AKTOREN Steuerungs-/Regelungs-Komponenten Beeinflussen Systeme und andere Aktoren auf Basis eingehender Signale. Begleitende Technologien: Übertragungsstandards, Softwarelösungen, Datenverarbeitung RFID/NFC IDENTIFIERS Barcodes/QR-Codes Kameramodule | Farb-/Formerkennungen Machen ein Objekt, mit dem sie verknüpft sind, eindeutig identifizierbar. Begleitende Technologien: Übertragungsstandards, Softwarelösungen, Datenverarbeitung, Sensoren RFID: Radio-Frequency Identification | NFC: Near Field Communication | QR-Code: Quick Response Code | VR: Virtual Reality| AR: Augmented Reality 18
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Smartphones/Tablets/Smartwatches MOBILE DEVICES Handhelds (z.B. Scanner) Dienen der mobilen Daten-, Sprach- und Bild- kommunikation oder Navigation. Begleitende Technologien: Mensch-Maschine- Interaktion, Übertragungsstandards Head-mounted Displays (VR) WEARABLES Datenbrillen (AR) Sensor-/Identifier-Armbänder/Handschuhe Unterstützten direkt am Körper getragen die Arbeitsabläufe des Trägers. Begleitende Technologien: Mobile Devices, Mensch-Maschine-Interaktion Touch Interfaces MENSCH- MASCHINE- Motion Capture/Tracking, Gestenerkennung INTERAKTION Spracherkennung Schnittstelle zwischen menschlicher Handlung und kooperierender Maschine. Begleitende Technologien: Mobile Devices, Wearables EINE TECHNOLOGIE IDENTIFIERS DATENVER- ÜBERTRAGUNGS- KOMMT SELTEN ALLEIN – ARBEITUNG STANDARDS TECHNOLOGIEBÜNDEL: In der Praxis werden die einzelnen Basistechnologien oftmals in Kombination eingesetzt und bedingen sich teilweise gegenseitig. Beispielsweise benötigt ein RFID-Tag aus der Technologiekategorie der Identifier immer auch Übertagungsstandards und hat eine Da- tenverarbeitung zur Folge. Für eine detaillierte Risiko-Nutzenanalyse ist es daher wichtig, die Technologiebündel gesamthaft zu betrachten. 19
T EC H N O L O GI E N Bluetooth/BLE ÜBER- TRAGUNGS- GPS STANDARDS WLAN | LAN/Ethernet 3G/LTE | 4G/LTE Advanced | 5G Überträgt Daten standardisiert unter Verwendung kabelloser Technologie. Begleitende Technologien: Datenverarbeitung Formt computergesteuert aus flüssigen oder festen ADDITIVE Werkstoffschichten ein vorgegebenes Werkstück FERTIGUNG z.B. Metalldruck, Kunststoffdruck Begleitende Technologien: Datenverarbeitung Erfasst bestimmte Eigenschaften der Umgebung qualitativ und/oder quantitativ und gibt diese als SENSORIK elektrisches Signal weiter. Begleitende Technologien: Identifiers, Übertragungsstandards BLE: Bluetooth Low Energy | GPS: Global Positioning System | WLAN: Wireless Local Area Network | LAN: Local Area Network | LTE: Long Term Evolution | IaaS: Infrastructure-as-a-Service | SaaS: Software-as-a-Service | ERP: Enterprise-Resource-Planning | MES: Manufacturing Execution System | CAx: Oberbegriff für computergestützte Prozesse (Computer-Aided) 20
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Online-Plattformen CLOUD Private Clouds | Public Clouds | Community Clouds COMPUTING IaaS/SaaS Stellt Speicherplatz, Rechenleistung oder Anwendungs- software als Dienstleistung über das Internet bereit. Begleitende Technologien: Datenverarbeitung, Softwarelösungen ERP-Systeme | MES | CAx SOFTWARE- LÖSUNGEN Apps Dient der Lösung konkreter Probleme des Software- anwenders durch eine Anwendungssoftware. Begleitende Technologien: Datenverarbeitung Artificial Intelligence (AI) DATENVER- Simulationen ARBEITUNG Datenvisualisierungen/Dashboards Data Analytics/Data Mining ERP-/MES-Anbindungen Blockchain Harddrives/lokale Server Verarbeitet Datenmengen, die auf herkömmliche Weise kaum auswertbar sind. Begleitende Technologien: Übertragungsstandards 21
NEU E T ECH N O L O G IE N – NEU E R I S I K E N – NEU E M I T I GA T IO N S A N S Ä T Z E ” Warum es ein neues Risikomanagement braucht. Neue Technologien brin- gen neben großen Potenzialen neue und veränderte Risiken. Nur mit einem angepassten Risikomanagement kann die Erschließung dieser Nutzenpoten- ziale kurz-, mittel- und langfristig gelingen. Auch 2021 scheitern noch zu vie- le Projekte in der Implementierungsphase, denn der zu starke Fokus auf den Nutzen hemmt die Sicht auf die Fehlerabhängigkeit einzelner Systeme, die fehlende Verfügbarkeit benötigter Daten, mangelndes Know-how späterer Nutzer und fehlende Zeit- und Personalkapazitäten im Tagesgeschäft. Eine systematische Risikobetrachtung trägt maßgeblich zum Projekt- und zum ” Umsetzungserfolg bei. 22
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Neue Technologien – das zweischneidige Schwert von Nutzen & Risiko Digitale und vernetzte Wertschöpfung baut auf der Grundlage exzellen- ter Prozesse auf. So steigern bereits Computerisierung und Konnektivität signifikant die Produktivität. Mitarbeitende werden aktiv unterstützt und von repetitiven Aufgaben entlastet. Verknüpfte IT-Systeme orientieren sich operativ an exzellenten Wertschöpfungsprozessen und bilden somit die Grundlage für ein digitales Management im Sinne der Vision Industrie 4.0. So können Prozesse und Strukturen dynamisch sichtbar gemacht wer- den und in Echtzeit Managemententscheidungen unterstützen. Adaptierbarkeit & Resilienz INDUSTRIE 4.0 Prognosefähigkeit Transparenz Sichtbarkeit Konnektivität INDUSTRIE 3.0 Computerisierung Operative Exzellenz INDUSTRIE 2.0 Abbildung in Anlehnung an: Schuh et al. 2017 23
Potenziale der Industrie 4.0- Anwendungen Echtzeitinformationen über operative Prozesse 21,0% Flexibilität / Losgröße 14,0% Automatisierung / Skaleneffekte 12,3% Allgemeine Prozessoptimierung 10,7% Fehlerredukion 8,3% Vorbeugende Instandhaltung / Wartung 7,0% Interoperabilität / IT-Integration / Standardschnittstellen 4,7% Energie- und Ressourceneffizienz 4,7% Sonstige Potenziale 17,3% 0% 5% 10% 15% 20% 25% Anteil N = 300, Mehrfachnennungen möglich. Antworten kategorisiert | Datenbasis: Analyse der Fallbeispiele 24
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Die aufeinander aufbauende Logik der Poten- ziale der geschilderten Entwicklung zur Indust- rie 4.0 hin spiegelt sich auch in der Analyse der Nutzenpotenziale wider. So liegt die Hauptmo- tivation der analysierten Industrie 4.0-Fallbei- spiele in der Verfügbarkeit von Echtzeitinfor- mationen über operative Prozesse. Durch das Schaffen von Echtzeit-Wissen über Zustände und laufende Prozesse auf Anlagen-, Produkt-, Fabrik- und Supply Chain-Ebene wird somit die Grundlage für bessere Entscheidungen mit direktem Einfluss auf Produktions- und Liefer- performance ebenso wie auf die Produktivität und Kostensituation gelegt. Auch die Flexibili- sierung und Anpassungsfähigkeit der eigenen Produktion an die volatilen Kundenbedarfe motivieren zu einem stärker digital geprägten Fallstudie Management. Eine herbe Enttäuschung Kurzfristig überschatten Potenziale die Risi- In einem Produktionsunternehmen, das ken. Neben diesen großen Potenzialen kommt erstmals Fahrerlose Transportsysteme in in der Diskussion oft eine systematische Be- der Getriebesteuerungs-Fertigung ein- trachtung der vielfältigen Risiken dieser Tech- geführt hat, wurde das fehlende Risiko- nologien zu kurz. Die Gründe dafür sind zahl- management zum Problem. Erst nach reich, dazu gehört oftmals das Fehlen von der Beschaffung und bei der eigentlichen zeitlichen und finanziellen Ressourcen gerade Technologieinstallation wurde bemerkt, in kleinen und mittelständischen Unterneh- dass die zahlreichen Rampen in der Pro- men. Die Risiken, die Projekte zum Scheitern duktionshalle den Einsatz der beschafften bringen, haben häufig banale Ursachen und Systeme unmöglich machen. Erhebliche wären durch wenige, kostengünstige und Kosten, interne Personalkapazitäten und ohne großen Aufwand mögliche Gegenmaß- viel Frust belasten das Budget und min- nahmen zu bewältigen. Zu einem späteren dern die Begeisterung für weitere Digitali- Zeitpunkt führen solche Ursachen jedoch zu sierungsprojekte. hohen Kosten, die durch nachfolgende Ver- zögerungen, Ablehnung, Unfälle, Daten- und Qualitätsprobleme entstehen. 25
RISIKOSCHWERPUNKTE IN DER IMPLEMENTIERUNG In der Frühphase von Industrie 4.0-Pro- kommt es auch aus Investitionssicht zu immer jekten ist aktives Risikomanagement mehr Problemen. Unklare Investitionskosten am wirksamsten. Vorausschauende und ein unklarer Nutzen der Technologie mit oft Analysen der eingesetzten Technolo- unbekanntem ROI lassen auch Controlling und gien und der Abgleich mit potentiellen Top-Management das Bewährte präferieren. Problemen in den Bereichen Know-how, Nicht harmonisierte Prozess- und IT-Landschaf- Investition, Recht, Adaptation und ten zeigen im Rahmen von Industrie 4.0-Projekten Integration in die Prozess- und IT-Land- ihre ganze Problematik. Da diese nicht kurzfristig schaft hilft, um typische Probleme zu beseitigen sind, wird auch hier auf zeitlich und zu vermeiden. finanziell unplanbare Trial-and-Error-Lösungen zurückgegriffen. Besonders verheerend: um in einer fortgeschrittenen Projektphase doch noch Das größte Risiko in der Implementierungspha- einen Kurzfrist-Erfolg realisieren zu können, se ist die Ablehnung der neuen Technologie und kommt es heute häufig zu Stand-Alone-Lösun- Prozesslösung durch einzelne Mitarbeitergrup- gen. Diese verschärfen sofort die Schnittstellen- pen. Schon aus vielen Jahren Veränderungs- und problematik im Unternehmen und verhindern Entwicklungsforschung und -praxis bekannt, damit mittelfristig die weitere Digitalisierung. streben Mitarbeitende und auch Führungskräf- te im Rahmen von Industrie 4.0-Projekten häu- Aber es geht anders: Problemorientierung und fig danach Bekanntes zu erhalten, Neuerungen klare Zielorientierung schaffen schon in der Pro- prinzipiell abzulehnen und den Status-Quo zu jektplanung Transparenz für alle Beteiligten. Be- erhalten. Die Betriebsräte werden oft erst im triebsräte und betroffene Mitarbeitende sind Projektverlauf einbezogen, nicht aber in der Pro- schon vor Projektstart einzubeziehen, zu quali- jektplanungsphase. In der Folge verlängern sich fizieren und für die Lösungsgestaltung als Wis- Lernkurven und die Produktivität sinkt auch im sensgeber zu nutzen. Gerade in der Implementie- Alltagsbetrieb. Ein Trial-und-Error-Vorgehen bei rung muss fehlendes Wissen notfalls auch durch der Veränderung hin zu einer für die Mitarbeiten- externe Hilfe geschaffen werden. den akzeptablen und produktiven Lösung führt Insbesondere gilt es Legacy Systeme (eigenent- zu Verzögerungen, Kostensteigerungen und Mo- wickelte Systeme, oft unzureichend dokumen- tivationsverlust. Dies wiederum kann eine Digita- tiert, mit veralteten Betriebs- und Entwicklungs- lisierungsstrategie als Ganzes gefährden. Folglich umgebungen, vielen Schnittstellen und mit hoher 26 ROI: Return on Investment
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Fallstudie Basis für die Implementierung schaffen Die Implementierung von digitalen Techno- logien ist verbunden mit einem erheblichen Investitionsaufwand. Insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen sind dabei einem hohen Innovationsdruck ausgesetzt, um mit dem digitalen Fortschritt der Großunternehmen mit- halten zu können. Häufig werden jedoch digitale Lösungen einfach übernommen, ohne dabei die unternehmenseigene IT- und Prozesslandschaft zu berücksichtigen, wie ein Berater für Industrie 4.0-Lösungen berichtet. Dies bestätigt auch der Komplexität) zu vermeiden und Fall eines KMUs, welches einen Industrieroboter abzulehnen. Eigenschaften dieser für bislang manuell ausgeführte Materialverede- Systeme erschweren zwar ihre Ab- lungsschritte einsetzen wollte. Auch wenn die lösung, fordern dies aber auch im Lichtverhältnisse in der ursprünglichen Arbeits- Hinblick auf die IT-Sicherheit be- umgebung für das menschliche Auge bislang sonders stark. Stattdessen gilt es ausreichend waren, so waren sie für die Roboter- unternehmensweit und langfristig kamera eindeutig zu dunkel. vorauszuschauen: Größere Ver- änderungen in der IT-Landschaft, beispielsweise durch die Aktualisie- Risiken in der Implementierungsphase rung der ERP-Systeme o.ä. können Ablehnung durch Mitarbeitende oder andere Stakeholder 31,2% zum Ausgangspunkt für Projekte Unbekannte Bedienweise oder 23,0% werden. Dies mag manchem wie unzuverlässige Technologien ein kurzfristiger Rückschritt er- Kundenseitige IT Vorgaben/Restriktionen 9,8% scheinen, langfristig steigert der Unklare Zielvorstellungen bzgl. 9,0% Technologienutzen und ROI frühe Blick auf die Schnittstellen Mangelnde Kapazitäten 7,4% bei der Projektauswahl und -gestal- Konflikte mit Betriebsmittelvorschriften 5,7% tung jedoch den Projekterfolg. Sonstige 13,9% 0% 20% 40% N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews 27
RISIKOSCHWERPUNKTE IM OPERATIVEN BETRIEB Die Betriebsphase von Industrie 4.0-Pro- munen einschränkt und gefährdet. Fehlendes jekten fordert kontinuierliche Risiko- Wissen und Fehleinschätzungen lassen viele Mit- überprüfung. Der operative Betrieb arbeitende auf die Sicherheit der vorhandenen muss sichergestellt sein. Dafür muss Schutzeinrichtungen wie Firewalls vertrauen, so- das Risikomanagement sowohl den dass Phishing, Social Engineering, Datenmanipu- Menschen als Risikofaktor betrachten lationen und Hacking immer wieder erfolgreich als auch Fragen nach Cyberkriminalität, sind. Auch durch unabsichtliche Bedienfehler, nach rechtlichen Risiken und nach durch beabsichtigtes Umgehen existierender Standards die Technologienutzung geschaffenen sowie Manipulation der Technologiekomponen- Abhängigkeiten stellen. ten entstehen Risiken. So entstehen auch rasch Compliance-Verstöße, die Konflikte mit dem Be- triebsrat und sogar Klagen von intern und extern In der Betriebsphase neuer Industrie 4.0-Lösun- nach sich ziehen können. Die reine Adressierung gen ist eine Beeinträchtigung des operativen in Betriebsvereinbarungen reicht hier nicht aus. Unternehmensbetriebs unter allen Umstän- Experten sind sich einig, dass kein System abso- den zu vermeiden. Typische Trial-and-Error An- lut sicher sein kann. Dennoch trägt die Sensibi- sätze, um über geringe Technologiereifegrade lisierung und Schulung der Mitarbeitenden ganz und Komplikationen in der Implementierung maßgeblich zur Widerstandsfähigkeit gerade bei hinwegzutäuschen, sind leider bis heute übli- ungezielten Angriffen bei. White-/Blacklisting, che Vermeidungsstrategien. Neue Technologien technische Maßnahmen wie IDS und IPS, Seg- und Prozesse erzeugen neue Abhängigkeiten: mentierung von Netzwerken und Backup-Strate- insbesondere sind Obsoleszenz regelmäßig zu gien helfen, Cyberrisken zu minimieren. betrachten. Nachlässigkeiten aus der Imple- Schon im Rahmen der Verbreitung des Lean mentierung schlagen in dieser Phase voll durch. Management-Ansatzes sind technische und or- Hohe Zeit- und Kostenaufwände durch fehlende ganisatorische Kontrollmaßnahmen zur Fehler- Schnittstellen und fehlende technische Kompo- vermeidung bekannt geworden. Poka Yoke-Lö- nenten und Services gefährden die Lösung selbst sungen (versehentliche Fehler (poka) vermeiden und das ganze System. (yokeru) lassen Fehler durch geschickte Prozess- Zahlreiche aktuelle Beispiele zeigen, wie die zu- gestaltung gar nicht erst entstehen. Feedback- nehmende Cyberkriminalität die Arbeit von und kontinuierliche Verbesserungsprozesse Produktions-, Handels- und Dienstleistungsun- (KVP) beteiligen Mitarbeitende an der schrittwei- ternehmen ebenso wie von Behörden und Kom- sen Aufdeckung von Prozessrisiken. 28 IDS/IPS: Intrusion Detection Systems/Intrusion Prevention Systems | KVP: Kontinuierliche Verbesserungsprozess
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Fallstudie ”White-/Blacklisting, technische Maßnahmen wie IDS/IPS, Mittels Fernwartung Segmentierung von Netzwerken Zugriff auf Daten und Backup-Strategien helfen, von Mitarbeitenden Cyberrisken zu minimieren.” Vorausschauende Instandhaltung birgt riesige Potenziale. Einige Anbieter von sogenannten Predic- tive Maintenance-Lösungen bieten auch Fernwartungen an. Dies er- fordert Datenzugriffe von extern. So zeigt sich im Fall eines mittel- ständischen Maschinenbauers Risiken in der Betriebsphase erst Monate nach der Einführung Technisches Versagen 22,2% der Lösung, dass deutlich mehr Organisatorisches Versagen 18,8% als die relevanten Verschleiß- und Risiken aus politischen/rechtlichen Nutzungsdaten übertragen worden 17,4% Implikationen sind. So wurden auch Fertigungs- Menschliches Versagen 15,7% daten zu Aufträgen und personen- Gezielte Angriffe 14,3% bezogene Daten zu Mitarbeiten Risiken aus Beschaffungs-/ 8,2% Absatzmärkten übermittelt. Das Unternehmen Ungezielte Angriffe 3,4% reagierte umgehend und etablierte 0% 10% 20% ein entsprechendes Risikomanage- ment mit regelmäßigen IT-Compli- N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews ance-Audits. 29
RISIKOSCHWERPUNKTE IN DER TYPISCHER AKTUELLER AUSGEWÄHLTE PROJEKTIMPLEMENTIERUNG UMGANG MITIGATIONSANSÄTZE UNZUREICHENDES TECHNOLOGIE-KNOW-HOW • Fehlendes Wissen zu • Screening von Anbieter- Anwendungsarten märkten • Ablehnung von Projekten, • Unklare Lage auf • Rückgriff auf externe Beibehaltung des Anbietermärkten Beratungsleistungen Status Quo • Fehlende interne/externe • Proof-of-Concept Erfahrungswerte • Sukzessiver Rollout INVESTITIONSRISIKEN • Opportunitätskosten • Unklare Investitionskosten, einbeziehen • Ablehnung von Projekten, Nutzen schwer zu beziffern • Vergleichbare Projekte Beibehaltung des Status • Unbekannter ROI der zur Nutzenabschätzung Quo meisten Lösungen nutzen, Risiken ermitteln und bewerten RECHTLICHE RISIKEN • Einbezug Betriebsrat • Compliance-Verstöße • Konsultierung des • Anpassung von • Widerstände durch Betriebsrates im Rahmen Arbeitsverträgen Betriebsrat der Einführung • Techn. Anpassung, Zertifizierung ADAPTION DER MITARBEITENDEN • Einbezug betroffener • Hohe anfängliche Mitarbeitender Widerstände • Trial-and-Error • Qualifizierungs- • Flache Lernkurven, maßnahmen Produktivitätseinbußen • Intuitives Lösungsdesign INTEGRATION IN PROZESS- UND IT-LANDSCHAFT • Abweichende IT-Schnittstellen • Ablösung von • Störungen der bestehen- • Trial-and-Error Legacy-Systemen den IT-Infrastruktur • Vermeidung von • Schnittstellen als durch Integration neuer IT-Integration und Auswahlkriterium Komponenten Schnittstellenproblematik • Synergien durch Technolo- • Betriebsverzögerungen durch Stand-Alone- gie-Push nutzen/einplanen durch notwendige An- Lösungen • Isolierter Pilotbetrieb passung von etablierten Prozessen 30 IDS/IPS: Intrusion Detection Systems/Intrusion Prevention Systems; KVP: Kontinuierliche Verbesserungsprozess; ROI: Return on Investment
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK RISIKOSCHWERPUNKTE IM TYPISCHER AKTUELLER AUSGEWÄHLTE OPERATIVEN BETRIEB UMGANG MITIGATIONSANSÄTZE CYBERKRIMINALITÄT • Sensibilisierung/Schu- lung der Mitarbeitenden, • Phishing, Social White-/Blacklisting Engineering • Blindes Vertrauen auf • Techn. Maßnahmen • Hacking vorhandene Schutz- wie IDS/IPS • Datenmanipulation maßnahmen wie Firewalls • Segmentierung von • Datendiebstahl Netzwerken • Backup-Strategien • Berechtigungsmanagement RECHTLICHE RISIKEN • Anpassung von • Compliance-Verstöße, Compliance-Richtlinien Klagen intern/extern durch Experten • Adressierung in • Konflikte mit Betriebsrat • Vertragliche Absicherungen Betriebsvereinbarungen • Konflikte bezüglich • Selektive und verschlüs- Personendaten selte Datenübertragung • Datenklassifizierung RISIKOFAKTOR MENSCH • Unabsichtliche • Technische/organisa- • Einführung durch Bedienfehler torische Kontroll- Technologieanbieter im • Missbrauch und maßnahmen, Poka Yoke Rahmen des Vertriebs absichtliche Workarounds • Feedbackprozesse/KVP DIREKTE UND INDIREKTE ABHÄNGIGKEIT • Rasche Obsoleszenz von Hard-/Software • Auswahl substituierbarer • Keine Schnittstellen- Technologie-Produkte • Trial-and-Error standards verfügbar • Leasingmodelle/ • Verfügbarkeit techn. Pay-per-X Komponenten/Services BEEINTRÄCHTIGUNG DES OPERATIVEN BETRIEBS • Komplikationen mit • Pilotbetrieb voranstellen industriellem Umfeld • Evaluation der Basis- • Operative Beeinträchti- • Trial-and-Error prozesse vor Einführung gungen durch geringen unterstützender Reifegrad/Usability Technologien 31 Datenquelle: Interviews, Workshop, Literatur
SPEZIELLE RISIKEN Risiken aus organisatorischem Versagen Risiken aus organisatorischem Versagen Auch wenn menschlich und technolo- gisch bedingte Risiken durch eine gute Abweichende Schnittstellen 23,6% Organisation abgefangen werden kön- Abhängigkeit von externen Anbietern 18,2% nen, stellt eine nicht geeignete Organisa- Abhängigkeit von Updates 16,4% tion selbst ein Risiko für den Erfolg eines Unzureichendes Customizing 12,7% Industrie 4.0-Projekts dar. Die Mehrheit Interner Know-how-Mangel der untersuchten Technologien erzeugt 10,9% gegenseitige Abhängigkeiten, die abzu- Sicherheitslücken durch obsolete Hardware 9,1% sichern sind. Beispielsweise gehört dazu Verstärkung suboptimaler Prozesse 5,5% die Abhängigkeit von Programmierern Unzureichende Instandhaltung oder externen Dienstleistern, aber auch 1,8% von Software- und Hardwarelieferan- Sicherheitslücken durch 1,8% obsolete Software ten. Der Einsatz komplexer Soft- und 0% 10% 20% Hardware stellt darüber hinaus Anfor- N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews derungen an eine gute Organisation des Updatemanagements, um Sicherheits- Risiken aus technischem Versagen lücken und Fehlfunktionen der Systeme zu vermeiden. Von den Experten wurden Fehlfunktionen durch techn. Defekte 20,0% auch Risiken in den Fokus gerückt, die Technischer Ausfall von Hardware 12,3% durch eine ungenügende Anpassung der Unzureichende WLAN-Abdeckung 9,2% Industrie 4.0- Technologien an die indivi- Unzureichende Usability 9,2% duellen Bedürfnisse des Unternehmens entstehen. Am häufigsten wurden aber Ungenaue Erfassungsvorgänge 9,2% Probleme durch nicht zusammenpas- Restriktionen durch Akkulaufzeit 7,7% sende Schnittstellen als Folgen organi- Mangelhafte Produktqualität 6,2% satorischen Versagens benannt, die den Mangelhafte Datenqualität 6,2% reibungslosen Ablauf innerhalb von Lie- Veraltete technische Infrastruktur 6,2% ferketten gefährden können. Arbeitsunfälle 4,6% Unzureichender Mobilfunkempfang 4,6% Mangelnde Industrieeignung 4,6% 0% 10% 20% N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews 32
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Risiken aus technischem Versagen Risiken aus politischen und rechtlichen Implikationen Häufigstes technisches Risiko sind Smarte Technologien wie Motion Capture, Smartphones Fehlfunktion durch einzelne tech- oder Datenhandschuhe sind in der Lage, ein hohes Maß nische Defekte, gefolgt vom Ausfall an personenbezogenen oder personenbeziehbaren ganzer Hardware-Systeme. Redun- Daten zu generieren. Aus diesen Daten können Rück- danzen im System führen schnell zu schlüsse auf Mitarbeitereffizienz, sowie An- und Abwe- Problemen im operativen Betrieb. senheitszeiten abgeleitet werden. Das wirft die Frage Längere Nicht-Verfügbarkeit der Sys- auf, ob dadurch eine unrechtmäßige Mitarbeiterüberwa- teme oder Daten- bzw. Wissensver- chung entsteht. Es verwundert daher nicht, dass dieses lust können die Folge sein. Daneben Konfliktpotenzial das am häufigsten genannte Risiko im bringen erfahrungsgemäß veraltete Bereich der rechtlichen und politischen Implikationen ist. technische Infrastrukturen, die man- Nicht selten resultiert aus diesen Umständen auch ein gelnde Industrieeignung oder eine Konflikt mit dem Betriebsrat. mangelhafte Produktqualität der Viele Technologien müssen zur Sicherung der Grundfunk- Technologiekomponenten ein tech- tionalitäten aber personenbezogene Daten verarbeiten. nologisch bedingtes Risiko mit sich. So lässt sich beispielsweise bei einer Spracherkennungs- Auch eine unzureichende WLAN-Ab- software die Erfassung, Verarbeitung und Übertragung deckung oder ein unzureichender persönlicher Sprachinhalte nicht vollständig vermeiden. Mobilfunkempfang, sowie eine zu Wird eine externe Cloudlösung auch für die Verarbeitung ungenaue und unzuverlässige Daten- von personenbezogenen Daten von KundInnen oder Ge- übertragung kann schwerwiegende schäftspartnerInnen genutzt, entstehen dadurch zusätz- Fehler erzeugen. Begünstigt werden lich auch noch unklare Haftungsfragen, die bereits in der diese technisch bedingten Risiken Projektplanungsphase adressiert werden müssen. durch organisatorische Risiken, wie unflexible und veraltete Abläufe in IT-Abteilung, die insbesondere im Risiken aus politischen und rechtlichen Implikationen Moment des Technologiewechsels in Prozent ihr größtes Momentum erzeugen. Konflikte bezüglich 7,8 Personendaten Ungeklärte Haftungsfragen 6 19, Konflikte mit dem Betriebsrat 45,1 Konflikte bei Einsatz in sensiblen Bereichen 27 ,5 N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews 33
INDUSTRIE 4.0 CYBERRISIKEN Management von Cyberrisiken – eine Aufgabe für das Top-Management Risikoabwägungen in Digitalisierungsprojek- ten beschränken sich oft auf die so genann- ten Cyberrisiken. Durch die, wie eine Analyse der Funk Gruppe aus dem Jahr 2019 zeigt, ein jährlicher Gesamtschaden von mehr als 20 Milliarden Euro in Deutschland entsteht (Funk Gruppe GmbH, 2019). Dies bringt auch große volkswirtschaftliche Brisanz mit sich. Mehr als 70% von Industrieunternehmen haben bereits Erfahrungen mit Industriespionage, Sabotage oder Datendiebstahl gemacht. Fast die Hälfte aller Unternehmen wurde bereits Opfer eines Cyber-Angriffs mit finanziellen Schäden, etwa in Form von Imageschaden, Ermittlungs- und Aufklärungskosten, durch Patentrechtsverlet- zungen und Betriebsunterbrechungen. Neue Technologien und insbesondere der un- sachgemäße Umgang damit bieten neue Ein- fallstore, die sich durch ein besseres Verständ- nis der Zusammenhänge von Technologien, Begleittechnologien und Mititgationsstrategien helfen, Cyberrisiken einzuschränken. 34
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Das Risiko für gezielte und ungezielte Angriffe auf Unternehmensnetzwerke kann sich durch den Einsatz der Industrie 4.0-Technologien Fallstudie vergrößern. Besonders begünstigt wird dies, wenn eine zentrale Datenhaltung oder neue IT- Risiko: Hacking Infrastruktur aufgebaut werden muss. über IT-Dienstleister Die Experten fürchten dabei sowohl Datendieb- stahl als auch Datenmanipulation im Un- Kaseya bietet Softwareprogramme für ternehmen. Als Angriffsszenarien sehen sie ihr Firmen, welche ihren Kunden adminis- Unternehmen besonders durch Ransomware, trative und organisatorische Arbeiten (Distributed) Denial of Service-Attacken (DDoS) abnehmen. Nach dem Hackerangriff oder indirekte Methoden wie Phishing oder auf diesen IT-Dienstleister im Juni 2021 Malware gefährdet. wurde bekannt, dass bis zu 1500 Un- ternehmen in 17 Ländern von der At- Risiken aus gezielten Angriffen tacke betroffen waren. Die Hackergruppe in Prozent REvil soll das Desktop-Management-Tool 4,8 VSA (Virtual System Administrator) von 4,8 Datendiebstahl Kaseya gekapert und ein schadhaftes 1 31 7, Datenmanipulation ,0 Denial of Service-Attacken Update aufgespielt haben. Dabei wurden 16,6 Kompromittierung aus der Ferne Abrechnungssysteme mit Ransomware Ransomware infiziert und durch Verschlüsselung 14 Physische Manipulation ,3 21,4 vor Ort der Hacker blockiert. In Schweden war Sonstige die Störung am stärksten zu spüren. N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews Hunderte von Supermärkten mussten schließen, weil ihre Kassen nicht funktio- Risiken aus ungezielten Angriffen nierten. Die Hackergruppe REvil hat ca. in Prozent 70 Millionen Dollar für die Wiederherstel- Pishing lung aller Daten gefordert. Es wurde ein 10,0 Drive-by-Exploits Lösegeld direkt an REvil bezahlt. 30 Malware ,0 “bring your own device” (Manager Magazin, 2021) 30 ,0 30,0 N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews 35
FAKTOR MENSCH Fallstudie Gut gemeint. Schlecht umgesetzt. Der HUMAN FACTOR – Ein Fertigungsleiter berichtet von der Einführung von RFID gesteuerten Kleinla- die Schlüsselressource dungsträgern in der Logistik. Zur automa- in Industrie 4.0-Projekten tischen Identifikation und Lokalisierung müssen diese ein RFID-Antennentor in Der Mensch ist die Schlüsselressource im di- der Halle passieren. Immer wieder kam gitalen Zeitalter – trotz zunehmender Auto- es jedoch zu Abweichungen von diesem matisierung. Die EU hebt die menschen-zen- Standard: trierte und resiliente Produktion unter dem Werden die Materialien in den Kleinla- Begriff Industrie 5.0 derzeit prominent hervor dungsträgern in der Fertigung dringend (European Commission, 2021). Insbesondere benötigt, entnahmen Mitarbeitende als Nutzer und Manager von neuen Techno- diese bereits vor dem Gate. Der RFID- logien nimmt der Mensch dabei eine bedeu- Tag wurde entfernt und die angestrebte, tende Rolle in der erfolgreichen Umsetzung vollständige Nachverfolgbarkeit war nicht von digitalen Projekten und der Gestaltung mehr gegeben. Mit dem Ziel den Prozess der Transformation ein. Für eine vollständige kurzfristig zu beschleunigen, werden so Realisierung der Nutzenpotenziale bedarf es mittelfristig große Probleme geschaffen. daher eines systematischen Risikomanage- Der Gesamterfolg des Projekts konnte ments von menschlichen Fehlerquellen. nicht erzielt werden. Risiken aus menschlichem Versagen Prozessfehler durch Fehlbedienung 23,9% Programmier- und Konfigurationsfehler 17,4% Fehlendes Technologieverständnis 13,1% Verweigerung und Workarounds 10,9% Schuldzuweisung 8,7% Gesundheitliche Bedenken 8,7% Arbeitsunfälle 6,5% Kreativer Missbrauch und Manipulation 6,5% Beschädigung durch unsachgemäße Handhabung 4,3% 0% 10% 20% N= 40, Mehrfachnennungen möglich, Antworten kategorisiert | Datenbasis: Interviews 36
RISIKOMANAGEMENT FÜR DIE SMARTE FABRIK Der Mensch selbst trägt Risiken in die smarte Compliance – Anfangs wichtig, zum Ende ver- Fabrik ein. So entsteht eine Vielzahl von Heraus- gessen forderungen wie Bedien-, Programmier- und Kon- Die Experten heben die große Relevanz von Com- figurationsfehlern. Fehlendes Technologiever- pliance-Risiken hervor - insbesondere bei der ständnis und Workarounds gefährden ebenfalls Sammlung, Speicherung und Verarbeitung von Projekterfolge und den operativen Betrieb. Die Daten eigener Mitarbeitenden und von Supply Expertengespräche zeigen, dass mit der Digitali- Chain-Partnern. Sobald die Anfangsphase der sierung einhergehenden Risiken in den Unterneh- Projekte jedoch überwunden ist, steht vor allem men bekannt sind. Kommt es zum konkreten Pro- der operative Betrieb im Fokus. Funktioniert eine jekt, werden diese aber regelmäßig für das eigene Industrie 4.0-Lösung im operativen Betrieb, en- Unternehmen als irrelevant eingestuft. Erst auf den häufig Compliance-Überlegungen. Nachfrage bei den Projektverantwortlichen zeigt sich, dass sich hinter diesem „Bekanntsein“ oft Ohne entsprechendes Know-how enden Lösun- nur wenig konkrete Vorstellungen von Gefahren gen minimalinvasiv, stand-alone und dezentral abseits von plakativem „Hacking“ verbergen. In- Insbesondere in klein- und mittelständischen dustrie 4.0-Projekte werden z.B. oft als klassische Unternehmen scheuen Projektverantwortliche in- IT-Projekte verkannt. Implizite Risiken werden gar tegrative Lösungen. Hier fehlt es häufig an Know- nicht erst gesucht und daher auch nicht aktiv ge- how, um Kosten und Nutzen der häufig subopti- managt. In der Folge werden bestehende Schutz- malen Lösungen einzuschätzen. maßnahmen nicht an neue Prozesse und Techno- Die unbedingte Vermeidung zeitweiser operative logien angepasst. Einschränkungen bei der Inbetriebnahme führen zur Inanspruchnahme „minimalinvasiver“ Stand- Technologien aus dem Endkonsumentenbe- alone-Lösungen. reich mit hoher Anziehungskraft Ohne Anbindung an vorhandene IT-Systeme oder Technologien aus dem Endkonsumentenbereich, M2M-Schnittstellen mit Zugängen über Web-Cli- wie Smartphones, Tablets, Smartwatches usw. ent und Apps werden so Lösungen geschaffen, haben einen hohen Reifegrad, geringe Kosten, deren Risiken spätestens mittelfristig den Nutzen und zahlreiche Substitute am Markt. Gerade in überschatten werden. der Frühphase von Digitalisierungsinitiativen wer- Ebenso versuchen Projektverantwortliche die den diese gerne in Industrielösungen integriert Nutzung von Cloud-Lösungen zu vermeiden. Eine und bspw. zum Datenaustausch an existierende unternehmenseigene und häufig lokale Daten- IT-Systeme angebunden. Mit Verbreitung und Rei- sicherung (mit entsprechendem Sicherheitskon- fegrad von Technologien steigen jedoch auch An- zept) wird typischerweise ohne genauere Analyse zahl und Reifegrad der zugehörigen Bedrohungen bevorzugt, wenngleich Praxiserfahrungen zeigen, – die nun auch technologiegestützte Prozesse un- dass Clouddienste aufgrund standardisierter Si- mittelbar gefährden. cherheitskonzepte On-Premise-Lösungen oftmals überlegen sind. 37 M2M: Machine-to-Machine
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