RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen

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RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
ISSN 0945-0327                                      Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]
Rundbrief Fotografie, Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]

                                                                          RUNDBRIEF
                                                                          FOTOGRAFIE
                                                                           Analoge und digitale Bildmedien
                                                                            in Archiven und Sammlungen
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
INHALT
EDITORIAL                                 BERICHTE

Sonja Feßel                               Kurt Deggeller
2019–2049 ff. (S. 1)                      „Das fotografische Kulturerbe im
                                          digitalen Zeitalter“: Eine internatio-
                                          nale Tagung an der Université de
I N H A LT                                Lausanne, 15./16. November 2018
                                          (S. 52–54)

EIN BILD                                  FORSCHUNG

Franziska Scheuer                         Steffen Siegel
Ein Bild einer Ausstellung: Wols als
                                          Photography Studies an der Folkwang
Fotograf des Pavillon de l’Élégance
                                          Universität der Künste in Essen
1937 (S. 4–7)
                                          (S. 55/56)

MEDIENGESCHICHTE                          LITER AT UR

Bernd Stiegler                            Rezensionen
The Digital Turn Revisited. Oder was
                                          Noch ein Foto-Auge: Die Wieder
wir aus den „Blade Runner“-Filmen
                                          entdeckung des Architekten und
über die Fotografie lernen können
                                          Foitografen Fritz Block
(S. 8–18)
                                          (Rolf Sachsse) (S. 57/58)
Wolfgang Hesse                            Neu eingegangen
Fotografie, Design und Zeichenkunst:      Zeitschriftenauswertung
Rekonstruktion einer Porträtgalerie
gefallener Offiziere des Krieges
1870/71 im Besitz des Stadtmuseums
                                          FORTBILDUNG
Dresden (S, 19–30)

BE S TÄ NDE                               Mitteilungen

Stephan Graf, Birgit Huber,               Ankündigungen
Aila Özvegyi und Nicole Peduzzi           Call for Papers
Das Fotoarchiv der Schweizerischen
Gesellschaft für Volkskunde: Ein Ort      Termine
der Forschung, der Begegnungen und
Affekte (S. 31–40)
                                          IMPRES SUM
AUSSTELLUNGEN

Kathrin Schönegg
100 Jahre Fotografie als abstrakte
Kunst: Zur Retrospektive “Shape of
Light“ in der Tate Modern, London
(S. 41–51)
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                                                        Franziska Scheuer                                                                  gemeinsam mit Max Vibert ausgestaltet, lag an der Seine an        gleich hat die Wols-Forschung schon früh zwischen solchen
                                                                                                                                           einem ‚Nebenschauplatz‘, während sich der deutsche und            Aufnahmen unterschieden, die „für den kommerziellen Ge-
                                                                                                                                           russische Länderpavillon in der Flucht von Eiffelturm und         brauch“ [14] gedacht waren, und jenen vom Aufbau, die auf

                     EIN BILD EINER AUSSTELLUNG                                                                                            Palais de Tokyo in Monumentalarchitektur gegenüberstanden.
                                                                                                                                          Die überlängten, rosafarbenen Gips-Mannequins des franzö-
                                                                                                                                          sischen Bildhauers Robert Couturier, die vor neoklassizisti-
                                                                                                                                                                                                             Wols’ fotokünstlerisches Interesse an den Einzelbestandteilen
                                                                                                                                                                                                             der Ausstellung verweisen und ihn, wie im vorgestellten Bei-
                                                                                                                                                                                                             spiel, zu abstrahierenden Variationen ausgewählter Objekte
                            Wols als Fotograf des Pavillon de l’Élégance 1937                                                             scher Ausstellungskulisse auf terrakottafarbener Erde und          anregten. Folgerichtig ergab sich hieraus, wie Nina Schleif
                                                                                                                                          unter einem blauen Gewölbe manieristisch verrenkt die Ent-         feststellte, „dass die Fotos vom Aufbau in der zeitgenössischen
                                                                                                                                          würfe der wichtigsten französischen Modeschöpferinnen und          Berichterstattung nicht berücksichtigt wurden, vermutlich
                                                                                                                                          Designer präsentierten, erregten dennoch einige Aufmerk-           hat Wols sie nicht einmal angeboten.“ [15]
                                                                                                                                          samkeit. Die Ausstellungsgestalter hatten die klassische Form          Eine zeitliche Zäsur zwischen den in der Aufbauphase,
                                                                                                                                          der Waren­präsentation aufgebrochen [6]. Dem Kunstkritiker         in der der Künstler eigenen Prämissen der Motivwahl und
                                                                                                                                          ­Laszlo Glozer ist es zu verdanken, die Pressestimmen ge-          Komposition folgte, entstandenen Aufnahmen und jenen re-
                                                                                                                                          bündelt zu haben, die von einer herrschaftlichen Bühne mit         präsentativen Fotografien der fertigen Präsentation, die er
                                                                                                                                          Grotte­narchitektur sprachen, auf der die Puppen Versteiner-
                                                                                                                                          ten gleich wandelten [7].
                                                                                                                                               Wols’ eingangs beschriebene Aufnahme, die während der
                                                                                                                                           Aufbauphase entstand, ist von einer Ausstellungsfotografie,              „Seine Schwester Elfriede
                                                                                                                                          die das Raumerlebnis einzufangen versuchte, weit entfernt.
                                                                                                                                          Offensichtlich fasziniert von den „grobschlächtigen Manne-
                                                                                                                                                                                                               ­Schulze-Battmann griff nach den
                                                                                                                                          quins“ [8], behandelt er deren ‚corps morcelés‘ nicht als not-          ersten posthumen Ausstellun-
                                                                                                                                          wendige Requisiten der Schau, sondern betrachtet sie sepa-
                                                                                                                                          riert als ganz eigenständige „Dinge“ [9]. Mit seiner drastischen        gen […] in die nachträgliche
                                                                                                                                          Hell-Dunkel-Gestaltung, die auf den Abzügen in stark kont-         ­Abzugspolitik […] ein und forderte
                                                                                                                                          rastierende Graustufen resultiert, erzielt er Formenspiele,
                                                                                                                                          deren gewächsartige Anmutung sich erst beim Vordringen                  den Abzug der Negative […]
                                                                                                                                          des Blicks in die Bildtiefe klärt. Auch der kontrastarmen, pu-      ­jeweils vom vollständigen Negativ
                                                                                                                                          derfarbenen Gestaltung des Pavillon-Interieurs erteilt er so
                                                                                                                                          eine Absage und negiert einmal mehr den Auftrag der foto-                und ohne Retuschen […].“
                                                                                                                                          grafischen Dokumentation der Ausstellung. Das Mittelformat
                                                                                                                                          schließlich drängt die überlängten Gliedmaßen ins Quadrat;
           Abb. 1 – Wols: Pavillon de l’Élégance während des Aufbaus, 1937, Reproduktion von 1978 nach einem                              sie scheinen sich in gespenstischem Eigenleben nach einer          zum Verkauf anbot, ist allerdings nur bedingt nachvollzieh-
           modernen Abzug, Silbergelatinepapier, 17,7 x 23,6 cm (Blattmaß) (Inv.-Nr. D 1982-100 © Kupferstich-                            unsichtbaren Decke zu strecken. Wols liefert hier nicht ein        bar. Es lässt sich nicht mehr exakt rekonstruieren, wann
           Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Herbert Boswank).                                                          Bild einer Ausstellung, sondern ein Bild, in dem er sich der       Wols den offiziellen Auftrag als Fotograf des Pavillons er-
                                                                                                                                          Ausstellung bedient, um fotokünstlerische Mittel zu erproben       hielt. Dass er sich in der Vorbereitungsphase bereits frei
                                                                                                                                          und seine eigenen Interpretationen des Präsentierten vorzu-        darin bewegen durfte, setzt den Auftrag fast schon voraus und
                                                                                                                                          stellen.                                                           lässt seine Bildschöpfungen von dieser Etappe umso radikaler
Die Dinge der Ausstellung                                              lässt. Der Hintergrund, der in seiner Helligkeit im Vergleich                                                                         erscheinen. Die glatte zeitliche Scheidung verdeckt aber vor
                                                                       zum Mittelgrund etwas zurückgenommen ist, erstreckt sich           Die Frage des Formats                                              allem die Betrachtung eines zentralen kompositorischen De-
Der Abzug zeigt eine Schwarz-Weiß-Aufnahme im Mittel-                  als homogene Fläche hinter den aufragenden Gliedmaßen bis                                                                             tails des überlieferten Bildkonvoluts zum Pavillon: die Frage
format samt der inneren Begrenzung des Negativrandes [1].              zum oberen Bildrand.                                               Bezüglich Wols’ Aufnahmepraxis sowie über die Negative und         des Aufnahmeformats.
Sie lässt sich in drei in die Bildtiefe gestaffelte Zonen eintei-          Die Aufnahme gehört zu einem Konvolut von Fotografien,         Abzüge, die vom Pavillon de l’Élégance entstanden sind, ist             Für den Pavillon de l’Élégance finden sich über die ge­
len. Aus einer schwarzen Fläche, die fast das gesamte untere           die Wols (eig. Alfred Wolfgang Otto Schulze, 1913–1951) im         wenig bekannt. Belegt ist indes, dass er am Ein- und Ausgang       samte Verlaufsdauer von Wols’ fotografischer Tätigkeit an
Bilddrittel einnimmt, ragen im Vordergrund in der rechten             ­Auftrag des Mode-Ausschusses der Exposition internationale         der Ausstellung einen Stand unterhielt, an dem Silbergela-         dem Projekt sowohl Hoch- beziehungsweise Querformate als
Bildhälfte schattenrissartige, organisch-verästelte Formen über        des arts et des techniques dans la vie moderne 1937 in Paris vom   tineabzüge im Postkartenformat – gestempelt mit dem erst           auch Mittelformate [16]. Die genauen Kameratypen, Film-
zwei Drittel der Bildhöhe auf. Auch die rechte obere Bildecke         Pavillon de l’Élégance aufnahm [2]. Für Wols, der sich mit          seit Kurzem verwendeten Künstlernamen „Wols“ – verkauft            oder Plattenmaße lassen sich nur schwer rekonstruieren. Sei-
wird durch eine schwarze Fläche angeschnitten. Im Mittel-              Gelegen­heitsarbeiten als Porträt- und Werbefotograf durch-        wurden [10]. Aus Briefen zum Fotoauftrag für den Pavillon          ne Schwester Elfriede Schulze-Battmann griff nach den ers-
grund gewinnen die rätselhaften Gebilde durch den von oben             schlug [3], war dies ein später nie mehr erreichter „Riesen-       gehen zwei repräsentative Abzugsmaße von Vintageprints             ten posthumen Ausstellungen zum fotografischen Werk ab
links einfallenden Lichtschein an Helligkeit und zugleich              job“ [4]. Er fotografierte sowohl den Aufbau als auch die Schau    von 24 x 30 cm beziehungsweise 70 x 55 cm hervor, allerdings       den 1960er Jahren jedoch in die nachträgliche Abzugspolitik
an Tiefe. Es handelt sich um Unterarme samt Händen, die                selbst. Dabei sollen mehrere Tausend Negative entstanden           ohne Motivangaben [11]. Als von Wols verwendetes Nega-             ihrer Schwägerin und Erbin Gréty Wols ein und forderte den
senkrecht aus einem Untergrund aus Stroh ragen und deren               sein; bekannt als Vintageprints und moderne Abzüge sind            tivmaterial nennt die jüngste Forschung sowohl Kleinbild­          Abzug der Negative, die den Krieg überdauert hatten, jeweils
gespreizte Finger sich nach oben recken. Am linken unteren            heute etwa 200 Motive [5].                                          negative als auch solche mit den Abmessungen 6 x 6 cm [12]         vom vollständigen Negativ und ohne Retuschen; diese Mo-
Bildrand wird man einer Verbretterung gewahr, die zusam-                   Der Mode-Pavillon der Weltausstellung, von Émile Aill-         – ein Mittelformat, wie es die hier vorgestellte Reproduk-         dern Prints wurden, wie im vorgestellten Beispiel, teilweise
men mit dem Stroh gesehen an eine Transportkiste denken                aud und Étienne Kohlmann entworfen und im Innenraum                tion von 1978 nach einem früheren Abzug zeigt [13]. Zu-            und vermutlich zu Dokumentationszwecken nochmals repro-

4       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                  Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]   5
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
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                                                             Bernd Stiegler                                                                    in denen die Fotografie eine nicht unerhebliche Rolle spielt:     für ferne Planeten wie den Mars produziert werden. Von
                                                                                                                                               Ridley Scotts Blade Runner von 1982 und die Fortsetzung           dort entkommt ein Raumschiff mit sechs Replikanten, deren
                                                                                                                                               Blade Runner 2049 von 2017, bei der Denis Villeneuve Regie        Lebenszeit qua Programm auf vier Jahre begrenzt ist und die

                         THE DIGITAL TURN REVISITED                                                                                            führte und Ridley Scott als Produzent firmierte. Die zeitliche
                                                                                                                                               Differenz zwischen der Handlung im ersten Teil und jener des
                                                                                                                                               Sequels entspricht grosso modo jener der Veröffentlichung
                                                                                                                                                                                                                 sich auf die Erde absetzen, um gegen diese Begrenzung zu
                                                                                                                                                                                                                 rebellieren und ihre Aufhebung zu erwirken. Auf der Erde
                                                                                                                                                                                                                 werden sogenannte Blade Runner eingesetzt, um solche
      Oder was wir aus den „Blade Runner“-Filmen über die Fotografie lernen können                                                             und legt daher nahe, dass wir, wenn wir denn einen Film als       Replikanten, die Menschen täuschend ähnlich sehen, mithil-
                                                                                                                                               Gegenwartsdiagnostik begreifen, die vorgenommenen Analy-          fe eines besonderen Tests, bei dem ihre Augenreaktionen bei
                                                                                                                                               sen auch auf die unterschiedlichen historischen Situationen       der Beantwortung bestimmter Fragen gemessen werden, zu
                                                                                                                                               beziehen können.                                                  detektieren und diese dann, so der Euphemismus, „in den
                                                                                                                                                   Das ist durchaus erläuterungsbedürftig, da der erste Blade    Ruhestand zu versetzen“. Der Film schildert die Jagd des Bla-
                                                                                                                                               Runner-Film, anders als es den Anschein hat, komplett ana-        de Runners Deckard auf die entkommenen Replikanten, die
                                                                                                                                               log gedreht wurde, und auch die digitale Fotografie noch in       schließlich nur dadurch erfolgreich ist, dass Roy, der Anfüh-
                                                                                                                                               ihren Kinderschuhen steckte. Ein erster digitaler Kameratyp       rer der Gruppe, sein Ende kommen sieht und bevor er stirbt,
                                                                                                                                               stammt bekanntlich aus den 1970er Jahren, auf dessen Prin-        Deckard auf das Dach eines Hochhauses zurückzieht, von
                                                                                                                                               zipien dann die Mavica, eine Magnetic Video Camera, von           dem er in die Tiefe zu stürzen drohte. Diese vermeintlich
                                                                                                                                               Sony zurückgriff, die 1981 vorgestellt wurde. Auf dem Markt       menschliche Geste des Mitleids ist nur das Ende einer Bewe-
                                                                                                                                               setzten sich hingegen digitale Kameramodelle erst Ende der        gung des Films, die Replikanten immer menschlicher und
                                                                                                                                               1980er Jahre allmählich durch und die erste Photoshop-Soft-       die Menschen immer technokratisch-zweckrational kalku-
                                                                                                                                               ware kam 1990 in den Handel, um dann aber fast im Jahres­         lierender und grausamer werden lässt. Es geht, mit anderen
                                                                                                                                               takt durch aktualisierte, erweiterte und verbesserte Versionen    Worten, um die Unterscheidung von Natur und Technik, des
                                                                                                                                               ersetzt zu werden. Wir haben es also, wenn wir den ersten         Menschlichen und des künstlich konstruierten Humanoi-
                                                                                                                                               Blade Runner-Film betrachten, mit dem Bereich des kulturell       den. Parallel zur Verfolgungsgeschichte entwickelt sich da-
                                                                    Abbildungen 1–5 – Filmstills aus Ridley Scott (Regie):                     Imaginären zu tun, der aber durchaus von heuristischem            bei eine ‚Lovestory‘ zwischen Deckard und Rachael, der As-
                                                                    Blade Runner, USA/Hongkong, 1982, 117 Minuten.                             Interesse ist, da er die Umbruchsituation, die als solche im      sistentin des Besitzers der Tyrell Corporation, der die
                                                                                                                                               Film wie auch von den medientheoretischen Diskursen der           Replikanten erschaffen hat. Er hatte Deckard aufgefordert,
                                                                                                                                               Zeit konstatiert wird, mitsamt ihren befürchteten, erhofften      auch an ihr den Test durchzuführen, um ihn auf die – am
    Im Zuge der aufgeregten medientheoretischen Debatten                     The Digital Turn Revisited: Or What We Can Learn                  oder erwarteten Implikationen ausbuchstabiert. Wir sehen,         Ende erfolgreich bestandene – Probe zu stellen, da es sich bei
    der 1980er Jahre, die heute zweifellos historisch geworden               About Photography from the “Blade Runner” Films                   wie man sich im Jahre 1982 die Zukunft der Fotografie – und       ihr um das am weitesten fortgeschrittene Modell der Repli-
    sind, wurde ein baldiges Ende des fotografischen Zeitalters              As part of the heated debate on media theory in the 1980s         nicht nur dieser – vorstellte. Dass es Ridley Scott um diese      kanten handelte. Als Rachael das Gebäude der Firma ver-
    prognostiziert. Es ist, wie wir heute wissen, anders gekom-              that has doubtless since become history, it was predicted         zu tun war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die der Foto-    lässt, wird Deckard aufgefordert, auch sie zu töten, was er
    men. Dennoch ist die damalige theoretische Nervosität                    that the photographic age was about to end. As we now            grafie gewidmeten Sequenzen in der literarischen Vorlage von       nicht tut – im Gegenteil: Am Ende des Films flieht er mit ihr
    nach wie vor bemerkenswert. Anhand der beiden „Blade                     know, things turned out differently. Yet despite this, the       ­Philip K. Dicks Roman Träumen Androiden von elektrischen          aus seiner Wohnung. Offen bleibt, was mit ihnen geschieht
    Runner“-­Filme wird der Blick zurückgerichtet, um die                    considerable nervousness with relation to media theory            Schafen (1968) keine Entsprechung haben.                          und auch die Frage, ob nicht auch Deckard seinerseits ein
    Unruhe, die diese Debatten auszeichnet, besser verstehen                 that prevailed then still persists today. Here, the two “Blade                                                                      Replikant ist.
    und einordnen zu können. In einem zweiten Schritt werden                 Runner” films are used as aids to look back at that time, to     1. Im Reich der Simulation: „Blade Runner“ (1982)                       Was hat nun das alles mit Fotografie zu tun? Es gibt im
    dann die aktuellen Entwicklungen in der Gegenwart kur-                   better understand the trepidation so characteristic of these                                                                        Film zwei Szenen, bei denen die Fotografie eine zentrale
    sorisch betrachtet, um mit der größeren Gelassenheit des                 debates and to place it in context. Subsequently, contem-        Zu Beginn eine kurze Zusammenfassung der Handlung, die             Rolle spielt. Beide scheinen auf den ersten Blick kontradikto-
    zeitlichen Abstands einige wenige wichtige Tendenzen zu                  porary developments are given a cursory examination and,         dahingehend etwas kompliziert ist, weil der Film Blade Run-        risch zu sein, da die eine auf Simulation und Konstruktion,
    benennen.                                                                with the greater detachment that comes from passing time,        ner auf Ambivalenzen setzt und aus diesen sein kulturanaly-        die andere aber auf Zeugenschaft und Evidenz setzt. Bei der
                                                                             a few key trends are defined.                                    tisches Potenzial zieht. Noch dazu existieren mehrere Versio-      ersten sucht Rachael den Replikantenjäger Deckard in dessen
                                                                                                                                              nen, die sich zum Teil erheblich unterscheiden [2]. Wie dem        Wohnung auf, um ihn davon zu überzeugen, dass sie keine
                                                                                                                                              auch sei: Wir befinden uns im Los Angeles im November des          Replikantin ist. Ihr Beweis ist eine Fotografie, die sie als Kind
Die Geschichte der Fotografie hat viele Evolutionen und Re-               Deutungsperspektive, eine neue Ära des Fotografischen im            Jahres 2019, dessen düstere Atmosphäre mit gigantischen            mit ihrer Mutter zeigt. Die Replikantin Rachael ist gerade des-
volutionen zu verzeichnen. Eine jede brachte neue Anwen-                  Sinne einer „Fotografie nach der Fotografie“ oder aber das          Leuchtreklamen, Dauerregen und überfüllten Straßen die             halb überzeugt, ein Mensch zu sein, weil sie nicht nur über
dungsfelder hervor, verschob und erweiterte das Feld des                  „Ende des fotografischen Zeitalters“ einläutete [1]. Dieses gin-    Bildsprache regiert. Ridley Scott, der damit die Tradition des     ein umfangreiches Setting von (implantierten) Erinnerungen,
Fotografischen. Zu nennen sind unter anderem der Wandel                   ge, so wiederum andere kulturdiagnostische Stimmen, mit             Film Noir aufgriff, prägte zugleich einen neuen Typ der visu-      sondern sogar über fotografische Kinderbilder verfügt, die sie
von der Daguerreotypie als Unikat zum reproduzierbaren Pa-                dem Ende des Gutenbergzeitalters oder der Gutenberggalaxis          ellen Gestaltung, der über lange Zeit die Ästhetik der Science-­   zusammen mit ihrer Mutter zeigen. Beide kann sie zudem
pierbild, der Übergang von der schwarz-weißen zur farbigen                einher. Wir haben es mit dem seinerzeit erhobenen apokalyp-         Fiction-Filme bestimmen sollte. Evoziert wird dabei eine           miteinander verknüpfen. Die inneren mentalen Erinnerungs-
Fotografie, aber auch die kürzeren Verschlusszeiten, die neue             tischen Ton der Medientheorie zu tun, der über ein Jahrzehnt        postapokalyptische Situation der Erde, deren natürliche Res-       bilder korrespondieren mit den äußeren Anschauungsbildern
Bereiche des Sichtbaren eröffneten, oder Techniken wie die                hinweg recht aufgeregt die Debatten prägte. Ein Umweg ge-           sourcen allmählich verbraucht sind. Tiere und Nahrung wer-         in Gestalt der Fotografien. Die Fotografie scheint offenkun-
Röntgen- oder die Infrarotfotografie. Keine dieser Verände-               stattet es, die eigentümlichen Neubesetzungen und Verschie-         den künstlich hergestellt wie auch humanoide Replikanten,          dig – zusammen mit den Erinnerungen – Beleg dafür zu sein,
rungen stellte jedoch die Fotografie als Medium infrage, wie              bungen des fotografischen Feldes mitsamt ihren weitreichen-         die von der mächtigen Tyrell Corporation als Arbeits­sklaven       dass sie keine Replikantin sein ‚kann‘ zumal die Fotografie of-
es dann bei der digitalen Fotografie der Fall war, die, je nach           den Fragen in anderer Weise zu perspektivieren – zwei Filme,

8         Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                    Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]    9
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
M e d i e ng e sch i ch t e                                                                                                                                                                                                                   M e d i e ng e sch i ch t e

lungen, sondern Transformationen, Medien des Übergangs.                 [6]   Ebd., S. 18.                                                                                                        Wolfgang Hesse
Selbst wenn ihnen – und das in eigentümlich privilegierter
                                                                        [7]   Ebd.
Weise – zugeschrieben wird, im Herzen der ‚Suche nach et-
was Echtem‘ zu stehen, so ist das vor allem Effekt einer eigen-
tümlichen kulturellen, individuellen wie gesellschaftlichen
Praxis, die fortwährend zwischen Stabilisierung und Ver-
                                                                        [8]   Diese Annahme teilt er mit Jean Baudrillard. Vgl. etwa
                                                                              seinen Aufsatz „Videowelt und fraktales Subjekt“, in:
                                                                              Jean Baudrillard , Hannes Böhringer, Vilém Flusser, Friedrich
                                                                                                                                                FOTOGRAFIE, DESIGN UND ZEICHENKUNST
sicherung einerseits und Destabilisierung und Verunsiche-                     Kittler, Heinz von Foerster und Peter Weibel: Philosophien          Rekonstruktion einer Porträtgalerie gefallener Offiziere des Krieges 1870/71
rung andererseits oszilliert. Und vielleicht ist das der Effekt
                                                                              der neuen Technologie, hrsg. v. Ars Electronica, Berlin: Merve                        im Besitz des Stadtmuseums Dresden
                                                                              1989, S. 113–131,
des digital turn: Bilder hervorgebracht zu haben, die in vieler               bes. S. 122–125.
Hinsicht selbstbestimmend sind. Fotografien sind – und auch
das ist eine Lehre der Blade Runner-Filme – Reflexionsmedien,           [9]   So der Untertitel („Fotokritik am Ende des fotografischen
bei denen es nicht mehr und nicht weniger um unsere Exis-                     Zeitalters“) der beiden von Herta Wolf zur Theorie der Foto-
                                                                              grafie herausgegebenen Bände Paradigma Fotografie
tenz geht. Sie stellen unser Selbstverhältnis und das zu un-
                                                                              (siehe Anm. 1) und Diskurse der Fotografie (Frankfurt am
serer Wirklichkeit aus – und diese sind durch und durch his-                  Main: Suhrkamp 2003).
torisch, auf die jeweilige Gegenwart bezogen und haben die
Unterscheidung zwischen analog und digital ebenso hinter                [10] William J. Mitchell: The Reconfigured Eye. Visual Truth in the
sich gelassen wie zwischen Natur und Kultur oder Menschen                    Post-photographic Era, Cambdridge, Mass.: MIT Press 1998
                                                                             (1992), S. 225.
und Dingen. Wir stehen nicht am Ende oder sogar jenseits des
Endes des fotografischen Zeitalters, sondern vielmehr am An-            [11] Peter Lunenfeld: „Digitale Fotografie. Das dubitative Bild“,
fang eines Verständnisses der Fotografie, das diese und mit ihr              in: Wolf 2002 (wie Anm. 1), S. 158–177.
die Wirklichkeit als einen Raum der Transformation begreift.
                                                                        [12] Mitchell 1998 (wie Anm. 10), S. 99; zit. nach: Winfried Ger-
                                                                             ling, Susanne Holschbach und Petra Löffler: Bilder verteilen.                                                                                                        Abb. 1 – Kassette zum
Anmerkungen                                                                  Fotografische Praktiken in der digitalen Kultur, Bielefeld:                                                                                                          Album der im Kriege von
                                                                             transcript 2018, S. 12.                                                                                                                                              1870 und 1871 gefallenen
      Der vorliegende Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, der                                                                                                                                                                                  Offiziere des XII. (Koenigl.
      im September 2018 im Rahmen des Spectrum-Weekends                 [13] Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der                                                                                                             Saechs.) Armee-­Corps,
      Data & Matter in Soglio (Bergell) gehalten wurde. Siehe dazu           ­äußeren Wirklichkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1964.                                                                                                             Dresden: Ernst Arnold 1871,
      die Webseite von Spectrum – Photography in Switzerland,                                                                                                                                                                                     ­große Ausführung, Holz,
      .                         [14] Roland Barthes: „Die Photographie als Botschaft“, in:                                                                                                                 ­Leder, ­Papier, Metall, 43 x
                                                                             Peter Geimer und Bernd Stiegler (Hg.): Auge in Auge. Kleine                                                                                                           35 x 8,5 cm (SLUB Dresden,
[1]   Vgl. Hubertus von Amelunxen, Stefan Iglhaut und Florian                Schriften zur Photographie, Berlin: Suhrkamp 2015, S. 77–                                                                                                             Hist.Sax.M.59.w,misc.1;
      ­Rötzer (Hg.): Fotografie nach der Fotografie, Dresden: Verlag         92, S. 81.                                                                                                                                                            Foto: André Rous).
       der Kunst 1995, und Herta Wolf (Hg.): Paradigma Fotografie.
       Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Frankfurt      [15] Im Film spielt ansonsten Vladimir Nabokovs Roman
       am Main: Suhrkamp 2002.                                               Pale Fire (1962) eine entscheidende Rolle. Er wird nicht
                                                                             nur gelesen, sondern Textbestandteile dienen zur Über­
[2]   Vgl. dazu die „Ultimate Edition“, die 2007 mit 5 DVDs erschie-         prüfung der sogenannten Basiswerte der Replikanten.               Zur Porträtfotografiesammlung des Stadtmuseums Dres-           Photography, Design and the Art of ­Drawing:
      nen ist und alle Fassungen dokumentiert. Informationen
                                                                                                                                               den gehört eine große Gruppe gleichartiger Bildnisse von       ­Reconstruction of a Portrait Gallery of Officers
      ­finden sich auch im beiliegenden Booklet. Vgl. auch die          [16] Diese Beobachtung verdanke ich Maurice Batras, dem ich
       ­Rezension https://www.dvd-forum.at/review/3303-dvd-                                                                                    Soldaten. Die Tafeln mit 45 montierten Fotografien sind        Fallen in the War of 1870/71, Property of Stadt­
                                                                             für seine Kommentare herzlich danke.
        blade-runner-5-disc-ultimate-collector-s-edition (zuletzt                                                                              Fragmente des „Albums der im Kriege von 1870 und 1871          museum Dresden
        ­eingesehen am 09.02.2019).                                     [17] Gerling, Holschbach und Löffler 2018 (wie Anm. 12), S. 79.        gefallenen Offiziere des XII. (Koenigl. Sächs.) Armee-         The portrait photography collection of Stadtmuseum
                                                                                                                                               Corps“ aus dem Verlag der Kunsthandlung Ernst Arnold in        ­Dresden includes a large body of similar images of soldiers.
[3]   Vgl. etwa den frühen Text zur Erfindung der Daguerreotypie,
                                                                        Autor                                                                  Dresden. Die erste Teillieferung des Werks erschien noch        The plates with 45 mounted photographs are fragments
      „Der Daguerrotyp“, in: Kunstblatt (Beilage zum Morgenblatt
      für gebildete Stände), No. 77 (24.9.1839), S. 305–308, hier                                                                              während der Kampfhandlungen, abgeschlossen war es im            of the “Album of the officers of the XII (Royal Saxon) Army
      S. 306.                                                                 Prof. Dr. Bernd Stiegler, Professor für Neuere Deutsche          Juli 1871. Bei den Porträts handelt es sich um Medien-          Corps fallen in the War of 1870 and 1871” published by
                                                                              Literatur mit Schwerpunkt Literatur des 20. Jahrhun-             hybride, die in einem aufwendigen Prozess fotografischer        Kunst­handlung Ernst Arnold in Dresden. The first deliv­
[4]   Vgl. hierzu Walter Benjamin: „Kleine Geschichte der Photo­              derts im medialen Kontext, Universität Konstanz,                 Reproduktion und zeichnerischer Überarbeitung entstan-          ery happened while fighting was still in progress; it was
      graphie [1931]“, in: ders.: Medienäthetische Schriften, mit             Fachbereich Literaturwissenschaft, Fach D 156,
                                                                                                                                               den sind. Die so gestalteten Bilder zeigen die Toten als        completed in July 1871. The portraits are media hybrids
      einem Nachwort von Detlev Schöttker, Frankfurt am Main:                 78457 Konstanz, Germany, Tel. +49-7531-882445,
      Suhrkamp 2002, S. 300–324.                                              bernd.stiegler@uni-konstanz.de                                   Lebende und gleichen zudem in der Memoria die Rangun-           produced in a complex process that involved them being
                                                                                                                                               terschiede aus. Die opulente Ausstattung mit gedruckten         ­reworked. The resulting images present the deceased as
[5]   Vilém Flusser: Für eine Philosophie der Fotografie, ­Göttingen:                                                                          Untersatzkartons, einer Titelallegorie und einer gestalteten     ­living persons, whose different ranks are erased in this
      European Photography 1983, S. 19. Vgl. auch S. 73f.                                                                                      Kassette macht das Album zu einem der frühen Denkmäler            ­commemoration. The opulent presentation with printed
                                                                                                                                               des Deutsch-Französischen Krieges und damit der Grün-              ­underlay cardboard, a cover allegory and a designed slip-
                                                                                                                                               dung des Deutschen Kaiserreichs.                                    case make the album one of the early memorials of the
                                                                                                                                                                                                                   Franco-­Prussian war and as such of the founding of the
                                                                                                                                                                                                                   German Empire.

18       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                               Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]       19
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
M e d i e ng e sch i ch t e                                                                                                                                                                                                                          M e d i e ng e sch i ch t e

                                                                       Abb. 4 – Verzeichniss der im deutsch-­
                                                                       französischen Kriege von 1870 und
                                                                       1871 bis zum Präliminar-Friedens-
                                                                       schlusse g­ efallenen und verstorbenen
                                                                       Offiziere und Mannschaften des
                                                                       XII. (Koeniglich Sächsischen) Armee-­
                                                                       Corps., bearbeitet von C. Jul. Jüchtzer,
                                                                       Secretair im Statistischen Bureau des
                                                                       K. Ministeriums des Innern, Dresden:
                                                                       Ernst Arnold 1871, 1. Seite (SLUB
                                                                       ­Dresden, Hist.Sax.M.59.w, misc.2;
                                                                       Foto: André Rous).

te „das rühmlich bekannte Atelier von F. und O. Brockmann’s        Individuen vor; zugleich generieren der gleichförmige Duk-
Nachfolger“ [13] mittels Nasskollodiumnegativen Reproduk-          tus wie die Reihung der Porträts ein homogenes Gesamtbild
tionen in einem schichtlosen Positivprozess, vermutlich als        des Offizierskorps „ohne Unterschied des Ranges“ [14], dessen
Salzpapierabzüge. Diese Zwischenoriginale wurden von ver-          Hierarchie sich einzig aus den Beschriftungen der Bildnisse
sierten Retuscheuren bearbeitet. Die sichtbaren Spuren ihrer       ersehen lässt. Dass diese fotografisch vervielfältigt sind, wird
Eingriffe reichen von der Angleichung der Bildausschnitte          die Käufer nicht irritiert haben – derart illustrierte Bücher
und den ähnlichen Vignettierungen über die großzügige Kor-         waren ihnen seit den 1850er Jahren vertraut [15].
rektur von Frisuren und Gesichtern oder womöglich hinzuge-
fügte Orden und Schulterstücke bis hin zu etlichen Bildern,        Verewigung
die so anmuten, als habe man hier einen Kopf auf eine Uni-
form montiert oder es sei gar eine freie Zeichnung entstan-        Im Gegensatz zur formprägenden Tätigkeit der seriell und an-
den (Abb. 5–7). Ob dies auch für einen Teil der Uniformjacken      onym arbeitenden Retuscheure steht hinter dem Frontispiz
gilt, lässt sich nicht entscheiden, doch legt die Durchsicht der   des Albums ein unikales Kunstwerk des erfolgreichen und
Tafeln diesen Verdacht nahe. Es war ein Medienhybrid ent-          1864 zum Ehrenmitglied der Dresdner Kunstakademie er-
standen. Entsprechend fotografierte der Fachbetrieb die so         nannten Malers Theodor Grosse (1829–1891). Das „trefflich
gewonnenen Porträts dann in unterschiedlichen Negativfor-          ausgeführte Blatt“ nach seiner Sepiazeichnung lag, ebenfalls
maten ab, stellte hiervon die Abzüge in den Maßen und Aufla-       von F. und O. Brockmann’s Nachfolger „photographisch re-
gen für das große wie das kleine Album und die Sonderanfer-        produciert und vervielfältigt“, Mitte März 1871 und damit
tigungen her und montierte sie vermutlich auch.                    bald nach dem Präliminarfrieden vom 26. Februar vor [16].
     Just in diesem vereinheitlichenden Überarbeitungspro-         Vier Monate später dann war das Original, werbewirksam
zess besteht – abgesehen vom vielfältigen Zusatzangebot und        zeitgleich mit der Komplettierung des Albums und pünktlich
dem schieren Umfang des Albums – der entscheidende Un-             kurz vor dem Jahrestag des Kriegsbeginns, in der Akademi-
terschied zu thematisch verwandten Memorabilien. Denn mit          schen Kunst-Ausstellung (1. Juli bis 30. September) zu sehen       Abb. 5 – Porträt „Friedr. Adolf Bekenn. Premier-Lieutenant und Adjutant
ihm schlossen die Herausgeber gezielt an eine andere Konven-       – ebenso wie die „78 [sic!] Bildnisse aus dem Album der im         der 3. Infanterie-Brigade No. 47. Verwundet: St. Privat, 18. August –
                                                                                                                                      † Roncourt, 21. August 1870“, Albuminpapier auf bedrucktem Untersatz­
tion adliger wie bürgerlicher Gruppenporträts an. Entstanden       deutsch-französischen Kriege von 1870/71 gefallenen Offizie-
                                                                                                                                      karton, Karton: 32,0 x 23,7 cm, Bildmaß: 20,5 x 16,7 cm, Tafel aus: Album der
ist ein großformatiges Galeriewerk in der Tradition gestoche-      re des XII. (Königl. Sächs.) Armeecorps.“ [17]                     im Kriege von 1870 und 1871 gefallenen Offiziere des XII. (Koenigl. Saechs.)
ner oder lithografierter Alben bedeutender Persönlichkeiten,           Zwar konnte die Jahresausstellung mit Arbeiten von Leh-        Armee-Corps, 1871, große Ausführung, b­ eschnitten auf Museumsformat
das zwei Perspektiven zusammenfasst: Es stellt nahsichtig          rern und Schülern der Akademie sowie auswärtigen Künstle-          (Stadtmuseum Dresden, Porträt­sammlung, Tafel 111).

22      Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]   23
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
M e d i e ng e sch i ch t e                                                                                                                                                                                                                                           B Ee Ss Tt Ään
                                                                                                                                                                                                                                                                                   N DE
                                                                                                                                                                                                                                                                                     de

[34] 	Monogrammist C. 1873 (wie Anm. 31), Sp. 701; vgl. zur            [37 	Aus der Festansprache von Hofrat Karl Gustav Ackermann                                Stephan Graf, Birgit Huber, Aila Özvegyi und Nicole Peduzzi
       Kunstreproduktion in Dresden Agnes Matthias: „Sammlungs-               zur Rückkehr der Truppen, in: Constitutionelle Zeitung,
       geschichte – Mediengeschichte. Fotografie am Dresdner                  13. Juli 1871, nach: Siegfried Weichlein: Nation und Region.
       Kupferstich-Kabinett“, in: dies. (Hg.): KunstFotografie. Kata-         Integrationsprozesse im Bismarckreich, Reihe: Beiträge
       log der Fotografien von 1839 bis 1945 aus der Sammlung
       des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, Berlin: Deutscher
                                                                              zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen
                                                                              Parteien, Bd. 137, Düsseldorf: Droste 2004, S. 344/345,         DAS FOTOARCHIV DER SCHWEIZERISCHEN
       Kunstverlag 2011, S. 16–31, hier S. 16–19; Kordelia Knoll:
       „ ‚26 Jahre lang, in stets zeitgemäßer Vollendung‘. Hermann
       Krones Dokumentation der Skulpturensammlung“, in:
                                                                              hier S. 345.

                                                                        [38] 	Fontane 1873 (wie Anm. 24), S. 340.
                                                                                                                                                 GESELLSCHAFT FÜR VOLKSKUNDE
       ­Wolfgang Hesse und Timm Starl (Hg.): Photographie und                                                                                                      Ein Ort der Forschung, der Begegnungen und Affekte
        ­Apparatur. Der Photopionier Hermann Krone. Bildkultur und      [39] 	Vgl. zur Geschichte der Sammlung und zum Entstehungs-
         Phototechnik im 19. Jahrhundert, Marburg: Jonas 1998,                 zusammenhang dieses Beitrags Wolfgang Hesse: „Fotogra-
         S. 267–278.                                                           fien ohne Licht. Anmerkungen zu Platinselbstdrucken in der
                                                                               Porträtfotografiesammlung des Stadtmuseums Dresden“, in:
[35] 	Vgl. Ruth Negendanck: Die Galerie Ernst Arnold (1893–                   Rundbrief Fotografie, Vol. 25 (2018), No. 3, S. 8–18; Ders.
       1951). Kunsthandel und Zeitgeschichte, Weimar: VDG 1998                 und Holger Starke (Hg.): Die im Licht steh’n. Fotografische
       (1997), S. 65–69 mit Erwähnung des Offiziersalbums in                   Porträts Dresdner Bürger des 19. Jahrhunderts, Kromsdorf:
       Anm. 183.                                                               ­Jonas 2019, passim.

[36] 	Monogrammist C. 1873 (wie Anm. 31), Sp. 702.                     Autor

                                                                              Wolfgang Hesse, Seydlitzstr. 12, 23564 Lübeck,
                                                                              Germany, hesserundbrief@gmx.de

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                                          Werte bewahren                                                                                                    Abb. 1 – Hans K­ aeser: Herunter­schlagen der Früchte (Kasta­nien) in den alpinen Talschaften,
                                                                                                                                                            ca. 1930–1941, Silbergelatine­abzug auf Baryt­papier, 12 x 17 cm, Trägerkarton 25 x 32 cm
                                                                                                                                                            (Inv.-Nr. SGV_04P_02313). Alle Abbildungen: © Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde.

                                                                                                                                             1896 gegründet, begann die Schweizerische Gesellschaft                 The Photo Archive of the Swiss Society for Folk­
                                                                                                                                             für Volkskunde (SGV) ab den 1930er Jahren Fotografien                  lore Studies: A Place for Research, Encounters
                                                                                                                                             zu sammeln und sie als Forschungsquellen zu betrachten.                and ­Affect
     Q-Lab                                                                                                                                   In diesem Beitrag werden acht der dreißig SGV-Fotosamm-                Founded in 1896, from the 1930s onwards the Swiss Society
                                                                                                                                             lungen präsentiert, wobei auf ihre jeweils heterogenen                 for Folklore (Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,
     Die Zukunft der Vergangenheit
                                                                                                                                             Entstehungskontexte eingegangen wird. Die zwischen                     SGV) began collecting photographs and regarding them as
     Das KLUG Q-Lab steht ganz im Zeichen von Forschung                                                                                      1860 und 1980 entstandenen Aufnahmen stammen sowohl                    source material for research work. This article presents
     und Entwicklung. Ein Team aus Wissenschaftlern,                                                                                         von Berufs- als auch von Amateurfotografen. Dank ihrer                 eight of the thirty SGV photograph collections and explores
     Technikern und Anwendern entwickelt stetig verbesserte                                                                                  vielfältigen Überlieferungs- und Präsentationsformen                   the heterogeneous contexts of their origins. Produced
     und neue Produkte zur Erhaltung von Kulturgut. Unsere                                                                                   ermöglichen sie neue und vielfältige Perspektiven für die              between 1860 and 1980, the pictures were taken by both
     Entwicklungsabteilung mit hauseigenem Labor sorgt für                                                                                   Erforschung des Alltags in der Schweiz und in anderen                  professional and amateur photographers. Since they come
     höchste Qualität und einen Vorsprung an Wissen.                                                                                         Ländern. Rund die Hälfte der SGV-Fotosammlungen                        from so many different sources and are equally diverse
     Das ist KLUG.                                                                                                                           wurde im Rahmen eines 2014 initiierten Fotoprojekts                    as regards presentation, they provide new and varied
                                                                                                                                             aufgearbeitet und ist seit Herbst 2018 auf der Website                 perspectives for researching everyday life in Switzerland
                                                                                                                                              öffentlich zugänglich.                     and other countries. Around half of the SGV photograph
     Mehr zu unserem Q-Lab unter:                                                                                                                                                                                   collections were reappraised as part of a photo project
     www.klug-conservation.de/q-lab                                                                                                                                                                                 initiated in 2014 and since fall 2018 have been available for
                                                                                                                                                                                                                    public viewing on the website .

30        Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                     Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]      31
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
B e s t än d e                                                                                                                                                                                                                    B e s t än d e

                                                                                        Abb. 7 – Ernst Brunner: [Von ­Lawine
                                                                                        ­zerstörte Häuser: Dorfbewohner/-innen
                                                                                         und Militär bei den Aufräumarbeiten],
                                                                                         ­Andermatt, Kanton Uri, Januar 1951,
                                                                                         Schwarz-weiß-­Negativ, 6 x 6 cm
                                                                                         (Inv.-Nr. ­SGV_12N_37132).

ten Abzügen, Glasdias in Holzkisten sowie Stereonegativen         8 000 Positive, 390 digital zu Positiven konvertierte Negative
in Kartonschachteln, die einen Einblick in die Geschichte der     und 850 Dias, darunter auch Stereonegative und Stereodias.
Familie Kreis – zurückgehend bis zu den Großeltern von Wal-
ter Kreis – ermöglichen.                                          Berufsberatung der Stadt Zürich
    Mehrheitlich besteht die Sammlung aus Fotografien,            Am 14. Oktober 1980 gingen rund 1 200 großformatige Glas-
auf denen das private Familienleben und die rege Reisetä-         diapositive des Amts für Berufsberatung der Stadt Zürich
tigkeit von Paula (1876–1941) und Oscar (1872–1956) Kreis-­       (B.B.Z.) aus den 1930er Jahren in den Besitz der SGV über
Flüglistaller und ihren Kindern zu sehen ist. In Foto­alben       (SGV_02). Bei den teilweise handkolorierten Dias handelt es
und Serien loser Abzüge wird immer wieder an Wander­              sich um Dokumentations- und Vorführmaterialien des B.B.Z.
ausflüge in die Schweizer Alpen (Abb. 9) sowie an Reisen nach     Sie zeigen Männer und Frauen bei der Ausführung verschie-
Frankreich und Italien erinnert. Zum Ausdruck kommt da-           dener Berufe: Manche Aufnahmen wurden mit Kindern in-
bei ein Freizeit- und Kulturverständnis des deutschschwei-        szeniert (Abb. 10), andere zeigen erwachsene Berufstätige bei
zerischen Bürgertums zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Da-          ihrer Arbeit. Auf diese Weise werden Berufswege, Weiterbil-
rüber hinaus dokumentieren die Bilder die Studienzeit von         dungsmöglichkeiten und allgemeine Einblicke in die Arbeits-
Oscar Kreis – mit Eindrücken aus dem Seziersaal, seinen           welt gegeben. Die Glasdiapositive sind alphabetisch nach
Einsätzen in der Schweizer Armee und seiner Mitgliedschaft        Berufsgattungen geordnet und beschriftet. Die meisten Auf-
im schweizerischen Zofingerverein. Anhand dicker Porträt­         nahmen sind wahrscheinlich im Raum Zürich entstanden.
alben voller Cartes de visite und Cartes de cabinet lässt sich    Mindestens zwei Serien von Dias entstammen den damals im
seine Familie zudem in einem weitreichenden sozialen Netz-        Fachhandel erhältlichen Unterrichtsmaterialien.
werk verorten.
    Die SGV begann bereits Mitte der 1990er Jahre mit der         Die Sammlungen Ghirardelli
Aufarbeitung dieses Bestandes. Damals wurden die losen Ab-        Die Sammlungen „Gennaro Ghirardelli und Georges Mül-
züge in Kartonschachteln verpackt, die nach den Familienmit-      ler Kälin“ (SGV_17) und „Familie Ghirardelli-Schelhaas“          Abb. 8 – Gebrüder Wehrli, Kilchberg, Zürich:
gliedern der drei Generationen geordnet wurden. Zwischen          (SGV_18) wurden zwischen 2016 und 2018 vom Schweizer             9011. Unterwaldnerin / Nidwaldner­mädchen
2015 und 2017 wurden die Abzüge diesen Kartonschachteln           Ethnologen Gennaro Ghirardelli (*1944) an die SGV über-          1870, 1897–1910, Silbergelatine­abzug auf
                                                                                                                                   Barytpapier (Inv.-Nr. SGV_15P_00147).
entnommen, wenn naheliegend chronologisch und thema-              geben. Das erste Konvolut besteht aus zwei Teilen. Einerseits
tisch geordnet, mit Signaturen versehen und in archivfeste        handelt es sich um Fotografien, die im Rahmen eines eth-
Umschläge umgelagert. Online einsehbar sind derzeit rund          nologischen Forschungsprojekts (1971–1983) Ghirardellis in

36      Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                   Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]    37
RUNDBRIEF FOTOGRAFIE Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen
B e s t än d e                                                                                                                                                                                                                                               A U S S TELL U N G E N

Forschung von kulturhistorischer Bedeutung sind. Die Kon-               [3]   Vgl. dazu Josef Mooser: „Die ‚Geistige Landesverteidigung‘ in                                                            Kathrin Schönegg
servierung des analogen Archivs und die Restaurierungsar-                     den 1930er Jahren. Profile und Kontexte eines vielschichti-
                                                                              gen Phänomens der schweizerischen politischen Kultur in
beiten wurden dem Basler Atelier für Restaurierung Anklin
                                                                              der Zwischenkriegszeit“, in: Schweizerische Zeitschrift für
& Assen anvertraut. Das Digital Humanities Lab der Univer-
sität Basel ist für die Datenbankinfrastruktur verantwortlich
                                                                              Geschichte, Vol. 47 (1997), No. 4, S. 685–708, sowie Marco
                                                                              Jorio: „Geistige Landesverteidigung“, in: Historisches Lexi-                                    100 JAHRE FOTOGRAFIE
und übernimmt im Auftrag der SGV die Digitalisierung der
Sammlungsobjekte.
                                                                              kon der Schweiz, 23.11.2006, www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/
                                                                              D17426.php (zuletzt eingesehen am 08.02.2019).                                                  ALS ABSTRAKTE KUNST
     Die Fotografien tragen nicht nur Informationen zum Bil-
dinhalt, sondern geben durch ihre Erscheinungsformen und
                                                                        [4]   O. A.: „Jahresbericht der Schweizerischen Gesellschaft für                         Zur Retrospektive „Shape of Light“ in der Tate Modern, London
                                                                              Volkskunde, 1942“, in: Schweizer Volkskunde. Korrespon-
Präsentationsweisen wertvolle Hinweise auf ihre historischen                  denzblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde,
Entstehungs- und Verwendungskontexte, die durch die Kon-                      Vol. 33 (1943), No. 2, S. 30.
servierung, Restaurierung, Digitalisierung und Erschließung
                                                                        [5]   Ebd.
erhalten werden sollen. Ziel des SGV-Fotoarchivs ist es, die
Originale unter optimalen konservatorischen Bedingungen in              [6]   Zu Paul Hugger siehe etwa Ueli Gyr: „Paul Hugger zum 65.
einem klimatisierten und überwachten Depot aufzubewahren                      Geburtstag: mit einem Verzeichnis seiner Schriften 1958–
und den Forschenden einen Zugang zu den analogen und di-                      1995“, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Vol. 91
gitalen Sammlungen zu gewähren, der eine differenzierte Be-                   (1995), No. 1, S. 33–52. Zur Reihe FotoSzeneSchweiz siehe
                                                                              Thomas Wiegand: „FotoSzeneSchweiz. Buchreihe zur Wieder­
trachtung der Fotoobjekte in ihren spezifischen Entstehungs-
                                                                              entdeckung von fotografischem Archivmaterial“, in: Rund-
zusammenhängen ermöglicht.                                                    brief Fotografie, Vol. 13 (2006), No. 3, N.F. 51, S. 36/37.

Anmerkungen                                                             [7]   Siehe „Florence Declaration – Recommendations for the Pre-
                                                                              servation of Analogue Photo Archives“,  (zuletzt eingesehen am 22.10.2018).
       zer Volkskunde. Korrespondenzblatt der Schweizerischen
       Gesellschaft für Volkskunde, Vol. 21 (1931), No. 3, S. 33–43.   Autorinnen und Autoren
[2]    Der Begriff „Enquête“ kommt aus dem Französischen und                Dr. Nicole Peduzzi, Projektkoordination, Stephan Graf,
       steht für „Untersuchung, Erhebung, Umfrage“. Die meist groß           Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Birgit Huber, Wissen-
       angelegten Projekte der Datenerhebung beziehen sich ge-                schaftliche Mitarbeiterin, und Aila Özvegyi, Wissen-
       wöhnlich auf sozial- oder wirtschaftspolitische Verhältnisse.         schaftliche Mitarbeiterin, Fotoarchiv der Schweizeri-
       Die Sammlung „Enquête I“ ist auch bekannt unter dem Na-                schen Gesellschaft für Volkskunde, Spalenvorstadt 2,
       men „Generalenquête“.                                                 4051 Basel, Switzerland, Tel: +41-61-207-1164,
                                                                              archiv@sgv-sstp.ch, http://archiv.sgv-sstp.ch/

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                                                                                                                                               ansicht, Tate Modern, 2018 (Courtesy Lily Robert and VITRINE, ­London
                                                Alte Fotografien für die Zukunft sichern:                                                      und Basel, © Maya Rochat, Foto: © Tate [Seraphina Neville]).

                                                Schutzverpackungen für fotografische Dokumente aller Ar t

                                                                                                                                                 Die Abstraktion ist ein zentrales Paradigma der Moder-                100 Years of Photography as Abstract Art:
                                                                                                                                                 ne. Vermeintlich steht sie im Widerspruch zur Fotografie:             On the Retrospective “Shape of Light”
                                                                                                                                                 Prominenten Medientheorien von André Bazin bis Roland                 at Tate Modern, London
                                                                                                                                                 Barthes zufolge zeichnet sich die Fotografie nicht durch              Abstraction is a central paradigm of modernism. One that
                                                                                                                                                 ­Abstraktion, sondern durch ihren chemisch-physischen                 seemingly runs contrary to photography. According to well-
                                                                                                                                                  Bezug zum Realen und durch ihren Abbildrealismus aus.                known media theories posited by luminaries from André
                                                                                                                                                  Nach wie vor ist die Geschichte der abstrakten Fotografie            Bazin to Roland Barthes, photography is not characterized
                                                                                                                                                  wenig bearbeitet. In London hat sich nun eine große Retro­           by abstraction but by its chemical and physical relationship
      Aufbewahrungsboxen für liegende und stehende Lagerung, Fotohüllen und Umschläge aus Pergamin, Melinex und Papier                            spektive dem Thema angenommen und die Verbindung von                 to the real and its depiction of realism. The history of ab-
               Umfangreiches Sortiment für alle gängigen Fotoformate, Liste unter: www.schemppbox.de                                              Fotografie und abstrakter Kunst vom Anfang des 20. Jahr-             stract photography has received little attention to date. Just
                                                                                                                                                  hunderts bis in die Gegenwart nachvollzogen.                         recently in London, a large retrospective has taken on the
                   Schempp® Bestandserhaltung GmbH * Solitudeallee 101, 70806 Kornwestheim
            www.schemppbox.de * mail@schemppbox.de * Tel.: +49(0)7154/22233 * Fax: +49(0)7154/3298                                                                                                                     topic and retraced the connection between photography and
                                                                                                                                                                                                                       abstract art from the early 20th century to the present day.

40        Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]   41
Auss t e l l ungE N                                                                                                                                                                                                                                 Auss t e l l ungE N

                                                                                                                                         Abb. 3 – Luo Bonian:
                                                                                                                                         Untitled, 1930er
                                                                                                                                         Jahre (Courtesy
                                                                                                                                         The Three Shadows
                                                                                                                                         Photography Art
                                                                                                                                         Centre, Beijing
                                                                                                                                         © Luo Bonian).

Abb. 2 – Shape of Light. 100 Years of Photography and
Abstract Art, Installationsansicht, Tate Modern, 2018
(Foto: © Tate [Andrew Dunkley]).

Seit der Jahrtausendwende ist die Abstraktion in der Foto-          wundert insofern. Noch irritierender und darin symptoma-             geschichtlichen Popularität des Themas zwar unverständlich,         betrachtet werden muss, entspricht die dominante theoreti-
grafie populär. Diverse kleinere Galeriepräsentationen sind         tisch für das Thema ist aber zweitens, dass die aktuelle Wieder-     aber im Großen und Ganzen dennoch zutreffend.                       sche (Zu-)Richtung auch der jüngeren Zusammenstellungen
seitdem gezeigt worden. Auf dem Fotokunstmarkt heißt es,            kehr der Abstraktion auch historisch auf erstaunlich ungesi-             Im Format der Überblicksausstellung ist das Zusammen-           zur Fotografie noch ebenjenem Diskurs des Modernismus,
man könne aktuell einen „Abstraktionsboom“ [1] beobachten.          chertem Grund steht. Begriff und Konzept der Abstraktion             spiel von Abstraktion und Fotografie bislang kaum behandelt         der unter dem Label der Abstraktion retrospektiv auf das Me-
Auch in den großen Institutionen ist das Thema angekom-             sind weder in der Historiografie der Fotografie auffallend prä-      worden. Neben einzelnen Präsentationen, die die Abstraktion        dium und seine Geschichte übertragen wurde. Mit dem Ziel,
men: Das Team um Simon Baker, der zwischenzeitlich als Di-          sent gewesen, noch hat sich die Forschung dem Phänomen               im Titel trugen, finden sich weitere, die das Thema unter kon-     die abstrakte Fotografie „aus einem kunstgeschichtlichen
rektor an das Pariser Maison Européenne de la Photographie          rückblickend angenommen. Eine systematische Aufarbeitung             kurrierenden Begriffen wie autonome, experimentelle oder          Mauerblümchendasein“ zu holen und sie „den Leistungen von
 gewechselt ist, hat der Geschichte von abstrakter Fotografie       der problematischen Beziehung des gemeinhin auf Abbildung            konkrete Fotografie behandelt haben [4]. Dabei wurden Bilder      abstrakter Malerei und Skulptur während des 20. Jahrhun-
 und Kunst eine umfassende Retrospektive gewidmet: Shape of         verpflichteten Mediums Fotografie und der Abstraktion als            im einen Fall als „abstrakt“ vorgestellt, dienten im anderen      derts vergleichbar“ [6] zu machen, wie dies Thomas Kellein
Light. 100 Years of Photography and Abstract Art war vom 2. Mai                                                                          zur Exemplifizierung der verwandten, aber durchaus variie-           formulierte, wurde ein Medium durch das andere erklärt und
bis zum 18. Oktober 2018 in der Tate Modern in London zu                                                                                 renden Konzepte. In den unterschiedlichen Terminologien,             damit zugleich verklärt. Wie zuvor Gemälde erschienen so
sehen (Abb. 1).                                                                                                                          die weitgehend auf dasselbe Bildmaterial angewandt wurden,           auch Fotografien Gottfried Jäger zufolge als „auf sich selbst
    Es ist gleich in doppelter Hinsicht bemerkenswert, dass das              „Abstraktion war Mitte                                      spiegelt sich eine Verlegenheit der Theorie- und Gegenstands-        verweisende, selbstreferenzielle, autopoietische Bildstruktu-
 Thema im Kontext der Fotografie vermehrt in den Fokus gerät.                                                                            bestimmung, die dem Thema offenbar eingeschrieben ist.               ren.“ [7] In das Londoner Projekt hat diese ‚klassisch‘-moder-
Erstens geschieht dies zu einem Zeitpunkt, an dem die Abs-
                                                                            des 20. Jahrhunderts nicht                                       Ontologisch scheint sich der Begriff der Abstraktion der         nistische Lesart erfreulicherweise keinen Eingang gefunden.
traktion als kunstgeschichtliches Paradigma an Kontur verlo-                nur ein formales Konzept,                                    Definition zu entziehen. Seine Verwendungsweise kann viel-           Allerdings enthalten sich sowohl Ausstellung als auch Kata-
ren hat. Der sie begleitende modernistische Diskurs ist längst                                                                           mehr nur zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten be-           log verallgemeinernder Thesen zu Geschichte und Theorie
überholt: Als Leitdifferenz der Moderne war die Abstraktion                sondern wurde […] eng mit                                     stimmt werden. Daher gilt Abstraktion in der Kunstgeschichte        der Abstraktion, die man bei einem Überblicksprojekt dieser
eng mit dem 20. Jahrhundert verbunden, sie stand der Figura-               modernistischen Diskursen                                     heute als plurales Phänomen: Die „Geschichte der Abstrakti-         ­Größe und Strahlkraft doch erwarten würde.
tion gegenüber, wurde ideologisch gedacht und galt als Inbe-                                                                             on ist eine von Einzelbewegungen und Strömungen“, so Sven                Die ansprechend inszenierte und gleichermaßen mate­
griff für den ‚freien Westen‘. Mit der Erweiterung der Kunstfor-                   verbunden.“                                           Drühl [5]. Diese historisierende Perspektive liegt auch den we-     rial- wie umfangreiche Ausstellung gliederte sich in einen
men in den 1970er Jahren löste sich dann die ontologische                                                                                nigen vorliegenden Aufarbeitungen zur Fotografie zugrunde,          chronologisch angeordneten Ausstellungsdurchgang in Form
Unterscheidung ‚abstrakt‘ versus ‚figürlich‘ im fröhlichen Pot-                                                                          gerät aber zum Problem, wenn über die Einzelphänomene hi-           von zwölf Kapiteln. Auf einen unbetitelten Prolog folgten
pourri postmoderner Pluralität auf. Heute, so scheint es, ist das   Leitdiskurs der modernen Kunst steht noch immer aus [2].             naus keine theoriegeschichtliche Reflexion geleistet wird. Ab-     ­„Camera Work“, „New Vision“, „Objects and Construction“,
Phänomen nur im Modus der Wiederholung zu lesen. Die                Wenn die Ausstellung Shape of Light. 100 Years of Photography        straktion war Mitte des 20. Jahrhunderts nicht nur ein forma-     „Finding Form“, „Drawing with Light“, „Subjectivity and
­Abstraktion ist zum Zitat und die abstrakte Kunst selbst eine      and Abstract Art daher mit dem unbescheidenen Postulat auf-          les Konzept, sondern wurde, wie bereits angedeutet, eng mit       ­Expression“, „Surface and Texture“, „Sense of Abstraction“,
Tradition unter anderen geworden. Dass im Kontext der Foto-         tritt, es handele sich um „[the] first major exhibition to explore   modernistischen Diskursen verbunden. Obschon dieser onto-         „Optical Effects“ (Abb. 2), „Minimalism and Series“ und „Cont-
grafie gegenwärtig also ein entleerter Begriff fluktuiert, ver-     the relationship of the two“ [3], so ist das angesichts der kunst-   logisierende Zuschnitt heute selbst als historisches Phänomen        emporary Abstraction“. Sie präsentierte mehrere Hundert

42       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                               Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]   43
B ERI C H TE                                                                                                                                                                                                                                                      F OR S C H U N G

 (Leiterin des Bildarchivs der ETH-Bibliothek, Zürich) präsen-       digital zu konzentrieren, wäre die Vermittlung unter dem As-                                                                    Steffen Siegel
 tieren. Der zwischen 2011 und 2015 durchgeführte Versuch,           pekt der Distanz in Betracht zu ziehen. In einer Welt, in der
 die Bildbestände wie eine Bildagentur zu vermarkten, habe           alles überall und zu jeder Zeit verfügbar werden soll, könnte
 nicht den erwarteten Ertrag erbracht und zur Erkenntnis ge-
 führt, dass es für eine mit Steuergeldern finanzierte Instituti-
                                                                     die Wiedereinführung von Distanz eine neue Methode sein,
                                                                     mit der die Überlieferung des Erbes ins Auge gefasst werden          PHOTOGRAPHY STUDIES AN DER FOLKWANG
 on geeigneter wäre, den Zugang so weit als möglich zu öffnen.
 Nach umfangreichen Abklärungen der Rechtelage wurde
                                                                     könnte.“ [3]
                                                                          Im Rahmen der Tagung wurde auf einem sehr hohen Ni-                UNIVERSITÄT DER KÜNSTE IN ESSEN
 dies für nicht gemeinfreies Material unter der Creative-Com-        veau zum aktuellen Stand der Kenntnisse über die Erhaltung
 mons-Lizenz BY-SA 4.0 möglich gemacht.                              der Fotografie sowie zu empfehlenswerten Vorgehensweisen
      Manuel Sigrist, Verantwortlicher für Web-Projekte und          im Sinne der Best Practice referiert. Das entsprach den Er-
 Neue Medien am Musée de l’Elysée, stellte in seinem Referat         wartungen der meisten Teilnehmenden und der durch sie ver-
 die Frage, ob die Digitalisierung und die Bereitstellung in digi-   tretenen Institutionen. Zugleich sind aber auch fundamentale
 talen Datenbanken das Kulturgut wirklich zugänglich mache.          Fragen, wie sie Treleani gestellt hat, zu diskutieren: Fragen
 Er kritisierte den allzu akademischen Umgang der Museen             nach dem Sinn des Sammelns, Erhaltens und Vermittelns,
 mit dem Web und nannte als Alternativen die Nutzung von             nach der Art und Weise, wie wir Artefakte unserer Zeit an
 Facebook, Instagram und SMS sowie verschiedener Storytell­          spätere Generationen weiterreichen. Der durch ‚Bilderflut‘,
 ing-Tools, wie sie etwa vom Northwestern University Knight          Konservierungsproblematik und permanenten Technologie-
 Lab angeboten werden. Auch er plädierte für die Öffnung der         wandel erzeugte Handlungsdruck erlaubt es offenbar nicht,
 Daten, für die vermehrte Partizipation des Publikums sowie          viel Zeit mit solchen Überlegungen zu verbringen. Das führt
 eine verbesserte Kontextualisierung der Bilder.                     wiederum dazu, dass die Frage, was denn überhaupt wie
      Die Fotohistorikerin Estelle Blaschke (Université de Lau-      überliefert werden soll, nicht mit der nötigen Beharrlichkeit
 sanne) stellte ihre Zusammenfassung der Tagung unter das            verhandelt wird. Als Konsequenz droht eine Sinnkrise, deren
 Motto „Fragen über Fragen“. Die Fotografie, auch jene zu Do-        Auswirkungen umso schlimmer sind, als das Verständnis für
 kumentationszwecken, sei heute als Kulturgut anerkannt. De-         die Tätigkeit von Gedächtnisinstitutionen jenseits der unmit-
 finitionen seien aber unsicher geworden: Was ist ein Original,      telbaren Zurschaustellung von Vergangenheit auf allen Kanä-
 was sind Metadaten, wer ist der Autor? Der Dialog zwischen          len in der Gesellschaft kaum vorhanden ist.
 Technikern und Archivarinnen, IT-Spezialisten und Histori-
                                                                                                                                                            Abb. 1 – Der Punkt, an dem das Bild an das Reale rührt, Ausstellung
 kerinnen sei wegen verschiedener Sprachgewohnheiten oft             Anmerkungen
                                                                                                                                                            im SANAA-Gebäude der Folkwang Universität der Künste, Juni 2018
 schwierig. Das Abwägen zwischen Machbarem und Wün-
                                                                                                                                                            (Foto: Elke Seeger).
 schenswertem und das ehrliche Sprechen über begangene               [1]   Das Programm ist online zugänglich unter  (zuletzt eingesehen am 30.01.2019).
 bei der Vermittlung oft der Anreiz zum Ansehen, aber nicht                                                                               Lange schon lassen sich die Medienwissenschaften kaum                 auf ihren Gegenstand disziplinierende Wirkung ausüben. Ich
 zum Verstehen dominiere.                                            [2]    (zuletzt eingesehen am 21.01.2019).                     Archäologie gehört hierher die Literaturwissenschaft in all           te: Auf herausfordernde Weise ist die Fotografie ein undiszi-
 Beschränkung auf 20 Minuten leider erheblich eingeschränkt,                                                                              ihren Spielarten von den Nationalphilologien bis zur Kompa-           pliniertes Forschungsobjekt geblieben. Ohnehin ist es, genau
 sprach der italienische Semiologe Matteo Treleani (Université       [3]   Das Zitat stammt aus dem noch unveröffentlichten Manu-         ratistik. Bereits seit Jahrzehnten wird dieser klassische Kanon       besehen, eine Unmöglichkeit, von der Fotografie im Singular
                                                                           skript des Autors. Ausführlicher sind diese Überlegungen in
 de Lille) über „Zugänglichkeit und Medienberichterstattung.               den folgenden beiden Publikationen enthalten: Matteo           überdies erweitert – durch die Filmwissenschaft zum Beispiel          zu sprechen. Sie sollte als ein Pluraletantum der Medienge-
 Die Zirkulation von Archivbildern zwischen Distanz und                    ­Treleani: Qu’est-ce que le patrimoine numérique? Une sémio-   oder neuerdings durch eine Computerspielwissenschaft. Nur             schichte gedacht werden. Ins Spiel kommt hierdurch eine
 Transparenz“. Es ging ihm darum, die digitale Zugänglichkeit               logie de la circulation des archives, Lormont: Édtitions      die Beschäftigung mit Theorie und Geschichte der Fotografie           bemerkenswerte Vielzahl von Forschungsperspektiven. Von
 theoretisch zu hinterfragen. Ausgehend von der Feststellung,               Le Bord de l’Eau 2017, sowie Matteo Treleani: Mémoires        bleibt eine über die Disziplinen und Institutionen verstreute         Geschichts- bis Kunstwissenschaft, von Philosophie bis Sozio-
 dass das Konzept Kulturgut die Weitergabe an spätere Genera-               ­audiovisuelles. Les archives en ligne ont-elles un sens?,                                                                          logie, von Ethnologie bis Gender Studies – das Spektrum in
                                                                                                                                          Angelegenheit. Bislang hat noch niemand von einer Fotowis-
                                                                             Montréal: Presse de l’Université 2014, online einsehbar
 tionen beinhalte, sieht er die digitale Übertragung durch das               ­unter  (zuletzt     senschaft gesprochen. Ein solcher Befund ist gerade dann er-          Frage stehender Forschungsfelder ist mit der Nennung solcher
 Web als das nächstliegende Verfahren. Dahinter versteckten                   eingesehen am 21.01.2019).                                  staunlich, wenn man bedenkt, wie unverzichtbar die Präsenz            Namen einzig angerissen.
 sich aber zahlreiche Fragen: Warum zirkulieren gewisse Bil-                                                                              fotografischer Bilder geworden ist und wie weit ihr Einfluss               Nicht nur am Rand sei bemerkt: Wie kaum eine zweite
 der im Web und andere nicht? Nach welcher Logik werden              Autor                                                                inzwischen reicht. Doch ist damit wohl der wichtigste Grund           Zeitschrift trägt der Rundbrief Fotografie gerade dieser Fest-
 gewisse Bilder zu Ikonen? Treleani plädierte dafür, statt die                                                                            benannt, warum es die Fotowissenschaft im Sinn einer akade-           stellung in jedem seiner Hefte auf bemerkenswerte Weise
 Vergangenheit den Nutzenden immer näher zu bringen, mehr                  Kurt Deggeller, Im Kugelfang 27, 4102 Binningen, Swit-         mischen Disziplin nicht gibt.                                         Rechnung. Soweit ich sehe, gibt es kein zweites wissenschaft-
Distanz zu ihr zu schaffen: „Statt sich auf den Gegensatz                  zerland, Tel. +41-61-383-2845, k.deggeller@bluewin.ch              Gewiss gibt es Anlass, eine solche Situation zu bedauern;         liches Periodikum, in dem Archivarinnen und Restauratoren
­zwischen zugänglich und nicht zugänglich, digital und nicht                                                                              allemal mit Blick auf Forschungsanträge und Stellenbewer-             ebenso selbstverständlich publizieren wie Kuratoren oder Me-
                                                                                                                                          bungen. Dennoch müssen die gar nicht selten unternomme-               dienwissenschaftlerinnen. Kein Zufall jedenfalls ist es, dass
                                                                                                                                          nen Versuche, fotogeschichtliche Forschung einer bestimm-             die Beiträge des Rundbriefs an der Folkwang Universität in
                                                                                                                                          ten Disziplin – der Kunstwissenschaft etwa – zuzuschlagen,            Essen aufmerksam gelesen werden. Seit inzwischen drei Jah-
                                                                                                                                          an der Sache des Fotografischen vorbeigehen. Disziplinen              ren existiert an unserer Hochschule ein Studienprogramm,
                                                                                                                                          heißen ja auch deshalb gerade so, da sie, gewollt oder nicht,         dem wir den Namen Photography Studies gegeben haben und

54       Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]                                                                                                                                                     Rundbrief Fotografie – Vol. 26 (2019), No. 1 [N.F. 101]   55
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