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Schauspiel — Junges Schauspiel — Stadt:Kollektiv — www.dhaus.de miterleben mitmachen mitreden Die neue Theatersaison – alles in einem Heft
Liebes Publikum, nach über einem Jahr Unstetigkeit und Pause stehen wir am Beginn einer neuen Spielzeit. Der Verlauf ist schwer vorauszusehen. Wir hoffen, dass wir zu einem normalen Rhythmus zurückfinden und Sinn und Daseinszweck des Düsseldorfer Schauspielhauses wieder erfüllen dürfen: Theaterkunst zu schaffen für Sie als Zuschauer*innen und lebendiger Ort in der Mitte der Stadt zu sein, Ort der Kunst und des Gespräches, der Sehnsucht und des Diskurses, der Begegnung und der Auseinandersetzung. Wir alle ahnen, dass sich unser Leben und die Kunst verändern werden, dass es ein Abwägen, vielleicht einen Konflikt geben wird zwischen dem, was wir mitnehmen wollen, und dem Neuen, dem wir uns stellen wollen. Das D’haus befindet sich nach seiner äußeren Sanierung und Modernisierung, die endlich und gut abgeschlossen ist, in einem Prozess der inneren Transformation: In einem Gespräch in der Mitte des Heftes erfahren Sie einiges darüber. Wir sind – in der Kunst und im richtigen Leben Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die den Umgang miteinander, Arbeitsstrukturen und die Perspektiven dessen, was auf der Bühne verhandelt wird, hinterfragt. Auf diesen Weg laden wir Sie gerne ein und bitten Sie uns zu begleiten. Dieses Spielzeitheft führt Sie durch die Vielfalt unserer Produktionen in Schauspiel, Jungem Schauspiel und Stadt:Kollektiv. Das Stadt:Kollektiv, unsere neue Bürgerbühne unter der Leitung von Bassam Ghazi und Birgit Lengers, lädt ein, am Theater aktiv und mitspielend teilzunehmen. Sie werden im Spielplan neben vielen neuen Inszenierungen Produktionen sehen, die wir in den Zeiten der Pandemie fertiggestellt haben und die nicht zur Premiere kommen konnten. So entsteht ein außergewöhnlich reiches Programm zwischen neu gelesenen Klassikern wie »Minna von Barnhelm«, Wir laden Sie herzlich ein Das Foyer des Düsseldorfer »Macbeth«, »Maria Stuart« und neuen Stücken und Stoffen von Mithu Sanyal, Rainald Goetz, zum Open-Air-Theaterfest Schauspielhauses ist Bonn Park, Sibylle Berg und Anne Weber und mit Ensembleprojekten wie »Das Leben macht mir keine am 4. September von 15 bis für Sie geöffnet – endlich! Angst« (nach Maya Angelou), der Weltraumoper »Rückkehr zu den Sternen«, einem gemeinsamen 18 Uhr. Stimmen Sie sich auf die Ab 5. Oktober heißen wir Sie »Making of Shakespeare« mit Spieler*innen aus Schauspiel, Jungem Schauspiel und Stadt:Kollektiv, neue Saison mit Szenen, Musik dienstags bis freitags von 14 bis einem »SpaceLab_version9finalFINAL.1crp« und »Working Class«, einer Stückentwicklung mit und Interviews ein und seien 18 Uhr herzlich willkommen im Expert*innen der Arbeit. Am Ende der Spielzeit kehrt Robert Wilson mit »Dorian« nach Oscar Wilde Sie unser Gast. Auf dem neu schönsten Freiraum der Stadt. zurück, und aus der Open-Air-Bespielung des Theatervorplatzes wird eine Tradition werden. gestalteten Gustaf-Gründgens- Mitten in der City bieten wir Theater ist kein geschlossenes System. Verschiedenste künstlerische Sprachen und differente Platz hat die Künstlergruppe ganz ohne Vorstellungsbesuch Sichten auf die Welt sind nicht nur zugelassen, sondern gewollt. Gemeinsam ist ihnen die Suche raumlaborberlin eine spekta- einen Ort zum Chillen, Lesen nach einer Welt, in der wir miteinander leben wollen. Theater muss nicht recht haben. Es ist ein lautes kuläre Installation geschaffen. und Arbeiten. Der Open Space Nachdenken und Nachfühlen. Noch bis Oktober 2021 werden im Foyer ist ein nichtkommer- die originalen Flugzeugteile zieller Ort – öffentlich, mit Wir freuen uns auf Begegnungen, auf Lebendigkeit und Nähe – und auf den Weg ins Offene. und die Tribüne für bis zu WLAN und Panoramablick. 500 Zuschauer*innen regel Das neu gegründete Stadt:Kol- Ihre mäßig mit wechselndem lektiv wird nach und nach Wilfried Schulz Claudia Schmitz Programm bespielt. künstlerische Impulse setzen. Generalintendant Kaufmännische Geschäftsführerin miterleben alle D’haus-Theater- inszenierungen auf mitreden Diskussionen, Diskurse und Reden mitmachen eine Einladung an die Menschen dieser unseren Bühnen und zu den wichtigen Stadt, sich aktiv an verschiedenen Themen unserer Zeit und künstlerisch zu 2 3 Orten in der Stadt (Seiten: 22 – 25, 43 – 44) beteiligen (Seiten: 4 – 16, 30 – 34) (Seiten: 38 – 41)
Schauspiel Schauspiel Junges Schauspiel Stadt:Kollektiv Großes Haus, Gustaf-Gründgens-Platz 1 Kleines Haus In der Münsterstraße 446, im Central und in der Stadt Überall Orpheus steigt herab Rückkehr zu Die Physiker Der überaus Das Leben macht Das Tribunal von Tennessee Williams den Sternen von Friedrich Dürrenmatt starke Willibald mir keine Angst von Dawn King Regie: David Bösch (Weltraumoper) Regie: Robert Gerloff von Willi Fährmann Ensembleproduktion Regie: Adrian Figueroa Premiere am 9.9.21 Regie: Bonn Park Premiere am 15.9.21 Für alle ab 6 Jahren nach dem Gedicht Uraufführung Musik: Ben Roessler Regie: Robert Gerloff von Maya Angelou im Januar 2022 Reich des Todes Premiere im Februar 2022 Reality Check – Premiere am 13.8.21 Für alle ab 6 Jahren von Rainald Goetz eine Verschwörungs- Regie: Liesbeth Coltof Working Class Regie: Stefan Bachmann Annette, simulation Bambi & Die Themen Uraufführung Eine Stückentwicklung mit Premiere am 23.9.21 ein Heldinnenepos von Felix Krakau von Bonn Park im März 2022 Expert*innen der Arbeit — Eine Koproduktion mit von Anne Weber Uraufführung am 26.9.21 Für alle ab 15 Jahren Regie: Bassam Ghazi dem Schauspiel Köln Regie: Bernadette Rundgang im öffentl. Raum Regie: Bonn Park Am liebsten Premiere im April 2022 Sonnenbichler Uraufführung am 11.9.21 mag ich Monster Die Nibelungen. Premiere im März 2022 Die bitteren Tränen inspiriert von der Stadt:Kollektiv:Residenzen Kriemhilds Rache der Petra von Kant Der Mann, der eine Graphic Novel To Do or Not to Do – von Friedrich Hebbel Making of Shakespeare von R. W. Fassbinder Blume sein wollte von Emil Ferris Tätigkeiten einer Großstadt mit einem Nachspiel Ein gemeinsames Regie: David Bösch von Anja Tuckermann Für alle ab 10 Jahren mit Turbo Pascal von Lea Ruckpaul Projekt von Schauspiel, Premiere am 2.10.21 Für alle ab 4 Jahren Regie: Sara Ostertag Premiere im Juni 2022 Regie: Stephan Kimmig Jungem Schauspiel Regie: Fabian Rosonsky Uraufführung Premiere am 1.10.21 und Stadt:Kollektiv In den Gärten Uraufführung am 24.9.21 im Mai 2022 Tanzkollektiv Regie: Joanna Praml oder Lysistrata Teil 2 Auf Ihre Einladung an nutrospektiv Kleiner Mann – Premiere im April 2022 von Sibylle Berg vielen Orten in der Stadt SpaceLab_ mit Bahar Gökten, was nun? Regie: Christina Tscharyiski version9final Yeliz Pazar von Hans Fallada Dorian Premiere im Oktober 2021 Liebe Kitty FINAL.1crp im Oktober 2021 Regie: Tilmann Köhler von Darryl Pinckney nach dem Romanentwurf Ein Projekt von und cobratheater.cobra Premiere am 8.10.21 nach Motiven Identitti von Anne Frank mit dem Ensemble mit Hieu Hoang, von Oscar Wilde von Mithu Sanyal Für alle ab 10 Jahren Für alle ab 12 Jahren Macbeth Thuy-Han Nguyen-Chi Regie: Robert Wilson Regie: Kieran Joel Regie: Jan Gehler Premiere im Juni 2022 von William Shakespeare im Januar /Februar 2022 Uraufführung im Juni 2022 Uraufführung Uraufführung am 7.10.21 Regie: Evgeny Titov im November 2021 Die Veranstaltungen Premiere im Open Air Der Schimmelreiter des Café Eden finden ab November 2021 Eine Inszenierung Orlando von Theodor Storm jetzt im Rahmen des auf dem Gustaf- von Virginia Woolf Für alle ab 12 Jahren Minna von Barnhelm Stadt:Kollektivs unter dem Gründgens-Platz Regie: André Kaczmarczyk Regie: Juliane Kann von G. E. Lessing Titel Stadt:Kollektiv:Eden Regie: Robert Gerloff Premiere im Februar 2022 Premiere am 13.11.21 Regie: Andreas Kriegenburg statt. Die Projektreihen, Premiere im Mai 2022 Auf Ihre Einladung an Premiere im Der Zauberberg kuratiert von Veronika vielen Orten in der Stadt Dezember 2021 von Thomas Mann Gerhard, sind Tacheles!, Mit den Studierenden A Christmas Carol Shapes & Shades, Maria Stuart des Schauspielstudios von Charles Dickens Democracy Lab, von Friedrich Schiller Regie: Wolfgang Michalek Für alle ab 6 Jahren Augen in der Großstadt, Regie: Laura Linnenbaum Premiere im März 2022 Regie: Mina Salehpour Kinoki Video u. v. a. Premiere im Januar 2022 Premiere am 26.11.21 Im Central 4 miterleben miterleben 5
Schauspiel — Großes Haus Orpheus steigt herab Reich des Todes Die Nibelungen. Kleiner Mann – Macbeth Minna von Barnhelm Maria Stuart Rückkehr zu von Tennessee Williams von Rainald Goetz — Kriemhilds Rache was nun? von William Shakespeare von G. E. Lessing von Friedrich Schiller den Sternen Eine Koproduktion mit von Friedrich Hebbel von Hans Fallada (Weltraumoper) Eine Kleinstadt im Süden dem Schauspiel Köln — mit einem Nachspiel Angestachelt von den ebenso Ein Paar in einer Zeit der Wir- Selten rang Friedrich Schiller so von Bonn Park der USA gerät in Aufruhr: Im von Lea Ruckpaul »Anfang zweiter Monat.« vielversprechenden wie rätsel- ren, seit Monaten durch Krieg leidenschaftlich um die Fragen, Drugstore des todkranken Jabe Das neue Stück von Rainald Damit beginnt völlig über- haften Prophezeiungen dreier voneinander getrennt, findet die ihn ein Leben lang umtrie- Im 23. Jahrhundert leben die Torrance erscheint der charis- Goetz trägt im Titel ein Zitat aus Was einmal Recht ist, muss raschend der neue Lebens- Hexen und geleitet von den sich überraschend wieder – und ben, wie in seinem Trauerspiel Menschen in friedlicher Ko- matische Musiker Val Xavier. dem Glaubensbekenntnis, es Recht bleiben, und koste es die abschnitt des jungen Paares Einflüsterungen seiner Lady eb- nichts ist wie zuvor. Bei ihm hat »Maria Stuart« aus dem Jahr existenz mit außerirdischen Mit seiner dunklen Vergangen- heißt »Reich des Todes«. Dort- ganze Welt. Nibelungentreue Johannes Pinneberg und Emma net sich der ehrgeizige Krieger der Krieg Spuren hinterlassen, 1800, das zwei europäischen Lebensformen. Ein Raumschiff heit, der Gitarre und der Schlan- hin ist der Autor hinabgestiegen, heißt, die rigorose Konsequenz Mörschel, genannt Lämmchen. Macbeth den Weg zum Thron. er ist gekränkt an Leib und Seele Herrscherinnen ein dichteri- mit ein paar übrig gebliebenen genlederjacke zieht er die Frauen in einen imaginierten Hades, wo wichtiger zu nehmen, als eine Die große Liebe verspricht Dabei ist er durchaus bereit, und sieht sich entehrt vor den sches Denkmal setzt: hier die Erdbewohner*innen an Bord des Ortes in seinen Bann. Vor er sein Personal berichten lässt Sache zu Ende zu denken. das große Glück, die beiden über Leichen zu gehen: Grau- Augen der Gesellschaft. Doch protestantische, unverheiratete erkundet routinemäßig fremde allem Lady Torrance, Tochter von einem Bruch in der Zivili- Die Nibelungen deuten diesen heiraten kurz entschlossen und sam ermordet er den Schotten- sie, Minna, ist nicht bereit, die Königin Elisabeth I., unter Welten, sucht bislang unent- eines italienischen Einwanderers sationsgeschichte. Rainald männlichen Wahn zu einem freuen sich auf den Murkel. könig Duncan im Schlaf. Doch Liebe zu einem Menschen nach deren kühl-reformorientier- deckte Spezies und Zivilisa- und Frau des despotischen Jabe, Goetz ist als Schriftsteller auch vermeintlichen Akt der Selbst- Dass das Gehalt wohl nicht zum der Traum von der Macht währt einem anderen Maßstab zu mes- ter Herrschaft England eine tionen, deren Existenz sich fühlt sich zu dem freiheitslie- immer ein Chronist der Gegen- bestimmung um. Sie gehen ohne Leben reichen wird, blenden nur kurz. Von Schuldgefühlen sen als ihrem eigenen. Deshalb Phase der Prosperität erlebt, niemand hätte träumen lassen. benden jungen Mann hingezo- wart und der jüngeren Vergan- Zwang und mit Begeisterung sie erst mal aus. Doch wie viel und Wahnvorstellungen ge- inszeniert Minna von Barnhelm dort die extrovertierte Königin In den unendlichen Weiten des gen. Die Chance, an seiner Seite genheit, ein Autor, der die Zeit, ins Verderben und nennen es Druck, Angst und Demütigung peinigt verfängt sich Macbeth ein Spiel der Täuschungen, um von Schottland Maria Stuart, Alls sehen sich der Captain und aus der Umklammerung eines die er beschreibt, umwandelt Freiheit. kann ein Mensch ertragen? in einem Netz aus Intrigen und den Major von Tellheim zurück- glaubenstreue Katholikin, An- seine Crew mit dem schlecht- bigotten, fremdenfeindlichen in seine künstlerische Interpre- Ist es nicht skandalös, Pinneberg hangelt sich von Verrat. Noch schrecklichere zugewinnen. hängerin der alten, mittelalter- hin Unbekannten konfrontiert. Milieus zu entfliehen, ist zum tation des eigentlich Geschehe- dass diese Nibelungen, diese einer prekären Anstellung Morde folgen, aber kein noch so Eines ist Lessings Drama lichen Ordnung und berüchtigt Die bombastische technische Greifen nah. Doch als Lady von nen. In »Reich des Todes« ist es Gesinnungsethiker der übels- zur nächsten Entlassung, dem großes Verbrechen vermag den aus dem Jahr 1767 nicht: eine für ihren Männerverschleiß. Ausstattung des Raumschiffs der Verwicklung ihres Mannes eine Geschichte des historischen ten Sorte, die Messlatte dessen immer drohenden sozialen selbsternannten König vor auftrumpfende Geschichte, Hinter der G egensätzlichkeit mit Photonentorpedos und Jabe in den Brandanschlag Niedergangs nach dem 11. Sep- sind, was als deutsch zu gelten Abstieg entgegen. Der Murkel dem Abgrund der eigenen Seele die sich in die Brust wirft – von der beiden historischen Energieschilden bietet, wenn erfährt, bei dem ihr Vater ums tember 2001. Goetz und sein hat? Und ist es nicht mindestens ist herrlich, Emma ist die beste zu retten. einem Lustspiel könnte man so Persönlichkeiten erheben sich überhaupt, nur schwachen Leben kam, sinnt sie auf Rache. Personal aus Politikerinnen und ebenso skandalös, dass der Satz Frau auf der Welt, und doch »Macbeth«, eine der etwas erwarten. »Minna von wie riesenhafte Schatten die Schutz. Im Angesicht haar- »Ich habe nur ein großes Strippenziehern, Soldatinnen vom Recht, das Recht bleiben findet der kleine Mann keinen letzten großen Tragödien Barnhelm«, eine der brillan- Schiller’schen Gedanken, die sträubender Begegnungen und Thema für alles, was ich schrei- und Folterknechten, Juristen müsse, für die Frauen im Stück Platz in der Gesellschaft. »Sie Shakespeares, ist vielleicht sein testen Dramenerzählungen Schiller’sche Philosophie: einer völlig neuen Gefahrenlage be«, sagt Tennessee Williams, und Geschundenen erzählen nicht gilt? Dass sie verraten werden schon sehen, was die in dunkelstes Stück: Der Glaube der deutschen Literatur, ist Wie lassen sich Recht und bleibt den Sternfahrer*innen »und das ist der zerstörerische vom langen Schatten, den die werden und verkauft, bis sie zwei Jahren aus meinem Mann des Individuums an die eigene vielmehr ein tastendes Stück. Gerechtigkeit angesichts der nichts anderes übrig, als auf ihre Einfluss der Gesellschaft auf das brennenden WTC-Türme war- ihrerseits zur Konsequenz ge- gemacht haben«, wird Emma Handlungsmacht, an Wirk- Wir sehen hier Figuren, die Widersprüchlichkeit des uralten menschlichen Kondi- sensible, unangepasste Indivi fen, in dessen Dunkelheit sich zwungen werden, die da heißt: am Ende sagen, »es wäre nicht lichkeit und Wahrheit ist hier einander nicht verdrängen, Menschen durchsetzen? Wie ist tionierungen zu vertrauen: auf duum.« Vor diesem Einfluss Überwachungsstaat, Staatsfolter »Was Unrecht ist, muss endlich nötig gewesen, dass sie so auf zutiefst erschüttert. Finstere sondern die danach suchen, es um die Freiheit des Einzel- Besonnenheit, Zuversicht und versucht sich die Figur Val zu und maßloser Machtmissbrauch Unrecht genannt werden!« ihm rumgetrampelt haben.« Kräfte wirken in jedem einzel- füreinander wertvoll zu sein. nen bestellt? Was ist politische genaue Beobachtungsgabe. Das schützen, indem sie ein radika- Bahn brachen. Regisseur Stephan Kimmig Hans Fallada schreibt nen Menschen, wiederholen Die einander schützen wollen Macht, und wo endet sie? Und ist die Ultima Ratio, wenn es les Verständnis von Unabhän- Es ist eine dunkle Ge- verlegt den gespenstischen seinen Erfolgsroman 1932 wäh- sich in der Historie, finden sich und bereit sind, dafür ver- schließlich: In welchem Staat gilt, das eigene Leben zu retten gigkeit vertritt. Doch seine Liebe schichte einer jungen Vergan- Nationalmythos der Deutschen rend der Weltwirtschaftskrise, in den gesellschaftlichen Struk- schlungene – auch paradoxe – wollen wir leben? und das Gleichgewicht in der zu Lady macht den modernen genheit, die unsere Gegenwart ins bürgerliche Wohnzimmer als Armut und finanzielle Not turen genauso wie in Bildern, Wege zu nehmen. Am Düsseldorfer Schau- Galaxie wiederherzustellen. Orpheus verwundbar: Um ihr begründet hat, eine Erzählung – und richtet den Fokus auf die grassieren, und spricht damit Fantasien und Erzählungen. Andreas Kriegenburg, spielhaus setzt Regisseurin Autor und Regisseur Bonn zu helfen, muss er seine Ideale von einem ungeheuerlichen Frauen der Sage. Auf Kriemhild den Menschen seiner Zeit aus Regisseur Evgeny Titov einer der renommiertesten Laura Linnenbaum, die bereits Park kreiert gemeinsam mit dem Stück für Stück aufgeben. Im Bruch mit allem, was uns als Ge- und Brunhild, die aus dem My- der Seele. »Was nun?« Diese verleiht in seiner Inszenierung Regisseure des deutschsprachi- für »Der zerbrochne Krug« Komponisten Ben Roessler eine Mythos erreicht Orpheus die sellschaft vermeintlich ausmacht thos ausbrechen, um dem Wahn Frage lässt Fallada im Roman dem Bösen Gestalt und fragt gen Theaters, wurde für seine verantwortlich zeichnete, nie da gewesene Weltraumoper Freigabe seiner Eurydike nur – orientiert an der Realität und des Mannes die Wut der Frau offen. Historisch wurde sie mit nach dem Irrationalen, das in Arbeiten in Theater und Oper diesen berühmtesten aller mit seltsam vertrauten Held*in- unter der Bedingung, dass er geworfen in die Goetz’sche entgegenzusetzen. Kimmig, der der Machtergreifung und dem jedem von uns steckt. Ein Blick vielfach ausgezeichnet. In Düs- Königinnenkonflikte in Szene nen. Ein Abenteuer im Geist der sich beim Aufstieg aus der Unter- Assoziations- und Verknüp- zu den prägenden Regisseuren Siegeszug des Nationalsozia- in die Tiefen der Psyche. Angst seldorf inszenierte er zuletzt – als Politthriller, als histori- Aufklärung – der Aufklärung welt nicht umschaut. Val aber – fungsmaschine, die virtuos und seiner Generation gehört, in- lismus beantwortet. Emma hin- bestimmt diesen Blick – eine Brechts »Dreigroschenoper« sche Überhöhung und mit dem über sich selbst, die alle Grenzen wie auch sein antikes Pendant glasklar das Böse im Menschen szenierte in Düsseldorf zuletzt gegen glaubt unerschütterlich Angst, die auch der größte Ty- und Strindbergs »Ein Traum- dringenden Anliegen, heraus- überschreitet, ohne jemals die – schaut sich um, zögert im Mo- als Konstante beschreibt. Bergmans »Fanny und Alexan- an die Liebe und daran, dass es rann nicht überwinden kann. spiel«, das pandemiebedingt zupräparieren, was weibliche Engstirnigkeit und das verlo- ment der Gefahr und fährt auf Rainald Goetz zählt als der«. Für seine Interpretation irgendwann wieder aufwärts- bisher noch nicht zu sehen war. Macht und Herrschaft in einem gene philanthropische Gefühl Premiere im Nov 2021 — spektakuläre Weise zur Hölle. Dramatiker und Autor zu der »Nibelungen« entstand in geht. Schauspielhaus, Großes Haus — patriarchalen System vermö- ihrer irdischen Protagonist*in- Regie: Evgeny Titov — Bühne: Premiere im Dez 2021 — Tennessee Williams’ 1957 ur- den prägenden literarischen enger Zusammenarbeit mit der Regie führt Tilmann Etienne Pluss — Kostüm: Esther Schauspielhaus, Großes Haus gen. Mit den Schauspielerinnen nen hinter sich zu lassen. Parks aufgeführtes Südstaatendrama Stimmen der Gegenwart. Schauspielerin und Autorin Lea Köhler, der zuletzt in Düssel- Bialas — Musik: Moritz Wallmüller — Regie und Bühne: Andreas Minna Wündrich als Elisabeth Arbeiten wurden mehrfach — Video: Falko Herold — Drama Kriegenburg — Kostüm: besticht durch einen wilden Mix 2015 wurde er mit dem Georg- Ruckpaul ein Nachspiel, das mit dorf Shakespeares »Coriolan« turgie: Janine Ortiz Andrea Schraad — Dramaturgie: und Judith Bohle als Maria ausgezeichnet. 2019 wählten ihn Robert Koall aus archaischer Symbolik und Büchner-Preis, dem wichtigs- Hebbels Text im Dialog steht. auf die Bühne gebracht hat. Stuart. die Kritiker*innen der Fachzeit- moderner Psychologie, kurz: ein ten deutschen Literaturpreis, schrift Theater heute zum Nach- Premiere am 1. Okt 2021 — Premiere am 8. Okt 2021 — Schau- Premiere im Jan 2022 — Stück gehobener Trivialliteratur. ausgezeichnet. Regie führt Schauspielhaus, Großes Haus — spielhaus, Großes Haus — Regie: Schauspielhaus, Großes Haus wuchsregisseur des Jahres. Regie: Stephan Kimmig — Bühne: Tilmann Köhler — Bühne: Karoly — Regie: Laura Linnenbaum — Stefan Bachmann, Intendant am Oliver Helf — Kostüm: Sigi Colpe — Risz — Kostüm: Susanne Uhl — Bühne: Valentin Baumeister remiere am 9. Sept 2021 — Schau- P Premiere im Feb 2022 — Schau- spielhaus, Großes Haus — Regie: Schauspiel Köln. Musik: Nils Strunk — Dramaturgie: Musik: Matthias Krieg — Drama — Kostüm: Ulrike Obermüller spielhaus, Großes Haus — Regie David Bösch — Bühne: Patrick Robert Koall turgie: Felicitas Zürcher — Musik: Fiete Wachholtz — und Text: Bonn Park — Musik: Ben Bannwart — Kostüm: Falko Herold Premiere am 23. Sept 2021 — Dramaturgie: Janine Ortiz Roessler — Bühne: Jana Wassong — V ideo: Patrick Bannwart, Falko Schauspielhaus, Großes Haus — — Dramaturgie: Janine Ortiz Herold — Dramaturgie: Janine Ortiz Regie: Stefan Bachmann — B ühne: Olaf Altmann — K ostüm: Jana Findeklee, Joki Tewes — Musik: Sven Kaiser — C horeografie: Sabina 6 Perry — Dramaturgie: Robert Koall miterleben miterleben 7
Schauspiel — Großes Haus — Kleines Haus Annette, Making of Dorian Die Physiker ein Heldinnenepos Shakespeare von Darryl Pinckney von Friedrich von Anne Weber Ein gemeinsames (Text) und Robert Wilson Dürrenmatt Projekt von Schauspiel, (Visual Book) — nach Gestatten: Annette, mit Jungem Schauspiel Motiven von Oscar Wilde Dürrenmatts Drama – sein bürgerlichem Namen Anne irrwitzigstes und schwärzestes und Stadt:Kollektiv Beaumanoir, geboren 1923 in Robert Wilson, der den Anstoß – handelt davon, dass die Erde der Bretagne, aufgewachsen Diese Inszenierung beginnt zu Pinckneys Text gegeben hat, ein kostbarer, schützenswerter in einfachen Verhältnissen mit wie alles im Theater: mit einer entwickelt dazu eine suggestive Ort ist. Davon, dass sie dem nichts weniger als der Über- Fiktion. Wie es wäre, wenn sich Bilderflut. Anders als in den Wahnsinn anheimgefallen ist, zeugung, dass die Welt ein zum ersten Mal Mitwirkende figurenreichen Inszenierungen dass die Verquickung von Markt gerechterer Ort sein sollte. aller drei Sparten des D’haus »Der Sandmann« und »Das und Macht zu einer Allvernich- Als die deutsche Wehrmacht träfen, um für eine gemeinsam Dschungelbuch« schafft er hier tungsmaschine geworden ist; Frankreich besetzt, geht sie zur entwickelte Inszenierung auf ein Solo für den Schauspieler dass eine Gegenwehr unmöglich Résistance und rettet Jugendli- der Bühne zu stehen. Wie die Christian Friedel. ist und doch die größte Sehn- che vor der Deportation – wo- Mischung wäre aus Unsicher- Drei Geschichten, die sucht bleibt. Es erzählt von für sie von Yad Vashem später heit, Freude und Erwartungs- des Romans »Das Bildnis des einem »verlotterten Irrenhaus, den Ehrentitel »Gerechte unter druck. Die Verabredung wäre, Dorian Gray«, die der engli- das vor ›blauen Bergen‹ steht«. den Völkern« erhält. Nach 1940 sich an einem der ganz großen schen Malerikone Francis Bacon Hierin leben drei ehemalige schließt sie sich der algerischen Klassiker der Dramenliteratur und die des Autors Oscar Wilde, Physiker als Patienten. Doch Unabhängigkeitsbewegung – Shakespeare – abzuarbeiten. mehr oder weniger fiktiv und alle spielen ihren Wahn nur vor: gegen die französische Kolo- Aber die Meinungen, welches zugleich voll tiefer Wahrheiten: der eine, Möbius, weil er im nialmacht an und wird zu zehn Stück es denn werden solle, gin- Der US-amerikanische Autor Besitz der Weltformel ist und Jahren Gefängnis verurteilt. gen unter den Beteiligten rasch Darryl Pinckney vereint sie zu voller Angst, die Mächtigen der Annette, die es als ihren Auftrag weit auseinander, denn jede*r einem assoziativen Erzählfluss, Erde könnten sie missbrauchen. versteht, »die Welt vor allen brächte eine ganz eigene Sicht- in dem sich Erinnerungen an Die beiden anderen, weil sie Übeln zu bewahren und zu weise mit, welcher Stoff im Jahr Erlebtes, Reflexionen und Ge- in Wahrheit Geheimagenten heilen«, flüchtet und verlässt 2022 auf die große Bühne ge- fühle überlagern. Sein Dorian sind, angesetzt auf Möbius von Frankreich und ihre Familie auf hört und welcher nicht. Es geht ist beides zugleich: Maler und ebenjenen Mächtigen der Erde, unbestimmte Zeit. um nichts weniger als die Frage: Modell, Dichter und Geliebter. um seine Entdeckung zu miss- Anne Weber beschreibt Warum spielen wir Theater? Der Maler Basil H allward brauchen. in »Annette« die reale Ge- Und vor allem: Für wen? ist wie besessen von dem jungen »Eine Geschichte ist dann schichte der Französin Anne Joanna Praml, geboren Dorian Gray, der ihm Modell zu Ende gedacht, wenn sie ihre Beaumanoir. Als modernes 1980, eröffnete 2016 mit »Ein sitzt. In einer Laune wünscht schlimmstmögliche Wendung Epos entwirft Weber Episoden Sommernachtstraum« die sich Dorian, dass das Gemälde genommen hat«, schrieb aus einem gefährlichen, von neu gegründete Bürgerbühne statt seiner altern und er seine Dürrenmatt. Hier exerziert Prinzipien der Humanität und am D’haus. Die Inszenierung Schönheit für immer behalten er dieses Theorem durch und Solidarität geleiteten Leben wurde zum NRW-Theatertref- könne. Der Wunsch geht in erzählt vom Menschheitswahn, und wirft dabei viele Fragen fen 2017 eingeladen und für Erfüllung und wird zum Fluch. der darin liegt, dass unserer auf: Was treibt jemanden in den den Deutschen Theaterpreis — Der Maler Francis Bacon Spezies mit ihrer unendlichen Ali Aykar Widerstand? Welche Opfer »Der Faust« in der Kategorie überrascht den Kleinkriminellen Neugier und ihrem Erkenntnis- verlangt ein solches Leben? »Beste Regie« nominiert. Praml George Dyer dabei, wie er in drang auch die Gier, der Unter- Wie ist mit Zweifeln und Wut inszenierte darüber hinaus u. a. sein Atelier einbricht. Anstatt werfungswille und der Eigen- umzugehen? Und nicht zu- am Theater an der Parkaue, die Polizei zu rufen, fordert er sinn eingeschrieben sind. Was letzt: Wofür lohnt es sich zu Berlin, am Deutschen Theater ihn auf, ihm Modell zu sitzen. darf gedacht werden, fragen kämpfen? Berlin und am Staatsschauspiel Die beiden werden ein Paar. die »Physiker«. Und wenn die Bernadette Sonnenbichler Dresden. In dieser Spielzeit Doch am Ende treiben diese Antwort darauf ist: Alles! – zu hat am Düsseldorfer Schau- arbeitet sie zum ersten Mal mit Liebe und der Ruhm als Bacons welchem Ende führt uns das? spielhaus bereits »Romeo und den Ensembles des Schauspiel- Modell Dyer in den Tod. — Robert Gerloff inszeniert Julia«, »Fabian oder Der Gang hauses und des Jungen Schau- Der Dichter Oscar Wilde ist regelmäßig auf den Bühnen vor die Hunde« und zuletzt spiels sowie mit Jugendlichen dafür berühmt, dass er sein des D’haus – zuletzt im Klei- Lea Ruckpaul »Lulu« inszeniert und wird mit des Stadt:Kollektivs zusammen. Leben zur Kunst und die Kunst nen Haus die Uraufführung dem Haus als Oberspielleiterin zu seinem Leben gemacht hat. von »Gott« von Ferdinand von Premiere im April 2022 — auch in Zukunft eng verbunden Schauspielhaus, Großes Haus — Er ist der Liebling der Londoner Schirach. Regie: Joanna Praml — Bühne: Gesellschaft – bis er wegen un- sein. Jana Denhoven — Kostüm: Premiere am 15. Sept 2021 — Franziska Sauer — Musik: sittlicher Beziehungen zu einem Schauspielhaus, Kleinen Haus Premiere im März 2022 — Schau- Hajo Wiesemann — Dramaturgie: Mann ins Gefängnis muss. — Regie: Robert Gerloff — Bühne: spielhaus, Großes Haus — Regie: Robert Koall, Birgit Lengers Maximilian Lindner — Kostüm: Bernadette Sonnenbichler — Bühne: Nina Kroschinske — Musik: Lila-Zoé David Hohmann — Kostüm: Tanja Uraufführung im Juni 2022 — Krauß — Choreografie: Zoë Knights Kramberger — Musik: Jacob Suske Schauspielhaus, Großes Haus — — Dramaturgie: Robert Koall — Video: Hannah Dörr — Drama Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson turgie: Sonja Szillinsky — Co-Regie: Ann-Christin Rommen — Mitarbeit Bühne: Stephanie Engeln — Mitarbeit Lichtdesign: Marcello Lumaca — Kostüm: Jacques Reynaud 10 — Mitarbeit Kostüm: L ouise B. Vivier — Dramaturgie: Konrad Kuhn miterleben
Schauspiel — Kleines Haus Reality Check – Die bitteren Tränen In den Gärten oder Identitti eine Verschwörungs- der Petra von Kant Lysistrata Teil 2 von Mithu Sanyal simulation von Rainer Werner von Sibylle Berg von Felix Krakau — Fassbinder Die Studentin Nivedita Anand Rundgang im öffentl. Raum Was hat sie ausgemacht, die alias Identitti bereichert ihre »Ich glaub, der Mensch ist so Liebe und die Beziehung zwi- Leser*innen regelmäßig mit Fake News und alternative gemacht, dass er den andern schen heterosexuellen Paaren, klugen Posts auf ihrem Blog Wahrheiten konstruieren Menschen braucht, doch … damals, als die Zeit noch von über Sex and Race. Die theo- Welten rund um unterirdische hat er nicht gelernt, wie man männlichen Allmachtsfantasien retische Inspiration dafür hat Höhlensysteme, Chemtrails und zusammen ist.« Die Mode- und verknöcherten Rollenbil- sie bei niemand Geringerem geheime Machteliten. Dabei schöpferin Petra von Kant ist dern bestimmt war? Eine Zeit, als Saraswati erlernt, einer sind Verschwörungserzählun- erfolgreich, wohlhabend und in der Männer Bernd hießen renommierten Professorin für gen keine harmlosen Sci-Fi- einflussreich und sehnt sich und angestrengt Hochzeit, Postcolonial Studies an der Märchen, sondern konkrete nach dem Ende ihrer Ehe nach Haus und Kind als Standard- Heinrich-Heine-Universität in Gefahren für das demokratische einer neuen Liebe. Sie verguckt werk des guten Lebens ver- Düsseldorf, Ikone aller Debat- Gemeinwesen. Faktenchecker sich in das Model Karin Thimm, walteten. Und was hat dazu ten über Identität und beken- wie das Recherchezentrum lässt sie bei sich wohnen und geführt, dass die Herren der nende Person of Color. Correctiv versuchen Falschmel- verhilft ihr zu einer aussichts- Schöpfung nun so gut wie aus- Als Nivedita und Saraswa- dungen und Desinformationen reichen Karriere. Nach kurzer gestorben sind? Diese Fragen tis Anhänger*innen erfahren, entgegenzuwirken. Correctiv ist Zeit wird Petra betrogen und stellt sich der Frauenverbund dass Saraswati nicht Saraswati, seit 2017 Teil des International verlassen. Für sie beginnt eine um Lysistrata. Denn sie, die sondern eigentlich Sarah Vera Fact-Checking Network, das emotionale Höllenfahrt, in Frauen, haben die Macht in Tielmann heißt und weiß ist, Sebastian Tessenow 2021 für den Friedensnobelpreis der ihre Hilflosigkeit und Ver- der Gesellschaft übernommen. bricht eine Welt zusammen. nominiert wurde. zweiflung in Gewalt, Über- Gemeinsam mit Bernd, dem Das Netz tobt, die PoC-Com- In Zusammenarbeit griffigkeit und Egomanie um vielleicht letzten Überlebenden munity wirft ihr kulturelle mit Correctiv entwickelt der schlagen und die sie zu einer einer alten Welt männlicher Aneignung vor, und nicht Regisseur Felix Krakau eine Abrechnung mit ihrem engsten Vorherrschaft, streift Lysistrata wenige fordern ihre Entlas- Verschwörungssimulation im familiären Umfeld treibt. durch die Gärten der Vergan- sung. Nivedita ist im Innersten Düsseldorfer Stadtraum. Die Rainer Werner Fassbinders genheit. Dort begegnen die getroffen. Sie stellt ihre Profes- Zuschauer*innen begeben sich stark autobiografisch geprägtes beiden archaischen Paarbezie- sorin zur Rede und ringt mit ihr als eine Gruppe von Proband*in- Stück »Die bitteren Tränen der hungen, Männern mit verun- um Antworten. Die entschei- nen einer groß angelegten Petra von Kant« aus dem Jahr sicherten Egos und Frauen mit dende Frage dabei lautet: Wenn Studie der Agency for Legal 1971 zeichnet eine Welt der unerfüllten Sehnsüchten. Geschlecht fluid sein kann, Interception of Conspiracy Dekadenz, der Herrschsucht, Pointiert, bissig und warum nicht auch die eigene Elements auf die Spur eines der Leidenschaft und der Ver- überaus komisch wandeln die Herkunft? Komplotts. Dabei ist es ein Mord letzlichkeit – es behandelt die Figuren um Lysistrata und »Identitti« ist der erste am helllichten Tag, der Rätsel Fragen, wie eine Amour fou Bernd in Sibylle Bergs »In den Roman der Journalistin und aufgibt und die Proband*innen über die Klassenschranken ge- Gärten« durch die Krisen und Kulturwissenschaftlerin Mithu durch Hofgarten und Etablisse- staltet wird und ob es möglich Herausforderungen der binären Sanyal, die sich darin furios, ments hinein in eine unsichtbare ist, einen Menschen zu lieben, Geschlechterbeziehungen. humorvoll und scharfzüngig Welt führt. »Wenn nichts wahr ohne ihn besitzen zu können. Gemeinsam mit dem Ensemble mit Identität, Repräsentation, ist, dann ist alles Spektakel«, Der Regisseur David Bösch sucht Regisseurin Christina weißen Privilegien und André Kaczmarczyk sagt der Historiker Timothy begibt sich mit dem Ensemble Tscharyiski nach der Fragilität strukturellem Rassismus aus- Snyder. Was aber ist Wahrheit? auf eine sinnlich-intensive bürgerlicher Versprechen und einandersetzt. Ein lustvoller Was für eine Sehnsucht tragen Suche nach ebenjener Brüchig- illustriert poetisch wie humor- Parforceritt, der vielstimmig wir in uns, in eine andere Reali- keit bürgerlicher Moralvor- voll den Entwurf einer matriar- und perspektivenreich um die tät einzutreten? Die Simulation stellungen, den Phantasmen chalen Gesellschaft, die sich mit Aufarbeitung eines Identitäts- lädt zu einer spekulativen von Glück, Erfolg und Wohl- der Frage konfrontiert sieht: betrugs kreist. Stadterkundung ein. stand und den Bedingungen, Warum bringt uns eine Gegen- Der Regisseur Kieran Joel Regie führt Felix Krakau, die notwendig sind, um sich wart, in der das Patriarchat aus- führt erstmals Regie am Düssel- der am D’haus bereits »Jeff in einer kapitalistischen Welt gedient hat, nicht zwangsläufig dorfer Schauspielhaus, zuvor Koons«, »Peer Gynt« und orientieren und verbinden zu Zufriedenheit und Glück? hat er u. a. in Nürnberg und »O Fortuna! #1: You’ll never können, ohne das eigene Bern inszeniert. remiere im Okt 2021 — P walk alone – Eine inszenierte Begehren a bsolut zu setzen. Schauspielhaus, Kleines Haus Uraufführung im Nov 2021 — — Regie: Christina Tscharyiski — Ehrenrunde durch das Paul- Bühne: Dominique Wiesbauer Schauspielhaus, Kleines Haus — Premiere am 2. Okt 2021 — Regie: Kieran Joel — Bühne: Justus Janes-Stadion« inszeniert hat. Schauspielhaus, Kleines Haus — Kostüm: Svenja Gassen — Saretz — Kostüm: Katharina Wilting — Regie: David Bösch — Bühne: Musik: Sven Bühler — Dramaturgie: — Gefördert durch den Preis des Patrick Bannwart — Kostüm und Lynn Takeo Musiol — Musik: Lenny Mockridge — Video: Sebastian Pircher — Dramaturgie: Körber Studio Junge Regie 2019 Video: Falko Herold — Dramaturgie: Lynn Takeo Musiol Lynn Takeo Musiol Uraufführung am 26. Sept 2021 — Regie: Felix Krakau — Bühne: Ansgar Prüwer — Kostüm: Jenny Theisen — Musik: Thomas Klein — Dramaturgie: Lynn Takeo Musiol miterleben 17
Hanna Werth Schauspiel — Kleines Haus Orlando Der Zauberberg von Virginia Woolf von Thomas Mann 16. Jahrhundert: Der junge eng- Thomas Manns »Der Zauber- lische Lord Orlando, gebildet, berg« beschreibt eine ent- wortgewandt, Schriftsteller schleunigte, abgeschlossene Rainer Philippi und Geliebter der Königin, fällt Welt hoch in den Bergen in nach einem rauschenden Fest in einem Davoser Sanatorium. Konstantinopel in einen mehr- Wer sich hier aufhält, versucht tägigen Schlaf und erwacht die Schwächen des eigenen als Frau. Fortan kaum alternd Körpers zu überwinden, um begibt sich Orlando auf eine am Ende genesen in die Ge- ereignisvolle Reise durch die sellschaft zurückzukehren. Jahrhunderte. Doch der Verführungskraft Virginia Woolf hat den der Heilanstalt ist nur schwer 1928 erschienenen Roman ihrer zu widerstehen. Eingebunden Geliebten Victoria Sackville- in die immer gleichen Tages- West gewidmet. Mit Witz, abläufe aus Untersuchungen, Leichtigkeit, Poesie und schar- Essen und Liegekuren haben fer Beobachtungsgabe konzen die Bewohner*innen schnell die triert sich Woolf auf Fragen von Zeit vergessen. Ein für wenige Identität, Geschlechterrollen, Wochen geplanter Aufenthalt Macht und Status und schildert wächst sich auf mehrere Jahre auch die Restriktionen, denen aus. Draußen könnte ein Krieg Frauen in unterschiedlichen beginnen, sie würden es nicht gesellschaftlichen Zusammen- bemerken. Unter dem Deck- hängen unterworfen waren – mantel der Erkrankung haben im Leben wie in den Künsten. sie endlich Gelegenheit zu all Dabei sei, wie Woolf in ihrem dem, wofür draußen die Zeit Essay »Ein Zimmer für sich fehlt, zur Selbstbeschäftigung allein« schreibt, »der andro und Zerstreuung und für gyne Kopf« Orlandos ein uto- die großen Fragen der mensch pischer Zustand. Sie fragt: Was lichen Existenz, zu denen bedeutet es, in einem Körper der Gedanke an die eigene End- zu leben, der ein Geschlecht lichkeit geradewegs führt. hat; Liebe zu machen, sich In der Regie von En anzuziehen, ein Kind zu be- semblemitglied Wolfgang kommen? Und: Wie gelingt Michalek und mit einer Cho- das alles, wenn man sich nicht reografie von Bridget Petzold einem Geschlecht zuordnen stellt sich das Schauspielstudio lassen will? Düsseldorf erstmals dem Der Regisseur André Publikum vor. Auch die Schau- Kaczmarczyk, der zuletzt am spielstudierenden der Hoch- Düsseldorfer Schauspielhaus schule für Musik und Theater »Alice« als Musiktheater nach »Felix Mendelssohn Bartholdy« Lewis Carroll inszenierte, Leipzig haben im vergangenen wird den Roman gemeinsam Jahr pandemiebedingt einen mit dem Musiker Matts Johan Zustand der Stagnation erlebt. Leenders auf die Bühne Ein Jahr später als ursprünglich bringen. geplant kommen sie nun ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Florian Lange Premiere im Feb 2022 — Schauspielhaus, Kleines Haus Premiere im März 2022 — Schau- — Regie: André K aczmarczyk — spielhaus, Kleines Haus — Regie: Musik: Matts Johan Leenders — Wolfgang Michalek — Choreografie: Bühne: Ansgar Prüwer — Drama- Bridget Petzold — Bühne: Susanne turgie: Lynn Takeo Musiol Hoffmann — K ostüm: Jenny Theisen — Dramaturgie: Beret Evensen 18 miterleben
Kilian Ponert Thiemo Schwarz Wolfgang Reinbacher
Burghart Klaußner Moritz Führmann Cathleen Baumann
Ein Schauspielhaus im Aufbruch — D’haus-Theatermacher*innen sprechen über den Spielplan, die Lage nach Corona und die Folgen der Diskriminierungsvorfälle am Haus. — Zu Wort kommen: Wilfried Schulz, Generalintendant — Stefan Fischer-Fels, Künstlerischer Leiter Junges Schauspiel — Birgit Lengers, Künstlerische Leiterin Stadt:Kollektiv — Bassam Ghazi, Künstlerischer Leiter Stadt:Kollektiv — B ernadette Sonnenbichler, Regisseurin und Oberspielleiterin — Guy Dermosessian, Diversitätsbeauftragter — Lea Ruckpaul, Schauspielerin — Kilian Ponert, Schauspieler Kurze Runde zum Warmwerden – welches Kinder und Jugendliche sind von der Pandemie Bernadette Sonnenbichler, du bist schon seit mir. Auch meine Stelle ist das Ergebnis eines keit, über den Begriff und den Zustand der die unter eurer Leitung Stadt:Kollektiv heißen Wort möchtet ihr in der kommenden Spielzeit in besonderer Weise betroffen. Was sind Beginn der Intendanz dabei und kommst jetzt Prozesses, der am Haus in Gang gesetzt Gesellschaft nachzudenken, darüber, wie wird. Was kann ein Stadt:Kollektiv, was ein viel häufiger benutzen? aktuell die größten Herausforderungen im doch noch einmal neu dazu – als Oberspiel- wurde, bevor ich da war. Natürlich haben die die Gesellschaft konstituiert ist, wie sie sich Stadttheater und ein Kinder- und Jugend Kilian Ponert Toi, toi, toi! Theater für ein junges Publikum? leiterin übernimmst du eine neue Aufgabe. Entwicklungen im Theater oder im Diskurs transformiert, was das für eine Transfor- theater allein nicht können? Birgit Lengers Weil es gerade so unpopu- Stefan Fischer-Fels Die gleichen wie Welche Türen würdest du gerne aufmachen? über das Theater auch dazu beigetragen, mation des Theaters bedeutet. Da hat sich Birgit Lengers Was Stadt:Kollektiv und lär ist: »digital«. Ich fände es wahnsinnig vor der Pandemie, nur sieht man sie noch Bernadette Sonnenbichler Oh, ganz dass an unterschiedlichen Stellen im Haus etwas beschleunigt. Stoffe und Arbeits- Bürgerbühne ausmacht, ist, dass dort schade, wenn wir wieder vernachlässigen, schärfer: dass wir die Schulen immer wieder viele. Corona war für mich eine Zeit des ein viel größeres Bewusstsein, auch eine weisen werden sehr viel intensiver befragt. Theater nicht ausschließlich für die Men- was wir entdeckt haben an Zugänglichkeiten daran erinnern, dass kulturelle Bildung eine Stillstands und auch der beruflichen Krise. größere Lust entstanden ist, am Thema schen einer Stadt gemacht wird, sondern mit auf verschiedenen Plattformen, aber auch an tragende Säule der Gesamtbildung ist. Ich habe Theater irgendwann total in Frage Diversität zu arbeiten. Und natürlich hat die Stefan Fischer-Fels, wie hat sich für dich die ihnen. Dass dort partizipativ gearbeitet wird Erweiterungen für die Theaterkunst. Dass wir die Familien erinnern, dass sie eine gestellt. Und daraus entstand ein ganz schlei- Veröffentlichung der rassistischen Vorfälle Perspektive auf das Theater verändert? und wir Menschen, ganz unterschiedliche Bassam Ghazi Ich sehe euch in die Augen. Verantwortung haben, ihren Kindern die chender Impuls zur Erneuerung. Ich habe im März dazu beigetragen, dass sich die Stefan Fischer-Fels Im Theater für Leute der Stadt, einladen, Kunst zu machen. Stefan Fischer-Fels Awareness erste Berührung mit Kultur zu ermöglichen. wieder ganz viel Lust bekommen, in der angestoßenen Prozesse beschleunigt haben. junges Publikum kommt eine große gesell- Es geht aber nicht nur um eine Einladung Guy Dermosessian Party Und dass wir Jugendliche von ihren Handys Inszenierungsarbeit Neues auszuprobieren. Und dementsprechend ist die Auseinander- schaftliche Dringlichkeit dem generations- zum Theaterspielen, sondern darum, Bernadette Sonnenbichler Auf zu wegholen und ins Theater bringen. Andere Wege zu gehen in der Zusammen- setzung mit der gesellschaftlichen Debatte übergreifenden Dialog zu. Dass Jung und mit theatralen Strategien Gesellschaft zu neuen Ufern. Jetzt dann aber wirklich. arbeit mit dem Team, mit den Spieler*innen. stärker ins Zentrum gerückt. Das stimmt Alt nach der Pandemie im Gespräch bleiben entdecken und darzustellen und dabei ver- Wilfried Schulz Präsenz und Wie hat es sich für das Ensemble angefühlt, Mir ist noch mal klar geworden, welche mich zuversichtlich. oder erst mal wieder ins Gespräch kommen. schiedene Kollektive zu bilden. Wir sind als Gegenwärtigkeit nicht mit dem Publikum in Kontakt zu sein? Stoffe ich eigentlich wichtig finde. Warum Zum Aushalten von Differenz kommt im Theater in der Coronazeit ohne die direkte Lea Ruckpaul Erklär mir noch mal Lea Ruckpaul Ich habe die Generalprobe Theater eine wirklich relevante Rolle Nicht nur hier am Haus werden die Rolle Kinder- und Jugendtheater noch das Ermuti- Begegnung mit dem Publikum ohne Dialog ganz genau, was du meinst. von »Ein Traumspiel« noch vor dem ersten spielen könnte jenseits von Unterhaltung und die Bedeutung von Theater diskutiert. gen hinzu. Das ist eine wesentliche Funk- in so ein permanentes Senden gekommen. Lockdown geschafft. Das Gefühl danach und Reflexion. Ganz konkret hier am Haus Wilfried Schulz, hat sich dein Verständnis von tion, die für mich das Theater für junges Es fehlte die unmittelbare Resonanz, Wilfried Schulz, an welchem Punkt steht das war eigentlich Trauer. Dann gab es eine lange möchte ich jetzt erst mal die Tür aufmachen, Theater, dein Blick auf die Institution Stadt- Publikum hat. Ich komme gerade von einem der Dialog. Und hier setzen wir mit dem Theater nach anderthalb Jahren Zwangspause? Phase der Lähmung. Man wartet, es gibt die da heißt: zuhören und reinwachsen. theater in der jüngsten Zeit verändert? Gespräch mit Künstler*innen aus Afrika, Stadt:Kollektiv an. Viel rausgehen und Wilfried Schulz Wir wollen, müssen, einen Stillstand. Der Gedanke, wieder vor Wilfried Schulz Ich glaube, dass die die in Düsseldorf zu Gast waren. Sie spra- zuhören und zu ermitteln versuchen, was können jetzt davon ausgehen, dass das Thea- einem vollen Haus zu spielen, bereitet mir Guy Dermosessian, du bist Diversitätsbeauf- Grunddefinition für mich und für viele, mit chen ganz deutlich aus, was ich mich fast die Bedürfnisse sind, was gebraucht wird. ter neu beginnt. Das ist ein merkwürdiges große Lust – aber er macht mich auch ein tragter am Haus und hast das D’haus in den denen ich zusammenarbeite, nach wie vor nicht zu sagen traue: dass wir eine Aufgabe Bassam Ghazi Unsere Vision ist, ein Gefühl. Ich glaube, dass uns alle diese Zeit bisschen unsicher, weil es so lange her ist. vergangenen zwei Jahren in unterschiedlichen gültig ist. Für mich ist Theater ein Refle- haben, die Gesellschaft zu verändern. Stadt:Kollektiv mit unterschiedlichen Men- nicht in Frieden gelassen hat, sondern dass Kilian Ponert Ich bin in einer ziemlichen Zuständen erlebt. Wie hast du es verändert, xionsraum, in dem man mit ästhetischen Und dass Kunst ein Mittel zum sozialen schen und Gruppen aufzubauen, die sich in Gedanken entstanden sind, die weit über Luxusposition: Alle Stücke, die ich seit und wie hat es auch deine Arbeit verändert? Mitteln über Gesellschaft und Individuen Wandel sein kann. Wenn ich das so höre, eine gemeinsame künstlerische Praxis bege- die Pandemie hinausgehen. Es wird nicht so Corona gemacht habe, sind zur Premiere Guy Dermosessian In den vergangenen nachzudenken versucht. Man versucht, fühle ich, dass mein Herz schlägt, und ich ben, die sich mit dem D’haus identifizieren, sein, dass morgen das Theater ganz anders gekommen. Das waren insgesamt fünf, und zwei Jahren hat sich die Sprache, mit der Empathie aufzubringen und zu vermitteln, sage: Ja, das finde ich auch. multipel in die Stadt ausstrahlen und sich aussieht. Das kann und soll es nicht. Aber ich hatte das Glück, jedes Mal vor Publikum wir kommunizieren, komplett verändert. man versucht zu lernen, Differenz auszuhal- wie ein Sprachrohr mit uns verbinden. Das ich glaube, dass eine Suche beginnt, dass es zu spielen. Die Themen, über die wir sprechen, die ten, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzu- Birgit Lengers und Bassam Ghazi, ihr über- Foyer, das wir öffnen, und die Glastür hinten neue Impulse gibt. Komplexität, mit der wir über diese Themen schlagen. Das ist gleich geblieben. Gestiegen nehmt die dritte Sparte des Hauses, das ist die zum Hofgarten symbolisieren diese Durch- sprechen. Das liegt sicherlich nicht nur an sind die Dringlichkeit und die Notwendig- vor fünf Jahren gegründete Bürgerbühne, lässigkeit für mich. Ich spüre eine enorme 24 mitreden mitreden 25
Dankbarkeit für diese Begegnungsräume. mit uns zu arbeiten und mit uns zusammen Birgit Lengers Theater sollte Ambiguitäts- »Bambi & Die Themen« schenken wird, in einandersetzung mit aktuellen Frage- dungen knüpfend. Denn man richtet sich Ich würde sehr gerne auch Räume schaffen, zu sein. Das ist hochpolitisch, und es ist an toleranz trainieren. Eine Lust auf Unein- der es auf eine sehr humorvolle und lakoni- und Ausrufezeichen, die uns umgeben. in diesem Theaterbetrieb ganz oft ein, man die leistungsfreier sind. Wo wir ohne Zwang der Zeit. Wir haben das in Deutschland zu deutigkeit und Widersprüchlichkeit wecken. sche Weise um die Sehnsucht nach einer le- Mit verschiedenen Menschen aus Kunst, aus fühlt sich in Sicherheit. Und dabei sieht aufeinandertreffen können. Das würde ich lange hinausgezögert. Wer steht auf der Und genau das ist das Politische. Ein produk- benswerten Zukunft geht. Das älteste Stück, Wissenschaft und in diesem Jahr stark auch man nicht, dass andere Menschen nicht in mir auch sehr innerhalb unserer Strukturen Bühne, welche Geschichten werden erzählt, tives Rätsel für das Publikum, das macht für »Der Schimmelreiter«, berührt mich gerade aus dem Bereich Bildung. Sicherheit sind oder vielleicht gar nicht ge- wünschen. wer sitzt im Zuschauerraum? mich Kunst aus. am meisten, wenn es darin darum geht, die Lea Ruckpaul Ich hätte gerne mehr Stoffe, sehen werden. Die Art und Weise, wie wir Guy Dermosessian Ich behaupte, dass Dämme abzudichten und neue zu bauen. die aus der Perspektive von Frauen geschrie- in diesem Haus in Unruhe gekommen sind, Auch auf Ensembleseite ist viel nachgedacht Schauspielkunst noch nie nicht politischer Wie bildet sich das im aktuellen Spielplan ab? ben sind. Auch mehr queere Sichtweisen. das hat mich unsicher gemacht, ich habe worden. Wie seht ihr die Rolle der Aktivismus war. Wenn Schauspielkunst Wilfried Schulz Das Entfernte und Nahe, Das ist gerade auch in den Theatern so ein Und ich wünsche mir, dass die Stoffe, die da auch Angst gehabt, das hat mich aber auch Schauspieler*innen eines Stadttheaters? jahrhundertelang bestimmte Körper und das ist die Spannweite des Spielplans. Wir Thema. Was können wir erhalten und was sind, weniger repräsentativ besetzt werden. mit einer ganz großen Euphorie erfüllt. Lea Ruckpaul Ich war ja immer fest an- bestimmte Identitäten und Geschlechter eröffnen mit »Orpheus steigt herab«, einem können wir verändern? Um zu spüren, dass die Freiheiten, auf der Was das Miteinander angeht und was das gestellt und habe es als unglaublich positiv normiert hat, hat sie politische und gesell- Stück von Tennessee Williams, das aus einer Bassam Ghazi Wir haben zwei Linien: Bühne mit Gender umzugehen, größer sind. Kunstmachen angeht. erlebt, einige Jahre in einer Stadt sein und schaftliche Auswirkungen auf Verhaltens- zeitlichen Entfernung zu uns kommt und Die eine ist, den Klimawandel wieder in den Ich wünsche mir bei dem, was geschrieben Guy Dermosessian Die Erschütterung die Menschen dort kennenlernen zu können. weisen und auf den Umgang mit Menschen die Enge in den Köpfen zeigt. Aber der wich- Vordergrund zu rücken aus einer jungen, wird, mehr Perspektiven von Menschen mit war für mich persönlich nichts Überra- Dass ein Team aus allen möglichen sozialen und Menschengruppen gehabt. Ich würde tigste Gedanke dabei ist, dass es die Sehn- anklagenden und aktivistischen Perspek- BIPoC-Hintergrund. Es geht mir sehr um schendes. Allein dass die Kulturstiftung des Kontexten aus vielen Städten sich zusam- mir wünschen, dass diese Dichotomie nicht sucht der Leute sieht, dieser Enge zu ent- tive, die was verändern will. Unsere zweite Repräsentation, weil ich jetzt zehn Jahre langBundes Stellen wie meine – also Diversitäts- menfindet, um eine neue Perspektive auf mehr thematisiert werden müsste. Das weichen. Und dann gibt es ein Stück, einen Linie setzt sich mit der postpandemischen das Problem gehabt habe, dass ich mich ins beauftragte – fördert, deutet doch darauf diese Stadt zu werfen, dort zu leben und Bewusstsein darüber, dass eine öffentliche Roman, aus Düsseldorf, nämlich »Identitti« Veränderung der Arbeitswelt und damit Verhältnis setzen muss zu etwas, was ich als hin, dass strukturelle Probleme existieren. diese Stadt zu begreifen. Das ist eine Kom- Institution wie ein Theater ein Ort gesamt- von Mithu Sanyal. Sanyal beschäftigt sich auch der Gesellschaft auseinander. Weniger vergangenes Bild von Gesellschaft und vor Nach wie vor. Aber: Ich habe das Gefühl, petenz, die mir in der Arbeit fast ein wenig gesellschaftlicher Debatten ist, platziert die mit den gesellschaftlichen, politischen, auch aus unserer Perspektive, sondern wirklich allem als überkommenes Frauenbild em in den Debatten, die wir führen, an einem zu kurz kommt. Ich wünsche mir viel mehr Schauspielkunst sowieso in einen politischen ideologischen Debatten, die uns umgeben. aus der Perspektive von Menschen, die von pfinde. Und wenn ich immer nur dabei bin, vielversprechenden Punkt zu stehen. Und Publikumsgespräche. Ich hatte während Kontext. Sie da rauszuholen würde dem mich zu Vergangenem ins Verhältnis zu set- ich betrachte diese Zeit, dieses Ereignis als der Coronazeit mit dem Freundeskreis des Wunsch nach einem gesamtgesellschaft- zen, kann ich nicht in die Zukunft arbeiten. tatsächliche Chance, all die Diskussionen, Theaters verschiedene Gespräche und habe sie als extrem bereichernd empfunden. lichen Reflexionsraum widersprechen. Wilfried Schulz Ich glaube, dass es zum »Ich habe mich gefragt: In was für Am Düsseldorfer Schauspielhaus hat es die in den vergangenen Jahrzehnten geführt wurden, in eine konstruktive und zukunfts- Kilian Ponert Ich war nach der Schauspiel- Charakteristikum eines großen Stadttheaters schule lange beim Kinder- und Jugendthea- zählt, dass verschiedene Kunstbegriffe unter einem Theater willst du arbeiten? rassistische Diskriminierungen gegeben. Was hat das für das Haus bedeutet? weisende Praxis zu gießen. Ich beobachte im Nachgang, dass viele Menschen am Haus ter, und daher kenne ich es, dass viele Nach- dieses Dach D’haus gehören. Die haben ein gespräche angeboten werden. Das ist einfach gemeinsames Grundverständnis, aber unter- Meine Antwort war: In einem Stefan Fischer-Fels Es war eine Erschüt- sehr stark daran glauben, dass wir gemein- terung, wie ich sie am Theater seit Langem sam einen neuen Raum gestalten können. eine Bereicherung. Das sind die Leute, schiedliche Stoßrichtungen. Die wiederum Theater in Unruhe. In Unruhe, nicht erlebt habe. Es war ein Innehalten und Das andere, was mir die Situation gezeigt beeinflusst, sich immer neu ordnend für die wir es machen. Man könnte auch liegen in der Direktheit der Erzählung. Wenn Überprüfen, was ich bin am Theater und was hat, ist das vehemente Interesse am Ereignis überlegen, ob schon vorher, bei den Proben, wir auf der Großen Bühne mit »Volksfeind ich möchte mit anderen Menschen am Thea- selbst und an seiner Veröffentlichung. und neue Verbindungen knüpfend.« ein Testpublikum da sein könnte. for Future« oder auf dem Platz mit »Ist mein ter. Es hat mich dazu geführt, dass ich von Wie viele Leute sich an uns gewandt haben, Mikro an?« Stoffe machen, die ganz direkt dem einzelnen Fall zur Frage gekommen bin: was das für Wellen geschlagen hat, hat mir Habt ihr einen neuen Impuls, mit dem ihr Menschen ansprechen, hat das einen akti- Wie wollen wir in Zukunft produzieren? gezeigt, wie wichtig das Theater für viele als Künstler*innen an den Neustart geht? vistischen Hintergrund. Wenn wir aber »Ein Lea Ruckpaul, Schauspielerin Wilfried Schulz Es hat einen gelehrt, dass Menschen ist. Das war ein schönes Gefühl. Hat sich eure Arbeit politisiert? Traumspiel« machen, wo eine merkwürdige man stärker aufeinander aufpassen und mit Bassam Ghazi Ich bin in meiner An- Lea Ruckpaul Der Impuls hat sich nicht Welt gezeigt wird, die viel mit unserem einer größeren Aufmerksamkeit durch das näherung ans D’haus genau in die Zeit dieser verändert. Mir ging es schon immer um emotionalen Zustand zu tun hat, dann ist Mit der Frage des Postkolonialismus, des Armut bedroht sind. Klassismus spielt dabei Haus, durch die Kunst und durch das Leben Vorfälle geraten. Das hat sehr viel in Gang Empathie und Kommunikation. Das ist jetzt der Grad der Verschlüsselung viel größer. Rassismus. Das auf eine sehr scharfe und eine große Rolle. gehen muss. Dadurch, dass wir uns in der gebracht. Will ich das und halte ich das auch noch wichtiger geworden. Und unartig und Ich möchte gerne ein Theater leiten, in dem gleichzeitig warmherzige Weise – indem sie Birgit Lengers Neben den Inhalten geht Theaterproduktion permanent mit gesell- aus? In einem Haus, in dem es gerade so mutig sein. es ein gemeinsames Bewusstsein einer gro- die Menschen genau betrachtet. Zwischen es auch um ganz neue Formate und Arbeits- schaftlichen Themen und Schicksalen von viel Unruhe gibt? Ich habe mich dann dafür Kilian Ponert Die Mischung macht’s. Auf ßen gesellschaftlichen Verantwortung und diesen beiden Polen oszilliert der Spielplan: weisen. Wir werden in einem Residenzpro- Menschen beschäftigen, sitzt man der Täu- entschieden, weil ich an eine ermutigende der Bühne Geschichten zu erzählen, das ist einer großen Öffnung in die Gesellschaft Stoffe, die von weit weg zu uns kommen, gramm drei Kollektive, das Tanzkollektiv schung auf, dass wir scheinbar unanfecht- Solidarität glaube. Audre Lorde sagt: wunderschön. Gerade nach dieser Zeit ist das hinein gibt, aber in dem viele Formen des die wir ergründen durch eine Transfor- nutrospektiv und die Theaterkollektive bare Spezialisten für menschliches Miteinan- »Nicht Unterschiede lähmen uns, sondern ein großes Anliegen von mir. Vielleicht war Theaters sprechen dürfen. mationsleistung. Und andererseits Stoffe, Turbo Pascal und cobratheater.cobra, einla- derumgehen sind. Ich sage das selbstkritisch, Schweigen.« Für mich bedeutet die Unruhe, es vor der Pandemie eher noch das Politische. die uns direkt hineinziehen in eine Blase, den, sich einen Monat lang mit der Stadt und auch ein bisschen selbstironisch. Denn das genau dieses Schweigen zu durchbrechen, Das kann aber auch sehr gut zusammen Die sich auch wiedersprechen dürfen? die hier vor der Haustür ist. Und in dieser dem D’haus künstlerisch auseinanderzu ist eine große Illusion. Wir lernen im Mo- in eine Befragung der Strukturen reinzu- funktionieren. Wilfried Schulz Kunst muss nicht recht Blase müssen wir uns verhalten. setzen. Dabei wollen wir durch ihre Perspek- ment, dass wir natürlich genauso mitten in gehen. Und eine Einladung auszusprechen, Bernadette Sonnenbichler Ich denke, haben. Es gibt in unserer Gesellschaft so viele Stefan Fischer-Fels Wir haben in der tive beide neu entdecken und herausfinden, der Gesellschaft stehen und genauso anfällig diese Befragung bei uns selbst zu starten. es lohnt sich immer, über das Verhältnis Bereiche, die renditeorientiert, die leistungs- Krise erlebt, dass es gut ist, wenn wir raus- wie kollektives Arbeiten gelingt. Auch die sind und dass auch wir uns die Fortschritte von Kunst und Politik, von Kunst und ihrer orientiert sind, in denen man keine Fehler gehen, auf die Menschen zugehen. Darauf Veranstaltungen des Café Eden, wie bisher und das bessere Zusammenleben der Gesell- Das Interview führten Marion Troja, Funktionalisierung nachzudenken. Kunst machen darf. In denen man nicht Unrecht reagiert der Spielplan mit »Der überaus kuratiert von Veronika Gerhard, werden nun schaft erkämpfen und erarbeiten müssen. stellvertretende Leiterin Kommunikation, kann sehr viel leisten. Aber den Zauber und haben darf. Das große Privileg von Kunst ist, starke Willibald« open air auf dem Gustaf- Teil des Stadt:Kollektivs sein. Und das nicht nur in der Auseinanderset- und Chefdramaturg Robert Koall. die Schönheit von Kunst macht aus, dass sie dass sie auch schweifen kann, suchen kann, Gründgens-Platz, mit »Der Schimmelreiter« zung mit anderen nach außen, sondern auch eben nicht unbedingt einer gesellschaftlichen Fragen stellen kann. Mit Vergnügen schei- und mit »Der Mann, der eine Blume sein Frage in die Runde: Was fehlt euch in diesem in der Auseinandersetzung mit uns selbst. Funktionalisierung dienen muss. tern kann und spielerische Elemente bis hin wollte« auf Einladung an verschiedenen Spielplan? Lea Ruckpaul Ich habe mich gefragt: In Stefan Fischer-Fels Zwischen Aktivis- zur Unverantwortlichkeit ermöglichen. Auf Orten in der Stadt. Wir leisten uns den Luxus Guy Dermosessian Ich möchte ihn er- was für einem Theater willst du überhaupt mus und Kunst gibt es keinen Widerspruch, der Basis, dass man sich in Würde, mit einem eines Abendspielplans im Jungen Schauspiel gänzen. Aus der Tradition der monatlichen noch arbeiten? Meine Antwort war: In einem wenn wir mehr und vielfältigere Menschen Bewusstsein von Menschenwürde begegnet mit einem fantastischen Theatermacher Reihe »Embracing Realities« heraus entsteht Theater in Unruhe. In Unruhe, beeinflusst, auf der Bühne und im Publikum einladen, und dass man eine bessere Zukunft sucht. wie Bonn Park, der uns die Inszenierung »Error«, eine Art Festivalformat zur Aus- sich immer neu ordnend und neue Verbin- 26 mitreden mitreden 27
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