Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...

Die Seite wird erstellt Levin Baur
 
WEITER LESEN
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Schauspiel — Junges Schauspiel
— Stadt:Kollektiv — www.dhaus.de

             miterleben
             mitmachen
             mitreden
             Die neue Theatersaison
             – alles in einem Heft
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Liebes Publikum,

                                                                           nach über einem Jahr Unstetigkeit und Pause stehen wir am Beginn einer neuen Spielzeit. Der Verlauf
                                                                           ist schwer vorauszusehen. Wir hoffen, dass wir zu einem normalen Rhythmus zurückfinden und Sinn
                                                                           und Daseinszweck des Düsseldorfer Schauspielhauses wieder erfüllen dürfen: Theaterkunst zu schaffen
                                                                           für Sie als Zuschauer*innen und lebendiger Ort in der Mitte der Stadt zu sein, Ort der Kunst und des
                                                                           Gespräches, der Sehnsucht und des Diskurses, der Begegnung und der Auseinandersetzung. Wir alle
                                                                           ahnen, dass sich unser Leben und die Kunst verändern werden, dass es ein Abwägen, vielleicht einen
                                                                           Konflikt geben wird zwischen dem, was wir mitnehmen wollen, und dem Neuen, dem wir uns stellen
                                                                           wollen. Das D’haus befindet sich nach seiner äußeren Sanierung und Modernisierung, die endlich und
                                                                           gut abgeschlossen ist, in einem Prozess der inneren Transformation: In einem Gespräch in der Mitte
                                                                           des Heftes erfahren Sie einiges darüber. Wir sind – in der Kunst und im richtigen Leben Teil einer
                                                                           gesellschaftlichen Entwicklung, die den Umgang miteinander, Arbeitsstrukturen und die Perspektiven
                                                                           dessen, was auf der Bühne verhandelt wird, hinterfragt. Auf diesen Weg laden wir Sie gerne ein und
                                                                           bitten Sie uns zu begleiten.
                                                                                Dieses Spielzeitheft führt Sie durch die Vielfalt unserer Produktionen in Schauspiel, Jungem
                                                                           Schauspiel und Stadt:Kollektiv. Das Stadt:Kollektiv, unsere neue Bürgerbühne unter der Leitung
                                                                           von Bassam Ghazi und Birgit Lengers, lädt ein, am Theater aktiv und mitspielend teilzunehmen.
                                                                           Sie werden im Spielplan neben vielen neuen Inszenierungen Produktionen sehen, die wir in den
                                                                           Zeiten der Pandemie fertiggestellt haben und die nicht zur Premiere kommen konnten. So entsteht ein
                                                                           außergewöhnlich reiches Programm zwischen neu gelesenen Klassikern wie »Minna von Barnhelm«,
    Wir laden Sie herzlich ein         Das Foyer des Düsseldorfer          »Macbeth«, »Maria Stuart« und neuen Stücken und Stoffen von Mithu Sanyal, Rainald Goetz,
    zum Open-Air-Theaterfest           Schauspielhauses ist                Bonn Park, Sibylle Berg und Anne Weber und mit Ensembleprojekten wie »Das Leben macht mir keine
    am 4. September von 15 bis         für Sie geöffnet – endlich!         Angst« (nach Maya Angelou), der Weltraumoper »Rückkehr zu den Sternen«, einem gemeinsamen
    18 Uhr. Stimmen Sie sich auf die   Ab 5. Oktober heißen wir Sie        »Making of Shakespeare« mit Spieler*innen aus Schauspiel, Jungem Schauspiel und Stadt:Kollektiv,
    neue Saison mit Szenen, Musik      dienstags bis freitags von 14 bis   einem »SpaceLab_version9finalFINAL.1crp« und »Working Class«, einer Stückentwicklung mit
    und Interviews ein und seien       18 Uhr herzlich willkommen im       Expert*innen der Arbeit. Am Ende der Spielzeit kehrt Robert Wilson mit »Dorian« nach Oscar Wilde
    Sie unser Gast. Auf dem neu        schönsten Freiraum der Stadt.       zurück, und aus der Open-Air-Bespielung des Theatervorplatzes wird eine Tradition werden.
    gestalteten Gustaf-Gründgens-      Mitten in der City bieten wir            Theater ist kein geschlossenes System. Verschiedenste künstlerische Sprachen und differente
    Platz hat die Künstlergruppe       ganz ohne Vorstellungsbesuch        Sichten auf die Welt sind nicht nur zugelassen, sondern gewollt. Gemeinsam ist ihnen die Suche
    raumlaborberlin eine spekta-       einen Ort zum Chillen, Lesen        nach einer Welt, in der wir miteinander leben wollen. Theater muss nicht recht haben. Es ist ein lautes
    kuläre Installation geschaffen.    und Arbeiten. Der Open Space        Nachdenken und Nachfühlen.
    Noch bis Oktober 2021 werden       im Foyer ist ein nichtkommer-
    die originalen Flugzeugteile       zieller Ort – öffentlich, mit       Wir freuen uns auf Begegnungen, auf Lebendigkeit und Nähe – und auf den Weg ins Offene.
    und die Tribüne für bis zu         WLAN und Panoramablick.
    500 Zuschauer*innen regel­         Das neu gegründete Stadt:Kol-       Ihre
    mäßig mit wechselndem              lektiv wird nach und nach
                                                                           Wilfried Schulz         Claudia Schmitz
    ­Programm bespielt.                künstlerische Impulse setzen.       Generalintendant        Kaufmännische Geschäftsführerin

                                                                                     miterleben    alle D’haus-Theater-
                                                                                                   inszenierungen auf
                                                                                                                               mitreden   Diskussionen,
                                                                                                                                          Diskurse und Reden
                                                                                                                                                                       mitmachen   eine Einladung an
                                                                                                                                                                                   die Menschen dieser
                                                                                                   unseren Bühnen und                     zu den wichtigen                         Stadt, sich aktiv
                                                                                                   an verschiedenen                       Themen unserer Zeit                      und künstlerisch zu

2                                                                                                                                                                                                        3
                                                                                                   Orten in der Stadt                     (Seiten: 22 – 25, 43 – 44)               beteiligen
                                                                                                   (Seiten: 4 – 16, 30 – 34)                                                       (Seiten: 38 – 41)
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Schauspiel                                                Schauspiel                           Junges Schauspiel                                        Stadt:Kollektiv
    Großes Haus, Gustaf-Gründgens-Platz 1                     Kleines Haus                         In der Münsterstraße 446, im Central und in der Stadt    Überall

    Orpheus steigt herab          Rückkehr zu                 Die Physiker                         Der überaus                     Das Leben macht          Das Tribunal
    von Tennessee Williams        den Sternen                 von Friedrich Dürrenmatt             starke Willibald                mir keine Angst          von Dawn King
    Regie: David Bösch            (Weltraumoper)              Regie: Robert Gerloff                von Willi Fährmann              Ensembleproduktion       Regie: Adrian Figueroa
    Premiere am 9.9.21            Regie: Bonn Park            Premiere am 15.9.21                  Für alle ab 6 Jahren            nach dem Gedicht         Uraufführung
                                  Musik: Ben Roessler                                              Regie: Robert Gerloff           von Maya Angelou         im Januar 2022
    Reich des Todes               Premiere im Februar 2022    Reality Check –                      Premiere am 13.8.21             Für alle ab 6 Jahren
    von Rainald Goetz                                         eine Verschwörungs-                                                  Regie: Liesbeth Coltof   Working Class
    Regie: Stefan Bachmann        Annette,                    simulation                           Bambi & Die Themen              Uraufführung             Eine Stückentwicklung mit
    Premiere am 23.9.21           ein Heldinnenepos           von Felix Krakau                     von Bonn Park                   im März 2022             Expert*innen der Arbeit
    — Eine Koproduktion mit       von Anne Weber              Uraufführung am 26.9.21              Für alle ab 15 Jahren                                    Regie: Bassam Ghazi
    dem Schauspiel Köln           Regie: Bernadette           Rundgang im öffentl. Raum            Regie: Bonn Park                Am liebsten              Premiere im April 2022
                                  ­Sonnenbichler                                                   Uraufführung am 11.9.21         mag ich Monster
    Die Nibelungen.                Premiere im März 2022      Die bitteren Tränen                                                  inspiriert von der       Stadt:Kollektiv:Residenzen
    Kriemhilds Rache                                          der Petra von Kant                   Der Mann, der eine              Graphic Novel            To Do or Not to Do –
    von Friedrich Hebbel          Making of Shakespeare       von R. W. Fassbinder                 Blume sein wollte               von Emil Ferris          Tätigkeiten einer Großstadt
    mit einem Nachspiel           Ein gemeinsames             Regie: David Bösch                   von Anja Tuckermann             Für alle ab 10 Jahren    mit Turbo Pascal
    von Lea Ruckpaul              Projekt von Schauspiel,     Premiere am 2.10.21                  Für alle ab 4 Jahren            Regie: Sara Ostertag     Premiere im Juni 2022
    Regie: Stephan Kimmig         Jungem Schauspiel                                                Regie: Fabian Rosonsky          Uraufführung
    Premiere am 1.10.21           und Stadt:Kollektiv         In den Gärten                        Uraufführung am 24.9.21         im Mai 2022              Tanzkollektiv
                                  Regie: Joanna Praml         oder Lysistrata Teil 2               Auf Ihre Einladung an                                    nutrospektiv
    Kleiner Mann –                Premiere im April 2022      von Sibylle Berg                     vielen Orten in der Stadt       SpaceLab_                mit Bahar Gökten,
    was nun?                                                  Regie: Christina Tscharyiski                                         version9final            Yeliz Pazar
    von Hans Fallada              Dorian                      Premiere im Oktober 2021             Liebe Kitty                     FINAL.1crp               im Oktober 2021
    Regie: Tilmann Köhler         von Darryl Pinckney                                              nach dem Romanentwurf           Ein Projekt von und      cobratheater.cobra
    Premiere am 8.10.21           nach Motiven                Identitti                            von Anne Frank                  mit dem Ensemble         mit Hieu Hoang,
                                  von Oscar Wilde             von Mithu Sanyal                     Für alle ab 10 Jahren           Für alle ab 12 Jahren
    Macbeth                                                                                                                                                 Thuy-Han Nguyen-Chi
                                  Regie: Robert Wilson        Regie: Kieran Joel                   Regie: Jan Gehler               Premiere im Juni 2022
    von William Shakespeare                                                                                                                                 im Januar /Februar 2022
                                  Uraufführung im Juni 2022   Uraufführung                         Uraufführung am 7.10.21
    Regie: Evgeny Titov                                       im November 2021                                                                              Die Veranstaltungen
    Premiere im                   Open Air                                                         Der Schimmelreiter
                                                                                                                                                            des Café Eden finden ab
    November 2021                 Eine Inszenierung           Orlando                              von Theodor Storm
                                                                                                                                                            jetzt im Rahmen des
                                  auf dem Gustaf-             von Virginia Woolf                   Für alle ab 12 Jahren
    Minna von Barnhelm                                                                                                                                      Stadt:Kollektivs unter dem
                                  Gründgens-Platz             Regie: André Kaczmarczyk             Regie: Juliane Kann
    von G. E. Lessing                                                                                                                                       Titel Stadt:Kollektiv:Eden
                                  Regie: Robert Gerloff       Premiere im Februar 2022             Premiere am 13.11.21
    Regie: Andreas Kriegenburg                                                                                                                              statt. Die Projektreihen,
                                  Premiere im Mai 2022                                             Auf Ihre Einladung an
    Premiere im                                               Der Zauberberg                                                                                kuratiert von Veronika
                                                                                                   vielen Orten in der Stadt
    Dezember 2021                                             von Thomas Mann                                                                               Gerhard, sind Tacheles!,
                                                              Mit den Studierenden                 A Christmas Carol                                        Shapes & Shades,
    Maria Stuart                                              des Schauspielstudios                von Charles Dickens                                      Democracy Lab,
    von Friedrich Schiller                                    Regie: Wolfgang Michalek             Für alle ab 6 Jahren                                     Augen in der Großstadt,
    Regie: Laura Linnenbaum                                   Premiere im März 2022                Regie: Mina Salehpour                                    Kinoki Video u. v. a.
    Premiere im Januar 2022                                                                        Premiere am 26.11.21
                                                                                                   Im Central

4                                                                                  miterleben   miterleben                                                                                5
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Schauspiel — Großes Haus
Orpheus steigt herab                  Reich des Todes                         Die Nibelungen.                      Kleiner Mann –                     Macbeth                             Minna von Barnhelm                   Maria Stuart                         Rückkehr zu
von Tennessee Williams                von Rainald Goetz —                     Kriemhilds Rache                     was nun?                           von William Shakespeare             von G. E. Lessing                    von Friedrich Schiller               den Sternen
                                      Eine Koproduktion mit                   von Friedrich Hebbel                 von Hans Fallada                                                                                                                                 (Weltraumoper)
Eine Kleinstadt im Süden              dem Schauspiel Köln                     — mit einem Nachspiel                                                   Angestachelt von den ebenso         Ein Paar in einer Zeit der Wir-      Selten rang Friedrich Schiller so    von Bonn Park
der USA gerät in Aufruhr: Im                                                  von Lea Ruckpaul                     »Anfang zweiter Monat.«            vielversprechenden wie rätsel-      ren, seit Monaten durch Krieg        leidenschaftlich um die Fragen,
Drugstore des todkranken Jabe         Das neue Stück von Rainald                                                   Damit beginnt völlig über-         haften Prophezeiungen dreier        voneinander getrennt, findet         die ihn ein Leben lang umtrie-       Im 23. Jahrhundert leben die
­Torrance erscheint der charis-       Goetz trägt im Titel ein Zitat aus      Was einmal Recht ist, muss           raschend der neue Lebens-          Hexen und geleitet von den          sich überraschend wieder – und       ben, wie in seinem Trauerspiel       Menschen in friedlicher Ko-
 matische Musiker Val Xavier.         dem Glaubensbekenntnis, es              Recht bleiben, und koste es die      abschnitt des jungen Paares        Einflüsterungen seiner Lady eb-     nichts ist wie zuvor. Bei ihm hat    »Maria Stuart« aus dem Jahr          existenz mit außerirdischen
 Mit seiner dunklen Vergangen-        heißt »Reich des Todes«. Dort-          ganze Welt. Nibelungentreue          Johannes Pinneberg und Emma        net sich der ehrgeizige Krieger     der Krieg Spuren hinterlassen,       1800, das zwei europäischen          Lebensformen. Ein Raumschiff
 heit, der Gitarre und der Schlan-    hin ist der Autor hinabgestiegen,       heißt, die rigorose Konsequenz       Mörschel, genannt Lämmchen.        Macbeth den Weg zum Thron.          er ist gekränkt an Leib und ­Seele   Herrscherinnen ein dichteri-         mit ein paar übrig gebliebenen
 genlederjacke zieht er die Frauen    in einen imaginierten Hades, wo         wichtiger zu nehmen, als eine        Die große Liebe verspricht         Dabei ist er durchaus bereit,       und sieht sich entehrt vor den       sches Denkmal setzt: hier die        Erdbewohner*innen an Bord
 des Ortes in seinen Bann. Vor        er sein Personal berichten lässt        Sache zu Ende zu denken.             das große Glück, die beiden        über Leichen zu gehen: Grau-        Augen der Gesellschaft. Doch         protestantische, unverheiratete      erkundet routinemäßig fremde
 allem Lady Torrance, Tochter         von einem Bruch in der Zivili-          Die Nibelungen deuten diesen         heiraten kurz entschlossen und     sam ermordet er den Schotten-       sie, Minna, ist nicht bereit, die    Königin Elisabeth I., unter          Welten, sucht bislang unent-
 eines italienischen Einwanderers     sationsgeschichte. Rainald              männlichen Wahn zu einem             freuen sich auf den Murkel.        könig Duncan im Schlaf. Doch        Liebe zu einem Menschen nach         deren kühl-reformorientier-          deckte Spezies und Zivilisa-
 und Frau des despotischen Jabe,      Goetz ist als Schriftsteller auch       vermeintlichen Akt der Selbst-       Dass das Gehalt wohl nicht zum     der Traum von der Macht währt       einem anderen Maßstab zu mes-        ter Herrschaft England eine          tionen, deren Existenz sich
 fühlt sich zu dem freiheitslie-      immer ein Chronist der Gegen-           bestimmung um. Sie gehen ohne        Leben reichen wird, blenden        nur kurz. Von Schuldgefühlen        sen als ihrem eigenen. Deshalb       Phase der Prosperität erlebt,        niemand hätte träumen lassen.
 benden jungen Mann hingezo-          wart und der jüngeren Vergan-           Zwang und mit Begeisterung           sie erst mal aus. Doch wie viel    und Wahnvorstellungen ge-           inszeniert Minna von Barnhelm        dort die extrovertierte Königin      In den unendlichen Weiten des
 gen. Die Chance, an seiner Seite     genheit, ein Autor, der die Zeit,       ins Verderben und nennen es          Druck, Angst und Demütigung        peinigt verfängt sich Macbeth       ein Spiel der Täuschungen, um        von Schottland Maria Stuart,         Alls sehen sich der Captain und
 aus der Umklammerung eines           die er beschreibt, umwandelt            Freiheit.                            kann ein Mensch ertragen?          in einem Netz aus Intrigen und      den Major von Tellheim zurück-       glaubenstreue Katholikin, An-        seine Crew mit dem schlecht-
 bigotten, fremdenfeindlichen         in seine künstlerische Interpre-              Ist es nicht skandalös,        Pinneberg hangelt sich von         Verrat. Noch schrecklichere         zugewinnen.                          hängerin der alten, mittelalter-     hin Unbekannten konfrontiert.
 Milieus zu entfliehen, ist zum       tation des eigentlich Geschehe-         dass diese Nibelungen, diese         einer prekären Anstellung          Morde folgen, aber kein noch so           Eines ist Lessings Drama       lichen Ordnung und berüchtigt        Die bombastische technische
 Greifen nah. Doch als Lady von       nen. In »Reich des Todes« ist es        Ge­sinnungsethiker der übels-        zur nächsten Entlassung, dem       großes Verbrechen vermag den        aus dem Jahr 1767 nicht: eine        für ihren Männerverschleiß.          Ausstattung des Raumschiffs
 der Verwicklung ihres ­Mannes        eine Geschichte des historischen        ten Sorte, die Messlatte dessen      immer drohenden sozialen           selbsternannten König vor           auftrumpfende Geschichte,            Hinter der G ­ egensätzlichkeit      mit Photonentorpedos und
 Jabe in den Brandanschlag            Niedergangs nach dem 11. Sep-           sind, was als deutsch zu gelten      Abstieg entgegen. Der Murkel       dem Abgrund der eigenen Seele       die sich in die Brust wirft – von    der beiden historischen              Energieschilden bietet, wenn
 erfährt, bei dem ihr Vater ums       tember 2001. Goetz und sein             hat? Und ist es nicht mindestens     ist herrlich, Emma ist die beste   zu retten.                          einem Lustspiel könnte man so        ­Persönlichkeiten erheben sich       überhaupt, nur schwachen
 Leben kam, sinnt sie auf Rache.      Personal aus Politikerinnen und         ebenso skandalös, dass der Satz      Frau auf der Welt, und doch              »Macbeth«, eine der           etwas erwarten. »Minna von            wie riesenhafte Schatten die        Schutz. Im Angesicht haar-
       »Ich habe nur ein großes       Strippenziehern, Soldatinnen            vom Recht, das Recht bleiben         findet der kleine Mann keinen      letzten großen Tragödien            Barnhelm«, eine der brillan-          Schiller’schen Gedanken, die        sträubender Begegnungen und
 Thema für alles, was ich schrei-     und Folterknechten, Juristen            müsse, für die Frauen im Stück       Platz in der Gesellschaft. »Sie    Shakespeares, ist vielleicht sein   testen Dramenerzählungen              Schiller’sche Philosophie:          einer völlig neuen Gefahrenlage
 be«, sagt Tennessee Williams,        und Geschundenen erzählen               nicht gilt? Dass sie verraten        werden schon sehen, was die in     dunkelstes Stück: Der Glaube        der deutschen Literatur, ist          Wie lassen sich Recht und           bleibt den Sternfahrer*innen
 »und das ist der zerstörerische      vom langen Schatten, den die            werden und verkauft, bis sie         zwei Jahren aus meinem Mann        des Individuums an die eigene       vielmehr ein tastendes Stück.         Gerechtigkeit angesichts der        nichts anderes übrig, als auf ihre
 Einfluss der Gesellschaft auf das    brennenden WTC-Türme war-               ihrerseits zur Konsequenz ge-        gemacht haben«, wird Emma          Handlungsmacht, an Wirk-            Wir sehen hier Figuren, die           Widersprüchlichkeit des             uralten menschlichen Kondi-
 sensible, unangepasste Indivi­       fen, in dessen Dunkelheit sich          zwungen werden, die da heißt:        am Ende sagen, »es wäre nicht      lichkeit und Wahrheit ist hier      einander nicht verdrängen,            Menschen durchsetzen? Wie ist       tionierungen zu vertrauen: auf
 duum.« Vor diesem Einfluss           Überwachungsstaat, Staatsfolter         »Was Unrecht ist, muss endlich       nötig gewesen, dass sie so auf     zutiefst erschüttert. Finstere      sondern die danach suchen,            es um die Freiheit des Einzel-      Besonnenheit, Zuversicht und
 versucht sich die Figur Val zu       und maßloser Machtmissbrauch            Unrecht genannt werden!«             ihm rumgetrampelt haben.«          Kräfte wirken in jedem einzel-      füreinander wertvoll zu sein.         nen bestellt? Was ist politische    genaue Beobachtungsgabe. Das
 schützen, indem sie ein radika-      Bahn brachen.                                 Regisseur Stephan Kimmig             Hans Fallada schreibt        nen Menschen, wiederholen           Die einander schützen wollen          Macht, und wo endet sie? Und        ist die Ultima Ratio, wenn es
 les Verständnis von Unabhän-               Es ist eine dunkle Ge-            verlegt den gespenstischen           seinen Erfolgsroman 1932 wäh-      sich in der Historie, finden sich   und bereit sind, dafür ver-           schließlich: In welchem Staat       gilt, das eigene Leben zu retten
 gigkeit vertritt. Doch seine Liebe   schichte einer jungen Vergan-           Nationalmythos der Deutschen         rend der Weltwirtschaftskrise,     in den gesellschaftlichen Struk-    schlungene – auch paradoxe –          wollen wir leben?                   und das Gleichgewicht in der
 zu Lady macht den modernen           genheit, die unsere Gegenwart           ins bürgerliche Wohnzimmer           als Armut und finanzielle Not      turen genauso wie in Bildern,       Wege zu nehmen.                             Am Düsseldorfer Schau-        Galaxie wiederherzustellen.
 Orpheus verwundbar: Um ihr           begründet hat, eine Erzählung           – und richtet den Fokus auf die      grassieren, und spricht damit      Fantasien und Erzählungen.                Andreas Kriegenburg,            spielhaus setzt Regisseurin               Autor und Regisseur Bonn
 zu helfen, muss er seine Ideale      von einem ungeheuerlichen               Frauen der Sage. Auf Kriemhild       den Menschen seiner Zeit aus             Regisseur Evgeny Titov        einer der renommiertesten             Laura Linnenbaum, die bereits       Park kreiert gemeinsam mit dem
 Stück für Stück aufgeben. Im         Bruch mit allem, was uns als Ge-        und Brunhild, die aus dem My-        der Seele. »Was nun?« Diese        verleiht in seiner Inszenierung     Regisseure des deutschsprachi-        für »Der zerbrochne Krug«           Komponisten Ben Roessler eine
 Mythos erreicht Orpheus die          sellschaft vermeintlich ausmacht        thos ausbrechen, um dem Wahn         Frage lässt Fallada im Roman       dem Bösen Gestalt und fragt         gen Theaters, wurde für seine         verantwortlich zeichnete,           nie da gewesene Weltraumoper
 Freigabe seiner Eurydike nur         – orientiert an der Realität und        des Mannes die Wut der Frau          offen. Historisch wurde sie mit    nach dem Irrationalen, das in       Arbeiten in Theater und Oper          diesen berühmtesten aller           mit seltsam vertrauten Held*in-
 unter der Bedingung, dass er         geworfen in die Goetz’sche              entgegenzusetzen. Kimmig, der        der Machtergreifung und dem        jedem von uns steckt. Ein Blick     vielfach ausgezeichnet. In Düs-       Königinnenkonflikte in Szene        nen. Ein Abenteuer im Geist der
 sich beim Aufstieg aus der Unter-    Assoziations- und Verknüp-              zu den prägenden Regisseuren         Siegeszug des Nationalsozia-       in die Tiefen der Psyche. Angst     seldorf inszenierte er zuletzt        – als Politthriller, als histori-   Aufklärung – der Aufklärung
 welt nicht umschaut. Val aber –      fungsmaschine, die virtuos und          seiner Generation gehört, in-        lismus beantwortet. Emma hin-      bestimmt diesen Blick – eine        Brechts »Dreigroschenoper«            sche Überhöhung und mit dem         über sich selbst, die alle Grenzen
 wie auch sein antikes Pendant        glasklar das Böse im Menschen           szenierte in Düsseldorf zuletzt      gegen glaubt unerschütterlich      Angst, die auch der größte Ty-      und Strindbergs »Ein Traum-           dringenden Anliegen, heraus-        überschreitet, ohne jemals die
 – schaut sich um, zögert im Mo-      als Konstante beschreibt.               Bergmans »Fanny und Alexan-          an die Liebe und daran, dass es    rann nicht überwinden kann.         spiel«, das pandemiebedingt           zupräparieren, was weibliche        Engstirnigkeit und das verlo-
 ment der Gefahr und fährt auf              Rainald Goetz zählt als           der«. Für seine Interpretation       irgendwann wieder aufwärts-                                            bisher noch nicht zu sehen war.       Macht und Herrschaft in einem       gene philanthropische Gefühl
                                                                                                                                                      Premiere im Nov 2021 —
 spektakuläre Weise zur Hölle.        Dramatiker und Autor zu                 der »Nibelungen« entstand in         geht.                              Schauspielhaus, Großes Haus — ­                                           patriarchalen System vermö-         ihrer irdischen Protagonist*in-
                                                                                                                                                      Regie: ­Evgeny Titov — ­Bühne:      Premiere im Dez 2021 —
 Tennessee Williams’ 1957 ur-         den prägenden literarischen             enger Zusammenarbeit mit der               Regie führt Tilmann          Etienne Pluss — Kostüm: Esther      Schauspielhaus, Großes Haus           gen. Mit den Schauspielerinnen      nen hinter sich zu lassen. Parks
 aufgeführtes Südstaatendrama         Stimmen der Gegenwart.                  Schauspielerin und Autorin Lea       ­Köhler, der zuletzt in Düssel-    Bialas — Musik: Moritz Wallmüller   — ­Regie und Bühne: ­Andreas          Minna Wündrich als Elisabeth        Arbeiten wurden mehrfach
                                                                                                                                                      — Video: Falko Herold — Drama­      ­Kriegenburg — Kostüm: ­
 besticht durch einen wilden Mix      2015 wurde er mit dem Georg-            Ruckpaul ein Nachspiel, das mit       dorf Shakespeares »Coriolan«      turgie: Janine Ortiz                 Andrea Schraad — Dramaturgie:        und Judith Bohle als Maria          ausgezeichnet. 2019 wählten ihn
                                                                                                                                                                                           Robert Koall
 aus archaischer Symbolik und         Büchner-Preis, dem wichtigs-            Hebbels Text im Dialog steht.         auf die Bühne gebracht hat.                                                                                 Stuart.                             die Kritiker*innen der Fachzeit-
 moderner Psychologie, kurz: ein      ten deutschen Literaturpreis,                                                                                                                                                                                                 schrift Theater heute zum Nach-
                                                                              Premiere am 1. Okt 2021 —            Premiere am 8. Okt 2021 — Schau-                                                                            Premiere im Jan 2022 —
 Stück gehobener Trivialliteratur.    ausgezeichnet. Regie führt              Schauspielhaus, Großes Haus —        spielhaus, Großes Haus — Regie:                                                                             ­Schauspielhaus, Großes Haus         wuchsregisseur des Jahres.
                                                                              Regie: Stephan Kimmig — Bühne:       Tilmann Köhler — ­Bühne: Karoly                                                                              — Regie: Laura Linnenbaum —
                                      Stefan Bachmann, Intendant am           Oliver Helf — Kostüm: Sigi Colpe —   Risz — Kostüm: Susanne Uhl —                                                                                 Bühne: Valentin Baumeister
­ remiere am 9. Sept 2021 — Schau-
P                                                                                                                                                                                                                                                                   Premiere im Feb 2022 — Schau-
spielhaus, Großes Haus — Regie:       Schauspiel Köln.​                       Musik: Nils Strunk — Dramaturgie:    ­Musik: Matthias Krieg — Drama­                                                                              — ­Kostüm: Ulrike Obermüller        spielhaus, Großes Haus — Regie
David Bösch — Bühne: Patrick                                                  Robert Koall                          turgie: Felicitas Zürcher                                                                                   — ­Musik: Fiete Wachholtz —         und Text: Bonn Park — Musik: Ben
Bannwart — ­Kostüm: Falko Herold      Premiere am 23. Sept 2021 —                                                                                                                                                               Drama­turgie: Janine Ortiz          Roessler — Bühne: Jana Wassong
— V­ ideo: ­Patrick Bannwart, Falko   Schauspielhaus, Großes Haus —                                                                                                                                                                                                 — Dramaturgie: Janine Ortiz
Herold — Dramaturgie: Janine Ortiz    Regie: Stefan Bachmann — B   ­ ühne:
                                      Olaf Altmann — K  ­ ostüm: Jana
                                      Findeklee, Joki Tewes — ­Musik:
                                      Sven Kaiser — C ­ horeografie: Sabina

6                                     Perry — Dramaturgie: Robert Koall
                                                                                                                                    miterleben        miterleben                                                                                                                                  7
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Jonas Friedrich Leonhardi
                            Eduard Lind
                                          Manuela Alphons
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Schauspiel — Großes Haus                                                                                         — Kleines Haus
Annette,                             Making of                          Dorian                                   Die Physiker
ein Heldinnenepos                    Shakespeare                        von Darryl Pinckney                      von Friedrich
von Anne Weber                       Ein gemeinsames                    (Text) und Robert ­Wilson                Dürrenmatt
                                     Projekt von Schauspiel,            (Visual Book) — nach
Gestatten: Annette, mit              Jungem Schauspiel                  Motiven von Oscar Wilde                  Dürrenmatts Drama – sein
bürgerlichem Namen Anne                                                                                          irrwitzigstes und schwärzestes
                                     und Stadt:Kollektiv
­Beaumanoir, geboren 1923 in                                            Robert Wilson, der den Anstoß            – handelt davon, dass die Erde
 der ­Bretagne, aufgewachsen         Diese Inszenierung beginnt         zu Pinckneys Text gegeben hat,           ein kostbarer, schützenswerter
 in einfachen Verhältnissen mit      wie alles im Theater: mit einer    entwickelt dazu eine suggestive          Ort ist. Davon, dass sie dem
 nichts weniger als der Über-        Fiktion. Wie es wäre, wenn sich    Bilderflut. Anders als in den            Wahnsinn anheimgefallen ist,
 zeugung, dass die Welt ein          zum ersten Mal Mitwirkende         figurenreichen Inszenierungen            dass die Verquickung von Markt
 gerechterer Ort sein sollte.        aller drei Sparten des D’haus      »Der Sandmann« und »Das                  und Macht zu einer Allvernich-
 Als die deutsche Wehrmacht          träfen, um für eine gemeinsam      Dschungelbuch« schafft er hier           tungsmaschine geworden ist;
 Frankreich besetzt, geht sie zur    entwickelte Inszenierung auf       ein Solo für den Schauspieler            dass eine Gegenwehr unmöglich
 Résistance und rettet Jugendli-     der Bühne zu stehen. Wie die       Christian Friedel.                       ist und doch die größte Sehn-
 che vor der Deportation – wo-       Mischung wäre aus Unsicher-                 Drei Geschichten, die           sucht bleibt. Es erzählt von
 für sie von Yad Vashem später       heit, Freude und Erwartungs-       des Romans »Das Bildnis des              einem »verlotterten Irrenhaus,
 den Ehrentitel »Gerechte unter      druck. Die Verabredung wäre,       ­Dorian Gray«, die der engli-            das vor ›blauen Bergen‹ steht«.
 den Völkern« erhält. Nach 1940      sich an einem der ganz großen       schen Malerikone Francis Bacon          Hierin leben drei ehemalige
 schließt sie sich der algerischen   Klassiker der Dramenliteratur       und die des Autors Oscar Wilde,         Physiker als Patienten. Doch
 Unabhängigkeitsbewegung             – Shakespeare – abzuarbeiten.       mehr oder weniger fiktiv und            alle spielen ihren Wahn nur vor:
 gegen die französische Kolo-        Aber die Meinungen, welches         zugleich voll tiefer Wahrheiten:        der eine, Möbius, weil er im
 nialmacht an und wird zu zehn       Stück es denn werden solle, gin-    Der US-amerikanische Autor              Besitz der Weltformel ist und
 Jahren Gefängnis verurteilt.        gen unter den Beteiligten rasch     Darryl Pinckney vereint sie zu          voller Angst, die Mächtigen der
 Annette, die es als ihren Auftrag   weit auseinander, denn jede*r       einem assoziativen Erzählfluss,         Erde könnten sie missbrauchen.
 versteht, »die Welt vor allen       brächte eine ganz eigene Sicht-     in dem sich Erinnerungen an             Die beiden anderen, weil sie
 Übeln zu bewahren und zu            weise mit, welcher Stoff im Jahr    ­Erlebtes, Reflexionen und Ge-          in Wahrheit Geheimagenten
 heilen«, flüchtet und verlässt      2022 auf die große Bühne ge-         fühle überlagern. Sein Dorian          sind, angesetzt auf Möbius von
 Frankreich und ihre Familie auf     hört und welcher nicht. Es geht      ist beides zugleich: Maler und         ebenjenen Mächtigen der Erde,
 unbestimmte Zeit.                   um nichts weniger als die Frage:     Modell, Dichter und Geliebter.         um seine Entdeckung zu miss-
         Anne Weber beschreibt       Warum spielen wir Theater?                  Der Maler Basil H
                                                                                                 ­ allward       brauchen.
 in »Annette« die reale Ge-          Und vor allem: Für wen?              ist wie besessen von dem jungen               »Eine Geschichte ist dann
 schichte der Französin Anne               Joanna Praml, geboren          Dorian Gray, der ihm Modell            zu Ende gedacht, wenn sie ihre
 ­Beauma­noir. Als modernes          1980, eröffnete 2016 mit »Ein        sitzt. In einer Laune wünscht          schlimmstmögliche Wendung
  Epos entwirft Weber Episoden       Sommernachtstraum« die               sich Dorian, dass das Gemälde          genommen hat«, schrieb
  aus einem gefährlichen, von        neu gegründete Bürgerbühne           statt seiner altern und er seine       ­Dürrenmatt. Hier exerziert
  Prinzipien der Humanität und       am D’haus. Die Inszenierung          Schönheit für immer behalten            er dieses Theorem durch und
  Solidarität geleiteten Leben       wurde zum NRW-Theatertref-           könne. Der Wunsch geht in               erzählt vom Menschheitswahn,
  und wirft dabei viele Fragen       fen 2017 eingeladen und für          Erfüllung und wird zum Fluch.           der darin liegt, dass unserer
  auf: Was treibt jemanden in den    den Deutschen Theaterpreis           — Der Maler Francis Bacon               Spezies mit ihrer unendlichen

                                                                                                                                                      Ali Aykar
  Widerstand? Welche Opfer           »Der Faust« in der Kategorie         überrascht den Kleinkriminellen         Neugier und ihrem Erkenntnis-
  verlangt ein solches Leben?        »Beste Regie« nominiert. Praml       George Dyer dabei, wie er in            drang auch die Gier, der Unter-
  Wie ist mit Zweifeln und Wut       inszenierte darüber hinaus u. a.     sein Atelier einbricht. Anstatt         werfungswille und der Eigen-
  umzugehen? Und nicht zu-           am Theater an der Parkaue,           die Polizei zu rufen, fordert er        sinn eingeschrieben sind. Was
  letzt: Wofür lohnt es sich zu      Berlin, am Deutschen Theater         ihn auf, ihm Modell zu sitzen.          darf gedacht werden, fragen
  ­kämpfen?                          Berlin und am Staatsschauspiel       Die beiden werden ein Paar.             die »Physiker«. Und wenn die
         Bernadette Sonnenbichler    Dresden. In dieser Spielzeit         Doch am Ende treiben diese              Antwort darauf ist: Alles! – zu
   hat am Düsseldorfer Schau-        arbeitet sie zum ersten Mal mit      Liebe und der Ruhm als Bacons           welchem Ende führt uns das?
   spielhaus bereits »Romeo und      den Ensembles des Schauspiel-        Modell Dyer in den Tod. —                     Robert Gerloff inszeniert
   Julia«, »Fabian oder Der Gang     hauses und des Jungen Schau-         Der Dichter Oscar Wilde ist             regelmäßig auf den Bühnen
   vor die Hunde« und zuletzt        spiels sowie mit Jugendlichen        dafür berühmt, dass er sein             des D’haus – zuletzt im Klei-

                                                                                                                                                          Lea Ruckpaul
   »Lulu« inszeniert und wird mit    des Stadt:Kollektivs zusammen.       Leben zur Kunst und die Kunst           nen Haus die Uraufführung
   dem Haus als Oberspielleiterin                                         zu seinem Leben gemacht hat.            von »Gott« von Ferdinand von
                                     Premiere im April 2022 —
   auch in Zukunft eng verbunden     Schauspielhaus, Großes Haus —        Er ist der Liebling der Londoner        Schirach.
                                     Regie: Joanna Praml — Bühne:         Gesellschaft – bis er wegen un-
   sein.                             Jana ­Denhoven — Kostüm:                                                    Premiere am 15. Sept 2021 —
                                     Franziska Sauer — Musik:             sittlicher Beziehungen zu einem        Schauspielhaus, Kleinen Haus
Premiere im März 2022 — Schau-       Hajo Wiesemann — Dramaturgie:
                                                                          Mann ins Gefängnis muss.               — Regie: Robert Gerloff — Bühne:
spielhaus, Großes Haus — Regie:      Robert Koall, Birgit Lengers                                                Maximilian Lindner — Kostüm:
Bernadette Sonnenbichler — Bühne:
                                                                                                                 Nina Kroschinske — Musik: Lila-Zoé
David ­Hohmann — Kostüm: Tanja                                          Uraufführung im Juni 2022 —              Krauß — Choreografie: Zoë Knights
Kramberger — Musik: Jacob Suske                                         Schauspielhaus, Großes Haus —
                                                                                                                 — Dramaturgie: Robert Koall
— Video: Hannah Dörr — Drama­                                           Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson
turgie: Sonja Szillinsky                                                — ­Co-Regie: Ann-­Christin ­Rommen
                                                                        — Mitarbeit Bühne: Stephanie ­Engeln
                                                                        — Mitarbeit Lichtdesign: Marcello
                                                                        Lumaca — ­Kostüm: Jacques ­Reynaud

10
                                                                        — Mitarbeit Kostüm: L­ ouise B. Vivier
                                                                        — Dramaturgie: Konrad Kuhn
                                                                                                                                   miterleben
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Fnot Taddese
Claudia Hübbecker

                                   Cennet Rüya Voß
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Minna Wündrich
                    Friederike Wagner
Wolfgang Michalek
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Schauspiel — Kleines Haus
                        Reality Check –                     Die bitteren Tränen                   In den Gärten oder                   Identitti
                        eine Verschwörungs-                 der Petra von Kant                    Lysistrata Teil 2                    von Mithu Sanyal
                        simulation                          von Rainer Werner                     von Sibylle Berg
                        von Felix Krakau —                  Fassbinder                                                                 Die Studentin Nivedita Anand
                        Rundgang im öffentl. Raum                                                 Was hat sie ausgemacht, die          alias Identitti bereichert ihre
                                                            »Ich glaub, der Mensch ist so         Liebe und die Beziehung zwi-         Leser*innen regelmäßig mit
                        Fake News und alternative           gemacht, dass er den andern           schen heterosexuellen Paaren,        klugen Posts auf ihrem Blog
                        Wahrheiten konstruieren             Menschen braucht, doch …              damals, als die Zeit noch von        über Sex and Race. Die theo-
                        Welten rund um unterirdische        hat er nicht gelernt, wie man         männlichen Allmachtsfantasien        retische Inspiration dafür hat
                        Höhlensysteme, Chemtrails und       zusammen ist.« Die Mode-              und verknöcherten Rollenbil-         sie bei niemand Geringerem
                        geheime Machteliten. Dabei          schöpferin Petra von Kant ist         dern bestimmt war? Eine Zeit,        als Saraswati erlernt, einer
                        sind Verschwörungserzählun-         erfolgreich, wohlhabend und           in der Männer Bernd hießen           renommierten Professorin für
                        gen keine harmlosen Sci-Fi-         einflussreich und sehnt sich          und angestrengt Hochzeit,            Postcolonial Studies an der
                        Märchen, sondern konkrete           nach dem Ende ihrer Ehe nach          Haus und Kind als Standard-          Heinrich-Heine-Universität in
                        Gefahren für das demokratische      einer neuen Liebe. Sie verguckt       werk des guten Lebens ver-           Düsseldorf, Ikone aller Debat-
                        Gemeinwesen. Faktenchecker          sich in das Model Karin Thimm,        walteten. Und was hat dazu           ten über Identität und beken-
                        wie das Recherchezentrum            lässt sie bei sich wohnen und         geführt, dass die Herren der         nende Person of Color.
                        Correctiv versuchen Falschmel-      verhilft ihr zu einer aussichts-      Schöpfung nun so gut wie aus-              Als Nivedita und Saraswa-
                        dungen und Desinformationen         reichen Karriere. Nach kurzer         gestorben sind? Diese Fragen         tis Anhänger*innen erfahren,
                        entgegenzuwirken. Correctiv ist     Zeit wird Petra betrogen und          stellt sich der Frauenverbund        dass Saraswati nicht Saraswati,
                        seit 2017 Teil des International    verlassen. Für sie beginnt eine       um Lysistrata. Denn sie, die         sondern eigentlich Sarah Vera
                        Fact-Checking Network, das          emotionale Höllenfahrt, in            Frauen, haben die Macht in           Tielmann heißt und weiß ist,
Sebastian Tessenow
                        2021 für den Friedensnobelpreis     der ihre Hilflosigkeit und Ver-       der Gesellschaft übernommen.         bricht eine Welt zusammen.
                        nominiert wurde.                    zweiflung in Gewalt, Über-            Gemeinsam mit Bernd, dem             Das Netz tobt, die PoC-Com-
                               In Zusammenarbeit            griffigkeit und Egomanie um           vielleicht letzten Überlebenden      munity wirft ihr kulturelle
                        mit Correctiv entwickelt der        schlagen und die sie zu einer         einer alten Welt männlicher          Aneignung vor, und nicht
                        Regisseur Felix Krakau eine         Abrechnung mit ihrem engsten          Vorherrschaft, streift Lysistrata    wenige fordern ihre Entlas-
                        Verschwörungssimulation im          familiären Umfeld treibt.             durch die Gärten der Vergan-         sung. Nivedita ist im Innersten
                        Düsseldorfer Stadtraum. Die         Rainer Werner ­Fassbinders            genheit. Dort begegnen die           ­getroffen. Sie stellt ihre Profes-
                        Zuschauer*innen begeben sich        stark autobiografisch geprägtes       beiden archaischen Paarbezie-         sorin zur Rede und ringt mit ihr
                        als eine Gruppe von Proband*in-     Stück »Die bitteren Tränen der        hungen, Männern mit verun-            um Antworten. Die entschei-
                        nen einer groß angelegten           Petra von Kant« aus dem Jahr          sicherten Egos und Frauen mit         dende Frage dabei lautet: Wenn
                        Studie der Agency for Legal         1971 zeichnet eine Welt der           unerfüllten Sehnsüchten.              Geschlecht fluid sein kann,
                        Interception of Conspiracy          Dekadenz, der Herrschsucht,                 Pointiert, bissig und           warum nicht auch die eigene
                        Elements auf die Spur eines         der Leidenschaft und der Ver-         überaus komisch wandeln die           Herkunft?
                        Komplotts. Dabei ist es ein Mord    letzlichkeit – es behandelt die       Figuren um Lysistrata und                  »Identitti« ist der erste
                        am helllichten Tag, der Rätsel      Fragen, wie eine Amour fou            Bernd in Sibylle Bergs »In den        Roman der Journalistin und
                        aufgibt und die Proband*innen       über die Klassenschranken ge-         Gärten« durch die Krisen und          Kulturwissenschaftlerin Mithu
                        durch Hofgarten und Etablisse-      staltet wird und ob es möglich        Herausforderungen der binären         Sanyal, die sich darin furios,
                        ments hinein in eine unsichtbare    ist, einen Menschen zu lieben,        Geschlechterbeziehungen.              humorvoll und scharfzüngig
                        Welt führt. »Wenn nichts wahr       ohne ihn besitzen zu können.          Gemeinsam mit dem Ensemble            mit Identität, ­Repräsentation,
                        ist, dann ist alles Spektakel«,           Der Regisseur David Bösch       sucht Regisseurin Christina           weißen Privilegien und
    André Kaczmarczyk

                        sagt der Historiker Timothy         begibt sich mit dem Ensemble          Tscharyiski nach der Fragilität       strukturellem Rassismus aus-
                        Snyder. Was aber ist Wahrheit?      auf eine sinnlich-intensive           bürgerlicher Versprechen und          einandersetzt. Ein lustvoller
                        Was für eine Sehnsucht tragen       Suche nach ebenjener Brüchig-         illustriert poetisch wie humor-       Parforceritt, der vielstimmig
                        wir in uns, in eine andere Reali-   keit bürgerlicher Moralvor-           voll den Entwurf einer matriar-       und perspektivenreich um die
                        tät ­einzutreten? Die Simulation    stellungen, den Phantasmen            chalen Gesellschaft, die sich mit     Aufarbeitung eines Identitäts-
                        lädt zu einer spekulativen          von Glück, Erfolg und Wohl-           der Frage konfrontiert sieht:         betrugs kreist.
                        Stadterkundung ein.                 stand und den Bedingungen,            Warum bringt uns eine Gegen-               Der Regisseur Kieran Joel
                               Regie führt Felix Krakau,    die ­notwendig sind, um sich          wart, in der das Patriarchat aus-     führt erstmals Regie am Düssel-
                        der am D’haus bereits »Jeff         in einer kapitalistischen Welt        gedient hat, nicht zwangsläufig       dorfer Schauspielhaus, zuvor
                        Koons«, »Peer Gynt« und             orientieren und verbinden zu          Zufriedenheit und Glück?              hat er u. a. in Nürnberg und
                        »O Fortuna! #1: You’ll never        können, ohne das eigene                                                     Bern inszeniert.
                                                                                                  ­ remiere im Okt 2021 —
                                                                                                  P
                        walk alone – Eine inszenierte       Begehren a­ bsolut zu setzen.         Schauspielhaus, Kleines Haus
                                                                                                                                       Uraufführung im Nov 2021 —
                                                                                                  — Regie: Christina ­Tscharyiski —
                        Ehrenrunde durch das Paul-                                                ­Bühne: Dominique ­Wiesbauer
                                                                                                                                       Schauspielhaus, Kleines Haus —
                                                            Premiere am 2. Okt 2021 —                                                  Regie: Kieran Joel — Bühne: Justus
                        Janes-Stadion« inszeniert hat.      ­Schauspielhaus, Kleines Haus          — Kostüm: Svenja Gassen —
                                                                                                                                       Saretz — Kostüm: Katharina Wilting
                                                             — Regie: David Bösch — Bühne:         Musik: Sven Bühler — Dramaturgie:
                        — Gefördert durch den Preis des      Patrick Bannwart — Kostüm und         Lynn Takeo Musiol
                                                                                                                                       — Musik: Lenny Mockridge — Video:
                                                                                                                                       ­Sebastian Pircher — Dramaturgie:
                        Körber Studio Junge Regie 2019       Video: Falko Herold — Dramaturgie:                                         Lynn Takeo Musiol
                                                             Lynn Takeo Musiol
                        Uraufführung am 26. Sept 2021
                        — Regie: Felix Krakau — Bühne:
                        ­Ansgar Prüwer — ­Kostüm: Jenny
                         Theisen — Musik: ­Thomas Klein
                         — Dramaturgie: Lynn Takeo Musiol

                        miterleben                                                                                                                                  17
Schauspiel - Junges Schauspiel - Stadt:Kollektiv - www.dhaus.de - miterleben mitmachen mitreden - Düsseldorfer ...
Hanna Werth
Schauspiel — Kleines Haus
Orlando                            Der Zauberberg
von Virginia Woolf                 von Thomas Mann

16. Jahrhundert: Der junge eng-    Thomas Manns »Der Zauber-
lische Lord Orlando, gebildet,     berg« beschreibt eine ent-
wortgewandt, Schriftsteller        schleunigte, abgeschlossene

                                                                                   Rainer Philippi
und Geliebter der Königin, fällt   Welt hoch in den Bergen in
nach einem rauschenden Fest in     einem Davoser Sanatorium.
Konstantinopel in einen mehr-      Wer sich hier aufhält, versucht
tägigen Schlaf und erwacht         die Schwächen des eigenen
als Frau. Fortan kaum alternd      Körpers zu überwinden, um
begibt sich Orlando auf eine       am Ende genesen in die Ge-
ereignisvolle Reise durch die      sellschaft zurückzukehren.
Jahrhunderte.                      Doch der Verführungskraft
      Virginia Woolf hat den       der Heilanstalt ist nur schwer
1928 erschienenen Roman ihrer      zu widerstehen. Eingebunden
Geliebten Victoria Sackville-      in die immer gleichen Tages-
West gewidmet. Mit Witz,           abläufe aus Untersuchungen,
Leichtigkeit, Poesie und schar-    Essen und Liegekuren haben
fer Beobachtungsgabe konzen­       die Bewohner*innen schnell die
triert sich Woolf auf Fragen von   Zeit vergessen. Ein für wenige
Identität, Geschlechterrollen,     Wochen geplanter Aufenthalt
Macht und Status und schildert     wächst sich auf mehrere Jahre
auch die Restriktionen, denen      aus. Draußen könnte ein Krieg
Frauen in unterschiedlichen        beginnen, sie würden es nicht
gesellschaftlichen Zusammen-       bemerken. Unter dem Deck-
hängen unterworfen waren –         mantel der Erkrankung haben
im Leben wie in den Künsten.       sie endlich Gelegenheit zu all
Dabei sei, wie Woolf in ihrem      dem, wofür draußen die Zeit
Essay »Ein Zimmer für sich         fehlt, zur Selbstbeschäftigung
allein« schreibt, »der andro­      und Zerstreuung und für
gyne Kopf« Orlandos ein uto-       die großen Fragen der mensch­
pischer Zustand. Sie fragt: Was    lichen Existenz, zu denen
bedeutet es, in einem Körper       der Gedanke an die eigene End-
zu leben, der ein Geschlecht       lichkeit geradewegs führt.
hat; Liebe zu machen, sich               In der Regie von En­
anzuziehen, ein Kind zu be-        semble­mitglied Wolfgang
kommen? Und: Wie gelingt           Michalek und mit einer Cho-
das alles, wenn man sich nicht     reografie von Bridget Petzold
einem Geschlecht zuordnen          stellt sich das Schauspiel­studio
lassen will?                       Düsseldorf erstmals dem
      Der Regisseur André          ­Publikum vor. Auch die Schau-
Kaczmarczyk, der zuletzt am         spielstudierenden der Hoch-
Düsseldorfer Schauspielhaus         schule für Musik und Theater
»Alice« als Musiktheater nach       »Felix Mendelssohn Bartholdy«
Lewis Carroll inszenierte,          Leipzig haben im vergangenen
wird den Roman gemeinsam            Jahr pandemiebedingt einen
mit dem Musiker Matts Johan         Zustand der Stagnation erlebt.
­Leenders auf die Bühne             Ein Jahr später als ursprünglich
 bringen.                           geplant kommen sie nun ans
                                    Düsseldorfer Schauspielhaus.

                                                                                            Florian Lange
Premiere im Feb 2022 —
­Schauspielhaus, Kleines Haus
                                   Premiere im März 2022 — Schau-
 — Regie: André K­ aczmarczyk —
                                   spielhaus, Kleines Haus — Regie:
 Musik: Matts Johan Leenders​ —
                                   ­Wolfgang Michalek — Choreografie:
 Bühne: Ansgar Prüwer — Drama-
                                    Bridget Petzold — Bühne: Susanne
 turgie: Lynn Takeo Musiol
                                    Hoffmann — K ­ ostüm: Jenny Theisen
                                    — Dramaturgie: Beret Evensen

18                                                    miterleben
Kilian Ponert
                         Thiemo Schwarz

Wolfgang Reinbacher
Burghart Klaußner

Moritz Führmann
                  Cathleen Baumann
Ein Schauspielhaus im Aufbruch — D’haus-Theatermacher*innen sprechen über
den Spielplan, die Lage nach Corona und die Folgen der Diskriminierungsvorfälle
am Haus. — Zu Wort kommen: ­Wilfried Schulz, Generalintendant —
Stefan ­Fischer-Fels, Künstlerischer Leiter Junges Schauspiel — Birgit Lengers,
Künstlerische ­Leiterin Stadt:Kollektiv — Bassam Ghazi, Künst­lerischer Leiter Stadt:­Kollektiv
— B­ ernadette Sonnenbichler, Regisseurin und Oberspielleiterin — Guy ­Dermosessian,
Diversitätsbeauftragter — Lea Ruckpaul, Schauspielerin — Kilian Ponert, Schauspieler

Kurze Runde zum Warmwerden – welches           Kinder und Jugendliche sind von der Pandemie  Bernadette Sonnenbichler, du bist schon seit     mir. Auch meine Stelle ist das Ergebnis eines    keit, über den Begriff und den Zustand der       die unter eurer Leitung Stadt:Kollektiv heißen
Wort möchtet ihr in der kommenden Spielzeit    in besonderer Weise betroffen. Was sind       Beginn der Intendanz dabei und kommst jetzt      Prozesses, der am Haus in Gang gesetzt           Gesellschaft nachzudenken, darüber, wie          wird. Was kann ein Stadt:Kollektiv, was ein
viel häufiger benutzen?                        aktuell die größten Herausforderungen im      doch noch einmal neu dazu – als Oberspiel-       wurde, bevor ich da war. Natürlich haben die     die Gesellschaft konstituiert ist, wie sie sich  Stadttheater und ein Kinder- und Jugend­
Kilian Ponert Toi, toi, toi!                   Theater für ein junges Publikum?              leiterin übernimmst du eine neue Aufgabe.        Entwicklungen im Theater oder im Diskurs         transformiert, was das für eine Transfor-        theater allein nicht können?
Birgit Lengers Weil es gerade so unpopu-       Stefan Fischer-Fels Die gleichen wie          Welche Türen würdest du gerne aufmachen?         über das Theater auch dazu beigetragen,          mation des Theaters bedeutet. Da hat sich        Birgit Lengers Was Stadt:Kollektiv und
lär ist: »digital«. Ich fände es wahnsinnig    vor der Pandemie, nur sieht man sie noch      Bernadette Sonnenbichler Oh, ganz                dass an unterschiedlichen Stellen im Haus        etwas beschleunigt. Stoffe und Arbeits-         Bürgerbühne ausmacht, ist, dass dort
schade, wenn wir wieder vernachlässigen,       schärfer: dass wir die Schulen immer wieder   viele. Corona war für mich eine Zeit des         ein viel größeres Bewusstsein, auch eine         weisen werden sehr viel intensiver befragt.     ­Theater nicht ausschließlich für die Men-
was wir entdeckt haben an Zugäng­lichkeiten    daran erinnern, dass kulturelle Bildung eine  Stillstands und auch der beruflichen Krise.      größere Lust entstanden ist, am Thema                                                             schen einer Stadt gemacht wird, sondern mit
auf verschiedenen Plattformen, aber auch an    tragende Säule der Gesamtbildung ist.         Ich habe Theater irgendwann total in Frage       Diversität zu arbeiten. Und natürlich hat die    Stefan Fischer-Fels, wie hat sich für dich die   ihnen. Dass dort partizipativ gearbeitet wird
Erweiterungen für die Theaterkunst.            Dass wir die Familien erinnern, dass sie eine gestellt. Und daraus entstand ein ganz schlei-   Veröffentlichung der rassistischen Vorfälle      Perspektive auf das Theater verändert?           und wir Menschen, ganz unterschiedliche
Bassam Ghazi Ich sehe euch in die Augen.       Verantwortung haben, ihren Kindern die        chender Impuls zur Erneuerung. Ich habe          im März dazu beigetragen, dass sich die          Stefan Fischer-Fels Im Theater für               Leute der Stadt, einladen, Kunst zu machen.
Stefan Fischer-Fels Awareness                  erste Berührung mit Kultur zu ermöglichen.    wieder ganz viel Lust bekommen, in der           angestoßenen Prozesse beschleunigt haben.        junges Publikum kommt eine große gesell-         Es geht aber nicht nur um eine Einladung
Guy Dermosessian Party                         Und dass wir Jugendliche von ihren Handys     Inszenierungsarbeit Neues auszuprobieren.        Und dementsprechend ist die Auseinander-         schaftliche Dringlichkeit dem generations-       zum Theaterspielen, sondern darum,
Bernadette Sonnenbichler Auf zu                wegholen und ins Theater bringen.             Andere Wege zu gehen in der Zusammen-            setzung mit der gesellschaftlichen Debatte       übergreifenden Dialog zu. Dass Jung und          mit theatralen Strategien Gesellschaft zu
neuen Ufern. Jetzt dann aber wirklich.                                                       arbeit mit dem Team, mit den Spieler*innen.      stärker ins Zentrum gerückt. Das stimmt          Alt nach der Pandemie im Gespräch bleiben entdecken und darzustellen und dabei ver-
Wilfried Schulz Präsenz und                    Wie hat es sich für das Ensemble angefühlt,   Mir ist noch mal klar geworden, welche           mich zuversichtlich.                             oder erst mal wieder ins Gespräch kommen. schiedene Kollektive zu bilden. Wir sind als
Gegenwärtigkeit                                nicht mit dem Publikum in Kontakt zu sein?    Stoffe ich eigentlich wichtig finde. Warum                                                        Zum Aushalten von Differenz kommt im             Theater in der Coronazeit ohne die direkte
Lea Ruckpaul Erklär mir noch mal               Lea Ruckpaul Ich habe die Generalprobe        Theater eine wirklich relevante Rolle            Nicht nur hier am Haus werden die Rolle          Kinder- und Jugendtheater noch das Ermuti- Begegnung mit dem Publikum ohne Dialog
ganz genau, was du meinst.                     von »Ein Traumspiel« noch vor dem ersten      spielen könnte jenseits von Unterhaltung         und die Bedeutung von Theater diskutiert.        gen hinzu. Das ist eine wesentliche Funk-        in so ein permanentes Senden gekommen.
                                               Lockdown geschafft. Das Gefühl danach         und Reflexion. Ganz konkret hier am Haus         Wilfried Schulz, hat sich dein Verständnis von   tion, die für mich das Theater für junges        Es fehlte die unmittelbare Resonanz,
Wilfried Schulz, an welchem Punkt steht das    war eigentlich Trauer. Dann gab es eine lange möchte ich jetzt erst mal die Tür aufmachen,     Theater, dein Blick auf die Institution Stadt-   Publikum hat. Ich komme gerade von einem der Dialog. Und hier setzen wir mit dem
Theater nach anderthalb Jahren Zwangspause?    Phase der Lähmung. Man wartet, es gibt        die da heißt: zuhören und reinwachsen.           theater in der jüngsten Zeit verändert?          Gespräch mit Künstler*innen aus Afrika,          Stadt:Kollektiv an. Viel rausgehen und
Wilfried Schulz Wir wollen, müssen,            einen Stillstand. Der Gedanke, wieder vor                                                      Wilfried Schulz Ich glaube, dass die             die in Düsseldorf zu Gast waren. Sie spra-       zuhören und zu ermitteln versuchen, was
können jetzt davon ausgehen, dass das Thea-    einem vollen Haus zu spielen, bereitet mir    Guy Dermosessian, du bist Diversitätsbeauf-      Grunddefinition für mich und für viele, mit      chen ganz deutlich aus, was ich mich fast        die Bedürfnisse sind, was gebraucht wird.
ter neu beginnt. Das ist ein merkwürdiges      große Lust – aber er macht mich auch ein      tragter am Haus und hast das D’haus in den       denen ich zusammenarbeite, nach wie vor          nicht zu sagen traue: dass wir eine Aufgabe      Bassam Ghazi Unsere Vision ist, ein
Gefühl. Ich glaube, dass uns alle diese Zeit   bisschen unsicher, weil es so lange her ist.  vergangenen zwei Jahren in unterschiedlichen     gültig ist. Für mich ist Theater ein Refle-      haben, die Gesellschaft zu verändern.            Stadt:Kollektiv mit unterschiedlichen Men-
nicht in Frieden gelassen hat, sondern dass    Kilian Ponert Ich bin in einer ziemlichen     Zuständen erlebt. Wie hast du es verändert,      xionsraum, in dem man mit ästhetischen           Und dass Kunst ein Mittel zum sozialen           schen und Gruppen aufzubauen, die sich in
Gedanken entstanden sind, die weit über        Luxusposition: Alle Stücke, die ich seit      und wie hat es auch deine Arbeit verändert?      Mitteln über Gesellschaft und Individuen         Wandel sein kann. Wenn ich das so höre,          eine gemeinsame künstlerische Praxis bege-
die Pandemie hinausgehen. Es wird nicht so     Corona gemacht habe, sind zur Premiere        Guy Dermosessian In den vergangenen              nachzudenken versucht. Man versucht,             fühle ich, dass mein Herz schlägt, und ich       ben, die sich mit dem D’haus identifizieren,
sein, dass morgen das Theater ganz anders      gekommen. Das waren insgesamt fünf, und       zwei Jahren hat sich die Sprache, mit der        Empathie aufzubringen und zu vermitteln,         sage: Ja, das finde ich auch.                    multipel in die Stadt ausstrahlen und sich
aussieht. Das kann und soll es nicht. Aber     ich hatte das Glück, jedes Mal vor Publikum wir kommunizieren, komplett verändert.             man versucht zu lernen, Differenz auszuhal-                                                       wie ein Sprachrohr mit uns verbinden. Das
ich glaube, dass eine Suche beginnt, dass es   zu spielen.                                   Die Themen, über die wir sprechen, die           ten, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzu-      Birgit Lengers und Bassam Ghazi, ihr über-       Foyer, das wir öffnen, und die Glastür hinten
neue Impulse gibt.                                                                           Komplexität, mit der wir über diese Themen       schlagen. Das ist gleich geblieben. Gestiegen    nehmt die dritte Sparte des Hauses, das ist die  zum Hofgarten symbolisieren diese Durch-
                                                                                             sprechen. Das liegt sicherlich nicht nur an      sind die Dringlichkeit und die Notwendig-        vor fünf Jahren gegründete Bürgerbühne,          lässigkeit für mich. Ich spüre eine enorme

24                                                                                                                            mitreden        mitreden                                                                                                                                25
Dankbarkeit für diese Begegnungsräume.         mit uns zu arbeiten und mit uns zusammen          Birgit Lengers Theater sollte Ambiguitäts-       »Bambi & Die Themen« schenken wird, in          einandersetzung mit aktuellen Frage-          dungen knüpfend. Denn man richtet sich
Ich würde sehr gerne auch Räume schaffen,      zu sein. Das ist hochpolitisch, und es ist an     toleranz trainieren. Eine Lust auf Unein-        der es auf eine sehr humorvolle und lakoni-     und Ausrufezeichen, die uns umgeben.          in diesem Theaterbetrieb ganz oft ein, man
die leistungsfreier sind. Wo wir ohne Zwang    der Zeit. Wir haben das in Deutschland zu         deutigkeit und Widersprüchlichkeit wecken.       sche Weise um die Sehnsucht nach einer le-      Mit verschiedenen Menschen aus Kunst, aus     fühlt sich in Sicherheit. Und dabei sieht
aufeinandertreffen können. Das würde ich       lange hinausgezögert. Wer steht auf der           Und genau das ist das Politische. Ein produk-    benswerten Zukunft geht. Das älteste Stück,     Wissenschaft und in diesem Jahr stark auch    man nicht, dass andere Menschen nicht in
mir auch sehr innerhalb unserer Strukturen     Bühne, welche Geschichten werden erzählt,         tives Rätsel für das Publikum, das macht für     »Der Schimmelreiter«, berührt mich gerade       aus dem Bereich Bildung.                      Sicherheit sind oder vielleicht gar nicht ge-
wünschen.                                      wer sitzt im Zuschauerraum?                       mich Kunst aus.                                  am meisten, wenn es darin darum geht, die       Lea Ruckpaul Ich hätte gerne mehr Stoffe,     sehen werden. Die Art und Weise, wie wir
                                               Guy Dermosessian Ich behaupte, dass                                                                Dämme abzudichten und neue zu bauen.            die aus der Perspektive von Frauen geschrie-  in diesem Haus in Unruhe gekommen sind,
Auch auf Ensembleseite ist viel nachgedacht    Schauspielkunst noch nie nicht politischer        Wie bildet sich das im aktuellen Spielplan ab?                                                   ben sind. Auch mehr queere Sichtweisen.       das hat mich unsicher gemacht, ich habe
worden. Wie seht ihr die Rolle der             Aktivismus war. Wenn Schauspielkunst              Wilfried Schulz Das Entfernte und Nahe,          Das ist gerade auch in den Theatern so ein      Und ich wünsche mir, dass die Stoffe, die da  auch Angst gehabt, das hat mich aber auch
Schauspieler*innen eines Stadttheaters?        jahrhundertelang bestimmte Körper und             das ist die Spannweite des Spielplans. Wir       Thema. Was können wir erhalten und was          sind, weniger repräsentativ besetzt werden.   mit einer ganz großen Euphorie erfüllt.
Lea Ruckpaul Ich war ja immer fest an-         bestimmte Identitäten und Geschlechter            eröffnen mit »Orpheus steigt herab«, einem       können wir verändern?                           Um zu spüren, dass die Freiheiten, auf der    Was das Miteinander angeht und was das
gestellt und habe es als unglaublich positiv   normiert hat, hat sie politische und gesell-      Stück von Tennessee Williams, das aus einer      Bassam Ghazi Wir haben zwei Linien:             Bühne mit Gender umzugehen, größer sind.      Kunst­machen angeht.
erlebt, einige Jahre in einer Stadt sein und   schaftliche Auswirkungen auf Verhaltens-          zeitlichen Entfernung zu uns kommt und           Die eine ist, den Klimawandel wieder in den     Ich wünsche mir bei dem, was geschrieben      Guy Dermosessian Die Erschütterung
die Menschen dort kennenlernen zu können. weisen und auf den Umgang mit Menschen                 die Enge in den Köpfen zeigt. Aber der wich-     Vordergrund zu rücken aus einer jungen,         wird, mehr Perspektiven von Menschen mit      war für mich persönlich nichts Überra-
Dass ein Team aus allen möglichen sozialen     und Menschengruppen gehabt. Ich würde             tigste Gedanke dabei ist, dass es die Sehn-      anklagenden und aktivistischen Perspek-         BIPoC-Hintergrund. Es geht mir sehr um        schendes. Allein dass die Kulturstiftung des
Kontexten aus vielen Städten sich zusam-       mir wünschen, dass diese Dichotomie nicht         sucht der Leute sieht, dieser Enge zu ent-       tive, die was verändern will. Unsere zweite     Repräsentation, weil ich jetzt zehn Jahre langBundes Stellen wie meine – also Diversitäts-
menfindet, um eine neue Perspektive auf        mehr thematisiert werden müsste. Das              weichen. Und dann gibt es ein Stück, einen       Linie setzt sich mit der postpandemischen       das Problem gehabt habe, dass ich mich ins    beauftragte – fördert, deutet doch darauf
diese Stadt zu werfen, dort zu leben und       Bewusstsein darüber, dass eine öffentliche        Roman, aus Düsseldorf, nämlich »Identitti«       Veränderung der Arbeitswelt und damit           Verhältnis setzen muss zu etwas, was ich als  hin, dass strukturelle Probleme existieren.
diese Stadt zu begreifen. Das ist eine Kom-    Institution wie ein Theater ein Ort gesamt-       von Mithu Sanyal. Sanyal beschäftigt sich        auch der Gesellschaft auseinander. Weniger      vergangenes Bild von Gesellschaft und vor     Nach wie vor. Aber: Ich habe das Gefühl,
petenz, die mir in der Arbeit fast ein wenig   gesellschaftlicher Debatten ist, platziert die    mit den gesellschaftlichen, politischen, auch    aus unserer Perspektive, sondern wirklich       allem als überkommenes Frauenbild em­         in den Debatten, die wir führen, an einem
zu kurz kommt. Ich wünsche mir viel mehr       Schauspielkunst sowieso in einen politischen      ideologischen Debatten, die uns umgeben.         aus der Perspektive von Menschen, die von       pfinde. Und wenn ich immer nur dabei bin,     vielversprechenden Punkt zu stehen. Und
Publikumsgespräche. Ich hatte während          Kontext. Sie da rauszuholen würde dem                                                                                                              mich zu Vergangenem ins Verhältnis zu set-    ich betrachte diese Zeit, dieses Ereignis als
der Coronazeit mit dem Freundeskreis des       Wunsch nach einem gesamtgesellschaft-                                                                                                              zen, kann ich nicht in die Zukunft arbeiten.  tatsächliche Chance, all die Diskussionen,
Theaters verschiedene Gespräche und habe
sie als extrem bereichernd empfunden.
                                               lichen Reflexionsraum widersprechen.
                                               Wilfried Schulz Ich glaube, dass es zum
                                                                                                       »Ich habe mich gefragt: In was für                                                         Am Düsseldorfer Schauspielhaus hat es
                                                                                                                                                                                                                                                die in den vergangenen Jahrzehnten geführt
                                                                                                                                                                                                                                                wurden, in eine konstruktive und zukunfts-
Kilian Ponert Ich war nach der Schauspiel- Charakteristikum eines großen Stadttheaters
schule lange beim Kinder- und Jugendthea-      zählt, dass verschiedene Kunstbegriffe unter
                                                                                                       einem Theater willst du arbeiten?                                                          rassistische Diskriminierungen gegeben.
                                                                                                                                                                                                  Was hat das für das Haus bedeutet?
                                                                                                                                                                                                                                                weisende Praxis zu gießen. Ich beobachte
                                                                                                                                                                                                                                                im Nachgang, dass viele Menschen am Haus
ter, und daher kenne ich es, dass viele Nach- dieses Dach D’haus gehören. Die haben ein
gespräche angeboten werden. Das ist einfach gemeinsames Grundverständnis, aber unter-
                                                                                                       Meine Antwort war: In einem                                                                Stefan Fischer-Fels Es war eine Erschüt- sehr stark daran glauben, dass wir gemein-
                                                                                                                                                                                                  terung, wie ich sie am Theater seit Langem    sam einen neuen Raum gestalten können.
eine Bereicherung. Das sind die ­Leute,        schiedliche Stoßrichtungen. Die wiederum                Theater in Unruhe. In Unruhe,                                                              nicht erlebt habe. Es war ein Innehalten und Das andere, was mir die Situation gezeigt

                                                                                                       beeinflusst, sich immer neu ordnend
für die wir es machen. Man könnte auch         liegen in der Direktheit der Erzählung. Wenn                                                                                                       Überprüfen, was ich bin am Theater und was hat, ist das vehemente Interesse am ­Ereignis
überlegen, ob schon vorher, bei den Proben, wir auf der Großen Bühne mit »Volksfeind                                                                                                              ich möchte mit anderen Menschen am Thea- selbst und an seiner Veröffentlichung.

                                                                                                       und neue Verbindungen knüpfend.«
ein Testpublikum da sein könnte.               for Future« oder auf dem Platz mit »Ist mein                                                                                                       ter. Es hat mich dazu geführt, dass ich von   Wie viele Leute sich an uns gewandt haben,
                                               Mikro an?« Stoffe machen, die ganz direkt                                                                                                          dem einzelnen Fall zur Frage gekommen bin: was das für Wellen geschlagen hat, hat mir
Habt ihr einen neuen Impuls, mit dem ihr       Menschen ansprechen, hat das einen akti-                                                                                                           Wie wollen wir in Zukunft produzieren?        gezeigt, wie wichtig das Theater für viele
als Künstler*innen an den Neustart geht?       vistischen Hintergrund. Wenn wir aber »Ein              Lea Ruckpaul, Schauspielerin                                                               Wilfried Schulz Es hat einen gelehrt, dass Menschen ist. Das war ein schönes Gefühl.
Hat sich eure Arbeit politisiert?              Traumspiel« machen, wo eine merkwürdige                                                                                                            man stärker aufeinander aufpassen und mit     Bassam Ghazi Ich bin in meiner An-
Lea Ruckpaul Der Impuls hat sich nicht         Welt gezeigt wird, die viel mit unserem                                                                                                            einer größeren Aufmerksamkeit durch das       näherung ans D’haus genau in die Zeit dieser
verändert. Mir ging es schon immer um          emotionalen Zustand zu tun hat, dann ist          Mit der Frage des Postkolonialismus, des          Armut bedroht sind. Klassismus spielt dabei    Haus, durch die Kunst und durch das Leben Vorfälle geraten. Das hat sehr viel in Gang
Empathie und Kommunikation. Das ist jetzt der Grad der Verschlüsselung viel größer.              Rassismus. Das auf eine sehr scharfe und          eine große Rolle.                              gehen muss. Dadurch, dass wir uns in der      gebracht. Will ich das und halte ich das auch
noch wichtiger geworden. Und unartig und       Ich möchte gerne ein Theater leiten, in dem       gleichzeitig warmherzige Weise – indem sie        Birgit Lengers Neben den Inhalten geht         Theaterproduktion permanent mit gesell-       aus? In einem Haus, in dem es gerade so
mutig sein.                                    es ein gemeinsames Bewusstsein einer gro-         die Menschen genau betrachtet. Zwischen          es auch um ganz neue Formate und Arbeits-       schaftlichen Themen und Schicksalen von       viel Unruhe gibt? Ich habe mich dann dafür
Kilian Ponert Die Mischung macht’s. Auf        ßen gesellschaftlichen Verantwortung und          diesen beiden Polen oszilliert der Spielplan:    weisen. Wir werden in einem Residenzpro-        Menschen beschäftigen, sitzt man der Täu-     entschieden, weil ich an eine ermutigende
der Bühne Geschichten zu erzählen, das ist     einer großen Öffnung in die Gesellschaft          Stoffe, die von weit weg zu uns kommen,          gramm drei Kollektive, das Tanzkollektiv        schung auf, dass wir scheinbar unanfecht-     Solidarität glaube. Audre Lorde sagt:
wunderschön. Gerade nach dieser Zeit ist das hinein gibt, aber in dem viele Formen des           die wir ergründen durch eine Transfor-           nutrospektiv und die Theaterkollektive          bare Spezialisten für menschliches Miteinan- »Nicht Unterschiede lähmen uns, sondern
ein großes Anliegen von mir. Vielleicht war    Theaters sprechen dürfen.                         mationsleistung. Und andererseits Stoffe,        ­Turbo Pascal und cobratheater.cobra, einla-    derumgehen sind. Ich sage das selbstkritisch, Schweigen.« Für mich bedeutet die Unruhe,
es vor der Pandemie eher noch das Politische.                                                    die uns direkt hineinziehen in eine Blase,        den, sich einen Monat lang mit der Stadt und   auch ein bisschen selbstironisch. Denn das    genau dieses Schweigen zu durchbrechen,
Das kann aber auch sehr gut zusammen           Die sich auch wiedersprechen dürfen?              die hier vor der Haustür ist. Und in dieser       dem D’haus künstlerisch auseinanderzu­         ist eine große Illusion. Wir lernen im Mo-    in eine Befragung der Strukturen reinzu-
funktionieren.                                 Wilfried Schulz Kunst muss nicht recht            Blase müssen wir uns verhalten.                   setzen. Dabei wollen wir durch ihre Perspek-   ment, dass wir natürlich genauso mitten in    gehen. Und eine Einladung auszusprechen,
Bernadette Sonnenbichler Ich denke,            haben. Es gibt in unserer Gesellschaft so viele   Stefan Fischer-Fels Wir haben in der              tive beide neu entdecken und herausfinden,     der Gesellschaft stehen und genauso anfällig diese Befragung bei uns selbst zu starten.
es lohnt sich immer, über das Verhältnis       Bereiche, die renditeorientiert, die leistungs-   Krise erlebt, dass es gut ist, wenn wir raus-     wie kollektives Arbeiten gelingt. Auch die     sind und dass auch wir uns die Fortschritte
von Kunst und Politik, von Kunst und ihrer     orientiert sind, in denen man keine Fehler        gehen, auf die Menschen zugehen. Darauf           Veranstaltungen des Café Eden, wie bisher      und das bessere Zusammenleben der Gesell- Das Interview führten Marion Troja,
Funktionalisierung nachzudenken. Kunst         machen darf. In denen man nicht Unrecht           reagiert der Spielplan mit »Der überaus           kuratiert von Veronika Gerhard, werden nun     schaft erkämpfen und erarbeiten müssen.       stellvertretende Leiterin Kommunikation,
kann sehr viel leisten. Aber den Zauber und    haben darf. Das große Privileg von Kunst ist,     starke Willibald« open air auf dem Gustaf-        Teil des Stadt:Kollektivs sein.                Und das nicht nur in der Auseinanderset-      und Chefdramaturg Robert Koall.
die Schönheit von Kunst macht aus, dass sie    dass sie auch schweifen kann, suchen kann,        Gründgens-Platz, mit »Der Schimmelreiter«                                                        zung mit anderen nach außen, sondern auch
eben nicht unbedingt einer gesellschaft­lichen Fragen stellen kann. Mit Vergnügen schei-         und mit »Der Mann, der eine Blume sein           Frage in die Runde: Was fehlt euch in diesem    in der Auseinandersetzung mit uns selbst.
Funktionalisierung dienen muss.                tern kann und spielerische Elemente bis hin       wollte« auf Einladung an verschiedenen           Spielplan?                                      Lea Ruckpaul Ich habe mich gefragt: In
Stefan Fischer-Fels Zwischen Aktivis-          zur Unverantwortlichkeit ermöglichen. Auf         Orten in der Stadt. Wir leisten uns den Luxus    Guy Dermosessian Ich möchte ihn er-             was für einem Theater willst du überhaupt
mus und Kunst gibt es keinen Widerspruch,      der Basis, dass man sich in Würde, mit einem      eines Abendspielplans im Jungen Schauspiel       gänzen. Aus der Tradition der monatlichen       noch arbeiten? Meine Antwort war: In einem
wenn wir mehr und vielfältigere Menschen       Bewusstsein von Menschenwürde begegnet            mit einem fantastischen Theatermacher            Reihe »Embracing Realities« heraus entsteht     Theater in Unruhe. In Unruhe, beeinflusst,
auf der Bühne und im Publikum einladen,        und dass man eine bessere Zukunft sucht.          wie Bonn Park, der uns die Inszenierung          »Error«, eine Art Festivalformat zur Aus-       sich immer neu ordnend und neue Verbin-

26                                                                                                                                mitreden        mitreden                                                                                                                            27
Sie können auch lesen