Schulblatt Basler - TEILAUTONOME SCHULEN : GROSSES INTERVIEW MIT URS BUCHER - eduBS
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Nr. 3, Juni 2022 Basler Schulblatt TEILAUTONOME SCHULEN : GROSSES INTERVIEW MIT URS BUCHER DIE NEUE LEITERIN BERUFSBILDUNG IM PORTRÄT SCHULEN ÜBEN FÜR J+S-JUBILÄUMSCHOREO
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit GUTEN TAG INHALT SCHWERPUNKT 4 TEILAUTONOME SCHULEN – WAS HEISST DAS EIGENTLICH ? 4 « I CH HABE DEN EINDRUCK, WIR SIND AUF GUTEM WEG » INTERVIEW MIT VOLKSSCHULLEITER URS BUCHER 8 TEILAUTONOME SCHULEN – LEICHT ERKLÄRT EINE EINFÜHRUNG IN EINE KOMPLEXE MATERIE – ANHAND VON FAQS 13 « BASEL BEFINDET SICH IN EINER BESONDEREN POSITION » « DIE BISHERIGEN Wie gehen wir weiter mit der integrativen Schule ? Der Grundsatz ist für mich EXPERTE PIERRE TULOWITZKI BEURTEILT DIE TEILAUTONOMIE BEMÜHUNGEN REICHEN nach wie vor klar : Wo immer Integration möglich ist, ist sie der Separation vor- 14 « I M ALTEN SYSTEM WÜRDE DAS HEUTE KAUM MEHR FUNKTIONIEREN » NICHT AUS, UM DIE zuziehen. Die Integration möglichst vieler junger Menschen in die Regelschule CHRISTIAN GRISS UND DORIS ILG ERINNERN SICH AN FRÜHERE ZEITEN INTEGRATIVE SCHULE muss unser Weg und unser Ziel bleiben. FÜR ALLE GUT WIRKSAM Aber, was auch klar ist : Nicht für jedes Kind ist der integrative Weg der bes- EDIT WERDEN ZU LASSEN. » te. Und die Regelschule kann nicht jedes Kind integrieren. Unser Basler Modell 3 Guten Tag der integrativen Schule steht zurzeit an einem schwierigen Punkt. Denn seit ei- 22 Sie soll die Berufsbildung sichtbarer machen nigen Jahren besuchen deutlich mehr Schülerinnen und Schüler mit speziellem Anja Grönvold, neue Leiterin Berufsbildung, im Porträt Förderbedarf die Regelschule. Zwischen 2016/17 und dem laufenden Schuljahr hat 25 « Kultur kann so vieles bewirken » sich diese Zahl in Basel-Stadt mehr als verdoppelt : von 307 auf 640 Schülerinnen Projektleiterin Sarah Chaksad erläutert das Projekt « Kulturstunde » und Schüler. Der Anteil integrativ geschulter Kinder mit zusätzlichem Unterstüt- 28 Ein Jahr unterwegs … mit den Schulleitungen zungsbedarf ist damit von 2 auf 3,6 Prozent gestiegen. Die Zahlen zeigen deutlich : 31 Wer unterrichtet hier ? Eine Schülerin rät Der Unterstützungsbedarf ist gewachsen. 32 Recht schulisch Hinzu kommt, dass die wirksame Förderung von integrativ geschulten Schü- 33 Wer unterrichtet hier ? Die Auflösung ! lerinnen und Schülern nicht überall gleich gut funktioniert. Die Schule und der 34 Wir vom … Erlensträsschen Fortschritt im Unterricht leiden an vielen Orten. Viele von Ihnen, den Lehr- und 36 « Go Go – Chum und beweg di » Fachpersonen an den Standorten, fühlen sich manchmal ohnmächtig und in Ih- Basler Schulklassen beteiligen sich am Geburtstagsfest von J + S rer Selbstwirksamkeit eingeschränkt. Das darf nicht sein. Das Erziehungsdepartement war nicht untätig : An den Volksschulen haben wir in den vergangenen Jahren das logopädische Angebot weiter ausgebaut. Wir KANTONALE SCHULKONFERENZ haben zusätzliche Integrationsklassen eröffnet. Wir haben die spezifische Sprach- 38 Teilautonomie aus Sicht der KSBS förderung ( SSR-Modell ) aufgebaut. Und wir haben massive zusätzliche Ressour- cen für die Regelschulen erhalten. Das ist nicht wenig. FREIWILLIGE SCHULSYNODE Trotzdem stelle ich fest, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen, um 39 FSS-Standpunkt die integrative Schule für alle gut wirksam werden zu lassen. Wir brauchen struk- 40 Lehr- und Fachpersonenmangel turelle Anpassungen. Die Volksschulleitung unter der Leitung von Urs Bucher 42 FSS-Mitteilungen und ich haben das Thema « integrative Schule » deshalb zu unserer ersten Priori- 43 Bericht aus dem Grossen Rat tät erklärt. Basil Eckert, Co-Leiter des Schulpsychologischen Dienstes SPD, hat 44 Agenda FSS-Pensionierte den Auftrag, bisherige Massnahmen und Ressourcen zu prüfen, zu bündeln und konkrete Verbesserungen einzuleiten ( vgl. dazu das Porträt von Basil Eckert im PZ.BS Schulblatt 2/22 ). Lehr- und Fachpersonen werden in diese Arbeit ebenso einbe- 45 Zwei Buchtipps zogen wie die KSBS und weitere Gremien. Zunächst aber stehen die Sommerferien vor der Tür. Ich wünsche Ihnen eine EDIT gute und erholsame Zeit ! 46 Porträts der Gestalterinnen des Schwerpunktes und der Bildstrecke 47 Impressum Conradin Cramer, Vorsteher des Erziehungsdepartements 2 3
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt « ICH HABE DEN EINDRUCK, Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor al- Wo würden Sie sich von den Schulen eine WIR SIND AUF GUTEM WEG » lem eines : Teilautonomie ist – wie es das Wort noch aktivere Rolle wünschen ? Können Sie ja schon sagt – eine Teilautonomie und keine ein konkretes Beispiel dafür nennen ? vollständige Autonomie. Und wichtig ist auch, Natürlich würde ich es begrüssen, wenn die VOLKSSCHULLEITER URS BUCHER ZUM UMGANG MIT DER TEILAUTONOMIE dass es Teilautonomie in verschiedenen Berei- Schulen die grossen Freiheiten noch mehr nüt- AN DEN BASLER VOLKSSCHULEN chen gibt : im pädagogischen, im organisato- zen würden, die sich ihnen gerade im pädagogi- risch-personellen sowie im finanziellen Bereich. schen Bereich bieten. Der Lehrplan und die Fi- Interview von Peter Wittwer und Valentin Kressler nanzen setzen dem natürlich gewisse Grenzen. Wie lautet Ihr generelles Fazit nach Wie zum Beispiel die PS Isaak Iselin jüngst den rund einem Jahrzehnt Teilautonomie an vorhandenen Spielraum für ihr Zirkus Luna- den Basler Volksschulen ? Projekt genutzt hat, finde ich vorbildlich und Seit rund einem Jahrzehnt gibt es die Teil- Ein generelles Fazit zu ziehen ist schwierig, da mutig. Ich bin mir aber sehr wohl bewusst, dass autonomie an den Basler Volksschulen. Für ich ja erst seit zwei Jahren hier bin. Dennoch es dazu eine gewisse eingespielte Routine in ei- Volksschulleiter Urs Bucher sind die teil- stelle ich grosse Unterschiede zwischen den ner Schulleitung braucht. Es dauert erfahrungs- autonomen Schulen aktuell eines der wichti- Standorten fest, wie sie ihren Spielraum nut- gemäss etwa drei Jahre, bis jemand, der neu in gen Themen – und er wünscht sich, dass die zen. Sich zufrieden zurücklehnen kann man eine Schulleitung kommt, die Schule gut genug Schulleitungen die Teilautonomie noch mehr bei diesem Prozess, der nie abgeschlossen ist, kennt, um Projekte initiieren zu können. nutzen. Fühlt sich wohl in Basel : Der gebürtige natürlich nie. Ich habe aber den Eindruck, wir Luzerner Urs Bucher ist seit August 2020 sind auf einem guten Weg. Im Zuge der massi- Urs Bucher ( 57 ) ist seit bald zwei Jahren Leiter Leiter der Volksschulen. ven Umstellungen, die in den letzten Jahren im der Volksschulen im Erziehungsdepartement Rahmen der Schulharmonisierung nötig wa- des Kantons Basel-Stadt. Seinen Wechsel vom Warum ist Ihnen das Thema teilautonome ren, sind die Schulleitungen sicher professio- Kanton Schwyz, wo er zuvor Vorsteher des Am- Schulen persönlich so wichtig ? neller geworden und haben ihre Rolle gefunden. tes für Volksschulen und Sport war, nach Basel Das Thema teilautonome Schulen ist mir so hat der gebürtige Luzerner bisher nicht bereut. wichtig, weil es ein Führungsthema ist. Die Teil- Nehmen die Schulen die neuen Freiheiten, Er fühle sich sehr wohl in Basel, sagt er dem autonomie hat ganz viel mit Führung zu tun. die sie in pädagogischer, organisatorischer und Basler Schulblatt. « Es ist ein spannendes, her- Bei der Führung ist man auf eine gute Parti- finanzieller Hinsicht haben, aus Ihrer Sicht ausforderndes Umfeld, und ich habe sehr viele zipation angewiesen. Das bedeutet, dass sich genügend wahr ? tolle Leute um mich herum. » Die Zusammen- Freiheiten und Verantwortung im Gleichschritt Auch hier sehe ich natürlich grosse Unterschie- arbeit auf allen Ebenen sei zudem geprägt von entwickeln sollten. Und dabei spielt das The- de. Ich stelle jedoch mit Freude fest, dass viele « H ERAUSFORDERND UND SPANNEND » einer grossen, gegenseitigen Wertschätzung, ma Teilautonomie eben eine ganz zentrale Rolle. Schulen sich auf den Weg gemacht haben und sagt er. Und er habe noch einige Pläne, die er beispielsweise Schulentwicklungsprojekte an- « Teilautonomie muss gelebt werden, und ich persönlich finde es als Volksschulleiter gemeinsam mit den Schu- Operativer Auftrag Schule, strategischer gerissen haben, von denen andere später pro- herausfordernd und spannend, diese auszuloten. In pädagogi- len in Basel verwirklichen möchte. Auftrag Volksschulleitung ; Das Ziel und nicht fitieren können. Corona hat diesen Initiativen, schen Belangen ist der Spielraum gross. Unser Schulmodell mit Aktuell eines der wichtigen Themen für der Weg ist definiert ; Autonomer Gestal- mit denen sich die einzelnen Schulen profilie- Atelierunterricht und niveaugemischten Lerngruppen als Ergän- Bucher ist die Teilautonomie an den Basler tungsraum bei der Umsetzung von Minimal- ren können, leider einen argen Dämpfer ver- zung zu niveaugetrennten Klassen beweist, dass vieles möglich Volksschulen. Vor rund einem Jahrzehnt hat- standards – welche dieser Definitionen von setzt. Wenn du die letzten Kräfte mobilisieren ist. Das Konzept haben wir partizipativ mit dem Kollegium ent- ten die Schulleitungen und damit auch die Schulleitungen am Treffen im September 2021 musst, um nicht abzustürzen, um den Gipfel zu wickelt und haben uns damit bis an die Grenzen der rechtlichen einzelnen Standorte mit einer Reform mehr gefällt Ihnen am besten ? erreichen, kannst du währenddessen nicht die Vorgaben herangewagt. Bei der Totalsanierung des Gebäudes Kompetenzen erhalten. Im September 2021 Alle drei der von Ihnen genannten Definitio- Aussicht geniessen und dir überlegen, was man durften wir erleben, dass die nötigen baulichen Voraussetzun- organisierte Bucher einen Austausch mit den nen haben etwas für sich. Gerade die Corona- sonst noch machen könnte, um die Qualität der gen mitgetragen und unterstützt wurden. In andern Belangen Schulleitungen zu diesem Thema. Und bei sei- Pandemie hat allerdings gezeigt, dass sich die Schule zu verbessern. ist der Spielraum kleiner. Ich würde mich darüber freuen, wenn nen regelmässigen Besuchen bei den Schullei- Volksschulleitung manchmal nicht auf stra- wir so weit gehen dürften, dass Lehrpersonen in Arbeitsprozen- tungen vor Ort erkundigt er sich jeweils nach tegische Planung beschränken kann, sondern ten angestellt würden und nicht in Lektionen, wir die Arbeit am der Befindlichkeit – auch im Zusammenhang auch operativ dafür sorgen muss, dass an allen Standort anders denken und verteilen könnten. Da gäbe es noch mit ihrer Teilautonomie. Die grosse Mehrheit Schulen die gleichen Regeln gelten und einge- Entwicklungspotenzial. Im Bereich Finanzen gibt es klare, strik- der Schulen sei « relativ zufrieden » damit, sagt halten werden. te Vorgaben. Darüber ärgere ich mich nur noch selten, denn es er. Doch warum ist Volksschulleiter Bucher die- hat auch Vorteile, in geordneten Bahnen und nicht im offenen ses Thema so wichtig ? Und was sind eigentlich Gewässer zu schwimmen. » seine Ansichten dazu ? Das Basler Schulblatt hat ihn zu einem Interview getroffen. Tove Specker, Schulleiterin Sekundarschule Theobald Baerwart 4 5
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Wo nehmen Sie bei den Schulen am ehesten Am Treffen mit den Schulleitungen im Septem- Unzufriedenheit wahr ? Immer wieder ber 2021 war unter anderem auch die Forde- kritisiert wird etwa, dass die Fachstellen zu rung zu hören, Teilautonomie müsse unter dem Wäre es von daher nicht mehr zwingend, viel reinreden können und die Freiheit der Strich mehr Vorteile als bloss Mehraufwand dass nur diplomierte Lehrpersonen Schulleiter Schulen einschränken. generieren. Wie sehen Sie das ? werden können ? Diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht und Freiheiten sind immer auch mit Mehraufwand Vor Ihrem Amtsantritt war die Kommunika- Sie sprechen da die Zürcher Regelung an, zu der ich kann diese Kritik deshalb nicht nachvollzie- verbunden. Das liegt in der Natur der Sache. Die tion zwischen den Schulleitungen und der zwei Seelen in meiner Brust schlagen. Zum ei- hen. Die Fachstellen haben als Ziel, die Schullei- Teilautonomie ist für die Schulen also zwangs- Volksschulleitung ein Thema, auch in einem nen hat es sich dort gezeigt, dass sich vor allem tungen zu unterstützen und diese mit guten Ide- läufig mit Mehraufwand verbunden – meines Vorstoss im Grossen Rat. Wie beurteilen Personen, die nicht als Lehrperson, sondern auf en zu beliefern. Wenn einzelne Schulleitungen Erachtens ist dies aber ein sehr lohnenswerter Sie den Austausch heute ? Ist die Kommuni- andere Weise über Jahre mit dem Schulwesen in dies als Belästigung wahrnehmen sollten, dann Mehraufwand. Ich appelliere ans Unterneh- kation unterdessen besser geworden ? Verbindung gestanden sind, für die Übernahme müssen wir dies in der Volksschulleitung natür- mertum : Jede Schulleitung sollte sich auch et- Ich bin ja jetzt erst seit rund zwei Jahren im von Schulleitungsposten melden und sich dort lich ernst nehmen. Hilfe, die man nicht verlangt was als Unternehmer fühlen und schauen, dass Amt. Dieser Hinweis ist aber sicher berechtigt – auch bewähren. In Basel-Stadt sehe ich aber kei- hat, kann natürlich leicht einmal als Bevormun- an ihrer Schule etwas Gutes, Tolles entsteht. und beschäftigt mich ebenfalls sehr. Die Kom- nen politischen Willen für eine Öffnung in die- dung wahrgenommen werden. In den vergange- munikation ist tatsächlich eine der grössten He- se Richtung. Solange wir die Schulleitungen mit nen zwei Jahren habe ich aber den Eindruck ge- rausforderungen bei der Führung. Man muss qualifizierten Leuten mit pädagogischer Aus- wonnen, dass die Inputs der Fachstellen sowie sich dabei allerdings immer auch bewusst sein, bildung besetzen können, wird sich daran wohl der gesamten Volksschulleitung von den Schul- dass die Kommunikationsempfänger und die in nächster Zeit kaum etwas ändern. leitungen in der Regel geschätzt werden. Kommunikationssender unterschiedliche Be- dürfnisse haben. Diese sind erfahrungsgemäss Welche Ziele im Zusammenhang mit dem Anders gefragt : Wo interpretieren die Schulen nie deckungsgleich. Thema Teilautonomie haben Sie sich in die neuen Freiheiten zu offensiv ? Können Sie den nächsten Jahren ( sonst noch ) gesetzt ? auch hier ein konkretes Beispiel nennen ? Und : Ist die Kommunikation mit den Teilautonomie ist wie gesagt eine wichtige Vor- Dass die Schulen hier zu offensiv vorgehen, ist Schulleitungen besser geworden ? aussetzung, dass von der Basis her vieles auspro- eigentlich nicht der Fall. Die Schulleitungen Ich hoffe es, ja ! Wir sind jedenfalls bemüht, die biert werden kann, das dann unter dem Strich wissen ganz gut, wo ihre Grenzen sind. Es gibt Kommunikation stetig zu verbessern. Ich nen- zu einer Verbesserung der Schule als Ganzes ja gesetzliche Vorgaben. Und es gibt den Lehr- ne Ihnen ein Beispiel : Im Herbst 2020, kurz führt. Wir brauchen Leuchtturmprojekte, auf plan. Dieser ist die grosse Klammer und gibt nach meinem Amtsantritt, haben wir von Sei- die eine Schule stolz sein kann und die dann den Schulleitungen einiges vor. Das Gegenteil ten der Volksschulleitung einen Corona-News- Nachahmer finden. Nicht alles, was im Rahmen ist vielmehr der Fall : Ich würde mir wie gesagt « S EHR BEREICHERND » letter etabliert, in dem die wichtigsten Infor- der Teilautonomie ausprobiert wird, kann auf wünschen, dass die Schulleitungen in Bezug auf mationen zu diesem Thema gebündelt wurden. Anhieb gelingen und zu einem Leuchtturm für die Teilautonomie noch mehr Initiative ergrei- « A ls Schulleiter erlebe ich die Teilautonomie an unserem Stand- Aufgrund der dazu erhaltenen Rückmeldungen andere werden. Wichtig ist, dass Schulen den fen würden. ort als sehr bereichernd. Die meisten Prozesse sind definiert, ei- kann ich sagen : Diese Art der Kommunikation Mut aufbringen, den Spielraum, den sie haben, ne reiche Palette an Fachleuten steht uns zur Verfügung, um wurde sehr geschätzt. zu nutzen – es gibt auch so etwas wie erfolgrei- Sie outen sich als richtiger Fan der Teilautono- uns und unser System zu entlasten. Am besten gefällt mir aber ches Scheitern, das einen weiterbringen kann. mie. Diese hat doch auch Risiken. Sehen Sie der autonome Teil in meinem Aufgabenbereich. Schul- und Per- Die Schulleitungen benötigen eine pädago- beispielsweise nicht die grosse Gefahr, dass die sonalentwicklungsprozesse können spezifisch gestaltet werden. gische Ausbildung. Wäre eine Manager- Schulen mit der Zeit auseinanderdriften Wir können in unserem Tempo, mit unseren Ansprüchen und Ausbildung für ihre anspruchsvolle Aufgabe und es mit der Zeit zu grosse Unterschiede auf unsere Schulkultur abgestimmt Projekte umsetzen. So fin- nicht sinnvoller ? gibt zwischen den einzelnen Schulen ? den wir die Möglichkeit, den Charakter unseres Standortes zu Schulleitungen sind in einem System von teil- Diese Gefahr schätze ich nicht als besonders schärfen. autonomen Schulen Schlüsselfiguren. Neben gross ein. Die Mitglieder der Volksschulleitung Nehmen wir das aktuelle Beispiel des digitalen Wandels – wir pädagogischem Know-how ist bei ihnen ganz sind ja nah dran an den Schulen und bekom- können die Ziele, die Meilensteine, das Arbeitstempo und die stark auch die Fähigkeit gefragt, eine Organisa- men mit, was läuft. Natürlich braucht es an der Arbeitsform festlegen. Dazu dient uns, aber auch den anderen tion mit Dutzenden Mitarbeitenden zu führen. Volksschule einen einheitlichen Rahmen wie Standorten, ein Dokument mit Leitfragen, das uns zentral zur Diese Managementfähigkeiten erwerben sie in den Lehrplan, der dafür sorgt, dass das Ange- Verfügung gestellt worden ist. Das führt zu einem echten ge- der Schulleitungsausbildung, einem CAS an bot überall ähnlich ist. Jede Schule darf und soll lebten standortspezifischen Konzept. Vielleicht sollten wir uns der Pädagogischen Hochschule der Fachhoch- aber durchaus Alleinstellungsmerkmale entwi- noch offener über die teilautonomen Aspekte austauschen, und schule Nordwestschweiz. Zudem müssen alle ckeln. Dass sich nicht alle genau gleich entwi- in Finanzbereichen wäre noch mehr Spielraum schön. Auf jeden neuen Schulleitungen ein Assessment durch- ckeln, ist durchaus gewollt und eine Bereiche- Fall haben wir grossen Gefallen an all unseren Schulentwick- laufen. Anders als früher bleibt angesichts der rung. lungsvorhaben. » Personalverantwortung und der vielen anderen Führungsfragen wenig bis gar keine Zeit mehr, Tobias Binz, Schulleiter Sekundarschule St. Alban selbst zu unterrichten. 6 7
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt TEILAUTONOME SCHULEN – Wie hat sich die Leitungsorganisation verändert ? LEICHT ERKLÄRT Gestern Heute Ressortleitung Gestaltung Volksschule Ressortleitung Volksschulleitung EINE EINFÜHRUNG IN EINE KOMPLEXE MATERIE – ANHAND VON FAQS Controlling Schulen Inspektion Von Valentin Kressler und Peter Wittwer Rektorat Wer mag sich noch an die Zeiten erinnern, als es in Basel statt Schulleitun- Schulrat gen noch Rektorate und Inspektionen gab ? Kaum zu glauben, dass es erst ein gutes Jahrzehnt her ist, seit in Basel-Stadt die Organisation der Basler Schulhausleitung Gestaltung Volksschule Schulleitung Quartierkoordination KG Führung Schulbetrieb Volksschulen radikal umgestellt worden ist. Der dafür erforderlichen Schul- gesetzänderung gingen seinerzeit heftige politische Kontroversen voraus. Wie ist es zur Umstellung auf das System der teilautonomen Schulen in Ba- Mit der Reform wurden die bestehenden Schulhausleitungen an den Volksschu- sel-Stadt gekommen ? Und was hat sich dadurch verändert ? Die folgenden len zu Schulleitungen aufgewertet. Dazu wurden sie mit weitreichenden Kompe- elf FAQs, die auf einer Schrift des ehemaligen Volksschulleiters Pierre Fel- tenzen in pädagogischen, organisatorischen und finanziellen Fragen ausgestat- der basieren, liefern dazu Antworten. tet. Neu wurden sie einer Volksschulleitung unterstellt, die aus dem Zusammen- schluss der Rektorate gebildet wurde. In jedem Schulhaus gibt es seither zudem einen Schulrat, der anstelle der früheren Inspektionen eine direkte demokratische Kontrolle der Öffentlichkeit garantiert. Seit wann gibt es die Teilautonomie an den Basler Volksschulen ? Die Einführung erfolgte in Etappen : Auf der Sekundarstufe I ab Schuljahr 2009/10 und auf der Primarstufe ab Schuljahr 2011/12 ( in den Landgemeinden Riehen und Bettingen erfolgte die Einführung ein Jahr früher ). Der Einführung ging am 1. Juni 2008 eine kantonale Volksabstimmung voraus, da gegen den vom Grossen Rat 2007 verabschiedeten Ratschlag betreffend « Teilautonomie und Leitungen an der Volksschule. Änderung des Schulgesetzes » das Referendum ergriffen wurde. Die Schulgesetzänderung, die auch und gerade in Schulkreisen heftig umstritten war, wurde mit 52,5 Prozent Ja-Stimmen an der Urne angenommen. Das ebnete den Weg zur späteren Schulharmonisierung und zur Bildung des Bereichs Volks- Und die Berufs- und Mittelschulen ? schulen mit gut drei Dutzend teilautonomen Schulstandorten. Die oben geschilderte Reorganisation be- schränkte sich – wie dem Titel des Ratschlages « E IN EIGENES PROFIL » zur Schulgesetzrevision zu entnehmen ist – auf die Volksschule. An den weiterführenden Schu- « A ls teilautonome Schulleitungen haben wir die Aufgabe, un- len war, so Pierre Felder, « die Teilautonomie der Wer waren die treibenden Kräfte hinter seren Standort in pädagogischer, personeller, administrativer einzelnen Schulen schon vorher verwirklicht ». der Einführung in Basel-Stadt ? und organisatorischer Hinsicht zu leiten. Hierbei schätze ich Bereits unter dem Dach des umfassenden Res- Die Einführung der teilautonomen Schulen in Teilautonome Schulen – was heisst den Gestaltungsspielraum sehr. In Zusammenarbeit mit meiner sorts Schulen waren die Mittelschulen freier, ei- Basel-Stadt fiel in die Amtszeit von Regierungs- das eigentlich ? Co-Schulleitung und dem Kollegium haben wir die Chance, den gene Profile zu entwickeln. Zwar setzen auf der rat Christoph Eymann. Als führender Kopf hin- Einfach gesagt : Mit der Schulgesetzrevision eigenen Standort in der Kultur der Zusammenarbeit zu fördern Sekundarstufe II nationale Vorgaben wie die ter dieser Reform gilt allerdings der 2014 pen- von 2008 wurden viele Kompetenzen, die vor- und ihm durch Entwicklungsschwerpunkte ein eigenes Profil zu Berufsbildungsgesetzgebung oder die Maturi- sionierte Volksschulleiter Pierre Felder. Vor der her zentral von Stufenrektoraten und Inspek- geben und so Identifikation möglich zu machen. Dabei setzen tätsanerkennungsverordnung klare Grenzen. Volksabstimmung hat er als erster Leiter Volks- tionen unter dem Dach eines Ressorts Schulen wir uns zum Ziel, eine positive Lernumgebung für unsere Schü- Der kantonale Lehrplan und die Stundentafeln, schulen Basel-Stadt die wichtigsten Punkte in wahrgenommen wurden, auch auf der Primar- lerinnen und Schüler zu kreieren und unsere Entwicklungen re- die es beispielsweise den Gymnasien überlässt, einer ( für die komplizierte Materie sehr ver- und Sekundarstufe I hinunter an die einzelnen gelmässig zu evaluieren. Freiheiten hat man in solchen Prozessen wie sie die Gesamtlektionenzahl für die einzel- ständlichen ) 44-seitigen Schrift « Teilautono- Standorte verlagert. Die Lehrpersonenteams immer so viele, wie man sich innerhalb des vorgegebenen Rah- nen Fächer auf die Jahre verteilen wollen, lässt mie und Leitungen in der Volksschule von Ba- seien auf Freiräume angewiesen, um den ört- mens nimmt. Die standortspezifische Umsetzung der Digitali- den Mittelschulen aber deutlich mehr Spiel- sel-Stadt » festgehalten, auf die sich dieser Text lichen Gegebenheiten und den individuellen sierung hat uns beispielsweise eine Einbindung des Elternrats raum, als es der Lehrplan 21 oder die Stunden- im Wesentlichen abstützt. Bedürfnissen ihrer Schülerinnen und Schüler ermöglicht. Daraus resultierten dann Workshops für Eltern. Sol- tafeln auf der Volksschulstufe zulassen. gerecht zu werden, begründet Pierre Felder im che Möglichkeiten stärken das gegenseitige Verständnis. » Vorwort der Broschüre diese Kompetenzver- schiebung. Andrea Lindenmann, Schulleiterin Primarstufe Volta 8 9
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Warum sind die Schulleitungen so wichtig ? Was bringt den Schulen die Teilautonomie ? Die Einführung von Schulleitungen war das ei- « Die Regelung der Teilautonomie und die Stär- gentliche Kernstück der Reform. Sie legte den kung der Leitung im Schulhaus dienen dem Grundstein für den anschliessenden Prozess ausschliesslichen Zweck, das Lernen und das der Schulharmonisierung. In pädagogischen, Zusammenleben im Schulhaus zu optimieren » : organisatorischen und finanziellen Fragen Dieses Ziel hat Pierre Felder seinerzeit in sei- werden den professionalisierten Schulleitungen ner Broschüre postuliert. Er orientierte sich da- von Gesetzes wegen die notwendigen Kompe- bei am damals aktuellen Stand der Forschung : tenzen und Zeitressourcen eingeräumt, um ih- Der bekannte St. Galler Wirtschaftspädago- rer Schule zusammen mit dem Kollegium ein gik-Professor Rolf Dubs, der sich intensiv mit eigenständiges Profil zu verleihen. Die Schullei- dem Thema teilautonome Schulen befasst hat, tungen bestehen in der Regel aus zwei bis drei bezeichnete die basel-städtische Reform in ei- Leitungspersonen, die ihre Leitungsaufgaben nem Gutachten als « vom Grundsätzlichen her untereinander aufteilen. als durchdacht, gut und machbar ». Wie ist die Rollenverteilung im System der teilautonomen Schule geregelt ? Mit der Einführung der Teilautonomie wurde die operative Führung der Schul- häuser dezentralisiert und die strategische und operative Führung der gesamten Volksschule hingegen zentralisiert. Das alles diene dem Kerngedanken, das Ler- nen und das Zusammenleben in den einzelnen Schulhäusern zu optimieren, be- gründet Pierre Felder diese Gewichtsverlagerung. Was macht die Volksschulleitung ? Führungsaufgaben, die in anderen Kantonen bei den Gemeinde- behörden liegen, werden im Stadtkanton von der Volksschullei- tung wahrgenommen ( Die Primarschulen in den Landgemein- den Riehen und Bettingen nehmen hier eine Sonderstellung ein ). Auch teilautonome Schulen müssen eingebunden sein in eine Ordnung, die alle Schulhäuser und alle Stufen umfasst und kon- tinuierliche Schullaufbahnen sowie ein Höchstmass an Chan- cengerechtigkeit garantiert. Dafür ist die Volksschulleitung be- sorgt. Ihre Aufgabe ist es ausserdem, dafür zu sorgen, dass die Unterschiede nicht zu gross werden und die notwendigen Res- sourcen zur Verfügung stehen. Sie trägt die Verantwortung für das Budget der gesamten Volksschule, legt strategische und ope- rative Leitlinien fest und kann in Konfliktfällen als nächsthöhe- re Instanz angerufen werden. 10 11
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt « BASEL BEFINDET SICH IN EINER BESONDEREN POSITION » EXPERTE DER PH FHNW BEURTEILT DIE TEILAUTONOMIE AN DEN BASLER VOLKSSCHULEN Für was braucht es Schulräte ? Wie stehen die Basler Volksschulen in Sachen Teilautono- In jedem Schulhaus gibt es seit der Reform ei- mie im Vergleich mit den anderen Kantonen da ? Professor nen Schulrat. Dieser besteht jeweils aus gewähl- Pierre Tulowitzki, Leiter Professur Bildungsmanagement ten Vertreterinnen und Vertretern der Öffent- und Schulentwicklung am Institut Weiterbildung und Bera- lichkeit, der Eltern sowie der Schule. Er stellt tung der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule sicher, dass deren Interessen in die teilautono- Nordwestschweiz ( P H FHNW ) in Windisch, hat für das Basler me Gestaltung des Schulbetriebes einfliessen Schulblatt exklusiv eine kurze Einschätzung vorgenommen. und dient den Schulleitungen in erster Linie als Sparringspartner. Die Mitglieder des Schulra- « Die Basler Volksschulen befinden sich in Sachen Teilautonomie tes liefern den Schulleitungen und dem Kolle- im Bildungsraum Nordwestschweiz in einer besonderen Position. gium eine Aussensicht und ermöglichen so in Vor knapp einem Jahrzehnt wurden im Zuge der Anpassungen beratender und vermittelnder Funktion einen der Leitungsstrukturen die Einzelschulen und Leitungen vor Ort verstärkten Dialog zwischen Schule und Ge- grundsätzlich gestärkt. Gleichzeitig existiert in Basel-Stadt ne- sellschaft. ben der Schulleitung auch eine Stufenleitung, was sich auf die Handlungsspielräume der Einzelschule auswirkt und die Kom- plexität rund um Steuerungs- und Abstimmungsprozesse erhöht. Teilautonomie lässt sich auch über Ressourcenautonomie betrachten. Im Aargau können Schulleitungen diesbezüglich aufgrund einer Ressourcenzuteilung über differenzierte Schü- lerinnen- und Schülerpauschalen verbunden mit einem hohen Gestaltungsraum sehr frei entscheiden, wie sie die finanziellen Ressourcen einsetzen wollen. Im Vergleich dazu erscheint die Ressourcenautonomie der Schulleitungen in Basel-Stadt etwas beschränkter auszufallen, da Ressourcen in verschiedenen Bud- gets ( zum Beispiel Lektionenbudget, Budget für das Qualitäts- Aus dem Schulleitungsmonitor Schweiz 2021 wissen wir, dass management ) zugeteilt werden. die Möglichkeit als Schule sich pädagogisch weiterentwickeln zu können und neue Ideen erproben zu können, wichtige Motive bei der Berufswahl von Schulleitenden sind. Schulleitungen aus Ba- sel-Stadt haben die Bedeutung dieser beiden Motive sogar noch höher eingeschätzt als der gesamtschweizerische Durchschnitt Was hat sich für die Lehr- und Fachpersonen verändert ? der Befragten. Mit der Verlagerung von Kompetenzen an die Basis wurden auch die Einfluss- In der internationalen Forschung zu Schulsystemen gibt es möglichkeiten des Kollegiums im Schulhaus neu geregelt. Nach dem Vorbild der deutliche Hinweise darauf, dass eine verstärkte Autonomie der oberen Schulen wurden mit der Einführung der teilautonomen Schulen auch auf Einzelschule die Arbeitsbedingungen auf Schul- und Unterrichts- Volksschulstufe Schulkonferenzen etabliert. Die Schulkonferenz ist seither auch ebene positiv beeinflussen kann. Dies wiederum kann sich posi- an den obligatorischen Schulen das gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungs- und tiv auf die innerschulische Kooperation und die Leistungen der Austauschorgan einer einzelnen Schule. Sie wird von der Schulleitung vor allen Schülerinnen und Schüler auswirken. Auch können Schulen mit wichtigen Entscheidungen einbezogen und kann so ( unter dem Dach der Kan- höherer Teilautonomie sich in der Regel besser an die jeweiligen tonalen Schulkonferenz ) die Bedürfnisse der Lehr- und Fachpersonen direkt vor Bedingungen vor Ort anpassen. » Ort einbringen. www.schulleitungsmonitor.ch Redaktion : Valentin Kressler 12 13
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt Basler Schulblatt Nr. 3/2022 Schwerpunkt « IM ALTEN SYSTEM WÜRDE DAS Einig sind sich Griss und Ilg, dass die Schulen vor allem was den pädagogischen Bereich angeht, ihren Handlungsspielraum HEUTE KAUM FUNKTIONIEREN » durchaus noch stärker ausschöpfen könnten ( siehe dazu auch das Interview mit Volksschulleiter Urs Bucher ). Auch das Argu- ment, dazu fehlten die nötigen finanziellen Ressourcen, lassen CHRISTIAN GRISS UND DORIS ILG ERINNERN SICH AN DIE ZEIT, sie nur bedingt gelten. « Eine Schulleitung, die geschickt plant, ALS ES IN BASEL NOCH STUFENREKTORATE GAB hat finanziell durchaus einigen Spielraum, um etwas Neues aus- zuprobieren », ist Doris Ilg überzeugt. Am meisten Einschrän- Von Peter Wittwer kungen sehen die beiden im Personalbereich : Die Schulleitungen haben zwar die Kompetenz und den Auftrag, das richtige Perso- nal anzustellen. Personalrechtliche Vorgaben wie verpflichten- de Anstellungsverhältnisse und Arbeitszeitmodelle schränken ihren Handlungsspielraum aber in der Praxis stark ein. Das war schon früher so. ES WÄRE NOCH SPIELRAUM VORHANDEN… Eine grosse Gefahr, dass die teilautonomen Schulen auf ihrer Stufe zu einem Auseinanderdriften der einzelnen Standorte führen könnte, sehen beide nicht. « Auf der Primarstufe entwi- ckeln die Standorte durchaus eigene Profile. Da diese sich an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler des Einzugsge- SCHULLEITUNGEN SIND NÄHER DRAN biets orientieren, sehe ich hier keinen Konflikt mit dem Quar- Zumindest was die Primarstufe angeht, ist sie diesbezüglich tierschulprinzip, sondern Potenzial », sagt Doris Ilg. Auf der Se- sehr skeptisch : « Die integrative Schule und gesellschaftliche kundarstufe I habe sich die Zuteilungsproblematik im Vergleich Entwicklungen haben in den letzten Jahren zusätzliche Fach- zu den Vorgängerschulen OS und WBS schon etwas verschärft, personen in die Schulen gebracht. Mit der Einführung der Tages- räumt Christian Griss ein : « Heute vergleichen die Eltern na- « WAHNSINNIG ENTLASTEND » strukturen wurde ein Parallelbetrieb aufgebaut. Und der Anteil türlich mehr, welcher Standort für ihr Kind der richtige ist. Da der Lehrpersonen mit Teilzeitpensen hat stark zugenommen. Ich spielt es dann schon eine Rolle, ob man sein Kind beispielsweise « A ls Schulleitungsmitglied habe ich nie in einem anderen Modell glaube nicht, dass sich all das und noch einiges mehr heute noch an eine Atelierschule schicken möchte oder nicht. » Insgesamt als dem der teilautonomen Schule gearbeitet. Von daher kann ich ohne Schulleitungen vor Ort bewältigen liesse. » Das Zusammen- sind aber beide Volksschulleitungsmitglieder davon überzeugt, schlecht vergleichen, was wäre, wenn wir nicht weitgehend vor gehörigkeitsgefühl der Lehrpersonen einer Schulstufe über den dass die Klammer auf allen Stufen durch den Lehrplan und die Ort Entscheidungen treffen könnten, die für unseren Standort Standort hinaus habe mit der Umstellung zweifellos gelitten. Da- gesetzlichen Vorgaben stark genug ist, um eine noch etwas stär- stimmen. Dabei können wir in unserem Kanton auf ein gutes für habe das erklärte Ziel, die Leitung in die Schulen zu bringen, kere Profilierung der Standorte auszuhalten. Netzwerk von Unterstützungsleistungen zurückgreifen, die für Christian Griss und Doris Ilg sind die einzigen Mitglieder der punkto Schulentwicklung oder Unterrichtsqualität sicher eini- uns unter dem Strich eine wahnsinnige Entlastung bringen. Die aktuellen Volksschulleitung, die den Übergang zur teilauto- ges Positive in Bewegung gesetzt : « A ls Rektorin hatte ich rund Zusammenarbeit mit Fachstellen, aber auch anderen Stellen des nomen Schule in Basel als Leitungspersonen aktiv beglei- 500 Lehrpersonen unter mir, die ich alle mehr oder weniger per- Departements empfinde ich sehr konstruktiv. Als Bevormun- tet haben. Im Rückblick sind sich die beiden einig, dass ihr sönlich kannte. Wie sie unterrichten, wusste ich allerdings bei dung empfinde ich das nicht – gerade bei der Auswahl des Per- Leitungsjob im Vergleich zu der Zeit, als ihnen als Rektoren der grossen Mehrheit nicht. Denn anders als die Schulleitungen sonals sind wir immer freier, die Leute anzustellen, die zu uns noch hunderte Lehrpersonen direkt unterstellt waren, ein heute machte ich damals in der Regel nur Unterrichtsbesuche, passen. Im pädagogischen Bereich wird unsere Autonomie aller- ganz anderer geworden ist. wenn ein Konflikt auftauchte. » dings immer wieder etwas beschnitten, indem die Volksschullei- Ähnlich sieht dies, zumindest was das Thema Schulbesu- tung gewisse Themen wie etwa die Förderung des sprachbewuss- « Weil ich anfänglich der ganzen Umstellung eher kritisch ge- che angeht, bei Christian Griss aus. Auch er war mit rund 400 ten Unterrichts oder die Digitalisierung für alle Standorte als genüberstand, hat man mir den Wechsel immer wieder mit dem direktunterstellten Lehrpersonen an der WBS ( Weiterbildungs- prioritär erklärt hat. Wir sind dann gefordert, eine Balance zwi- Argument schmackhaft zu machen versucht : Nachher musst du schulen ) nicht so nahe dran am Unterricht wie heute die Schul- schen den eigenen gesetzten Schwerpunkten und den gesetzten weniger arbeiten. » Dieses Versprechen habe sich definitiv nicht leitungen. In der damaligen « Konferenz der Rektorinnen und Ansprüchen zu finden. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, so erfüllt, sagt Doris Ilg, die vor der Einführung von Schulleitun- Rektoren der mittleren Schulen » ( kurz KRMS ) war die Einfüh- würde ich mir bei den zusätzlichen Ressourcen insbesondere bei gen als Rektorin für die Primarschule ( damals noch ohne Kin- rung von Schulleitungen deshalb schon lange vor der Schulge- den verstärkten Massnahmen mehr Flexibilität wünschen. Hier dergärten ) zuständig war. Darauf angesprochen, was sich denn setzrevision ein Thema. Das führte dazu, dass die teilautonomen wird einiges von aussen gesteuert, und wir würden gerne mehr zum Guten ( oder eventuell auch zum Schlechten ) verändert ha- Schulleitungen auf seiner Stufe schon zwei Jahre vor den Primar- nach eigenem Gutdünken einsetzen können. » be, entgegnet sie postwendend : Dass die Fragen eher lauten müs- schulen etabliert wurden. Trotz all der unbestrittenen Vorteile, se : « Wäre das damalige System den vielen zusätzlichen Heraus- die diese Umstellung brachte, trauert er ein wenig den Zeiten Sandra Pichler, Schulleiterin Primarstufe St. Johann forderungen, die seit der Umstellung auf die Schulen zugekom- nach, « in denen vieles noch persönlicher war und die Abläufe men sind, überhaupt noch gewachsen ? » einfacher waren ». Umgekehrt fühle er sich aber auch entlastet, denn heute würden viele Probleme schon direkt vor Ort gelöst, bevor sie zu ihm kommen. 14 15
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit SIE SOLL DIE BERUFSBILDUNG SICHTBARER MACHEN SEIT ANFANG APRIL LEITET ANJA GRÖNVOLD NEU DIE WICHTIGE BERUFSBILDUNG Von Valentin Kressler Anja Grönvold, die neue Leiterin Berufsbil- zeit liest sie zudem gerne : « A lles, was mir in die dung und Berufsintegration im Erziehungs- Finger kommt. Von Belletristik über Krimis bis departement, will die Berufsbildung in Ba- hin zu Zeitungen. » sel-Stadt weiter stärken. Als langjährige Doch zurück zur Berufsbildung. Denn die- Mitarbeiterin der Wirtschaftskammer Ba- se ist ein heiss diskutiertes Dauerthema im selland kann sie bei ihrer herausfordernden Kanton Basel-Stadt. Nur knapp 20 Prozent der Aufgabe auf viel Erfahrung und ein gutes Schülerinnen und Schüler entscheiden sich im Netzwerk zurückgreifen. Stadtkanton nach der Sekundarstufe I direkt für die Berufliche Grundbildung, bei den Mädchen Ein regnerischer Frühlings-Nachmittag in Ba- ist der Anteil dabei deutlich tiefer als bei den sel. Anja Grönvold, seit wenigen Wochen neue Knaben. Hinzu kommt, dass der Anteil an Ab- Leiterin der Berufsbildung und Berufsinteg- schlüssen im Bereich der Beruflichen Grund- ration im Erziehungsdepartement Basel-Stadt, bildung in Basel-Stadt ebenfalls relativ tief ist kehrt gut gelaunt von einem Mittagessen in der – und damit für eine im kantonalen Vergleich Brasserie Au Violon zurück an die Leimenstras- niedrige Abschlussquote der Sekundarstufe II se. Zusammen mit Erziehungsdirektor Conra- verantwortlich ist. Die Stärkung der Berufsbil- din Cramer hat sie soeben ihren Vorgänger Re- dung ist dem Erziehungsdepartement und ins- né Diesch verabschiedet. Diesch habe ihr da- besondere Erziehungsdirektor Cramer deshalb bei ans Herz gelegt, bei der Berufsbildung die ein wichtiges Anliegen. Eine Berufslehre biete Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen gute Komponenten für eine berufliche Karrie- hinweg unbedingt weiter zu pflegen, erzählt re, sagte Cramer etwa im Oktober 2018 in einem Grönvold im Gespräch mit dem Schulblatt. Ei- Interview mit dem « Basler Gwärb », der Zeitung nen Rat, den sie selbstverständlich beherzigen des Gewerbeverbandes Basel-Stadt. Entschei- wolle. dend sei, dass alle Jugendlichen während der Schule umfassend über die tollen Möglichkei- DER « G RÜNE HÜGEL » ten der Berufsbildung informiert würden. « Es Bevor wir über die Berufsbildung sprechen, gilt muss uns gelingen, die Berufsbildung praktisch es jedoch zuerst eine andere Frage zu klären : und konkret zu vermitteln. » Woher kommt eigentlich der Name Grönvold ? Vom « Haus der Wirtschaft » an die Leimenstrasse : Anja Grönvold. Foto : Grischa Schwank Und was bedeutet er ? Grönvold bedeute « grü- ERFOLGSGESCHICHTEN AUFZEIGEN ner Hügel », erläutert die 42-jährige Anja Grön- Hier möchte auch Grönvold, die Ulrich Maier, vold. Ihr Vater komme von einer kleinen Insel dem Leiter Mittelschulen und Berufsbildung, bei der Frage nach der richtigen Ausbildung ei- wa die Spitzenköchin und Unternehmerin Tan- im Süden Norwegens, sie selbst sei schweize- unterstellt ist, anknüpfen. Nach erst wenigen ne Schlüsselrolle », sagt Grönvold. Ein anderer ja Grandits oder den ehemaligen FCB-Spieler risch-norwegische Doppelbürgerin. Verwurzelt Wochen an der Leimenstrasse ist es für sie na- Anknüpfungspunkt sind die Lehrpersonen an und Unternehmer Benjamin Huggel, gebe es ist sie aber in der Region Basel. Heute wohnt sie türlich noch zu früh für grosse strategische An- der Sekundarstufe I, welche die « berufliche dafür ja mehr als genug. zusammen mit ihrem Partner, dem gemeinsa- kündigungen. Und sie betont, dass im Bereich Orientierung » vermitteln. « Wir sollten uns Bei ihrer herausfordernden Aufgabe braucht men fünfjährigen Sohn und einem Australian der Berufsbildung in den vergangenen Jahren ständig fragen, inwiefern wir diese Lehrperso- Grönvold nicht bei null anzufangen. Sie kann Mini-Labradoodle in Aesch, wo sie auch aufge- schon viel gute Arbeit geleistet worden sei. Eini- nen bei ihrer Arbeit noch besser unterstützen auf viel Erfahrung und ein gutes Netzwerk zu- wachsen ist. ge Anknüpfungspunkte, um die Berufsbildung können », sagt Grönvold. rückgreifen. Vor ihrer Tätigkeit im Erziehungs- Vorher lebte sie längere Zeit im Kanton Basel- sichtbarer zu machen, sieht sie aber bereits jetzt : Generell gelte es, die Erfolgsgeschichten der departement leitete sie mehrere Jahre das Team Stadt. Sie selbst bezeichnet sich als « Familien- So könnten etwa in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildung noch besser aufzuzeigen. « Die der Berufs- und Weiterbildung der Wirtschafts- mensch » : « Ich bin sehr gerne mit meiner Fa- Bereich Volksschulen die Eltern der Schülerin- Berufsbildung ist keine Sackgasse. Im Gegenteil. kammer Baselland und war Ausbildungsver- milie zusammen und am liebsten draussen im nen und Schüler vermehrt sensibilisiert werden Mit der Berufslehre sind in der Schweiz ganz antwortliche im « Haus der Wirtschaft » in Garten oder sonst in der Natur. » In ihrer Frei- für dieses wichtige Thema. « Die Eltern spielen tolle Laufbahnen möglich. » Beispiele, wie et- Liestal. Zudem leitete sie die Geschäftsstel- 22 23
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit « KULTUR KANN le des KMU Lehrbetriebsverbundes des Wirt- schaftsverbandes, wo sie verantwortlich war VIELE AUFGABEN SO VIELES BEWIRKEN » für die Ausbildung von rund sechzig Lernen- vks. Die Abteilungen Berufsbildung und Berufsintegration den in den Partnerbetrieben. « Es galt, auch bei gehören zum Bereich Mittelschulen und Berufsbildung kleinen KMU das Verständnis dafür zu schaf- des Erziehungsdepartementes Basel-Stadt und vereinen fen, dass sie Ausbildungsplätze zur Verfügung eine breite Palette an Aufgaben : Die Berufsbildung be- PROJEKTLEITERIN SARAH CHAKSAD ERLÄUTERT stellen, und ihnen die Angst vor administrati- inhaltet zehn Berufsfachschulen und Fachstellen von der DAS PROJEKT « KULTURSTUNDE » ven Hürden zu nehmen. » Dank ihrer langjähri- Lehraufsicht über die Allgemeine Gewerbeschule bis hin gen Tätigkeit bei der Wirtschaftskammer habe zur Erwachsenenbildung. Die Berufsintegration besteht Interview von Valentin Kressler sie gute Kontakte insbesondere zu den anderen aus der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung, der Tri- Wirtschaftsverbänden der Region wie dem Ge- agestelle Gap – Casemanagement Berufsbildung und dem Ein interessantes Pilotprojekt fand im Schuljahr 2021/22 an der Primarstufe werbeverband Basel-Stadt, der Handelskammer Zentrum für Brückenangebote. Dreirosen und an der Primarstufe Thierstein statt : die Kulturstunde. Kultur- beider Basel und dem Arbeitgeberverband Ba- schaffende aus verschiedenen Sparten besuchten dabei einmal im Monat sel, aber auch zu den Verantwortlichen im Kan- die Schulen und gestalteten jeweils eine Stunde. Das Projekt ist dem Institut ton Basel-Landschaft. « Ich kenne bereits viele Entwicklung und Weiterbildung der Musik-Akademie Basel angegliedert und Leute und auch die Abläufe. » MEHRERE WECHSEL wird durch die Stiftung Levedo unterstützt, Projektleiterin ist die bekannte vks. An der Spitze des Bereichs Mittelschulen und Berufs- Jazzmusikerin und ehemalige Lehrerin Sarah Chaksad. Das Basler Schul- ABSCHLUSSQUOTE ERHÖHEN bildung des Erziehungsdepartementes Basel-Stadt ist es blatt sprach mit Sarah Chaksad und zog mit ihr eine erste Bilanz. Die neue Leiterin Berufsbildung und Berufs- in den vergangenen Monaten gleich zu mehreren perso- integration im Erziehungsdepartement lässt nellen Wechseln gekommen : Neben der Berufsbildung Um was geht es Ihnen mit dem Projekt Kulturstunde ? keine Zeit verstreichen. Diejenigen Ansprech- und Berufsintegration haben auch die Mittelschulen mit Bei der Kulturstunde geht es uns in erster Linie darum, möglichst allen Kindern personen, die sie noch nicht kennt, möchte sie Judith Hindermann und die Lehraufsicht mit Cristoforo einen niederschwelligen Zugang zu den unterschiedlichen Kultursparten zu er- möglichst rasch persönlich treffen. Den Berufs- Graziano neue Leitungen erhalten. Judith Hindermann, möglichen. Die Primarstufe ist der ideale Ort dafür. Hier können wir Kinder al- fachschulen in Basel-Stadt sowie den Fachstel- bisher Leiterin des Stabs Mittelschulen und Berufsbil- ler Gesellschaftsschichten und -gruppierungen erreichen und für die Vielfalt der len hat Grönvold, die an der Universität Basel dung, ist neu auch Stellvertreterin von Ulrich Maier, dem Kultur sensibilisieren. Wichtig ist uns neben der eigentlichen Präsentation der Sprachwissenschaften und Betriebswirtschaft Leiter Mittelschulen und Berufsbildung. eingeladenen Kulturschaffenden, dass sich die Schülerinnen und Schüler betei- studiert hat, bereits in den ersten Wochen ei- ligen können. Sie können Fragen stellen, mittanzen, mitsingen, zeichnen und nen Antrittsbesuch abgestattet. Der erste Ein- schreiben. druck sei sehr positiv, sagt sie. « Es ist auf allen Ebenen ein grosses Engagement spürbar, das über einen normalen Arbeitseinsatz hinaus- geht. Da ist viel Herzblut dabei. Das ist beein- druckend. » Dies wiederum sei eine gute Vor- aussetzung, um dem Ziel der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirekto- ren – die Abschlussquote der Sekundarstufe II von 85 Prozent ( 2019 ) auf 95 Prozent zu erhöhen – näher zu kommen. « Der Kanton Basel-Stadt bildet bei der Ab- schlussquote der Sekundarstufe II das Schluss- licht in der Deutschschweiz », sagt Grönvold, die nicht um den heissen Brei herumredet. « Wir müssen unsere Bemühungen deshalb noch weiter verstärken. Es muss uns gelingen, möglichst alle Jugendlichen an die Ausbildung heranzuführen, die am besten zu ihnen passt und bei der sie ihre Talente am besten entfalten können. » Sie sei sich natürlich bewusst, dass dies keine einfache Aufgabe sei, sagt Grönvold. SARAH CKAKSAD « Hier mitzuhelfen, ist aber auch eine Aufgabe, Sarah Ckaksad ( 38 ) ist Komponistin und Saxophonistin. Zu- Basel studiert. Sie hat verschiedene Musikprojekte realisiert die mich sehr motiviert. » Ihre Erfahrung und dem leitet sie den Jazzcampus Club Basel und ist Co-Leite- und mehrere Alben produziert. Seit Kurzem ist sie zudem ihr Netzwerk auf diesem Gebiet werden ihr und rin des Focusyear Programms am Jazzcampus Basel. Sarah Co-Präsidentin ad interim des Vereins Jazz-Live Basel, der dem Erziehungsdepartement dabei von Nutzen Chaksad ist in Wohlen aufgewachsen und hat an der Pädago- den Basler Jazzclub Bird’s Eye betreibt. Früher war sie auch sein. gischen Hochschule Bern und an der Hochschule für Musik als Lehrerin tätig. Foto : Laura Pleifer 24 25
Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit Basler Schulblatt Nr. 3/2022 EDit Ist eine Kulturstunde im Monat nicht zu wenig, um nachhaltig zu wirken ? Das ist tatsächlich eine gute Frage. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt mich sehr. Ich frage mich : Was können wir hier noch besser machen ? Wo sehen Sie diesbezüglich noch Optimierungspotenzial ? Wir stellen fest, dass das Projekt in seiner aktuellen Form sehr gut funktioniert, wenn die Lehrpersonen das von uns zur Verfügung gestellte Material für die Vor- und Nachbereitung auch nutzen. Dann ist die Kulturstunde für die Kinder eine Bereicherung, die über den Moment hinaus wirkt. Es ist aber zum Beispiel zu überlegen, ob wir den Schulen nicht noch vermehrt Material zur Verfügung stel- len sollten oder Themen aufgreifen und vertiefen sollten, die von den Lehrper- sonen bereits behandelt werden. Und apropos Skandinavien : Hier gibt es zusätz- lich auch noch Projekte, die einen Bogen über einen längeren Zeitraum spannen können, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Wie geht es mit Ihrem Projekt weiter ? Was sind die nächsten Schritte ? Wir sind daran, das Pilotprojekt zusammen mit einer externen Firma und unter Auch die Jazzsängerin Elina Duni gestaltete eine Kulturstunde. Foto : Julia Schwamborn Einbezug der Lehrpersonen und Kinder zu evaluieren, und wir werden weitere Schlüsse daraus ziehen. An einer Schule in Windisch im Kanton Aargau läuft die Dass Lehrpersonen Künstlerinnen und Künstler in ihre Klassen einladen, gibt Pilotphase noch bis im nächsten Jahr. Fest steht aber schon jetzt : Mit der Kul- es doch schon lange. An der Primarstufe Insel gibt es sogar eine eigene Orchester- turstunde wird es sicher auch in Basel irgendwie weitergehen ! Dafür ist mir und schule mit dem Sinfonieorchester Basel. Was ist speziell an Ihrem Projekt ? scheint allen Beteiligten das Thema zu wichtig und wir sehen aus den Rückmel- Die Orchesterschule ist ein tolles Projekt ! Wir möchten kein bestehendes Projekt dungen den grossen Bedarf für ein solches Format. Von meinem Elternhaus aus – konkurrenzieren. Speziell an der Kulturstunde ist die Tatsache, dass wir Künst- meine Mutter war Klavierlehrerin – hatte ich schon früh die nötige Unterstützung lerinnen und Künstler aus den verschiedensten Kunst- und Kultursparten ein- für meine Musikkarriere. Ich bin mir bewusst, dass dies ein grosses Privileg ist, das laden. Von den Schulen wird es ausserdem sehr geschätzt, dass wir die Kuratie- nicht alle Kinder haben. Unser Projekt Kulturstunde kann mithelfen, eine Brücke rung übernehmen und den Lehrpersonen pfannenfertiges Unterrichtsmaterial zur Kultur und ihrer unermesslichen Vielfalt zu schlagen – und allen Kindern da- zur Vor- und Nachbereitung zur Verfügung stellen. So entsteht für die Lehrper- mit neue Möglichkeiten und Erkenntnisse für ihre eigene Entwicklung aufzeigen. sonen kein Zusatzaufwand. https ://www.kulturstunde.ch Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee mit der Kulturstunde ? Das Vorbild ist Skandinavien. Als ich vor ein paar Jahren in Norwegen auf Tour- nee war, stand auch eine Schule auf dem Tourneeplan. In Skandinavien gehört es dazu, dass Musikerinnen und Musiker regelmässig auch in Schulen spielen. Da habe ich gedacht : Wow ! So etwas wäre doch auch in Basel toll – und habe das Pi- « E IN KULTURELLER FARBTUPFER » lotprojekt zusammen mit meinem Team erarbeitet. Kultur kann so vieles bewir- ken. Gerade bei Kindern. Sie kann ihnen neue Möglichkeiten aufzeigen, die Lust SCHULLEITER MICHAEL HUEHNERT-KLINGE ÄUSSERT SICH ZUR KULTURSTUNDE und den Mut zum Ausprobieren fördern, sie kann Entdeckungen ermöglichen, Bewusstsein und Toleranz für « a nderes » schaffen und fördern. Interview von Valentin Kressler Wieviele Kulturschaffende machen bei Ihrem Projekt mit ? Für die Schulleitungen der Primarstufe Dreiro- tiger Faktor zur Entwicklung der eigenen Per- Pro Schule sind aktuell rund zwanzig Künstlerinnen und Künstler aus ganz un- sen und Thierstein ist das Pilotprojekt Kultur- spektive. terschiedlichen Kultursparten dabei. Von Musik über Tanz bis hin zu Poetry Slam. stunde eine Bereicherung. Michael Huehnert- Mit Les Reines Prochaines oder der albanisch-schweizerischen Jazzsängerin Elina Klinge, Schulleiter Primarstufe Thierstein, Was schätzen Sie an diesem Projekt besonders ? Duni sind auch bekannte Künstlerinnen dabei. sagt, was ihm an diesem Projekt gefällt. Besonders geschätzt habe ich, dass während der Events neben der Vorstellung der künstle- Das Pilotprojekt an der Primarstufe Dreirosen und an der Primarstufe Thierstein Wie beurteilen Sie das Projekt Kulturstunde rischen Kategorie immer ein partizipativer Part läuft Ende Schuljahr 2021/22 aus. Wie lautet Ihre erste Bilanz ? generell ? mit den Schülerinnen und Schülern gestaltet Die erste Bilanz ist positiv. Die Stunden sind meines Erachtens sehr gut gelaufen. Das Projekt ist ein grosser Gewinn für das An- wurde. Von der Wahrnehmung zum Handeln Die Rückmeldungen sowohl der Lehrpersonen als auch der Kinder sind ebenfalls gebot an unserer Schule ! Der kulturelle Farb- – das war ein sehr gelungenes Setting. sehr gut. Weil die Kulturstunden so verschieden sind, ist für alle etwas dabei. Der tupfer aus der Welt der professionellen Künst- Auftritt von Schlagzeugerin Valeria Zangger an der Primarstufe Thierstein hat ler ist stets ein interessanter Ein- oder Ausblick Wo besteht Ihrer Ansicht nach noch zum Beispiel einen grossen Eindruck hinterlassen – oder auch der von Gebärden- – je nach Gusto – in eine für die meisten Schü- Verbesserungspotenzial ? sprachrapper Rolf Perrollaz. Die Kinder haben laut Rückmeldung der Lehrperso- lerinnen und Schüler neue und inspirierende Die Kulturstunden finden derzeit etwa einmal nen noch tagelang davon gesprochen. Welt der Kunst. Die unterschiedlichen Künste monatlich statt. Ich hätte nichts dagegen, wenn wahrnehmen zu können, war dabei ein wich- aus den Stunden Projekthalbtage würden. 26 27
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