Solidarität in unsicheren Zeiten - Die Corona-Krise trifft auch Menschen, die bislang auf der sicheren Seite lebten. Wir alle sind gefordert ...
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Zürich Nr. 2 / 2020 Nachbarn Solidarität in unsicheren Zeiten Die Corona-Krise trifft auch Menschen, die bislang auf der sicheren Seite lebten. Wir alle sind gefordert.
Inhalt Inhalt 3 Editorial Kurz & bündig 4 News aus dem Caritas-Netz Schwerpunkt BildZoeTempest 6 Als das Arbeitsleben plötzlich stillstand JacquelineKüntiistselbstständigeWochenbebegleiterin Schwerpunkt ImLockdownkonntesieihrerArbeitnichtmehrnachgehen undgerietwiesovieleinfinanzielleSchwierigkeiten 10 Prekäre Arbeit: Leben mit der Unsicherheit Schwerpunkt Persönlich 12 «Wann hast du zum letzten Mal Solidarität in jemandem geholfen? Wobei?» Sechs Antworten von Passantinnen und unsicheren Zeiten Passanten Regional Die Corona-Krise trifft diejenigen am heftig- sten, die bereits vor der Krise wenig hatten. 14 Solidarisches Handeln Besonders betroffen sind Menschen in prekä- Caritas Zürich während der Corona-Krise – ren Arbeitsverhältnissen: Arbeitnehmende im drei Beispiele unserer Arbeit Stundenlohn, auf Abruf, schlecht bezahlt. De- ren ohnehin unsichere Lage verschärfte sich 17 Zum Rücktritt von Josef Annen oft dramatisch. Die Massnahmen zur Eindäm- Ein überzeugender und glaubwürdiger mung der Pandemie treffen aber auch Bevölke- Präsident rungsgruppen, die scheinbar sicher unterwegs waren, beispielsweise Selbstständigerwerben- 18 Caritas Secondhand mit Online-Shop de. Jacqueline Künti, Wochenbettbegleiterin Vier Fragen an Verkäuferin aus dem Kanton Bern, konnte nicht mehr zu Nunzia Spadavecchia den jungen Müttern nach Hause. Von einem Tag auf den anderen brachen ihr die Aufträge weg. Die Caritas konnte ihr mit einer Über- Ich will helfen brückungszahlung durch die ärgste Phase von 22 Junge Freiwillige verhindern Unsicherheit helfen. Lesen Sie in dieser Num- mer, wie die Caritas dank ihrer Erfahrung und die Schliessung der Caritas-Märkte der grossen Solidarität der Bevölkerung hilft, und was Unsicherheit mit uns allen macht. Kolumne Spannende Lektüre wünschen wir! 23 Das wunderliche Gefühl der Gemeinschaft abSeite 2 Nachbarn 2 / 20
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Eine Notsituation weckt in uns den Gerechtigkeitssinn: «Wenn ich kann, dann tue ich etwas für die, die nichts tun können.» Wir werden zu «Solidaritätern und Solidaritäterinnen». Solidarität tut viel – auch mit uns selbst. Die Corona-Krise hat alles umgewälzt. Sie hat den Globus in rie- sigen Wellen erfasst. Wir realisieren erst in Ansätzen, was die- ses Virus ausgelöst hat und wie die Politik, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft darauf geantwortet haben. Aus der Sicht der Bild: zvg Hilfswerke ist es vergleichbar mit dem Tsunami 2004. Insbe- Max Elmiger sondere die reisefreudige Schweiz war tief erschüttert von jenem Direktor Caritas Zürich Ereignis. Schlagartig wurde uns die Verletzlichkeit des Men- schen bewusst, wie sinnlos unser Machbarkeits- und Sicher- heitswahn letztendlich ist. Die Tsunami-Flut löste eine der «Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Organisationen, grössten «Spendenwellen» aus, von der erstaunlicherweise auch erscheint zweimal jährlich: im April die lokalen Hilfswerke profitiert haben. Der Tsunami sensibili- und im Oktober. sierte uns. Gesamtauflage: 34 200 Ex. Corona ist eine weltweite Katastrophe. Sie bedroht alle – wenn Auflage ZH: auch ungleich hart. Und wieder berührt es mich, welche Solida- 12 500 Ex. ritätswelle diese Bedrohung ausgelöst hat: Wir hatten überwäl- tigend viele Anfragen für Freiwilligeneinsätze und Zusagen für Redaktion: Karin Faes (regional) materielle und monetäre Spenden. Roland Schuler (national) Solidarität tut Gutes für andere, aber sie tut auch etwas mit Gestaltung, Produktion und Druck: Stämpfli AG, Bern uns. Sie ist verursacht durch das Gefühl der Verletzlichkeit und Empathie, weckt enorme Kräfte an Kreativität und Hilfe. Dan- Caritas Zürich ke, dass auch Sie in dieser schwierigen Zeit tatkräftig geblieben Beckenhofstrasse 16, Postfach 8021 Zürich sind. Wir haben uns nie allein gefühlt. – Und ich bin überzeugt: Tel. 044 366 68 68 Diese Welle der Solidarität ebbt nicht so schnell ab. Denn sie hat www.caritas-zuerich.ch PC 80-12569-0 uns verändert. IBAN CH38 0900 0000 8001 2569 0 Herzlich Max Elmiger Direktor Caritas Zürich Nachbarn 2 / 20 3
Kurz&bündig Solidaritätsaktion «Eine Million Sterne» Corona-Hilfe Dieses Jahr ganz Caritas unterstützt – besonders nötig in der Krise erst recht Die Caritas-Solidaritätsaktion «Eine Für viele Menschen an oder unter der Million Sterne» findet dieses Jahr am Armutsgrenze ist die Caritas in der 12. Dezember statt. Die Caritas macht Corona-Krise eine wichtige Stütze. Mithilfe dann besonders auf die wachsende der Glückskee und vieler grosszügiger Armut in der Schweiz aufmerksam und Unterstützerinnen und Unterstützer hält wirbt für Solidarität mit Betroffenen. Caritas in der Krise die Stellung. Die finanzielle Not von vielen Menschen an der Armuts- grenze wurde mit der Corona-Krise und dem Lockdown noch akuter. Schon früh war klar: Caritas muss trotz unklarer Lage und unter Schutzvorkehrungen für Mit- arbeitende und Freiwillige ihre Angebote für Armuts- betroffene möglichst aufrechterhalten – jetzt erst recht. Das gelingt der Caritas dank motivierten Mitarbeiten- den und Freiwilligen, der Glückskette und der grossen BildThomasPlain In der Schweiz leben rund 1,2 Millionen Menschen unter oder knapp über dem Existenzminimum. Die Folgen der Corona-Massnahmen treffen diese Men- BildDominicWenger schen besonders hart. Working Poor, Menschen in unsicheren Anstellungsverhältnissen oder in Bran- chen, die vom Lockdown besonders hart getroffen wurden, müssen noch mehr kämpfen, als dies vor «Corona» ohnehin schon der Fall war. Solidarität in der Bevölkerung. Aufgrund der Erfahrung Zurzeit sind die sozialen Folgen noch nicht absehbar. der Caritas als Hilfswerk und der starken regionalen Sicher ist: Menschen in schwierigen Lagen brauchen Verankerung konnte rasch und auf die Bedürfnisse in unsere Unterstützung. Sie brauchen unsere Solidari- den Regionen abgestimmt reagiert werden. tät. Als Zeichen dieser Solidarität wird am Samstag, 12. Dezember 2020, in der ganzen Schweiz die Aktion Die Caritas-Regionalorganisationen bieten Unterstüt- «Eine Million Sterne» Kerzen zum Leuchten bringen. zung mit ihren bewährten Angeboten wie den Caritas- Märkten und den Sozial- und Schuldenberatungen. Hier Save the date! wurden zum Teil neue Stellen geschaffen, um die hohe Machen auch Sie Ihre Solidarität mit benachteilig- Anzahl Anfragen zu bewältigen. Direkt geholfen wird ten Menschen sichtbar, und reservieren Sie sich den mit Einkaufsgutscheinen für die Caritas-Märkte, Aldi 12. Dezember für ein Zeichen für eine faire Schweiz! und Lidl im Wert von über 300 000 Franken sowie mit Auf wwweinemillionsternech finden Sie ab November finanzieller Soforthilfe bei offenen Mietzins- oder Kran- alle relevanten Informationen. Ebenfalls ab Novem- kenkassenrechnungen im Wert von 2,6 Millionen Fran- ber können Sie Ihre Solidarität wieder mit einer der ken (Zahlen: Stand Ende August). Auch neue Angebote beliebten Wunschkerzen bekunden: wurden ins Leben gerufen. wwwwunschkerzeeinemillionsternech wwwcaritasch/corona 4 Nachbarn 2 / 20
Kurz&bündig Caritas Schweiz Peter Marbet wird NEWS neuer Direktor DankefürdievielenMeinungen! InderletztenAusgabedes«Nachbarn»erfragtenwirdie Meinung unserer Leserscha zu unserem Magazin Er- freulichvieleLeserinnenundLesernahmenanderUm- frageteilGanzherzlichenDankdafür!Aktuellläudie Auswertung Eine Schlussfolgerung lässt sich heute be- reits ziehen Einer grossen Mehrheit gefällt das «Nach- barn»sehrDasfreutunsnatürlichundsporntunsanfür SieweiterhineininformativesundansprechendesMaga- zinzuproduzieren Caritas-LieferdienstinBaselland «Bleiben Sie zu Hause» lautete das Gebot der Stunde während des Corona-Lockdowns in der ersten Jahres- hälevorallemfürPersonenabodermitVorerkran- kungenFürdieArmutsbetroffenenund-gefährdetenin Bildzvg ländlichenGebietenweitwegvomCaritas-Marktinder StadtmussteeineLösungherDieCaritasbeiderBasel startete in enger Zusammenarbeit mit Pfarreien einen Der neue Direktor von Caritas Schweiz LieferdienstDieserläubismindestensEnde heisst Peter Marbet. Er tritt am 1. Novem- ber 2020 die Nachfolge von Hugo Fasel CaritasAargaueröffneteineweitereSozialberatung an. Dieser geht nach zwölf Jahren an der Im Juni eröffnete die Caritas Aargau eine neue Spitze der Organisation in Pension. Sozialberatungsstelle im Pfarreizentrum Kleindöingen Der Kirchliche Regionale Sozialdienst KRSD Zurzibiet Peter Marbet (Jahrgang 1967) stammt aus Bern und wird die Seelsorge der Kirchgemeinden ergänzen und studierte neuere Geschichte und Politologie. Später ermöglichtesderCaritasnahebeidenMenschenHilfe absolvierte er die Ausbildung zum Executive Master anzubieten Mit dem KRSD Zurzibiet startet bereits die of Business Administration in NPO-Management achteSozialberatungsstellederCaritasAargau der Universität Freiburg. Der neue Caritas-Direktor wwwcaritas-aargauch/sozialberatung bringt viel Management- und Führungserfahrung sowie breite Kompetenzen in gesundheits-, bildungs- und sozialpolitischen Fragestellungen mit. Diese CaritasLuzernWechselinderGeschäsleitung erwarb er sich an verschiedenen beruflichen Statio- DanielFurrertriamOktoberdieNachfolge nen: als Informationsbeauftragter bei einer grossen vonThomasThalialsGeschäsleiterderCaritasLuzern Krankenversicherung, als Mitglied der Direktion an Der politisch engagierte und gut vernetzte -Jäh- bei santésuisse und Leiter der Abteilung Politik und rige wirkte vorher als stellvertretender Geschäsleiter Kommunikation sowie in seiner letzten Funktion als und Leiter Dienstleistungen und Kommunikation beim Direktor des Berner Bildungszentrums Pflege. Als SAHZentralschweizundistMitglieddesGrossenStadt- Stadtrat der Stadt Bern (Legislative) und Mitglied rats Luzern Auch neu in der Geschäsleitung ist seit verschiedener parlamentarischer Kommissionen ist Anfang September Karin Hunziker Leiterin Berufliche er auch mit einer Vielzahl von sozialpolitischen The- Integration men vertraut. Peter Marbet übernimmt die Leitung von Caritas Schweiz per 1. November von Hugo Fasel, wwwcaritas-luzernch/geschaesleitung der nach zwölf Jahren als Caritas-Direktor in Pension geht. Nachbarn 2 / 20 5
Rubrik DerLockdownverunmöglichteesJacquelineKünti alsWochenbebegleiterinjungeMüerzubesuchen undsiezuunterstützenSiegerietinfinanzielle EinLebeninArmutbringtElternandenRandderVerzweiflung SchwierigkeitenCaritaskonnteihrundvielen undlässtKinderträumeplatzen anderenhelfen 6 Nachbarn 2 / 20
Schwerpunkt AlsdasArbeitsleben plötzlichstillstand Junge Mütter und ihre Neugeborenen zu begleiten, ist mit viel Nähe verbunden. Als Corona kam, fielen bei der freiberuflichen Wochenbettbegleiterin Jacqueline Künti die Aufträge weg. Entsprechend dankbar ist sie für die Unterstützung durch die Caritas. TextUrsulaBinggeliBilderZoeTempest W enn Jacqueline Künti im Garten des des Beziehungs- und Bindungsaufbaus zwischen Mut- Bauernhauses sitzt, in dem sie als Al- ter, Kind und der Familie steht im Zentrum ihres Tuns. leinerziehende mit ihren beiden Teen- «Sie sollen gemeinsam wachsen können.» Achtsamkeit ager-Töchtern lebt, umgeben von viel und Urvertrauen sind wichtige Stichworte für sie. Grün und Blumen, wirkt sie ganz in ihrem Element, ein bisschen elfenhaft und doch geerdet. Der Eindruck Ein harter Frühling täuscht nicht. Jacqueline Künti fühlt sich der Natur 2020 – das fünfte Jahr ihrer Selbstständigkeit – fing gut und den in ihr waltenden Kräften tief verbunden, ohne an für Jacqueline Künti: Die Mund-zu-Mund-Propagan- sich deswegen von den Menschen abzuwenden, im Ge- da schien zum Laufen zu kommen. Ihr Einkommen genteil. Auf ihrer Website schreibt sie: «Begegnung er- reichte zusammen mit den Alimenten und Kinderzula- lebe ich in der freien Natur, im lebendigen Austausch gen zum Leben. mit offenen Menschen, durch Reisen, Ehren und Feiern verschiedener Kulturen und deren Ritualen.» Unter Aber dann kamen Corona und der Lockdown. «Mein anderem gestaltet sie freie Willkommens- und Seg- Arbeitsleben stand von einem Tag auf den anderen nungszeremonien für Kinder. Der weite Horizont der praktisch still.» Laufende Aufträge wurden gestoppt, früheren Kleinkindererzieherin schlägt sich aber auch und neue Anfragen gab es keine. Sehr unsicher sei sie in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit nieder. Sorgsame Arbeit in Familien Jacqueline Künti hat in Deutschland die Ausbildung zur «Corona hat mich schier zum Familienlotsin absolviert und unterstützt nun als frei- berufliche Fachfrau für Wochenbettbegleitung Familien Verzweifeln gebracht.» mit einem Neugeborenen in der intensiven ersten Zeit zu Hause. «Wichtigste Ansprechperson für die Mütter ist stets die Hebamme, ich arbeite ergänzend.» Jacque- gewesen in jenen Wochen, erinnert sich Jacqueline line Künti bereitet vollwertige, stillgerechte Mahlzeiten Künti. Hätte sie überhaupt Familien aufsuchen dür- zu, sie wirft bei Bedarf eine Ladung Wäsche in die Ma- fen? «Der Rahmen, in dem ich arbeite, ist doch sehr schine, sie betreut die grösseren Kinder – und sie wid- intim.» Auch als die Lockerungen kamen, blieben die met sich dem Baby und der Wöchnerin. Die Begleitung Fragen. Ab wann waren Besuche am Wochenbett wie- Nachbarn 2 / 20 7
Schwerpunkt der vertretbar? Sollte sie mit einem Inserat Werbung die derzeit in einer Kita ein Praktikum macht und ihr für sich machen? Aber das schien ihr in der Zeit des anbot, die Krankenkassenprämien bis auf Weiteres grossen Abstandhaltens zu provokant. von ihrem kleinen Lohn selbst zu bezahlen, berührte sie tief. Jacqueline Künti und ihre Töchter mussten im März mit 1800 Franken auskommen, auch im April war dem Keine Hilfe vom Bund so. «Wir sind es gewohnt, uns einzuschränken – in der Wie Jacqueline Künti standen diesen Frühling viele Zeit meiner Ausbildung zur Familienlotsin wohnten freiberuflich Tätige wegen Corona vor einschneiden- den finanziellen Einbussen. Viele sind der Unsicher- heit weiterhin ausgeliefert. Während diejenigen, die von den Massnahmen des Bundes direkt betroffen wa- Viele sind der Unsicherheit ren und ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben konnten, schon bald wussten, dass sie finanzielle Unterstüt- weiterhin ausgeliefert. zung erhalten würden, blieben Freiberufler, die indi- rekt betroffen waren, bis Mitte April im Ungewissen. wir zu dritt in einer 2,5-Zimmer-Wohnung.» Aber Co- Als der Bund beschloss, auch ihnen finanziell unter rona habe sie nun wirklich schier zum Verzweifeln ge- die Arme zu greifen, war Jacqueline Küntis Freude nur bracht. Mit Zuwendungen von Verwandten konnte sie von kurzer Dauer. Ihr Gesuch wurde abgelehnt – der nicht rechnen. Die Solidarität der älteren ihrer Töchter, von ihr als Wochenbettbegleiterin erzielte Gewinn lag EsbrauchtdieNäheJacquelineKüntiunterstütztjungeMüerindererstenZeitnachderNiederkun 8 Nachbarn 2 / 20
Schwerpunkt leicht unter dem unteren Limit für den Anspruch auf Unterstützung. «Meine Einnahmen aus den Ritualbe- gleitungen wurden nicht mitgerechnet, ja, nicht ein- UNSICHERHEIT mal erwähnt, und auch das Ausfallen der von mir für das Jahr 2020 neu aufgegleisten Kurse für Schwangere wurde nicht berücksichtigt.» Der negative Bescheid BELASTET schmerzte. «Für mich ist er unverständlich. Er hat mich wütend gemacht.» ProfDrChristophFlückiger istLeiterAllgemeine Grosse Solidarität Interventionspsychologie Zum Glück hatte Jacqueline Künti schon früh auch und Psychotherapie nach nicht staatlicher Hilfe Ausschau gehalten. Sie anderUniversitätZürich wandte sich an die Caritas. Dort war man auf Anfragen wie die ihre vorbereitet. Dank einem Spendenaufruf Bildzvg «Ich denke an die jungen VieleerlebtenunderlebenUnsicherheitaufgrund Familien, die in der Krise erst vonCoronaWaslöstdieseUnsicherheitinunsaus? Es ist emotional belastend wenn wir aus der Routine recht allein waren.» unddenGewohnheitengeworfenwerdenunddieDinge nichtmehrsowiegewohnteinigermassenvorhersagbar sindDiesreduziertdasGefühldieDingeunterKontrol- zusammen mit der Glückskette stehen Gelder zur Ver- le zu haben Grundsätzlich sind Menschen ganz allge- fügung, die für Menschen eingesetzt werden können, mein relativ intolerant gegenüber Unsicherheit auch die ohnehin in bescheidenen Verhältnissen leben und wennwirdaskalkulierbareAbenteuerbiszueinemge- wegen Corona in akute finanzielle Bedrängnis gerie- wissenPunktauchgernesuchen ten. Brigitte Raviele von der Caritas Bern: «Neben frei- beruflich Tätigen sind es auch von Kurzarbeit Betrof- AufgesellschaftlicherEbeneFührtkollektive fene mit niederen Einkommen, die an uns gelangen. UnsicherheitzumehrSolidarität? Bis heute bearbeiteten wir im Kanton Bern mehrere JasicherjedochnurbiszueinemgewissenPunktSoli- hundert Anfragen.» darität ist immer mit der Frage verbunden gegenüber wem wir uns solidarisch zeigen Interessanterweise Die Caritas konnte Jacqueline Künti mit Beratung und übertragen wir die unangenehmen Dinge gerne nach einer Überbrückungszahlung direkt helfen. Die Unter- aussenSowardieGrippe«spanisch»Coronaist«chi- stützung durch die Caritas trug wesentlich dazu bei, nesisch» Was Solidarität zu echter Solidarität macht dass Jacqueline Künti den Boden unter den Füssen istwennwirunsinanderehineinversetzenunddieWelt nicht verlor. Dass in der ländlich geprägten Ortschaft, ausderSichtderanderninunsereeigeneSichtweisein- in der sie wohnt, viel nachbarschaftliche Solidarität tegrieren Sich in Unsicherheit in andere zu versetzen spürbar ist, tat zusätzlich gut. Auch in der grossen, machtunsMenschenmenschlich selbst verwalteten Hausgemeinschaft, in der ihre Töchter und sie seit drei Jahren leben, fühlt sie sich KönnenwiretwaslernenausdererlebtenUnsicherheit? aufgehoben. «Ich schöpfte neuen Mut.» MirkommtspontanWolfBiermannsLied«Ermutigung» indenSinn«Dulassdichnichtverhärtenindieserhar- Eine neue Klarheit tenZeitDieallzuhartsindbrechenDieallzuspitzsind Die Angst vor einer neuen Corona-Welle stellt Jacque- stechen Und brechen ab sogleich» Sich Unsicherheit line Künti bewusst auf die Seite, sie fokussiert den einzugestehenhatwohlimmerauchmitMutzutunsich Neustart. Der Weg zu einer Form von Normalzustand seinereigenenUnzulänglichkeitWeichheitundVerletz- sei sicher noch lang, sagt sie, aber langsam gehe es mit lichkeit gewahr zu werden und diese sich selbst und Aufträgen wieder aufwärts. «Ich denke an die vielen auch andern offenzulegen Unsicherheit stellt immer jungen Familien, die in der Krise erst recht allein ge- auch die Frage was mir wichtig ist und von welchen wesen sind, und spüre eine neue Klarheit in mir. Für Wertenichmichleitenlasse sie will ich da sein. Ich bin bereit.» wwwfamilienlotsinnch Nachbarn 2 / 20 9
Schwerpunkt PrekäreArbeitLebenmit der Unsicherheit In der Corona-Krise zeigt sich: Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen sind stark betroffen von den Pandemiemassnahmen. Prekäre Arbeit gibt es in der Schweiz in verschiedenen Formen. Neben finanzieller Unsicherheit bringt sie oftmals eine mangelhafte Absicherung und eingeschränkte Zukunftsperspektiven mit sich. TextAnna-KatharinaThürerGrundlagenCaritasZürichIllustrationCorinneBromundt D ie Schweiz verdankt einen Teil ihres wirtschaft- fall: Gerade in diesen Sektoren finden sich viele prekäre lichen Erfolgs einer vergleichsweise liberalen Arbeitsverhältnisse. Solche sind auch in Arbeitsformen Arbeitsgesetzgebung, die nur einen schwachen weitverbreitet, die über Online-Plattformen organisiert Kündigungsschutz bietet und keine obligatorische werden (z.B. Reinigungs- oder Kurierarbeit). Diese wirt- Krankentaggeldversicherung beinhaltet. Ausserdem schaften arbeitsrechtlich in einem Graubereich. Man sind ganze Sektoren wie die Landwirtschaft oder Haus- kann also sagen: Prekäre Arbeitsverhältnisse werden wirtschaft nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt. Kein Zu- oft gerade durch fehlende Regulierung begünstigt. 10 Nachbarn 2 / 20
Schwerpunkt Arm trotz Erwerbsarbeit Kommentar Prekäre Arbeit bedeutet für die Betroffenen einen hohen Grad an Unsicherheit und damit verbundene Zwänge. Arbeit muss existenz- Die Unsicherheit bezieht sich auf Arbeitszeiten (z.B. auf Abruf zu arbeiten oder befristet angestellt zu sein), sichernd sein aber auch auf finanzielle Unsicherheit oder mangelhaf- te Absicherung gewisser Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Altersarmut. Die Zahlen des Bundes Die Corona-Krise hat deutlich ge- weisen aus, dass sich prekäre Arbeit mehrheitlich in macht, dass viele Menschen in der den klassischen Tieflohnbranchen findet, beispielswei- Schweiz in prekären Situationen se im Gastgewerbe, in der Reinigung, aber auch in der leben. Das trifft besonders auf Ar- Dienstleistungsbranche und im Kunstbetrieb. Nicht beitnehmende in Tieflohnstellen alle Erwerbstätigen tragen ein gleich grosses Risiko und ungeregelten Arbeitsverhält- für prekäre Arbeit: Betroffen sind besonders häufig nissen zu. Tieflohnbranchen wie die Gastronomie, das Reinigungs- gewerbe und der Detailhandel sind infolge der Krise stark von Prekäre Arbeitsverhältnisse Kurzarbeit betroffen. 80 Prozent wirken sich auf viele andere Lohnersatz ist für die meisten An- gestellten nicht existenzsichernd. Lebensbereiche aus. Kurzarbeit hat Entlassungen auch nicht verhindert. Viele haben ihre Einkommensquelle ganz verloren. Frauen, jüngere Arbeitnehmende, Personen mit tiefem Bildungsstand und Menschen ohne Schweizer Pass, vor In Tieflohnbranchen sind befristete allem solche mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Prekä- Arbeitsverträge oder Arbeit auf Ab- re Arbeitsverhältnisse wirken sich auf viele andere Le- ruf im Stundenlohn weitverbreitet. bensbereiche aus und erhöhen das Armutsrisiko. Solche Arbeitsverhältnisse bieten keinerlei Sicherheit. Das Gros der Wenig Forschung auf Abruf Angestellten hat kein Stellt man jedoch Fragen zu prekärer Arbeit, so zeigt garantiertes Minimum an Arbeits- sich schnell, dass es hierzulande nur wenig Forschung stunden und muss trotzdem jeder- zum Thema gibt. Gemäss Zahlen des Bundes sind rund zeit verfügbar sein. Braucht der 2,5 Prozent der Erwerbstätigen in prekären Arbeits- Arbeitgeber sie nicht, bietet er sie verhältnissen tätig. Diese Quote basiert allerdings auf nicht auf. Kündigen muss er ihnen einer sehr eng gefassten Definition von prekärer Ar- nicht. Die Betroffenen haben ohne beit, die einige Betroffenengruppen wie Sans-Papiers Kündigung aber keinen Anspruch und gewisse Arbeitsformen (z. B. gut bezahlte, aber auf Arbeitslosengelder. auf kurze Zeit befristete Arbeit) ausschliesst. Eine Er- weiterung der Definition wäre wichtig, um das wahre Die Caritas fordert, dass die Kurz- Ausmass unsicherer Arbeit in der Schweiz zu erfassen arbeitsentschädigung bei tiefen und die Betroffenen besser zu schützen – und Armut Einkommen 100 Prozent des Loh- vorzubeugen. nes entspricht. Zudem müssen Ar- beitgebende verpflichtet werden, Keine Absicherung in der Krise Arbeitsmodelle zur Verfügung zu Die Corona-Krise hat uns einerseits vor Augen geführt, stellen, die existenzsichernd sind. wie stark wir als Gesellschaft von prekärer Arbeit ab- Dazu muss insbesondere Arbeit hängig sind. Andererseits wurde ersichtlich, wer be- auf Abruf gesetzlich besser gere- sonders schlecht vor Risiken geschützt ist. Deutlich gelt werden. Und es braucht einen wurde, wie das Schweizer System der arbeits- und so- schweizweiten Mindestlohn. zialversicherungsrechtlichen Sicherung, das sich stark an einer unbefristeten Vollzeitstelle orientiert, an sei- ne Grenzen stösst. Denn gerade für prekär Arbeitende AlineMasé steigt durch die Corona-Krise das Risiko für Verschul- LeiterinFachstelleSozialpolitik dung und Altersarmut. CaritasSchweiz Nachbarn 2 / 20 11
Persönlich ChloéJahregehtindie Klasseundwohntin BülachSiefindetesschöndassKinderanandere MenschendenkenUndsichdarumkümmerndass dieseauchinschwerenZeitenFreudehaben 12 Nachbarn 2 / 20
Persönlich «Wann hast du zum letzten Mal jemandem geholfen? Wobei?» Bei allem Unbill, den das Coronavirus und die Massnahmen zum Schutz der Bevölke- rung für Betroffene bedeutet: In der Krise gab und gibt es viel Solidarität. Mit kleinen und grossen Gesten der Solidarität wird der Alltag für viele leichter. Oft braucht es nicht viel, um Erleichterung zu verschaffen und Freude zu bereiten. Ismail Mahmoud, Student, Ingrid Breuss, Sekretärin, Basel Freidorf Kürzlich bei einer Schnitzeljagd Vor Kurzem hielt vor unserem rannte ich auf der Suche nach dem Haus ein Auto. Die Lenkerin stieg nächsten Posten durch den Bahn- aus. Ich vermutete, dass sie eine hof Basel. Plötzlich sah ich, wie Autopanne hatte. Im Wagen sas- eine Frau beim Einsteigen in einen Zug ausrutschte sen eine ältere Frau und ein kleines Kind. Ich ging und zu Boden fiel. Ich half ihr auf, unterhielt mich kurz hin und fragte, ob ich helfen könne. Das verneinte mit ihr, holte ihren Koffer unter der Eisenbahn hervor die Fahrerin. Da es sehr heiss war, brachte ich ihnen und begleitete sie in den Zug hinein. Danach schnapp- etwas zu trinken und führte sie zu einem schattigen te ich mir den dritten Rang bei der Schnitzeljagd. Platz, wo sie auf den Pannendienst warten konnten. Patrick Lang, Tramführer, Lena Rodriguez, Schülerin, Zürich Luzern Eine Bekannte musste zwei defek- Wir gestalten im Handarbeitsun- te Tagesdecken ersetzen. Da sie terricht gerade ein Kissen. Gestern zur Covid-19-Risikogruppe gehört, habe ich einer Klassenkameradin zögerte sie, in ein grosses Geschäft beim Bedrucken geholfen. Sonst zu fahren, um neue Decken zu kaufen. Im Alltag geht wäre sie nicht rechtzeitig fertig geworden und hätte sie in ein lokales Geschäft einkaufen, bei dem sie nachsitzen müssen. Dank meiner Hilfe konnten wir weiss, wann es wenig Leute hat. Als sie mir dies er- beide die Arbeit zum Schluss der Stunde abschlies- zählte, bot ich ihr spontan an, die Decken für sie zu sen. Ich finde es wichtig, dass wir in der Schule zu- besorgen. Das war eine grosse Erleichterung für sie. sammenhalten und uns gegenseitig unterstützen. Seraina Brem, Praktikantin, Sophie Rutishauser, Berikon Schülerin, Münsingen Zuletzt geholfen habe ich in den Im Flussbad «Schwäbis» habe ich Sommerferien. Als Leiterin war ich letzthin ein paar Kindern einen zwei Wochen in einem Lager für Pneuschlauch gegeben. Eigent- Kinder und Jugendliche. Dort fallen lich wollte ich ihn selbst benutzen. verschiedene Aufgaben an: Kinder wecken, Programme Doch ich merkte, dass die Kinder ebenso gerne auf durch den Tag leiten, Rucksäcke packen, Lagertagebuch ihm den Fluss hinuntertreiben wollten. Ich bin ihnen schreiben und vieles mehr. Jedes Jahr freue ich mich auf dann mitsamt dem Pneu flussaufwärts entgegenge- das Lager, da es für mich schon als Kind immer ein tolles schwommen, um ihn zu übergeben. Sie freuten sich Erlebnis war. Nun konnte ich selbst im Team mitwirken. sehr über das «Geschenk». Nachbarn 2 / 20 13
Caritas Zürich Solidarisches Handeln Seit Mitte März dieses Jahres stellt die Corona-Pandemie den Alltag von vielen komplett auf den Kopf. Es gilt, sich laufend in neuen Abläufen zurechtzufinden und sich auf veränderte Situationen einzustellen. Für Menschen in prekären Lebenslagen sind die Auswirkungen noch einschneidender, und enge finanzielle Ressourcen werden deutlich verschärft. Da ist rasches und pragmatisches Handeln gefragt. Beispiele aus drei Angeboten von Caritas Zürich geben Einblick in unsere Arbeit während der Corona-Krise. Text: Karin Faes Bilder: Conradin Frei (Copilot), youngCaritas Beratung Caritas Zürich schneidende finanzielle Einbussen tung Zukunft für Schweizer Fah- hinnehmen mussten. Häufig als rende, dem Bundesamt für Kultur, W er an der Armutsgrenze Folge von Kurzarbeit, zum Beispiel der Stiftung Naschet Jenische sowie lebt, hat keine finanziel- im Gastrobereich oder durch den der Caritas Zürich konnte bereits len Reserven für ausser- Wegfall von Aufträgen. Ein Fazit im April ein Projekt umgesetzt wer- ordentliche Lagen. Dafür erschwer- aus den Beratungsgesprächen war: den, mit dem die individuelle Situ- te Bedingungen: zum Beispiel einen Es braucht Unterstützung, die di- ation und mögliche Unterstützung schlecht bezahlten Job oder mehre- rekt im Alltag wirkt. Die Einkaufs- der Betroffenen abgeklärt werden re Arbeitsstellen gleichzeitig, weil gutscheine in der Höhe von insge- können. ein Lohn nicht zum Leben reicht. samt 72 000 Franken, die über die Eine Situation wie der Corona- Beratungsstelle, im Caritas-Markt, Zukunftssorgen bleiben Lockdown kann eine Familie oder durch die Projekte «mit mir» und Trotz Lockerungen blieben bei vie- eine Einzelperson mit sonst schon Copilot sowie über die Flickstuben len Familien die Sorgen um die Zu- knappem Budget in arge Bedräng- und die Fachstelle Flüchtlinge ab- kunft: Wie sieht es in den nächsten nis bringen. Das braucht rasche gegeben wurden, erfüllten genau Monaten aus? Wie sollen hohe Fix- Massnahmen. Dank der grossen So- dies. kosten wie Miete und Krankenkas- lidarität der Schweizer Bevölkerung se bezahlt werden? Abhilfe schuf standen bald Gelder der Glücksket- Kaum noch Arbeit und damit zu ein neu lanciertes Projekt: Fami- te zur Verfügung, die unter ande- wenig Einkommen, um die Lebens- lien im Kanton Zürich, die eine rem von Caritas Zürich für von der kosten zu decken, hatten zudem KulturLegi besitzen und die wegen Krise stark betroffene Familien ein- viele Jenische, Sinti und Roma, die Corona finanzielle Einbussen erlit- gesetzt werden konnten. häufig als Selbstständige tätig sind. ten haben, sollten gezielt entlastet In Zusammenarbeit mit der Stif- werden. Sie konnten im Juli Un- Sowohl die telefonische Kurzbera- tung als auch die Sozialberatung wurden vermehrt genutzt, wie Bernhard Jurman, Leiter der Ab- Unterstützung und finanzielle Überbrückungsleistungen April–Juli 2020 teilung Beratung, feststellt: «Von April bis Juni stiegen die Anfra- 922 Anfragen gingen in der Kurzberatung von April bis Juli ein – 217 davon im gen deutlich an.» Die Mitte März Kontext Corona. erfolgte generelle Umstellung auf 284 ZVV-Ferienpässe konnten an Kinder und Jugendliche für die Sommerferi- telefonischen Kontakt verlangte en abgegeben werden: in der Beratung, bei «mit mir», Copilot, LernLokal sowie vom Beratungsteam viel Flexibili- incluso, finanziert mit CHF 7100.– aus Glückskette-Geldern. tät, ermöglichte jedoch, alle Bera- CHF 81 265.85 konnten von Mai bis Juni als Unterstützung aus Glückskette tungsangebote ohne Unterbruch Geldern für Miete und Krankenkassenprämien an Klienten und Klientinnen aus fortzuführen. Zu den Ratsuchen- der Beratung und an Teilnehmende in den Projekten «mit mir», Copilot und den gehörten oft bisherige Klien- LernLokal geleistet werden. tinnen und Klienten, da viele ein- 14 Nachbarn 2 / 20
Caritas Zürich Situation geschickt, um zu signa- lisieren: Wir sind trotz Corona da, meldet euch, wenn ihr Fragen oder Anliegen habt.» Kurz darauf erfolgte bereits ein nächster Versand: Home- schooling-Tipps in leichter Sprache und Vorschläge zur Strukturierung eines Schultags zu Hause. Dazu verschiedene Bastelideen, als An- regung zum Verbringen der Zeit zu Hause. «Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Eine Mutter gestaltete und kopierte sogar eigene Ausmal- bilder, als die Vorlagen zur Neige gingen. Es war schön, zu erleben, was die Aktion alles auslöste. Eini- ge haben uns auch Fotos und Videos terstützung für die Bezahlung von Projekt «Copilot» von ihren Werken geschickt», wie Miete und Krankenkasse beantra- Mirjam Ochsner, die bei Copilot ein S gen. Aufgrund dessen konnten chriftliche Informationen von Praktikum absolviert, ergänzt. per Mitte August insgesamt 37 790 der Schule oder ein anstehen- Franken an diese Familien vergü- des Elterngespräch sind für Mit den freiwilligen Copiloten und tet werden. Familien, die das Schweizer Schul- Copilotinnen wurde ebenfalls ein system nicht gut kennen, eine hohe regelmässiger Austausch gepflegt. Die grosse Medienpräsenz der Hürde. Hier Unterstützung von Die meisten Freiwilligen konnten Glückskette-Spendenaktion beflü- einer Copilotin oder einem Copilo- die jeweilige Familie auch während gelte die Solidarität. Schnelle Hil- ten der Caritas Zürich zu erhalten, des Lockdowns unterstützen, in- fe bedeutet aber nicht gleichzeitig bedeutet für die Eltern eine grosse dem sie die zahlreichen, häufig digi- auch nachhaltige Entlastung. Denn Erleichterung. Idealer Zeitpunkt tal kommunizierten schulischen sind finanziell prekäre Situationen zum Start der Zusammenarbeit Informationen strukturierten und komplex, braucht es spezifische zwischen Familie und Copilot/Co- erklärten. Doch auch der Kontakt Lösungen mit dem Ziel, eine län- pilotin ist der Frühling vor der Ein- mit den Kindern und Eltern durch gerfristige Verbesserung der Lage schulung. Doch dieses Jahr kam in ein Telefonat, einen Videocall oder zu erreichen. Dementsprechend wer- dieser wichtigen Phase alles anders. ein «Treppenhausgespräch» war es- den sich unsere Angebote weiter- Persönliche Treffen konnten nicht senziell, gerade bezüglich der hin auf die aktuelle Entwicklung mehr stattfinden. Obwohl gerade in Deutschkenntnisse. Durch wegge- ausrichten müssen. Für Menschen, dieser besonderen Lage wichtig war, fallene Kontakte haben viele Eltern, die bereits am Existenzminimum in Kontakt zu bleiben und auch die aber auch die Kinder ihr Deutsch leben, werden die Auswirkungen Familien mit aktuellen Informati- nicht mehr anwenden können. der Corona-Krise besonders deut- onen zu bedienen. Gedacht, getan, lich nachhallen. Für Bernhard Jur- wie Kristien Mouysset, Leiterin Co- Digital in Kontakt man ist klar: «Unsere Klienten und pilot, schildert: «Wir haben den Fa- Für den Kontakt zwischen den Klientinnen waren vorher schon milien sehr schnell einen Brief mit Familien und dem Copilot-Team in einer schwierigen Lage, nun hat ersten Informationen zur aktuellen stand eine WhatsApp-Gruppe zur sich diese zusätzlich verschärft. Es ist wichtig, die Situation immer wieder von Neuem zu prüfen und zu analysieren, woran es aktuell Mit Copilot Bildungschancen verbessern fehlt.» Eins ist sicher: Die Corona- Für den schulischen Erfolg ist die Mitwirkung der Eltern entscheidend. Im Pro- Krise wird Caritas Zürich noch län- jekt Copilot werden Eltern, die mit dem Schulsystem nicht vertraut sind und die ger beschäftigen. Darum wird auch die Erwartungen an ihre Rolle als Eltern nicht kennen, von freiwilligen Begleit- Solidarität weiterhin notwendig personen unterstützt. Diese Copiloten und Copilotinnen begleiten die Eltern und wichtig sein, um Betroffene in während eines Jahres und befähigen sie zu einer gelingenden Zusammenarbeit ihrer prekären Lebenslage nicht al- mit der Schule. Mehr unter caritas-zuerich.ch/copilot. leine zu lassen. Nachbarn 2 / 20 15
Caritas Zürich Verfügung. Wer mochte, konnte da- youngCaritas Zürich ran teilnehmen. Verschickt wurden B täglich Informationen oder entspre- ei youngCaritas, dem Jugend- chende Links zur aktuellen Situa bereich der Caritas, stehen tion in verschiedenen Sprachen meistens gemeinsame Anläs- sowie zu Beratungs- und Unter- se auf dem Programm: Jugendliche stützungsangeboten für die Eltern. organisieren in freiwilligem Enga- Dazu zum Beispiel eine Geschich- gement Solidaritätsveranstaltungen te zum Hören für die Kinder. «Es und bringen Menschen zusammen. politische Situation in Syrien sowie brauchte einen niederschwelligen Aktivitäten, die im Frühling durch über das Asylsystem der Schweiz Zugang. Viele Familien haben nur die Massnahmen zum Schutz der und die Rolle der Gemeinden. Auch eingeschränkte Möglichkeiten mit Bevölkerung vollständig und für Fragen konnten direkt gestellt wer- dem Internet, einerseits vom ver- längere Zeit wegfielen. Genauso wie den und rundeten den informativen fügbaren Datenvolumen her, aber die erste Durchführung der «Swiss Abend ab. Über 30 Teilnehmende auch durch die Geräte. Nicht jede Money Week», einer Sensibilisie- waren online dabei, viele Freiwillige Familie hat einen eigenen Com- rungskampagne zum Thema Geld, von youngCaritas sowie Interessier- puter zu Hause und muss oft alles welche nun auf 2021 verschoben te, die über die Social-Media-Kanäle über ein Handy abwickeln», erklärt wurde. Die monatlichen Kochtage vom Webinar erfahren hatten. Ein Kristien Mouysset. Wurde nun der «Taste the World» für geflüchtete sowohl inhaltlicher als auch formal Schulunterricht digital weiterge- Menschen und weitere Interessierte, spannender Wissenstransfer. führt – was häufig der Fall war –, die Spielnachmittage mit geflüchte- erfolgte der Austausch mit der ten Kindern, die Anlässe der Akti- Ebenso bemerkenswert ist, wie die Lehrperson ebenfalls über dieses onsgruppe Armut fielen ebenso aus spontane Kooperation mit dem in- eine Gerät. Das temporäre Home- wie die Aktivitäten im Schulbereich cluso-LERNstudio*, einer üblicher schooling war damit für Familien mit Schulbesuchen und Workshops. weise schulischen Vor-Ort-Unter- mit wenig Ressourcen eine beson- stützung in einer Gruppe, zustande ders grosse Herausforderung. Vor Neues entwickeln kam. Für die neu aktivierte Online- allem dann, wenn die Eltern über Nichts zu tun ist jedoch nicht die Art Unterstützung waren zusätzliche wenig Deutschkenntnisse verfügen der engagierten jungen Leute. Die Freiwillige gefragt, die mit Online- oder vielleicht selbst nicht lange zur von Andrea Müller und ihrem Team Möglichkeiten vertraut sind, um Schule gegangen sind. Kinder und bei youngCaritas initiierten Online- Lernende beim Bewältigen des Eltern auch in diesem neuen und Treffen wurden daher rege genutzt Schulstoffs virtuell zu unterstüt- ungewohnten Schulalltag zu unter- und der Kontakt mit den Freiwilli- zen. Statt in einem Gruppenprojekt stützen, ist mit raschem Handeln gen und untereinander beibehalten. mitzuwirken, ging es nun um direk- und dank den engagierten Copilo- Gleichzeitig entstanden neue Ideen te Begleitung, und dies erst noch in tinnen und Copiloten gelungen. zum Wissensaustausch, etwas wo- Online-Form – für fünf Jugendliche für die Zeit im durchorganisierten von youngCaritas ein Einblick in Alltag der Jugendlichen meistens eine neue Art der Freiwilligenarbeit. fehlt. Doch nun waren viele abends So horizonterweiternd die Erfah- zuhause und konnten sich die Teil- rungen während der akuten Lock- nahme an einer internen Weiterbil- down-Phase auch waren, Erleichte- dung einrichten. Gestaltet wurde rung und Begeisterung waren gross, sie in Form eines Webinars, und als draussen erste kleine Anlässe sie hatte den Titel «Politische Pers- wieder stattfinden konnten. Sich ge- pektiven zu Flucht und Asyl». Zwei meinsam zu engagieren, bleibt das Referierende informierten über die Herzstück von youngCaritas. youngCaritas – der Jugendbereich von Caritas Schweiz und Caritas Zürich youngCaritas steht für freiwilliges Engagement von Jugendlichen für eine solidari- sche und faire Welt. Hier vernetzen sich junge Menschen untereinander oder fin- den Unterstützung für eigene Projekte. Dazu gehören auch Möglichkeiten zu Wei- terbildungen in den Themen Migration, Armut und nachhaltige Entwicklung. Dieses Jahr feiert der Jugendbereich in Zürich sein 5-jähriges Bestehen. www.youngcaritas.ch 16 Nachbarn 2 / 20
Caritas Zürich Zum Rücktritt von AKTUELL Josef Annen Entwicklung digitales Lernangebot Der Sprung in digitale Lernangebote wird auch bei den Computerkursen von «Wer führe, der diene …» – Dies könnte ein bibli- Caritas Zürich erfolgen. Corona-bedingt sches Zitat sein. Inspiriert ist es von der Art, wie wurde ein erster Pilotkurs bereits abge- Josef Annen den Verein Caritas Zürich zehn halten: Der für Ende April geplante Text- Jahre lang präsidiert hat. verarbeitungskurs konnte kurzfristig als Fernkurs lanciert werden. Ein engagier- Eine Führungsperson geht mit ei- tes Dreierteam von Freiwilligen realisier- genem Beispiel voran. Ist dies das te diesen ersten virtuellen Kurs, dessen Bild für Führungsqualität, dann Evaluation in die Entwicklung des digita- war Josef Annen ein Präsident len Lernangebotes von LernLokal von wie aus dem Bilderbuch: Immer Caritas Zürich einfliessen wird. Mehr zum überzeugend und glaubwürdig, Angebot von LernLokal unter wodurch er den Vorstand und den www.caritas-zuerich.ch/lernlokal Verein unauffällig geprägt hat. Oft beeindrucken gerade die klei- Bild: undknup ag nen Dinge. An unserem jährlichen Caritas Secondhand: online und an fünf Präsidien- und Direktionstreffen Standorten einkaufen im Caritas-Netz war er der einzi- Seit April lassen sich schicke Lieblings- ge seinesgleichen, der nach dem stücke bequem vom Sofa aus kaufen. Der Essen aufstand und uns Alphatierchen den Kaffee servierte. Bei neue Online-Shop ist bereits weitherum ihm kam die Bescheidenheit ganz selbstverständlich daher. Aber beliebt und ergänzt die Läden vor Ort. er konnte gleichermassen selbstverständlich allen im Grossen Nachdem der Standort Viadukt in Zürich das Wasser reichen. Wenn es um soziale Gerechtigkeit ging, trat nach zehn Jahren seine Türen geschlos- er im Namen der Caritas souverän vor die Medien. «Man kann sen hat, lässt es sich in fünf Läden nach nicht nicht politisch sein» – seine Überzeugung ist glücklicher- einzigartigen Teilen stöbern: Vier Ge- weise auch das Caritas-Credo. Und was ich am meisten bei sei- schäfte in Zürich und eines in Winterthur ner Arbeitslast bewundert habe: Er war für die Vorstandssitzung bieten modische Inspiration und tolle jeweils perfekt vorbereitet. Stücke zu attraktiven Preisen. www.caritas-secondhand.ch Josef, für dein grosses Engagement danken wir dir ganz herz- lich. Wir haben immer gespürt, dass du diese Führungsaufgabe nicht als Pflicht absolviert hast, weil es halt zu deinem Amt als Frühzeitig vorsorgen – selbstbestimmt Generalvikar gehörte. Dir liegen die bescheidensten Menschen handeln wirklich am Herzen, für die du dich mit unserem Werk einsetzen Es ist der Wunsch vieler Menschen, ihr Le- konntest. ben bis zum Schluss selbstbestimmt und nach dem eigenen Willen zu gestalten. Max Elmiger, Direktor Caritas Zürich Sich mit der Regelung der letzten Dinge auseinanderzusetzen, ist anspruchsvoll. Die Caritas-Vorsorge-Mappe sowie der Mitgliedschaft Caritas Zürich Workshop «Selbstbestimmt leben bis zu- Die Mitglieder der Caritas Zürich setzen sich für die Ziele von Caritas Zü- letzt» bieten Unterstützung bei den The- rich ein und tragen damit zur Bekämpfung von Armut im Kanton Zürich bei. men Patientenverfügung, Vorsorgeauf- Dank dieser Unterstützung kann Caritas Zürich einen relevanten Beitrag trag und der Regelung der letzten Dinge zur Armutsbekämpfung im Kanton leisten. Der Mitgliederbeitrag für eine (inkl. des digitalen Nachlasses). Details Privatperson beträgt jährlich CHF 50.–. Wir freuen uns sehr über weitere zur Vorsorgemappe und zu den nächsten Unterstützung in unserem Engagement für Armutsbetroffene. Anmeldung Workshops unter für eine Mitgliedschaft unter caritas-zuerich.ch/mitgliedschaft. www.caritas-zuerich.ch/vorsorge Nachbarn 2 / 20 17
Caritas Zürich Caritas Secondhand mit Online-Shop Wer steckt hinter der Spiegelkugel? Der «Lockdown» im März schloss auch die Türen der Caritas-Secondhand-Läden. Aus den frei gewordenen Ressourcen entstand bald ein Online-Shop. Die Motiva- tion dafür war gross. Um einerseits weiterhin für die Kunden da zu sein und andererseits das nachhaltige Einkaufen im Online-Bereich zu fördern. Der Start ist geglückt, und Pakete wurden quer durch die Schweiz, von Genf bis ins Tessin, versendet. Ein Erfolg ist auch die Präsentation der Produkte. Eines der unermüd- lichen Models ist Nunzia Spadavecchia. Interview: Françoise Tsoungui, Bild unten: Caritas Secondhand, Bild rechts: Morgan Schmid war ich natürlich sehr neugierig auf derspenden und der Teamgeist ga- Secondhand-Mode und fand mich ben mir viel Selbstvertrauen. Zu- positiv überrascht in einem kleinen sätzlich bin ich als Berufsbildnerin Secondhand-Laden mit ganz vielen immer wieder für die Lernenden verschiedenen Artikeln wieder. zuständig. Cool ist auch, dass man in verschiedenen Läden arbeiten Inzwischen bist du hier fest kann. Es wird nie langweilig bei angestellt. Wie kam es dazu? uns. Seit diesem Frühling prä- In der Arbeitsintegration bewarb ich sentieren wir neu auch noch die mich weiterhin um offene Stellen. Kleider für den Online-Shop. Die Gleichzeitig konnte ich mir bei Cari- Spiegelkugel auf Kopfhöhe ist ein tas Secondhand neue Erfahrungen in richtiges Markenzeichen geworden. einer anderen Branche aneignen. Es war nicht immer einfach, denn man Dein Modetipp für Herbst und Kleiderpräsentation im Online-Shop bewegt sich zwischen Job-Absagen Winter? und Motiviertbleiben. Die Arbeit im Man darf wieder Muster tragen. Al- Einsatzprogramm hat mir geholfen, les mit Karomuster und grossen Woher kennst du Caritas dass der Alltag eine Struktur hatte, Blumenprints ist angesagt. Knalli- Secondhand? und die Zeit im Secondhand-Laden ge Farben wie Pink, Hellgrün und Im Rahmen eines Arbeitsintegra- verflog sowieso im Nu. 2016 habe ich Limette könnten deine neue Lieb- tionseinsatzes konnte ich im Cari- mich um eine bei Caritas Secondhand lingsfarbe für diesen Winter wer- tas-Secondhand-Laden in Winter- frei gewordene Stelle beworben, mich den. Ganz erstaunt bin ich über den thur als Verkäuferin arbeiten. Durch gegen andere Bewerberinnen durch- aktuellen Schal-Trend. Schal ist im- die Ladenschliessung eines Mode- gesetzt und so den Sprung zurück in mer Trend, nun darf der Schal jedoch geschäfts wurde ich 2015 arbeits- die Arbeitswelt geschafft. Heute bin ein bisschen grösser als üblich aus- los. Mein Berater beim regionalen ich dankbar für die Chance, die ich er- fallen. Auffallen ist angesagt. Deine Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) halten habe, und ich könnte mir eine Strickpullis kannst du auch wieder vermittelte den Kontakt als Zwi- andere Arbeit nicht mehr vorstellen. aus dem Schrank nehmen. Zusätz- schenlösung. Sehr schnell erhielt ich lich darf man wieder Leder von Kopf Bescheid, dass Caritas Secondhand Was gefällt dir an deiner Arbeit bis Fuss tragen, wie in den 80ern. mir einen Platz in ihrem Arbeitsinte- bei Caritas Secondhand? Mein Highlight wird definitiv die grationsprogramm anbietet. Ich war Die Vielseitigkeit des Alltags und Cape-Jacke. Für mehr Tipps komm bis dahin noch nie in einem Second- der Kundenkontakt mit ganz un- bei uns im Secondhand vorbei, wir hand-Laden und kannte auch Ca- terschiedlichen Menschen in ver- beraten dich gerne. ritas Zürich nur vom Hören. Durch schiedenen Kulturen und sozialen meine Erfahrung als Verkäuferin Schichten. Das Sortieren der Klei- www.caritas-secondhand.ch 18 Nachbarn 2 / 20
Caritas Zürich Secondhand-Online-Shop: Nunzia Spadavecchia ist eines der Models.
Grusskarte_CAZH_A6.indd 1 Caritas Zürich Armut ist Alltag … … für über 100 000 Menschen im Kanton Zürich. Armut existiert auch im reichen Kanton Zürich, obwohl sie kaum sichtbar ist. Denn viele Betroffene schämen sich für ihre prekäre Lage. Caritas Zürich bekämpft mit ihren Unterstützungsangeboten Ar- mut im Kanton Zürich und setzt sich für Prävention ein. Helfen Sie uns dabei. In der Schweiz arm zu sein, heisst, in allen Lebensbereichen sparen zu müssen. Bei der Gesundheit, dem Woh- nen, der Bildung, der Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben. Denn noch viel zu oft ist Arbeit nicht exis- tenzsichernd, wird Armut an die nächste Generation weitergereicht, und der Grundbedarf in der Sozialhilfe ist definitiv zu tief. Gerade Kinder aus armutsbetroffenen Familien leiden unter diesen Folgen. Um auf die Situation von über 100 000 Zürcherinnen und Zürchern aufmerksam zu machen, hat Caritas Zürich eine Sensibilisierungskam- pagne lanciert und zeigt anhand von drei Schicksalen, wie dringend der Handlungsbedarf im Kanton Zürich ist. Bilder: Thomas Plain Anita W. Stefan M. Nora A. Die alleinerziehende Mutter von Der ehemalige Kommunikations- Die Mutter von vier Kindern hat vier Kindern bewegt sich als Wor- berater rutschte wegen gesundheit- während der Corona-Krise ihren king Poor permanent am Rand des licher Probleme in Arbeitslosigkeit schlecht bezahlten Job in der Reini- 22.07.2020 15:50:19 Existenzminimums. und Armut ab. gung verloren. Mehr zu unserer Kampagne unter www.caritas-zuerich.ch/armut 20 Nachbarn 2 / 20
Zürich « Armut ist, weder den Fünfer noch das Weggli zu haben.» Stefan M. * * Stefan M. ist einer von über 100 000 Armutsbetroffenen im Kanton Zürich. Der ehemalige Kommunikationsberater rutschte wegen gesundheitlicher Probleme in die Arbeitslosigkeit und in die Armut ab. Spenden Sie jetzt. www.caritas-zuerich.ch /armut
Ichwillhelfen JungeFreiwilligeverhindern dieSchliessungderCaritas-Märkte Ein einziger Aufruf genügte: Dank dem spontanen Einsatz von vielen jungen Freiwilligen konnten die Caritas-Märkte in St. Gallen und Wil auch während des Lockdowns geöffnet bleiben. TextSusannaHeckendornBildGregorScherzinger W er holt das Brot bei den Bäckereien in der Um- gebung, kontrolliert die Waren, füllt Gestelle auf und steht an der Kasse, wenn die Freiwilli- gen von einem Tag auf den andern zu Hause bleiben müssen, weil sie aufgrund ihres Alters zur Risiko- gruppe gehören? «Uns war klar, dass der Lockdown unsere Kundin- nen und Kunden besonders hart treffen würde», erinnert sich Phi- lipp Holderegger, Geschäftsleiter der Caritas St. Gallen-Appenzell. «Es stand deshalb ausser Frage, die Caritas-Märkte zu schliessen. Aber wer, das war die grosse He- ZahlreichejungeFreiwilligehieltendenCaritas-MarktwährendderCorona-KriseamLaufen rausforderung, sollte die Läden betreiben?» Mit einem Aufruf auf Facebook fanden sich innert weni- in die Hand drücken durfte, was schenkt.» Desirée wollte sich so- ger Tage viele junge Freiwillige, die, nicht gestattet ist, fiel ihm sehr lidarisch zeigen und war beein- anstatt im Lockdown zu Hause he- schwer. druckt, wie viele Menschen mit rumzusitzen, etwas Sinnvolles tun sehr wenig zufrieden sind. «Es war wollten. Jael Dahinden und Desirée Stuck schön, die grosse Dankbarkeit der studieren beide Soziale Arbeit. Kundschaft zu spüren und mit den Für Verena Keller, die sonst als Die Mutter von Jael arbeitet jeden Freiwilligen Solidarität zu leben.» Hotelfachfrau arbeitet, war es eine Mittwoch im Caritas-Markt und völlig neue Erfahrung, dass jemand gehört zur Risikogruppe. Spon- Sich zu engagieren und miteinan- so froh ist, sie dabei zu haben und tan entschied sich Jael, ihre Stell- der etwas zu bewirken, so die ein- ihr das auch zeigt. «Diese unerwar- vertretung zu übernehmen. «Die hellige Meinung der temporären tete Wertschätzung war enorm mo- Arbeit im Caritas-Markt hat mir Freiwilligen, ist eine tolle Erfah- tivierend.» Ein paar ernüchternde viele wertvolle Begegnungen ge- rung, die sie nicht missen möchten. Erkenntnisse gewann Fabian Bal- mer. Nie hätte er gedacht, dass es WOLLENSIESICHAUCHFREIWILLIGENGAGIEREN? so viele armutsbetroffene Schwei- zerinnen und Schweizer gibt. «Es AlsFreiwilligeoderFreiwilligerlernenSieMenschenmitanderenPerspektiven war sehr hart mitzuerleben, wie kennen Sie helfen im Alltag und machen Integration möglich Sie können Ihr jemand etwas zurücklegen muss, Wissen weitergeben und Neues dazulernen Die Freiwilligenangebote unter- weil ihm an der Kasse 40 Rappen scheidensichvonRegionzuRegionBieinformierenSiesichaufderWebsite fehlen.» Dass er der Person nicht derCaritas-OrganisationinIhrerRegion einfach zwei Zwanzigrappenstücke 22 Nachbarn 2 / 20
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