Sommer 2020 - Jesuitenmission
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser! Erstaunlich, welche Symbolkraft in diesem Jahr einer ganz alltäglichen Handlung inne- wohnt: Sich die Hände zu waschen, wie es die junge Frau aus Uganda auf dem Titelfoto tut, gründlich, unter fließendem Wasser, ist in vielen Teilen der Welt zur Lebensversiche- rung geworden. Denn während in Europas Supermärkten die Verkaufszahlen für Desin- fektionsmittel und Hygieneartikel in die Höhe schnellen, sind all die Luxusartikel, die uns Sicherheit geben sollen in diesen Tagen der Unsicherheit, für die meisten Menschen in Uganda und anderen afrikanischen Ländern, in Indien, Südostasien oder Lateinamerika gar nicht erhältlich. In vielen Krisengebieten und Dürreregionen unserer Projektländer ist vielmehr allein die Verfügbarkeit von Wasser ein Luxus. In den Flüchtlingslagern Ostafrikas, im ausgedörrten Süden des Kontinents, im ländlichen Indien, aber auch „in unserer Nachbarschaft“, in den Armensiedlungen osteuropäischer Roma etwa, kommt das Wasser nicht einfach so aus der Leitung. Glücklich sind dort jene, denen das Wasser nicht nur reicht, um den Durst zu stillen, sondern um sich damit auch mehrmals täglich die Hände zu waschen und so die potenziell tödlichen Corona-Viren fernzuhalten. Auch die Empfehlung des „Social Dis- tancing“ ist in den Slums übervölkerter Metropolen des Globalen Südens keine Option. Die Krise trifft uns hart, unsere Wirtschaft, unsere bürgerlichen Freiheiten, viel härter aber trifft sie die Menschen in afghanischen Dörfern, afrikanischen Flüchtlingscamps oder indi- schen Megastädten. In diesem Heft berichten unsere Jesuit Volunteers, deren Freiwilligen- dienst ein abruptes Ende nahm, über die Privilegien, die ihnen als Deutsche und Österreicher in der Krise zuteilwurden. Kein Privileg, vielmehr unsere Aufgabe, ist es daher, diejenigen zu unterstützen, die durch Corona und die strikten Maßnahmen in ihrer Existenz bedroht sind. Lassen Sie uns gemeinsam ein globales Netz der Solidarität spannen! Bleiben Sie gesund! Schon jetzt von Herzen: Danke für Ihre Unterstützung! Ihre Klaus Väthröder SJ Mag. Katrin Morales Missionsprokurator Geschäftsführerin in Wien 2 jesuitenweltweit
Hilfe für Ostafrika Inhalt 04 Eine andere Dimension der Krise Corona trifft den Globalen Süden mit besonderer Härte 12 Auf einmal staatenlos Neue Gesetze diskriminieren Millionen indischer Büger 16 Aufbruch in kleinen Schritten Katrin Morales und Judith Behnen berichten über Bildungsprojekte und Sozialarbeit in Myanmar 19 Rechenschaftsbericht Arbeit und Ergebnisse des vergangenen Jahres Titel Uganda: 24 Beispielprojekte unserer Arbeit Corona-Prävention in einem Griechenland, Kongo, Bangladesch, Venezuela, Flüchtlingslager des JRS Indien, Österreich Rücktitel Myanmar: 30 Stiftung und Erbschaften Schule des JRS für geflüchtete Nachhaltige Unterstützung für unsere Projekte Kinder im Bundesstaat Kachin. 32 Vom Privileg zu gehen Jesuit Volunteers über das abrupte Corona-Aus ihrer Einsätze 34 Nachrichten Ein Nachruf auf Ludwig Wiedenmann SJ jesuitenweltweit 3
Hierarchie der Not Die Corona-Pandemie hat weltweit zugeschlagen. Pater Klaus Väthröder berichtet, wie wir die Situation erleben und auf die Hilferufe unserer Partner reagieren. J eden Abend um halb sieben sitzen wir sechs Jesuiten der Nürnberger Kommunität um unseren großen Küchentisch und feiern die Heilige Messe. Die Kirchen sind geschlossen und auch die kleine Kapelle in unserer Wohnung ist nicht groß genug für den nötigen Abstand.
Corona-Pandemie Fürbitten statt Predigt Anstatt einer Predigt tauschen wir uns aus über das, was uns während des Tages be- schäftigt hat und bringen unsere Fürbitten dar. Wir beten für die Kranken, für das me- dizinische Personal, für die Menschen, die in diesen Tagen allein sind. Mit dem Team der Jesuitenmission haben wir in den Ta- gen des Lockdowns möglichst viele Freunde und Wohltäter angerufen, um mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Jeden Tag bringen wir die Anliegen aus diesen Telefonaten mit in unsere Messe: Sorgen um Kinder und Enkel, um Ehegatten und Freunde, um die eigene Gesundheit, um den Arbeitsplatz, Heilige Messe am Küchentisch: die Nürnberger Jesuiten- um die Zukunft. Kommunität im Lockdown-Modus. Der Blick wandelt sich lage. Bauarbeiter, Lastwagenfahrer, Haus- Mit der Zeit hat sich der Fokus unserer angestellte und Straßenverkäufer verließen eigenen Bitten verändert. Zu Beginn der die großen Städte und brachen auf in ihre Corona-Krise haben wir vor allem für die Heimatdörfer. Not, Verzweiflung und Pa- Menschen in Italien, Spanien, Deutsch- nik waren so groß, dass viele versuchten, land und den USA gebetet. Dann kamen Hunderte von Kilometern in die Heimat bei unserem Gottesdienst immer mehr die zu Fuß zu bewältigen. Menschen im Globalen Süden in den Blick. Ähnlich erging es mir in der Arbeit. Zu Be- Hilferufe aus ganz Indien ginn der Krise bekam ich viele Schreiben, An den Grenzen der Bundesstaaten wur- in denen unsere Partner und Missionare uns den sie gewaltsam von der Polizei aufge- ihre Solidarität und ihr Gebet versicherten. halten und strandeten ohne Nahrung und Dann kamen mehr und mehr Hilferufe und Obdach. Die letzten Ersparnisse des ohne- Beschreibungen von Bedrängnissen. Dabei hin sehr niedrigen Tageslohns von ein bis war die eigentliche medizinische Krise noch zwei Euro waren längst aufgebraucht. Pater gar nicht bei ihnen angekommen. George Kerketta, mit dem ich einige Tage zuvor noch auf den Missionsstationen in Mitte März bin ich mit einem mulmigen Ranchi unterwegs gewesen war, bat mich Gefühl aus Indien zurückgekommen. Ge- als erster um Hilfe. Mit unserer Unter- rade noch rechtzeitig, bevor die indische stützung konnten die Jesuiten der Ranchi- Regierung als vorbeugende Maßnahme ge- Provinz gemeinsam mit vielen Freiwilligen gen die Corona-Pandemie eine landeswei- den Gestrandeten helfen. Sie errichteten te Sperrung anordnete, um die Bewegung Notunterkünfte in ihren Schulen, die leer der 1,3 Milliarden Einwohner Indiens standen, da kein Unterricht stattfand. Sie einzuschränken. Als Konsequenz verloren verteilten an 5000 Personen Geschirr und Hunderttausende Wanderarbeiter ihre Ar- Lebensmittelrationen, Hygieneartikel und beitsplätze und damit ihre Lebensgrund- Gesichtsmasken und unterrichteten sie in 6 jesuitenweltweit
Corona-Pandemie den einfachsten Schutzmaßnahmen. So- In Andhra Pradesh haben wir den Druck bald der Lockdown vorüber ist, wollen sie und die Verteilung von 300.000 Flugblät- den Wanderarbeitern helfen, sicher in ihre tern unterstützt, die über Corona und Hy- Heimatdörfer zu kommen. gienemaßnahmen informieren. Unwissen- heit und Desinformation ist gerade unter Auch von anderen langjährigen Partnern der einfachen Bevölkerung auf dem Land aus Indien kamen ähnliche Hilferufe, auf weitverbreitet. Dort wurden auch 250 Frau- die wir dank Ihrer Spenden reagieren konn- en im Nähen von Schutzmasken angelernt ten. In Tamil Nadu helfen die Jesuiten der und erhielten Nähmaschinen und Material. Chennai-Provinz über ihre Pfarreien 6000 Täglich fertigen sie jetzt 5000 Masken, die armen Familien, die zu den Dalits und Tri- verteilt werden. bals gehören, mit Nahrungsmittelpaketen. Viele von ihnen haben keine Ausweispapie- Die neue Dimension re und sind damit von den Hilfen der Re- Die Corona-Krise hat noch einmal ganz an- gierung weitestgehend ausgeschlossen. Die dere Dimensionen als lokal begrenzte Katas Kinder armer Familien leiden besonders. trophen, mit denen wir es sonst zu tun ha- Da die Schulen geschlossen sind, fehlt für ben, wie ein Erbeben, eine Hungersnot oder sie nicht nur ein sicherer Ort des Lernens, ein Wirbelsturm. Zudem sind wir in Europa sondern mit der Schulspeisung fällt die für nun selbst betroffen und keine reinen Zu- sie oft einzige tägliche warme Mahlzeit aus. schauer mehr, die sich von der Not in der Jobs in der Krise: In verschiedenen Einrichtungen unserer Projektpartner in Indien nähen Mitarbeiterinnen Schutzmasken. jesuitenweltweit 7
Corona-Pandemie Ferne berühren lassen. Vieles ist ungewiss, Dabei ist die Krankheit durch das Corona- auch die Zukunft unserer Organisation Virus nicht das einzige Problem, sondern der Jesuitenmission. Trotz allem sind wir es verursacht eine ganze Reihe von negati- in Deutschland und Österreich gut abge- ven Konsequenzen. Da ist zum einen der sichert. Staatliche Unterstützungsprogram- beschriebene Lockdown, der die Armen, me werden aufgelegt, unser Gesundheits- von Tageslöhnen abhängigen Menschen in system ist funktions- und leistungsfähig, Existenznöte bringt. Die wirtschaftlichen die soziale Isolation werden wir überstehen, Verluste werden nicht einfach zu kompen- die Schüler werden den Lernstoff nachho- sieren sein. Geschäfte werden schließen und len und auch der wirtschaftliche Einbruch Bauvorhaben zurückgestellt, Hausangestell- wird nicht dazu führen, dass wir verhun- te und Fabrikarbeiter entlassen. Das alles gern. Trotz allem sind wir in Sorge und betrifft vor allem die Armen, die von diesen wissen nicht wirklich, wie die Zukunft einfachen Jobs abhängig sind. aussehen wird. Weiterhin werden durch Corona viele Res- In dieser Situation der eigenen Unsicherheit sourcen von der Bekämpfung anderer Krank- ist es weiterhin der Auftrag der Jesuiten heiten abgezogen, die gerade in Afrika an der mission, durch unsere Partner und Missi- Tagesordnung sind. An Tuberkulose sterben onare den Armen und Verletzlichen beizu- pro Jahr rund 1,5 Millionen Menschen und stehen, für die diese Krise eine ganz andere durch Malaria etwa 500.000 Menschen. Im Dimensionen hat. Schock über eine Pandemie geraten andere Dauerkrisen der Gesundheitssysteme ärme- Die Krise in der Krise rer Länder aus dem Blick. Es ist nicht einfach eine neue Krise, son- dern eine, die auf die vielen anderen Krisen Sorge um Venezuela aufsetzt. In meiner Zeit in Venezuela habe Große Sorgen mache ich mir um Venezuela, ich immer wieder folgende Erfahrung ge- wo ich viele Jahre gearbeitet habe. Dort zeigt macht: Das Leben ist „auf Kante genäht“. sich besonders deutlich, was es bedeutet, wenn Man lebt in einem Staat, auf den man bei ein Land in Dauerkrise von der Corona-Krise Notlagen nicht zählen kann, ohne Absiche- überrollt wird. Lisbeth Mora, meine langjäh- rungen, ohne Ersparnisse, ohne Versiche- rige Mitarbeiterin aus dem Sozialzentrum, rungen, ohne funktionierendes Gesund- hält mich auf dem Laufenden. Sie erzählt von heitssystem, ohne feste Arbeit. Ärzten, die ihre eigene Seife mit ins Kranken- haus bringen müssen. Viele Krankenhäuser Das Leben funktioniert einigermaßen, so- haben keine regelmäßige Wasserversorgung lange es keine Krisen gibt. Sobald etwas oder Elektrizität, ganz zu schweigen von nicht Vorgesehenes passiert, bricht das Kar- Schutzmaterial. In ganz Venezuela gibt es bei tenhaus des Lebens zusammen. Das kann einer Bevölkerung von mehr als 30 Millionen eine Krankheit sein, plötzliche Arbeitslo- Menschen nur noch 80 funktionierende In- sigkeit, ein Todesfall in der Familie oder tensivbetten – in privaten Krankenhäusern. eben eine externe Krise, wie COVID-19. Eine große Anzahl des medizinischen Perso- „Wir haben mehr Angst vor dem Verhun- nals hat das Land verlassen auf der Suche nach gern als vor dem Virus“, sagen viele, die besseren Lebensmöglichkeiten. „Da ist es nur nun vor dem Nichts stehen. verständlich, wenn die Leute lieber zuhause 8 jesuitenweltweit
Corona-Pandemie sterben als im Krankenhaus“, schreibt sie mir. Zweimal die Woche geht Lisbeth ins Armen- viertel und versorgt die Ärmsten mit dem Notwendigsten zum Überleben. Inzwischen kommen auch viele der gut fünf Millionen Emigranten wieder nach Venezuela zurück, die wegen des autoritären Regimes oder der Wirtschaftskrise das Land verlassen haben. Sie haben ihre Jobs in den Nachbarländern verloren und als Ausländer keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Oft werden sie als Ausländer auch angefeindet. Sie würden den Einheimischen Jobs wegenehmen, das Virus verbreiten und die ohnehin schwachen Ge- sundheitssysteme belasten. Ohne Raum keine Distanz Die Gefahr einer Verbreitung des Virus ist besonders groß in den Slums und infor- mellen Siedlungen der Megastädte dieser Erde, wo inzwischen 1,2 Milliarden Men- schen auf engstem Raum zusammenleben. Pater Nigel Johnson schreibt aus Harare in Simbabwe: „Wie sollen die Menschen social distancing praktizieren, wenn 8 bis 10 Per- sonen in einem Zimmer in Mbare zusam- menleben, das eigentlich für einen Jungge- sellen gedacht war? Wie sollen sie Abstand halten, wenn sie in überfüllten Kleinbussen zu ihrer Arbeitsstelle fahren? Was wir zur- zeit tun können, ist uns zu rüsten, wenn die Infektionszahlen ansteigen. Wir müssen die Krankenhäuser auf unseren Missionsstatio- nen darauf vorbereiten.“ Auch hierbei hilft die Jesuitenmission und hat den Kauf von Schutzausrüstungen sowie das Training der Krankenhausmitarbeiter finanziert. Schlüssel zur Krisenbewältigung Trotz allem: Das Leben geht weiter! So möchte man ausrufen und sich selbst Mut machen. Mut machen mir vor allem die lo- kalen Initiativen, die wir unterstützen. Wo Ob in Lateinamerika oder Afrika: Die Pandemie trifft den der Staat versagt oder nur sehr spät handelt, Globalen Süden als Krise in der Krise. jesuitenweltweit 9
Corona-Pandemie ist die soziale Mobilisierung ein Schlüssel zur Beginn der COVID-19 Krise, und unter der Krisenbewältigung. Diese lokalen Initiativen Leitung der Kurie der Jesuiten in Rom, ha- gilt es zu stärken und zu unterstützen. Die ben wir regelmäßige virtuelle Konferenzen organisierte Dorfgemeinschaft, die verein- mit den Verantwortlichen des sozialen Apo- te Nachbarschaft im Armenviertel oder die stolates der verschiedenen Kontinente. Wir Pfarrgemeinde reagieren am schnellsten und beraten uns über die jeweilige Situation, kennen am besten die lokalen Bedürfnisse. tauschen uns aus über gute Praktiken und Lokales Handeln stärkt die Eigeninitiative planen für die Phase, wenn die akute Krise und gibt ein Gefühl der Würde und setzt vorüber ist und die Institutionen wieder ih- Kräfte frei in dem Sturm, der über die Men- ren normalen Betrieb aufnehmen können. schen hereinbricht. Corona ist jedermanns Dabei hilft uns eine gemeinsam erstellte Notfall. Jeder muss beteiligt sein. und permanent aktualisierte Datenbank mit den wichtigsten Informationen unserer Globales Ordensnetzwerk zahlreichen sozialen Werke weltweit. Während wir die lokalen Initiativen unter- stützen, versuchen wir Jesuiten gleichzeitig Fokus auf Geflüchtete auf globaler Ebene den Überblick zu behal- Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen ten und die Aktivitäten abzustimmen. Seit wir die Situation beim Jesuiten-Flüchtlings Auch in Teilen Osteuropas, hier Rumänien, trifft Corona arme Gemeinschaften mit voller Wucht. Unsere Partner vor Ort helfen. 10 jesuitenweltweit
Corona-Pandemie dienst, der in 56 Ländern gut 700.000 Flüchtlinge betreut, die besonders durch Corona gefährdet sind. In vielen Flücht- lingslagern drängen sich die Menschen auf engstem Raum. Allein im Flüchtlingscamp Kutupalong in Bangladesch, im größten Flüchtlingslager der Welt, wo die Jesui- tenmission die Arbeit des JRS seit Beginn unterstützt, leben derzeit mehr als 640.000 Rohingya in Zelten und improvisierten Hütten. Kirche als Feldlazarett Corona macht uns noch einmal deutlich, dass es eine „Hierarchie der Not“ gibt. Die Krise hat andere Auswirkungen auf ein gutverdienendes Ehepaar ohne Kinder als auf eine alleinerziehende Mutter mit zwei Danke für Ihre Hilfe! Kindern in einer kleinen Wohnung. Wer unten steht, leidet mehr: die Corona-Krise Vor einigen Wochen haben Sie von der verdeutlicht und verschärft die soziale Un- Jesuitenmission einen Spendenaufruf zu gleichheit und macht uns deutlich, dass die Corona erhalten. Viele von Ihnen sind „Hierarchie der Not“ global noch viel steiler diesem Aufruf nachgekommen und haben ist. Abends, wenn wir gemeinsam die Mes- großzügig gespendet. Dadurch konnten se feiern, machen wir keinen Unterschied. wir bereits vielen Menschen helfen, die Wir beten und bitten für alle Menschen. durch die Corona-Krise in Not geraten Dabei denke ich oft an das Wort von Papst sind. Dafür möchte ich Ihnen von Her- Franziskus, der die Kirche als Feldlazarett zen danken! Weitere Spenden nehmen wir bezeichnet, dass die Kirche in diesen Tagen sehr gerne an, denn es gibt noch viele Ini- dorthin gehen soll, wo die Menschen leben, tiativen und Hilfsprojekte, die unsere Un- wo sie leiden und wo sie hoffen. terstützung dringend brauchen. Die Krise ist weltumspannend, aber unser Netz der Papst Franziskus: „Ich sehe ganz klar, dass Hilfe und Solidarität auch. das, was die Kirche heute braucht, die Fä- higkeit ist, Wunden zu heilen und die Her- jesuitenmission.de/corona zen der Menschen zu wärmen – Nähe und jesuitenmission.at/corona Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht.“ Spendenkonto Österreich IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 Klaus Väthröder SJ Spendenkonto Deutschland IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 Stichwort: X33012 Corona jesuitenweltweit 11
Auf einmal staatenlos Neue Gesetze machen Millionen Inder zu „Ausländern“ und treiben die Spaltung der Gesellschaft voran. In Assam, „Ground Zero“ der Katastrophe, kämpft das Team von Owen Chourappa SJ für die Rechte der Armen und die Werte der Verfassung. I m Dezember 2019 hat die indische Re- Der Jesuit Owen Chourappa SJ ist Direk- gierung ein neues Staatsbürgerschaftsge- tor der Menschenrechtsorganisation Legal setz (Citizenship Amendment Act, CAA) Cell for Human Rights (LCHR) in Assam verabschiedet, das die Einbürgerung von und beschreibt die Auswirkungen und sei- Flüchtlingen aus den Nachbarländern Bangla- ne Arbeit mit den Betroffenen: desch, Pakistan und Afghanistan vereinfacht. Explizit ausgenommen von der Regelung aber Zerrissene Familien sind Muslime. Für Kritiker ein klarer Verstoß Die letzte aktualisierte Fassung des NRC gegen die säkulare Verfassung der „größten für Assam wurde am 31. August 2019 ver- Demokratie der Welt“. Sie fürchten, dass die öffentlicht und listet 31 Millionen Personen verantwortliche Hindu-nationalistische BJP- auf – obwohl unser Bundesstaat 33 Millio- Partei um Ministerpräsident Narendra Modi nen Einwohner hat. 1,9 Millionen Antrag- die Spaltung des Landes weiter vorantreibt. steller wurden ausgelassen, was sie potenzi- Ein weiterer Keil ist die geplante Einführung ell staatenlos macht. Diejenigen, die nicht eines nationales Bürgerverzeichnisses (NRC). auf der Liste stehen, haben eine ungewisse Das Register wurde bislang nur im nordöstli- Zukunft vor sich: Sie haben keine Geburts- chen Bundestaat Assam erhoben, wo illegale urkunden und können so nicht beweisen, Einwanderung aus Bangladesch seit Langem dass sie indische Staatsangehörige sind. ein großes Thema ist. Die Veröffentlichung des NRC zerreißt 12 jesuitenweltweit
Indien ganze Familien und bringt unsägliches Leid. Dorf zurückkehren. Die Polizei wird mich Derzeit kümmern wir uns um 627 Einzel- finden und in ein Internierungslager brin- fälle. Eine unserer Klientinnen, Nuritan, gen.“ Wir haben die Angelegenheit erneut wurde aus dem NRC ausgeschlossen und vor den Obersten Gerichtshof gebracht, um als einzige ihrer fünf Geschwister als „Aus- eine Überprüfung der Petition zu erreichen. länderin“ deklariert. Ihr Mann sitzt bereits Das Gericht hat die Überprüfung noch in Abschiebehaft. Chaidur, ein 42-jähri- nicht zugelassen. ger Landwirt, fand sich selbst und seinen 19-jährigen Sohn auf der Liste des NRC Eine humanitäre Krise in Assam wieder, nicht aber seine Frau und seine In den letzten Monaten sind die Zeitungen beiden anderen Kinder. Wir konnten seine voll mit traurigen Geschichten über Men- Dokumente vervollständigen und haben ei- schen, die von der Liste des NRC ausge- nen Überprüfungsantrag gestellt. schlossen wurden, darunter sind verdiente Armee-Veteranen und ein bedeutender, Ein Schreibfehler führt ins Abschiebelager mit einem Landespreis bedachter Künstler. Schlechte Aussichten hingegen hat Abul. Er Viele Betroffene sehen keinen Ausweg und ist 30 Jahre alt und arbeitet in einer Textil- begehen Selbstmord. In Assam zeichnet fabrik. Mit einer Anzeige der Polizei kam er sich eine humanitäre Krise ab: Das büro- zu uns und bat um Rechtshilfe. Seine El- kratische Monster NRC droht damit, mehr tern und andere Familienmitglieder waren als zwei Millionen Menschen auszuweisen, bereits im NRC registriert, er nicht, da sein sodass sie staatenlos und ohne jede Rechts- Name in einem anderen Dokument falsch mittel dastehen. geschrieben war. Die Berichtigung des Rechtschreibfehlers wurde ihm verweigert. Mit der Einführung des NRC in Assam – auch hier regiert seit 2016 die BJP – ging Eines Tages rief Abul von einer unbekann- es darum, „Millionen illegaler muslimischer ten Nummer an, weinte und sagte, er werde Einwanderer aus Bangladesch“ aufzuspüren sich verstecken: „Ich kann nicht in mein und auszuschließen. Doch zur völligen Be- Textilproduktion und Landwirtschaft bestimmen die Wirtschaft von Assam, einem der ärmsten Bundesstaaten Indiens. jesuitenweltweit 13
Indien stürzung der Anhänger dieser spalterischen dhistischen, jainistischen, parsischen oder Ideologie stellte sich heraus, dass die Mehr- christlichen Gemeinschaft aus Afghanis- heit der Ausgeschlossenen (1,6 Millionen tan, Bangladesch oder Pakistan angehört, von 1,9 Millionen) Hindus waren. Daher die am oder vor dem 31. Dezember 2014 ergriff die Regierung rasch Maßnahmen, nach Indien eingereist ist“ und religiö- um durch die Einführung des neuen Staats- ser Verfolgung ausgesetzt ist, die indische bürgerschaftsgesetzes (CAA) den massiven Staatsbürgerschaft im Rahmen eines „Ein- Ausschluss von Hindus aus dem NRC von bürgerungsverfahrens“ zu gewähren. Der Assam aufzuheben. Änderungsantrag schließt Angehörige aller muslimischen Gemeinschaften aus. Ein Gesetz für alle – bis auf Muslime Das CAA zielt darauf ab, „jeder Person, Landesweite Proteste die einer hinduistischen, sikhischen, bud- Die Ausschluss-Politik hat landesweit zu massiven Protesten geführt, zu Äußerungen tiefer Besorgnis in (begrenzten) Teilen der Umstrittene Gesetze führen Millionen indischer Bürger auf Presse und auf Blogs, aber auch zu Gewalt die Reise in eine ungewisse Zukunft. auf den Straßen. Angst und Wut macht sich breit in vielen Universitäten und wei- ten Teilen einiger Bundesstaaten. Und das ist nur der erste Tribut, den der Citizenship Amendment Act fordert, obwohl er nach eigenen Schätzungen der Regierung nur etwas mehr als 31.000 Menschen helfen wird, sich aber gegen die zweitgrößte religi- öse Gemeinschaft des Landes richtet. Bruch mit der Verfassung Viele Menschen, die dagegen protestieren, glauben, das neue Gesetz nur dazu dienen wird, die indischen Gemeinschaften, ins- besondere Hindus, gegen Muslime zu po- larisieren. Kurz vor der Verabschiedung des Staatsbürgerschaftsgesetzes im Dezember 2019 haben über 700 Aktivisten, Akade- miker und Filmemacher einen Brief an die indische Regierung veröffentlicht, in dem sie ihre große Besorgnis über CAA und NRC zum Ausdruck brachten: „Zum ers- ten Mal gibt es einen gesetzlichen Versuch, nicht nur Menschen aus einigen Glau- bensrichtungen zu privilegieren, sondern gleichzeitig andere, nämlich Muslime, in einen zweitklassigen Status zu drängen“, schrieben sie. 14 jesuitenweltweit
Indien Das neue Gesetz verstoße auch gegen die Indien steht heute nicht an der Schwelle, säkularen Verfassungsgrundsätze und das Geschichte zu machen, sondern in eine Ka- Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. tastrophe zu schlittern. In den kommenden Monaten wird sich entscheiden, ob wir in Ground Zero Assam permanente innenpolitische Auseinander- Die Folgen von NRC und CAA haben setzungen verfallen und mit zunehmender dazu geführt, dass unschuldige Personen internationaler Schmach konfrontiert wer- aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit den, oder ob wir versuchen werden, unsere zu Opfern wurden. Wir in Assam befinden inhärenten Stärken zurückzugewinnen: In- uns am „Ground Zero“ der Katastrophe. klusion, Vielfalt, Pluralismus. Als Mitarbeiter der Legal Cell for Human Rights (LCHR) sind wir glücklich, einigen Owen Chourappa SJ Betroffenen zu helfen, indem wir ihnen eine rechtliche Vertretung vor den Gerich- ten ermöglichen. Seit 2015 haben wir in Zusammenarbeit mit engagierten Anwaltskollegen fast 627 Personen vor verschiedenen Ausländer- gerichten und dem Obersten Gerichtshof pro bono publico vertreten. Bei der Bereit- stellung von Rechtsbeistand für die Opfer von NRC und CAA liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Unterstützung von Frauen, Witwen und älteren Menschen. Indien am Scheitelpunkt Einigen von ihnen ist es gelungen, die Anerkennung ihrer Staatsbürgerschaft zu erreichen, während wir hoffen, noch vie- len anderen helfen zu können. Im Durch- schnitt vertreten wir zeitgleich zehn Per- Unterstützung für Pater Owen (4.v.re.) und sonen vor Gericht. Die Arbeit ist hektisch die Arbeit der LCHR in Assam und Kohima: und anstrengend: Wir müssen täglich vor Gericht zu erscheinen, weil das Leben der Spendenkonto Österreich Armen auf dem Spiel steht. IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 Stichwort: X56610 Kohima Es gibt viel mehr arme Menschen, die vor Spendenkonto Deutschland Gericht vertreten werden müssen und wir IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 müssten weitere Anwälte beschäftigen, um Stichwort: X56610 Kohima mehr von ihnen zu erreichen, aber aufgrund fehlender Mittel können wir nicht mehr jesuitenmission.at/LCHR Fälle zu übernehmen, da unser Dienst für jesuitenmission.de/LCHR die Klienten kostenlos ist. jesuitenweltweit 15
Myanmar Aufbruch in kleinen Schritten Mit Bildungsangeboten und Sozialarbeit begleiten Jesuiten den tiefgreifenden Wandel im ehemaligen Königreich Burma. Katrin Morales und Judith Behnen haben verschiedene Projekte besucht. D rei gerahmte Porträts hängen im Ein Blick in die Geschichte Arbeitszimmer des Jesuitenpaters Und schon sind wir mitten in einer lebhaf- Mark Raper: eines vom Ordens- ten Diskussion: Wie kann es sein, dass eine gründer Ignatius von Loyola, eines von Regierungschefin, die Unterdrückung aus Pedro Arrupe, dem Generaloberen, der eigener Erfahrung kennt und für ihren ge- 1980 den Flüchtlingsdienst der Jesuiten waltlosen Widerstand 1991 mit dem Frie- ins Leben rief, und eines von der jungen densnobelpreis ausgezeichnet wurde, jetzt Aung San Suu Kuyi, die ihren Einsatz für keine deutlichen Worte findet für die bruta- Demokratie in Myanmar mit jahrelangem le Vertreibung der Rohingya aus Myanmar? Hausarrest bezahlte. „Vielleicht ist es an der Zeit, ihr Foto abzuhängen“, sagt Pater Mark Raper ist der Obere der Jesuiten in Mark mit wehmütigem Blick auf das Bild. Myanmar, er kennt das Land seit vielen Jah- „Wenn nur noch ihr Mann Michael leben ren und zeichnet ein differenziertes Bild der würde, er war ein wunderbarer Mensch Geschichte und politischen Situation. Der und guter Freund, sie habe ich nie persön- offizielle Name des Landes lautet „Republik lich getroffen.“ der Union Myanmar“ – damit soll bereits 16 jesuitenweltweit
Myanmar die ethnische und sprachliche Vielfalt der le Kirche ist sehr engagiert, und die Camps Nation transportiert werden. Bis zur Ko- für die Binnenvertriebenen befinden sich lonialbesetzung durch die Briten war das alle auf Land in Kirchenbesitz. Gebiet Teil des burmesischen Königreiches, daraus leiten einige Gruppen der burmesi- Ein College mit Ausstrahlung schen Ethnie noch heute einen politischen Weiter geht es nach Taunggyi in den Bun- Herrschaftsanspruch ab. Während der bri- desstaat Shan. Neben Noviziat und Kan- tischen Kolonialzeit wurden Arbeitskräfte didatenhaus für die interne Ordensausbil- aus Indien und Bangladesch angesiedelt, dung bieten die Jesuiten Englischkurse und deren Nachkommen zum großen Teil bis Lehrerausbildung. Wir besuchen eines der heute keine Staatsangehörigkeit besitzen. Mädchen-Hostels. Im Vorgarten sitzt ein Unterschiedliche ethnische Gruppen kämp- riesiger Teddybär auf einem Plastiksessel. Es fen seit Langem für mehr Rechte oder Un- war Waschtag, und auch die Stofftiere sind abhängigkeit. „Aung San Suu Kuyi ist die jetzt sauber. Tochter eines burmesischen Generals, der 40 junge Frauen wohnen hier zusammen, eine wichtige Rolle im Kampf für die Un- Monica, Studentin im zweiten Jahr, be- abhängigkeit von Großbritannien gespielt grüßt uns gastfreundlich. Sie erzählt uns hatte“, sagt Mark Raper, „dieser biographi- von ihrem Alltag und ihren Zukunftsplä- sche Hintergrund erklärt vielleicht einiges.“ nen. Unterricht, Studium, Vorbereiten der Praktika, gemeinsames Arbeiten im hausei- Hilfe für Vertriebene genen Gemüsegarten, Küchendienst, Wä- Seit 1997 leben Jesuiten wieder in Myanmar. Sie knüpfen an eine Arbeit an, die 1966 mit Myanmar ist Heimat verschiedener Ethnien, Sprachen und dem Rauswurf aller ausländischen Ordens- Religionen. angehörigen durch die Militärregierung ab- rupt beendet wurde. „In den über zwanzig Jahren seit unserer Rückkehr hat sich so viel im Land verändert“, sagt Mark Raper, „nach Jahrzehnten der Selbstisolierung wird Myan- mar jetzt von der Welt entdeckt.“ In Bangladesch hilft der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) den Rohingya, in My- anmar ist er unter dem Dach der lokalen Caritas im Bundesstaat Kachin aktiv. Ge- meinsam mit Projektleiterin San Bu Ra be- suchen wir einige Camps, in denen vertrie- bene Familien oft schon seit vielen Jahren in erdrückender Enge leben. Der JRS fördert den Bau von Schulen in den Camps, bietet zusätzlichen Abendunterricht sowie Häuser, in denen ältere Jugendliche betreut leben und lernen können. Die ethnische Gruppe der Kachin sind zu 90% Christen, die loka- jesuitenweltweit 17
Myanmar Leben im Slum In Thingangyun, einem Slum im Osten der Hauptstadt Yangon, leben über 200.000 Menschen. Viele von ihnen haben keine Dokumente, wurden nach dem Taifun Nar- gis 2008 obdachlos, sind als religiöse oder ethnische Minderheit diskriminiert. Pater Amal und sein Team unterstützen sie in vie- len Bereichen. Mitten im Slum steht das Gemeinschaftszen- trum: Schulunterricht in vier Fächern, Nachhilfe für diejenigen, die sonst die Ab- schlussprüfung nicht schaffen würden, Im Bundesstaat Kachin schafft der JRS Bildungsangebote Computerkurse. Knapp 150 Kinder und für geflüchtete Kinder. Jugendliche nehmen an den Kursen teil, die Listen und Pläne hängen übersichtlich an sche waschen, die Tage sind gut gefüllt. Ihre der Wand. Für Kinder, die in schwierigsten Mitbewohnerinnen sind noch in der Schu- Umständen und Familienverhältnissen le- le, haben Semesterabschlussprüfung. ben, sind sichere Orte, an denen sie Haus- aufgaben machen können und liebevoll Seit 1997 bietet das Saint Aloysius Gonza- betreut werden, lebensverändernd. Für die ga College (SAG) der Jesuiten in Taunggyi Erwachsenen gibt es Unterstützung in Form hochwertigen, bezahlbaren Englischun- von Mikrokrediten, wo möglich, wird auch terricht. Die Nachfrage ist groß, und die geholfen, die Wohnsituation zu verbessern. Angebote werden ständig weiterentwickelt, erzählt uns Direktor Pater Vinny. In Zu- Wir besuchen einige der Familien. Die sammenarbeit mit Jesuit Worldwide Lear- Hütten stehen auf Holzpfählen, darun- ning (JWL) werden die Studierenden ein ter und rundherum steht das Abwasser Jahr lang in Englisch gefördert, bevor sie mit Müll und Ungeziefer. Die reparierten ihr Lehramts- oder Sozialarbeitsstudium Hütten sind am blauen Baumaterial zu beginnen. Die Ausbildung beinhaltet auch erkennen. Wir sehen die verbesserte Versi- viel Praxis. Wir dürfen eine Gruppe be- on und möchten uns gar nicht vorstellen, gleiten, die in einer buddhistischen Klos- wie es vorher ausgesehen hat. Immerhin, terschule Englisch unterrichtet. Fast 600 die Holzpfähle wurden durch Beton er- Kinder unterschiedlichster Religionen und setzt, der Boden wird erstmal nicht bei der Ethnien besuchen diese Schule, viele auch nächsten Regenzeit einbrechen. Über 600 aus anderen Bundesstaaten. Viele kommen Unterkünfte hat das Team um Pater Amal aus Gebieten, in denen die politische und gemeinsam mit den Bewohnern in den letz- militärische Lage unsicher ist. Gute Aus- ten Jahren repariert oder neu gebaut. Mit bildung und sicheres Umfeld machen die kleinen Schritten bewegt sich etwas an vie- Klosterschulen attraktiv. Heute ist Prü- len Orten in Myanmar. fungstag, mit großer Ernsthaftigkeit leiten die Studentinnen die Kinder an. Katrin Morales/Judith Behnen 18 jesuitenweltweit
Rechenschaft 2020 der Jesuitenmission Deutschland und Österreich Aufgaben und Struktur Spendenergebnis 2019 Projekte und Aktionen
Hilfe für Ostafrika Gemeinsam für andere In Zeiten der Krise ein Blick zurück in Dankbarkeit: Katrin Morales, unsere Geschäfts- führerin für Österreich, resümiert die vergangenen 12 Monate. Fast jeder und jede ist derzeit direkt oder in- Schön, wenn wir durch unser weltweites direkt von den Auswirkungen der Corona- Netzwerk Begegnung und ganz konkretes Pandemie betroffen, und viele persönliche Voneinander-Wissen und -Lernen möglich Begegnungen, die früher selbstverständlich machen können. So ist mir auch der Besuch waren, sind zurzeit nicht möglich. Auch wir von P. Fernando Azpiroz SJ, Leiter des So- in unseren Nürnberger und Wiener Büros zialzentrums für Menschen mit Lepra oder mussten Veranstaltungen, Besuche von Pro- HIV in Macau, in Erinnerung. Ihn durfte jektpartnern, persönliche Treffen absagen. ich zum Treffen einer Freundesgruppe, die Gerade in dieser Situation schaue ich mit seine Arbeit seit vielen Jahren unterstützt, großer Dankbarkeit zurück auf das, was – begleiten. So wächst neben finanzieller Un- gemeinsam mit Ihnen! – im vergangenen terstützung auch Freundschaft und gegen- Jahr möglich war. seitiges Wissen um die jeweilige Situation, die Nöte und Freuden. Gemeinsam: mit Partnern weltweit Im Rahmen der Amazonien-Synode und Selbst besucht habe ich im vergangenen unseres Projekts für den Schutz und Erhalt Jahr Projekte in Uganda, Kambodscha und des Lebensraums indigener Völker durften Myanmar. Sei es in der Schule in Sisophon wir in Wien und Nürnberg Gäste aus Ve- in Kambodscha, beim Jesuitenflüchtlings- nezuela und Kolumbien bei uns begrüßen. dienst in Adjumani in Uganda oder beim Neben Presseterminen gab es auch gute Be- Ausbildungsinstitut der Jesuiten in Yan- gegnungen mit Schülerinnen und Schülern gon, beim Besuch der Einsatzorte unserer in Wien. „Warum schützen die Menschen Jesuit Volunteers: Überall erlebe ich die euren Lebensraum denn nicht besser?“, war wachsende, selbstverständliche Zusammen- die Frage eines Schülers. „Weil sie viel zu arbeit zwischen Jesuiten und Laien, Ordens- wenig darüber wissen und uns nicht zuhö- schwestern, Freiwilligen aus unterschied- ren“ die deutliche Antwort. lichen Ländern, z.b. beim deutschen JV 20 jesuitenweltweit
Hilfe für Ostafrika Matthias, der auf dem Fußballplatz Khmer Kinderschutz in unseren Einrichtungen und spricht, bei Menschen mit Fluchthinter- Projekten zentral. Nach der Verabschiedung grund, die jetzt selbst als Lehrer in Flücht- gemeinsamer Richtlinien lag der Schwer- lingslagern arbeiten. Ich bin beeindruckt punkt auf Wissensvermittlung, Weiterbil- vom teils jahrzehntelangen Einsatz der Jesu- dung und Unterstützung in der Umsetzung iten und Ordensschwestern in Kambodscha für unsere Projektpartner. für Menschen mit Behinderungen und am Zur Zeit arbeiten wir eng mit dem Sekretari- Rand der Gesellschaft. at für soziale Fragen des Ordens zusammen, um gemeinsam einen guten Überblick über Gemeinsam: in Österreich & Deutschland die Situation der Werke und Partner weltweit Das gemeinsame Arbeiten im Team und zu haben, inwieweit sie, ihre Mitarbeiterinnen die Verbundenheit über die Ländergrenzen und Mitarbeiter und jene, die sie mit ihrer Ar- hinweg sind fast schon selbstverständlich beit unterstützen, von Corona betroffen sind, geworden. Mit dem Einstieg von Sara Gratt welche Möglichkeiten sie haben, und wie wir ins Wiener Büro hat sich ein gemeinsames gemeinsam helfen können. Team für die Redaktion von weltweit gefun- den. Ein Höhepunkt der länderübergreifen- Gemeinsam: mit unseren Freunden den Zusammenarbeit war der Ausbildungs- Bei vielen Veranstaltungen, persönlichen Be- kurs für ignatianische Führungskräfte, an suchen, in Gesprächen, Emails und Briefen dem neben Mitarbeiterinnen und Mitarbei- durften wir mit Ihnen in Kontakt sein. Viele tern von jesuitenweltweit auch Vertreter je- von Ihnen sind mit uns, unseren Projektpart- suitischer Werke aus der Schweiz, Tschechi- nern und Missionaren im Gebet verbunden. en, Rumänien, Litauen und der Republik Dank Ihnen konnten wir 2019 12,4 Millio- Moldau teilgenommen haben. nen Euro an unsere Projektpartner und Mis- sionare für ihre Arbeit weiterleiten. Gemeinsam: im Xavier Netzwerk Im Netzwerk der jesuitischen NGOs und Von Herzen Danke für alle Unterstützung Jesuitenmissionen in Europa, Kanada und und Verbundenheit! Australien war vergangenes Jahr das Thema Katrin Morales jesuitenweltweit 21
Spenden und Projekte 2019 Einnahmen 2019 Deutschland Österreich Allgemeine Spenden 2.363.547 € 189.865 € Zweckgebundene Spenden 8.924.185 € 1.006.900 € Diverse Einnahmen 2.608.278 € 161.854 € Einnahmen gesamt 13.896.009 € 1.358.618 € Projektförderung 2019 Deutschland Österreich Asien 3.989.849 € 389.392 € Afrika 3.376.811 € 148.375 € Lateinamerika 1.617.153 € 193.689 € Naher Osten und Osteuropa 2.426.232 € 279.550 € Projektförderung gesamt 11.410.046 € 1.011.006 € Ausgaben 2019 Deutschland Österreich Projektförderung 11.410.046 € 1.011.006 € Projektbegleitung 166.684 € 32.825 € Freiwilligendienst & Bildungsarbeit 374.756 € 46.757 € Spenderbetreuung & Öffentlichkeitsarbeit 543.257 € 151.815 € Verwaltung 388.993 € 44.718 € Ausgaben gesamt 12.883.736 € 1.287.121 € Die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen ergibt sich aus der Verwendung von Projektrücklagen und dem Abschluss mehrjähriger Projekte bzw. Rückstellungen für zukünftige Projekte. Ausgaben für Spendenwerbung und allgemeine Öffentlichkeitsarbeit waren 4,6% (DE) und 11,8% (AT) und für Verwaltung 2,8 (DE) und 3,5% (AT). Damit liegen die Ausgaben in einem Bereich, den das Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) als niedrig bzw. angemessen einstuft. Wie in jedem Jahr hat ein Wirtschaftsprüfer beiden Institutionen eine einwandfreie Buchführung testiert. 22 jesuitenweltweit
Wir sind für Sie da! Team Wien Klaus Väthröder SJ (Missionsprokurator), Mag. Katrin Morales (Geschäftsführerin), May Raslan (Buchhaltung, Betreuung von Spendern und Projektpartnern), Sara Gratt (Öffentlichkeitsarbeit) Team Nürnberg Klaus Väthröder SJ (Missionsprokurator), Jörg Dantscher SJ (Stellv. Missionsprokurator), Nicole Endres, Sarah Lechler, Rossemary Brückner-Hospedales, Theresia Lorbach, Trieu Nguyen SJ (Team für den Freiwilligendienst »Jesuit Volunteers«, Bildungs- und Rückkehrerarbeit), Barbara Walter, Manuela Martin Hidalgo, Susanne Poiger, Raquel de Lafuente (Spenderservice, Buchhaltung und Zahlungsverkehr, Gäste- und Missionarsbetreuung), Jörg Alt SJ (Forschung und Advocacy), Judith Behnen (Kommunikation und Projekte), Michael Schöpf (Projekte), Thomas Hubrach (IT), Thomas Kilian (Finanzen und Projekte), Steffen Windschall (Öffentlichkeitsarbeit) Die Jesuitenmission in Wien und Nürnberg sind Werke der deutschen bzw. österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Wir sind Teil des weltweiten Netzwerkes der Jesuiten und stehen in einer über 400-jährigen Tradition der Förderung von internationalen Projekten. In unserer Arbeit orientieren wir uns an folgenden Leitlinien. Glaube und Gerechtigkeit: Den Einsatz für Gerechtigkeit verstehen wir als Glaubensverkündigung durch die Tat. Der soziale Einsatz und die politische Anwaltschaft für Menschenrechte sowie die Veränderung ungerechter Strukturen dienen dem Ziel eines menschenwürdi- gen Lebens für alle. Inkulturation: Wir knüpfen an die Traditionen vor Ort an, fördern und stärken sie, wenn sie zu einem gelungenen Leben helfen. Entscheidend in der Begegnung ist das menschenfreundliche Gottesbild, das wir bezeugen und vermitteln wollen. Dialog: Wir fördern den Austausch zwischen Menschen verschiedener Kulturen, Religionen und sozialen Milieus. Der interreligiöse Dialog ist ein Dialog des Lebens, der Tat, der religiösen Erfahrung und der theologischen Vorstel- lungen. Versöhnung: In einer zerrissenen Welt möchten wir die Versöhnung von Menschen miteinander, mit der Natur, mit sich selbst und mit Gott fördern. Auch wir sind herausgefordert, in allen Bereichen beständig zu lernen. jesuitenweltweit 23
Bildung und Sicherheit für Flüchtlinge Zehntausende Geflüchtete aus Afrika und Asien sind in Griechenland gestrandet. In Athen bietet der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) Anlaufstellen für Migranten. Im Jahr 2019 kamen etwa 65.000 Men- Ein weiteres Projekt widmet sich der Er- schen in Griechenland an, wo die staatli- wachsenenbildung und hilft durch die Ver- chen Einrichtungen zunehmend überfor- teilung von Kleidung und Haushaltsgütern. dert sind. 32.000 der Geflüchteten sind Ein beliebter Treffpunkt ist das „Tea Time“, Kinder, für die der schnelle Zugang zu Bil- wo die Geflüchteten in einer sicheren Um- dung essenziell ist. Bei den ersten Schritten gebung zur Ruhe kommen und sich mit an- der Integration geht es darum, Jugendlichen deren auszutauschen können. Hier können den regulären Schulbesuch zu ermöglichen, Sie die Traumata von Flucht und Vertrei- um informelle Bildungsmöglichkeiten und bung verarbeiten und neue Kraft sammeln, um Hilfe für Erwachsene, die Zugang zum um sich durch Bildung und Arbeit eine Zu- Arbeitsmarkt suchen. kunft aufzubauen. Kraft schöpfen in sicherer Umgebung An diesen Bedürfnissen orientiert sich die „Das Arrupe-Zentrum ist eine Erfolgsge- Arbeit des JRS Griechenland, der 2015 ge- schichte und bietet heute Raum für 180 gründet wurde und derzeit fünf Programme einheimische und geflüchtete Kinder“ anbietet: Im Arrupe-Zentrum bekommen Jose Ignacio Garcia SJ, Regionaldirektor Schüler schulvorbereitenden Sprachunter- richt, Hausaufgabenhilfe und ein tägliches Mittagessen. Ein anderes Zentrum wendet sich speziell an Frauen und bietet eine si- Mit ihrer Hilfe konnten wir den JRS Grie- chere und familienfreundliche Umgebung. chenland mit 55.000 Euro unterstützen. 24 jesuitenweltweit
Jugend im Kampf gegen AIDS Glaubwürdig und authentisch: Im „Centre Maisha“ in der Demokratischen Republik Kongo klären Jugendliche Gleichaltrige über HIV auf – ein Erfolgsrezept im Kampf gegen AIDS. Afrika südlich der Sahara ist die am stärks- die Informationen an andere Jugendliche ten von HIV/AIDS betroffene Region der weitergeben: eine effiziente Strategie, um Welt. Insgesamt leben hier 37,9 Millionen Verhaltensänderungen voranzubringen. So Menschen mit dem HI-Virus, darunter setzen die Verantwortlichen im „Centre 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Vor Maisha“ auf Präventionsaktivitäten mit aus- allem Frauen und junge Mädchen sind gebildeten jugendlichen „Peer Educators“. gefährdet: Nach UN-Angaben infizieren Und eine Veränderung ist schon zu merken: sich im Subsahaha-Raum Woche für Wo- immer mehr junge Männer interessieren che 6.000 junge Frauen zwischen 15 und sich dafür, einen HIV-Test durchzuführen 24 Jahren mit HIV. Statistisch haben dort und teilen das Ergebnis dann mit anderen – junge Frauen eine zweimal höhere Wahr- ein wahres Vorbild für Gleichaltrige. scheinlichkeit, am Virus zu erkranken als Männer. „Wenn man Veränderungen in einer Ge- Über 90.000 junge Multiplikatoren meinschaft herbeiführen will, muss man auf 2002 haben die Jesuiten der zentralafrika- die Jugend zählen. Sie ist die Zukunft.“ nischen Provinz das „Centre Maisha“ in Ki- Ismael Batambura, Leiter des „Centre Maisha“ sangani gegründet, um AIDS-Waisen und vernachlässigten HIV-Patienten zu helfen. Seit 2014 wurden über das Präventions- programm AHAPPY über 90.000 junge Durch ihre Spende konnten wir das Centre Menschen erreicht, die als Multiplikatoren Maisha mit 17.000 Euro unterstützen. jesuitenweltweit 25
Im Fokus: der Schutz der Kinder Vor allem junge Rohingya leiden unter den prekären Lebensbedingungen in den Flücht- lingslagern von Bangladesch. Die Teams des JRS stehen ihnen zur Seite. Bereits vor dem Ausbruch der globalen Co- Ergänzt werden die Maßnahmen durch rona-Pandemie war die Situation im Flücht- gezieltes Fallmanagement: Geschulte An- lingslager von Kutupalong (Bangladesch) für sprechpartner reagieren auf alle Probleme, die massenweise aus dem Nachbarland Myan- die den Schutz und die Sicherheit von Kin- mar geflüchteten Rohingya desolat. Aufgrund dern betreffen und dokumentiert die Vor- der Bedrohung durch COVID-19 haben im gänge in einem Informationsmanagement- April Militär und Polizei das Lager komplett system der UNICEF. abgeriegelt. Trotz beschränkten Zugangs ar- Neben dem direkten Dienst an den Kindern beiten die Mitarbeiter des Jesuiten-Flücht- versucht der JRS, die Rohingya für die Belan- lingsdiensts (JRS) an Notfall-Plänen, um auf ge der Jüngsten zu sensibilisieren und wendet einen möglichen Corona-Ausbruch reagieren sich gezielt an Eltern, religiöse Würdenträger zu können, berichtet JRS-Regionaldirektor und Stammesälteste. Der JRS verwaltet seine Louie Albert SJ. Eine Herkulesaufgabe ange- elf Kinderzentren über ein Kinderschutzko- sichts der bestehenden Probleme. Hauptau- mitee mit 44 freiwilligen Mitarbeitern aus der genmerk liegt auf der Arbeit mit den durch Rohingya-Community. die Vertreibung traumatisierten Kindern. 2019 hat der JRS 2.860 junge Menschen zwi- schen 2 und 16 Jahren erreicht. „Dank der Hilfe aus Deutschland und Ös- terreich können wir Hunderten Kindern und 44 Freiwillige im Kinderschutzkomitee ihren Eltern Motivation und Halt geben“ Wichtigster Bereich bleibt die allgemeine Louie Albert SJ, JRS-Regionaldirektor psychosoziale Unterstützung: Mit ange- passten pädagogischen Konzepten fördern die Mitarbeiter die kognitive, emotionale, Mit ihrer Unterstützung haben wir den soziale und sprachliche Entwicklung der JRS in Bangladesch 2019 mit 500.000 Euro Rohingya-Kinder in vier Altersgruppen. unterstützt. 26 jesuitenweltweit
Ruhepause an der Grenze Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) kümmert sich um die gestrandeten Menschen aus Venezuela in den Grenzregionen. In den letzten Jahren haben knapp fünf Ausgangssperren diesmal in entgegengesetzter Millionen Venezolaner ihre Heimat verlas- Richtung. Auch sie werden bei Ankunft ver- sen. Manche haben weite Wege bis nach sorgt. Wer weiter will, kann die geschlossenen Chile und Brasilien zurückgelegt, andere Grenzen nur noch auf illegalen und gefährli- sind in der grenznahen Region in Kolumbi- chen Wegen überqueren. en oder Brasilien geblieben. Besonders um Manche der Ankommenden sind verzweifelt die kolumbianische Grenzstadt Cúcuta und und orientierungslos, andere haben klare Plä- im brasilianischen Boa Vista haben sich die ne. Die Mitarbeiter des JRS geben Orientie- Probleme für die Dortgebliebenen konzent- rung und helfen, die nächsten Schritte zu pla- riert: keine Wohnmöglichkeiten für die Fa- nen: Transport, Unterkunft, Rechtsberatung, milien, keine Schule für die Kinder, Arbeits- Ausweispapiere, Essen und psychologische losigkeit, Krankheiten, sexuelle Übergriffe, Beratung. Manche benötigen Medikamente Fremdenfeindlichkeit. Aus diesem Grund und insbesondere schwangeren und stillenden hat sich der Jesuiten Flüchtlingsdienst vor Mütter werden Arztbesuche vermittelt. allem der Menschen gewidmet, die in den Grenzregionen gestrandet sind. »Mit allen Beteiligten fördern wir eine Kul- Illegale und gefährliche Routen tur der Gastfreundschaft und des Zusam- Sie kommen zu Fuß, beladen mit Gepäck und menlebens, um der wachsenden Fremden- Kleinkindern. Sie sind erschöpft und benöti- feindlichkeit entgegenzuwirken.“« gen eine Erstversorgung: Wasser und etwas zu Mauricio García Durán SJ – Direktor JRS Essen, Ruhe und Zuspruch. Inzwischen kom- men auch viele Venezolaner wieder zurück, da der lockdown durch Corona ihnen die Lebens- Dank Ihrer Spenden konnten wir die Be- möglichkeiten im Exil genommen hat und treuung der venezolanischen Flüchtlinge im viele Hunger leiden. Trotz Reiseverboten und letzten Jahr mit 150.000 Euro unterstützen. jesuitenweltweit 27
Mit Bildung aus der Armut Durch die Arbeit mit Kindern und Frauen schafft das „Hayden Hall Institut“ seit 50 Jahren sozialen Wandel in Nordindien. Von außen sieht es aus wie ein gewöhnliches Menschen mit Medizin versorgen. Bezahlt Ladengeschäft mit Teppichen, Webereien und wird so, wie es die finanzielle Situation der anderen traditionellen Textilien. Doch hier Menschen erlaubt. Derzeit erfahren 2.355 erhalten Frauen oft zum ersten Mal die Mög- Haushalte Unterstützung. lichkeit, gegen faire Bezahlung zu arbeiten, Die Unterstützung der Frauen geht Hand in gleichzeitig Zugang zu Gesundheits- und Bil- Hand mit der Versorgung der Kinder. Das dungsprogrammen sowie Kinderbetreuung. Programm startet mit einem Krippenangebot für Kleinkinder arbeitender Mütter, schließt Das Projekt „Hayden Hall“ wurde 1969 vom an mit einer Vorschule und bietet den älteren irischen Jesuiten Peter Burns SJ gegründet, Kindern Abend-Lernprogramme und einen um Perspektiven und Bildung in die ver- ruhigen Platz zum Hausaufgabenmachen. armten Städte und Dörfer von Darjeeling Wichtig sind auch Aktivitäten wie Tanz, zu bringen. Heute fördert „Hayden Hall“ Theater und Sport. Stipendien werden zu 94 48 Lernzentren. Dort unterrichten 91 Lehr- Prozent an junge Mädchen vergeben. Sie lei- kräfte. Neben der Arbeit mit Kindern und den unter der traditionellen Rollenverteilung, Jugendlichen sind Angebote für Frauen ein erfahren oft Gewalt und sexuelle Übergriffe. wichtiger Faktor für sozialen Wandel. Im Einsatz gegen Mangelernährung »Viele Frauen, die Leistungen in Anspruch Eines der großen Gesundheitsprobleme vor nehmen, arbeiten später selbst in der Ge- Ort ist Mangelernährung. In Hayden Hall meinschaft mit, im Moment sind es 64« werden daher schwangere Frauen, Frauen Paul de Souza SJ Leiter von Hayden Hall mit kleinen Kindern, aber auch Pensionis- ten, Menschen mit Behinderungen und Al- leinstehende, mit Essensrationen versorgt. In 2019 haben wir die Jesuiten in der Darjee- der zugehörigen Apotheke können sich die ling Provinz mit 380.000 Euro unterstützt. 28 jesuitenweltweit
Integration heißt Potenziale wecken Im Mai 2018 gingen das Wiener Wohnprojekt „locugee" – an den Start: aus einer WG für zwei syrische Flüchtlinge wurde ein Wohnprojekt für 15 Menschen aus acht Nationen. „Locugee“ vereint Einheimische (locals) warten teilweise bis zu vier Jahre auf ein und Geflüchtete (refugees): „Die Kernidee endgültiges Urteil. In dieser Zeit dürfen sie besteht darin, dass Menschen aus Fluchtlän- nicht arbeiten und leben ohne Perspektive dern und Gleichaltrige aus der westlichen und mit der ständigen Angst, abgeschoben Welt zusammenleben, nach Möglichkeit zu werden. Das obwohl es Firmen in Ös- Freundschaft schließen und voneinander terreich gibt, die händeringend Lehrlinge lernen“, erklärt Pater Martin Rauch SJ. Dass suchen. Das Problem ist komplex. das Modell funktioniert, zeigt sich auch in der Krise: Abid, ein Syrer aus Aleppo, Die Unterschiede zwischen reichen und ar- wurde am Beginn der Corona-Ausgangs- men Ländern sind so groß, dass mit wenig beschränkungen im Locugee-Flüchtlings- Geld in den Herkunftsländern viel bewirkt haus auf seine Bitten hin aufgenommen. werden kann. Das „locugee“-Team unter- stützt seit zwei Jahren Familien in Syrien, de- Eine gute Entscheidung: „Hier lerne ich, wie ren Kinder hier bei uns sind: als unmittelbare man in der westlichen Welt lebt. In der WG Hilfe für ein vom Krieg zerstörtes Land sowie habe ich begriffen, warum wir uns alle an als Unterstützung für die jungen Leute hier. die Ausgangsbeschränkungen halten müs- sen. Bis jetzt war mir das noch nicht so klar.“ »Im Locugee Haus haben wir bewusst jun- Unterstützung für die Familien daheim ge Leute aufgenommen, die ohne familiären Die Unterschiede zwischen Flüchtlingen, Rückhalt in Europa sind« die mit Familien hier sind, und jenen, die P. Martin Rauch auf sich alleine gestellt sind sowie die zwi- schen jenen mit positivem oder negativem Bescheid sind groß. Flüchtlinge mit nega- Das Integrationsprojekt haben wir 2019 tivem Bescheid trifft es besonders hart. Sie mit 103.807 Euro gefördert. jesuitenweltweit 29
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