Sommer 2020 - Jesuitenmission

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Sommer 2020
Sommer 2020 - Jesuitenmission
Editorial

      Liebe Leserinnen und Leser!

      Erstaunlich, welche Symbolkraft in diesem Jahr einer ganz alltäglichen Handlung inne-
      wohnt: Sich die Hände zu waschen, wie es die junge Frau aus Uganda auf dem Titelfoto
      tut, gründlich, unter fließendem Wasser, ist in vielen Teilen der Welt zur Lebensversiche-
      rung geworden. Denn während in Europas Supermärkten die Verkaufszahlen für Desin-
      fektionsmittel und Hygieneartikel in die Höhe schnellen, sind all die Luxusartikel, die uns
      Sicherheit geben sollen in diesen Tagen der Unsicherheit, für die meisten Menschen in
      Uganda und anderen afrikanischen Ländern, in Indien, Südostasien oder Lateinamerika
      gar nicht erhältlich.

      In vielen Krisengebieten und Dürreregionen unserer Projektländer ist vielmehr allein die
      Verfügbarkeit von Wasser ein Luxus. In den Flüchtlingslagern Ostafrikas, im ausgedörrten
      Süden des Kontinents, im ländlichen Indien, aber auch „in unserer Nachbarschaft“, in den
      Armensiedlungen osteuropäischer Roma etwa, kommt das Wasser nicht einfach so aus der
      Leitung. Glücklich sind dort jene, denen das Wasser nicht nur reicht, um den Durst zu
      stillen, sondern um sich damit auch mehrmals täglich die Hände zu waschen und so die
      potenziell tödlichen Corona-Viren fernzuhalten. Auch die Empfehlung des „Social Dis-
      tancing“ ist in den Slums übervölkerter Metropolen des Globalen Südens keine Option.

      Die Krise trifft uns hart, unsere Wirtschaft, unsere bürgerlichen Freiheiten, viel härter aber
      trifft sie die Menschen in afghanischen Dörfern, afrikanischen Flüchtlingscamps oder indi-
      schen Megastädten. In diesem Heft berichten unsere Jesuit Volunteers, deren Freiwilligen-
      dienst ein abruptes Ende nahm, über die Privilegien, die ihnen als Deutsche und Österreicher
      in der Krise zuteilwurden. Kein Privileg, vielmehr unsere Aufgabe, ist es daher, diejenigen zu
      unterstützen, die durch Corona und die strikten Maßnahmen in ihrer Existenz bedroht sind.

      Lassen Sie uns gemeinsam ein globales Netz der Solidarität spannen! Bleiben Sie gesund!
      Schon jetzt von Herzen: Danke für Ihre Unterstützung!

      Ihre

      Klaus Väthröder SJ		                 Mag. Katrin Morales
      Missionsprokurator		                 Geschäftsführerin in Wien

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Hilfe für Ostafrika
                                                                                             Inhalt

                                 04		 Eine andere Dimension der Krise
                                 		   Corona trifft den Globalen Süden mit besonderer Härte

                                 12		 Auf einmal staatenlos
                                 		   Neue Gesetze diskriminieren Millionen indischer Büger

                                 16 Aufbruch in kleinen Schritten
                                 		   Katrin Morales und Judith Behnen berichten
                                 		   über Bildungsprojekte und Sozialarbeit in Myanmar

                                 19 Rechenschaftsbericht
                                 		   Arbeit und Ergebnisse des vergangenen Jahres

Titel Uganda:                    24		 Beispielprojekte unserer Arbeit
Corona-Prävention in einem       		   Griechenland, Kongo, Bangladesch, Venezuela,
Flüchtlingslager des JRS         		   Indien, Österreich

Rücktitel Myanmar:               30 Stiftung und Erbschaften
Schule des JRS für geflüchtete   		   Nachhaltige Unterstützung für unsere Projekte
Kinder im Bundesstaat Kachin.

                                 32 Vom Privileg zu gehen
                                 		   Jesuit Volunteers über das abrupte Corona-Aus
                                 		   ihrer Einsätze

                                 34 Nachrichten
                                 		   Ein Nachruf auf Ludwig Wiedenmann SJ

                                                                                jesuitenweltweit 3
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Hilfe für Ostafrika

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Hierarchie der Not
Die Corona-Pandemie hat weltweit zugeschlagen. Pater Klaus Väthröder berichtet,
wie wir die Situation erleben und auf die Hilferufe unserer Partner reagieren.

                                              J   eden Abend um halb sieben sitzen
                                                  wir sechs Jesuiten der Nürnberger
                                                  Kommunität um unseren großen
                                              Küchentisch und feiern die Heilige
                                              Messe. Die Kirchen sind geschlossen
                                              und auch die kleine Kapelle in unserer
                                              Wohnung ist nicht groß genug für den
                                              nötigen Abstand.
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Corona-Pandemie

     Fürbitten statt Predigt
     Anstatt einer Predigt tauschen wir uns aus
     über das, was uns während des Tages be-
     schäftigt hat und bringen unsere Fürbitten
     dar. Wir beten für die Kranken, für das me-
     dizinische Personal, für die Menschen, die
     in diesen Tagen allein sind. Mit dem Team
     der Jesuitenmission haben wir in den Ta-
     gen des Lockdowns möglichst viele Freunde
     und Wohltäter angerufen, um mit ihnen in
     Verbindung zu bleiben. Jeden Tag bringen
     wir die Anliegen aus diesen Telefonaten mit
     in unsere Messe: Sorgen um Kinder und
     Enkel, um Ehegatten und Freunde, um die
     eigene Gesundheit, um den Arbeitsplatz,        Heilige Messe am Küchentisch: die Nürnberger Jesuiten-
     um die Zukunft.                                Kommunität im Lockdown-Modus.

     Der Blick wandelt sich                         lage. Bauarbeiter, Lastwagenfahrer, Haus-
     Mit der Zeit hat sich der Fokus unserer        angestellte und Straßenverkäufer verließen
     eigenen Bitten verändert. Zu Beginn der        die großen Städte und brachen auf in ihre
     Corona-Krise haben wir vor allem für die       Heimatdörfer. Not, Verzweiflung und Pa-
     Menschen in Italien, Spanien, Deutsch-         nik waren so groß, dass viele versuchten,
     land und den USA gebetet. Dann kamen           Hunderte von Kilometern in die Heimat
     bei unserem Gottesdienst immer mehr die        zu Fuß zu bewältigen.
     Menschen im Globalen Süden in den Blick.
     Ähnlich erging es mir in der Arbeit. Zu Be-    Hilferufe aus ganz Indien
     ginn der Krise bekam ich viele Schreiben,      An den Grenzen der Bundesstaaten wur-
     in denen unsere Partner und Missionare uns     den sie gewaltsam von der Polizei aufge-
     ihre Solidarität und ihr Gebet versicherten.   halten und strandeten ohne Nahrung und
     Dann kamen mehr und mehr Hilferufe und         Obdach. Die letzten Ersparnisse des ohne-
     Beschreibungen von Bedrängnissen. Dabei        hin sehr niedrigen Tageslohns von ein bis
     war die eigentliche medizinische Krise noch    zwei Euro waren längst aufgebraucht. Pater
     gar nicht bei ihnen angekommen.                George Kerketta, mit dem ich einige Tage
                                                    zuvor noch auf den Missionsstationen in
     Mitte März bin ich mit einem mulmigen          Ranchi unterwegs gewesen war, bat mich
     Gefühl aus Indien zurückgekommen. Ge-          als erster um Hilfe. Mit unserer Unter-
     rade noch rechtzeitig, bevor die indische      stützung konnten die Jesuiten der Ranchi-
     Regierung als vorbeugende Maßnahme ge-         Provinz gemeinsam mit vielen Freiwilligen
     gen die Corona-Pandemie eine landeswei-        den Gestrandeten helfen. Sie errichteten
     te Sperrung anordnete, um die Bewegung         Notunterkünfte in ihren Schulen, die leer
     der 1,3 Milliarden Einwohner Indiens           standen, da kein Unterricht stattfand. Sie
     einzuschränken. Als Konsequenz verloren        verteilten an 5000 Personen Geschirr und
     Hunderttausende Wanderarbeiter ihre Ar-        Lebensmittelrationen, Hygieneartikel und
     beitsplätze und damit ihre Lebensgrund-        Gesichtsmasken und unterrichteten sie in

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Corona-Pandemie

den einfachsten Schutzmaßnahmen. So-                        In Andhra Pradesh haben wir den Druck
bald der Lockdown vorüber ist, wollen sie                   und die Verteilung von 300.000 Flugblät-
den Wanderarbeitern helfen, sicher in ihre                  tern unterstützt, die über Corona und Hy-
Heimatdörfer zu kommen.                                     gienemaßnahmen informieren. Unwissen-
                                                            heit und Desinformation ist gerade unter
Auch von anderen langjährigen Partnern                      der einfachen Bevölkerung auf dem Land
aus Indien kamen ähnliche Hilferufe, auf                    weitverbreitet. Dort wurden auch 250 Frau-
die wir dank Ihrer Spenden reagieren konn-                  en im Nähen von Schutzmasken angelernt
ten. In Tamil Nadu helfen die Jesuiten der                  und erhielten Nähmaschinen und Material.
Chennai-Provinz über ihre Pfarreien 6000                    Täglich fertigen sie jetzt 5000 Masken, die
armen Familien, die zu den Dalits und Tri-                  verteilt werden.
bals gehören, mit Nahrungsmittelpaketen.
Viele von ihnen haben keine Ausweispapie-                   Die neue Dimension
re und sind damit von den Hilfen der Re-                    Die Corona-Krise hat noch einmal ganz an-
gierung weitestgehend ausgeschlossen. Die                   dere Dimensionen als lokal begrenzte Katas­
Kinder armer Familien leiden besonders.                     trophen, mit denen wir es sonst zu tun ha-
Da die Schulen geschlossen sind, fehlt für                  ben, wie ein Erbeben, eine Hungersnot oder
sie nicht nur ein sicherer Ort des Lernens,                 ein Wirbelsturm. Zudem sind wir in Europa
sondern mit der Schulspeisung fällt die für                 nun selbst betroffen und keine reinen Zu-
sie oft einzige tägliche warme Mahlzeit aus.                schauer mehr, die sich von der Not in der

Jobs in der Krise: In verschiedenen Einrichtungen unserer Projektpartner in Indien nähen Mitarbeiterinnen Schutzmasken.

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Corona-Pandemie

     Ferne berühren lassen. Vieles ist ungewiss,    Dabei ist die Krankheit durch das Corona-
     auch die Zukunft unserer Organisation          Virus nicht das einzige Problem, sondern
     der Jesuitenmission. Trotz allem sind wir      es verursacht eine ganze Reihe von negati-
     in Deutschland und Österreich gut abge-        ven Konsequenzen. Da ist zum einen der
     sichert. Staatliche Unterstützungsprogram-     beschriebene Lockdown, der die Armen,
     me werden aufgelegt, unser Gesundheits-        von Tageslöhnen abhängigen Menschen in
     system ist funktions- und leistungsfähig,      Existenznöte bringt. Die wirtschaftlichen
     die soziale Isolation werden wir überstehen,   Verluste werden nicht einfach zu kompen-
     die Schüler werden den Lernstoff nachho-       sieren sein. Geschäfte werden schließen und
     len und auch der wirtschaftliche Einbruch      Bauvorhaben zurückgestellt, Hausangestell-
     wird nicht dazu führen, dass wir verhun-       te und Fabrikarbeiter entlassen. Das alles
     gern. Trotz allem sind wir in Sorge und        betrifft vor allem die Armen, die von diesen
     wissen nicht wirklich, wie die Zukunft         einfachen Jobs abhängig sind.
     aussehen wird.
                                                    Weiterhin werden durch Corona viele Res-
     In dieser Situation der eigenen Unsicherheit   sourcen von der Bekämpfung anderer Krank-
     ist es weiterhin der Auftrag der Jesuiten­     heiten abgezogen, die gerade in Afrika an der
     mission, durch unsere Partner und Missi-       Tagesordnung sind. An Tuberkulose sterben
     onare den Armen und Verletzlichen beizu-       pro Jahr rund 1,5 Millionen Menschen und
     stehen, für die diese Krise eine ganz andere   durch Malaria etwa 500.000 Menschen. Im
     Dimensionen hat.                               Schock über eine Pandemie geraten andere
                                                    Dauerkrisen der Gesundheitssysteme ärme-
     Die Krise in der Krise                         rer Länder aus dem Blick.
     Es ist nicht einfach eine neue Krise, son-
     dern eine, die auf die vielen anderen Krisen   Sorge um Venezuela
     aufsetzt. In meiner Zeit in Venezuela habe     Große Sorgen mache ich mir um Venezuela,
     ich immer wieder folgende Erfahrung ge-        wo ich viele Jahre gearbeitet habe. Dort zeigt
     macht: Das Leben ist „auf Kante genäht“.       sich besonders deutlich, was es bedeutet, wenn
     Man lebt in einem Staat, auf den man bei       ein Land in Dauerkrise von der Corona-Krise
     Notlagen nicht zählen kann, ohne Absiche-      überrollt wird. Lisbeth Mora, meine langjäh-
     rungen, ohne Ersparnisse, ohne Versiche-       rige Mitarbeiterin aus dem Sozialzentrum,
     rungen, ohne funktionierendes Gesund-          hält mich auf dem Laufenden. Sie erzählt von
     heitssystem, ohne feste Arbeit.                Ärzten, die ihre eigene Seife mit ins Kranken-
                                                    haus bringen müssen. Viele Krankenhäuser
     Das Leben funktioniert einigermaßen, so-       haben keine regelmäßige Wasserversorgung
     lange es keine Krisen gibt. Sobald etwas       oder Elektrizität, ganz zu schweigen von
     nicht Vorgesehenes passiert, bricht das Kar-   Schutzmaterial. In ganz Venezuela gibt es bei
     tenhaus des Lebens zusammen. Das kann          einer Bevölkerung von mehr als 30 Millionen
     eine Krankheit sein, plötzliche Arbeitslo-     Menschen nur noch 80 funktionierende In-
     sigkeit, ein Todesfall in der Familie oder     tensivbetten – in privaten Krankenhäusern.
     eben eine externe Krise, wie COVID-19.         Eine große Anzahl des medizinischen Perso-
     „Wir haben mehr Angst vor dem Verhun-          nals hat das Land verlassen auf der Suche nach
     gern als vor dem Virus“, sagen viele, die      besseren Lebensmöglichkeiten. „Da ist es nur
     nun vor dem Nichts stehen.                     verständlich, wenn die Leute lieber zuhause

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Sommer 2020 - Jesuitenmission
Corona-Pandemie

sterben als im Krankenhaus“, schreibt sie mir.
Zweimal die Woche geht Lisbeth ins Armen-
viertel und versorgt die Ärmsten mit dem
Notwendigsten zum Überleben. Inzwischen
kommen auch viele der gut fünf Millionen
Emigranten wieder nach Venezuela zurück,
die wegen des autoritären Regimes oder der
Wirtschaftskrise das Land verlassen haben.
Sie haben ihre Jobs in den Nachbarländern
verloren und als Ausländer keinen Zugang
zum Gesundheitssystem. Oft werden sie als
Ausländer auch angefeindet. Sie würden den
Einheimischen Jobs wegenehmen, das Virus
verbreiten und die ohnehin schwachen Ge-
sundheitssysteme belasten.

Ohne Raum keine Distanz
Die Gefahr einer Verbreitung des Virus ist
besonders groß in den Slums und infor-
mellen Siedlungen der Megastädte dieser
Erde, wo inzwischen 1,2 Milliarden Men-
schen auf engstem Raum zusammenleben.
Pater Nigel Johnson schreibt aus Harare in
Simbabwe: „Wie sollen die Menschen social
distancing praktizieren, wenn 8 bis 10 Per-
sonen in einem Zimmer in Mbare zusam-
menleben, das eigentlich für einen Jungge-
sellen gedacht war? Wie sollen sie Abstand
halten, wenn sie in überfüllten Kleinbussen
zu ihrer Arbeitsstelle fahren? Was wir zur-
zeit tun können, ist uns zu rüsten, wenn die
Infektionszahlen ansteigen. Wir müssen die
Krankenhäuser auf unseren Missionsstatio-
nen darauf vorbereiten.“ Auch hierbei hilft
die Jesuitenmission und hat den Kauf von
Schutzausrüstungen sowie das Training der
Krankenhausmitarbeiter finanziert.

Schlüssel zur Krisenbewältigung
Trotz allem: Das Leben geht weiter! So
möchte man ausrufen und sich selbst Mut
machen. Mut machen mir vor allem die lo-
kalen Initiativen, die wir unterstützen. Wo      Ob in Lateinamerika oder Afrika: Die Pandemie trifft den
der Staat versagt oder nur sehr spät handelt,    Globalen Süden als Krise in der Krise.

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Corona-Pandemie

     ist die soziale Mobilisierung ein Schlüssel zur                 Beginn der COVID-19 Krise, und unter der
     Krisenbewältigung. Diese lokalen Initiativen                    Leitung der Kurie der Jesuiten in Rom, ha-
     gilt es zu stärken und zu unterstützen. Die                     ben wir regelmäßige virtuelle Konferenzen
     organisierte Dorfgemeinschaft, die verein-                      mit den Verantwortlichen des sozialen Apo-
     te Nachbarschaft im Armenviertel oder die                       stolates der verschiedenen Kontinente. Wir
     Pfarrgemeinde reagieren am schnellsten und                      beraten uns über die jeweilige Situation,
     kennen am besten die lokalen Bedürfnisse.                       tauschen uns aus über gute Praktiken und
     Lokales Handeln stärkt die Eigeninitiative                      planen für die Phase, wenn die akute Krise
     und gibt ein Gefühl der Würde und setzt                         vorüber ist und die Institutionen wieder ih-
     Kräfte frei in dem Sturm, der über die Men-                     ren normalen Betrieb aufnehmen können.
     schen hereinbricht. Corona ist jedermanns                       Dabei hilft uns eine gemeinsam erstellte
     Notfall. Jeder muss beteiligt sein.                             und permanent aktualisierte Datenbank
                                                                     mit den wichtigsten Informationen unserer
     Globales Ordensnetzwerk                                         zahlreichen sozialen Werke weltweit.
     Während wir die lokalen Initiativen unter-
     stützen, versuchen wir Jesuiten gleichzeitig                    Fokus auf Geflüchtete
     auf globaler Ebene den Überblick zu behal-                      Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen
     ten und die Aktivitäten abzustimmen. Seit                       wir die Situation beim Jesuiten-Flüchtlings­

     Auch in Teilen Osteuropas, hier Rumänien, trifft Corona arme Gemeinschaften mit voller Wucht. Unsere Partner vor Ort helfen.

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Corona-Pandemie

dienst, der in 56 Ländern gut 700.000
Flüchtlinge betreut, die besonders durch
Corona gefährdet sind. In vielen Flücht-
lingslagern drängen sich die Menschen auf
engstem Raum. Allein im Flüchtlingscamp
Kutupalong in Bangladesch, im größten
Flüchtlingslager der Welt, wo die Jesui-
tenmission die Arbeit des JRS seit Beginn
unterstützt, leben derzeit mehr als 640.000
Rohingya in Zelten und improvisierten
Hütten.

Kirche als Feldlazarett
Corona macht uns noch einmal deutlich,
dass es eine „Hierarchie der Not“ gibt. Die
Krise hat andere Auswirkungen auf ein
gutverdienendes Ehepaar ohne Kinder als
auf eine alleinerziehende Mutter mit zwei       Danke für Ihre Hilfe!
Kindern in einer kleinen Wohnung. Wer
unten steht, leidet mehr: die Corona-Krise      Vor einigen Wochen haben Sie von der
verdeutlicht und verschärft die soziale Un-     Jesuitenmission einen Spendenaufruf zu
gleichheit und macht uns deutlich, dass die     Corona erhalten. Viele von Ihnen sind
„Hierarchie der Not“ global noch viel steiler   diesem Aufruf nachgekommen und haben
ist. Abends, wenn wir gemeinsam die Mes-        großzügig gespendet. Dadurch konnten
se feiern, machen wir keinen Unterschied.       wir bereits vielen Menschen helfen, die
Wir beten und bitten für alle Menschen.         durch die Corona-Krise in Not geraten
Dabei denke ich oft an das Wort von Papst       sind. Dafür möchte ich Ihnen von Her-
Franziskus, der die Kirche als Feldlazarett     zen danken! Weitere Spenden nehmen wir
bezeichnet, dass die Kirche in diesen Tagen     sehr gerne an, denn es gibt noch viele Ini-
dorthin gehen soll, wo die Menschen leben,      tiativen und Hilfsprojekte, die unsere Un-
wo sie leiden und wo sie hoffen.                terstützung dringend brauchen. Die Krise
                                                ist weltumspannend, aber unser Netz der
Papst Franziskus: „Ich sehe ganz klar, dass     Hilfe und Solidarität auch.
das, was die Kirche heute braucht, die Fä-
higkeit ist, Wunden zu heilen und die Her-      jesuitenmission.de/corona
zen der Menschen zu wärmen – Nähe und           jesuitenmission.at/corona
Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein
Feldlazarett nach einer Schlacht.“
                                                   Spendenkonto Österreich
                                                   IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000
                          Klaus Väthröder SJ
                                                   Spendenkonto Deutschland
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                                                   Stichwort: X33012 Corona

                                                                            jesuitenweltweit 11
Auf einmal staatenlos
     Neue Gesetze machen Millionen Inder zu „Ausländern“ und treiben die Spaltung
     der Gesellschaft voran. In Assam, „Ground Zero“ der Katastrophe, kämpft das Team
     von Owen Chourappa SJ für die Rechte der Armen und die Werte der Verfassung.

     I
          m Dezember 2019 hat die indische Re-       Der Jesuit Owen Chourappa SJ ist Direk-
          gierung ein neues Staatsbürgerschaftsge-   tor der Menschenrechtsorganisation Legal
          setz (Citizenship Amendment Act, CAA)      Cell for Human Rights (LCHR) in Assam
     verabschiedet, das die Einbürgerung von         und beschreibt die Auswirkungen und sei-
     Flüchtlingen aus den Nachbarländern Bangla-     ne Arbeit mit den Betroffenen:
     desch, Pakistan und Afghanistan vereinfacht.
     Explizit ausgenommen von der Regelung aber      Zerrissene Familien
     sind Muslime. Für Kritiker ein klarer Verstoß   Die letzte aktualisierte Fassung des NRC
     gegen die säkulare Verfassung der „größten      für Assam wurde am 31. August 2019 ver-
     Demokratie der Welt“. Sie fürchten, dass die    öffentlicht und listet 31 Millionen Personen
     verantwortliche Hindu-nationalistische BJP-     auf – obwohl unser Bundesstaat 33 Millio-
     Partei um Ministerpräsident Narendra Modi       nen Einwohner hat. 1,9 Millionen Antrag-
     die Spaltung des Landes weiter vorantreibt.     steller wurden ausgelassen, was sie potenzi-
     Ein weiterer Keil ist die geplante Einführung   ell staatenlos macht. Diejenigen, die nicht
     eines nationales Bürgerverzeichnisses (NRC).    auf der Liste stehen, haben eine ungewisse
     Das Register wurde bislang nur im nordöstli-    Zukunft vor sich: Sie haben keine Geburts-
     chen Bundestaat Assam erhoben, wo illegale      urkunden und können so nicht beweisen,
     Einwanderung aus Bangladesch seit Langem        dass sie indische Staatsangehörige sind.
     ein großes Thema ist.                           Die Veröffentlichung des NRC zerreißt

12 jesuitenweltweit
Indien

ganze Familien und bringt unsägliches Leid.                Dorf zurückkehren. Die Polizei wird mich
Derzeit kümmern wir uns um 627 Einzel-                     finden und in ein Internierungslager brin-
fälle. Eine unserer Klientinnen, Nuritan,                  gen.“ Wir haben die Angelegenheit erneut
wurde aus dem NRC ausgeschlossen und                       vor den Obersten Gerichtshof gebracht, um
als einzige ihrer fünf Geschwister als „Aus-               eine Überprüfung der Petition zu erreichen.
länderin“ deklariert. Ihr Mann sitzt bereits               Das Gericht hat die Überprüfung noch
in Abschiebehaft. Chaidur, ein 42-jähri-                   nicht zugelassen.
ger Landwirt, fand sich selbst und seinen
19-jährigen Sohn auf der Liste des NRC                     Eine humanitäre Krise in Assam
wieder, nicht aber seine Frau und seine                    In den letzten Monaten sind die Zeitungen
beiden anderen Kinder. Wir konnten seine                   voll mit traurigen Geschichten über Men-
Dokumente vervollständigen und haben ei-                   schen, die von der Liste des NRC ausge-
nen Überprüfungsantrag gestellt.                           schlossen wurden, darunter sind verdiente
                                                           Armee-Veteranen und ein bedeutender,
Ein Schreibfehler führt ins Abschiebelager                 mit einem Landespreis bedachter Künstler.
Schlechte Aussichten hingegen hat Abul. Er                 Viele Betroffene sehen keinen Ausweg und
ist 30 Jahre alt und arbeitet in einer Textil-             begehen Selbstmord. In Assam zeichnet
fabrik. Mit einer Anzeige der Polizei kam er               sich eine humanitäre Krise ab: Das büro-
zu uns und bat um Rechtshilfe. Seine El-                   kratische Monster NRC droht damit, mehr
tern und andere Familienmitglieder waren                   als zwei Millionen Menschen auszuweisen,
bereits im NRC registriert, er nicht, da sein              sodass sie staatenlos und ohne jede Rechts-
Name in einem anderen Dokument falsch                      mittel dastehen.
geschrieben war. Die Berichtigung des
Rechtschreibfehlers wurde ihm verweigert.                  Mit der Einführung des NRC in Assam –
                                                           auch hier regiert seit 2016 die BJP – ging
Eines Tages rief Abul von einer unbekann-                  es darum, „Millionen illegaler muslimischer
ten Nummer an, weinte und sagte, er werde                  Einwanderer aus Bangladesch“ aufzuspüren
sich verstecken: „Ich kann nicht in mein                   und auszuschließen. Doch zur völligen Be-

Textilproduktion und Landwirtschaft bestimmen die Wirtschaft von Assam, einem der ärmsten Bundesstaaten Indiens.

                                                                                                jesuitenweltweit 13
Indien

     stürzung der Anhänger dieser spalterischen                  dhistischen, jainistischen, parsischen oder
     Ideologie stellte sich heraus, dass die Mehr-               christlichen Gemeinschaft aus Afghanis-
     heit der Ausgeschlossenen (1,6 Millionen                    tan, Bangladesch oder Pakistan angehört,
     von 1,9 Millionen) Hindus waren. Daher                      die am oder vor dem 31. Dezember 2014
     ergriff die Regierung rasch Maßnahmen,                      nach Indien eingereist ist“ und religiö-
     um durch die Einführung des neuen Staats-                   ser Verfolgung ausgesetzt ist, die indische
     bürgerschaftsgesetzes (CAA) den massiven                    Staatsbürgerschaft im Rahmen eines „Ein-
     Ausschluss von Hindus aus dem NRC von                       bürgerungsverfahrens“ zu gewähren. Der
     Assam aufzuheben.                                           Änderungsantrag schließt Angehörige aller
                                                                 muslimischen Gemeinschaften aus.
     Ein Gesetz für alle – bis auf Muslime
     Das CAA zielt darauf ab, „jeder Person,                     Landesweite Proteste
     die einer hinduistischen, sikhischen, bud-                  Die Ausschluss-Politik hat landesweit zu
                                                                 massiven Protesten geführt, zu Äußerungen
                                                                 tiefer Besorgnis in (begrenzten) Teilen der
     Umstrittene Gesetze führen Millionen indischer Bürger auf   Presse und auf Blogs, aber auch zu Gewalt
     die Reise in eine ungewisse Zukunft.                        auf den Straßen. Angst und Wut macht
                                                                 sich breit in vielen Universitäten und wei-
                                                                 ten Teilen einiger Bundesstaaten. Und das
                                                                 ist nur der erste Tribut, den der Citizenship
                                                                 Amendment Act fordert, obwohl er nach
                                                                 eigenen Schätzungen der Regierung nur
                                                                 etwas mehr als 31.000 Menschen helfen
                                                                 wird, sich aber gegen die zweitgrößte religi-
                                                                 öse Gemeinschaft des Landes richtet.

                                                                 Bruch mit der Verfassung
                                                                 Viele Menschen, die dagegen protestieren,
                                                                 glauben, das neue Gesetz nur dazu dienen
                                                                 wird, die indischen Gemeinschaften, ins-
                                                                 besondere Hindus, gegen Muslime zu po-
                                                                 larisieren. Kurz vor der Verabschiedung des
                                                                 Staatsbürgerschaftsgesetzes im Dezember
                                                                 2019 haben über 700 Aktivisten, Akade-
                                                                 miker und Filmemacher einen Brief an die
                                                                 indische Regierung veröffentlicht, in dem
                                                                 sie ihre große Besorgnis über CAA und
                                                                 NRC zum Ausdruck brachten: „Zum ers-
                                                                 ten Mal gibt es einen gesetzlichen Versuch,
                                                                 nicht nur Menschen aus einigen Glau-
                                                                 bensrichtungen zu privilegieren, sondern
                                                                 gleichzeitig andere, nämlich Muslime, in
                                                                 einen zweitklassigen Status zu drängen“,
                                                                 schrieben sie.

14 jesuitenweltweit
Indien

Das neue Gesetz verstoße auch gegen die       Indien steht heute nicht an der Schwelle,
säkularen Verfassungsgrundsätze und das       Geschichte zu machen, sondern in eine Ka-
Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.          tastrophe zu schlittern. In den kommenden
                                              Monaten wird sich entscheiden, ob wir in
Ground Zero Assam                             permanente innenpolitische Auseinander-
Die Folgen von NRC und CAA haben              setzungen verfallen und mit zunehmender
dazu geführt, dass unschuldige Personen       internationaler Schmach konfrontiert wer-
aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit       den, oder ob wir versuchen werden, unsere
zu Opfern wurden. Wir in Assam befinden       inhärenten Stärken zurückzugewinnen: In-
uns am „Ground Zero“ der Katastrophe.         klusion, Vielfalt, Pluralismus.
Als Mitarbeiter der Legal Cell for Human
Rights (LCHR) sind wir glücklich, einigen                            Owen Chourappa SJ
Betroffenen zu helfen, indem wir ihnen
eine rechtliche Vertretung vor den Gerich-
ten ermöglichen.

Seit 2015 haben wir in Zusammenarbeit
mit engagierten Anwaltskollegen fast 627
Personen vor verschiedenen Ausländer-
gerichten und dem Obersten Gerichtshof
pro bono publico vertreten. Bei der Bereit-
stellung von Rechtsbeistand für die Opfer
von NRC und CAA liegt ein besonderer
Schwerpunkt auf der Unterstützung von
Frauen, Witwen und älteren Menschen.

Indien am Scheitelpunkt
Einigen von ihnen ist es gelungen, die
Anerkennung ihrer Staatsbürgerschaft zu
erreichen, während wir hoffen, noch vie-
len anderen helfen zu können. Im Durch-
schnitt vertreten wir zeitgleich zehn Per-      Unterstützung für Pater Owen (4.v.re.) und
sonen vor Gericht. Die Arbeit ist hektisch      die Arbeit der LCHR in Assam und Kohima:
und anstrengend: Wir müssen täglich vor
Gericht zu erscheinen, weil das Leben der       Spendenkonto Österreich
Armen auf dem Spiel steht.                      IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000
                                                Stichwort: X56610 Kohima
Es gibt viel mehr arme Menschen, die vor
                                                Spendenkonto Deutschland
Gericht vertreten werden müssen und wir
                                                IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82
müssten weitere Anwälte beschäftigen, um
                                                Stichwort: X56610 Kohima
mehr von ihnen zu erreichen, aber aufgrund
fehlender Mittel können wir nicht mehr          jesuitenmission.at/LCHR
Fälle zu übernehmen, da unser Dienst für        jesuitenmission.de/LCHR
die Klienten kostenlos ist.

                                                                           jesuitenweltweit 15
Myanmar

     Aufbruch in kleinen Schritten
     Mit Bildungsangeboten und Sozialarbeit begleiten Jesuiten den tiefgreifenden
     Wandel im ehemaligen Königreich Burma. Katrin Morales und Judith Behnen
     haben verschiedene Projekte besucht.

     D
               rei gerahmte Porträts hängen im    Ein Blick in die Geschichte
               Arbeitszimmer des Jesuitenpaters   Und schon sind wir mitten in einer lebhaf-
               Mark Raper: eines vom Ordens-      ten Diskussion: Wie kann es sein, dass eine
     gründer Ignatius von Loyola, eines von       Regierungschefin, die Unterdrückung aus
     Pedro Arrupe, dem Generaloberen, der         eigener Erfahrung kennt und für ihren ge-
     1980 den Flüchtlingsdienst der Jesuiten      waltlosen Widerstand 1991 mit dem Frie-
     ins Leben rief, und eines von der jungen     densnobelpreis ausgezeichnet wurde, jetzt
     Aung San Suu Kuyi, die ihren Einsatz für     keine deutlichen Worte findet für die bruta-
     Demokratie in Myanmar mit jahrelangem        le Vertreibung der Rohingya aus Myanmar?
     Hausarrest bezahlte. „Vielleicht ist es an
     der Zeit, ihr Foto abzuhängen“, sagt Pater   Mark Raper ist der Obere der Jesuiten in
     Mark mit wehmütigem Blick auf das Bild.      Myanmar, er kennt das Land seit vielen Jah-
     „Wenn nur noch ihr Mann Michael leben        ren und zeichnet ein differenziertes Bild der
     würde, er war ein wunderbarer Mensch         Geschichte und politischen Situation. Der
     und guter Freund, sie habe ich nie persön-   offizielle Name des Landes lautet „Republik
     lich getroffen.“                             der Union Myanmar“ – damit soll bereits

16 jesuitenweltweit
Myanmar

die ethnische und sprachliche Vielfalt der      le Kirche ist sehr engagiert, und die Camps
Nation transportiert werden. Bis zur Ko-        für die Binnenvertriebenen befinden sich
lonialbesetzung durch die Briten war das        alle auf Land in Kirchenbesitz.
Gebiet Teil des burmesischen Königreiches,
daraus leiten einige Gruppen der burmesi-       Ein College mit Ausstrahlung
schen Ethnie noch heute einen politischen       Weiter geht es nach Taunggyi in den Bun-
Herrschaftsanspruch ab. Während der bri-        desstaat Shan. Neben Noviziat und Kan-
tischen Kolonialzeit wurden Arbeitskräfte       didatenhaus für die interne Ordensausbil-
aus Indien und Bangladesch angesiedelt,         dung bieten die Jesuiten Englischkurse und
deren Nachkommen zum großen Teil bis            Lehrerausbildung. Wir besuchen eines der
heute keine Staatsangehörigkeit besitzen.       Mädchen-Hostels. Im Vorgarten sitzt ein
Unterschiedliche ethnische Gruppen kämp-        riesiger Teddybär auf einem Plastiksessel. Es
fen seit Langem für mehr Rechte oder Un-        war Waschtag, und auch die Stofftiere sind
abhängigkeit. „Aung San Suu Kuyi ist die        jetzt sauber.
Tochter eines burmesischen Generals, der        40 junge Frauen wohnen hier zusammen,
eine wichtige Rolle im Kampf für die Un-        Monica, Studentin im zweiten Jahr, be-
abhängigkeit von Großbritannien gespielt        grüßt uns gastfreundlich. Sie erzählt uns
hatte“, sagt Mark Raper, „dieser biographi-     von ihrem Alltag und ihren Zukunftsplä-
sche Hintergrund erklärt vielleicht einiges.“   nen. Unterricht, Studium, Vorbereiten der
                                                Praktika, gemeinsames Arbeiten im hausei-
Hilfe für Vertriebene                           genen Gemüsegarten, Küchendienst, Wä-
Seit 1997 leben Jesuiten wieder in Myanmar.
Sie knüpfen an eine Arbeit an, die 1966 mit     Myanmar ist Heimat verschiedener Ethnien, Sprachen und
dem Rauswurf aller ausländischen Ordens-        Religionen.
angehörigen durch die Militärregierung ab-
rupt beendet wurde. „In den über zwanzig
Jahren seit unserer Rückkehr hat sich so viel
im Land verändert“, sagt Mark Raper, „nach
Jahrzehnten der Selbstisolierung wird Myan-
mar jetzt von der Welt entdeckt.“

In Bangladesch hilft der Flüchtlingsdienst
der Jesuiten (JRS) den Rohingya, in My-
anmar ist er unter dem Dach der lokalen
Caritas im Bundesstaat Kachin aktiv. Ge-
meinsam mit Projektleiterin San Bu Ra be-
suchen wir einige Camps, in denen vertrie-
bene Familien oft schon seit vielen Jahren in
erdrückender Enge leben. Der JRS fördert
den Bau von Schulen in den Camps, bietet
zusätzlichen Abendunterricht sowie Häuser,
in denen ältere Jugendliche betreut leben
und lernen können. Die ethnische Gruppe
der Kachin sind zu 90% Christen, die loka-

                                                                                    jesuitenweltweit 17
Myanmar

                                                              Leben im Slum
                                                              In Thingangyun, einem Slum im Osten der
                                                              Hauptstadt Yangon, leben über 200.000
                                                              Menschen. Viele von ihnen haben keine
                                                              Dokumente, wurden nach dem Taifun Nar-
                                                              gis 2008 obdachlos, sind als religiöse oder
                                                              ethnische Minderheit diskriminiert. Pater
                                                              Amal und sein Team unterstützen sie in vie-
                                                              len Bereichen.

                                                              Mitten im Slum steht das Gemeinschaftszen-
                                                              trum: Schulunterricht in vier Fächern,
                                                              Nachhilfe für diejenigen, die sonst die Ab-
                                                              schlussprüfung nicht schaffen würden,
     Im Bundesstaat Kachin schafft der JRS Bildungsangebote   Computerkurse. Knapp 150 Kinder und
     für geflüchtete Kinder.                                  Jugendliche nehmen an den Kursen teil, die
                                                              Listen und Pläne hängen übersichtlich an
     sche waschen, die Tage sind gut gefüllt. Ihre            der Wand. Für Kinder, die in schwierigsten
     Mitbewohnerinnen sind noch in der Schu-                  Umständen und Familienverhältnissen le-
     le, haben Semesterabschlussprüfung.                      ben, sind sichere Orte, an denen sie Haus-
                                                              aufgaben machen können und liebevoll
     Seit 1997 bietet das Saint Aloysius Gonza-               betreut werden, lebensverändernd. Für die
     ga College (SAG) der Jesuiten in Taunggyi                Erwachsenen gibt es Unterstützung in Form
     hochwertigen, bezahlbaren Englischun-                    von Mikrokrediten, wo möglich, wird auch
     terricht. Die Nachfrage ist groß, und die                geholfen, die Wohnsituation zu verbessern.
     Angebote werden ständig weiterentwickelt,
     erzählt uns Direktor Pater Vinny. In Zu-                 Wir besuchen einige der Familien. Die
     sammenarbeit mit Jesuit Worldwide Lear-                  Hütten stehen auf Holzpfählen, darun-
     ning (JWL) werden die Studierenden ein                   ter und rundherum steht das Abwasser
     Jahr lang in Englisch gefördert, bevor sie               mit Müll und Ungeziefer. Die reparierten
     ihr Lehramts- oder Sozialarbeitsstudium                  Hütten sind am blauen Baumaterial zu
     beginnen. Die Ausbildung beinhaltet auch                 erkennen. Wir sehen die verbesserte Versi-
     viel Praxis. Wir dürfen eine Gruppe be-                  on und möchten uns gar nicht vorstellen,
     gleiten, die in einer buddhistischen Klos-               wie es vorher ausgesehen hat. Immerhin,
     terschule Englisch unterrichtet. Fast 600                die Holzpfähle wurden durch Beton er-
     Kinder unterschiedlichster Religionen und                setzt, der Boden wird erstmal nicht bei der
     Ethnien besuchen diese Schule, viele auch                nächsten Regenzeit einbrechen. Über 600
     aus anderen Bundesstaaten. Viele kommen                  Unterkünfte hat das Team um Pater Amal
     aus Gebieten, in denen die politische und                gemeinsam mit den Bewohnern in den letz-
     militärische Lage unsicher ist. Gute Aus-                ten Jahren repariert oder neu gebaut. Mit
     bildung und sicheres Umfeld machen die                   kleinen Schritten bewegt sich etwas an vie-
     Klosterschulen attraktiv. Heute ist Prü-                 len Orten in Myanmar.
     fungstag, mit großer Ernsthaftigkeit leiten
     die Studentinnen die Kinder an.                                        Katrin Morales/Judith Behnen

18 jesuitenweltweit
Rechenschaft 2020
der Jesuitenmission Deutschland und Österreich

                             Aufgaben und Struktur

                                        Spendenergebnis 2019

                             Projekte und Aktionen
Hilfe für Ostafrika

      Gemeinsam für andere
      In Zeiten der Krise ein Blick zurück in Dankbarkeit: Katrin Morales, unsere Geschäfts-
      führerin für Österreich, resümiert die vergangenen 12 Monate.

      Fast jeder und jede ist derzeit direkt oder in-   Schön, wenn wir durch unser weltweites
      direkt von den Auswirkungen der Corona-           Netzwerk Begegnung und ganz konkretes
      Pandemie betroffen, und viele persönliche         Voneinander-Wissen und -Lernen möglich
      Begegnungen, die früher selbstverständlich        machen können. So ist mir auch der Besuch
      waren, sind zurzeit nicht möglich. Auch wir       von P. Fernando Azpiroz SJ, Leiter des So-
      in unseren Nürnberger und Wiener Büros            zialzentrums für Menschen mit Lepra oder
      mussten Veranstaltungen, Besuche von Pro-         HIV in Macau, in Erinnerung. Ihn durfte
      jektpartnern, persönliche Treffen absagen.        ich zum Treffen einer Freundesgruppe, die
      Gerade in dieser Situation schaue ich mit         seine Arbeit seit vielen Jahren unterstützt,
      großer Dankbarkeit zurück auf das, was –          begleiten. So wächst neben finanzieller Un-
      gemeinsam mit Ihnen! – im vergangenen             terstützung auch Freundschaft und gegen-
      Jahr möglich war.                                 seitiges Wissen um die jeweilige Situation,
                                                        die Nöte und Freuden.
      Gemeinsam: mit Partnern weltweit
      Im Rahmen der Amazonien-Synode und                Selbst besucht habe ich im vergangenen
      unseres Projekts für den Schutz und Erhalt        Jahr Projekte in Uganda, Kambodscha und
      des Lebensraums indigener Völker durften          Myanmar. Sei es in der Schule in Sisophon
      wir in Wien und Nürnberg Gäste aus Ve-            in Kambodscha, beim Jesuitenflüchtlings-
      nezuela und Kolumbien bei uns begrüßen.           dienst in Adjumani in Uganda oder beim
      Neben Presseterminen gab es auch gute Be-         Ausbildungsinstitut der Jesuiten in Yan-
      gegnungen mit Schülerinnen und Schülern           gon, beim Besuch der Einsatzorte unserer
      in Wien. „Warum schützen die Menschen             Jesuit Volunteers: Überall erlebe ich die
      euren Lebensraum denn nicht besser?“, war         wachsende, selbstverständliche Zusammen-
      die Frage eines Schülers. „Weil sie viel zu       arbeit zwischen Jesuiten und Laien, Ordens-
      wenig darüber wissen und uns nicht zuhö-          schwestern, Freiwilligen aus unterschied-
      ren“ die deutliche Antwort.                       lichen Ländern, z.b. beim deutschen JV

20 jesuitenweltweit
Hilfe für Ostafrika

Matthias, der auf dem Fußballplatz Khmer        Kinderschutz in unseren Einrichtungen und
spricht, bei Menschen mit Fluchthinter-         Projekten zentral. Nach der Verabschiedung
grund, die jetzt selbst als Lehrer in Flücht-   gemeinsamer Richtlinien lag der Schwer-
lingslagern arbeiten. Ich bin beeindruckt       punkt auf Wissensvermittlung, Weiterbil-
vom teils jahrzehntelangen Einsatz der Jesu-    dung und Unterstützung in der Umsetzung
iten und Ordensschwestern in Kambodscha         für unsere Projektpartner.
für Menschen mit Behinderungen und am           Zur Zeit arbeiten wir eng mit dem Sekretari-
Rand der Gesellschaft.                          at für soziale Fragen des Ordens zusammen,
                                                um gemeinsam einen guten Überblick über
Gemeinsam: in Österreich & Deutschland          die Situation der Werke und Partner weltweit
Das gemeinsame Arbeiten im Team und             zu haben, inwieweit sie, ihre Mitarbeiterinnen
die Verbundenheit über die Ländergrenzen        und Mitarbeiter und jene, die sie mit ihrer Ar-
hinweg sind fast schon selbstverständlich       beit unterstützen, von Corona betroffen sind,
geworden. Mit dem Einstieg von Sara Gratt       welche Möglichkeiten sie haben, und wie wir
ins Wiener Büro hat sich ein gemeinsames        gemeinsam helfen können.
Team für die Redaktion von weltweit gefun-
den. Ein Höhepunkt der länderübergreifen-       Gemeinsam: mit unseren Freunden
den Zusammenarbeit war der Ausbildungs-         Bei vielen Veranstaltungen, persönlichen Be-
kurs für ignatianische Führungskräfte, an       suchen, in Gesprächen, Emails und Briefen
dem neben Mitarbeiterinnen und Mitarbei-        durften wir mit Ihnen in Kontakt sein. Viele
tern von jesuitenweltweit auch Vertreter je-    von Ihnen sind mit uns, unseren Projektpart-
suitischer Werke aus der Schweiz, Tschechi-     nern und Missionaren im Gebet verbunden.
en, Rumänien, Litauen und der Republik          Dank Ihnen konnten wir 2019 12,4 Millio-
Moldau teilgenommen haben.                      nen Euro an unsere Projektpartner und Mis-
                                                sionare für ihre Arbeit weiterleiten.
Gemeinsam: im Xavier Netzwerk
Im Netzwerk der jesuitischen NGOs und           Von Herzen Danke für alle Unterstützung
Jesuitenmissionen in Europa, Kanada und         und Verbundenheit!
Australien war vergangenes Jahr das Thema                                 Katrin Morales

                                                                               jesuitenweltweit 21
Spenden und Projekte 2019
  Einnahmen 2019                                                      Deutschland                    Österreich
  Allgemeine Spenden                                                  2.363.547 €                     189.865 €
  Zweckgebundene Spenden                                              8.924.185 €                   1.006.900 €
  Diverse Einnahmen                                                   2.608.278 €                     161.854 €
  Einnahmen gesamt                                                   13.896.009 €                  1.358.618 €

  Projektförderung 2019                                               Deutschland                    Österreich
  Asien                                                               3.989.849 €                     389.392 €
  Afrika                                                              3.376.811 €                     148.375 €
  Lateinamerika                                                       1.617.153 €                     193.689 €
  Naher Osten und Osteuropa                                           2.426.232 €                     279.550 €
  Projektförderung gesamt                                            11.410.046 €                  1.011.006 €

  Ausgaben 2019                                                       Deutschland                    Österreich
  Projektförderung                                                   11.410.046 €                   1.011.006 €
  Projektbegleitung                                                     166.684 €                      32.825 €
  Freiwilligendienst & Bildungsarbeit                                   374.756 €                      46.757 €
  Spenderbetreuung & Öffentlichkeitsarbeit                              543.257 €                     151.815 €
  Verwaltung                                                            388.993 €                      44.718 €
  Ausgaben gesamt                                                    12.883.736 €                  1.287.121 €

  Die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen ergibt sich aus der Verwendung von Projektrücklagen und dem
  Abschluss mehrjähriger Projekte bzw. Rückstellungen für zukünftige Projekte. Ausgaben für Spendenwerbung und
  allgemeine Öffentlichkeitsarbeit waren 4,6% (DE) und 11,8% (AT) und für Verwaltung 2,8 (DE) und 3,5% (AT). Damit
  liegen die Ausgaben in einem Bereich, den das Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) als niedrig bzw. angemessen
  einstuft. Wie in jedem Jahr hat ein Wirtschaftsprüfer beiden Institutionen eine einwandfreie Buchführung testiert.

22 jesuitenweltweit
Wir sind für Sie da!
Team Wien

Klaus Väthröder SJ (Missionsprokurator), Mag. Katrin Morales (Geschäftsführerin), May Raslan
(Buchhaltung, Betreuung von Spendern und Projektpartnern), Sara Gratt (Öffentlichkeitsarbeit)

Team Nürnberg

Klaus Väthröder SJ (Missionsprokurator), Jörg Dantscher SJ (Stellv. Missionsprokurator),
Nicole Endres, Sarah Lechler, Rossemary Brückner-Hospedales, Theresia Lorbach, Trieu Nguyen
SJ (Team für den Freiwilligendienst »Jesuit Volunteers«, Bildungs- und Rückkehrerarbeit),
Barbara Walter, Manuela Martin Hidalgo, Susanne Poiger, Raquel de Lafuente (Spenderservice,
Buchhaltung und Zahlungsverkehr, Gäste- und Missionarsbetreuung), Jörg Alt SJ (Forschung und
Advocacy), Judith Behnen (Kommunikation und Projekte), Michael Schöpf (Projekte), Thomas
Hubrach (IT), Thomas Kilian (Finanzen und Projekte), Steffen Windschall (Öffentlichkeitsarbeit)
Die Jesuitenmission in Wien und Nürnberg sind Werke der deutschen bzw. österreichischen Provinz
der Gesellschaft Jesu.

Wir sind Teil des weltweiten Netzwerkes der Jesuiten und stehen in einer über 400-jährigen Tradition der Förderung
von internationalen Projekten. In unserer Arbeit orientieren wir uns an folgenden Leitlinien. Glaube und Gerechtigkeit:
Den Einsatz für Gerechtigkeit verstehen wir als Glaubensverkündigung durch die Tat. Der soziale Einsatz und die politische
Anwaltschaft für Menschenrechte sowie die Veränderung ungerechter Strukturen dienen dem Ziel eines menschenwürdi-
gen Lebens für alle. Inkulturation: Wir knüpfen an die Traditionen vor Ort an, fördern und stärken sie, wenn sie zu einem
gelungenen Leben helfen. Entscheidend in der Begegnung ist das menschenfreundliche Gottesbild, das wir bezeugen und
vermitteln wollen. Dialog: Wir fördern den Austausch zwischen Menschen verschiedener Kulturen, Religionen und sozialen
Milieus. Der interreligiöse Dialog ist ein Dialog des Lebens, der Tat, der religiösen Erfahrung und der theologischen Vorstel-
lungen. Versöhnung: In einer zerrissenen Welt möchten wir die Versöhnung von Menschen miteinander, mit der Natur, mit
sich selbst und mit Gott fördern. Auch wir sind herausgefordert, in allen Bereichen beständig zu lernen.

                                                                                                      jesuitenweltweit 23
Bildung und Sicherheit für Flüchtlinge
     Zehntausende Geflüchtete aus Afrika und Asien sind in Griechenland gestrandet.
     In Athen bietet der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) Anlaufstellen für Migranten.

     Im Jahr 2019 kamen etwa 65.000 Men-             Ein weiteres Projekt widmet sich der Er-
     schen in Griechenland an, wo die staatli-       wachsenenbildung und hilft durch die Ver-
     chen Einrichtungen zunehmend überfor-           teilung von Kleidung und Haushaltsgütern.
     dert sind. 32.000 der Geflüchteten sind         Ein beliebter Treffpunkt ist das „Tea Time“,
     Kinder, für die der schnelle Zugang zu Bil-     wo die Geflüchteten in einer sicheren Um-
     dung essenziell ist. Bei den ersten Schritten   gebung zur Ruhe kommen und sich mit an-
     der Integration geht es darum, Jugendlichen     deren auszutauschen können. Hier können
     den regulären Schulbesuch zu ermöglichen,       Sie die Traumata von Flucht und Vertrei-
     um informelle Bildungsmöglichkeiten und         bung verarbeiten und neue Kraft sammeln,
     um Hilfe für Erwachsene, die Zugang zum         um sich durch Bildung und Arbeit eine Zu-
     Arbeitsmarkt suchen.                            kunft aufzubauen.

     Kraft schöpfen in sicherer Umgebung
     An diesen Bedürfnissen orientiert sich die      „Das Arrupe-Zentrum ist eine Erfolgsge-
     Arbeit des JRS Griechenland, der 2015 ge-       schichte und bietet heute Raum für 180
     gründet wurde und derzeit fünf Programme        einheimische und geflüchtete Kinder“
     anbietet: Im Arrupe-Zentrum bekommen                 Jose Ignacio Garcia SJ, Regionaldirektor
     Schüler schulvorbereitenden Sprachunter-
     richt, Hausaufgabenhilfe und ein tägliches
     Mittagessen. Ein anderes Zentrum wendet
     sich speziell an Frauen und bietet eine si-     Mit ihrer Hilfe konnten wir den JRS Grie-
     chere und familienfreundliche Umgebung.         chenland mit 55.000 Euro unterstützen.

24 jesuitenweltweit
Jugend im Kampf gegen AIDS
Glaubwürdig und authentisch: Im „Centre Maisha“ in der Demokratischen Republik Kongo
klären Jugendliche Gleichaltrige über HIV auf – ein Erfolgsrezept im Kampf gegen AIDS.

Afrika südlich der Sahara ist die am stärks-   die Informationen an andere Jugendliche
ten von HIV/AIDS betroffene Region der         weitergeben: eine effiziente Strategie, um
Welt. Insgesamt leben hier 37,9 Millionen      Verhaltensänderungen voranzubringen. So
Menschen mit dem HI-Virus, darunter            setzen die Verantwortlichen im „Centre
1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Vor      Maisha“ auf Präventionsaktivitäten mit aus-
allem Frauen und junge Mädchen sind            gebildeten jugendlichen „Peer Educators“.
gefährdet: Nach UN-Angaben infizieren          Und eine Veränderung ist schon zu merken:
sich im Subsahaha-Raum Woche für Wo-           immer mehr junge Männer interessieren
che 6.000 junge Frauen zwischen 15 und         sich dafür, einen HIV-Test durchzuführen
24 Jahren mit HIV. Statistisch haben dort      und teilen das Ergebnis dann mit anderen –
junge Frauen eine zweimal höhere Wahr-         ein wahres Vorbild für Gleichaltrige.
scheinlichkeit, am Virus zu erkranken als
Männer.
                                               „Wenn man Veränderungen in einer Ge-
Über 90.000 junge Multiplikatoren              meinschaft herbeiführen will, muss man auf
2002 haben die Jesuiten der zentralafrika-     die Jugend zählen. Sie ist die Zukunft.“
nischen Provinz das „Centre Maisha“ in Ki-     Ismael Batambura, Leiter des „Centre Maisha“
sangani gegründet, um AIDS-Waisen und
vernachlässigten HIV-Patienten zu helfen.
Seit 2014 wurden über das Präventions-
programm AHAPPY über 90.000 junge              Durch ihre Spende konnten wir das Centre
Menschen erreicht, die als Multiplikatoren     Maisha mit 17.000 Euro unterstützen.

                                                                            jesuitenweltweit 25
Im Fokus: der Schutz der Kinder
     Vor allem junge Rohingya leiden unter den prekären Lebensbedingungen in den Flücht-
     lingslagern von Bangladesch. Die Teams des JRS stehen ihnen zur Seite.

     Bereits vor dem Ausbruch der globalen Co-      Ergänzt werden die Maßnahmen durch
     rona-Pandemie war die Situation im Flücht-     gezieltes Fallmanagement: Geschulte An-
     lingslager von Kutupalong (Bangladesch) für    sprechpartner reagieren auf alle Probleme,
     die massenweise aus dem Nachbarland Myan-      die den Schutz und die Sicherheit von Kin-
     mar geflüchteten Rohingya desolat. Aufgrund    dern betreffen und dokumentiert die Vor-
     der Bedrohung durch COVID-19 haben im          gänge in einem Informationsmanagement-
     April Militär und Polizei das Lager komplett   system der UNICEF.
     abgeriegelt. Trotz beschränkten Zugangs ar-    Neben dem direkten Dienst an den Kindern
     beiten die Mitarbeiter des Jesuiten-Flücht-    versucht der JRS, die Rohingya für die Belan-
     lingsdiensts (JRS) an Notfall-Plänen, um auf   ge der Jüngsten zu sensibilisieren und wendet
     einen möglichen Corona-Ausbruch reagieren      sich gezielt an Eltern, religiöse Würdenträger
     zu können, berichtet JRS-Regionaldirektor      und Stammesälteste. Der JRS verwaltet seine
     Louie Albert SJ. Eine Herkulesaufgabe ange-    elf Kinderzentren über ein Kinderschutzko-
     sichts der bestehenden Probleme. Hauptau-      mitee mit 44 freiwilligen Mitarbeitern aus der
     genmerk liegt auf der Arbeit mit den durch     Rohingya-Community.
     die Vertreibung traumatisierten Kindern.
     2019 hat der JRS 2.860 junge Menschen zwi-
     schen 2 und 16 Jahren erreicht.                „Dank der Hilfe aus Deutschland und Ös-
                                                    terreich können wir Hunderten Kindern und
     44 Freiwillige im Kinderschutzkomitee          ihren Eltern Motivation und Halt geben“
     Wichtigster Bereich bleibt die allgemeine             Louie Albert SJ, JRS-Regionaldirektor
     psychosoziale Unterstützung: Mit ange-
     passten pädagogischen Konzepten fördern
     die Mitarbeiter die kognitive, emotionale,     Mit ihrer Unterstützung haben wir den
     soziale und sprachliche Entwicklung der        JRS in Bangladesch 2019 mit 500.000 Euro
     Rohingya-Kinder in vier Altersgruppen.         unterstützt.

26 jesuitenweltweit
Ruhepause an der Grenze
Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) kümmert sich um die gestrandeten Menschen aus
Venezuela in den Grenzregionen.

In den letzten Jahren haben knapp fünf          Ausgangssperren diesmal in entgegengesetzter
Millionen Venezolaner ihre Heimat verlas-       Richtung. Auch sie werden bei Ankunft ver-
sen. Manche haben weite Wege bis nach           sorgt. Wer weiter will, kann die geschlossenen
Chile und Brasilien zurückgelegt, andere        Grenzen nur noch auf illegalen und gefährli-
sind in der grenznahen Region in Kolumbi-       chen Wegen überqueren.
en oder Brasilien geblieben. Besonders um       Manche der Ankommenden sind verzweifelt
die kolumbianische Grenzstadt Cúcuta und        und orientierungslos, andere haben klare Plä-
im brasilianischen Boa Vista haben sich die     ne. Die Mitarbeiter des JRS geben Orientie-
Probleme für die Dortgebliebenen konzent-       rung und helfen, die nächsten Schritte zu pla-
riert: keine Wohnmöglichkeiten für die Fa-      nen: Transport, Unterkunft, Rechtsberatung,
milien, keine Schule für die Kinder, Arbeits-   Ausweispapiere, Essen und psychologische
losigkeit, Krankheiten, sexuelle Übergriffe,    Beratung. Manche benötigen Medikamente
Fremdenfeindlichkeit. Aus diesem Grund          und insbesondere schwangeren und stillenden
hat sich der Jesuiten Flüchtlingsdienst vor     Mütter werden Arztbesuche vermittelt.
allem der Menschen gewidmet, die in den
Grenzregionen gestrandet sind.
                                                »Mit allen Beteiligten fördern wir eine Kul-
Illegale und gefährliche Routen                 tur der Gastfreundschaft und des Zusam-
Sie kommen zu Fuß, beladen mit Gepäck und       menlebens, um der wachsenden Fremden-
Kleinkindern. Sie sind erschöpft und benöti-    feindlichkeit entgegenzuwirken.“«
gen eine Erstversorgung: Wasser und etwas zu    Mauricio García Durán SJ – Direktor JRS
Essen, Ruhe und Zuspruch. Inzwischen kom-
men auch viele Venezolaner wieder zurück, da
der lockdown durch Corona ihnen die Lebens-     Dank Ihrer Spenden konnten wir die Be-
möglichkeiten im Exil genommen hat und          treuung der venezolanischen Flüchtlinge im
viele Hunger leiden. Trotz Reiseverboten und    letzten Jahr mit 150.000 Euro unterstützen.

                                                                              jesuitenweltweit 27
Mit Bildung aus der Armut
     Durch die Arbeit mit Kindern und Frauen schafft das „Hayden Hall Institut“ seit 50
     Jahren sozialen Wandel in Nordindien.

     Von außen sieht es aus wie ein gewöhnliches     Menschen mit Medizin versorgen. Bezahlt
     Ladengeschäft mit Teppichen, Webereien und      wird so, wie es die finanzielle Situation der
     anderen traditionellen Textilien. Doch hier     Menschen erlaubt. Derzeit erfahren 2.355
     erhalten Frauen oft zum ersten Mal die Mög-     Haushalte Unterstützung.
     lichkeit, gegen faire Bezahlung zu arbeiten,    Die Unterstützung der Frauen geht Hand in
     gleichzeitig Zugang zu Gesundheits- und Bil-    Hand mit der Versorgung der Kinder. Das
     dungsprogrammen sowie Kinderbetreuung.          Programm startet mit einem Krippenangebot
                                                     für Kleinkinder arbeitender Mütter, schließt
     Das Projekt „Hayden Hall“ wurde 1969 vom        an mit einer Vorschule und bietet den älteren
     irischen Jesuiten Peter Burns SJ gegründet,     Kindern Abend-Lernprogramme und einen
     um Perspektiven und Bildung in die ver-         ruhigen Platz zum Hausaufgabenmachen.
     armten Städte und Dörfer von Darjeeling         Wichtig sind auch Aktivitäten wie Tanz,
     zu bringen. Heute fördert „Hayden Hall“         Theater und Sport. Stipendien werden zu 94
     48 Lernzentren. Dort unterrichten 91 Lehr-      Prozent an junge Mädchen vergeben. Sie lei-
     kräfte. Neben der Arbeit mit Kindern und        den unter der traditionellen Rollenverteilung,
     Jugendlichen sind Angebote für Frauen ein       erfahren oft Gewalt und sexuelle Übergriffe.
     wichtiger Faktor für sozialen Wandel.

     Im Einsatz gegen Mangelernährung                »Viele Frauen, die Leistungen in Anspruch
     Eines der großen Gesundheitsprobleme vor        nehmen, arbeiten später selbst in der Ge-
     Ort ist Mangelernährung. In Hayden Hall         meinschaft mit, im Moment sind es 64«
     werden daher schwangere Frauen, Frauen             Paul de Souza SJ Leiter von Hayden Hall
     mit kleinen Kindern, aber auch Pensionis-
     ten, Menschen mit Behinderungen und Al-
     leinstehende, mit Essensrationen versorgt. In   2019 haben wir die Jesuiten in der Darjee-
     der zugehörigen Apotheke können sich die        ling Provinz mit 380.000 Euro unterstützt.

28 jesuitenweltweit
Integration heißt Potenziale wecken
Im Mai 2018 gingen das Wiener Wohnprojekt „locugee" – an den Start: aus einer WG
für zwei syrische Flüchtlinge wurde ein Wohnprojekt für 15 Menschen aus acht Nationen.

„Locugee“ vereint Einheimische (locals)           warten teilweise bis zu vier Jahre auf ein
und Geflüchtete (refugees): „Die Kernidee         endgültiges Urteil. In dieser Zeit dürfen sie
besteht darin, dass Menschen aus Fluchtlän-       nicht arbeiten und leben ohne Perspektive
dern und Gleichaltrige aus der westlichen         und mit der ständigen Angst, abgeschoben
Welt zusammenleben, nach Möglichkeit              zu werden. Das obwohl es Firmen in Ös-
Freundschaft schließen und voneinander            terreich gibt, die händeringend Lehrlinge
lernen“, erklärt Pater Martin Rauch SJ. Dass      suchen. Das Problem ist komplex.
das Modell funktioniert, zeigt sich auch
in der Krise: Abid, ein Syrer aus Aleppo,         Die Unterschiede zwischen reichen und ar-
wurde am Beginn der Corona-Ausgangs-              men Ländern sind so groß, dass mit wenig
beschränkungen im Locugee-Flüchtlings-            Geld in den Herkunftsländern viel bewirkt
haus auf seine Bitten hin aufgenommen.            werden kann. Das „locugee“-Team unter-
                                                  stützt seit zwei Jahren Familien in Syrien, de-
Eine gute Entscheidung: „Hier lerne ich, wie      ren Kinder hier bei uns sind: als unmittelbare
man in der westlichen Welt lebt. In der WG        Hilfe für ein vom Krieg zerstörtes Land sowie
habe ich begriffen, warum wir uns alle an         als Unterstützung für die jungen Leute hier.
die Ausgangsbeschränkungen halten müs-
sen. Bis jetzt war mir das noch nicht so klar.“
                                                  »Im Locugee Haus haben wir bewusst jun-
Unterstützung für die Familien daheim             ge Leute aufgenommen, die ohne familiären
Die Unterschiede zwischen Flüchtlingen,           Rückhalt in Europa sind«
die mit Familien hier sind, und jenen, die                                 P. Martin Rauch
auf sich alleine gestellt sind sowie die zwi-
schen jenen mit positivem oder negativem
Bescheid sind groß. Flüchtlinge mit nega-         Das Integrationsprojekt haben wir 2019
tivem Bescheid trifft es besonders hart. Sie      mit 103.807 Euro gefördert.

                                                                                 jesuitenweltweit 29
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