Was ist Islam? Dr. Ali Özgür Özdil - Cross Cultural Center
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Was ist Islam? Dr. Ali Özgür Özdil
Copyright © Dr. Ali Özgür Özdil 3. Auflage, Hamburg 2013 www.iwb-hamburg.de Herausgegeben von Zentrum der interkulturellen Kommunikationsstiftung Istanbul, Türkei / April 2018 Gedruckt in der Türkei Bei Anfragen und Rückmeldungen: info@kim.org.tr www.kim.org.tr 2
INHALTSVERZEICHNIS Seite Vorwort .................................................................6 I. Einleitung ....................................................... 8 II. Einführung .................................................... 11 1. Allgemeines zu Einführungen in den Islam ........................................................ 11 2. Lebensabschnitte des Propheten ............... 12 3. Wir sind Muslime, keine „Mohammedaner“ oder Islamisten ........................................ 14 4. Wichtigkeit der Definition von Begriffen .................................................. 15 a) Der Begriff „Dîn“ für Religion .............. 19 b) Der Begriff „Islâm“ .............................. 21 5. Fünf Bedeutungsebenen von Islam ........... 22 a) Lexikalische Bedeutung ...................... 23 b) Islam als „Urreligion der Menschheit“ ....................................... 25 c) Islam als letzte Offenbarung Gottes an den Propheten Muhammad ............ 27 d) Islam als historische & kulturelle Größe ................................................. 38 e) Islam als „Projektion“ .......................... 40 6. Allâh, Schöpfer und Erhalter .................... 48 7. Der Koran ................................................ 51 a) Die beherrschenden Themen in Mekka ................................................ 52 b) Die Hauptthemen in Medina ............... 53 3
8. Der Prophet Muhammad ...................... 54 a) Seine Kindheit .................................... 54 b) Seine Jugend ....................................... 55 c) Sein Berufungserlebnis ....................... 56 d) Die Auswanderung nach Medina ............................................... 58 9. Die islamische Glaubenslehre ................... 60 a) Der Glaube an Gott ............................. 61 b) Der Glaube an die Engel ...................... 61 c) Der Glaube an die von Gott offenbarten Schriften .......................... 62 d) Der Glaube an die Gesandten Gottes ................................................. 62 e) Der Glaube an den Jüngsten Tag .......... 62 f) Der Glaube an al-Qadar ...................... 63 10. Zur islamischen Pflichtenlehre: Die „Fünf Säulen“ des Islam ...................... 64 III. Schlusswort ................................................... 78 IV. Literaturliste .................................................. 80 V. Anhang ......................................................... 83 1. Zeittafel (frühislamische Zeit) ................... 83 2. Rechtsschulen .......................................... 84 3. Glaubensrichtungen ................................. 84 4
Der Prophetengefährte Umar ibn al-Khattâb t1 (gest. 644) berichtet: „Eines Tages, während wir beim Gesandten Gottes 2 saßen, erschien ein Mann vor uns, in sehr weißen Gewändern und mit sehr schwarzem Haar. An ihm war keine Spur der Reise zu sehen, und von uns kannte ihn niemand. Schließlich setzte er sich zum Propheten , lehnte seine Knie gegen des- sen Knie, legte seine Handflächen auf dessen Oberschenkel und sagte: »O Muhammad, unter- richte mich über den Islam.« Da antwortete der Gesandte Gottes : » Islam ist, dass du bezeugst, dass kein Gott da ist außer Allah, und dass Muhammad der Gesandte Allahs ist, dass du das Gebet verrichtest, die Zakah gibst, im Ramadan fastest und zum Hause pilgerst, wenn du dazu imstande bist.« Er sagte: »Du hast recht gespro- chen« und wir waren erstaunt darüber, dass er ihn befragte und ihm (dann) recht gab. Er fuhr fort: »Nun unterrichte mich über den Iman.« Er sagte: »Iman ist, dass du an Allah glaubst, an Seine Engel, an Seine Bücher, an Seine Gesandten und an den Jüngsten Tag, und dass du an die 1 Beim Erwähnen eines Prophetengefährten fügen Muslime oft einen Lobspruch an: „Möge Gott zufrieden mit ihm/ihr sein“, was in isla- mischen Werken oft in arabischer Schrift erfolgt. 2 Wenn Muslime den Namen des Propheten Muhammad erwähnen, folgt ein Lobspruch wie z.B.: „Der Segen und Friede Gottes auf ihm“. 5
Vorhersehung glaubst mit ihrem Guten und mit ihrem Bösen.« Er sagte: »Du hast recht gespro- chen« und fuhr fort: »Nun berichte mir über das rechte Tun (arab.: Ihsan).« Er antwortete: »Es ist dies, dass du Allah dienst, als ob du Ihn sehen würdest, und wenn du Ihn auch nicht siehst, so sieht Er dich doch.« Er fuhr fort: »Nun berich- te mir über die Stunde,« worauf er antwortete: »Darüber weiß der Befragte nicht mehr als der Fragende.« Er sagte: »Dann berichte mir über ihre Anzeichen.« Er antwortete: »Dass die Magd ihre Herrin zur Welt bringt, und dass du siehst, wie die barfüßigen, nackten, mittellosen Schafhirten sich gegenseitig im Bauen zu übertreffen suchen«. Danach entfernte sich der Fremde und ich ver- weilte eine Zeitlang. Dann sagte der Prophet : »O Umar, weißt du wer der Fragende war?« Ich entgegnete: »Allah und Sein Gesandter wissen es am bestens. Er erwiderte: »Es war Gabriel, der zu euch gekommen ist, euch eure Religion zu leh- ren.«“ (Überliefert bei Muslim) VORWORT Der Schwiegersohn des Propheten Muhammad , der Kalif Ali ibn Abi Tâlib (gest. 661), soll einmal gesagt haben: „Die Menschen sind Feinde dessen, was sie nicht kennen.“ 6
Bei jeder Einführung in den Islam sollte berücksichtigt werden wo, für wen und wie eine solche Einführung stattfindet. Denn die Umstände, unter denen die Menschen mit dem Islam in Kontakt treten, können von Zeitpunkt zu Zeitpunkt und von Land zu Land sehr un- terschiedlich sein. Jedes Sachbuch sollte zum Ziel haben, die Menschen aufzuklären, d.h. ihnen ein klares Bild von dem zu vermitteln, was ihnen bisher fremd gewesen ist, wobei das Fremde relativ ist. Die älteren Ausgaben von „Was ist Islam?“ sind bereits vergriffen. Daher war eine Neuauflage nötig. Doch trotz der steigenden Anzahl an Publikationen und Dokumentationen zum Islam scheint die Angst der Leser vor dem, was sie für Islam halten, nicht abzunehmen, sondern im Gegenteil, sie nimmt zu. Hier soll einerseits auf dieses Phänomen eingegangen und andererseits sollen durch eine sachgemäße Darstellung des Islam Vorurteile und Ängste abgebaut werden. Dies geschieht bereits in ei- nigen Moscheen, die seit Jahren ihre Türen für Besuchergruppen öffnen. Insbesondere Schulklassen profitieren von diesen Angeboten, aber auch jede andere Besuchergruppe oder Einzelpersonen, die ein Interesse am Dialog mit Muslimen haben. 7
I. EINLEITUNG In dieser Einführung soll einerseits die Komplexität dessen, was unter „Islam“ ver- standen wird, deutlich gemacht werden. Andererseits soll – durch eine differenzierte Vorgehensweise – ein Hilfsmittel für das bessere Verständnis des Islam, so wie ihn Muslime se- hen und leben, gegeben werden. Dabei werden für die nicht-muslimischen Leser zuerst fremde Begriffe definiert und dann die verschiedenen Bedeutungsebenen von „Islam“ erläutert. Des Weiteren soll durch die Arbeit mit einer islamischen Methode (aus der Binnenperspektive heraus) gezeigt werden, dass im Zentrum der Darstellung Gott und Seine Offenbarung (der Koran) stehen und nicht – wie das bei nicht-muslimischen Autoren der Fall ist – der Prophet Muhammad . Erst nach Klärung grundsätzlicher Fragen soll am Ende auf die religiöse Praxis der Muslime (die islamische Pflichtenlehre) einge- gangen werden. Es ist ein schwieriges Unterfangen, eine Weltreligion, deren Entstehung bis an den Anfang der Schöpfung zurückgeht (!), in nur einem Buch zusammenzufassen. Und wenn 8
alle Ozeane Tinte wären und alle Bäume Schreibrohre, könnten sie nicht die Geschichte der Schöpfung Gottes niederschreiben (vgl. dazu Koransure 18:109). Gott selbst teilt uns Menschen, die wir nur einen Teil der Schöpfung ausmachen, im Koran nur so viel an Wissen mit, dass es ausreicht, Ihn zu erkennen (vgl. Sure 2:255), um Ihm zu dienen (vgl. Sure 51:56). Die beste Empfehlung an alle Interessierten wäre eigentlich, den Koran, d.h. die Offenbarung Gottes, zu lesen und sich ein eigenes Bild zu verschaffen, statt nur aus der Feder und der Perspektive anderer zu lernen, was Islam ist. Schließlich nehmen wir die Welt in der wir leben auch mit unseren eigenen Sinnen wahr. Oder wie soll ein Mensch den Geschmack einer Frucht kennen, wenn er sie selbst nicht probiert hat? Denn: „Wer nur an der Honigflasche leckt, erfährt nie, wie Honig schmeckt“. Dies alles, damit die Leser einen besseren Einblick sowohl in den Geist der islamischen Lehre als auch in das Leben der Muslime hier in Deutschland bekommen. Dieser Einblick sollte zusätzlich durch den Dialog mit Muslimen, z.B. in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz, vor allem aber auch in der Schule und durch einen Moscheebesuch, ergänzt werden. Denn Wissen 9
verleiht uns ein Gefühl der Sicherheit, um so auch mit fremden Phänomenen umgehen zu können. Wie einst der Prophet Abraham durch Nachdenken die Existenz Gottes erkannt hat, hat jeder Mensch die Möglichkeit, in den Zeichen in der Schöpfung seinen Schöpfer und Erhalter zu erkennen. Die Welt, in der wir leben, ist auch ein Koran, in der selbst ein Analphabet lesen lernen und die Existenz Gottes erkennen kann. Die Offenbarungseinheiten, die dem Propheten Muhammad vom Erzengel Gabriel in Mekka und Medina in einem Zeitraum von 23 Jahren übermittelt wurden und die wir seit der Regierungszeit des dritten Kalifen Uthmân (türk. Osman, 644-656) als Buch vorliegen ha- ben, enthalten Verse, die im arabischen „ayat“ genannt werden. „Ayat“ bedeutet „Zeichen“. Dabei gilt die gesamte Schöpfung, also auch der Mensch, als Zeichen Gottes. Das koranische Schöpfungsziel lautet: „Ich habe die Menschen und die Djinn3 er- schaffen, nur damit sie Mir dienen“ (51:56). Der Prophetengefährte Ibn Abbâs deutete die- sen Vers mit: „...nur damit sie Mich erkennen“. Dem einen Gott allein zu dienen und Ihm kei- 3 Mit Djinn sind jene Wesen und/oder Kräfte gemeint, die mit blo- ßem Auge nicht sichtbar sind. 10
ne anderen Götter beizugesellen ist die zentrale Botschaft des Korans. Im Zentrum der korani- schen Botschaft steht also die Gotteserkenntnis, und dies ist die höchstmögliche Stufe der menschlichen Erkenntnis. II. EINFÜHRUNG 1. Allgemeines zu Einführungen in den Islam Die deutschsprachige Literatur zum Islam ist heute unüberschaubar. Aus dieser Fülle von Informationsquellen gilt es, jene Informationen herauszuziehen, die für ein gutes Verständnis des Islam „hier und heute“ nützlich sind. Was die Themen anbetrifft, trifft man auf folgende Methode, die typisch ist für den europäischen Kulturraum: Es wird immer mit der Biographie des Propheten Muhammad begonnen. Auch wenn der respektvolle Umgang mit seiner Lebensgeschichte eher die Ausnahme ist, kann man von märchenhaften Darstellungen bis hin zu hoch wissenschaftlichen Büchern alles fin- den. Er gilt in den Darstellungen nicht-musli- mischer Autoren als der „Stifter“ des Islam und steht somit im Mittelpunkt. Dies sehen Muslime nicht so. Hier eine kurze Methodenkritik: 11
2. Lebensabschnitte des Propheten Am Anfang seiner Lebensgeschichte wird das religiöse Umfeld beschrieben, in das er hineingeboren wurde. Dabei wird da- rauf hingewiesen, dass die Araber, obwohl sie an einen Obergott (ilâh) glaubten, damals die drei weibliche Gottheiten al-Lât, al-Uz- za und Manât verehrten. Außerdem wurde in Mekka, der Geburtsstadt des Propheten, der männliche Hubal verehrt. Dieses altarabische Heidentum wird mit dem Terminus „Djâhilîya“ („Unwissenheit“) beschrieben. Dann beginnt die Beschreibung des Berufungserlebnisses. Dies ist der zentrale Punkt der Biographien. Denn hier wird entschieden, ob Muhammad als ein Gesandter Gottes angese- hen wird oder als jemand, der 23 Jahre lang nur einer Vision folgte oder vielleicht ein Betrüger, ein Magier oder ein Dichter gewesen sein kön- ne; alles Dinge, die man ihm damals vorwarf. Hier scheiden sich die Wege der muslimischen von den nicht-muslimischen Biographen. In der Regel glauben die nicht-muslimischen Biographen, ihn als falschen Propheten ent- larvt zu haben, was den gesamten Verlauf ihrer Darstellung des „Islam“ beeinflusst. Muhammad 12
ist für sie kein Prophet, der eine Botschaft von Gott erhalten hat und somit ist der Islam nicht göttlichen Ursprungs. Wogegen die muslimi- schen Biographen genau die gegensätzliche Meinung vertreten. Im Grunde ist eine solche Argumentation z.B. aus christlicher Sicht na- türlich; schließlich lehnen auch Juden Jesu Messianität ab. Erst nach der Biographie des Propheten gehen die Autoren der verschiedenen Einführungen unterschiedlich vor. Obwohl die historische Vorgehensweise von der Methode her für ein ganzheitliches Verständnis besser wäre, stehen bei den meisten Autoren ausge- suchte Themen im Vordergrund, die sie als be- sonders relevant für den Islam halten, wie z.B. „Die Ausbreitung des Islam“, „Die Fünf Säulen des Islam“, „Die Scharia“, „Djihâd“, „Die Frau im Islam“ usw. Diese scheinen auch heute noch die wichtigsten Themen zu sein, welche die Leser am meisten interessieren, wobei das Thema „Fundamentalismus“ noch hinzugekom- men ist. Niemand wird aber auch nur einer die- ser Themenpunkte verstehen können – egal wie umfangreich die Einführung in sie ist – wenn er/sie nicht weiß, was „Islam“ ist. Denn geht es hier nicht um „Die Ausbreitung des Islam“ und 13
um „Die Fünf Säulen des Islam“ bzw. „Die Frau im Islam“? Deshalb soll in dieser Einführung vielmehr ein Grundlagenwissen vermittelt werden, an- statt zu wiederholen, was jeder täglich durch die Medien erfahren kann. 3. Wir sind Muslime, keine„ Mohammedaner“ und keine Islamisten Von vielen Nichtmuslimen, aber auch von manchen Muslimen wird in der Bundesrepublik immer noch der Begriff „Mohammedaner“ be- nutzt. Dieser Begriff ist eine vom Namen des Propheten Muhammad abgeleitete Bezeichnung für die Muslime, die sich im 19. Jh. durchge- setzt und viele volksetymologische Bildungen wie „Muselman(n)“ (engl. „Musselman“, auf Französisch und spanisch „Musulman“ und auf Italienisch „Musulmano“), abgeleitet von der persischen Form „Moselmân“, verdrängt hat. Die missverstandene Endung (-man) führte zum deutschen Plural „Muselmanne“ oder „Muselmänner“ und im Englischen zu „Musselmen“. Bis zum 18. Jh. waren auch die selteneren Formen – besonders in der theolo- gischen Literatur – wie z.B. „Machomedist“, „Muhammadist“ oder „Alcoranist“ gebräuchlich. 14
Von den Muslimen selbst werden alle die- se europäischen Begriffe abgelehnt. Vor al- lem aus dem Grund, weil wir nicht Anhänger Muhammads sind, sondern des Islam. Muhammad ist nicht der erste oder einzige Prophet, an den wir glauben. Er ist also nicht der Begründer des Islam, sondern sein Vollender. Dazu jedoch unten mehr. 4. Die Wichtigkeit der Definition von Begriffen Bestimmte Begriffe entstehen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort und können nicht ohne weiteres in andere Kulturräume transportiert werden. Dies betrifft nicht nur den Begriff „Mohammedaner“. An einem anderen Beispiel soll gezeigt wer- den, dass bekannte Begriffe allein nicht zum Verständnis dieser führen, denn oft überneh- men Menschen die Hülle, aber nicht den Inhalt dessen, was sie beobachten: „Laut muslimischer Überzeugung ist der »Islam« eine »Offenbarungsreligion«, die auf »Gott« (arab. Allâh) zurückgeht und nicht auf den »Propheten Muhammad«“. Wie deutlich diese Aussage auch sein mag, so wirft sie doch mehrere Fragen auf, die es 15
zu beantworten gilt. Und enthält zugleich ei- nen Hinweis auf die Vorgehensweise, d.h. die Methode, nach der eine Einführung in den Islam geschehen sollte. Diese Einführung be- ginnt nicht mit Muhammad, sondern mit „Islam“, denn der Islam erkennt auch alle an- deren Propheten der Menschheitsgeschichte wie Abraham, Moses und Jesus an.4 An dieser Stelle mit Muhammad zu beginnen würde das, was wir Muslime mit Islam meinen, zu sehr ein- schränken. Zunächst sollte geklärt werden, was „Islam“ ist. „Der Islam ist eine Offenbarungsreligion“, sagt wenig über seinen Inhalt aus. Was wiede- rum ist „Religion“ im islamischen Sinne? Erst nach Klärung dieser beiden zentralen Fragen kann man sich dem wichtigsten Teil überhaupt zuwenden, nämlich „Allâh“. Denn ohne Gott wäre der Islam als Offenbarungsreligion nicht denkbar. Unmittelbar damit hängt der Tauhîd- Gedanke zusammen. Tauhîd, „die Einheit Gottes“, d.h. der Monotheismus, ist das zentrale 4 „Sprich: «Wir glauben an Gott und an das, was auf uns herabge- sandt worden ist und was herabgesandt wurde zu Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und den Nachfahren, und was gege- ben wurde Moses und Jesus und (anderen) Propheten vom ihrem Herrn. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen, und Ihm ergeben wir uns.»“ (3:85). Mit „anderen Propheten“ sind z.B. Noah, David und Salomon gemeint, aber auch jene, die nicht im Koran namentlich genannt werden. 16
Thema im Islam. Gott ist die Ursache, Gott ist das Ziel! Denn fragt man einen monotheistischen Gläubigen, woher alles kommt, dann wird er/sie unweigerlich alles auf Gott zurückführen. Und fragt man andersherum, wohin alles geht, wird er/sie wieder zum gleichen Ergebnis gelangen. Danach sollte „die Offenbarung“,5 d.h. der Koran erläutert werden, um dann erst auf den Propheten Muhammad und die anderen Propheten zu sprechen zu kommen, die im Laufe der Zeit Offenbarungen von Gott erhalten haben. Alle anderen Themen wie „die islami- sche Theologie (Kalâm)“, „die islamische Rechtswissenschaft (Fiqh)“, „die Mystik (Tasawwuf/Irfân)“ usw. können als die Äste des Baumes „Islam“ betrachtet werden, wobei Unterthemen wie „Djihâd“, „die Frau im Islam“ usw. als deren „Früchte“ gesehen werden kön- nen, um es bildlich zu darzustellen. Was aber haben die nicht-muslimischen Betrachter vom Islam, den sie nur von außen sehen, kennen gelernt? Viele haben sich bis- her nur (oberflächlich) mit seinen „Früchten“ 5 „Offenbarung“ ist nicht nur als „Schrift“ zu verstehen, wie z.B. die niedergeschriebene Bibel oder der Koran, sondern als alles, was auf die Existenz Gottes hinweist. Der Mensch, das Universum, ein- fach alles, worin wir die Existenz unseres Schöpfers und Erhalters erkennen, ist eine Offenbarung. 17
auseinandergesetzt und diese auch nur als schlecht (verdorben) empfunden. Nur weni- ge haben den Zugang zu seinen Wurzeln ge- wagt und sie auch erreicht, wofür bestimm- te Hilfsmittel erforderlich sind. Dabei weiß doch jeder, der sich mit Wissenschaften aus- einandersetzt, dass eine Einführung in die Grundlagen einer Wissenschaft eine wichtige Voraussetzung für das spätere Studium die- ser ist. Genau aus diesem Grunde müssen die Unterthemen erst einmal ausgegrenzt werden, um zuallererst über die Wurzel (Gott und die Offenbarung) und den Stammbaum (der Islam und die Gottesgesandten) zu sprechen. Die Hauptthemen der islamischen Geistesgeschichte müssen wegen ihres Umfanges und ihrer Komplexität ebenfalls zurückgestellt werden. Uns bleibt also nur ein bestimmter Teil von dem, was wir „Islam“ nennen, um einen kurzen Einblick in ihn zu wagen. Dabei ist – wie bereits erwähnt – die Definition von Begriffen, die im Lichte einer bestimmten Zeit und Kultur ent- standen sind, sehr wichtig. Täte man dies nicht, würden die islamischen Begriffe bei vielen zu falschen Assoziationen führen, denn Sprache und Denken hängen unmittelbar miteinander zusammen, und die Menschen werden nun ein- 18
mal von dem geprägt, was in ihrem Kulturraum auf sie wirkt. a) Der Begriff „Dîn“ für Religion Das arabische Wort Dîn („Religion“) ist verwandt mit dem Wort dain („schulden“, ab- geleitet von der Wortwurzel dâna). Dîn be- zeichnet sinngemäß das, was der Mensch Gott, sich selbst und der Schöpfung insgesamt schul- det. Nach islamischer Ansicht ist damit eine ethisch verantwortete Lebensweise gemeint, die alle Lebensumstände umfasst und vor deren Hintergrund die Beziehungen des Menschen geordnet werden, nämlich die Beziehung zu seinem Schöpfer, zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen, zu den Geschöpfen und zur Schöpfung insgesamt. Dîn ist somit ein System gegenseitiger Verpflichtungen, sowohl zwischen Mensch und Gott, näher bezeichnet als Bund Gottes mit den Menschen (mit bestimmten pro- phetischen Persönlichkeiten oder mit einzelnen Völkern), und auch zwischen den Menschen untereinander, wodurch eine „Medina“ (Gemeinschaft, Zivilisation, Staat) entsteht, als auch zwischen dem Menschen und anderen Geschöpfen, aufgrund dieses in der Schöpfung 19
einzigartigen Bundes wird der Mensch auch „Statthalter Gottes“ genannt.6 Die Pflege dieser Beziehungen und die Wahrung der damit verbundenen Rechte und Pflichten ist die Verwirklichung des religiös-ethi- schen Lebensprinzips (iqâmatu ‚d-Dîn). Am „Tag des Gerichts“ (yaumu ‚d-Dîn) werden die aus dem Gleichgewicht geratenen Beziehungen wieder hergestellt und die ethischen Werte und Ziele voll verwirklicht. Abgesehen von der lexikalischen Bedeutung des arabischen Begriffs für Religion, gibt es Aussagen des Propheten Muhammad, der seine Botschaft in einen größeren Sinnzusammenhalt stellt, etwa indem er sagt: „Religion ist Ratschlag…“ (ad- Dînu an-Nasîha).7 Unter Muslimen ist auch folgende Zusammenfassung für Religion weit verbreitet: „Religion ist Zwischenmenschlichkeit“ (ad- Dînu muâmala). 6 Im Koran kommt der Begriff „Statthalter“, womit die Verantwortung des Menschen gemeint ist, in verschiedenen Formen vor: a) Adam, speziell stellvertretend für die entstehende Menschheit (2:30), b) David als einzelner Mensch (38:26) und c) die Menschen insgesamt (6:165; 7:69, 74, 142; 10:14, 17; 24:55; 35:39) als Statthalter Gottes. 7 Überliefert bei Muslim 20
b) Der Begriff „Islâm“ Islam (Gottergebenheit8) ist jene Haltung, die Dîn erfüllt in der Hingabe zu Gott. Abgeleitet ist das Wort vom IV. Stamm der Wortwurzel s-l-m ( ), was „heil, unversehrt, ganz, voll- ständig, sicher, frei sein“ bedeutet. Islam im Sinne einer Weltreligion ist nur eine, nicht grundlegende Bedeutung des Wortes. Auch dass alle Dinge den Naturgesetzen Gottes gehorchen, kann als Islam bezeichnet werden, bis hin zu jeder Handlung, die Gott gefällt. Nach Aussage des Korans hat der Prophet Muhammad keine neuartige Religion gebracht9, sondern vielmehr die Urreligion der Menschheit wiederbelebt.10 Adam wird dabei als erster in der Reihe der Propheten gesehen.11 Wörter wie Salâm („Unversehrtheit, Friede, Sicherheit“) und Muslim („der sich 8 „Wahrlich, die Religion bei Gott ist die Gottergebenheit (Islâm).“ (3:20) 9 „Sprich: «Ich bin keine neue Erscheinung unter den Gesandten, und ich weiß nicht, was mit mir oder mit euch geschehen wird. Ich folge bloß dem, was mir offenbart wurde; und ich bin nur ein erklärender Warner.»“ (46:10) 10 „Er (Gott) hat euch in der Religion das vorgeschrieben, was Er Noah zum Vermächtnis gegeben hat und was Wir dir (Muhammad) offenbart haben und was Wir Abraham, Mose und Jesus zum Vermächtnis gegeben haben: Nämlich, bleibt standhaft in der Religion, und seid nicht gespalten darin.“ (42:14) 11 „Gott erwählte Adam und Noah und das Haus Abrahams und das Haus Imrâns vor den Völkern, ein Geschlecht, die einen vor den anderen; und Gott ist allhörend, allwissend.“ (3:34 f.) 21
Gott Hingebende, Dienende“) sind mit dem Wort Islâm verwandt, da sie aus der gleichen Wortwurzel gebildet werden. An dieser Stelle sei eine genaue Definition von „Islam“ geliefert, um eine bessere Differenzierung dessen, was durch die Medien häufig mit Islam in Verbindung gebracht wird, zu ermöglichen. So können – sowohl von Nichtmuslimen als auch von Muslimen – kom- plexe Themen und Phänomene den Bereichen, in die sie hingehören, einfacher zugeordnet werden. So wird auch besser deutlich, warum Muslime und Nichtmuslime häufig aneinan- der vorbeireden, obwohl sie das gleiche mei- nen. Denn häufig finden die Diskussionen auf unterschiedlichen Ebenen statt: Der eine redet über das, was im Koran steht, der andere hat als Maßstab für seine Beurteilung des Islam den realen Zustand in den sogenannten islamischen Ländern vor Augen. 5. Fünf Bedeutungsebenen von Islam Es ist in der Tat sehr schwierig, alles was mit Islam in Verbindung gebracht wird, diffe- renziert zu betrachten und richtig einzuord- nen. Seien es irgendwelche Traditionen wie 22
z.B. die Beschneidung von Mädchen, Kriege oder Terrorakte; sobald sie in den sogenann- ten islamischen Ländern geschehen, werden sie als „typisch“ islamisch dargestellt. Dass die- se Vorgehensweise falsch ist, wird weiter unten deutlich werden. Hier soll nun ein Hilfsmittel für eine Differenzierung verschiedener Phänomene geliefert werden. a) Die lexikalische Bedeutung Islam bedeutet – wie bereits geklärt – „Gottergebenheit“. So wäre z.B. der Koranvers: „Inna ‚d-Dîna ainda Allâhi ‚l-Islâm“12 mit „Wahrlich, die Religion bei Gott ist die Gottergebenheit“ richtig übersetzt. Ein weiterer Koranvers könnte ebenfalls als Beispiel dienen: „Sprich: «Wir glauben an Gott und an das, was auf uns herabgesandt worden ist und was herabgesandt wurde zu Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und den Nachfahren, und was gegeben wurde Moses und Jesus und (anderen) Propheten von ihrem Herrn. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen, und Ihm ergeben wir uns (= muslimûn). Und wer eine andere Glaubenslehre 12 Siehe Sure 3:20 23
als die Gottergebenheit (= Islâm) begehrt, nim- mer soll sie von ihm angenommen werden, und im zukünftigen Leben soll er unter den Verlierenden sein.»“ (3:85-86). In Anbetracht der Tatsache, dass nach isla- mischer Auffassung der Monotheismus das wich- tigste Glaubensprinzip ist, so dass von der Einheit Gottes, der Einheit der Menschheit und von der Einheit in der Schöpfung die Rede ist, gewinnt „Islam“ eine Bedeutung, die mehr als die Einheit der „gottergebenen“ Menschen darstellt. Alles was existiert (also auch ein Baum, ein Regentropfen, der Wind usw.), praktiziert den Islam, solange es seiner Bestimmung, d.h. dem Plan Gottes folgt, was wir ohne weiteres als die von Gott eingesetz- ten „Naturgesetze“ bezeichnen können. Selbst Sonne und Mond praktizieren Islam. Somit sind jeder natürliche Prozess (z.B. Tag und Nacht) und jede natürliche Handlung Islam. Maudûdî schreibt in seinem Werk „Weltanschauung und Leben im Islam“ zu der Frage „Was ist Islam?“ unter anderem: „Sogar ein Mensch, der sich weigert, an Gott zu glau- ben oder ein Idol anbetet, muss gezwungener- maßen ein „Muslim“ sein, soweit es seine kör- perliche Existenz betrifft. Denn während seines gesamten Lebens, vom Stadium als Embryo bis zur körperlichen Auflösung nach dem Tod, folgt 24
jede Zelle seiner Muskeln und jedes Glied seines Körpers den für sie vorgeschriebenen Gesetzen Gottes. Selbst seine Zunge, die aufgrund seiner Unwissenheit Gott verneint oder eine Vielzahl von Gottheiten preist, ist ihrer eigensten Natur nach ein Muslim“.13 b) Islam als „Urreligion der Menschheit“ Die zweite Bedeutungsebene von „Islam“, die an dieser Stelle vorgestellt werden soll, be- zieht sich auf das Wesen und den Kern jeder Religion. In der Religionswissenschaft, aber auch in der Religionsethnologie wird die Frage gestellt, ob die Menschheit ursprünglich polytheistisch oder monotheistisch gewesen sei. Aus islami- scher Sicht ist es etwas völlig Natürliches, dass es Gemeinsamkeiten zwischen den menschli- chen Kulturen und Religionen gibt, denn laut Koran wurden zu allen Völkern zu verschiede- nen Zeiten Gesandte Gottes geschickt14 mit der 13 Vgl. Abu-l-A‘lâ Maudûdî: „Weltanschauung und Leben im Islam“. Leicester 1989, S. 17 14 „Und für jedes Volk ist ein Gesandter. Wenn also ihr Gesandter kommt, so wird zwischen ihnen entschieden nach Gerechtigkeit und kein Unrecht widerfährt ihnen.“ (10:48) „Und in jedem Volke erweckten Wir einen Gesandten (der predigte): »Dient Gott und meidet den Bösen«.“ (16:37) 25
Botschaft Gottes in der jeweiligen Sprache des Volkes15 und jedem Volke wurden jeweils eigene Andachtsübungen aufgetragen.16 Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang erwähnt werden muss, ist die Tatsache, dass aus islamischer Sicht jeder Mensch mit der „natürlichen Veranlagung“ (arab. fitra) der Gottergebenheit geboren wird. Somit sind alle Kinder von Geburt an „Muslime“. „Islam“ bekommt hier also eine umfas- sendere Bedeutung, da Gott kein Volk ohne Rechtleitung gelassen hat. Wie im oben zi- tierten Vers 3:85 zu lesen ist, glauben die Gottergebenen (Muslime) auch an das, was den anderen Propheten von dem einen Gott gegeben wurde. Somit sind auch die anderen Propheten, z.B. Adam, Noah, Abraham, Moses und Jesus nach islamischem Selbstverständnis Muslime und das, was sie verkündet haben, ist nichts anderes als Islam (Gottergebenheit). Jesus z.B. spricht in Sure 3:52: „»Wer sind meine Helfer zu Gott (man ansârî ilâ Allâh)?« Die Jünger sag- ten: »Wir sind die Helfer Gottes (nahnu ansâr Allâh). Wir glauben an Ihn. Bezeuge, dass wir 15 „Wir schickten keinen Gesandten, es sei denn mit der Sprache sei- nes Volkes, auf das er sie aufkläre.“ (14:5) 16 „Einem jeden Volke haben Wir Andachtsübungen gegeben, die sie befolgen...“ (22:68). 26
(Ihm) ergeben sind (waschhad biannâ mus- limûn)«“ (vgl. auch 61:14). Aber nicht nur der Glaube an alle Propheten und Offenbarungen bildet im Islam eine gemein- same Grundlage mit den anderen Religionen, sondern auch religiöse Praktiken wie beten und fasten sind allen Religionen gemein. Somit ist es möglich, sogar bei Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen, Gemeinsamkeiten zu fin- den, da es keine Kultur ohne Religion gibt und alle Menschen gewissen ethischen Grundlagen folgen, die auf den „Urbund“17 mit Gott zu- rückzuführen sind. Schließlich wollen alle Menschen, ob sie an den einen Gott glauben oder nicht, in Frieden und in Freiheit leben. Nicht ohne Grund ist der Begriff „Islam“ für viele Muslime auch identisch mit dem Begriff „Frieden“ (arab. silm), der aus der gleichen Wortwurzel s-l-m gebildet wird. c) Islam als letzte Offenbarung Gottes an den Propheten Muhammad Diese Bedeutungsebene zeichnet sich da- durch aus, dass nach islamischer Auffassung nach dem Propheten Muhammad keine 17 Vgl. Sure 7:172 27
Propheten mehr kommen werden und die Offenbarung Gottes ihr endgültiges Stadium er- reicht hat. In dieser Kategorie befinden sich alle religiösen Praktiken, die sich von den Praktiken anderer Religionsgemeinschaften unterschei- den, wie z.B. die täglichen fünf Pflichtgebete, die Zakât (soziale Pflichtabgabe), das Fasten im Ramadân, die Pilgerfahrt nach Mekka usw., die alle ihre speziellen Bestimmungen und Formen haben. Wenn Muslime von „dem Islam“ reden, meinen sie meist diese Kategorie, denn es wer- den nur die Elemente als verbindlich anerkannt, über die es in allen islamischen Gesellschaften einen Konsens gibt. Es handelt sich dabei um die religiösen Elemente, über die es sichere schriftliche Quellen gibt, die dem Koran nicht widersprechen und die in ihrer Mehrheit of- fenkundig, klar und gut verständlich sind und somit als Grundlage des islamischen Glaubens dienen können (siehe Näheres dazu unter 7. und 8.). Die erste und wichtigste Quelle ist der Koran, dessen Überlieferung und schriftliche Zusammenstellung als unverfälscht gilt. Das be- deutet, dass der Koran seit seiner Offenbarung an den Propheten Muhammad r keine 28
Veränderung durchgemacht hat und dass sein Text, so wie er uns heute vorliegt, von unzäh- ligen Gefährten des Propheten auswendig ge- lernt, niedergeschrieben und auf verschiedenen Wegen überliefert worden ist (arab. mutawâtir). Darüber sind sich selbst nicht-muslimische Orientalisten einig, zumal mehrere Funde ori- ginaler Niederschriften von Teilen des Korans belegen, dass diese mit unserem heutigen Koran identisch sind. Der einzige Unterschied zur muslimischen Auffassung liegt allerdings dar- in, dass der Koran für die nicht-muslimischen Orientalisten keine göttliche Offenbarung dar- stellt, sondern die Worte eines Genies namens Muhammad sind (siehe Näheres zum Koran unter 5.). Die nächste Quelle ist die Sunna des Propheten, die aus den verschiedenen Hadith- Sammlungen (Überlieferungen) gewonnen wird. Der Begriff „Sunna“ wird im Koran aus- schließlich für das „Verfahren“ bzw. „Vorgehen Gottes“ benutzt.18 Dieser Begriff ist vorko- ranischen Ursprungs, so dass schon die po- lytheistischen Araber (arab. muschrikûn) von ihm Gebrauch machten, in dem sie den 18 Vgl. auch die Suren 3:137; 4:26; 8:38; 15:13; 17:77; 33:38, 62; 35:43; 40:85; 48:23 29
Gewohnheiten ihrer Vorfahren folgten, ohne diese zu hinterfragen. Der Koran aber lehnt die- sen heidnischen Brauch ab: „Und wenn man zu ihnen sagt, sie sollen dem folgen, was Gott her- abgesandt hat, sagen sie: »Nein, wir folgen dem, was wir als Glauben und Brauch unserer Väter übernommen haben«.“ (2:170 f.) Vielmehr ver- langt der Koran: „Ihr Gläubigen! Fürchtet Gott und sagt, was recht ist, dann lässt Er euch eure Werke gedeihen und vergibt euch eure schuld! Wer Gott und Seinem Gesandten gehorcht, dem ist großes Glück zuteil geworden.“ (33:71)19 Gott ruft die Menschen auf, sowohl sei- ner Offenbarung zu folgen als auch seinem Gesandten: „Sprich: Wenn ihr Gott liebt, so folgt mir. Lieben wird euch Gott und euch eure Sünden vergeben; denn Gott ist vergebend, barmherzig. Sprich: Gehorcht Gott und dem Gesandten...“ (3:30 f.).20 „Jene, die dem Gesandten folgen, dem des Lesens und Schreibens unkundigen21 Propheten, 19 Vgl. auch 3:132; 4:13 20 Vgl. auch 4:59, 69 und 80 21 Dieser Vers, in dem Begriff „ummî“ (für Analphabet) vorkommt, beinhaltet die Bedeutung, dass der Prophet Muhammad der Ursprünglichkeit und Archetypik der Offenbarung mit reinem, ur- sprünglichem Hingegebensein begegnete und für sie offen war, praktisch wie ein unbeschriebenes Blatt. Er hat dem, was ihm wäh- 30
dessen Eigenschaften sie bei sich erwähnt fin- den, in der Thora22 und im Evangelium.23 Er gebietet das Rechte und verwehrt ihnen das Unrecht, und er erlaubt ihnen das Gute und verbietet ihnen das Schlechte...“ (7:157 f.). „Sprich: Oh ihr Menschen. Ich bin wahrlich der Gesandte Gottes für euch alle...“ (7:158 f.). „Wahrlich, ihr habt in dem Gesandten Gottes ein schönes Vorbild für jeden, der auf Gott und den Jüngsten Tag hofft und Gottes häufig gedenkt.“ (33:21). „...Und was euch der Gesandte gibt, das nehmt an; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch...“ (59:7). Die Sunna, d.h. die Lebenspraxis des Propheten, lässt sich in zwei Kategorien einord- nen: Die eine Kategorie umfasst die persönliche, kulturelle und normative Sunna, die andere das, was der Prophet gesagt, getan und gebilligt hat. a) Zur Verdeutlichung der persönlichen Sunna des Propheten können als Beispiele an- geführt werden, dass er Datteln liebte oder dass er keinen Knoblauch oder keine Zwiebeln aß. rend des Akts des Empfanges offenbart wurde, nichts aufgrund von Bildung oder theologischer Reflexion hinzugefügt; vgl. Paul Schwarzenau „Korankunde für Christen“. S. 28. 22 Vgl. 5. Mose (Deuteronomium), 18:15, 33:2 23 Vgl. Genesis 17:20, 49:10. Johannes 1:19-25, 7:40-41, 14:16, 15:26, 16:8-13. Matthäus 21:42-44. Lukas 24:49. Psalm 45:17. 31
Wer der persönlichen Sunna des Propheten fol- gen möchte, darf dies ohne weiteres tun. Nur darf die persönliche Sunna nicht verallgemei- nert und zur Norm erklärt werden. b) Zur kulturellen Sunna gehören all die Dinge, die für den Lebensraum der damaligen Muslime auf der arabischen Halbinsel typisch waren, wie z.B. essen mit der Hand. Auch das Befolgen dieser kulturellen Sunna ist jedem frei- gestellt, darf aber ebenfalls nicht verallgemei- nert werden. Auf der anderen Seite sei darauf hingewiesen, dass bestimmte Kulturelemente durchaus auch ihre Daseinsberechtigung haben, solange ihr Sinn nachvollzogen werden kann. Das Essen ausschließlich mit der rechten Hand macht nämlich nur dann einen Sinn, wenn vor und nach dem Essen die Hände gewaschen wer- den und die Reinigung nach dem Stuhlgang mit Wasser immer mit der linken Hand vorgenom- men wird. Diese Gewohnheit hat also einen be- stimmten Grund und Sinn. c) Die normative Sunna dagegen bildet eine Ausnahme. Sie sollte von allen Muslimen befolgt werden. Dass der Prophet z.B. arabisch sprach und der Gebetsruf (arab. azân) auf Arabisch war, soll die Muslime nicht dazu ver- anlassen, dies auf den arabischen Kulturraum 32
zu beschränken, sondern ist eine Sunna, die sich über Raum und Zeit hinwegsetzt und so- mit überall wo Muslime sind, zur Praxis gehört. Es ist z.B. eine normative Sunna, die nicht nur auf den arabischen Kulturraum beschränkt wer- den darf, das Gebet sowie den Gebetsruf auf Arabisch zu sprechen, da Arabisch die Sprache des Propheten war und der Gebetsruf zur dama- lige Zeit ebenfalls auf Arabisch ausgeführt wur- de. Diese Sunna hat sich über Raum und Zeit hinweggesetzt und gehört überall auf der Welt bei allen Muslimen zur Praxis. Den Sinn in der Befolgung der Sunna des Propheten sehen die Muslime besonders dar- in, dass er als Gesandter Gottes, der den Koran empfangen hat, Gott am besten gedient und so- mit eine besondere Vorbildfunktion hat. Eine weitere Besonderheit der Sunna ist, dass es viele Situationen gab, in denen der Prophet die Offenbarungen erläutern oder er- gänzen musste. Z.B. in Bezug auf das Gebet: Der Koran gibt keine direkten Anweisungen wann, wie oft und wie gebetet werden soll. In einer Überlieferung heißt es dagegen: „Betet so, wie ihr mich beten gesehen habt“.24 Ein anderes Beispiel sind die Anweisungen des Propheten 24 Überliefert im Sahîh von al-Buhârî, im Sunan von ad-Dârimî sowie im Musnad von Ahmad b. Hanbal. 33
zur Zakât (soziale Pflichtabgabe), zu ihrer Höhe und über die Besitztümer, auf die Zakât entfällt. Der Begriff „Hadith“, was „Erzählung, Bericht“ bedeutet, wird häufig als Synonym für Sunna benutzt. Einerseits wird eine bestimmte Überlieferung als Hadith bezeichnet, anderer- seits die Gesamtheit der Traditionen, die auf den Propheten zurückgeführt werden. Anfangs wurden die Traditionen mündlich überliefert, seit dem 8. Jh. gibt es jedoch auch umfangreiche Niederschriften des gesammelten Materials. Die Muwattâ des Mâlik ibn Anas (gest. 795) ist das älteste uns erhalten gebliebe- ne Rechtskompendium, welches gesammel- te Überlieferungen enthält. Das Werk ist nach Themen geordnet (in der musannaf Form). Darauf folgt das Werk von Ahmad ibn Hanbal (gest. 857), das älteste und berühmteste Werk, das nach Überlieferern geordnet wurde (arab. musnad). Die berühmtesten sunnitischen Werke sind die Sahihân von al-Buhârî (gest. 870) und Muslim (gest. 874), dann folgen die Sunan- Werke von Ibn Mâdjah (gest. 866), Abu Dâwûd (gest. 888), at-Tirmizî (gest. 892), an-Nasâ’î (gest. 915), ad-Dârimî (gest. 868) und ad-Dara- qutnî (gest. 997). 34
Die berühmtesten schiitischen Hadithsamm- lungen sind von al-Kulaynî (gest. 941), as-Sadûq (gest. 991) und at-Tûsî (gest. 1067). In der Hadith-Literatur gibt es verschie- dene Kategorien, nach der die Richtigkeit ei- ner Überlieferung eingeschätzt wird. Jede Überlieferung besteht aus zwei Teilen: a) Inhalt (arab. matn) b) Überliefererkette (arab. isnâd) In die erste Kategorie fallen die echten bzw. gesunden Überlieferungen. Eine Überlieferung gilt als „echt“ bzw. „gesund“ (arab. sahîh), wenn man gegen die Überliefererkette keine Bedenken hat und der Inhalt folgende Kriterien der Textkritik erfüllt: Er darf • nicht dem Koran widersprechen; • nicht der Vernunft widersprechen; • nicht den Erfahrungen widersprechen; • nicht den Tatsachen widersprechen; • keine unsinnigen Aussagen enthalten; • keiner anderen gut belegten Überlieferung widersprechen; • keine unanständigen Reden enthalten. 35
In der nächsten Kategorie befindet sich die Überlieferungen, die als „gut“ oder „schön“ (arab. Hasan) bezeichnet werden, in deren Überlieferungsketten und/oder Inhalte man aber geringfügige Schwächen vermutet. Als „schwache“ Überlieferungen (arab. da‘îf) werden diejenigen bezeichnet, bei denen man hinsichtlich der Überliefererkette und/oder des Inhalts starke Bedenken hat. Außerdem gibt es noch zahlreiche Überlieferungen, die abgelehnt werden, weil sie als „Fälschung“ (arab. maudû‘) entlarvt wurden. Was die Überlieferungskette anbetrifft, sind folgende Kriterien zu befolgen: • In die Kategorie der sicheren Überlieferungen gehören die Überlieferungen, die von meh- reren Seiten her überliefert wurden (arab. mutawâtir) und wenn die letzte Person in der Überliefererkette (der Informant) Kontakt zum Propheten hatte. Nur diese Texte dürfen als Grundlage für die islami- sche Glaubenslehre (arab. aqîda) verwen- det werden. • Ebenfalls in diese Kategorie gehören die Überlieferungen, die auf mindestens drei verschiedenen Wegen überliefert wurden (arab. maschhûr). 36
• In die nächste Kategorie gehören die Überlieferungen, die auf mindestens zwei verschiedenen Überlieferungswegen über- mittelt wurde (arab. azîz). • Der untersten Kategorie sind die Überlieferungen zugeordnet, die von nur einer Quelle stammen (arab. ahad). • Eine weitere Kategorie bilden die Überlieferungen, deren Überliefererkette nicht bis auf einen Prophetengefährten zu- rückzuführen ist, sondern bei einer Person der Nachfolgegenerationen endet und/oder deren Inhalt Zweifelhaftes enthält (arab. gharîb). Es geht in dieser Bedeutungsebene von „Islam“ – auch wenn hier nur einige Merkmale der islamischen Lehre genannt wurden – nicht um äußere Erscheinungen (Muslime beten zwar auch, aber doch anders als Christen), mit de- nen sich „der Islam“ definiert. Viel wichtiger ist es, den Dingen auf den Grund zu gehen und über ihren Sinn nachzudenken. Deswegen sind in dieser Bedeutungsebene von Islam besonders die Primärquellen Koran und Sunna näher er- läutert worden. Wir können nämlich erst dann sagen, dass wir dieses oder jenes verstanden haben, wenn 37
wir den Sinn dessen nachvollziehen können. Es genügt nicht zu sagen: „Ich weiß, dass Muslime fünfmal täglich beten“. Viel wichtiger ist es zu wissen, warum und was Muslime beten. d) Islam als historische und kulturelle Größe Wir beobachten heute eine kulturelle Vielfalt unter den Muslimen, die durch historische Entwicklungen und vorislamische Traditionen beeinflusst ist. Die ersten Muslime sind be- reits im 7. Jh. von der arabischen Halbinsel in nicht-islamische Länder ausgewandert. Dabei wurden sie von verschiedenen Motiven getrie- ben. Die einen reisten, um den Islam zu verkün- den, andere reisten für Handelszwecke und wie- derum andere um Wissen zu erwerben – dem Ausspruch des Propheten folgend, nach Wissen zu suchen, selbst wenn es in China wäre.25 Nach Afrika und Asien ist der Islam haupt- sächlich über die sogenannten Wanderprediger (Mystiker) und Händler gelangt. Eine Ausbreitung des islamischen Glaubens durch Kriege hat es nie gegeben. Die kriegerische Ausbreitung des 25 In einer weiteren Überlieferung heißt es: „Nach Wissen zu streben ist religiöse Pflicht für jeden Muslim!“, überliefert im Sunan von Ibn Mâdjah. 38
politischen Machtbereichs hatte niemals die „Bekehrung“ Anderer zum Ziel. So haben die Muslime in vielen Ländern, in denen sie herrsch- ten, über mehrere Jahrhunderte hinweg als Minderheit gelebt. Die Geschichte Andalusiens ist ein Zeugnis islamischer Toleranz gegenüber Juden und Christen, die in der Menschheitsgeschichte bis heute seinesgleichen sucht. Häufig werden von Nichtmuslimen histori- sche Vorfälle oder kulturspezifische Eigenarten eher mit „Islam“ in Verbindung gebracht als die Lehre an sich, da diese den meisten fremd ist. Allein in der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit mehr als vier Millionen Muslime aus über 60 verschiedenen Ländern. Diese Muslime brachten nicht nur unterschiedliche Essgewohnheiten mit, sondern auch verschie- dene Sprachen und Traditionen. Trotz der nati- onalen und kulturellen Unterschiede begreifen sich aber alle als Muslime. Den Islam in der Bundesrepublik nun an den unterschiedlichen muslimischen Gesellschaften zu messen ist in der Tat ein schwieriges, wenn nicht unmögliches Unterfangen. Viel einfacher und auch viel wich- tiger ist es, diese Vielfalt unter den Muslimen an der islamischen Lehre zu messen, die sich vor allem nach Koran und Sunna zu richten hat. 39
Es darf und kann nicht alles, was z.B. aus der Türkei kommt, als „Islam“ bezeichnet werden. Genauso falsch wäre es, alles was aus den USA oder aus Russland kommt, als „Christentum“ zu bezeichnen. e) Islam als „Projektion“ Bekannte und vor allem aktuelle Themen wie z.B. der „Heilige Krieg“, „Fundamentalismus“ und die „Frauenfrage“ werden häufig in einem Atemzug mit dem Islam genannt. Für viele Menschen sind diese Themen am interessan- testen, weil sich ihr Wissen meist nur auf sie beschränkt, wobei hier nicht von einem wis- senschaftlich fundiertem Wissen die Rede sein kann, sondern eher von unreflektierten quanti- tativen Informationen. Außerdem sind diese ge- nannten Phänomene Produkte der eigenen euro- päischen Kultur und somit nichts Unbekanntes. 1. Beispiel: „Heiliger Krieg“ Der Begriff „Heiliger Krieg“ stammt aus der christlichen Geschichte26 und ist der Lehre des 26 Speziell die Kreuzzüge, die von Papst Urban II. 1196 zur Befreiung des Heiligen Landes ausgerufen wurden, haben diesen Begriff ge- prägt. 40
Islam fremd. Kein Krieg kann heilig sein! Die arabische Bezeichnung für einen solchen Krieg wäre al-harb al-muqaddasa,27 der Begriff „harb“ (Krieg, Kampf) hat jedoch keine Verwandtschaft mit dem Begriff Djihâd (türk. Cihad). Der Begriff Djihâd – im Koran häufig in Verbindung mit ...fî sabîl Allâh (...auf dem Wege Gottes) vorkommend – hat in seiner Wortwurzel die Bedeutung von „sich bemühen, sich anstren- gen, streben, kämpfen“ und wird im Deutschen oft fälschlicherweise als „Heiliger Krieg“ wie- dergegeben. Diese falsche Bezeichnung basiert auf dem politischen Missbrauch von Djihâd, Djihâd bezeichnet jedoch im islamrechtlichen Sinne kein räumlich und/oder zeitlich begrenz- tes kriegerisches Unternehmen im Namen des Islam (auf staatlicher Ebene), so wie es im Christentum in der Zeit der Kreuzzüge der Fall war. Es gibt auch keine „Djihâde“ („Heilige Kriege“), da das Wort keinen Plural kennt. Die Formulierungen „persönlicher Einsatz“ oder „persönlicher Kampf“„für die Sache Gottes“ oder „Mühe aufwenden auf dem Wege Gottes mit personellen und materiellen Opfern“ tref- fen eher zu. Auch wurden die Pilgerfahrt28 oder 27 Vgl. dazu Paul Schwarzenau: Der Islam ist anders. In: BRU: Ein Magazin für die Arbeit mit Berufsschülern. 6 (1992), S. 6 28 Überliefert im Sahîh al-Buhârî. 41
das gerechte Wort29 und die Fürsorge für die Eltern30 vom Propheten Muhammad als „wert- vollster Djihad“ bezeichnet. Außerdem ist bei dem Begriff auffällig, dass er etwas bezeichnet, das „für“ und nicht „gegen“ etwas gerichtet ist. Deswegen ist „Heiliger Krieg gegen Ungläubige“ eine völlig falsche Übersetzung. 2. Beispiel: Fundamentalismus Auch „Fundamentalismus“ ist ein aus dem christlichen Kulturkreis stammender Begriff.31 Dieser wird heute häufig in einem Atemzug mit dem Islam genannt, er ist der islamischen Lehre jedoch ebenfalls fremd. Als Synonym dazu wird häufig der Begriff „Islamismus“ benutzt, wo- bei insbesondere muslimische Intellektuelle, die „den Westen“ kritisieren oder dem Islam auch eine politische Dimension zuweisen, als „Islamisten“ bezeichnet werden. Diesen beiden Begriffen werden diejenigen zugeordnet, die auf irgendeine Art und Weise allen unislamischen Einflüssen kritisch gegenüberstehen. Da dieser Begriff jedoch zu falschen Assoziationen führen 29 Überliefert bei Abû Dâwûd, at-Tirmizî, ibn Mâdjah und Ahmad ibn Hanbal. 30 Überliefert im Sahîh al-Buhârî. 31 Eine Ende des 19. Jh. entstandene Bewegung des amerikanischen Protestantismus zur Abwehr des Liberalismus. 42
kann, sollten die Muslime vermeiden, sich da- mit zu identifizieren. Der Islam lehnt jede Form des Extremismus ab und lässt „Gewalt“ nur als Mittel der Verteidigung zu. Selbst zu Extremfällen wie z.B. Kriege gibt es im Koran und in der Sunna die Vorschrift, „das Maß nicht zu überschrei- ten.“32 Eines der wichtigsten Ziele menschlichen Handelns sollte die Herstellung von Frieden sein. Wir lesen im Koran: „Und wenn sie sich dem Frieden zuneigen, dann neige auch du dich ihm zu, und lass vom Kampf (gegen sie) ab!“33. Des Weiteren lesen wir im Koran: „O Leute der Schrift, geht in eurem Glauben nicht ins Extreme.“34. Ibn Abbâs überliefert vom Propheten : „Hütet euch vor Extremismus in der Religion“, in der Religion, verehrte Muslime. „Denn die, die vor euch waren, sind deswegen untergegangen, weil sie in der Religion über- trieben haben.“35 Des Weiteren überliefert ibn Masud vom Propheten : „Diejenigen, die das Maß überschritten haben, sind untergegan- gen.“ Und er wiederholte dies dreimal.36 32 Vgl. 2:190 f. 33 Vgl. 8:61 34 Vgl. Sure 4:171 und 5:77 35 Überliefert bei ibn Hanbal, an-Nasai und ibn Madjah. 36 Überliefert bei Muslim, ibn Hanbal und Abu Dawud. 43
3. Beispiel: Die Frau im Islam „Die Frau im Islam“ ist eines der begehr- testen Themen, über die in nicht-islamischen Kreisen diskutiert wird, wobei davon ausgegan- gen wird, dass „der Islam“ die Frau unterdrücke und dem Mann mehr Rechte gäbe als der Frau. Muslime weisen dieses aus dem Mittelalter stam- mende Vorurteil zurück.37 Vielmehr sind Mann und Frau vor Gott, sowohl in religiöser als auch in geistiger Hinsicht, gleichwertig. Die Rechte und Pflichten von Mann und Frau wurden im Koran offenbart: „Und die gläubigen Männer und Frauen sind untereinander Freunde. Sie ge- bieten was recht ist und verbieten was verwerf- lich ist, verrichten das Gebet, geben die Zakât und gehorchen Gott und Seinem Gesandten. Ihrer wird sich Gott erbarmen...“. (9:71)38 37 Siehe zu den Ursachen dieses Vorurteils Pinn, Irmgard; Wehner Marlies: EuroPhantasien. Die islamische Frau aus westlicher Sicht. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Duisburg 1995 38 Vgl. auch: „Die muslimischen Männer und muslimischen Frauen, die gläubigen Männer und gläubigen Frauen, die Männer, die sich (Gott) demütig ergeben und die Frauen, die sich (Gott) demütig ergeben, die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die geduldigen Männer und die geduldigen Frauen, die bescheide- nen Männer und die bescheidenen Frauen, die Männer, die Almosen geben und die Frauen, die Almosen geben, die Männer, die fasten und die Frauen, die fasten, die Männer, die ihre Keuschheit wahren und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren, die Männer, die Gottes häufig gedenken und die Frauen, die Gottes häufig gedenken – Gott hat für sie Vergebung und herrlichen Lohn bereitet“ (33:35). 44
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