Sonomorphologie der alveolären Echinokokkose im zeitlichen Verlauf analog der Echinococcosis Multilocularis Ulm Classification - Ultrasound - OPARU
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Universitätsklinikum Ulm Zentrum für Innere Medizin Klinik für Innere Medizin I Ärztlicher Direktor Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein Sonomorphologie der alveolären Echinokokkose im zeitlichen Verlauf analog der Echinococcosis Multilocularis Ulm Classification – Ultrasound Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm Jasmin Selina Schuhbaur Ulm 2020
Amtierender Dekan: Prof. Dr. rer. nat. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Wolfgang Kratzer 2. Berichterstatter: PD Dr. med. Beate Grüner Tag der Promotion: 22.10.2021
Teile dieser Dissertation wurden bereits in der Fachzeitschrift World Journal of Gastroenterology der Baishideng Publishing Group unter folgendem Titel veröffentlicht: Schuhbaur J, Schweizer M, Philipp J, Schmidberger J, Schlingeloff P, Kratzer W: Long-term follow-up of liver alveolar echinococcosis using echinococcosis multilocularis ul- trasound classification. World J Gastroenterol 2021; 27(40): 6939-6950 [DOI: 10.3748/wjg.v27.i40.6939] Dieser Artikel wurde open access lizenziert unter CC BY-NC 4.0, https://creativecom- mons.org/licenses/by-nc/4.0.
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................. III 1 Einleitung ............................................................................................................... 1 1.1 Definition der alveolären Echinokokkose ..........................................................................1 1.2 Lebenszyklus von Echinococcus multilocularis...................................................................2 1.3 Epidemiologie ....................................................................................................................6 1.4 Risiko- und protektive Faktoren ........................................................................................7 1.5 Krankheitsverlauf und klinische Symptome.......................................................................8 1.6 Diagnostik ..........................................................................................................................9 1.7 Wichtige Differentialdiagnosen .......................................................................................20 1.8 PNM-Klassifikation ..........................................................................................................21 1.9 Therapie ..........................................................................................................................21 1.10 Fragestellung, Hypothese und Ziel der Studie .................................................................25 2 Material und Methoden ........................................................................................ 27 2.1 Studiendesign und Echinokokkose-Datenbank ................................................................27 2.2 Probandenauswahl ..........................................................................................................27 2.3 Ultraschalluntersuchungen und Klassifikation gemäß EMUC-US ....................................31 2.4 Ethikkommission .............................................................................................................34 2.5 Statistische Analyse mit SAS Version 9.4 .........................................................................34 3 Ergebnisse ............................................................................................................ 35 4 Diskussion............................................................................................................. 59 I
5 Zusammenfassung ................................................................................................ 68 6 Literaturverzeichnis .............................................................................................. 70 7 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 76 8 Tabellenverzeichnis .............................................................................................. 79 Danksagung ................................................................................................................. 81 Lebenslauf ................................................................................................................... 82 II
Abkürzungsverzeichnis ABZ Albendazol ADC Apparent Diffusion Coefficient ADF Advanced Dynamic Flow AE Alveoläre Echinokokkose AJCC American Joint Committee on Cancer B-Mode Brightness-Mode bspw. beispielsweise CAE Cerebrale Alveoläre Echinokokkose ca. circa CCC Cholangiozelluläres Karzinom CEUS Contrast Enhanced Ultrasound, Kontrastmittelsonographie cm Zentimeter CPA Color-Power-Angio (-Doppler) CT Computertomographie DECT Dual Energy Computertomographie DWI Diffusion Weighted Imaging ED Erstdiagnose ELISA Enzyme-Linked Immunoabsorbent Assay EMUC-US Echinococcosis Multilocularis Ulm Classification – Ultrasound E. Echinococcus 18FDG-PET 18Fluorodeoxyglucose-Positronemissionstomographie FKDS Farbkodierte Dopplersonographie HCC Hepatozelluläres Karzinom HLA Humane Leukozyten Antigene HRQoL Health-Related Quality of Life, gesundheitsbezogene Lebensqualität kg Kilogramm KG Körpergewicht KM Kontrastmittel MBZ Mebendazol mg Milligramm III
MI Mechanischer Index MRCP Magnetresonanzpankreatikographie MRT Magnetresonanztomographie MW Mittelwert PAS Periodsäure-Schiff (-Reaktion) PCR Polymerase Chain Reaction, Polymerasekettenreaktion PW Pulsed-Wave (-Doppler) SCT Spectral Computertomographie SD Standardabweichung SMI Superb Microvascular Imaging spp. Spezies syn. Synonym UICC The Union for international Cancer Control US Ultraschalluntersuchung u.a. unter anderem vs. versus WHO World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation WHO-IWGE World Health Organisation Informal Working Group on Echinococcosis IV
Einleitung 1 Einleitung 1.1 Definition der alveolären Echinokokkose Bei der alveolären Echinokokkose (AE) handelt es sich um eine parasitär übertragene Zoo- nose, die durch das Larvenstadium des Fuchsbandwurmes Echinococcus multilocularis (E. multilocularis) verursacht wird [19, 35, 43]. Zwar ist die AE eine seltene (Prävalenz 0-150 pro 100.000), jedoch lokal destruierende, primär progrediente und potentiell lebens- bedrohliche Erkrankung [19, 35, 51]. Erfolgt keine Behandlung, so führt die Erkrankung in- nerhalb von zehn Jahren nach Erstdiagnose in über 95 % der Fälle zum Tod des Patienten [8, 35, 44]. Die AE verläuft typischerweise primär asymptomatisch, sodass in vielen Fällen bei Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium vorliegt [38]. Daher gilt die AE als eine der schwerwiegendsten bekannten menschlichen Parasitosen [50]. Die Be- nennung des Cestoden Echinococcus multilocularis leitet sich aus den multifokalen Absie- delungen des Parasiten ab. Die Bezeichnung der Erkrankung als „alveoläre Echinokokkose“ hat ihren Ursprung in den multiplen, von E. multilocularis produzierten Vesikeln, die einen Durchmesser von 1 – 20 mm aufweisen können und in ihrer Morphologie Alveolen ähneln [36]. Der klinischen Manifestation geht in aller Regel eine lange Inkubationsperiode voraus: Die Inkubationszeit zwischen Primärinfektion und klinischer Manifestation wird mit fünf bis 15 Jahren angegeben [19, 34, 35]. Folglich manifestiert sich die Erkrankung meist bei Er- wachsenen, seltener bei Kindern [65]. Dabei erkranken Frauen etwas häufiger an einer AE als Männer [29, 52, 61]. Die AE manifestiert sich größtenteils primär durch einen tumor- ähnlichen Befall der Leber und kann auf angrenzende Organe übergreifen [19, 25, 27, 31, 43]. Selten kommt es zu einem primär extrahepatischen Befall [25, 43]. Die einzige poten- tiell kurative Therapie der AE stellt die vollständige chirurgische Resektion im Gesunden dar [10, 19, 35]. Im Falle einer Irresektabilität kommt die moderne konservative Therapie mit Benzimidazolen zum Einsatz. Darunter zeichnet sich eine maßgebliche Verbesserung der medianen Überlebensrate sowie der 10-Jahres-Überlebensrate ab, welche sich den Überlebensraten gesunder Vergleichsgruppen zunehmend annähern [59]. Aufgrund der durch die AE resultierenden psychischen Belastung sollte den Patienten zusätzlich eine be- gleitende psychotherapeutische Anbindung angeboten werden [53]. 1
Einleitung 1.2 Lebenszyklus von Echinococcus multilocularis Echinokokkosen sind durch Cestoden (syn.: Bandwürmer) verursachte Zoonosen, bei wel- chen der Mensch als Fehlzwischenwirt fungiert. Das Spektrum der Echinokokkosen umfasst verschiedene Spezies. Die beiden bekanntesten Vertreter der durch den Genus Echinococ- cus (E.) verursachten Krankheitsentitäten sind die durch Echinococcus granulosus verur- sachte Hundebandwurmerkrankung (zystische Echinokokkose) sowie die durch Echinococ- cus multilocularis übertragene Fuchsbandwurmerkrankung (alveoläre Echinokokkose). Echinococcus-Spezies benötigen für ihren Lebenszyklus generell zwei Wirte der Klasse Säu- getiere. Die spezifischen Entwicklungsschritte können sich zwischen den Spezies unter- scheiden [43]. Der sylvatische Zyklus von E. multilocularis wird im Folgenden detailliert dar- gestellt. Der Lebenszyklus des Bandwurmes E. multilocularis beginnt im Gastrointestinaltrakt seines Endwirtes, wo der adulte Cestode residiert und infektiöse Wurmeier produziert. Der von E. multilocularis befallene Endwirt scheidet über seinen Kot reife Wurmeier aus. Diese rei- fen Wurmeier enthalten infektiöse Onkosphären (syn.: Hakenlarve; erste Larve des Band- wurmes), welche von einer widerstandsfähigen, keratinisierten Schutzschicht, der Embry- ophore, umgeben werden [43, 49]. Durch die Embryophore sind die Wurmeier sehr wider- standsfähig und können je nach klimatischen Umgebungsbedingungen ihr infektiöses Po- tential über Wochen oder Monate hinweg bewahren [9, 19, 25, 27, 36]. In Europa ist der Rotfuchs (Vulpes vulpes) der häufigste Endwirt, seltener wirken andere Carnivoren wie Marderhunde (Nyctereutes procyonoides), Haushunde (Canis vulpes famili- aris) und Katzen als Endwirte [43, 51, 49, 50]. In der Arktis fungiert hingegen der Polarfuchs (Alopex lapogus) als wichtigster Endwirt [50]. Laut einer epidemiologischen Studie belief sich die Prävalenz der mit E. multilocularis infizierten Füchse im Jahr 1995 in einem Cluster Baden-Württembergs auf bis zu 75 % [49]. Im Rahmen des sylvatischen Zyklus kommt es anschließend zur oralen Aufnahme der infek- tiösen Wurmeier durch natürliche Zwischenwirte, sodass die infektiösen Wurmeier in den Magen und Dünndarm der natürlichen Zwischenwirte gelangen. Durch Enzymreaktionen 2
Einleitung wird hier zunächst die Onkosphäre von der keratinisierten Embryophore getrennt. An- schließend findet eine Aktivierung der Onkosphäre, u.a. durch Galle, statt. Die aktivierte Onkosphäre kann daraufhin die Wand des Dünndarmes penetrieren und das Darmlumen verlassen. Über eine hämatogene Aussaat wird in den meisten Fällen zunächst die Leber, seltener die Lunge und andere parenchymatöse Organe erreicht, wo sich die Onkosphäre ansiedelt und zur Metacestode (syn.: infektiöses Finnenstadium; zweite Larve des Band- wurmes) entwickelt. Die Metacestode produziert innerhalb von Wochen bis Monaten fer- tile Protoscoleces, welche sich wiederum zu adulten Cestoden entwickeln können [43]. Als Zwischenwirte fungieren hauptsächlich kleine Säugetiere, darunter insbesondere Na- getiere. Neben der Feldmaus (Microtus arvalis), der Wühlmaus (Arvicola spp.), der Rötel- maus (Myodes glareolus) und der Bisamratte (Ondatra zibethicus) kommen auch Nutria (Myocastor coypus) und seltener Bieber (Castoridae) als potentielle Zwischenwirte in Be- tracht [9, 19, 27, 36, 51, 50]. Werden die infizierten natürlichen Zwischenwirte mitsamt der intrinsischen Protoscoleces von Carnivoren verspeist, schließt sich der natürliche Entwicklungszyklus von E. multi- locularis [9, 19, 25, 27, 36]. 3
Einleitung Abbildung 1: Sylvatischer Zyklus des Cestoden Echinococcus multilocularis (E. multilocularis): Darstellung der Entwicklungsstadien von E. multilocularis durch Besiedelung von Endwirt und Zwischenwirt (eigene Darstel- lung). Durch akzidentelle orale Aufnahme von infizierter Erde oder Tierhaaren sowie durch Kon- takt zu Cestoden-haltigem Kot von besiedelten Carnivoren können auch Fehlzwischenwirte durch E. multilocularis infiziert werden. Im Gegensatz zu natürlichen Zwischenwirten sind Fehlzwischenwirte nicht an der Aufrechterhaltung des sylvatischen Zyklus von E. multi- locularis beteiligt. Der Mensch stellt den wichtigsten Fehlzwischenwirt von E. multilocularis dar [9, 19, 27, 36, 43]. Die Entwicklungsschritte von E. multilocularis innerhalb des Fehl- zwischenwirts gleichen den Abläufen im natürlichen Zwischenwirt. Nach Ingestion der in- fektiösen Wurmeier und enzymatischer Destruktion der Embryophore nach Durchlaufen der Magenpassage penetrieren die aktivierten Onkosphären die Dünndarmwand. Über den enterohepatischen Kreislauf gelangen sie über die Vena portae hepatis in die Leber, wo die Metacestode durch infiltratives Wachstum zur Ausbildung hepatischer Raumforderungen und zum Krankheitsbild der AE führt. Die tumorähnlichen, parasitären Läsionen können sich per continuitatem ausbreiten, per contiguitatem benachbarte Organe befallen sowie durch hämatogene Streuung parasitäre Fernabsiedelungen bilden, beispielsweise in der Lunge oder im Gehirn [9, 19, 25, 27, 36, 43]. Die Infektion von Fehlzwischenwirten stellt eine Sackgasse für den Cestoden E. multilocularis dar; eine weitere Transmission erfolgt nicht [43]. 4
Einleitung Abbildung 2: Sylvatischer Zyklus des Cestoden Echinococcus multilocularis (E. multilocularis): Darstellung der Entwicklungsstadien von E. multilocularis durch Besiedelung von Endwirt, Zwischenwirt und Fehlzwischen- wirt (eigene Darstellung). 5
Einleitung 1.3 Epidemiologie Der Cestode E. multilocularis ist insbesondere in der nördlichen Hemisphäre weit verbrei- tet: Aktuelle Daten belegen das Vorkommen von E. multilocularis in 36 Ländern der Nord- halbkugel [5]. So gelten vor allem Russland, Zentralasien, China, der Norden Japans, die Türkei sowie Zentral-, Ost- und West-Europa als Hochrisikogebiete [5, 9, 17, 36]. Während sich die Verbreitung von E. multilocularis in den frühen 1980er Jahren noch auf lediglich vier europäische Länder (Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweiz) beschränkte, doku- mentiert die Literatur des 21. Jahrhunderts das Vorkommen von E. multilocularis in nun- mehr 20 europäischen Ländern [5, 30, 51]. Auch in Nordamerika und Kanada ist E. multi- locularis verbreitet [5, 9, 17, 36]. Die höchsten im 21. Jahrhundert dokumentierten Fallzah- len der AE finden sich in China und Zentralasien (Kirgisistan) [5]. In den europäischen Hoch- risikogebieten (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich) zeichnet sich seit den 1990er Jahren ein Anstieg der berichteten AE-Fälle ab [5]. So stieg in Deutschland die parasitäre Biomasse von E. multilocularis pro Quadratmeter zwischen den Jahren 1990 und 2000 um den Faktor zehn [50]. Innerhalb Deutschlands finden sich weiterhin die höchsten Fallzahlen in den beiden südlichsten Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern [52]. Als mögli- che Gründe für die Zunahme an berichteten Krankheitsfällen der AE werden zum einen die steigende Population des Rotfuchses, u.a. aufgrund der zunehmend erfolgreichen Bekämp- fung und Eradikation der Tollwut, und die zunehmende Urbanisierung seines Lebensraums angesehen [33, 51, 50]. Zum anderen sorgen anthropogene, fraktionierte Landschaften für günstige Umgebungsfaktoren der tierischen Zwischen- und Endwirte, sodass das Risiko der parasitären Übertragung auf menschliche Fehlzwischenwirte zunimmt [50]. Außerdem be- steht ein gesteigertes gesellschaftliches Bewusstsein für die Krankheitsentität der AE. Fer- ner erlauben die Möglichkeiten der modernen apparativen und laborchemischen Diagnos- tik eine sicherere und frühzeitigere Diagnosestellung [5]. Das endemische Vorkommen von E. multilocularis und seine Exposition gegenüber dem Menschen sind jedoch nicht zwangsläufig mit einer parasitären Infektion des Menschen gleichzusetzen; diese hängt von diversen Faktoren ab [5, 60]. Die Prävalenz der AE wird dabei in erster Linie durch das Vorkommen von natürlichen Zwischenwirten bestimmt und ist daher von diversen Umwelt-, Landschafts- und Klimafaktoren abhängig [50]. Neben dem örtlichen sozioökonomonischen Status und dem Infektionsweg spielen auch die variable 6
Einleitung humane Pathogenität der Erreger und die Suszeptibilität des potentiellen Fehlzwischen- wirts eine wichtige Rolle [5]. 1.4 Risiko- und protektive Faktoren Als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer AE gilt die Tätigkeit als Landwirt in Endemiegebieten [15, 30]. Daher gilt die Fuchsbandwurmerkrankung in Deutschland als anerkannte Berufskrankheit bei Landwirten [25]. Auch Wald- und Forst- arbeiter weisen ein erhöhtes Risiko für eine AE-Infektion auf. Jedoch konnte in Deutschland kein direkter Zusammenhang zwischen der Jäger-Profession und der AE belegt werden [30]. Ferner gelten Hundebesitzer als wichtige Risikogruppe [15]. Das Infektionsrisiko bei Hun- dehaltern wird insbesondere dann weiter gesteigert, wenn sich die Hunde unbeaufsichtigt im Garten aufhalten können oder Wild erlegen [30]. Auch Katzenbesitzer zeigen ein erhöh- tes Risiko für die Entwicklung einer AE, insbesondere wenn es sich bei den Haustieren um Freigänger handelt [30]. Des Weiteren wurden der Eigenanbau von Blatt- und Wurzelge- müse sowie der Verzehr ungewaschener Erdbeeren und das Kauen von Gras als potentielle Risikofaktoren identifiziert [30]. International wird eine Assoziation zwischen dem weibli- chen Geschlecht, einem Lebensalter > 20 Jahren sowie Leben in Armut und der AE-Infektion beschrieben [15]. Ein kumulativer Effekt der genannten Risikofaktoren erscheint möglich [30]. Ob der Verzehr von ungewaschenen Gemüsesorten, Salaten, Pilzen und anderen Bee- ren sowie das Trinken von Wasser aus naturbelassenen Quellen relevante Risikofaktoren darstellen, wird kontrovers diskutiert, erscheint derzeit jedoch eher unwahrscheinlich [15, 30]. An potentiell protektiven Faktoren wurden spezifische humane Leukozytenantigene (bspw. HLA DR 11) beschrieben, sodass einer verminderten Suszeptibilität u.a. eine genetische Prä- disposition zugrunde liegen könnte [15, 60]. 7
Einleitung 1.5 Krankheitsverlauf und klinische Symptome Die AE verläuft in den frühen Stadien der Infektion in der Regel primär asymptomatisch [38]. In circa einem Drittel der berichteten Fälle erfolgt die Erstbeschreibung eines Echino- kokkoseherdes als Zufallsbefund bei subjektiv beschwerdefreiem Patienten [34, 38, 43]. In den meisten Fällen findet sich zunächst ein hepatischer Befall [43, 45, 66]. Die Patienten äußern im Verlauf der Erkrankung mitunter unspezifische Symptome, darunter Übelkeit, Fieber, Gewichtsverlust, eine reduzierte körperliche Belastbarkeit sowie ein abdominelles Druckgefühl oder Schmerzen, insbesondere im rechten oberen Quadranten [9, 25]. Durch ein lokal fortgeschrittenes Wachstum der parasitären Leberraumforderung mit kon- sekutiver Obstruktion des biliären Systems können ein Haut- und Sklerenikterus sowie Pruritus auftreten. Im Falle einer Superinfektion können sich sekundäre Cholangitiden und Leberabszesse entwickeln, welche schließlich in einem septischen Krankheitsbild exazer- bieren können [34, 35]. Kommt es durch das fortschreitende Wachstum der hepatischen Läsion zu einer Kompression oder Invasion der Pfortaderäste, kann eine portale Hyperten- sion resultieren. Diese kann mitunter eine Splenomegalie, portalvenöse Umgehungskreis- läufe, Ösophagusvarizenblutungen und Aszites bedingen. Durch Verdrängung oder invasi- ves Wachstum in das drainierende System der Lebervenen kann sich ferner ein Budd-Chi- ari-Syndrom entwickeln [34, 35]. Durch hämatogene Streuung oder ein infiltratives, transdiaphragmales Wachstum kann eine pulmonale Beteiligung resultieren [28]. Diese wird in der Literatur mit einer Häufigkeit von ca. 7 – 20 % angegeben [27]. Typische, wenn auch unspezifische Symptome einer Lun- genbeteiligung sind (Belastungs-) Dyspnoe, Thoraxschmerzen, produktiver Husten und Hä- moptysen [9, 27]. Außerdem sind einzelne Fälle zentralnervöser AE-Herde beschrieben, welche klinisch durch Symptome eines erhöhten intrakraniellen Drucks wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sowie durch fokal neurologische Defizite imponieren können [9, 37, 41]. Die Häufigkeit zentralnervöser AE-Manifestationen beläuft sich auf ca. 1 % [2, 42]. Ossäre Manifestationen finden sich selten (ca. 1 % der Fälle), betreffen vorrangig Sternum und Wirbelkörper und können klinisch durch pathologische Frakturen verbunden mit ossären Schmerzen oder neurologischen Symptomen imponieren [27, 40]. In der Literatur 8
Einleitung wird eine Vielzahl anderer Organmanifestationen beschrieben. Diese umfasst u.a. Gallen- blase, Nieren, Nebennieren, Milz, Pankreas, intraabdominelle Lymphknoten, Gastrointesti- naltrakt, Weichteile und verschiedene Bauchwandschichten [27, 40, 66]. 1.6 Diagnostik Aufgrund des primär asymptomatischen Verlaufs, dem im therapienaiven Zustand progre- dienten Fortschreiten der Erkrankung und der hohen Letalität kommt der Diagnostik der AE eine immense Bedeutung zu [35]. Die Diagnostik der AE basiert neben einer gründlichen Anamnese und körperlichen Unter- suchung auf drei wichtigen Säulen: der Morphologie in den gängigen Bildgebungsmodali- täten, der Bestimmung der biologischen Marker sowie der histologischen Sicherung bzw. einem Nukleinsäurenachweis aus einer Gewebebiopsie [8, 25]. Findet sich ein typischer bildgebender Befund, eine positive Serologie (positive Resultate im Such- und im Bestätigungstest) sowie ein mit der Diagnose einer AE vereinbarer histo- pathologischer Befund oder alternativ ein positiver Nachweis von Nukleinsäuren, so gilt die Diagnose einer AE als gesichert („confirmed“) [8]. Im Falle eines typischen bildgebenden Befundes mit zweifach positiver Serologie ohne vorliegende histopathologische Sicherung oder Nukleinsäurenachweis gilt die Diagnose einer AE als wahrscheinlich („probable“) [8]. Sowohl gesicherte als auch wahrscheinliche Fälle einer AE stellen eine Therapieindikation dar [9, 25]. Liegt entweder ein typischer bildgebender Befund oder eine positive Serologie vor, so wird die Diagnose einer AE als möglich („possible“) angegeben, über eine Thera- pieindikation muss im Einzelfall entschieden werden [8]. 9
Einleitung 1.6.1 Bildgebende Diagnostik Brightness-Mode-Sonographie (B-Bild-Sonographie) Die B-Bild-Sonographie stellt in der klinischen Routinediagnostik die am häufigsten ange- wandte Primärbildgebung sowohl zur Erstdiagnose, als auch zur Verlaufskontrolle der AE dar. So finden sich im Rahmen eines Screenings bei asymptomatischen Patienten oder in der Abklärung einer unspezifischen abdominellen Beschwerdesymptomatik mitunter he- patische Inzidentalome, die sich nach weiterer Abklärung als hepatische Manifestationen einer bislang unbekannten AE herausstellen [36]. Zudem kann eine unklare hepatische Raumforderung mithilfe der B-Bild-Sonographie genauer charakterisiert und eine Ver- dachtsdiagnose geäußert werden. Die Morphologie von AE-Herden umfasst ein heterogenes Spektrum. In aller Regel erschei- nen intraabdominelle AE-Herde als unregelmäßig begrenzte, unscharf vom umgebenden Gewebe abgrenzbare Raumforderungen mit inhomogener Textur, soliden als auch zystoi- den Anteilen und ohne nachweisbare Vaskularisation [7, 9, 12]. Im Falle eines relevanten Größenwachstums ist die vaskuläre Versorgung oft ungenügend und es resultieren stark echoarme bis echofreie, nekrotische Areale. Ferner finden sich häufig echoreiche Verkal- kungsstrukturen mit oder ohne dorsalen Schallschatten [7, 9]. Die intraoperative Anwendung der B-Bild-Sonographie kann die Sensitivität dieser Modali- tät weiter erhöhen und ein optimales chirurgisches Vorgehen ermöglichen [14, 64]. Bereits 1985 wurden von Didier et al. erste Versuche unternommen, die heterogene So- nomorphologie der AE in verschiedene Ultraschallmuster zu gliedern. Neben dem Sturm- und-Hagel-Muster sowie dem pseudozystischen Muster sprachen die Autoren von einem Landkartenmuster und Kalzifikationsmuster [18]. Um die Identifikation hepatischer AE-Herde und deren Follow-up zu erleichtern, bauten Kratzer et al. auf diesen Überlegungen auf und veröffentlichten im Jahr 2015 die auf dem B-Bild-Ultraschall basierende EMUC-US Klassifikation (Echinococcosis Multilocularis Ulm Classification – Ultrasound). Diese gründet sich auf eine retrospektive Auswertung eines breiten Patientenkollektivs (n = 185) mit gesicherter AE und gliedert die unterschiedlichen sonomorphologischen Erscheinungsbilder in fünf Subtypen: Sturm-und-Hagel-Muster, pseudohämangiomartiges Muster, pseudozystisches Muster, metastasenartiges Muster 10
Einleitung und Verknöcherungsmuster. Lediglich ein geringer Prozentsatz (< 5 %) der betrachteten AE-Läsionen konnte keinem der fünf Subtypen zugeordnet werden [35]. Eine polnische Arbeitsgruppe um Sulima et al. konnte im Jahr 2019 in einer retrospektiven Querschnittsstudie an 58 Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer AE keinen Zu- sammenhang zwischen dem sonomorphologischem Muster analog EMUC-US und dem kli- nischen PNM-Stadium, welches die Ausbreitung beschreibt und die Resektabilität bedingt, nachweisen [56]. Längsschnittstudien, welche die Sonomorphologie hepatischer AE-Läsio- nen zu mehr als einem Zeitpunkt untersuchen, stehen aktuell noch aus, sodass bislang an- hand des sonographischen Bildes keine Rückschlüsse auf unterschiedliche Krankheitssta- dien oder den Grad der parasitären Aktivität gezogen werden können. Doppler-Sonographie Um fokale Leberraumforderungen genauer einordnen zu können, erfolgt in der Regel zu- sätzlich zur B-Bild-Sonographie die Beurteilung der Vaskularisation im Doppler-Modus. Je nach Gerätetyp und -ausstattung kommen verschiedene Doppler-Modi zum Einsatz: Farb- kodierte Dopplersonographie (FKDS), Power-Doppler (CPA-Doppler), advanced dynamic flow (ADI), superb microvascular imaging (SMI), Pulsed-wave-Doppler (PW-Doppler). Typi- scherweise ist in der Doppler-Sonographie bei hepatischen AE-Herden keine zentrale Vas- kularisation nachweisbar [26, 58]. Mittels sehr sensitiver Dopplermodi kann in manchen Fällen eine randliche Vaskularisation dargestellt werden [26]. Außerdem kann mittels der Doppler-Sonographie die Darstellung einer Gefäßbeteiligung durch den AE-Herd verbessert werden [36]. Limitationen sowohl der B-Bild- als auch der Doppler-Sonographie bestehen hinsichtlich der Identifikation und Beurteilung schwer einsehbarer, randständiger Herde, der Einschät- zung eines Übergreifens auf benachbarte Strukturen und Organe sowie gelegentlich der Entdeckung kleiner Läsionen [36]. 11
Einleitung Contrast-enhanced Ultrasound (CEUS) Durch intravenöse Applikation des im Jahre 2001 eingeführten Ultraschall-Signalverstär- kers SonoVue (Bracco Medical Imaging Germany Ltd., Konstanz, Deutschland) kann die Makro- und Mikrovaskularisation verschiedener Organsysteme untersucht werden [1]. Der Signalverstärker SonoVue verstärkt dabei sowohl das B-Bild als auch verschiedene Dopp- lermodi [16]. Generell kann mittels CEUS das Vorhandensein fokaler Läsionen bestätigt oder ausgeschlossen werden. Finden sich innerhalb abdomineller Organe unklare fokale Läsionen, können mittels CEUS Rückschlüsse auf deren Dignität und Entität gezogen wer- den [1]. Bei SonoVue handelt es sich um einen Ultraschall-Signalverstärker der zweiten Ge- neration, welcher häufig als Ultraschall-Kontrastmittel (KM) bezeichnet wird. SonoVue be- steht aus Mikrobläschen, die Schwefelhexafluorid enthalten und von einer Phospholipid- schicht umgeben sind. In Abgrenzung zu gängigen Röntgen- und Magnetresonanztomogra- phie- (MRT) Kontrastmitteln verbleibt SonoVue nach intravenöser Applikation streng in- travasal. Durch eine hohe Stabilität mit günstigem Resonanzverhalten bei geringem me- chanischem Index (MI) ist unter SonoVue eine dynamische sonographische Untersuchung in Echtzeit über mehrere Minuten möglich [1, 16]. Dies stellt einen bedeutenden Vorteil des CEUS in Abgrenzung zu KM-verstärkten Schnittbildgebungen dar. Betrachtet man die Leber, unterscheidet der Untersucher hinsichtlich des Vaskularisations- musters a) des physiologischen Leberparenchyms und b) der mittels B-Bild-Sonographie vorab aufgefundenen fokalen Leberläsion. Aufgrund der dualen Blutversorgung der Leber über das arterielle und das portalvenöse System wird zwischen dem KM-Verhalten in der arteriellen, portalvenösen und Spätphase unterschieden [1]. Das Leberparenchym kontras- tiert sich nach intravenöser KM-Applikation physiologischerweise zunächst über die arteri- elle Versorgung der A. hepatica propria (arterielle Phase, ca. 10 – 30 Sekunden post injec- tionem). Die arterielle Phase liefert Informationen über den Vaskularisationsgrad und zeigt spezifische Vaskularisationsmuster auf [1]. Bereits nach ca. 30 Sekunden post injectionem folgt die portalvenöse Phase, welche bis ca. 2 Minuten post injectionem anhält. Anschlie- ßend stellt sich die Spätphase dar, welche über mindestens 4 Minuten, bei ausgewählten Fragestellungen bis zu 6 Minuten post injectionem, betrachtet werden sollte [1, 20]. In der portalvenösen Phase und Spätphase ist dabei insbesondere auf ein umschriebenes Aus- waschphänomen der fokalen Läsion im Vergleich zum umgebenden Leberparenchym zu achten, da dies in vielen Fällen ein entscheidendes Kriterium für die Dignitätseinschätzung 12
Einleitung der fokalen Leberläsion darstellt [1]. Die diagnostische Genauigkeit kann folglich mittels CEUS gegenüber der B-Bild-Sonographie erhöht werden und zeigt gute Übereinstimmun- gen mit der Treffsicherheit etablierter kontrastverstärkter Schnittbildgebungen [1, 6, 11]. Während das physiologische Leberparenchym eine flächige KM-Anreicherung zeigt, weisen hepatische AE-Läsionen typischerweise in den zentralen Anteilen über alle Kontrastmittel- phasen hinweg kein KM-Enhancement auf [12, 20, 58]. Lediglich in den entzündlich verän- derten Randbereichen kann bei aktiven Läsionen eine (mäßige) KM-Aufnahme verzeichnet werden [11, 20, 58]. Zur Darstellung eines arteriellen randlichen Enhancements sollte eine hohe Framerate, also eine hohe Bilderfrequenz pro Sekunde, gewählt werden, um die Sen- sitivität zu erhöhen [26]. Durch die flächige KM-Aussparung der AE-Läsionen kann mittels CEUS im Vergleich zur B-Bild-Sonographie eine schärfere Abgrenzung zum umgebenden Le- berparenchym erzielt werden: die AE-Läsionen bleiben, im Gegensatz zum umgebenden Leberparenchym, von der KM-Aufnahme ausgespart, sodass eine genauere metrische Be- stimmung erfolgen und mitunter ein größerer Diameter vermessen werden kann [26, 36, 57, 58]. Bis dato beschrieben mehrere Studien, dass mittels CEUS unter Verwendung eines niedrigen mechanischen Index (MI initial
Einleitung Computertomographie (CT) Neben der B-Bild-Sonographie zählt die Computertomographie (CT) zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren in der Diagnostik der AE. Sowohl Anzahl, Lokalisation, Morpholo- gie als auch Maße der hepatischen Läsionen können zuverlässig dokumentiert und ein extrahepatisches Wachstum sowie eine mögliche Gefäß- oder Gallengangsbeteiligung dar- gestellt werden [3, 36]. Insbesondere in der Darstellung von Kalzifikationen ist die CT an- deren bildgebenden Modalitäten überlegen [8, 17, 27]. In der nativen CT imponiert eine hepatische Manifestation der AE typischerweise als infilt- rativ wachsender, unregelmäßig begrenzter, heterogener Leberherd; nekrotische Anteile erscheinen dabei hypodens, Kalzifikationen hyperdens [17]. Nach intravenöser Kontrast- mittelapplikation ist kein relevantes KM-Enhancement der zentralen Läsionsanteile zu er- warten, der entzündlich veränderte Randwall kann jedoch eine geringe Kontrastmittelan- reicherung insbesondere in den späten Phasen aufweisen. Dieses Kontrastmittelverhalten hilft maßgeblich in der Differentialdiagnose und Abgrenzung hinsichtlich anderer hepati- scher Neoplasien [27, 36]. Das kombinierte Auftreten von Kalzifikationen und dem charak- teristischen Kontrastmittelverhalten gilt als zuverlässigster Indikator für das Vorliegen ei- ner AE mit dem höchsten Diskriminierungspotential gegenüber den gängigen Differential- diagnosen bei hoher Sensitivität (75,8 %) und Spezifität (100 %) [39]. Um die Identifikation und Interpretation hepatischer AE-Herde zu erleichtern und die Inter- Observer-Variabilität zu verbessern schlugen Gräter et al. im Jahr 2016 die CT-basierte EMUC-CT Klassifikation (Echinococcosis multilocularis Ulm Classification – Computertomo- graphie) vor. Diese gründet sich auf zwei Säulen, die zunächst individuell betrachtet und anschließend zu einem Befund kombiniert werden. Zum einen wird die Läsion einer von insgesamt fünf Primärmorphologien zugeordnet. Zum anderen wird zwischen sechs abwei- chenden Kalzifizierungsmustern unterschieden [23]. In der Diagnostik der cerebralen AE (CAE) spielt die CT eine wichtige Rolle, da sie bei neu- rologischen Symptomen unklarer Genese häufig als Primärbildgebung eingesetzt wird. CAE-Läsionen imponieren, ähnlich wie hepatische AE-Herde, inhomogen mit zentral über- wiegend hypodens-nekrotischen Anteilen. Hyperdense Verkalkungen und ein umgebendes Randödem sind häufig [37, 41]. Einschränkungen der CT-Diagnostik liegen insbesondere in der Strahlenexposition [9]. 14
Einleitung Dual Energy-CT (DECT) und Spectral-CT (SCT) Mittels funktioneller CT-Bildgebungen wie der Dual Energy-CT (DECT) und der Spektral-CT (SCT) kann die durch Neovaskularisation bedingte Mikroperfusion der entzündlich verän- derten Randbereiche hepatischer AE-Läsionen genauer untersucht und dargestellt werden. Aufgrund der Strahlenbelastung und mangelnder prospektiver Studien beschränkt sich diese Anwendung aktuell jedoch primär auf Studienzwecke und ist bislang nicht in der kli- nischen Diagnostik etabliert [36]. 18 Fluorodeoxyglucose Positronemissionstomographie (18FDG-PET) Das 18FDG-PET gilt aktuell als das beste bildgebende Verfahren zur Beurteilung der Krank- heitsaktivität der AE. Folglich findet es sowohl in der Initialdiagnostik als auch im Follow-up der AE seine Anwendung. Die Spezifität des 18FDG-PET in der Detektion aktiver AE-Läsionen wird in der Literatur mit ca. 86 % angegeben (81 –91 %) [47, 55]. Insbesondere in der Ab- 18FDG-PET grenzung gegenüber der zystischen Echinokokkose kann das mit einer hohen Spezifität (92 %) dienen [55]. Während mithilfe des 18FDG-PET die Bestimmung der Anzahl, Morphologie und Lokalisation der hepatischen AE-Läsionen ebenso wie in anderen gängi- gen Schnittbildverfahren gelingt, liefert das 18FDG-PET zusätzlich Informationen über die parasitäre Aktivität. Insbesondere vor Therapiebeginn ist es empfehlenswert, einen initia- 18FDG-PET 18FDG-PET len Aktivitätsstatus mittels zu eruieren. Das visualisiert Regionen, welche eine erhöhte metabolische Aktivität aufweisen durch eine vermehrte 18FDG-Anrei- cherung [20]. Diese korreliert indirekt mit der parasitären Vitalität und mit der entzündli- chen Aktivität, indem ein erhöhter Glucose-Metabolismus als Reaktion des Wirtsorganis- mus auf die parasitäre Infektion nachgewiesen werden kann [25, 36, 46]. Läsionen, welche im 18FDG-PET keine erhöhte Traceranreicherung aufweisen, entsprechen demnach inakti- ven Läsionen. Dennoch kann der Erreger in diesen Läsionen weiterhin persistieren und le- diglich supprimiert sein. Demnach ist eine PET-Negativität nicht mit einer Avitalität des Pa- rasiten gleichzusetzen [48, 55]. Häufig stellt sich im 18FDG-PET entweder eine unilaterale, fokale Traceranreicherung oder ein ringförmiges Randenhancement dar, nekrotische Are- ale bleiben von der vermehrten Traceranreicherung ausgespart [46]. Laut Caoduro et al. kann die Sensitivität des 18FDG-PET durch eine zusätzliche verzögerte Bildaufzeichnung drei Stunden post injectionem – anstatt wie klinisch üblich eine Stunde 15
Einleitung post injectionem – erhöht und damit die Rate an falsch negativen Befunden verringert wer- den [13]. Das 18FDG-PET fungiert als relevanter Indikator hinsichtlich des initialen Aktivi- tätsstatus, des Therapieansprechens sowie als wichtiges Kriterium bei der Entscheidungs- findung des künftigen Therapieverlaufs. Im Falle metabolisch inaktiver Läsionen (18FDG-PET negativ, serologisch negativ) kann ein Absetzen der medikamentösen Therapie erwogen werden [20], während bei einem mittels 18FDG-PET detektierten Rückfall im Sinne einer erneut nachweisbaren metabolischen Aktivität rechtzeitig medikamentös interveniert wer- den kann [46] . Einschränkungen des 18FDG-PET liegen vor allem in der Strahlenbelastung und der fehlen- den Spezifität im Falle einer vermehrten Tracer-Anreicherung. So zeigen beispielweise auch maligne Tumore typischerweise ein fokales Enhancement [9]. Magnetresonanztomographie (MRT) Bereits vor Etablierung der Kodama-Klassifikation im Jahr 2003 wurde der Benefit der Mag- netresonanztomographie (MRT) in der Diagnostik der AE in der Literatur untersucht und beschrieben [17]. Hepatische AE-Läsionen stellen sich in der MRT, in Übereinkunft mit der Sonographie und CT, meist irregulär begrenzt und mit heterogener Intensität dar. Während zystische und nekrotische Areale in T1-gewichteten Sequenzen typischerweise hypointens imponieren, stellen sich diese in T2-gewichteten Sequenzen hyperintens dar. Areale, die auch in T2 hypointens erscheinen, entsprechen fibrotischen Veränderungen [36]. Gegenüber der CT zeigt sich in der MRT eine Überlegenheit hinsichtlich der Abgrenzbarkeit der Läsionsränder vom umgebenden gesunden Leberparenchym und anderen Nachbaror- ganen. Außerdem stellt die MRT den Goldstandard zur zuverlässigen Beurteilung hinsicht- lich einer Gefäß- und Gallengangsinvasion durch die parasitäre Leberläsion dar [9]. Zudem kann eine zentralnervöse Beteiligung durch die MRT besser als in anderen gängigen Bildge- bungsmodalitäten visualisiert werden [9, 27]. Intracerebrale Echinokokkosemanifestatio- nen (CAE) weisen häufig Verkalkungen auf und zeigen mitunter ein in T2 hyperintenses Randödem [9, 27, 37, 41]. Dank der T2-gewichteten Sequenzen können mittels der MRT insbesondere kleine zystische Komponenten, sog. Mikrovesikel, oder größere zystoide, nekrotische Areale besser als in jeder anderen Bildgebung visualisiert werden [3, 9, 17, 24, 36]. Ferner kann in Abgrenzung zur CT auf die Verabreichung eines Kontrastmittels verzich- 16
Einleitung tet werden und eine Strahlenbelastung unterbleiben. Im Falle einer Verabreichung von in- travenösem, Gadolinium-haltigem Kontrastmittel zeigen die hepatischen parasitären Läsi- onen in Übereinkunft mit dem CT-graphisch beschriebenem Kontrastmittelverhalten typi- scherweise ebenfalls kein zentrales Enhancement [3]. Jedoch kann in T1-gewichteten Se- quenzen eine mäßige randliche Kontrastmittelaufnahme im Bereich des entzündlichen Randwalls dargestellt werden [27]. Die von Kodama et al. im Jahr 2003 etablierte, MRT-basierte Klassifikation beschreibt fünf Typen der hepatischen AE-Läsionen [32]: • Typ 1: multiple kleine, runde Zysten ohne solides Material, ca. 4 % der Läsionen • Typ 2: multiple kleine, runde Zysten mit solidem Material, ca. 40 % der Läsionen • Typ 3: eine große und/oder irreguläre Pseudozyste umgeben von solidem Material mit vielen kleinen runden Zysten, ca. 46 % der Läsionen • Typ 4: solides Material ohne Zysten, ca. 4 % der Läsionen • Typ 5: eine große Zyste ohne solides Material, ca. 6 % der Läsionen Laut Kodama et al. könnte es sich bei Typ 1-Läsionen um die früheste Krankheitsmanifes- tation handeln. Im Falle von Typ 2-Läsionen sei von einem sekundären, bei Typ 3-Läsionen von einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium auszugehen. Kodama et al. begründen diese These damit, dass die Charakteristika von Typ 1-Läsionen auch in Typ 2-Läsionen zu beobachten sind und Typ 2-Läsionen wiederum morphologische Charakteristika von Typ 3- Läsionen aufweisen [32]. Diagnostische Einschränkungen der MRT gegenüber der CT liegen in der Erkennung singu- lärer oder gruppierter Mikrokalzifikationen sowie sehr kleiner, solider, hepatischer Mani- festationen [24]. Diffusions-gewichtete Magnetresonanztomographie (DWI-MRT) Die DWI-Sequenz (Diffusion Weighted Imaging) misst die Diffusion von Wasserprotonen in Geweben und findet heutzutage nicht nur in der Schlaganfalldiagnostik, sondern auch in der Charakterisierung von Lebertumoren ihre Anwendung. Areale mit einer guten Diffusion erscheinen hypointens. Liegt eine Diffusionsrestriktion vor, erscheint dieses Areal hyperin- tens. Um die Signalintensität der DWI-Sequenz zu quantifizieren, kann der ADC (Apparent Diffusion Coefficient) bestimmt werden, welcher sich invers zur DWI verhält. Im Vergleich 17
Einleitung zur konventionellen MRT verspricht die zusätzliche Anfertigung der DWI-Sequenz einen po- sitiven Nutzen sowohl hinsichtlich der Erkennung, insbesondere der Detektion kleiner Läsi- onen < 1 cm, als auch der Charakterisierung hepatischer Läsionen der AE [36]. Maligne Lä- sionen weisen durch eine erhöhte Zelldichte und folglich geringeren Interzellularraum eine verminderte Diffusion von Wasserprotonen auf und erscheinen in der DWI-MRT hyperin- tens, was mit einem erniedrigten ADC-Wert einhergeht. Hepatische Läsionen der AE ver- halten sich konträr. Sie erscheinen in der DWI typischerweise hypointens, was wiederum mit einem erhöhten ADC-Wert korreliert. Somit bietet die DWI-MRT eine Möglichkeit zur Differenzierung zwischen malignen Tumoren und parasitären AE-Herden [9, 27]. Der peri- läsionale Rand kann mitunter in der DWI hyperintens erscheinen. Durch die in kleinen Fall- zahlstudien berichtete Korrelation zwischen in der DWI hyperintensem Randsaum mit der Lokalisation PET-positiver Randbereiche stellt sich die Frage, ob daraus ein Rückschluss auf die Krankheitsaktivität gezogen werden kann [36]. Dies ist aktuell noch Gegenstand klini- scher Forschung. Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) Die Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) vermag es, sowohl das Gallen- gangssystem als auch den Pankreasgang nicht-invasiv darzustellen. Sie visualisiert zuver- lässig Kompressionen oder Invasionen des biliären Systems und kann in der präoperativen oder präinterventionellen Planung hilfreich sein [9, 27]. 18
Einleitung 1.6.2 Laborchemische Diagnostik Routine Labordiagnostik In der regulären laborchemischen Diagnostik finden sich bei AE-Patienten meist keine spe- zifischen Veränderungen. Einzig eine Hypergammaglobulinämie sowie eine erhöhte Blut- senkungsgeschwindigkeit werden in Einzelfällen beschrieben [9]. Serologische Diagnostik Sofern sich anamnestisch, klinisch und in den bildgebenden Verfahren Hinweise auf eine AE ergeben, sollte eine serologische Diagnostik mittels Antikörperbestimmung erfolgen [36]. Mittels Enzyme-linked immunoabsorbent assay (ELISA) wird nach bestimmten gerei- nigten Antigenen (Em2, Em18, Em-alkaline phosphatase, C-antigen) oder nach rekombi- nanten Antigenen (EmII/3-10, Em10, Em13) gesucht [9, 27]. Sowohl Sensitivität (90 – 100 %) als auch Spezifität (95 – 100 %) werden für diese Antigene als hoch eingestuft [8]. Insbesondere Em2 und das rekombinante Antigen Em2Plus (bestehend aus Em2 und EmII/3-10) werden als wichtigste serologische Marker angesehen [9, 27]. Eine positive Se- rologie kann sowohl bei klinisch manifester AE, bei einer latenten AE-Infektion ohne klini- sche Beschwerdesymptomatik, bei kalzifizierten, bereits abgestorbenen AE-Läsionen sowie bei Patienten ohne bildmorphologisch nachgewiesene Läsionen auftreten [60]. Histologische, immunhistologische und PCR-Diagnostik Durch Entnahme von Stanzzylindern oder intraoperativ gewonnenem Material aus vermu- teten AE-Herden kann eine histologische Sicherung angestrebt werden, um die definitive Diagnose einer AE zu stellen [9]. Histopathologisch imponieren die parasitären Vesikel mit einer in der PAS-Färbung (Periodsäure-Schiff Reaktion) positiven Berandung [8]. Den Para- siten umgebend finden sich Epithelzellen, Fibroblasten, Myofibroblasten, Makrophagen, Lymphozyten und andere an der Immunabwehr beteiligten Zellen [8]. Mittels Immunhisto- logie kann unter Hinzunahme des monoklonalen Antikörpers Em2G11 mit hoher Spezifität und Sensitivität eine AE-Infektion nachgewiesen werden [4]. Em2G11 bindet an das Anti- gen Em2, welches sich in der Laminatschicht der Metacestode von E. multilocularis befin- det. Eine positive Anreicherung findet sich bereits bei sehr kleinen Probenmengen einer AE-Läsion und kann, sofern die Probe in Formalin fixiert wurde, auch nach vielen Jahren 19
Einleitung noch nachgewiesen werden. Dabei ist die Anreicherung AE-spezifisch, im Falle einer zysti- schen Echinokokkose bleibt eine positive Reaktion aus [4]. Zusätzlich ist der monoklonale Antikörper Em2G11 in der Lage, sogenannte spems (small particles of E. multilocularis) zu erkennen, welche < 1 µm messen und bis zu 1,5 mm von der Hauptläsion entfernt liegen können [4]. Außerdem kann mittels PCR-Analyse die definitive Diagnose einer AE gestellt werden [27]. 1.7 Wichtige Differentialdiagnosen Die Liste der Differentialdiagnosen der AE umfasst aufgrund ihres variablen Erscheinungs- musters zahlreiche Entitäten. Abhängig vom jeweiligen Organbefall werden verschiedene relevante Differentialdiagnosen unterschieden. Für die hepatische Manifestation einer AE kommen wegen der oftmals vorhandenen zystischen Anteile neben einfachen Leberzysten auch eine Hydatidenzyste durch die zystische Echinokokkose sowie hepatische Zystade- nome und Zystadenokarzinome in Betracht. Auch fokale Ausprägungen des Caroli-Syn- droms, einer kongenitalen Dilatation der intrahepatischen Gallengänge, und Leberabszesse diverser Genesen müssen differentialdiagnostisch bedacht werden [9, 32]. Bei vorwiegend soliden Läsionsanteilen umfasst die Differentialdiagnose in erster Linie Cholangiozelluläre Karzinome (CCC) und Hepatozelluläre Karzinome (HCC) [9, 32, 39]. Liegt eine pulmonale AE- Beteiligung vor, stellen pulmonale Filiae, eine Manifestation von Echinococcus granulosus sowie die Granulomatose mit Polyangiitis (vormals als Morbus Wegener bezeichnet) wich- tige Differentialdiagnosen dar [27]. Im Falle einer CAE kommen differentialdiagnostisch di- verse neoplastische (bspw. Oligodendrogliome), infektiöse (bspw. bakterielle Abszesse) und parasitäre (bspw. Toxoplasmose, Neurozystizerkose) Entitäten in Betracht [37]. Findet sich eine knöcherne Manifestation oder Weichteilbeteiligung der AE, beinhaltet die Diffe- rentialdiagnose vorrangig maligne Neoplasien und eine Infektion durch Mycobacterium tu- berculosis [27]. Charakteristisch für die AE sind Kalzifikationen, Mikrovesikel, zystoide Läsi- onen sowie die fehlende zentrale Vaskularisation mit folglicher KM-Aussparung. Diese di- agnostischen Funde stellen wichtige Tools in der Abgrenzung hinsichtlich möglicher Diffe- rentialdiagnosen dar [9]. 20
Einleitung 1.8 PNM-Klassifikation Angelehnt an das von der UICC (The Union for international Cancer Control) und dem AJCC (American Joint Committee On Cancer) entwickelte TNM-System zur Klassifikation malig- ner Erkrankungen, wurde die PNM-Klassifikation zur genaueren Beschreibung der Ausbrei- tung der AE entwickelt. Die vom europäischen Netzwerk für gemeinsame Überwachung der AE (European Network for Concerted Surveillance of Alveolar Echinococcosis) und der informellen Echinokokkus-Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO, WHO Informal Working Group on Echinococcosis (WHO-IWGE)) vorgeschlagene PNM-Klassifika- tion basiert auf drei Grundpfeilern: P Lokalisation und Ausbreitung des parasitären hepatischen Primärtumors N Infiltration von Nachbarorganen (inkl. regionalem Lymphknoten-Befall) M Vorhandensein von Fernmetastasen Nach Klassifikation der drei Grundpfeiler kann anschließend das PNM-Stadium (Stadium I-IV) bestimmt werden. Das PNM-Stadium bezieht sich stets auf den Zeitpunkt der Erstdi- agnose. Die PNM-Klassifikation soll dazu dienen, eine internationale Standardisierung in der Beschreibung der Krankheitsmanifestation der AE zu erreichen. Dadurch soll die Kom- munikation zwischen verschiedenen Behandlern erleichtert und die Koordination von Be- handlungsprotokollen vereinfacht werden [31]. 1.9 Therapie Die Therapie der AE gründet sich im Wesentlichen auf zwei Säulen, der medikamentösen und der operativen Behandlung. Dabei gilt die radikale operative Resektion als einziger po- tentiell kurativer Behandlungsansatz [10, 19, 35, 64]. Die medikamentöse Therapie basiert auf der täglichen oralen Einnahme von Benzimidazolen (meist Albendazol, seltener Me- bendazol), wodurch ein parasitostatischer Effekt im Sinne einer Größenkonstanz oder -regredienz der AE-Läsionen erreicht werden soll. Es gilt jedoch zu beachten, dass Benzim- idazole nicht parasitozid wirken, die Erreger folglich nicht abgetötet werden und kein dau- erhaft kurativer Therapieansatz möglich scheint [9]. In jedem Fall sind regelmäßige klini- sche und bildgebende Verlaufskontrollen indiziert [8, 25]. Zudem sollte eine psychothera- 21
Einleitung peutische Anbindung erwogen werden, da insbesondere die psychische gesundheitsbezo- gene Lebensqualität (Health-Related Quality of Life (HRQoL)) bei Patienten mit AE im Ver- gleich zur gesunden Bevölkerung nachweislich vermindert ist [53]. Operative Therapie Die einzig potentiell kurative Therapie der AE stellt die vollständige chirurgische R0-Resek- tion (siehe Tabelle 1) der infektiösen Herde dar [10, 19, 35, 64]. Die AE-Läsionen sollten in toto reseziert und ein makroskopischer Sicherheitsabstand von 2 cm eingehalten werden, sodass angrenzende okkulte, parasitäre Ausläufer miterfasst werden [8, 10, 25]. Butten- schoen et al. berichteten, dass ein circulärer, makroskopischer Sicherheitsabstand von 17 mm lediglich mit einem mikroskopischen Sicherheitsabstand von 2 mm korreliert [10]. Un- ter Berücksichtigung dieses generellen Operationsprinzips sowie der Lokalisation und loka- len Ausbreitung der AE-Herde, dem Vorhandensein von Fernmetastasen sowie interindivi- dueller patientenabhängiger (Alter, Komorbiditäten) und behandlerabhängiger Faktoren wird die Resektionsrate in kurativer Intention mit ca. 20 – 40 % angegeben [9, 10]. Im Falle einer erfolgten Resektion wird im Anschluss an die Operation eine adjuvante medikamen- töse Therapie mit Benzimidazolen initiiert, welche mindestens für eine Periode von zwei Jahren, im Falle eines zu geringen Sicherheitsabstandes über einen längeren Zeitraum und mitunter lebenslänglich beibehalten wird [8, 10, 25]. Tabelle 1: Definition des Resektionsstatus nach operativer Therapie eines durch E. multilocularis verursach- ten parasitären Herdes [18]. R-KLASSIFIKATION DEFINITION R0 Komplette Resektion des parasitären Herds im Gesunden Makroskopisch komplette Resektion mit jedoch mikroskopisch nach- R1 weisbarem parasitärem Restgewebe in den Resektionsrändern Makroskopisch nachweisbares parasitäres Restgewebe in den Resek- R2 tionsrändern 22
Einleitung Bei symptomatischen Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung oder rezidivierenden, schwersten Cholangitiden durch inoperablen hepatischen AE-Befall muss als ultima ratio die Lebertransplantation erwogen werden [9]. Voraussetzung zur Transplantationslistung ist, dass die parasitäre Infiltration lediglich auf die Leber begrenzt ist und kein extrahepati- sches Wachstum vorliegt [8, 28]. Als neuartiges operatives Verfahren kommt bei Patienten mit weit fortgeschrittenen oder Endstadien der AE, welche nicht konventionell kurativ re- seziert werden können, auch eine ex vivo Leberresektion mit anschließender autologer Le- bertransplantation in Frage [62, 64]. Grundvoraussetzung dieses chirurgischen Verfahrens ist ein postoperativ verbleibendes Lebervolumen von mindestens 40 % an funktionsfähi- gem Leberparenchym [64]. Im Vergleich zur allogenen Lebertransplantation wird bei der Autotransplantation weder ein Fremdspenderorgan noch eine postoperative Immunsupp- ression benötigt [62]. Im Vorfeld einer Lebertransplantation kommt in der Regel die neo- adjuvante medikamentöse Therapie mit Benzimidazolen zum Einsatz [8]. Medikamentöse Therapie Da ca. zwei Drittel der Echinokokkosebefunde bei Erstdiagnose zu weit fortgeschritten sind und als primär inoperabel eingestuft werden, unterstreicht dies die Notwendigkeit einer frühzeitigen, zuverlässigen Diagnosestellung. Therapeutisch muss im Falle einer Irresekta- bilität auf eine langfristige, konservativ-medikamentöse Therapie mit Benzimidazolen zu- rückgegriffen werden [8, 35]. Zwei Wirkstoffe aus der Gruppe der Benzimidazole werden in der medikamentösen Therapie der AE angewandt. Albendazol (ABZ) wird kontinuierlich zwei Mal täglich oral eingenommen. Die empfohlene tägliche Gesamtdosis für ABZ wird dem Körpergewicht angepasst und beträgt 10 – 15 mg/kgKG. Eine mögliche Alternative, beispielsweise bei schlechter Verträglichkeit von ABZ, stellt Mebendazol (MBZ) dar, wel- ches kontinuierlich drei Mal täglich oral eingenommen wird. Die empfohlene tägliche Ge- samtdosis für MBZ wird dem Körpergewicht angepasst und beträgt 40 – 50 mg/kgKG. Beide Medikamente sollten zusammen mit fetthaltigen Nahrungsmitteln eingenommen werden, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen [8]. Falls ein Ansprechen auf die anthelmintische Therapie gezeigt werden kann und zum aktu- ellen Zeitpunkt keine metabolische Aktivität im 18FDG-PET vorliegt, kann ein Ausschleichen und möglicherweise ein Absetzen der medikamentösen Therapie versucht werden. Jedoch weist ein Teil der Patienten unter pausierter Therapie eine Befundprogredienz auf, sodass 23
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