Krebs - was ist das? Hirntumoren - Deutsche Kinderkrebsstiftung

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Krebs - was ist das? Hirntumoren - Deutsche Kinderkrebsstiftung
Krebs –
was ist das?
               Hirntumoren   Informationen für Patienten und Eltern
Krebs - was ist das? Hirntumoren - Deutsche Kinderkrebsstiftung
Impressum

Erstellt von Stephan Tippelt, Ruth Mikasch, Gudrun Fleischhack,
Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinderheilkunde III,
Beate Timmermann, Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen (WPE), Universitätsklinikum Essen
unter Berücksichtigung der bisherigen Vorlagen der Deutschen Kinderkrebsstiftung.

Redaktion: Klaus Riddering

Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten, insbesondere das Recht des
Nachdruckes in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags,
der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Gestaltung: www.amedes.de
Illustrationen: Jan Buckard
Druck: medienHaus PLUMP, Rheinbreitbach
1. Auflage 2014 (2.000)

Besonderer Dank gilt der Bohne Junius-Stiftung in Duisburg für die finanzielle
Unterstützung bei der Herstellung dieser Informationsschrift.

                                    Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie
Deutsche Kinderkrebsstiftung        und Hämatologie (KPOH)
Adenauerallee 134 | 53113 Bonn      Charité - Universitätsmedizin Berlin
Tel. 02 28.6 88 46-0                Augustenburger Platz 1
Fax 02 28.6 88 46-44                13353 Berlin
info@kinderkrebsstiftung.de         www.kinderkrebsinfo.de
www.kinderkrebsstiftung.de          info@kinderkrebsinfo.de
Krebs - was ist das? Hirntumoren - Deutsche Kinderkrebsstiftung
Liebe Eltern!

Bei Ihrem Kind wurde ein Tumor im zentralen Nervensystem (ZNS-Tumor) festgestellt. Zu
diesen Tumoren zählt man die Tumoren, die im Gehirn oder Rückenmark entstehen (primäre
ZNS-Tumoren).

Diese Nachricht traf Sie sicher unerwartet und wirft bei Ihnen bestimmt viele Fragen auf.
Diese Broschüre soll Ihnen helfen, sich in dem für Sie zunächst verwirrend erscheinenden
medizinischen Wortschatz zurechtzufinden. Es werden Ihnen hier die einzelnen Tumorarten
des ZNS und ihre Behandlung laienverständlich vorgestellt. Machen Sie sich in aller Ruhe
mit den für Sie relevanten Informationen vertraut und besprechen Sie diese mit den behan-
delnden Ärzten und / oder dem Pflegepersonal.

Die hier wiedergegebenen medizinischen Informationen finden Sie auch als Patienten-
Kurzinformationen auf der Internetseite www.kinderkrebsinfo.de, dem Informationsportal
der Fachgesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (GPOH). Dort können Sie
sich außerdem noch ausführlicher informieren, wenn Sie weitere Details wissen möchten.

           Gut zu wissen

  Das Wort Tumor stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Schwellung
  oder Geschwulst. Damit ist noch nichts über die Eigenschaften der
  Schwellung gesagt. Es ist einfach die Beschreibung für eine feste
  (solide), örtlich umschriebene Zunahme von körpereigenem, reifem
  (differenziert), unreifem (primitiv; undifferenziert) oder embryonalem,
  also noch völlig ursprünglichem Gewebe.
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Krebs – was ist das?

    Inhalt
    Informationen für Eltern............................................................................ 3

    Krankheitsbild ZNS-Tumoren..................................................................... 6
       Funktion und Aufbau des Zentralnervensystems ................................. 6
       Was sind ZNS-Tumoren und warum entstehen sie? ............................. 8
       Was sind Warnsignale / welche Symptome machen diese Tumoren? ... 9
       Welche Untersuchungen sind notwendig? ............................................. 9
       Klinische Untersuchung.......................................................................... 10
       MRT / CT ................................................................................................. 10
       Lumbalpunktion ................................................................................ 11
       Weitere Untersuchungen................................................................... 11

    Tumorarten.............................................................................................. 12
       Wie werden ZNS-Tumoren eingeteilt?............................................... 12
         Gliome (Astrozytom, Ponsgliom, Optikusgliome, Glioblastom) ..... 15
         Medulloblastom / PNET ................................................................ 15
4
         Ependymome................................................................................. 17
         Atypischer Teratoider Rhabdoidtumor (AT/RT) .............................. 17
         Tumoren der Hypophysen-Region (Kraniopharyngeom, Keimzelltumor) 18
         Neurinome .................................................................................... 19
         Plexuskarzinom / Plexuspapillom ................................................... 19

    Die Behandlung / Therapie....................................................................... 20
        Operation / Biopsie........................................................................... 21
        Chemotherapie ................................................................................. 22
        Zentraler Venenkatheter ................................................................... 24
        Strahlentherapie (Radiotherapie) ...................................................... 26
          Was merkt mein Kind von der Bestrahlung? .................................. 26
          Was sind die möglichen Nebenwirkungen einer Bestrahlung? ....... 27
          Welche Art der Strahlentherapie ist die richtige? ........................... 27
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Inhaltsverzeichnis

Der Alltag neben dem Krankenhaus......................................................... 30
    Empfehlungen für zu Hause .............................................................. 30
    Normalität für eine Weile ein Fremdwort ......................................... 31
    Rehabilitation ................................................................................... 31
    Nachsorge ......................................................................................... 32
    Was, wenn es nicht (so) gut läuft? .................................................... 32

Anhang .................................................................................................... 34
   Literaturempfehlungen ..................................................................... 34
   Einige wichtige Adressen .................................................................. 36
   Studienzentralen ............................................................................... 36
   Erklärung einiger Begriffe.................................................................. 40

Informationen für Patienten .................................................................... 58
                                                                                                                                        5
Hallo! ...................................................................................................... 59
Was ist überhaupt ein Tumor? ................................................................. 60
Wie entsteht ein Tumor? ......................................................................... 61
Warum macht ein Tumor krank? .............................................................. 63
Woher kommt ein bösartiger Tumor? ...................................................... 64
Wie wird ein Tumor behandelt? .............................................................. 65
Wie geht’s weiter?................................................................................... 70
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Krankheitsbild ZNS-Tumoren

    Funktion und Aufbau des                          Steuerung von Herz, Kreislauf, Atmung, Temperatur
    Zentralnervensystems                             und der Hormonproduktion.

Das Zentralnervensystem, kurz auch ZNS genannt,      Das Gehirn ist von dem knöchernen Schädel und
besteht aus dem Gehirn, dem Rückenmark und dem       das Rückenmark von den knöchernen Wirbelbögen
Nervenwasser. Das Gehirn ist ein hocheffizientes     umgeben, um vor Verletzungen geschützt zu sein.
und spezialisiertes Organ, das in unserem Körper     Zwischen Schädelknochen und Gehirn bzw. Wirbel-
die Steuerung vieler Vorgänge oder Prozesse über-    körpern und Rückenmark befinden sich die Hirn- bzw.
nimmt. Neben vielen weiteren Funktionen besteht      Rückenmarkshäute Das Nervenwasser umgibt unser
die Aufgabe des Gehirns darin, wichtige Körper-      Gehirn und das gesamte Rückenmark wie ein Flüs-
funktionen zu steuern. Dazu gehören die Wahrneh-     sigkeitspolster und bietet dadurch einen zusätzlichen
mung und das Verarbeiten von Sinnesreizen (wie       Schutz. Auch im Inneren des Gehirns befinden sich
z.B. Sehen), die Koordination von Bewegungen, das    Nervenwasserräume, die in ihrer Gesamtheit als Hirn-
Gedächtnis und die Lernfähigkeit, das Verstehen      kammer- oder Ventrikelsystem bezeichnet werden.
und Wiedergeben von Sprache, der Ausdruck von
Gefühlen, die Persönlichkeitsentwicklung sowie die
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Krankheitsbild ZNS-Tumoren

        Im Focus

Gliederung des Gehirns in seine Hauptabschnitte (von der Seite)

                                                                   6 Großhirn
4 Zwischenhirn                                                     (Telencephalon)
(Diencephalon)

 Vorn                                                                               Hinten

                                                                           3 Mittelhirn              7
                                                                           (Mesencephalon)

                                                                     5 Kleinhirn
                                                                     (Cerebellum)

                                                                  1 Verlängertes Mark
                                                                  (Medulla oblongata)
 2 Brücke (Pons)
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Krebs – was ist das?

    Das Gehirn kann im Wesentlichen in das Großhirn,              Was sind ZNS-Tumoren und
    das Zwischenhirn, das Kleinhirn und den Hirnstamm             warum entstehen sie?
    aufgeteilt werden. Diese einzelnen Teile sind für
    bestimmte Aufgaben zuständig. Das Kleinhirn ist           ZNS-Tumoren sind die größte Gruppe der soliden (= fes-
    vor allem für die Koordination der Bewegungsabläufe       ten, zunächst örtlich begrenzten) Tumoren im Kindes-
    und das Gleichgewicht zuständig. Der Hirnstamm            und Jugendalter. Sie können gutartig oder bösartig
    kontrolliert und reguliert die lebenswichtigen Funk-      sein. Sie gehören zu den Krebserkrankungen des zen-
    tionen der Atmung, des Kreislaufs und den Blut-           tralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) und
    druck. Ein Teil des Zwischenhirns (Hypothalamus)          können von unterschiedlichen Zellen des Gehirns, wie
    übernimmt in Wechselwirkung mit der Hirnanhangs-          z.B. Glia-Zellen (Astrozyten und Oligodendrozyten)
    drüse (Hypophyse) die zentrale Steuerung des Hor-         oder Ependymzellen ausgehen. Der Tumor wird am
    monhaushaltes. Das Großhirn kann in verschiedene          Ort des Entstehens als Primärtumor (=Ursprungstumor)
    Regionen mit ihren spezifischen Aufgaben unterteilt       bezeichnet, bei ZNS-Tumoren ist dieser Primärtumor
    werden. So übernimmt zum Beispiel das Stirnhirn           meist im Kopf (=intrakraniell) und selten im Rücken-
    (Frontallappen) die Koordination von Bewegung und         mark (=spinaler Tumor). Eventuelle Absiedlungen dieses
    Sprache, der Schläfenlappen (Temporallappen) ist          Tumors an anderen Stellen des Gehirns und des Rücken-
    wichtig für unsere Emotionen, Gefühle und unsere          markes nennt man Metastasen.
8
    Gedächtnisleistung, im Scheitellappen (Parietallap-
    pen) werden Sprache und viele abstrakte Denkvor-          Für die Entstehung von ZNS-Tumoren gibt es trotz
    gänge wie mathematische Überlegungen verarbeitet          großer wissenschaftlicher Anstrengungen nur wenige
    und im Hinterhauptlappen (Okzipitallappen) sitzt          gesicherte Risikofaktoren wie ionisierende Strahlung,
    unser Sehzentrum, das alle mit den Augen aufgenom-        lang anhaltende Immunschwäche und selten eine
    menen Bilder verarbeitet.                                 genetische Veranlagung. Ein ursächlicher Zusammen-
                                                              hang mit Stress, bestimmten Viruserkrankungen oder
    Oft wird das Gehirn auch in eine weiße und in eine        elektromagnetischen Feldern konnte bisher nicht
    graue Substanz aufgeteilt. In der grauen Substanz lie-    sicher bewiesen werden.
    gen zum größten Teil Nervenzellen, aber auch Stütz-
    zellen (=Glia) und Mikrogliazellen. Die weiße Substanz    Da die wenigsten Kinder den oben genannten Risiko-
    besteht hauptsächlich aus den Fortsätzen der Nerven-      faktoren ausgesetzt waren oder an einer der genannten
    zellen, welche die einzelnen Gebiete miteinander ver-     Erkrankungen leiden, bleibt die Ursache für die Ent-
    schalten und deren Kommunikation ermöglichen. Zur         stehung des ZNS-Tumors Ihres Kindes zumeist unklar.
    Versorgung dieser Zellen sind natürlich große Gefäße
    (Arterien) bis hin zu feinen Blutgefäßen (=Kapillaren),
    die das Gehirn durchziehen, lebensnotwendig.
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Krankheitsbild ZNS-Tumoren

                                                                                                              9
    Was sind Warnsignale / welche                   schneller Ermüdbarkeit, vermehrtem Schlafbedürfnis
    Symptome machen diese Tumoren?                  sowie Kopfschmerzen äußern. Spezifische Symptome
                                                    werden durch die Lage und Eigenschaften des Tumors
Die Krankengeschichte eines ZNS-Tumors geht oft     im Gehirn oder Rückenmark bestimmt. So kann ein
nur wenige Tage oder Wochen zurück. Selten kommt    Tumor des Kleinhirns zu Gleichgewichtsstörungen
es bei sehr langsam wachsenden Tumoren zu einer     führen, wohingegen ein Tumor des Schläfenlap-
über mehrere Monate oder sogar mehrere Jahre        pens kurzzeitige Gedächtnisverluste auslösen kann.
andauernden Symptomatik.                            Anhand solcher spezifischen Symptome kann der Arzt
                                                    Rückschlüsse auf den möglichen Ort eines Tumors im
Die Symptome können in unspezifische Allgemein-     Zentralnervensystem ziehen.
symptome und spezifische Symptome unterteilt wer-
den. Unspezifische Allgemeinsymptome haben ihren
Ursprung meist in der langsam zunehmenden Druck-        Welche Untersuchungen sind
steigerung im Schädelinneren (intrakraniell) und        notwendig?
können sich in Wesensveränderung, Konzentrations-
störungen, Leistungsknick, fehlendem Appetit und    Als Erstes ist es wichtig, mit Ihnen als Eltern und
Nahrungsverweigerung, Erbrechen, Gewichtsverlust,   Ihrem betroffenen Kind ausführlich zu sprechen.
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Krebs – was ist das?

     Nur so können die Ärzte die spezielle Krankengeschich-    MRT
     te (Anamnese) Ihres Kindes herausfinden und die           Für ein MRT muss Ihr Kind für mindestens 30 Minu-
     richtigen Untersuchungen für eine schnelle Diagnose-      ten, mitunter auch 40 bis 60 Minuten, still auf einer
     findung anordnen. Dafür ist dem Arzt jeder kleine Hin-    sich bewegenden Liege ausharren können. Bei allen
     weis ein wichtiger Puzzlestein, so dass Sie alle Fragen   Kindern, für die das aufgrund des Alters oder ande-
     und vermeintlichen Zusammenhänge nennen sollten.          rer Gründe nicht möglich ist, muss man das MRT in
                                                               Narkose durchführen. In einem MRT wird der Kör-
                                                               per durch wechselnde Magnetfelder dargestellt.
          Klinische Untersuchung                               Diese sind für unseren Körper unbedenklich und
                                                               es entsteht keine Strahlenbelastung für Ihr Kind. In
     Neben der normalen Untersuchung von Herz, Lunge           den MRT-Raum können Sie Ihr Kind, wenn es keine
     und Bauch, die Sie sicher von Ihrem Kinderarzt ken-       Narkose bekommt, begleiten und so zu seiner Beru-
     nen, gehört zu einer Untersuchung bei Verdacht auf        higung beitragen. Dort dürfen Sie aufgrund der dort
     einen ZNS-Tumor eine neurologische Untersuchung.          vorhandenen starken Magnetfelder keine Magnet-
     Hierbei versucht der Arzt die Funktionen der ein-         karten (z.B. auch nicht Kreditkarten) und vor allem
     zelnen Teile des ZNS (siehe oben) durch spezifische       keine Metallgegenstände mitnehmen (z.B. Metall-
     Untersuchungen zu überprüfen. Um die Funktionen           schmuck, Metallgürtel, Metallknöpfe an Kleidung).
10
     des Sehens und Hörens ausreichend einschätzen zu          Machen Sie die Untersucher gegebenenfalls auch
     können, müssen diese Untersuchungen durch den             auf im Körper befindliche metallische Implanta-
     jeweiligen Spezialisten wie Augenarzt und HNO-            te (z.B. Zahnspangen, Implantate nach OP, Shunts,
     Arzt durchgeführt werden.                                 Piercing etc.) aufmerksam.

                                                               CT
          MRT / CT                                             Ein CT funktioniert wie ein Röntgen-Bild mit Rönt-
                                                               gen-Strahlen. Dies hat den Vorteil, dass die Unter-
     Besteht durch die Krankengeschichte (Anamnese)            suchung fast überall und zu jeder Zeit verfügbar ist
     und die neurologische Untersuchung der Verdacht           und die Durchführung auch nur einen Bruchteil der
     auf einen ZNS-Tumor oder kann dieser z.B. im Rah-         Zeit eines MRT benötigt. Jedoch ist Ihr Kind einer
     men der Abklärung von wiederkehrenden, heftigen           gewissen Strahlenbelastung ausgesetzt und die
     Kopfschmerzen oder Übelkeit und Erbrechen nicht           Bildqualität der entstandenen Schnittbilder reicht
     sicher ausgeschlossen werden, muss eine bildgeben-        oft für eine genauere Diagnose des Tumors nicht
     de Untersuchung des Gehirns durchgeführt werden.          aus. Das CT ist mitunter nur eine orientierende
     Hierzu eignet sich eine Magnet-Resonanz-Tomogra-          Untersuchung im Notfall oder bei bestimmten Fra-
     phie (MRT) am besten. Nur in seltenen Fällen bietet       gestellungen wie z.B. zum Nachweis von Verkalkun-
     eine Computer-Tomographie (CT) eine Alternative.          gen im Tumor.
Krankheitsbild ZNS-Tumoren

    Lumbalpunktion                                     genannten regulären Untersuchungen zusätzliche
                                                       Untersuchungen anstehen können. Hierzu gehö-
Eine Nervenwasseruntersuchung (Lumbalpunktion)         ren insbesondere die Überprüfung des Herz-Kreis-
gehört bei fast allen ZNS-Tumoren zu den Erstun-       lauf-Systems (Echokardiografie=Ultraschall vom
tersuchungen. Im Nervenwasser wird nach Tumor-         Herzen, EKG=Ableitung der Herzströme) und der
zellen gesucht, um hierüber eine minimale (im MRT      Nieren- und Leberfunktion (Labor, Urinuntersu-
nicht sichtbare) Ausbreitung des bei Ihrem Kind dia-   chung, Sonografie).
gnostizierten ZNS-Tumors zu erkennen. In wenigen
Fällen kann es auch notwendig sein, so genannte
Tumormarker im Nervenwasser zu bestimmen. Das
                                                                  Im Focus
sind Botenstoffe, die in seltenen Fällen von dem
Tumor produziert und ins Nervenwasser abgegeben
werden.

Die Nervenwasserentnahme wird meistens in einer
kurzen Sedierung (Kurznarkose ohne Beatmung)
oder nach lokaler Betäubung mit einem Schmerz-
                                                                                                                   11
pflaster durchgeführt. Die Punktion erfolgt an der
Lendenwirbelsäule bei dem nach vorn gebeugten
Kind. Die Nervenwasserentnahme wird von den
meisten Kindern gut vertragen. Gelegentlich können
aber danach Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbre-           Lumbalpunktion
chen als Nebenwirkung auftreten.                         Mit einer langen Nadel wird aus dem Nervenwas-
                                                         serkanal im Bereich der Lendenwirbelsäule, dem so
                                                         genannten Spinalkanal, Gehirn-Rückenmark-Flüs-
    Weitere Untersuchungen                               sigkeit (Liquor) entnommen, um diese auf bösartige
                                                         Zellen zu untersuchen. Hier können auch Medika-
Als Standarduntersuchungen erhalten alle Kinder          mente verabreicht werden, die über den Spinalka-
mit einem ZNS-Tumor eine Hirnstromableitung              nal direkt ins Gehirn gelangen sollen (intrathekale
(EEG), eine Untersuchung der Augen, einen Hörtest        Behandlung). Damit die Nadel zwischen die Wirbel
sowie eine Blutuntersuchung auf Hormone. Im Falle        gleiten kann, beugt sich der Patient / die Patientin
einer notwendigen Chemo- und / oder Strahlenthe-         so weit wie möglich vor. Die Einstichstelle wird
rapie werden im Allgemeinen alle Körperfunktio-          zuvor lokal mit einem Schmerzpflaster betäubt.
nen überprüft, so dass bei Ihrem Kind neben den
Tumorarten

    Wie werden ZNS-Tumoren                           dieses Tumors von einem Pathologen untersucht
    eingeteilt?                                      werden. Neben dieser feingeweblichen Untersuchung
                                                     (Histologie) und der Zuordnung des Tumors zu seinem
ZNS-Tumoren kann man nach Ihrem Ursprungsgewe-       Ursprungsgewebe kann man durch zusätzliche spezi-
be in verschiedene Untergruppen unterteilen. Neben   fische Untersuchungen (z.B. die Immunhistochemie
den bekannten Nervenzellen finden wir im Gehirn      oder genetische Untersuchungen) an weitere Infor-
unter anderem insbesondere die Stützzellen (Glia-    mationen über den Tumor gelangen. Diese erlau-
zellen), Blutgefäße, die Hirnkammern auskleidenden   ben mitunter eine Zuordnung zu einer spezifischen
Ependymzellen sowie die Nervenfasern umgebenden      Untergruppe einer Tumorart, was in Zukunft mög-
Schwann-Zellen. Aus all diesen Zellen können ZNS-    licherweise einen zunehmenden Einfluss auf die Art
Tumoren entstehen, wobei sich aus den eigentlichen   der Behandlung haben wird. Die Gewebeprobe wird
Nervenzellen keine Tumoren bilden.                   meistens durch eine offene Operation gewonnen, bei
                                                     der versucht wird, den Tumor vollständig zu entfer-
Um den bei Ihrem Kind festgestellten ZNS-Tumor       nen oder zumindest zu verkleinern. In seltenen Fällen
dem oben genannten Ursprungsgewebe zuordnen          wird die Gewebeprobe durch eine kleine Punktion
zu können, muss ein repräsentatives Gewebestück      (Biopsie) des Tumors gewonnen.
Tumorarten

Alle ZNS-Tumoren werden anhand ihrer Bösartigkeit         Während man bei den WHO-Grad-I- und Grad-II-
/ Aggressivität von der Welt-Gesundheits-Organisa-        Tumoren von so genannten „gutartigen“ Tumoren
tion (WHO) in vier verschiedene Gruppen eingeteilt.       mit meist langsamer Wachstumsgeschwindigkeit
Die Bösartigkeit wird unter anderem definiert durch       spricht, gelten WHO-Grad-III und -IV-Tumoren mit
die Wachstumsgeschwindigkeit, die Wahrscheinlich-         ihrem deutlich schnelleren Wachstum als bösartig
keit zur Bildung von Tochtergeschwülsten und durch        (hoch-maligne).
weitere feingewebliche Eigenschaften des Tumors.

           Im Focus

   Modifizierte WHO-Klassifikation für ZNS-Tumoren nach Louis et al. 2007
   WHO-Gradierung            Beschreibung                                     Beispieltumoren
   von ZNS-Tumoren

   WHO-Grad I                sehr gutartig, bei entsprechender Lokalisation   Pilozytisches Astrozytom, Kraniopha-
                             häufig durch Operation allein behandelbar,       ryngeom, Neurinom, Plexuspapillom,       13
                             langsam wachsend                                 Gangliogliom, Gangliozytom, DNET

   WHO-Grad II               bedingt gutartig, langsam, aber oft in das       Ependymom Grad II, Oligodendro-
                             umgebende Gewebe einwachsend                     gliom, pilomyxoides Astrozytom

   WHO-Grad III              bösartig, unterschiedliche Prognose              anaplastisches Ependymom, anaplasti-
                                                                              sches Astrozytom, Plexuskarzinom

   WHO-Grad IV               sehr bösartig (hoch-maligne), rasches und        Medulloblastom, PNET, Glioblastom,
                             diffuses Tumorwachstum, teilweise schlechte      AT/RT, Pineoblastom
                             Prognose

Zur vollständigen Beschreibung eines ZNS-Tumors           anhand des unten stehenden Schemas durch ein
gehört neben der feingeweblichen Zuordnung zu             „M“ für Metastasen und einer Zahl zwischen 0-4
einer Untergruppe und der WHO-Gradierung auch             für die Lokalisation der Mestastase.
eine Aussage über das Vorhandensein von Tochter-
geschwülsten (Metastasen). Diese Einteilung erfolgt
Krebs – was ist das?

                   Im Focus

        Modifizierte Stadieneinteilung für Medulloblastome nach Chang (Chang et al. 1969)
        Angelehnt an die Originalklassifikation heute für alle primären ZNS Tumoren anwendbar.

        Stadium                             Definition der Metastasierung

        M0                                  Kein Hinweis auf Metastasen im ZNS und gesamten Körper

        M1                                  Mikroskopischer Tumorzellnachweis im Nervenwasser (Liquor)

        M2                                  Im MRT sichtbare Metastasen im Bereich des Groß- bzw. Kleinhirns und / oder in den
                                            inneren und äußeren Nervenwasserräumen des Kopfes (Seitenventrikeln oder im III.
                                            Ventrikel)

        M3                                  Im MRT sichtbare Metastasen im Rückenmark und / oder in den umgebenden
                                            Nervenwasserräumen

        M4                                  Fernmetastasen außerhalb des ZNS
14

                                          Pinealistumoren                       AT/RT                    Häufigkeitsverteilung
                                                          3%                    2%                          der ZNS-Tumoren
                            Tumoren des Plexus
                                               3%                                         Meningeale Tumoren
                                                                                          1%
          Tumoren der Sellaregion
          / Keimzelltumoren
          10%

     10%                                                                                                                            35%
     Ependymale                                                                                                    Astrozytäre Tumoren
                                                                                                                              (WHO °I & °II)
     Tumoren

              18%                                                                                                  18%
              Medulloblastome /                                                                     Astrozytäre Tumoren
              PNET                                                                                         (WHO °III & °IV)
Tumorarten

    Gliome (Astrozytom, Ponsgliom,                      (WHO-Grad III und IV) zusätzlich mit einer Strahlen-
    Optikusgliome, Glioblastom)                         und / oder Chemotherapie behandelt werden. Je nach
    Einteilung s. Kasten Seite 16                       Lage und Ausdehnung kann nicht immer der gesamte
                                                        Tumor entfernt werden, ohne schwerwiegende Fol-
Gliome, die bei Kindern und Jugendlichen mit ca. 50     geschäden oder Nebenwirkungen hervorzurufen. Bei
bis 60% die größte Gruppe aller ZNS-Tumoren aus-        niedriggradigen Gliomen (WHO-Grad I und II) wird
machen, stammen von den glialen Stützzellen (Astro-     deshalb ein verbliebener Tumorrest z.T. über Jahre
zyten oder Oligodendrozyten) ab. Der häufigste gut-     und mitunter Jahrzehnte als stabiler Restbefund nur
artige ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter, das      beobachtet, so lange keine neuen neurologischen
pilozytische Astrozytom vom WHO-Grad I, geht zum        Symptome auftreten oder diese durch ein erneutes
Beispiel aus Astrozyten hervor. Aus dem gleichen        Tumorwachstum drohen.
Ursprungsgewebe stammt auch das Glioblastom vom
WHO-Grad IV (Glioblastoma multiforme), hier han-
delt es sich aber um eine sehr bösartige Variante mit       Medulloblastom / PNET
schlechter Prognose. Neben diesen beiden Tumoren
gibt es noch weitere Astrozytome (siehe Tabelle Seite   Das Medulloblastom und der so genannte PNET
16) mit einer mittleren „Bösartigkeit“ (WHO-Grad        (Primitiv NeuroEktodermaler Tumor) stammen ver-
                                                                                                                     15
II und III), deren Prognose von ihrer Lage und ihrem    mutlich von ähnlichen unreifen Vorläuferzellen des
klinischen Verlauf abhängig ist. Insbesondere können    Gehirns ab, werden aber abhängig von Ihrer Lage
diese Tumoren unter einer Therapie ihre Eigenschaf-     im Gehirn unterschiedlich genannt. Findet man die-
ten ändern und sich dadurch, in seltenen Fällen, zu     se Tumorzellen im Großhirnbereich (supratentoriell),
einer bösartigeren Variante entwickeln.                 spricht man von einem PNET, ist der Tumor jedoch
                                                        im Kleinhirnbereich (infratentoriell) lokalisiert, wird er
Aus den Oligodendrozyten kann sich das so genann-       als Medulloblastom bezeichnet. Medulloblastome und
te Oligodendrogliom entwickeln. Es wird zu den          PNET machen etwa 20 bis 25% aller ZNS-Tumoren aus.
gutartigen WHO-Grad-II-Tumoren gezählt und hat,
wenn es sich operativ gut entfernen lässt, eine gute    Beide Varianten werden zu den aggressiven WHO-
Prognose. Die Therapie hängt bei den Gliomen im         Grad-IV-Tumoren gezählt und kommen hauptsäch-
Wesentlichen davon ab, zu welcher Untergruppe der       lich im Kindes- und Jugendalter vor. Die Progno-
jeweilige Tumor gehört und welchen WHO-Grad er          se eines Patienten mit Medulloblastom oder PNET
hat. Während bei niedriggradigen Gliomen (WHO-          hängt stark von der Operabilität des Tumors, dem
Grad-I und II) die möglichst vollständige neurochir-    Vorhandensein von Tochtergeschwülsten (Metas-
urgische Tumorentfernung eine ausreichende Thera-       tasen) und dem Ansprechen der Erkrankung auf die
pie sein kann, müssen Tumoren höherer Aggressivität     immer notwendige Chemotherapie ab.
Krebs – was ist das?

                   Im Focus

        Histologische Einteilung der astrozytären Tumoren
        WHO-Grad              Histologie

        I                     • Pilozytisches Astrozytom
                              • Subependymales Riesenzellastrozytom
                              • Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
                              • Desmoplastisches infantiles Gangliogliom / Astrozytom
                              • Rosettenbildender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels
                              • Angiozentrisches Gliom

        II                    • Pilomyxoides Astrozytom
                              • Pleomorphes Xanthoastrozytom
                              • Oligodendrogliom
16                            • Oligoastrozytom
                              • Astrozytom
                               - Fibrilläres Astrozytom
                               - Protoplasmatisches Astrozytom
                               - Gemistozytisches Astrozytom

        III                   • anaplastisches Astrozytom
                              • anaplastisches Oligodendrogliom
                              • anaplastisch gemischtes Gliom / anaplastisches Oligoastrozytom
                              • anaplastisches pilozytisches Astrozytom
                              • anaplastisches Gangliogliom
                              • anaplastisches pleomorphes Xanthoastrozytom

        IV                    • multiformes Glioblastom
                              • großzelliges Glioblastom
                              • Gliosarkom
Tumorarten

Die Behandlung beinhaltet meist eine Kombination aus       die in Deutschland einheitlich sind und von der
Operation, Strahlen- und Chemotherapie und richtet         Studienzentrale ständig weiterentwickelt und aktu-
sich nach dem Alter des Kindes, dem Vorhandensein          alisiert werden. Die Prognose hängt vom Erkran-
von Metastasen und dem Resektionsgrad (d.h. wieviel        kungsalter, von der Operabilität des Tumors (kann
bei der Operation von dem Tumor komplett oder teil-        der Tumor komplett entfernt werden, ohne zu große
weise entfernt werden konnte). Für jede Gruppe gibt        Schäden zu riskieren) und dem Vorhandensein von
es abgestimmte Behandlungspläne, sogenannte The-           Metastasen ab.
rapieprotokolle, die die z.Zt. optimale Therapie für Ihr
Kind vorschlagen. Diese Protokolle werden von den
Spezialisten in den Studienzentralen der jeweiligen            Atypischer Teratoider
Erkrankung entwickelt und immer wieder aktualisiert.           Rhabdoidtumor (AT/RT)

                                                           Der Atypische Teratoide Rhabdoidtumor (AT/RT)
    Ependymome                                             gehört zu einer Gruppe von seltenen aggressi-
                                                           ven Tumoren (WHO-Grad IV), die an verschiedenen
Ependymome, die 6 bis 10% aller ZNS-Tumoren im             Orten im Körper entstehen können. Entsteht die-
Kindes- und Jugendalter ausmachen, stammen von             ser Tumor im zentralen Nervensystem (ZNS, Gehirn
                                                                                                                     17
den Ependymzellen ab, welche die Hirnkammern von           oder Rückenmark), bezeichnet man ihn als AT/RT. In
Innen auskleiden. In den meisten Fällen handelt es         Deutschland erkranken nur ca. 15 bis 22 Kinder pro
sich um WHO-Grad-III-Tumoren (seltener WHO-                Jahr an diesem seltenen ZNS-Tumor. Weil er ein sehr
Grad II), die sich auf Grund ihres Ursprungs und ihrer     schnell wachsender Tumor ist, bestehen oft schon bei
Lage typischerweise nicht im Gehirngewebe, sondern         Diagnosestellung Tochtergeschwülste (Metastasen).
innerhalb der Nervenwasserräume (Liquorräume),             Zum Behandlungskonzept des AT/RT gehört in erster
d.h. den Hirnkammern bzw. dem Rückenmarkskanal,            Linie eine systemische (über die Vene) und intrathe-
ausbreiten.                                                kale (in das Nervenwasser gegebene) Chemothera-
                                                           pie. Neben der Chemotherapie spielt die Strahlen-
Zur erfolgreichen Therapie des Ependymoms wer-             therapie zur Unterstützung des Therapieerfolges eine
den, neben einer Operation zur möglichst vollstän-         wichtige Rolle.
digen Tumorentfernung, häufig die Strahlenthera-
pie und, je nach Grad der Bösartigkeit des Tumors,         Die Prognose ist sehr von der Möglichkeit einer kom-
teilweise auch die Chemotherapie als wichtige              pletten Tumorentfernung und den bei Diagnose vor-
Behandlungsmethoden eingesetzt. Auch bei den               handenen Tochtergeschwülsten abhängig. Da jedoch
Ependymomen gibt es für Ihr Kind abgestimmte               häufig keine komplette chirurgische Entfernung erreicht
Behandlungspläne, so genannte Therapieprotokolle,          werden kann und Tochtergeschwülste bestehen, ist die
                                                           Langzeitprognose leider noch unbefriedigend.
Krebs – was ist das?

          Tumoren der Hypophysen-                            schieden werden sollte. Häufig ist eine Totalentfer-
          Region (Kraniopharyngeom,                          nung des Tumors nicht möglich, weil sonst schwere
          Keimzelltumor)                                     Schäden an den benachbarten Gehirnteilen entste-
                                                             hen, die neben einer lebenslangen Einnahme von
     Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) steuert die            Hormonen zu allen zuvor genannten Symptomen füh-
     Funktion und Aktivität der meisten Hormondrüsen         ren können. Alternativ oder zusätzlich zur Operation
     in unserem Körper. Es wird dabei vom Zwischen-          kann eine Bestrahlung eventueller Rest- oder Rezidiv-
     hirn (Hypothalamus) überwacht. Wenn Tumoren der         tumoren angeraten sein. Im Einzelfall wird auch eine
     Hypophysenregion die Funktion der Hirnanhangsdrü-       lokale Chemotherapie durchgeführt. Die Prognose
     se oder des Zwischenhirns beeinträchtigen, kann der     ist aufgrund der Gutartigkeit dieses Tumors sehr gut.
     Hormonhaushalt (verantwortlich z.B. für Wachstum,       Dennoch können diese Tumoren durch die genannten
     Gewichtsregulation, Pubertätsentwicklung, Flüssig-      tumor- oder therapiebedingt ausgelösten Komplika-
     keitshaushalt und Reaktion auf Stress) beeinträch-      tionen oder Ausfälle zu erheblichen Beeinträchtigun-
     tigt sein. Häufig bestehen die ersten Beschwerden       gen der Lebensqualität führen.
     der Patienten in Ausfallerscheinungen einzelner oder
     mehrerer der dort produzierten Hormone. Durch die       Keimzelltumoren
     Nähe dieser Tumoren zum Mittelhirn können sie bei       Generell werden drei Gruppen von Keimzelltumoren
18
     Druck auf das Mittelhirn zu Schlaf-, Temperaturregu-    des ZNS unterschieden. Mit etwa 60% am häufigs-
     lations- und Verhaltensstörungen sowie zu Störungen     ten sind Germinome. Die zweite Gruppe bilden die
     der Konzentrationsfähigkeit und des Essverhaltens       nichtgerminomatösen Keimzelltumoren, zu denen
     führen. Die Nähe zum Sehnerv kann Sehbeeinträchti-      das Embryonalzellkarzinom, der Dottersacktumor und
     gungen bis hin zum Sehverlust verursachen.              das Chorionkarzinom gehören. Die dritte Gruppe bil-
                                                             den die Teratome. Zur Diagnose der Keimzelltumoren
     Kraniopharyngeom                                        müssen neben den üblichen Verfahren, wie MRT und
     Das Kraniopharyngeom ist ein gutartiger Tumor, der      Biopsie, auch Tumormarker im Blut und Hirnwasser
     durch eine Fehlbildung von Restgewebe im Bereich der    bestimmt werden. Hierüber kann eine Einteilung in
     Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) entsteht. Die Fehlbil-     die unterschiedlichen Untergruppen und z.T. auch eine
     dung entsteht schon vor der Geburt (embryonal). Die     Prognoseeinschätzung erfolgen.
     Gründe für diese Störung sind bislang nicht bekannt.
                                                             Die Therapie der Germinome und Nicht-Germinome
     Die Behandlung besteht meist aus einer Operation,       besteht, je nach Tumorart, aus einer Kombination
     dessen Ausmaß unter dem Wissen möglicher Kompli-        von Operation (Biopsie), Chemotherapie und / oder
     kationen im interdisziplinären Team aus Neurochirurg,   Strahlentherapie. In manchen Fällen kann bei MRT
     Kinder-Endokrinologen und -Onkologen genau ent-         mit typischer Lokalisation des Tumors und erhöhten
Tumorarten

Tumormarkern auf eine Gewebeentnahme verzichtet          Die Therapie besteht in einer möglichst vollstän-
werden. Die Prognose der Germinome ist auch bei          digen operativen Entfernung des Neurinoms ohne
Metastasierung sehr gut, bei den Nicht-Germinomen        Verletzung des betroffenen Nervs. Beeinträchtigt
gut, jedoch bei bestimmten Risikofaktoren (Resttu-       der Tumor die Funktion des umliegenden Gewebes
mor nach Therapie, Tumormarker sehr hoch) etwas          nicht (z.B. Nerven, Muskeln oder Gelenke), kann die-
schlechter.                                              ser gutartige Tumor aber auch zunächst ohne Thera-
                                                         pie beobachtet werden. Das Neurinom hat eine sehr
Teratome sind primär gutartige Tumoren, die bei voll-    gute Prognose, kann jedoch an gleicher oder anderer
ständiger operativer Entfernung eine sehr gute Prog-     Stelle erneut auftreten. Hierzu neigen besonders Kin-
nose haben. Ist eine operative Entfernung nicht mög-     der mit einer genetisch bedingten Veranlagung für
lich, ist eine Bestrahlung zu erwägen.                   solche Tumoren, zum Beispiel Kinder mit einer Neu-
                                                         rofibromatose vom Typ 1 oder Typ 2.
Sonstige seltene Tumoren der Hypophysenregion
Selten gibt es in dem Bereich der Hypophysenregion
oder darüber (=suprasellär) auch pilozytische Astrozy-       Plexuskarzinom / Plexuspapillom
tome (WHO-Grad I) oder andere niedriggradige Glio-
me (WHO-Grad I oder II). Die Prognose und Therapie       Das Plexuskarzinom ist ein seltener bösartiger
                                                                                                                 19
sind entsprechend der jeweiligen Tumorart und Tumor-     ZNS-Tumor, der nach der WHO-Klassifikation dem
ausdehnung unterschiedlich.                              WHO-Grad III zugeteilt wird. Er entsteht aus dem
                                                         Adergeflecht der Hirnkammern (Plexus choroideus),
                                                         wobei überwiegend Kinder im ersten Lebensjahr,
    Neurinome                                            aber auch selten Jugendliche betroffen sind. Häu-
                                                         fig handelt es sich um isoliert auftretende Fälle,
Neurinome sind seltene, gutartige Tumoren. Sie ent-      bei denen kein Zusammenhang mit einer erblichen
wickeln sich aus den Hüllzellen (Schwann-Zellen),        Erkrankung erkennbar ist. Beim Li-Fraumeni-Syndrom,
die die Nerven umgeben. Neurinome können im              einem Syndrom mit einer genetischen Veranlagung
Gehirn auftreten, sind jedoch viel häufiger außerhalb    zur Entwicklung von Tumoren im frühen Lebensal-
des zentralen Nervensystems entlang verschiedener        ter, treten Plexuskarzinome gehäuft auf. Die Therapie
Nerven zu finden. Einer der häufigsten Nerven, der       des Plexuskarzinoms besteht in einer Kombination
durch ein Neurinom beeinträchtigt wird, ist der achte    aus Operation und Chemotherapie und altersabhän-
Hirnnerv (Nervus akustikus), der für den Gehör- und      gig auch aus einer Strahlentherapie. Ein gutartiger
Gleichgewichtssinn verantwortlich ist. Der Tumor         Tumor des Adergeflechtes wird als Plexuspapillom
wird entsprechend Akustikusneurinom genannt.             bezeichnet. Er kann durch eine komplette operative
                                                         Entfernung geheilt werden.
Die Behandlung / Therapie

Die Behandlung aller Krebserkrankungen im Kin-       verläufe an die Studienzentrale erreicht man eine
des- und Jugendalter, inklusive der ZNS-Tumoren,     schnelle Aussage über die Wirksamkeit oder die
erfolgt in Deutschland im Rahmen so genannter        Nebenwirkungen einer neuen Therapie. Außerdem
Therapieoptimierungsstudien. Hierunter versteht      werden auf diese Weise wichtige Qualitätsstandards
man ein deutschlandweites (z.T. auch über Deutsch-   in der Diagnostik der Erkrankung sowie der Therapie
land hinaus oder europaweites) standardisiertes      dieser Kinder gesichert. Wichtige Untersuchungen
Behandlungsschema für jede Erkrankung, das durch     und Therapieentscheidungen werden nicht nur an
die jeweilige Studienzentrale herausgegeben und      der behandelnden Klinik, sondern auch in den nati-
nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnis-      onalen Referenzzentren (Zentrum zur Zweitbeurtei-
sen aktualisiert wird. Im Rahmen solcher Thera-      lung wichtiger Befunde) oder in der Studienzentrale
pieoptimierungsstudien werden neue Therapien         ausgewertet, kontrolliert und dokumentiert. Durch
eingeführt und, im Vergleich zu bereits bewährten    einen solchen Austausch zwischen Studienzentrale
Therapierichtlinien, im Hinblick auf ihre Wirksam-   und behandelnder Klinik kann eine optimale Thera-
keit und Nebenwirkungen überwacht. Durch den         pie für Ihr Kind gefunden werden.
Zusammenschluss aller kinderonkologischen Zentren
in Deutschland und die Meldung aller Behandlungs-
Die Behandlung / Therapie

Die Therapieoptimierungsstudien der ZNS-Tumoren         durch eine kleine Punktion des Tumors zu erhalten,
sind im so genannten „HIT-Netzwerk“ zusammen-           um hieraus in einer feingeweblichen Untersuchung
geschlossen, das von der Deutschen Kinderkrebs-         so viel wie möglich über den Tumor und seine Her-
stiftung gefördert wird. Hiermit können wichtige        kunft zu erfahren. Eine Biopsie hat nicht das Ziel
Einrichtungen, wie z.B. die Referenzzentren für         einer vollständigen Entfernung des ZNS-Tumors. Die-
Neuropathologie, Radiologie und Strahlentherapie        se Operationsform wird immer dann gewählt, wenn
gemeinsam genutzt werden. In einem jährlichen           der Tumor nicht ohne schwerwiegende Komplikatio-
Treffen werden dann die gewonnenen Erfahrungen,         nen vollständig entfernt werden kann, eine Untersu-
z.B. über neue Diagnostik- und Therapiemöglichkei-      chung des Gewebes aber wichtig für die Auswahl der
ten, zwischen den Teilnehmern der einzelnen Thera-      bestmöglichen Therapie ist. Hierbei wird eine feine
pieoptimierungsstudien ausgetauscht und gemein-         Nadel durch ein kleines Bohrloch durch das Gehirn
sam diskutiert. Alle zwei Jahre findet dieses Treffen   bis in den Tumor vorgeschoben, um dort mehrere
gemeinsam mit Betroffenen und deren Angehörigen         Gewebeproben zu entnehmen. Diese Punktion wird
statt und ermöglicht so den regen Austausch zwi-        computergesteuert und in Narkose am fixierten Kopf
schen den Patienten und Behandelnden.                   durchgeführt. So kann man sich sicher sein, dass das
                                                        entnommene Gewebe aus dem im MRT sichtbaren
                                                        Tumor stammt und man vermeidet die Verletzung
                                                                                                                   21
    Operation / Biopsie                                 des übrigen Gewebes.

Für die einzelnen ZNS-Tumorarten gibt es ganz           Bei einer offenen neurochirurgischen Operation ist
unterschiedliche Häufigkeiten, Diagnosezeitpunkte       das Ziel, den Tumor möglichst vollständig zu ent-
und Operationsmethoden. Das ist bedingt durch die       fernen. Die größte Herausforderung für den Neuro-
unterschiedliche Lage und Ausdehnung der Tumoren        chirurgen ist hierbei jedoch, möglichst kein bzw. so
(Lokalisation), die unterschiedlichen Arten der Tumo-   wenig wie möglich gesundes Gewebe zu verletzen.
ren (Histologie, WHO-Grad) sowie dem eventuellen        Jede Verletzung gesunden Gehirngewebes kann mit
Vorhandensein von Tochtergeschwülsten (Metasta-         vorübergehenden, aber auch bleibenden Funktions-
senbildung).                                            störungen des Gehirns Ihres Kindes einhergehen.
                                                        Deshalb kann z.B. bei einem gutartigen, aber mitun-
Unter den Operationsarten unterscheidet man             ter auch bei einem bösartigen ZNS-Tumor eine nur
grundsätzlich die Gewebeentnahme (Biopsie) und die      teilweise oder unvollständige Tumorentfernung rich-
offene neurochirurgische Operation. Beide Operati-      tig und sinnvoll sein. Dem Neurochirurgen stehen
onsformen werden von Neurochirurgen in Narkose          heute moderne Operationstechniken zur Verfügung,
durchgeführt. Eine Biopsie (Gewebeentnahme) hat         die ihn in seiner schwierigen Aufgabe unterstützen.
zum Ziel, eine möglichst aussagekräftige Tumorprobe
Krebs – was ist das?

     Er wird mit Ihnen über die bei Ihrem Kind anstehende      Injektion mittels Spritze). Es gibt aber auch Zyto-
     Operation ausführliche Gespräche führen und über          statika in Tabletten- oder Kapselform. Bei einigen
     mögliche Risiken und Folgen sprechen.                     ZNS-Tumoren wird auch ein Zytostatikum in die Hirn-
                                                               kammern über so genanntes Rickham- oder Ommaya-
     In manchen Fällen kommt es durch den Tumor oder           Reservoir verabreicht, um mögliche Tumorzellen im
     die Operation zu einer Abflussbehinderung und Auf-        Nervenwasser direkt zu erreichen.
     stauung des Nervenwassers (Hydrocephalus). Dies
     macht sich oft durch unspezifische Symptome wie           Die klassischen Zytostatika zerstören schnellwach-
     z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen bemerk-        sende Zellen oder unterbrechen sie in der Teilung und
     bar. Bestätigt sich dieser Verdacht in einem MRT oder     Vermehrung. Neben diesen klassischen Zytostatika
     CT, kann es nötig sein, eine künstliche Abflussmög-       werden zunehmend Medikamente entwickelt, die
     lichkeit zu schaffen. Es gibt verschiedene Systeme: die   zielgerichtet auf die Krebszellen wirken. Sie spielen
     externe Drainage (Ableitung des Nervenwassers nach        allerdings noch eine untergeordnete Rolle in der Erst-
     außen in einen sterilen Behälter, in der Regel nur vor-   therapie von ZNS-Tumoren.
     übergehend vor und wenige Tage nach der operativen
     Tumorentfernung), VP-Shunt (Verbindung zwischen           Da das Tumorgewebe oft aus schnell wachsen-
     Hirnkammer und Bauchraum), VA-Shunt (Verbindung           den Zellen besteht, können hier die Zytostatika am
22
     zwischen Hirnkammer und Herzbeutel). Diese Syste-         besten wirken. Im Gegensatz zu Nervenzellen des
     me werden alle operativ eingepflanzt (=implantiert).      Gehirns, die sich fast gar nicht mehr teilen, gibt es
     Ob eine solche Ableitung bei Ihrem Kind notwen-           in unserem Körper aber auch noch andere schnell
     dig ist, wird der Neurochirurg mit Ihnen ausführlich      wachsende, sich teilende Zellen wie z.B. Haarwurzel-
     besprechen.                                               zellen, Blutzellen sowie Haut- und Schleimhautzellen.
                                                               Neben dem erwünschten Effekt auf die Tumorzellen
                                                               haben Zytostatika daher wegen ihrer „systemischen“
          Chemotherapie                                        Wirkung auch Auswirkungen auf alle diese anderen,
                                                               sich schnell teilenden Zellen. Als Folge davon kann
     Die Chemotherapie ist eine so genannte „systemi-          es zu Übelkeit, Müdigkeit, Durchfall, schmerzhaften
     sche“ Therapie, die auf den gesamten Körper wirkt.        Mundschleimhautentzündungen, Geschmacksverän-
     Sie wird insbesondere deshalb eingesetzt, um eine         derungen, trockener Haut und auch Haarausfall kom-
     Ausbreitung im ZNS und Körper zu verhindern. Die          men. Überdies kann Ihr Kind durch die verminderte
     Chemotherapie besteht oft aus einer Kombination           Zahl an Blutkörperchen stark abwehrgeschwächt und
     von Medikamenten, den so genannten Zytostati-             besonders anfällig für Infektionen sein. Zusätzlich
     ka. Die meisten Zytostatika werden über eine Vene         kann es während der Chemotherapie nötig sein, den
     verabreicht (z.B. als mehrstündige Infusion oder als      roten Blutfarbstoff oder die Blutplättchen vorüberge-
Die Behandlung / Therapie

hend durch gespendete Blutbestandteile (rote Blut-      Die Nebenwirkungen des Medikamentes Methot-
körperchen als Erythrozyten-Konzentrat, Blutplätt-      rexat manifestieren sich überwiegend an der Haut
chen als Thrombozyten-Konzentrat) zu ersetzen.          und den Schleimhäuten von Mund und Darm sowie
                                                        anogenital (Po, Penis bzw. Scheide). Dadurch können
Obwohl diese Nebenwirkungen meist nach der              Ausschläge, Schluckbeschwerden und sogar schmerz-
Behandlung verschwinden, sind sie oft sehr unan-        hafte offene Stellen an den betroffenen Schleimhäu-
genehm und können das Wohlbefinden stark beein-         ten oder der Haut entstehen. Auch die Nieren- und
trächtigen. Deshalb ist eine unterstützende Behand-     Leberfunktion müssen unter diesem Medikament
lung in Form von Medikamenten gegen Übelkeit,           regelmäßig überwacht werden.
gegen bakterielle Infektionen (Antibiotika) und Pilz-
infektionen (Antimykotika) sowie eine besonders         Ihr Kind erhält Medikamente, um den Mund und den
sorgfältige Mundpflege notwendig.                       Darm zu schützen und es muss auf besondere Mund-
                                                        hygiene achten. Vermeiden Sie auch möglichst Son-
Jedes Zytostatikum hat zudem noch seine eigenen         nenbäder, cremen Sie Ihr Kind gut ein und lassen Sie
Nebenwirkungen, die akut oder verzögert auftreten       es im Freien eine Kopfbedeckung tragen.
können. Bei einigen Medikamenten kann es zu aller-
gischen Reaktionen kommen die während der Gabe,         Carboplatin und Cisplatin können Hörminderungen
                                                                                                                   23
aber durchaus auch erst Stunden nach der Infusion       verursachen. Es müssen deshalb regelmäßige Hörtes-
sichtbar werden können. Deshalb kann manchmal           tungen durchgeführt werden, damit mögliche Verän-
eine längere Überwachung notwendig sein.                derungen frühzeitig erkannt und die Medikamente
                                                        ggf. durch andere ersetzt werden können. Ihr Kind
Häufig in der Therapie von ZNS-Tumoren eingesetzte      sollte während der Therapie auch möglichst keine
Substanzen sind Cyclophosphamid, Ifosfamid, Vin-        laute Musik hören (auch nicht über Kopfhörer), da
cristin, Etoposid, Cisplatin und Carboplatin, CCNU      diese das Gehör zusätzlich schädigen kann. Neben
und Temozolomid.                                        der Hörschädigung können Carboplatin und Cisplatin
                                                        die Funktion der Niere einschränken, weshalb auch
Medikamente wie z.B. Ifosfamid und Cyclophospha-        regelmäßige Kontrollen der Nierenfunktion vorgese-
mid können Nieren- und Blasenschädigungen verur-        hen sind.
sachen. Daher werden unter einer solchen Behand-
lung Blut und Harn regelmäßig kontrolliert und, wenn    Vincristin kann die Leitungsfähigkeit der Nervenbah-
notwendig, spezifische Medikamente zum Schutz der       nen beeinträchtigen. Dies kann zu Kieferschmerzen,
Harnwege gegeben.                                       einem hängenden Augenlid, einem prickelnden oder
                                                        tauben Gefühl in Fingern und Zehen oder einer ver-
                                                        ringerten Muskelkraft in Händen und Unterschenkeln
Krebs – was ist das?

     führen. Dadurch kann Ihr Kind besondere Schwierig-        Behandlungsteam informiert, welche Medikamen-
     keiten beim Gehen oder Schreiben entwickeln. Auch         te bei Ihrem Kind infrage kommen. Eine detaillierte
     Verstopfungen kommen als Nebenwirkung oft vor.            Auflistung der in der Kinderonkologie eingesetzten
     Wichtig ist es, die Symptome wahrzunehmen und             Medikamente und deren Nebenwirkungen finden Sie
     dem behandelnden Arzt mitzuteilen, da man eventu-         in der Broschüre „Mein Kind hat Krebs“, die bei der
     ell durch regelmäßige Bewegungsübungen unter phy-         Deutschen Kinderkrebsstiftung erhältlich ist.
     siotherapeutischer Anleitung entgegenwirken kann.
     In manchen Fällen ist es auch notwendig, auf eine
     weitere Gabe von Vincristin zu verzichten oder es für                Gut zu wissen
     einen bestimmten Zeitraum auszusetzen. Nach Been-
     digung der Therapie nehmen die Symptome langsam
                                                                 Sie kennen Ihr Kind am besten, und während der
     wieder ab.
                                                                 Anfangsbehandlung ist es am meisten gefährdet.
                                                                 Scheuen Sie sich nicht, auf die Klingel zu drücken
     Temozolomid ist ein Beispiel für eine Chemotherapie,
                                                                 oder von zuhause anzurufen, wenn Sie denken,
     die fast ausschließlich als Kapsel und selten über die
                                                                 dass etwas nicht stimmt.
     Vene verabreicht wird. Hierunter können dieselben
     allgemeinen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbre-
24
     chen, trockene Haut, Hautausschläge oder Haaraus-
     fall auftreten. Diese sind jedoch meistens etwas mil-
     der als bei anderen intensiven Chemotherapiegaben             Zentraler Venenkatheter
     über die Vene.
                                                               Für die Gabe einer Chemotherapie über die Vene ist
     Schließlich können sich manche Zytostatika auch           ein sicherer und für längere Zeit verfügbarer venöser
     nachteilig auf die Fruchtbarkeit auswirken. Jungen kann   Zugang Voraussetzung. Um Ihrem Kind nicht zu jeder
     die Möglichkeit geboten werden, Sperma (Samenzel-         eventuell wöchentlichen Gabe einen vorübergehen-
     len) einzufrieren, für Mädchen ist das Einfrieren von     den zentralen Katheter (ZVK) legen zu müssen, gibt
     Eizellen bislang erst an wenigen Zentren möglich und      es Systeme, die für einen langen Zeitraum im Körper
     noch nicht Routine.                                       verbleiben können. Hierzu gehört der Port-Katheter
                                                               sowie der Broviac- bzw. Hickman-Katheter. Beide
     Auch kann durch einige Zystostatika das Risiko für        Systeme müssen in Vollnarkose durch einen Chirur-
     spätere „Zweittumoren“ ansteigen.                         gen angelegt werden.

     Nicht alle der hier aufgeführten Medikamente werden       Der Port ist die häufiger verwendete Variante. Hier
     bei allen Erkrankungen eingesetzt. Sie werden vom         liegt in einem großen Halsgefäß ein kleiner Schlauch
Die Behandlung / Therapie

der mit einer unter der Haut liegenden Kammer ver-
bunden ist. Diese Kammer ist von außen nicht sicht-
bar (unter der Haut versteckt) und ist somit vor äuße-
ren Einflüssen (Unterhemd, Wasser, Schmutz, usw.)
geschützt.

Wenn eine Blutentnahme oder eine Chemotherapie
durchgeführt werden muss, wird diese Kammer mit
einer kleinen Nadel durch die Haut angepiekt und
somit eine Verbindung zwischen der Infusionsleitung
und dem Blutkreislauf Ihres Kindes geschaffen. Nach
Beendigung der Therapie wird die Nadel entfernt
und Ihr Kind kann ohne Beeinträchtigung nach Hause
gehen.

Beim Broviac- bzw. Hickman-Katheter wird eben-
falls ein kleiner Schlauch in die Blutbahn ihres Kin-
                                                                                     25
des gelegt; er reicht jedoch durch die Haut bis nach
außen. Ein großer Vorteil dieses Systems ist, dass
man ohne erneutes Pieksen Blut entnehmen oder
eine Infusion anschließen kann. Der entscheidende
Nachteil gegenüber dem Port ist, dass keine schüt-
zende Haut über dem Ende des Katheters liegt und
man die nach außen tretenden Anschlüsse zwar unter
dem Pullover verstecken kann, bei nacktem Oberkör-
per jedoch sieht. Ein zusätzlicher Vorteil, der insbe-
sondere für eine sehr intensive Therapie wichtig ist,
ist die Möglichkeit, mehrere Infusionen / Medika-
mente gleichzeitig über verschiedene Anschlüsse des
Broviac- bzw. Hickman-Katheters laufen zu lassen.

Ihr behandelnder Kinderonkologe wird mit Ihnen
besprechen, welches der oben beschriebenen Systeme
für Ihr Kind vorteilhafter ist.
Krebs – was ist das?

          Strahlentherapie
          (Radiotherapie)

     Häufig wird zur vollständigen Vernichtung des
     Tumors zusätzlich ionisierende Strahlung eingesetzt,
     was dann als „Strahlentherapie“ bezeichnet wird. Ob
     dies für Ihr Kind zutrifft, erfahren Sie vom Behand-
     lungsteam. Eine Strahlentherapie wirkt – anders als
     eine Chemotherapie – ausschließlich lokal und ist
     damit im Gegensatz zur Chemotherapie keine sys-
     temische Maßnahme, sondern eine „Lokaltherapie“
     wie die Operation. Allerdings wirkt sie auf zellulärer
     Ebene (lokal) eher wie die Chemotherapie, indem sie
     insbesondere schnell wachsende Zellen zerstört oder      meist mittels Planungs-CT und/oder -MRT erstellt
     sie an einer weiteren Teilung hindert.                   und Computersimulationen durchgeführt. Die The-
                                                              rapie erfolgt fast immer ambulant und alle normalen
     Die unterschiedlichen Wirkungsgebiete werden je          Aktivitäten des Lebens (wie Schule und Sport) kön-
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     nach Ausbreitungs- und Risikomuster entsprechend         nen zumeist weiter wahrgenommen werden, solange
     eingesetzt und oftmals auch kombiniert.                  nicht andere Umstände oder Komplikationen, z.B.
                                                              durch eine parallele Chemotherapie, dagegen spre-
     Zur Vorbereitung der Bestrahlung wird man Ihnen          chen. Wenden Sie sich hierzu vertrauensvoll an Ihren
     den Kontakt mit dem Team der Strahlentherapie            behandelnden Arzt.
     vermitteln. Dort werden Sie und Ihr Kind im Ein-
     zelnen über das Vorgehen und die zu empfehlende          Was merkt mein Kind von der Bestrahlung?
     Bestrahlungstechnik, die Wirkungen und möglichen         Die Strahlentherapie ist unsichtbar und nicht spür-
     Nebenwirkungen der Strahlentherapie aufgeklärt. Je       bar. Manchmal machen die Geräte und mechanische
     präziser die tägliche Behandlung mit Hilfe der vor-      Umstellungen der Geräte allerdings Geräusche. Ihr
     bereitenden Maßnahmen und der Mitwirkung des             Kind wird aber von den eigentlichen Strahlen nichts
     Kindes erfolgen kann, umso schonender und sicherer       bemerken, ähnlich wie bei einer Röntgenaufnahme
     wird die Therapie. Da die modernen Techniken immer       mit Röntgenstrahlen; allerdings muss es kurzzeitig
     präziser und schonender werden, ist die Vorbereitung     während der Bestrahlung alleine in einem großen
     der Therapie von größter Bedeutung. Hier werden die      Raum unter einem großen Apparat und meist auch
     Lagerungen festgelegt, Lagerungshilfen (wie Masken)      noch unter einer Maske ruhig liegen, was von Ihrem
     angefertigt und individuell angepasst, Körpermodelle     Kind viel Mut und Geduld erfordert.
Die Behandlung / Therapie

Über einen Monitor und / oder eine Gegensprech-       Andere Risiken wie Zweittumoren, Seh- und Hör-
anlage haben Sie und die Behandler Kontakt zu         störungen sind zwar selten, aber nicht immer aus-
ihm. Eine Kassette oder CD mit Musik oder einer       zuschließen. Die individuellen Risiken sind wesent-
Geschichte kann für Ablenkung sorgen. Ihr Kind        licher Inhalt des Aufklärungsgespräches vor der
kann ein Beruhigungsmittel bekommen oder, wenn        Strahlenbehandlung.
nötig, ein Schlafmittel bzw. auch eine Narkose.
Medizinisch-technische Mitarbeiter und Mitarbei-
terinnen werden Ihnen sagen, was Sie tun können,                Gut zu wissen
um Ihr Kind zu unterstützen.

                                                        Besprechen Sie alle möglichen Folgen und even-
Was sind die möglichen Nebenwirkungen einer
                                                        tuellen Fragen mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin für
Bestrahlung?
                                                        Strahlentherapie und Ihrem betreuenden Kinder-
Die Strahlentherapie kann mit spezifischen Neben-
                                                        onkologen.
wirkungen einhergehen, die sich in der Regel in
Form lokaler Reizerscheinungen bemerkbar machen.
So kann die bestrahlte Haut oder Schleimhaut wund
werden und muss entsprechend geschützt und            Welche Art der Strahlentherapie ist die richtige?
                                                                                                                 27
gepflegt werden. Manchmal kann es zu Gewebe-          Grundsätzlich gibt es heute viele verschiedene
schwellungen kommen, die schlimmstenfalls mit         Möglichkeiten, Strahlung zur Bekämpfung eines
Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einherge-       ZNS-Tumors einzusetzen. Das Ziel aller Techni-
hen, und die Gabe von Dexamethason (Cortison)         ken ist es, den Tumor so viel wie möglich der für
kann notwendig sein. Einige Kinder sind etwas lust-   ihn schädlichen Strahlung auszusetzen und das
loser, müder und haben weniger Appetit („Strah-       umliegende gesunde Gewebe zu schonen. Bei ZNS-
lenkater“). Was speziell im Falle Ihres Kindes mög-   Tumoren kann es aber auch notwendig sein, neben
licherweise auftreten kann, wird man Ihnen sagen      dem Tumor bzw. der ehemaligen Tumorregion (nach
und auch, was Sie eventuell dagegen tun können.       einer Operation) das gesamte ZNS (Gehirn, Rücken-
Die akuten Reizerscheinungen gehen nach einer         mark, Nervenwasser und Hirnhäute) zu bestrahlen.
gewissen Zeit wieder vorbei. Aber es gibt unter       Dies macht immer dann Sinn, wenn man bereits
Umständen auch später auftretende, bleibende          einen Hinweis auf eine Ausbreitung des Hirntumors
Folgen. Hierbei kann z. B. das Wachstum oder der      hat oder man aus Erfahrung weiß, dass dieser Tumor
Stoffwechsel betroffen sein. Andere Kinder haben      sich häufig auch ohne sichtbare Hinweise schon aus-
später (insbesondere nach einer Schädelbestrah-       gebreitet haben kann.
lung) Konzentrationsprobleme oder brauchen für das
Lösen einer Aufgabe etwas länger als Gleichaltrige.
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