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mit mit mit einander mit Katholisches Auslandssekretariat - von Gemeinde zu Gemeinde - weltumspannend - Heft 2 / 25. Jahrgang, Juli/August 2020
INHALTSVERZEICHNIS AUF EIN WORT „Urlaub und Erholung“ Geistlicher Impuls von P. Andreas Murk OFM-Conv., ehemaliger „Zivi“ in Liebe Leserinnen Sydney-Blacktown Seite 4 - 5 und Leser, sogar der Heilige Bonifatius im Büro des Katholi- schen Auslandssekretariats in Bonn trägt mittler- Aus den Gemeinden: weile eine Schutzmaske! „Die Kirche muss in Zukunft viel Lernen“ - Videokonferenz Die ganze Welt ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Alle deutschsprachi- gen Gemeinden im Ausland mussten ihre öffentli- „Notfallhilfe in Istanbul in Zeiten von chen Gottesdienste einstellen und auch in CoVid 19" Deutschland war das kirchliche und soziale Leben in weiten Teilen lahmgelegt. Die Corona-Krise hat das Leben in unseren Gemeinden in den letzten „Erster Drive-In-Worship der Wochen und Monaten maßgebend bestimmt und, Militärseelsorge in Reston“ auch wenn einzelne Ländern erste Lockerungen vermelden, so ist ein Ende der Einschränkungen doch immer noch nicht abzusehen. „Elf Kinder aus Puxi, Pudong und Suzhou/China feierten im Corona- Bereits im Januar erreichten das KAS Meldungen Jahr 2020 ihre Hl. Erstkommunion“ aus Peking und Shanghai, wonach in unseren dor- tigen Gemeinden keine öffentlichen Gottesdienste mehr gefeiert werden durften, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu stoppen. Damals war noch „Firmung in Shanghai“ nicht abzusehen, dass das neue Virus bald die gan- ze Welt lahmlegen und alle Auslandsgemeinden betreffen würde. Nach und nach erreichten uns von überall her Nachrichten, dass Gottesdienste „Kleine Nachtmusik aus Bangkok“ eingestellt und das traditionelle Gemeindeleben erst einmal ausgesetzt werden würde. In vielen Seite 6 - 15 Staaten kam es zu Ausgangssperren und zum tota- len Herunterfahren des öffentlichen und damit auch kirchlichen Lebens. „Christentum in Zeiten der Krankheit“ von Mons. Prof. PhDr. Tomáš Halík Th.D., Dr.h.c. Seite 16 - 19 Das alles machte den Alltag für viele Mitglieder der Auslandsgemeinden schwieriger und trotzdem „Kirchweihfest in Mexiko und haben viele Gemeinden den Corona-Beschrän- Firmung in Puebla“ Seite 20 - 21 kungen neue, kreative Formen des Gemeindele- bens entgegengesetzt: Gottesdienste wurden im Internet gestreamt, digitale Chorprojekte gestar- „Immer wichtiger im Leben der Kirche tet, Vorlagen für Hausgottesdienste erstellt, Sitzun- in Deutschland: Katholiken anderer Muttersprache“ von Dr. Lukas Schreiber, Nationaldirektor für die Ausländerseelsorge gen ins Internet verlegt und sogar Katechesen fan- Seite 22 - 23 den virtuell vor dem heimischen Laptop statt. Eini- ge dieser neuen Formate und Konzepte haben wir Personen und Daten - Aus der Zentrale auf der Homepage der Auslandsseelsorge unter Seite 24 - 25 „Aktuelles“ verlinkt: Bücherempfehlungen - borromedien https://www.auslandsseelsorge.de/aktuell/an Seite 26 - 27 regungen-der-deutschsprachigen-gemeinden/ 2 I miteinander 2-2020
Besonders froh sind wir, dass es in allen Gemein- Seelsorgerinnen und Seelsorger weiterhin vor den gelungen ist, die Menschen auch in diesen Ort für die Menschen ansprechbar. Um die Arbeit schwierigen Zeiten zusammenzuhalten und beson- der Gemeinden zu honorieren und Sonderausga- ders von den Einschränkungen betroffenen ben für die Krise aufzufangen stellt das Auswärti- Gemeindemitgliedern digital, per Telefon, mit Besu- ge Amt allen Gemeinden 5.000,-- Euro für kultu- chen oder Hilfsdiensten beizustehen. Hier wurde relle und soziale Projekte zur Verfügung, die ohne deutlich, dass die Strukturen unserer Auslandsge- großen bürokratischen Aufwand direkt bei den Aus- meinden auch in Krisenzeiten tragfähig sind. landsvertretungen abgerufen werden können. So konnte z. B. auf Gran Canaria mit diesem Geld der Die deutschsprachige Auslandsseelsorge ist in vie- deutschsprachige Radiosender, dem die Werbe- len Bereichen von den Auswirkungen des Corona- einnahmen wegen der Corona-Krise weggebro- Virus betroffen. Schweren Herzens wurde die chen waren, vor der Pleite bewahrt werden. Auf deutschsprachige Pilgerseelsorge in Santiago de Teneriffa wird die Gemeindebibliothek digitalisiert Compostela für das ganze Jahr 2020 eingestellt. und in Santiago de Chile konnte eine neue Laut- Eine strenge Ausgangssperre in Spanien macht das sprecheranlage angeschafft werden. Pilgern zum Grab des Apostels Jakobus unmöglich. Einschneidend war für einige Gemeinden, dass die Auswirkungen hat die aktuelle Situation leider Freiwilligendienstler (ADiA) auf Geheiß des Aus- auch auf die Besetzung freier Stellen in der Aus- wärtigen Amtes nach Deutschland zurückgeholt landspastoral. Vorbesuchsreisen sind aktuell werden mussten. Diese warten nun in Deutschland nicht möglich, so dass Interessenten ihre mögli- im „Standby“ darauf, wieder zu ihren Einsatzstellen chen Einsatzorte nicht kennenlernen können. Eini- zurückkehren zu können. Die Bordseelsorge, die ge Staaten zögern aktuell auch mit der Ausstellung das KAS auf Kreuzfahrtschiffen organisiert, konnte von Arbeitsvisa. in den letzten Monaten nicht stattfinden. Den Ein- satz der Auslandsgemeinden für die Deutschspra- Die Krise hat unser aller Alltag durcheinanderge- chigen im Ausland und für „gestrandete“ Touristen bracht. Das Foto auf der Rückseite der aktuellen wurde vom Auswärtigen Amt gewürdigt. Während Ausgabe des „miteinanders“ zeigt das Ergebnis viele deutschsprachigen Institutionen im Ausland des zeitweise fast komplett einstellten Postver- ihre Mitarbeiter in der Krise nach Deutschland kehrs: Die letzte Ausgabe unserer Zeitschrift konn- zurückholten, blieben die deutschsprachigen te im Ausland nicht zugestellt werden und so sta- peln sich die Retouren auf den lee- ren Besucherstühlen. Hoffen wir, dass diese Ausgabe Sie erreicht und die Krise bald einer neuen Normalität Platz macht. Bleiben Sie gesund: Ihr Team des KAS miteinander 2-2020 I 3
GEISTLICHER IMPULS Urlaub und Erholung ja in der letzten Zeit sowieso das Tempo genommen war (abgesehen vom teilweise exponentiellen Wachstum der Anzahl der Neuinfektionen). Meine ersten Vermutungen gehen jedoch in die Rich- tung: So wirklich „nachhaltig“ werden wir uns kaum ver- ändern. Es wird ziemlich schnell ziemlich vieles wieder ziemlich so aussehen wie schon immer. Indiz Nr. 1: Ich schreibe diese Zeilen am Pfingstwochen- ende während ich in einer Pfarrei den Pfarrer vertrete, der jetzt „mal ein paar Tage frei“ gebraucht hat. Indiz Nr. 2: Eine bekannte Familie, die beim Mund- schutznähen mit zu den eifrigsten gehörte, nutzt die bayerischen Pfingstferien zu einem Urlaub in Kroatien. Selbst wenn man in Österreich beim Transit nicht mal für die Toilette halten durfte – Hauptsache der gewohn- te Strand an der Adria… P. Andreas Murk OFM-Conv. Provinzialminister der deutschen Franziskaner-Minoriten-Provinz Sankt Elisabeth Je nach Veranlagung und Grundeinstellung wird man dafür entweder Verständnis haben oder den Kopf schütteln. Im Fall des Letzteren hoffentlich nicht ohne Ob ich nicht mal einen Beitrag für die Zeitschrift sich in einem selbstkritisch-ehrlichen Moment einzuge- „miteinander“ verfassen könnte, fragte mich stehen, dass man vermutlich auch selbst der/die Alte Msgr. Peter Lang Anfang des Jahres. Selbstver- geblieben ist, sogar in solch angenehmen Dingen wie ständlich gerne, kein Problem – zumal er als ehe- dem Urlaub und der Erholung. Meine ursprünglichen Prä-Corona-Urlaubsgedanken bringe ich also nach ver- maliger Pfarrer von Sydney's „Best in the West“- längerter Einleitung hier doch noch unter… Blacktown einmal mein Chef als Zivi gewesen war. Und das Thema? Vielleicht irgendwas mit „Urlaub und Erholung“. Urlaub und Erholung Und wenn so etwas ausgemacht ist, nehmen die Dinge normalerweise ihren Lauf: Erst einmal geschieht gar nichts, zwischendrin spricht man sich zur Vergewisse- Urlaub? Aber nein, das brauche ich nicht! Das sagt rung noch einmal ab und eigentlich schon nach Redak- einer der verschiedenen klösterlichen Urlaubstypen. tionsschluss kommt dann die vorsichtige Erinnerungs- Diesen Typen gibt's dann in Variante A und B. mail mit der bangen Rückfrage, ob der Beitrag denn Variante A ist der Bruder, der die Arbeit nicht erfunden noch käme. Doch normal war in den letzten Wochen und hat und eigentlich sowieso das ganze Jahr im Urlaubs- Monaten wohl kaum noch etwas. Corona kam dazwi- modus lebt. Offiziell ist dieser Typ natürlich nicht exis- schen und stellt seitdem als Covid-19 die Welt auf den tent, aber inoffiziell taucht er nicht nur im Kloster auf, Kopf. Wer sich nicht mit Lockdown, Hygienekonzepten sondern wohl auch in anderen (pastoralen) Kontexten und den neuesten Fallzahlen beschäftigt, der philoso- und Teams. Er ist ein Meister in der Kunst des Sich- phiert vielleicht schon fleißig darüber, welche Chancen Durchschonens. Und klar, wofür sollte der noch Urlaub hinter dieser Krise stecken (Lieblingsbeschäftigung brauchen? Arbeitstechnisch ist die B-Variante da kirchlicher Mitarbeiter/innen, deren Gehalt ungekürzt schon angenehmer: Das sind im Kloster nämlich die weiterläuft), meditiert die „ganz besonderen Herausfor- Brüder, die leidenschaftlich gerne arbeiten und mei- derungen in dieser schwierigen Zeit“ oder formuliert sei- nen, sie wären unabkömmlich, 365 Tage im Jahr. Und ne Gedanken zum „neuen Normal“, um sie dann in wenn sie doch einmal fehlten, zumal für so etwas Nie- einem mehr schlecht als recht gedrehten Video auf You- deres wie Urlaub, dann stünde die Welt in Gefahr, tube hochzuladen und sich über erstaunliche Klickzah- zusammenzubrechen. Zu dieser Variation zähle ich len zu freuen. Gedanken wie Urlaub und Erholung schei- mich selbst und habe zum Glück einen Guardian (Haus- nen da erst einmal ganz weit weg, zumal unserem Leben oberen) gefunden, der mich regelmäßig daran erinnert: 4 I miteinander 2-2020
GEISTLICHER IMPULS „Wenn du keinen Urlaub brauchst oder es jedenfalls reiche wirklich gute Gespräche ergeben – der Pfarrer glaubst, dann ist das deine Sache. Aber du wirst trotz- ganz nah dran an den Menschen. Freilich, in Zeiten dem wegfahren, weil die anderen Brüder Urlaub brau- einer schrittweisen „Normalisierung“ stelle sich ihm chen – von dir!“ nun die Frage, wie viel sich von diesen Erfahrungen und So deutlich braucht man mit einem zweiten Kloster- neuen Gepflogenheiten mit ins „normale Geschäft“ hin- Urlaubstypen nicht zu werden. Das ist, der schon im Jahr überretten ließe. Ganz optimistisch war er nicht – aber zuvor die Urlaubstermine reserviert, bevorzugt zur Pre- selbst wenn von den täglichen Spaziergängen nur ein miumzeit, alles ganz präzise abgesteckt. Und während wöchentlicher Orts- oder Wohnviertelrundgang möglich dieser Typ ansonsten oft durch Unpünktlichkeit glänzt: wäre, hätte man doch schon etwas gewonnen… Der Zug/Flieger in den Urlaub wird pünktlich erreicht. Und wenn man mitbekommt, dass ein Mitbruder ein neu- Ganz ähnliches wird man wohl für den Urlaub ansetzen es Ziel entdeckt hat, dann geht's spätestens im nächs- dürfen – ganz egal, welcher Urlaubstyp man nun ist, ten Jahr auch dorthin – man könnte ja etwas verpassen. ganz egal, welches Ziel man wählt und wie viel Zeit Ob das immer alles so erholsam ist? Es sei einmal dahin- dafür zur Verfügung steht: In jedem Fall wird Urlaub eine gestellt, denn vielleicht ist das ja auch gar nicht das Wich- Phase sein, die anders ist; eine Zeit, in der man tigste. Hauptsache, man hat etwas erlebt! Gewohnheiten durchbricht, in der man sich den ein oder anderen Gedanken macht – vielleicht auch zu den Egal ob nun Typ 1 oder 2, Variante A oder B, oder einer Dingen, die einem im Leben wirklich wichtig sind. Wenn der möglichen weiteren Typen: Ich vermute stark, auch es dann gelänge, das ein oder andere mit in den Alltag Corona wird diese Prägungen nicht wesentlich verän- zu nehmen, dann hätte Urlaub tatsächlich einen Mehr- dern. wert und könnte mit ein bisschen Nachhaltigkeit punk- ten. Beeindruckt hat mich vor ein paar Wochen ein Pfarrer, der in einer Zeitung einen Beitrag veröffentlicht hat, wie Pater Andreas Murk OFM-Conv., sich derzeit die Pastoral verändert hat. Er selbst habe Provinzialminister der deutschen Franziskaner- begonnen, die plötzlich freie Zeit zu nutzen, um durch Minoriten-Provinz Sankt Elisabeth sein Pfarrgebiet zu „spazieren“ und es hätten sich zahl- miteinander 2-2020 I 5
AUS DEN GEMEINDEN Der Geistliche würdigte diesen Themen- zoom als seine „größte Videokonferenz der letzten Zeit“, zumal er selbst bereits einen Gottesdienst über diese Plattform gefeiert hat. „Die letzten Wochen waren herausfordernd und schwierig – aber man kann auch mit Worten etwas verän- dern“, stellte der Pater einleitend fest. Der Zugang ändere sich, das Gebet und die Verbindung mit Gott, „das Nachden- ken über Gott nimmt einen größeren Platz als vorher ein. Ich habe seit dem Noviziat noch nie so viel gebetet wie jetzt“, bekannte er. Vor seinen Ausführungen über die Situa- tion in seiner Pfarrei und der Kirche all- gemein bot Pater Leitgöb einen geistli- chen Impuls anhand des Psalms 103 aus dem Alten Testament. Anhand ein- zelner Passagen dieses Psalms machte der Geistliche deutlich, dass trotz Coro- na das Osterfest nicht storniert, son- dern „in unseren Herzen, Häusern und Familien“ gefeiert worden sei. „Es gab noch nie so viel Ostern wie 2020“, so Pater Dr. Martin Leitgöb CssR bei seinen Ausführungen. der Pater. Auch die Fastenzeit „Die Kirche muss in Zukunft viel lernen!“ habe er sehr intensiv erlebt, Dritter Themenzoom der Ackermann-Gemeinde besonders den Bußcharakter. mit Pater Dr. Martin Leitgöb CSsR Klar distanzierte er sich von Sichtweisen, wonach die Corona-Pandemie eine Strafe Auf ein immer größeres Feedback stößt der soge- Gottes sei. „Das ist nicht mein Gottesbild. Gott ist ein nannte Themenzoom der Ackermann-Gemeinde am großes Geheimnis, wir wissen wenig über Gott – eher, Dienstagabend, 5. Mai 2020. Bei der dritten Folge die- was die Naturwissenschaft und Soziologie sagen“. ser Reihe waren 46 Bildschirme in Deutschland, Demnach stehe fest, dass das Coronavirus sich aus- Tschechien und Österreich zugeschaltet. Da es sich breitet, „aber nicht, was Gott damit zu tun hat“, machte bei einem guten Teil um Ehepaare und Familien han- der Redemptoristen-Pater klar. Zumal auch im Psalm delte – was man auch im Bild feststellen konnte, darf die Güte Gottes besonders betont werde – trotz Schuld man von gut 80 Teilnehmern ausgehen. Diesmal infor- und Sünde der Menschen. Dennoch seien Ängste und mierte Pater Dr. Martin Leitgöb CSsR, Seelsorger der Sorgen der Menschen um die eigene Gesundheit und Deutschsprachigen Pfarrei in Prag, über die pastorale die von Angehörigen und Freunden berechtigt, Leitgöb Arbeit in Zeiten von Corona und die Situation in seiner selbst berichtete von Gesprächen mit Menschen, deren Prager Pfarrei. Angehörige an Corona erkrankt oder gar gestorben sind, ebenso von verstorbenen Mitbrüdern seines Über „neue Gesichter“, darunter auch den ehemaligen Ordens in Wien und in Spanien. Und der Seelsorger gab Generalsekretär der Ackermann-Gemeinde Franz zu bedenken, dass man sich trotz der Schwierigkeiten Olbert, freute sich Moderator Rainer Karlitschek in sei- gerade jetzt am Frühling, am Erblühen der Natur, ner Begrüßung und stellte Pater Leitgöb auch in seiner erfreuen und dies genießen solle. Insofern stehe auch früherer Tätigkeit als Geistlichen Beirat der Sdružení das Frühjahr in gewisser Weise für Heimat, in die Leit- Ackermann-Gemeinde vor. göb – er ist Österreicher – derzeit nicht fahren kann. Es 6 I miteinander 2-2020
AUS DEN GEMEINDEN gebe also „viele Gründe, Gott zu loben“, schloss er sei- der. Hier hat Leitgöb einen Gottesdienst via Zoom mit nen geistlichen Impuls. den Kindern und deren Eltern angeboten. Er verwies auch auf ein Hausgottesdienstkonzept des Bistums Die Ausführungen über seine aktuelle pastorale Arbeit Würzburg mit Erstkommunionfamilien. „Die Kirche stellte Pater Leitgöb unter das Motto des vorangegan- muss in Zukunft viel lernen. Es geht nach vorne in eine gen Sonntags, der dem Aspekt „Guter Hirte“ gewidmet normale Normalität, die aber etwas anders sein wird. war. Gerade jetzt gehe es darum, dass der Hirte, also der Mit viel Mut nach vorne zu gehen wird notwendig sein“, Seelsorger, seiner Herde vorangeht, er in der Mitte der fasste der Redemptorist zusammen. Auch sprach er Herde ist und auch hinter der Herde. Das Vorangehen sich angesichts der verschobenen Firmungen um eine betreffe die durch die Corona-Krise nötigen neuen For- Erweiterung der Firmspender neben den Bischöfen und men der Kommunikation, der Gottesdienste, d.h. Zei- Domkapitularen aus. chen setzen und Initiativen ergreifen. Die Position inmit- ten der Herde bedeute, dass der Priester alle Sorgen Etwas kritisch sah der Pater auf Nachfrage von Jean sowie Freuden der Pfarrmitglieder teilt, denn „es sind Ritzke-Rutherford die via Livestream übertragenen Probleme der ganzen Herde“, so der Pater. Er gab auch Eucharistiefeiern – vor allem hinsichtlich des dadurch Stress und manche schlaflose Nacht zu, drückte aber vermittelten Kirchen- und Priesterbildes. „Es gab einige auch seine Freude über regelmäßiges Kochen aus. Das Gottesdienste, wo nur der Priester am Altar zu sehen Laufen hinter der Herde bedeute, dass der Seelsorger war. Der Verzicht auf die Eucharistie, die Quelle und der nicht jede Initiative oder Aktivität selbst setzen muss. Hauptpunkt kirchlichen Lebens, ist ein harter Verzicht“, „Vieles ist durch die Gemeindemitglieder, selbstständig verdeutlichte der Priester. Andererseits wies er auf Diö- geschehen. Es war toll und unterstützenswert, dass die zesen bzw. Regionen in der Welt, in die nur einmal im Familien miteinander gebetet haben. Das ist in den letz- Jahr ein Priester kommt. Die aktuelle Situation mahne ten Jahrzehnten verloren gegangen. Ich hoffe, dass das daher auch zur Solidarität mit den Kirchen in eben die- Hausgebet, der Familiengottesdienst nun wieder eine sen Regionen. Als positiv würdigte Pater Leitgöb einen Realität der Kirche wird und bleibt“, schloss Pater Leit- vom ernannten neuen Augsburger Bischof Bertram Mei- göb seine Ausführungen. er zelebrierten Gottesdienst. Dieser habe die Männer und Frauen, die bei der Gestaltung mitwirkten, nament- Moderator Karlitschek interessierte die Erstkommuni- lich und mit ihren Funktionen vorgestellt. onvorbereitung bzw. Begleitung der Erstkommunionkin- Als mögliche Lehre für die Seelsorge aus den bisheri- gen Er fahrungen sieht der Pater die Tatsache, dass die Kirchen „noch mehr zur Basis kommen müssen“. Auch emp- fahl er, für den weite- ren Prozess des Synodalen Weges in Deutschland pasto- rale Er fahrungen aus der Corona- Krise auszuwerten. Schwierig sei die Mit- wirkung von Ruhe- standspriestern, die als Risikogruppe in der Pfarrarbeit zu- mindest in nächster Zeit ausfallen wer- den. Markus Bauer, Journalist Blick auf einen Teil der Teilnehmer. Fotos von Markus Bauer miteinander 2-2020 I 7
AUS DEN GEMEINDEN Notfallhilfe in Istanbul in Zeiten von CoVid 19 Pater Jacky Doyen und Pater Simon Härting sind digital „in-touch“ (Istanbul/Bonn) Mit der durch Corona ausgelösten Druck durch Preiserhöhungen und Arbeitslosigkeit teil- Pandemie und der damit verbundenen Einschränkung weise auch die deutsche Community. des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens in der Türkei hat sich auch die Arbeit der Seelsorge in Istan- Das folgende Beispiel der Geschwister Reisa und Rita bul wesentlich verändert. Zwei Monate nach den zeigt auf, wie schon bereits vorhandene Probleme ersten einschneidenden Maßnahmen will dieser Arti- durch die Pandemie und ihre Auswirkungen noch weiter kel einen Überblick über Hilfsangebote geben, die in verschärft werden. Beide sind Flüchtlinge aus dem Irak Zusammenarbeit der Personalpfarrei St. Paul mit den und haben in der Türkei Zuflucht gesucht, um sich dann Projekten der Salesianer Don Boscos in Istanbul ent- auf den Weg nach Kanada oder Australien zu machen. standen sind. Die Pfarrei St. Paul im Istanbuler Stadt- Die Familie musste ihre Heimat als verfolgte Christen teil Nişantaşı wird seit Dezember 2018 von Pater verlassen. In Istanbul nun sind im Zeitraum von einein- Simon Härting betreut, der diese Seelsorgestelle halb Jahren sowohl der Vater als auch die Mutter jeweils zusätzlich zu den pädagogischen Projekten von Don an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben. Beide Bosco Istanbul übernommen hat. So kam es nun bei Töchter, 18 und 24 Jahre, sind in ihrer Trauer auf sich der Nothilfe zu einer Zusammenarbeit der beiden alleine gestellt und müssen selbst für Miete, Lebensun- Institutionen ohne komplizierte bürokratische Hür- terhalt und Trauerbewältigung sorgen. Mit der Corona- den. krise hat nun die ältere der beiden Schwestern ihre Arbeit verloren. Die jüngere Schwester ist noch nicht in Im Umfeld der Personalpfarrei St. Paul und gleicherma- der Lage zu arbeiten, da sie in der Trauerbewältigung ßen auch im Umfeld der Projekte von Don Bosco Istan- schwere Tage durchlebt. Die Geschwister konnten mit bul sind Flüchtlingsfamilien und auch hilfesuchende afri- Lebensmitteln und vor allem auch einem Zuschuss für kanische Flüchtlinge besonders stark von den Auswir- die Miete unterstützt werden. Nach der Krise wird die kungen der Beschränkungen des öffentlichen Lebens ältere Schwester wieder an ihre Arbeit zurückkehren betroffen. Aber auch innerhalb der deutschen Commu- können, bis dahin jedoch braucht es für den Übergang nity besteht eine akute Gefahr der Isolation, besonders Unterstützung. Es ist deutlich sichtbar, dass sich durch von alleine lebenden oder älteren Personen. Zu allen die Krise in vielen Familien eine die Existenz bedrohen- diesen Personen ist ein direkter Kontakt seit zwei Mona- de Situation ergibt. ten kaum möglich. Verschiedene Projekte halten digital den Kontakt. Gleichzeitig nimmt Woche für Woche die Mit der Hilfe von zahlreichen Spendern und einigen Not dieser Personengruppen zu. Zuerst wurden im Großspendern konnte durch Don Bosco Istanbul für die- Flüchtlingsbereich die Krankenversicherungen einge- se Bedarfe ein Notfallfonds ins Leben gerufen werden. schränkt, danach verlor ein großer Teil den Lohnerwerb, Gleichzeitig gelang es mit Hilfe des Generalkonsulates schließlich wurden aufgrund der Inflation Mieten und der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul einen wei- Lebensmittelpreise erhöht. Inzwischen erreichen der teren Fonds für Menschen im Umfeld der deutschen 8 I miteinander 2-2020
AUS DEN GEMEINDEN Personalpfarrei St. Paul zu begründen. Die zuerst ange- dachten Zahlen an hilfesu- chenden Menschen sind inzwi- schen schon weit überschrit- ten, wöchentlich werden durch beide Projekte etwa 70 Fami- lien mit Lebensmittelpaketen versorgt und erhalten Unter- stützung für offene Mieten oder Rechnungen. Ziel ist die Verminderung von sozialer Här- te und besonders die Abwen- dung von Isolation und existen- tieller Not. Zu dieser materiel- len Hilfe wird jedem Hilfesu- chenden auch das persönli- che, seelsorgliche Gespräch meist in der Muttersprache angeboten, was in den aller- meisten Fällen auch intensiv genutzt wird. Unterstützt wer- d e n H i l fe s u c h e n d e a u s Deutschland, dem Irak, Pakis- Beste Stimmung trotz bedrückender Lage: Pater Simon Härting im Gespräch tan, Libanon, Guinea, Nigeria, Kongo, der Mongolei und der Elfenbeinküste. eine Öffnung der Beschränkungen es bald erlauben wird, die Hilfen wieder herunterzufahren“, erklärt Pater Im Moment ist in beiden Projekten ein Zuwachs an hilfs- Simon Härting, Leiter der deutschen katholischen Seel- bedürftigen Menschen festzustellen. Besonders die sorge in Istanbul, und betont: „Die meisten Hilfen sind Unsicherheit über bedingt durch die Corona-Krise notwendig geworden. die weitere Ent- Wir bieten diese intensive Unterstützung an, damit, und wicklung der Pan- bis die Menschen wieder selbstständiger für sich sor- demie, beson- gen können.“ ders auch die Unsicherheit in Bezug auf Arbeit und Lohn lassen Wenn Sie die Arbeit von Don Bosco Angst und Sorge in Istanbul in dieser finanziell wachsen. Neben herausfordernden Zeit unterstützen der materiellen wollen, dann ist dies mit einer Hilfe ist so in allen Spende möglich unter: Bereichen auch immer mehr seel- Don Bosco Mission sorgliche Zuwen- IBAN: DE92 3706 0193 0022 3780 15 dung gefragt. BIC: GENODED1PAX Spendenzweck: R075124 Istanbul „Wir sind allen unseren Unter- Vergelt's Gott! stützern sehr dankbar für diese wer tvolle Hilfe Fotos und Text: und hoffen, dass Don Bosco Istanbul; www.donbosco.de/Aktuelles/Gemeinsam-gegen-Corona/ Mehr als drei Tonnen Lebensmittel wurde seit Beginn Don-Bosco-Nothilfe-Corona der Krise an Familien verteilt miteinander 2-2020 I 9
AUS DEN GEMEINDEN Erster Drive In Worship der Militärseelsorge in Reston, USA Militärpfarrer Rüdiger Scholz (evang) und Militärpfarrer i.N. Karl Rieger (rk) Eigentlich feiert die Evangelische Militärseelsorge apathisch, weit weg, sondern sympathisch, mitleidend USA I im Mai jeden Jahres einen Strandgottesdienst in bei seinen Menschen in der Corona Krise ist. Dass er sie Virginia Beach mit anschließendem BBQ und geselli- versteht, weil er all dies selbst am eigenen Leib mitge- gem Zusammensein. Dass dies heuer nicht stattfin- macht hat. Aber er ist, im Unterschied zu uns, dem den konnte war klar, aber des vielen Skypens ist kein Tod nicht ausgewichen, hat nicht seinen Glauben, Ende und vom Zoomen wird der Leib müde, dachte seine Werte und seinen Vater verleugnet, um sein sich Militärpfarrer Scholz und es wurde beschlossen, Leben – koste es, was es wolle – zu verlängern. gemeinsam mit dem katholischen Kollegen Karl Rie- Wenn der Isenheimer Altar geöffnet wird, so ist da auf ger einmal etwas anderes auszuprobieren, nämlich einmal nichts als Licht, Licht und noch mehr Licht in der einen Drive-In-Worship, einen Gottesdienst also, der Szene von der Auferstehung. Es wird deutlich, dass im Autoradio live übertragen wird und bei dem die Teil- Auf-erstehung nicht eine Vertröstung auf ein Leben nehmer auf dem Parkplatz in ihren Autos bleiben. nach dem Tod ist, sondern auf ein neues Leben hinweist, das schon heute beginnt. Dies entspricht genau dem, was der Governor im Bun- desstaat Virginia erlaubt, denn obgleich dieser in Phase Während wir der äußeren Resilienz mit social distan- 1 der Öffnung geht, gilt dies nicht für die nördlichen cing, Händewaschen und Mundschutz hinterherlaufen, Counties, in denen ein Großteil der Bevölkerung wohnt schenkt der christliche Glaube innere Resilienz in der und wo es deshalb naturgemäß die meisten Corona Fäl- Krise: eine Hoffnung, die Krankheit und Tod nicht aus- le gibt. blendet oder abschafft, sondern tragen hilft, auch den anderen in der häuslichen Quarantäne ertragen hilft. Natürlich nahm Pfarrer Scholz in seiner Ansprache auf Wer hätte Foto von Peter Diry Corona Bezug und zwar am Beispiel des Isenheimer gedacht, Altars von Matthias Grünewald, auf dem der gekreuzigte dass ein Jesus in einem Hospital, eigentlich einem Sterbehospiz alter Meis- des Antoniter Ordens als an Mutterkornvergiftung Lei- ter so aktu- dender und Sterbender dargestellt ist. ell sein kann? Er ist mithin in der gleichen Situation wie die Patienten aber auch Ärzte des Hospizes. Heute würde Grünewald Jesus wohl als einen an Corona Erkrankten an einem Beatmungsgerät in einem New Yorker Zeltlazarett dar- stellen, um deutlich zu machen, dass Gott nicht Artikel und Fotos: Militärpfarrer Rüdiger Scholz; erhalten durch Militärpfarrer Karl Josef Rieger 10 I miteinander 2-2020
AUS DEN GEMEINDEN Elf Kinder aus Puxi, Pudong und Suzhou / China feierten ihre Heilige Erstkommunion Über 140 Mal findet sich das Bild des „Guten Hirten“ aber weniger würdigen „Kathedrale“ schritten die als Wandmalerei in den römischen Katakomben. Und sechs Mädchen und fünf Jungen aus Puxi, Pudong und es offenbarte sich an diesem Samstag im Mai, dass Suzhou mit ihren brennenden Kerzen andächtig zum die diesjährigen Kommunionkinder der DCGS kein Altar. Begleitet wurden sie nicht nur von den Blicken passenderes Leitmotiv auf ihrem ersten Gang zum und dem Gesang ihrer Eltern und Geschwister in dem Altar begleiten konnte als dieses alte Christus- rund 60 Quadratmeter großen Wohnzimmer, sondern Symbol. Denn Vieles verband die elf jungen Gläubigen auch von fast 80 ZOOM-Teilnehmern an den Bildschir- am Tag ihrer Heiligen Erstkommunion im Corona-Jahr men zu Hause. Viele von ihnen waren in Deutschland 2020 mit den frühen Christen vor rund 1700 Jahren. um 4.30 Uhr Ortszeit aufgestanden, um beim lang erwarteten Tag ihrer Enkel, Patenkinder, Nichten oder Wie die ersten Zeugen der damals noch jungen Religion Neffen medial und mit Herz dabei zu sein. im engen Untergrund nahe Roms musste auch die Gemeinde des diesjährigen Festgottes- „Ich weiß leider nicht mehr allzu viel dienstes auf ihren mit festlichem Weiß Im Geiste über den Gottesdienst meiner eige- überzogenen Bierbänken näher zusam- der frühen Christen nen Erstkommunion“, gab Pfarrer menrücken. Die St. Peters Church – Michael Bauer in seiner Predigt unum- sonst Versammlungsort der deutschsprachigen Katho- wunden zu. „Aber bei Euch wird das sicher anders liken in Shanghai – war aufgrund der Pandemie sein“, sprach er die Elf im Halbkreis um den geschlossen, Messfeiern dort nicht erlaubt. Doch auch geschmückten Altar direkt an. Das „Virus-Jahr“ sei eben im privaten Rahmen einer improvisierten, keineswegs ein besonderes. „Vielleicht hättet ihr in einem anderen miteinander 2-2020 I 11
AUS DEN GEMEINDEN Heilige Erstkommunion Jahr größer gefeiert, mit mehr Gästen, mehr Geschen- ken“, so Bauer. Vielleicht sei es aber auch nicht weniger schön, sich bei diesem Ereignis auf das Wesentliche kon- zentrieren zu können. In kleinerem Rahmen, wie die frü- hen Christen ein wenig im Verborgenen, dafür mit großer Ruhe und unverstelltem Blick auf das, worum es gehe. Denn auch nur dies sei ihm selbst, betonte der Pfarrer, von seiner Erstkommunion vor einigen Jahrzehnten in Erinnerung geblieben: „Als ich die heilige Hostie, den Leib Christi, empfing und dann mit Jesus für einige Augenblicke ganz vereint war.“ Diese Erfahrung sei bis heute bei jedem Empfang der Eucharistie die gleiche und damit das Bleibende. Das Wesentliche. Die Gestaltung der Messfeier ließ jedoch selbst schon von den ersten Sackpfeifentönen an vergessen, was die diesjährigen Kommunionkinder an Konventionellem entbehren mussten. Tobias Gabriel ersetzte die zahlrei- chen Orgelpfeifen gewohnt gekonnt mit seinem einen markanten Instrument, der DCGS-Chor machte den klei- nen Kirchen- zum großem Klangraum, weißer Blumen- schmuck zierte den Altar, die Ehrengäste wie etwa Gene- ralkonsulin Dr. Christine Althauser und Schulleiterin Susanne Heß füllten genauso wie sonst die Bankreihen. Und final machten die elf jungen Protagonisten selbst mit ihrem Danklied den Gottesdienst zur gelebten Freu- de. Hinter allem liebevoll und professionell Arrangierten stand Dubravka Wenner, der Pfarrer Bauer großen Dank aussprach. Sie hatte als Katechetin in Puxi nicht nur den Großteil der ehemals 15 und durch die Umstände auf elf reduzierte Schar der Drittklässler seit Ende September auf die Erstkommunion vorbereitet – zunächst in Grup- penstunden, in der Corona-Ära dann online. Sie und ihre Hl. Geist Festival im Macarena Familie hatten es gemeinsam mit einigen Helfern erst ermöglicht, dass die Erstkommunion in Shanghai 2020 eine ganz besondere war – eine, die mehr denn je spü- Foto von Peter Diry ren ließ, was schon die frühen Christen verband: die Erste Begegnung mit dem Guten Hirten, mit Christus, den die elf Kinder nun trotz der Pandemie-Prävention erstmalig mit Herz und Händen empfangen konn- ten. Dr. Kerstin Lessmann Fotos von Monja Tang 12 I miteinander 2-2020
AUS DEN GEMEINDEN Firmung in Shanghai an aussergewöhnlichem Ort Aufgrund der besonderen Umstände dieses Jahres konnte, wie auch schon die Erstkommunion, die Heili- ge Firmung nicht wie gewohnt in einer Kirche stattfin- den. Doch es gelang, eine improvisierte Kathedrale im spanischen Restaurant Macarena im Qingpu Distrikt aufzubauen und dort konnten 16 Jugendlichen das Sakrament der Hl. Firmung empfangen. Leider waren Schließlich bedankte sich Pfarrer Bauer auch sehr bei drei Jugendliche noch ausserhalb von China, und ein Chor und Posaunenchor und bei Stephanie Braun, die weiterer fiel noch wegen Krankheit plötzlich aus. die Firmvorbereitung wesentlich mittrug. In seiner Ansprache erwähnte Pfarrer Michael Bauer Vor dem Segen wurde von allen noch das Gebet zur Mut- das Besondere der diesjährigen Firmvorbereitung, die ter Gottes von Sheshan für die Kirche in China gebetet, aufgrund des Virusausbruchs (ab 23. Januar war Shang- um auch ihre Solidarität mit den chinesischen Christen hai für mehrere Monate im partiellen Lockdown und die auszudrücken. Im Anschluss an den Gottesdienst gab Kirchen waren Ende Mai immer noch geschlossen) über es einen Empfang mit leckeren kleinen spanischen Spe- Wechat Firmgruppen und Zoom Gottesdienste stattfin- zialitäten. den musste, bis dann Anfang Mai schon die Beichtge- Allen Gläubigen war die Freude anzumerken, wieder spräche und ein gemeinsamer Jugendgottesdienst von einen „offline Gottesdienst“ mitfeiern zu können. Alle Firmanden und Konfirmanden in einer „Untergrundbar“ Jugendlichen werden diesen Firmungsgottesdienst auf- wieder „offline“ möglich waren. grund des außergewöhnlichen Ortes in diesem beson- Er stellte jedoch deutlich heraus, dass diese besondere deren Jahr auch niemals vergessen. Zeit den Jugendlichen geholfen hat, in den Gaben des Pfarrer Michael Bauer Hl. Geistes von Verstand, Erkenntnis und Weisheit zu wachsen, und sie in den letzten Monaten sowohl menschlich wie auch glaubensmäßig gereift seien. Pfarrer Bauer ermunterte die Jugendlichen auch anhand einiger Beispiele aus seinem Leben und aus Begegnungen in den letzten Wochen, auch die Gaben der Gottesfurcht, Frömmigkeit, Stärke und des Rates zu entdecken. Am Ende des Gottesdienstes sprach auch die deutsche Generalkonsulin Dr. Christine Althauser und die evange- lische Pfarrerin je ein kurzes Grußwort und auch die bei- den Direktoren der Deutschen Schulen Frau Hess und Herr Heineken waren anwesend. Fotos von Monja Tang miteinander 2-2020 I 13
AUS DEN GEMEINDEN KLEINE NACHTMUSIK AUS BANGKOK „Bei uns in der Moschee darf ich das nicht! Da spiele ich lieber bei den Katholiken in der Kirche!“ – sagte vor zwei Jahren der damals 16jährige Querflötist Wanorn zu seinen Eltern. Deren Reaktion ist zwar nicht bekannt, aber seit dieser Zeit ist er der dritte Querflötist im vierköpfigen Ensemble der thailändi- schen Künstler, die in der deutschsprachigen katholi- Nach dem plötzlichen Tod unseres Organisten, Herrn schen Gemeinde in Bangkok jeden Sonntag die Kir- Siegfried Thom, übernahm er die Organisation der Kir- chenmusik bestreiten. chenmusik, zunächst alleine, später mit einem Musik- studenten am Klavier. Khun Morrokot, Sohn einer phi- Wir wissen nicht, wem wir es zu verdanken haben: Dem lippinischen Mutter und eines thailändischen Vaters, Schicksal, dem Zufall oder vielleicht doch der Heiligen katholisch und heute 30 Jahre alt, sollte eigentlich nur Cäcilia. Jedenfalls stand vor vier Jahren ein junger Mann kurzfristig aushelfen. Aber die Wertschätzung unserer vor dem Sonntagsgottesdienst alleine in unserer Kapel- Gemeinde ließ ihn den Entschluss fassen, wie Khun Pat- le und spiele Querflöte. Auf die Frage, was ihn hierher- rick regelmäßig die Gottesdienste zu begleiten. führe, erzählte mir Khun Patrick, heute 30 Jahre alt, von seiner Geschichte. Es ist ein kleiner Zusatzverdienst neben seinem Studi- um des Klaviers und der Komposition, das er sehr Aufgewachsen ist er in der Evangelischen Kirche Thai- erfolgreich absolviert und bereits mehrere Preise dafür lands. „Die Gottesdienste waren mir immer zu lang und erhielt. „Wir kommen sehr gerne“, unterstreicht Khun zu streng. Die Predigt dauerte über eine Stunde. Da Patrick. „Nicht nur, weil wir hier Werke unterschiedli- konnte ich mich nicht konzentrieren. Aber bei den Katho- liken ging das schneller. Da konnte ich besser zuhören“. So entschloss er sich schließlich, zum Katholizismus zu konvertieren und wurde 2015 in die Kathedralgemeinde von Bangkok aufgenommen. Dort sang er aktiv im Chor mit, aber „deine Querflöte brauchen wir hier nicht“, war die Antwort auf sein musikalisch-instrumentales Ange- bot. Enttäuscht holte er sich Rat bei seinem Lehrer und Men- tor, der ihn auf die deutschsprachigen Katholiken und deren Gottesdienst verwies. Und so stand Khun Patrick eines Morgens mit seiner Querflöte in unserer Kapelle. Der Beginn einer sehr musikalischen Zusammenarbeit. 14 I miteinander 2-2020
AUS DEN GEMEINDEN cher Komponisten aufführen dürfen. In den örtlichen Kirchen darf nur sakrale Kirchenmusik gespielt werden. Eine kleine Zusammenstellung mit neun Stücken aus Hier haben wir mehr Möglichkeiten. Was uns sehr freut, der Top 10 der barocken, klassischen und romanti- ist, dass wir hier auch eine Bezahlung erhalten.“ In ande- schen Musik deutscher Komponisten – professionell ren thailändischen Kirchengemeinden erhalten die aufgenommen mit drei Kameras, Ton und Beleuchtung, Musiker zwar Gotteslohn, der sich aber offensichtlich fachkundig zusammengeschnitten mit Eindrücken aus nicht angemessen für den täglichen Lebensunterhalt dem nächtlichen Bangkok war das Ergebnis – eben eines Studenten umsetzen lässt. eine kleine Nachtmusik. Auf seine Einladung hin kommen seit zwei Jahren auch Trotz gezielter Vorbereitung musste alles recht schnell zwei seiner Schüler mit dazu. Khun Earth und Wanorn, gehen. Das Zeitfenster war begrenzt. Die relativ späte ebenfalls Musikstudenten mit Hauptfach Querflöte, der Dämmerung, das nicht zu bremsende Engagement der eine Buddhist, der andere Moslem. Grillen in den Bäumen mit ihrem durchdringenden Gesang, die notgedrungene Unterbrechung durch So bilden sie unser kirchenmusikalisches interreligiöses einen lärmenden und lähmend langsamen Müllwagen, Ensemble mit drei Querflöten und einem Piano. Neben sowie die um 22.00 Uhr drohende Ausgangssperre sorg- der Gemeinde ist die Musik tragender Bestandteil der ten für ein zügiges Vorgehen. Inklusive der neugierigen, Liturgie. Nicht nur die Liedbegleitung, auch die Instru- buchstäblichen Zaungäste, die solch eine Musik in der mentalstücke heben die Stimmung. Die Gemeindemit- Soi Sai Nam Tip (Weihwasserstraße – wirklich!) noch glieder schätzen es sehr, dass es in einer ohrenbetäu- nie gehört hatten. Aber am Ende war alles im Kasten. benden Stadt wie Bangkok mit einer Kakophonie an Lärm wenigstens einmal in der Woche einen Ort der „Ich bin so dankbar, dass ich in der deutschsprachigen musikalischen Harmonie gibt. Neben dem Spirituellen Gemeinde meine Musik aufführen darf. Sonst habe ich sicher auch ein wesentlicher Anlass, unsere Gottesdien- dazu nicht diese Gelegenheit“, sagt Khun Earth nach ste zu besuchen. den Aufnahmen und strahlt über sein ganzes asiati- sches Gesicht, bevor er es wieder hinter seiner Atem- Der Corona bedingte Lockdown – wir haben die Kirche schutzmaske versteckt. eigenständig und vorauseilend schon Ende Februar geschlossen – hat natürlich Folgen und wir helfen, wo Und tatsächlich: Klassische Musik unter dem aufge- wir können. Unseren Musikern bieten wir eine angemes- henden Vollmond inmitten dieser quirligen Metropole, sene Lohnfortzahlung an. Aber viele vermissen die das „Guten Abend, gut´ Nacht“ von Johannes Brahms, Unmittelbarkeit der Gottesdienste, das Gebet, den Aus- das war schon eine bezaubernde Atmosphäre, die auch tausch und das wöchentliche Zusammenkommen. Über im Video eingefangen wurde. Sicher nicht zum letzten Online-Angebote und Gottesdienstvorlagen, sowie Live- Mal. Streamings gibt es zwar Alternativen, aber sie bleiben alle hinter dem Wesentlichen zurück. Auch die Musik. „Schön, den Garten zu sehen, wo wir sonst unsere Fes- te feiern, und unsere Musiker, und die schöne Musik. Daher entstand aus dem Unterstützungsangebot durch Das tut so gut, und das fühlt sich fast an wie zu Hause“, das Auswärtige Amt in Berlin und die Onlineplattform drückt sich Klaus, ein saisonales Gemeindemitglied, „Kulturama“ des Goethe-Institutes die Idee, unseren beim Abschiedsgespräch in Bezug auf das veröffent- Musikern eine virtuelle weltweite Bühne zu bieten, ihre lichte Video aus, bevor er wieder nach Deutschland Musik zu uns nach Hause zu bringen. reist. Ein halbes Jahr verbringt er in der thailändischen Metropole, die anderen sechs Monate im Schwarzwald. Unter Rücksicht auf die Hygienemaßnahmen und nach- Er freut sich schon auf den kommenden Besuch im dem es auch wieder möglich war, Filmproduktionen zu Herbst und auf die Kirchenmusik – zur Ehre Gottes und machen, stellten unsere Musiker eine kleine Nachtmu- zur Freude der Menschen. sik auf die Beine. Auf Initiative der katholischen und der evangelischen Gemeinde und unter Mitwirkung einer Siehe auch: YouTube unter „Eine kleine Nachtmusik örtlichen deutschen Filmproduktionsfirma konnten wir aus Bangkok 2020“ im nächtlichen und illuminierten Pfarrhausgarten die Musik einspielen. Bangkok, Mai 2020, Pfarrer Jörg Dunsbach miteinander 2-2020 I 15
CHRISTENTUM IN ZEITEN DER KRANKHEIT Christentum in Zeiten der Krankheit U nsere Welt ist krank. Ich meine damit nicht nur die Pandemie des Coronavirus, sondern auch den Zustand unserer Zivilisati- Wenn die Kirche ein „Lazarett“ sein soll, soll sie auf jeden Fall gesundheitliche, soziale und karitative Dien- ste anbieten, wie sie das seit Anbeginn ihrer Geschichte tat. Die Kirche soll jedoch wie ein gutes Krankenhaus on. Das globale Phänomen der Corona- noch weitere Aufgaben erfüllen: die Diagnose („die Zei- Pandemie macht dies deutlich. Es ist, biblisch chen der Zeit“ zu erkennen), die Prävention (Gesell- gesagt, ein Zeichen der Zeit. schaften, in denen sich die bösartigen Viren der Angst, des Hasses, des Populismus und des Nationalismus Viele von uns haben noch zu Beginn dieser ungewöhnli- verbreiten, zu immunisieren) und die Rekonvaleszenz chen Fastenzeit gedacht, dass diese Epidemie zwar (durch die Vergebung die Traumata der Vergangenheit einen kurzfristigen Blackout verursache, eine Störung aufzulösen). der gewöhnlichen Abläufe der Gesellschaft, dass wir aber alles irgendwie überstehen werden und dann bald wieder zum alten Modus zurückkehren könnten. Aber so Leere Kirchen als Zeichen und Aufruf wird es nicht kommen. Und es wäre schlecht, wenn wir uns darum bemühen würden. Nach dieser globalen Erfahrung wird die Welt nicht mehr die selbe sein wie vor- Letztes Jahr brannte vor Ostern die Pariser Kathedrale her – und offensichtlich soll sie auch nicht mehr die sel- Notre Dame nieder. Dieses Jahr finden in der Fastenzeit be sein. in Hunderttausenden von Kirchen vieler Kontinente - und auch in Synagogen und Moscheen - keine Gottes- Es ist natürlich, dass wir uns in Zeiten einer Katastrophe dienste statt. Als Priester und Theologe denke ich über zunächst für die zum Überleben notwendigen materiel- die leeren und geschlossenen Kirchen nach. Ich sehe len Dinge interessieren. Aber es gilt weiterhin: „Der sie als ein Zeichen Gottes und als eine Aufruf. Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Es ist nun an der Zeit, auch die tieferen Zusammenhänge dieser Erschütte- Die Sprache Gottes in den Ereignissen unserer Welt zu rung der Sicherheiten unserer Welt in den Blick zu neh- verstehen erfordert die Kunst der geistigen Unterschei- men. Der unausweichliche Prozess der Globalisierung dung, und diese setzt eine kontemplative Distanz zu hat anscheinend seinen Höhepunkt erreicht: Jetzt zeigt unseren erregten Emotionen und Vorurteilen, zu den sich die globale Verwundbarkeit der globalisierten Welt. Projektionen unserer Ängste und Wünsche voraus. In Momenten der Katastrophe werden die „schlafenden Agenten eines bösen, rachsüchtigen Gottes“ lebendig; Die Kirche als Feldlazarett sie verbreiten Angst und versuchen, religiöses Kapital für sich aus der Situation herauszuschlagen. Ihre Vision von Gott ist schon seit Jahrhunderten Wasser auf die Welche Herausforderung stellt diese Situation für das Mühlen des Atheismus. Christentum, für die Kirche – also einen der ersten „Glo- bal Player“ – und für die Theologie dar? In Katastrophen-Zeiten suche ich nicht einen Gott, der wie ein zorniger Regisseur sich hinter die Bühne unse- Die Kirche sollte so sein, wie sie Papst Franziskus haben rer Welt gesetzt hat, sondern ich nehme ihn als Kraft- möchte: „ein Feldlazarett“. Der Papst meint mit dieser quelle wahr, die in denen wirkt, die in solchen Situatio- Metapher, dass die Kirche sich nicht in der bequemen nen eine solidarische und aufopfernde Liebe erweisen - „splendid isolation“ von der Welt absondern sollte, son- ja auch in denen, die dazu keine „religiöse Motivation“ dern über ihre Grenzen hinausgehen und denen helfen haben. Gott ist eine demütige und diskrete Liebe. sollte, die physisch, psychisch, sozial und geistlich ver- wundet werden. Dadurch kann sie auch dafür Buße tun, Ich werde jedoch die Frage nicht los, ob die Zeit der lee- dass auch ihre Repräsentanten noch bis vor kurzem Ver- ren und geschlossenen Kirchen für die Kirche nicht letzungen von Menschen zuließen, sogar der wehrloses- einen warnenden Blick durch das Fernrohr in eine ver- ten. Versuchen wir jedoch, diese Metapher weiter zu den- hältnismäßig nahe Zukunft darstellt: So könnte das in ken - und sie noch tiefer mit dem Leben zu konfrontie- ein paar Jahren in einem Großteil unserer Welt ausse- ren. hen. Sind wir denn nicht genug gewarnt durch die Ent- wicklung in vielen Ländern, in denen sich die Kirchen, 16 I miteinander 2-2020
CHRISTENTUM IN ZEITEN DER KRANKHEIT Mons. Prof. PhDr. Tomáš Halík, Th.D.,Dr.h.c. Klöster und Priesterseminare immer weiter leerten und Ich sehe keine glückliche Lösung darin, dass wir uns schlossen? Warum machten wir für diese Entwicklung während des Verbots öffentlicher Gottesdienste allzu so lange äußere Einflüsse („den Tsunami des Säkularis- schnell mit künstlichen Ersatzmitteln in Form von Fern- mus“) verantwortlich und wollten nicht zur Kenntnis neh- sehübertragungen von Heiligen Messen behelfen. Eine men, dass ein weiteres Kapitel der Geschichte des Wende hin zu einer „virtuellen Frömmigkeit“, zum Christentums zu Ende geht, und es daher notwendig ist, „Mahl aus der Ferne“ und das Knien vor dem Bild- sich auf das nächste vorzubereiten? schirm ist in der Tat eine seltsame Sache. Vielleicht sol- len wir eher die Wahrheit des Wortes Jesu erleben: „Wo Vielleicht zeigt diese Zeit der leeren Kirchen den Kirchen zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da symbolisch ihre verborgene Leere und eine mögliche bin ich mitten unter ihnen.“ Zukunft auf, die eintreten könnte, wenn die Kirchen nicht ernsthaft versuchen, der Welt eine ganz andere Haben wir denn wirklich gedacht, dass wir den Mangel Gestalt des Christentums zu präsentieren. Zu sehr an Priestern in Europa mit dem Import von „Ersatztei- waren wir darauf bedacht, dass die „Welt“ (die anderen) len“ aus den scheinbar unergründlichen Lagern in umkehren müsste, als dass wir an unsere eigene „Um- Polen, Asien und Afrika ausgleichen könnten, um die kehr“ gedacht hätten - nicht nur an eine „Verbesserung“, Maschinerie der Kirche am Laufen zu halten? Sicher sondern an die Wende vom statischen „Christ sein“ zum sollen wir die Impulse der Amazonas-Synode ernst neh- dynamischen „Christ werden“. men, aber gleichzeitig einen größeren Raum für den Dienst der Laien in der Kirche schaffen; vergessen wir Als im Mittelalter die Kirche die Strafe des Interdikts im nicht, dass die Kirche in vielen Gebieten ganze Jahrhun- Übermaß verhängte und in Folge dieses „General- derte ohne Priester überstand. Vielleicht ist dieser „Aus- streiks“ des gesamten kirchlichen Apparats in vielen nahmezustand“ nur ein Hinweis auf eine neue Form der Regionen keine Gottesdienste stattfanden und keine Kirche, von der es jedoch bereits in der Geschichte Prä- Sakramente gespendet wurden, begannen die Men- zedenzfälle gab. schen, eine persönliche Beziehung zu Gott, den „nack- ten Glauben“, zu suchen - Laien-Bruderschaften und die Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere christlichen Mystik erlebten einen großen Aufschwung. Kommunitäten, Pfarreien, Kollegien, kirchliche Bewe- gungen und Ordenskommunitäten dem Ideal annähern Dieser Aufschwung der Mystik hat bestimmt zur Entste- sollten, aus dem die europäischen Universitäten ent- hung der Reformationen beigetragen, sowohl der von standen sind: eine Gemeinschaft von Schülern und Leh- Luther, als auch der von Calvin, als auch der katholi- rern zu sein, eine Schule der Weisheit, in der die Wahr- schen Reformation, die mit den Jesuiten und der spani- heit durch freie Disputation und durch tiefe Kontempla- schen Mystik verbunden war. Vielleicht könnte auch heu- tion gesucht wird. Aus solchen Inseln der Spiritualität te die Wiederentdeckung der Kontemplation die „syno- und des Dialogs kann eine genesende Kraft für die kran- dalen Wege“ zu einem neuen Reformkonzil ergänzen. ke Welt hervorgehen. Kardinal Bergoglio zitierte einen Tag vor seiner Wahl zum Papst eine Aussage aus der Apokalypse: Christus steht an der Tür und klopft an. Er Aufruf zu einer Reform fügte hinzu: Heute klopft jedoch Christus aus dem Inne- ren der Kirche an und will hinaus gehen. Vielleicht hat er das gerade getan. Vielleicht sollen wir das jetzige Fasten von den Gottes- diensten und vom kirchlichen Betrieb als einen kairos annehmen, als eine Zeit der Gelegenheit zum Innehal- Wo ist das Galiläa unserer Zeit? ten und zu einem gründlichen Nachdenken vor Gott und mit Gott. Ich bin überzeugt, dass die Zeit gekommen ist, in der man überlegen sollte, wie man auf dem Weg der Schon viele Jahre denke ich über den bekannten Text Reform weitergehen will, von deren Notwendigkeit Papst Friedrich Nietzsches über den „tollen Menschen“ nach Franziskus spricht: weder Versuche einer Rückkehr in (einem Narr, dem einzigen, dem es erlaubt ist, die Wahr- eine Welt, die es nicht mehr gibt, noch ein Sich- heit zu sagen), der den „Tod Gottes“ verkündet. Das Verlassen auf bloße äußere Reformen von Strukturen, Kapitel endet damit, dass jener „tolle Mensch“ in die sondern eine Wende hin zum Kern des Evangeliums, ein Kirchen ging, um dort das „Requiem aeternam Deo“ „Weg in die Tiefe“. miteinander 2-2020 I 17
CHRISTENTUM IN ZEITEN DER KRANKHEIT Christentum in Zeiten der Krankheit anzustimmen und fragte: „Was sind denn diese Kirchen gen. Wir müssen unsere bisherigen Vorstellungen von noch, wenn sie nicht die Gräber und die Grabmäler Got- Christus ablegen. tes sind?“ Ich gestehe ein, dass mich schon lange ver- schiedene Formen der Kirche an kühle und prachtvolle Der Auferstandene ist durch die Erfahrung des Todes Grabmale eines toten Gottes erinnern. Dieses Jahr an radikal verändert. Wie wir in den Evangelien lesen, Ostern werden wahrscheinlich viele unsere Kirchen leer konnten ihn nicht einmal seine Nächsten und Liebsten sein. An irgendeinem anderen Ort werden wir das Evan- erkennen. Wir müssen nicht gleich alles glauben, was gelium vom leeren Grab vortragen. Wenn uns die Leere uns berichtet wird. Wir können darauf bestehen, dass der Kirche an ein leeres Grab erinnern wird, sollten wir wir seine Wunden berühren wollen. Wo begegnen wir nicht die Stimme von oben überhören: „Er ist nicht hier. ihm heute übrigens mit größerer Gewissheit, wenn Er ist auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa.“ nicht gerade in den Wunden der Welt und in den Wun- den der Kirche, in den Wunden des Körpers, die er auf Die Anregung zur Meditation für dieses seltsame Ostern sich genommen hat? lautet: Wo ist dieses Galiläa von heute, wo können wir dem lebendigen Christus begegnen? Wir müssen unsere proselytischen Absichten ablegen. Wir dürfen deshalb in die Welt der Suchenden nicht ein- Soziologische Studien sagen uns, dass in unserer Welt treten, um diese schnellstmöglich zu „bekehren“ und die „Beheimateten“ weniger werden (und zwar sowohl sie in die bestehenden institutionellen und mentalen diejenigen Menschen, die sich völlig mit einer traditio- Grenzen unserer Kirchen einzuengen Auch Jesus, der nellen Form von Religion identifizieren als auch die „die verlorenen Schafe des Hauses Israel“ suchte, führ- Anhänger eines dogmatischen Atheismus) und die „Su- te diese nicht in die bestehenden Strukturen der dama- chenden“ mehr werden. Darüber hinaus steigt jedoch ligen jüdischen Religion hinein. Er wusste, dass man die Anzahl der „Apatheisten“ - Menschen, die sowohl neuen Wein in neue Schläuche einfüllen muss. religiöse Fragen als auch traditionelle Antworten gleich- gültig lassen. Wir wollen aus dem Schatz der Tradition, die uns anver- traut wurde, sowohl neue als auch alte Sachen heraus- Die Hauptlinie der Aufteilung läuft nicht mehr zwischen holen, um sie zum Bestandteil des Dialoges mit den denjenigen, die sich für Gläubige halten und denjenigen, Suchenden zu machen; eines Dialoges, in dem wir von- die sich für Ungläubige halten. „Suchende“ gibt es einander lernen können und sollen. Wir sollen lernen, sowohl unter den Gläubigen (das sind diejenigen, für die die Grenzen unseres Verständnisses von Kirche radikal der Glaube nicht ein „ererbtes Eigentum“ ist, sondern zu erweitern. Es reicht nicht mehr aus, dass wir im Tem- eher „ein Weg“), als auch unter den „Ungläubigen“, die pel der Kirche den „Vorhof für die Heiden“ großzügig öff- religiöse Vorstellungen ablehnen, die ihnen ihre Umge- nen. Der Herr hat bereits „von innen“ angeklopft und er bung vorlegt, die jedoch trotzdem die Sehnsucht nach ist bereits hinausgegangen - und es ist unsere Aufgabe, einer Quelle spüren, die ihren Durst nach dem Sinn stil- ihn zu suchen und ihm zu folgen. Christus ist durch jene len könnte. Ich bin davon überzeugt, dass dieses „Gali- Tür hindurch gegangen, die wir aus Angst vor den ande- läa von heute“, wohin man gehen soll, um den Gott zu ren verschlossen hatten, er ging durch die Wand, hinter suchen, der durch den Tod hindurch ging, die Welt der der wir uns verschanzten, er öffnet uns einen Raum, vor Suchenden ist. dessen Breite und Tiefe uns schwindelig wurde. Gleich zu Beginn ihrer Geschichte erlebte die Foto junge Kir- von Peter Diry Die Suche nach Christus bei den che aus Juden und Heiden die Zerstörung des Tempels, in dem Jesus gebetet und seine Jünger gelehrt hatte. Suchenden Die damaligen Juden fanden darauf eine mutige und kreative Antwort: Den Altar des zerstörten Tempels ersetzte der Tisch der jüdischen Familie, die Opferbe- Die Befreiungstheologie lehrte uns, Christus bei den stimmungen wurden durch die Bestimmungen zum pri- Menschen am Rande der Gesellschaft zu suchen; es ist vaten oder gemeinsamen Gebetes ersetzt, die Brand- jedoch notwendig, ihn auch bei den Menschen zu opfer und die blutigen Opfer wurden ersetzt durch die suchen, die in der Kirche marginalisiert sind; bei denen, Opfer der Lippen, der Gedanken und des Herzens, das die „nicht mit uns gehen“. Wenn wir als Jünger Jesu dort Gebet und das Studium der Schrift. Ungefähr zur sel- eintreten wollen, müssen wir zunächst viele Dinge able- 18 I miteinander 2-2020
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