Stadt journal Dezember 2016 - Rapperswil-Jona
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stadt journal STADTENTWICKLUNG NEUE AUSBILDUNG Das offizielle Magazin der Stadt Rapperswil-Jona Dezember 2016 JUGENDREPORTER Lebendigkeit und Eine Schule für Der Hype um Vielfalt fördern Informatiker Pokémon Go «Nasses Terrain liegt mir am besten» Dario Lillo, Schüler der Sportschule Rapperswil-Jona
porträt Foto : Katharina Wernli 2 Dezember 2016 Impressum Das «Stadtjournal», das offizielle Magazin der Stadt Rapperswil-Jona, erscheint zwei- bis dreimal jährlich und wird an alle Haushaltungen in Rapperswil-Jona verteilt. Zusätzliche Exemplare sind auf Anfrage bei der Stadtkanzlei erhältlich. Redaktion Herausgeberin : Hansjörg Goldener (Leitung), Antonio Cortesi, Stadtverwaltung Rapperswil-Jona Markus Gisler, Jacqueline Olivier, St. Gallerstrasse 40 Thomas Rüegg, Laura Verbeke 8645 Jona Design Katja Hösli, MDC GmbH, Teufen AR Druck Bruhin Druck AG, Freienbach
porträt Dezember 2016 3 EDITORIAL Anstand bleibt Liebe Einwohnerinnen und Einwohner besondere in Rapperswil-Jona und bei von Rapperswil-Jona allen Kandidierenden für Stadtrat und Stadtpräsidium. Das ist ein gutes Omen « Du sprichst ein grosses Wort gelassen für die Kesb-Klage – denn die bevorste- aus », liess einst Johann Wolfgang von henden Gerichtsverhandlungen sind Goethe einen seiner Protagonisten sagen. die einzige Möglichkeit, in dieser Frage Wie viele andere Stellen aus Goethes Transparenz herzustellen. Wie so oft im Werk wird dieser Satz bis anhin gerne Leben behaupten die einen dies und die zitiert. Welches konkrete Wort damals anderen das. Bisher haben die Bürger- ausgesprochen wurde, spielt für die Zitie- innen und Bürger nur die Version der renden in der Regel keine Rolle mehr. Wir «Obersee Nachrichten» zu Ohren bekom- nehmen uns heute die Freiheit, selber zu men. Da kann es alle nach Transparenz bestimmen, was ein grosses Wort ist. Ich Rufenden nur freuen, dass in abseh- muss derzeit nicht lange überlegen, wel- barer Zeit eine hoffentlich öffentliche ches Wort das für mich ist. « Anstand » ist Gerichtsverhandlung zu diesem Thema es und « Anstand bleibt » es. stattfinden wird. Dann kommt alles auf den Tisch oder ans Tageslicht, was Den Anstand zu bewahren, wenn an- bisher im Verborgenen liegen blieb oder dere jeden Anstand verloren haben, ist liegen bleiben musste. nicht einfach. Vielleicht ist mir das in den vergangenen Monaten auch nicht Leider müssen wir alle uns noch etwas immer gelungen. Dennoch bleibe ich gedulden, bis die besagte Gerichtsver- der Überzeugung, dass unsere Gesell- handlung stattfindet. Gerne können schaft, unser Zusammenleben und nicht Sie sich, liebe Einwohnerinnen und zuletzt unsere Demokratie nur dann Erich Zoller Einwohner, die Zeit bis dahin vertreiben funktionieren, wenn Werte wie Respekt, Stadtpräsident und sich der Lektüre des «Stadtjournals» Verantwortungsbewusstsein, Uneigen- widmen. Das zentrale Thema ist diesmal nützigkeit, Fairness oder Solidarität ge- folge verbuchen. Nachhaltig sind solche die Stadtentwicklung. Weiter finden Sie pflegt und geschätzt werden. Diese und Erfolge allerdings nicht. unter anderem Beiträge über die geplante andere Qualitäten sind es, die Anstand Informatikmittelschule oder das Netz- ausmachen. Wer das aufs Spiel setzt, wer Denn auch Ehrlichkeit und Transparenz werk Sportschule. Also wie stets ein ganz damit spielt und wer sich auf diese Spiele sind Facetten des Anstands. Immerhin anständiger Katalog spannender Artikel. einlässt, kann vielleicht kurzfristige Er- die Transparenz ist gross in Mode – ins- Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen. Inhalt 4 Aktuelles aus der Stadt 6 Netzwerk Sportschule: Gemeinsam Anschlusslösungen finden 10 Ein neues Kapitel der Stadtentwicklung 12 Interview: Was bedeutet Nutzungs- und Identitätsentwicklung? 16 Die Stadt in Zahlen: « Rösseler » sind eine exklusive Gruppe 19 Stadtrat Markus Gisler zieht Bilanz 20 Der Hype um Pokémon Go – die Jugendreporter auf Spurensuche 22 10 Fragen an Carmen Betschart, Leiterin Sekretariat Stadtkanzlei 23 Ethic Hacker: Wie Compass Security virtuelle Sicherheitslücken aufdeckt 26 Die Informatikmittelschule soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken Dezember 29 Auswahl aus über 100 Kursen und Ausflügen dank Ferienpass 32 Daniela Colombo – durch und durch bibliophil 2016 34 Hausgeschichten: Der « Frauenhof » am Hauptplatz
news aus der stadt 4 Dezember 2016 Rapperswil-Jona an der Expo Was die Einwohner über die Stadt zu sagen haben An der diesjährigen Expo von Stadtgebiets oder die Schliessung Ausserdem wurde unter anderem Ende September / Anfang Oktober der Lücken im Velowegnetz. Unzu- der Wunsch nach mehr Mitwirkung präsentierte die Stadt den Bildungs- friedenheit wurde über Velofahrer in der Raumplanung sowie Lob für standort Rapperswil-Jona. Neben ohne Licht oder fehlende Fahrpläne den neuen Bahn- und Bushof Jona, der Volksschule standen insbe- an den Bushaltestellen Erlen und den Bauvorstand oder die kinder- sondere das Berufs- und Weiter- Wagen ausgedrückt. freundliche Stadt geäussert. (red) bildungszentrum Rapperswil-Jona Foto: zvg (BWZ) und die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) im Zent- rum. Und die Informatikmittelschu- le, die im August 2017 in Koopera- tion mit der HSR am BWZ eröffnet wird (siehe Artikel Seite 26). Am Stand der Stadt konnten sich die Besucher aber nicht nur informieren. Unter dem Motto « Was ich über die Stadt Rapperswil-Jona schon immer sagen wollte » waren sie aufgefordert, auf einer Karte ihre Meinung kundzutun. Unter jenen, welche die Gelegenheit genutzt haben, war der Verkehr ein wichtiger Punkt. Angeregt wurden zum Beispiel die Trennung von Fussgänger- und Velowegen, eine Spurentrennung an der Erlen- strasse, ein Gratisbus innerhalb des Die Stadt präsentierte sich als Bildungsstandort für alle. Hindernisfreies Bauen Ein digitaler Stadtplan für Menschen mit Handicaps Wie steht es um die Zugänglichkeit von Gebäuden in der Stadt Foto: zvg Rapperswil-Jona für Menschen mit einer Behinderung, für ältere Menschen und Familien mit Kinderwagen? Dies wird derzeit von Pro Infirmis St. Gallen–Appenzell in enger Zusam- menarbeit mit der Bauverwaltung der Stadt Rapperswil-Jona überprüft. Das Ziel der Unternehmung: die Erstellung eines digitalen Stadtplans, der es den Betroffenen erleichtert, sich selbstständig auf dem Stadtgebiet zu bewegen. Erfasst werden öffentliche Gebäude wie das Stadthaus, Schulen oder Kultureinrichtungen, aber auch wichtige Einrich- tungen wie Bancomaten oder öffentliche Anlagen. Aufgrund vordefinierter Kriterien wie Behindertenparkplätze, Rampen, Toiletten oder Lifte werden die erfassten Objekte mithilfe von Piktogrammen gekennzeichnet, zum Beispiel « rollstuhlgängig », « eingeschränkt rollstuhlgängig » oder « nicht rollstuhlgängig ». Die erfassten Daten und die zugeteilten Piktogramme Mit Piktogrammen sollen die erfassten Objekte auf dem digitalen werden anschliessend auf dem interaktiven Stadtplan von Stadtplan gekennzeichnet werden. Rapperswil-Jona veröffentlicht und stehen den verschiedenen Partnern von Pro Infirmis und der Öffentlichkeit zur Verfü- Das Projekt von Pro Infirmis läuft bereits in verschiedenen gung. Um den Benutzern weitere wichtige Informationen zur Schweizer Städten. In absehbarer Zeit sollen in allen Regionen der Ausstattung der Gebäude zu liefern, werden zudem einige Schweiz Stadtpläne für Menschen mit Handicaps entstehen. (red) Fotos von wichtigen Bauelementen veröffentlicht. > www.citymaps.ch
news aus der stadt Dezember 2016 5 Zweites Studentenwohnheim 88 weitere Zimmer für Studenten der HSR Drittel der zurzeit 1600 Studentinnen und Studenten kommt aus entfernten Foto: HSR Regionen und braucht deshalb eine Unterkunft in der Stadt. Das vor zwei Jahren eröffnete Studentenwohnheim neben dem Schulhaus Weiden platzt bereits wieder aus allen Nähten. Darum soll jetzt gleich daneben ein zweites Wohnheim gebaut werden. Im neuen Gebäude sind auf den zwei Obergeschossen jeweils sechs Wohngruppen à sechs Zimmer und eine Wohngruppe à acht Zimmer vorgese- hen. Insgesamt werden so 88 weitere Zimmer bereitstehen. Bauherrin ist die Stiftung zur Förderung der HSR, welche die Finan- zierung sichert. Mit der Ausführung beauftragt wurde das gleiche Team wie beim ersten Wohnhaus, sodass der Neubau die gleiche architekto- nische Handschrift tragen wird. Das Baubewilligungsverfahren wurde vor Das erste Studentenwohnheim ist ausgebucht. Nun entsteht daneben ein zweites. Kurzem abgeschlossen, bald werden die Bagger auffahren. Zu Beginn des Die Hochschule für Technik Rappers- ganzen Schweiz sowie Austauschstu- Herbstsemesters 2018 sollen die Zim- wil (HSR) zieht junge Leute aus der denten aus dem Ausland an. Rund ein mer bezugsbereit sein. (red) Energiespartipp Die Heizung regulieren und Energiekosten senken Nach der Sommerpause verlangt Ihre Heizung nach einer schafft ein behagliches Raumklima für alle Bewohnerinnen Funktionskontrolle. Stellen Sie zu Beginn der Heizperiode fest, und Bewohner. (red) ob mögliche Unregelmässigkeiten bestehen, und beheben Sie deren Ursachen. Quelle: Energieagentur St. Gallen • Sind der Heizraum und die Frischluftöffnung gereinigt? Nur saubere Luft führt zu einer vollständigen, sauberen Verbrennung. • Ist es im ganzen Haus zu kalt oder zu warm? Passen Sie die Betriebszeiten an und justieren Sie die Heizkurve schrittweise. • Werden einzelne Räume oder Heizkörper nicht gleich warm? Entlüften Sie die Heizkörper, prüfen Sie den Was- serstand, die Umwälzpumpe und das Expansionsgefäss und führen Sie den hydraulischen Abgleich schrittweise durch. Hilfestellungen zu diesen Massnahmen finden Sie im Handbuch Im «Stadtjournal» veröffentlicht die Ener- Ihrer Heizanlage oder bei Heizungsfachleuten. giestadt Rapperswil-Jona jeweils in dieser Rubrik einen Tipp, wie man im Alltag ganz Wer seine Heizung energieeffizient betreibt und unnötige einfach Energie sparen kann. Verluste vermeidet, sorgt für minimale Energiekosten und
aktuell 6 Dezember 2016 Spitzensport und Ausbildung – guter Wille ist gefragt Für jugendliche Spitzensportler ist es oft schwierig, Training und Lehre unter einen Hut zu bringen. Im neuen «Netzwerk Sportschule» engagieren sich die Schule, Sportvereine, das Gewerbe und wei- tere Akteure, damit Sporttalente in Zukunft eine adäquate Anschlusslösung finden. Text: Stefan Hartmann ren vielleicht die United School of Sports war auch Schulpräsident Thomas Rüegg. Fotos: Andreas Schwaiger mit KV-Ausbildung, besuchen die Infor- Man beschloss die Gründung einer Task- matik-, Handels und Sprachschule (HBS) force, die bereits drei Wochen später Terry Schnyder hat die Talentklasse im in Rapperswil-Jona oder sie planen ein erstmals zusammenkam. Seither agiert Schulhaus Rain besucht. Seit August Praktikumsjahr im Ausland. Das kann sie unter dem Namen « Netzwerk Sport- 2016 absolviert der 16-Jährige eine Lehre zum Beispiel ein Englischkurs in Kanada schule » und mit dem Ziel, den jungen als Bewegungsinstruktor im Fitnessstu- sein, mit dem sich das Eishockeytraining Sporttalenten gute Anschlusslösungen dio « Chili » in Dürnten. Er lernt, Trai- verbinden lässt. zu ermöglichen. ningspläne zu erstellen und auf Wunsch Dies bedeutet vorderhand vor al- des Kunden die Übungen zu begleiten. Betriebe für das Thema sensibilisieren lem, weiterführende Schulen und mehr Sein Lehrmeister hat ihm beigebracht, Die Sportschule wurde 2014 ins Leben noch die Betriebe in der Region für die dass es wichtig ist, stets den richtigen gerufen, als weitere Spezialisierung Bedürfnisse des Sportnachwuchses zu Ton zu treffen, am Telefon oder im Um- nach dem Modell der bereits bestehen- sensibilisieren. Im Januar dieses Jahres gang mit Kunden. « Der Kunde ist Kö- den Talentklassen, in denen neben den lud der Verein Rapperswil-Jona Lakers nig», sagt Terry und lacht. Die Lehre im sportlichen auch musikalische und im Namen des Netzwerks zu einer ersten Fitnessstudio erlaubt es ihm, dennoch künstlerische Nachwuchstalente geför- Informationsveranstaltung in die Diners seinem Eishockeytraining bei der No- dert werden. Da die Sportler deutlich Club Arena ein. Den Anwesenden wurde vizen-Elite der Rapperswil-Jona Lakers in der Überzahl waren, fasste man sie das Modell der Sportschule vorgestellt, nachzugehen. Und das sind gut und ger- in der Sportschule im Schulhaus Boll- zwei Leistungssportler berichteten auf- ne 15 Stunden pro Woche. wies zusammen – Real- und Sek-Schü- grund ihrer eigenen Erfahrungen über « Chili »-Geschäftsführer Alain Kai- ler gemischt. Nächsten Sommer ist für den schwierigen Spagat zwischen Trai- ser fand, dass Sport gut zu Sport passe. die Schülerinnen und Schüler der Pilot- ning, Arbeit, Schule und Freizeit wäh- Darum wollte er seinem Lehrling eine klasse nun die besondere Förderung zu rend der Lehre, und Vertreterinnen der Chance geben. Terry ist viel auf Achse: Ende – und dann? Werden sie auch an der Berufs- und Laufbahnberatung zeigten Zweimal in der Woche, am Montag und Kanti oder während der Lehre genügend auf, welche Voraussetzungen ein Ausbil- Dienstag, besucht er die Berufsfachschu- Zeit finden für ihre intensiven Trainings? dungsplatz für ein Sporttalent erfüllen le in Basel, die Huber-Widemann-Schule Darüber hat man sich in der Sport- sollte. (HWS). « Mit etwas Einsatz kann er die schule, in der Schulverwaltung und in sportlich bedingten Absenzen im Be- den Sportvereinen schon eine Weile Flexibilität ist wichtig trieb oder in der Berufsschule gut bewäl- Gedanken gemacht. Was bringt es, die Für Michael Brunner, Schulleiter der tigen », sagt sein Chef. Nach drei Jahren Jugendlichen drei Jahre lang in Spe- Sportschule und Klassenlehrer der will Terry das Diplom als Fachmann für zialklassen zu fördern, wenn es danach 3. Sportklasse, ist klar, dass es Zeit brau- Bewegungs- und Gesundheitsförderung für sie aus beruflichen oder schulischen chen wird, bis die Bemühungen des heimtragen. Sportler haben klare Ziele. Gründen sportlich nicht weitergeht? Netzwerks wirklich greifen werden. Anfang November 2015 luden die « Insbesondere bei Handwerksberufen Intensive Suche nach Lehrplatz Sportschulen Rapperswil-Jona und Bu- wie Zimmerleuten, Spenglern oder Elekt- Szenenwechsel: Im Schulhaus Bollwies bikon zu einem Austausch über genau rikern ist von den Lehrbetrieben viel Fle- fiebern die 22 Schülerinnen und Schü- diese Frage ein. Sie richteten sich an xibilität gefragt, da die Mitarbeiter oft auf ler der 3. Sportklasse dem Übertritt ins Vertreter des Gewerbevereins Rappers- Baustellen sind. Muss der Lehrling zum Berufsleben entgegen. Sie sind die erste wil-Jona, der HBS, der Kantonsschulen Sporttraining in den Verein, sind krea- Sportklasse, die vor dem grossen Mo- Ausserschwyz, Wattwil und Zürcher tive Lösungen gefragt. » Trotzdem ist er ment steht. Drei sind sich bereits sicher: Oberland, des Berufs- und Weiterbil- überzeugt, dass es auch solchen Firmen zwei gehen an die Fachmittelschule, dungszentrums Rapperswil-Jona, der möglich ist, Sporttalente auszubilden, einer an die Informatikmittelschule. Berufsinformationszentren Uznach und man müsse sie nur dafür gewinnen. Cyclosportler Dario Lillo (siehe Porträt Zürich Oerlikon, der Partnersportver- Bei einer Umfrage, die anlässlich des S. 7) hatte bereits im September einen eine der beiden Sportschulen, von Swiss Informationsabends unter den Anwe- Lehrvertrag in der Tasche. Die anderen Olympic sowie der Sportämter der Kan- senden durchgeführt wurde, haben rund sind intensiv am Abklären; sie absolvie- tone St. Gallen und Zürich. Mit dabei 20 Gewerbetreibende signalisiert, 3
aktuell Dezember 2016 7 Mit dem Erfolg wächst auch der Ehrgeiz Der 14-jährige Dario Lillo aus Eschenbach ist Mountainbike- und Radquer-Fahrer. Die Sport- schule Rapperswil-Jona ermöglichte es ihm, Schule und Sport optimal zu kombinieren. Im nächsten Sommer wird er eine Lehre als Konstrukteur beginnen. Der 14-jährige Dario Lillo ist in Eschenbach zu Hause. Seit dem Feurer von der Abteilung Berufsbildung. Natürlich müssten dabei siebten Altersjahr sitzt er regelmässig im Sattel. Angefangen die Leistungen im Betrieb und in der Schule tadellos sein, heisst hat er als Mountainbiker. Er trainierte regelmässig im Veloclub es seitens des Betriebs weiter. Nicht alle könnten ihre Doppelrolle Eschenbach und nahm an regionalen Rennen teil. Mit dem wach- als Lernende und Spitzensportler gleich gut managen. Bei einigen senden Erfolg stieg auch die Motivation. Der Wunsch, auch im liessen mit der Zeit die Leistungen in der Schule oder im Betrieb Winter biken zu können, brachte ihn zum Radquer. So ist er nun nach, was einen hohen Betreuungsaufwand zur Folge habe. das ganze Jahr über gefordert. Als Individualsportler ist Dario nicht darauf angewiesen, re- Seit er die Sportschule Rapperswil-Jona besucht, fährt er gelmässige Trainings während der Arbeitszeit zu besuchen. Eher täglich mit dem Bike zum sieben Kilometer entfernten Schulhaus wird er wegen der Teilnahme an Rennen blockweise abwesend Bollwies. Obwohl einige Nebenfächer wegfallen, verlangen die sein. Mit der Unterstützung von Fredy Fritsche von der kantona- Pflichtschulfächer und das tägliche Bike-Training den vollen Ein- len Koordinationsstelle St. Gallen haben sich die Parteien darauf satz: Zweimal morgens hat er ein koordinatives Training auf dem geeinigt, im Lehrvertrag Darios Engagement als Leistungssportler Stundenplan, dann trainiert er zweimal mit dem Veloclub Eschen- festzuhalten. So kann, falls nötig, zu einem späteren Zeitpunkt bach, dazu kommen Trainings mit TSP United (Regional-Kader). eine weitergehende vertragliche Abmachung ausgehandelt wer- Seit Neuem fährt Dario ausserdem für das Powersport-Team, mit den. Dass sportlich talentierte Lernende bei Baumann Federn dem er ebenfalls regelmässig trainiert. grundsätzlich unterstützt werden, hat wohl auch damit zu tun, « Nasses Terrain liegt mir am besten », sagt er. Der bisherige dass der CEO des Unternehmens, Thomas H. Rüegg, sportlich Einsatz hat sich gelohnt: 2016 ist er Vize-Europameister an der Ju- selber sehr aktiv ist. (sth) gend-EM in Graz geworden, zudem hat er den Swiss-Bike- und den EKZ-Cup gewonnen. Seine diversen Podestplätze freuen ihn enorm. Selber Crowdfunding betreiben An Ehrgeiz und Ausdauer fehlt es Dario nicht, dafür oftmals an fi- nanzieller Unterstützung. Deshalb hat er auf «www.ibelieveinyou. ch», einer Crowdfunding-Plattform für Schweizer Sportler, ein Projekt gestartet. Denn der Materialverschleiss in seinem Sport ist hoch, der Ersatz teuer. Im Moment braucht er ein neues Radquer-Velo. Kostenpunkt: 3000 Franken. Mithilfe seines Projekts hofft er auf genügend Sponsoren, damit dieser Betrag zusammenkommt. Natürlich erbringt er dafür auch eine Gegen- leistung, je nach Höhe der Spende. Für kleinere Beiträge schreibt er dem Stifter zum Beispiel eine Postkarte aus dem nächsten Trai- ningslager, die grosszügigsten Sponsoren dürfen ihn an ein Ren- nen begleiten und hinter die Kulissen des Radsports blicken oder Dario zeigt ihnen seine Lieblingsrouten und lädt sie anschliessend zum Abendessen ein. Lehrstelle in der Tasche Nächsten Sommer steht für das junge Sporttalent der Beginn der Lehre an. Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche hatte er keine. « Ich habe vier Bewerbungen geschrieben », erzählt er, « und darin von Anfang an erwähnt, dass ich Leistungssport betreibe. » Für die angeschriebenen Firmen sei dies auch kein Hindernis gewesen. Inzwischen hat er bei der Firma Baumann Federn AG in Ermenswil, einem international tätigen Unternehmen mit insgesamt 1500 Angestellten, eine Lehrstelle als Konstrukteur zugesichert bekommen. « Wir haben immer wieder sportlich aktive Lernende wie Dario. Wir wollen ihnen eine Chance geben Dario Lillo ist froh, dass man in seinem zukünftigen Lehr- und hoffen, dass sie später im Betrieb bleiben», erklärt Barbara betrieb Verständnis hat für sein sportliches Engagement.
aktuell 8 Dezember 2016 Der Eishockey-Spieler Terry Schnyder macht seine Lehre in einem Fitnessstudio. Sein Chef Alain Kaiser findet, Sport passe gut zu Sport. dass sie bereit wären, einen Nachwuchs- Präsident Walter Kälin findet es wichtig, den einstellten, mit diesem individuelle sportler in die Lehre aufzunehmen. « Es dass man die jungen Talente nach der Vereinbarungen treffen. sind eher die grösseren Betriebe mit Sportschule nicht hängenlässt, gibt aber Bei solchen Vertragsverhandlungen Lehrwerkstätten, zum Beispiel Geberit zu verstehen: « Der Jugendliche muss steht Fredy Fritsche, Leiter der Abteilung oder Kundert, die ein Sporttalent gut wirklich wollen, sowohl im Sport als Lehraufsicht im Kanton St. Gallen und zu integrieren vermögen », sagt Markus auch in der Lehre, sonst funktioniert es der in diesem Bereich tätigen kantonalen Walker, Vorstandsmitglied von « Gewer- nicht. » Und auch die Eltern müssten die Koordinationsstelle, den Lehrbetrieben, be Rapperswil-Jona ». Auf der Homepage Jugendlichen vollumfänglich unterstüt- den Jugendlichen und ihren Eltern bera- des Vereins läuft derzeit eine Umfrage zen, denn diese Doppelbelastung sei für tend zur Seite. Ruedi Giezendanner, Lei- unter den lokalen Betrieben. Über ein die Lernenden hart. Eine Möglichkeit, ei- ter des Amts für Berufsbildung, findet: Online-Formular können diese angeben, nem jugendlichen Sporttalent entgegen- « Die berufliche Grundbildung gleichzei- welche Lehrberufe sie anbieten und ob zukommen, sieht er in der Verlängerung tig mit aktivem Leistungssport zu ver- sie bereit wären, einem Leistungssport- der Lehrzeit, um so regelmässige Absen- binden, ist förderungswürdig. » Dies sei ler eine Lehrstelle, ein Praktikum oder zen auszugleichen. Letztlich müssten je- aber eine Herausforderung für Jugend- eine Schnuppermöglichkeit anzubieten. doch Betriebe, die einen solchen Lernen- liche und Lehrbetriebe, da bei einer be-
aktuell Dezember 2016 9 ruflichen Grundbildung mehrere Partner indem sie keine Miete für die Nutzung zusammenarbeiteten. « Es gilt, Lernorte, der Plätze und der Hallen verlangt. Lehrbetrieb, Berufsfachschule und über- « Der Grund ist für uns sonnenklar », betriebliche Kurse mit den sportlichen argumentiert Thomas Rüegg: « Sport- Trainings- und Wettkampfaktivitäten förderung ist beste Freizeitgestaltung, optimal abzustimmen. » Gesundheitsförderung und Präven- Lehrbetriebe, welche Jugendliche tion gegen allerlei Laster wie Drogen mit einer nationalen Talentcard von oder Herumhängen. » Swiss Olympic ausbilden, werden vom Kanton mit der Vignette « Leistungs- Schüler sehen die Zukunft realistisch sportfreundlicher Lehrbetrieb » von Die drei Sportklassen des Schuljahrs Swiss Olympic ausgezeichnet. « Dass 2016/17 im Schulhaus Bollwies umfas- sich Lehrmeister bereit erklären, Sport- sen 56 Sportschüler und 14 Sportschü- schul-Abgänger in die Lehre zu neh- lerinnen. Sie alle können sich über eine men, ist äusserst verdienstvoll », betont zumindest lokale Talentcard von Swiss Markus Bütler, Geschäftsführer der Olympic als Nachwuchssportler aus- Rapperswil-Jona Lakers. « Nur wenn Ge- weisen. Das Gros betreibt Fussball und werbe und Vereine zusammenspannen, Eishockey, Volleyball und Unihockey. kann der Jugendliche eine Lehre und Wer eine Sportler-Laufbahn anstrebt, eine Sportlaufbahn realisieren. » muss über gewisse Eigenschaften verfügen. « Die Jugendlichen müssen « Gutes Pflaster für den Sport » bereit sein, mehr zu leisten, sowie ei- Die Sportvereine spielen im Netzwerk genständig und zielorientiert handeln Sportschule eine zentrale Rolle. Hier können », erklärt Michael Brunner. werden die Sporttalente bereits in « Falls es mit einer Profi-Sportkarriere jungen Jahren erfasst. « Die Vereine, nicht klappen sollte, brauchen sie ei- sei es der Fussballclub, seien es die nen Plan B, das heisst eine Berufsper- Lakers, leisten mit ihren Junioren- spektive. » Das werde in den Sportklas- gruppen ausgezeichnete Vorarbeit », sen auch immer wieder thematisiert. lobt Schulpräsident Thomas Rüegg, « Die Schüler müssen mental auf ein der auch Präsident des Verbandes mögliches Scheitern ihrer Sportträume St. Galler Volksschulträger ist. Insge- gefasst sein und damit umgehen kön- samt sei Rapperswil-Jona ein ausge- nen. » Darum sei es auch so wichtig, zeichnetes Pflaster für den Sport. Die dass sie parallel zum Sport eine pas- Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt sende Ausbildung in Angriff nehmen und hat eine lange Geschichte von könnten. Wie die sportliche Karriere Mannschaftssportarten. Ausserdem seiner dannzumal ehemaligen Schüler liegt sie am Wasser, was vielen Was- gelingt, will Michael Brunner in eini- sersportarten förderlich ist. Im Lido gen Jahren mithilfe einer Evaluation führt der Bund ein Leistungssport- ermitteln. Weil er wissen möchte, wie zentrum für Wassersport. Die Stadt es den Jugendlichen über die Sport- Rapperswil-Jona unterstützt die en- schule hinaus ergeht. ■ gagierten Sportvereine grosszügig, Die Sportschule Rapperswil-Jona Der Andrang in der Sportschule Rapperswil-Jona ist gross. Von jeweils über 40 Interessen- ten schafft nur rund die Hälfte das Aufnahmeprozedere. Mit der Aufnahme unterschreiben die Sportschüler die Swiss-Olympic-Charta «cool and clean», mit der sie unter anderem auf Alkohol verzichten. In den Sportklassen finden auch Schüler aus fünf bis sechs Nachbarge- meinden sowie aus den benachbarten Kantonen Zürich, Schwyz und Glarus Platz. Die Gemeinden respektive Kantone zahlen der Stadt Rapperswil-Jona pro Schüler und Jahr 19’000 Franken. Am Mittagstisch wird ein betreutes Mittagessen angeboten. Zudem bietet die Sport- schule den Schülerinnen und Schülern ein Lernatelier, das von Lehrern betreut wird. Hier können Hausaufgaben gelöst oder kann verpasster Unterrichtsstoff nachgearbeitet wer- den. Die Sportschüler durchlaufen wie alle Oberstufenschüler einen Berufswahlprozess. Nicht selten entscheiden sie sich dabei für die Anschlusslösung, die sich am ehesten mit ihren Sportambitionen in Einklang bringen lässt. Das « Netzwerk Sportschule » möchte dem entgegenwirken und den Jugendlichen dazu verhelfen, die für sie tatsächlich geeig- nete Schule oder Berufslehre absolvieren zu können, ohne am Leistungssport Abstriche machen zu müssen. (sth)
aktuell 10 Dezember 2016 Die Neustadt im Gebiet zwischen Cityplatz und Stadtplatz soll vor allem in der «zweiten Reihe» aufgewertet werden. Eine neue Facette der Stadtentwicklung Seit Rapperswil und Jona zusammengekommen sind, ist auch eine ganzheitliche Raumplanung möglich. In den letzten zehn Jahren hat sich die Stadt kontinuierlich weiterentwickelt. Nun wurde in der Planung ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Text: Jacqueline Olivier serdem wurden auf dieser Basis bereits für den in diesem Jahr ein Wettbewerb Fotos: Hannes Heinzer diverse Konzepte erstellt. Zum Beispiel läuft, wird dieser Schnitt nun über die für die Neue Jonastrasse, die man nicht Bühlstrasse überwunden. Dadurch ist « Eine Stadt muss sich entwickeln », sagt nur optisch verschönern, sondern auf hier ein attraktiver Raum entstanden. » Stadtbaumeister Marcel Gämperli. Natür- der man vor allem mehr Platz für den Solche Massnahmen im Strassenraum lich nicht irgendwie, sondern gemäss ge- Stadtbus schaffen möchte, der regelmäs- hätten am meisten Potenzial, innerhalb wisser Kriterien. Vor etwas mehr als zehn sig im täglichen Stau stecken bleibt. In- einer bestehenden Struktur zu Verbesse- Jahren, im Hinblick auf die Vereinigung zwischen liegt auch eine detailliert aus- rungen zu führen, fährt er fort. von Rapperswil und Jona, ist der Master- gearbeitete Vorstudie vor. plan Siedlung und Landschaft entstan- Neben solch grossräumigen Vorha- Ein zusätzlicher Blickwinkel den. Der Stadtbaumeister klopft auf das ben wurden in den letzten Jahren auch Vor Kurzem hat die Stadt einen zusätz- umfangreiche Dossier: « Das hier ist nach diverse Einzelprojekte geplant. Teil- lichen Weg eingeschlagen: Sie hat das wie vor das übergeordnete Planungsdo- weise sind sie inzwischen umgesetzt Büro Intosens aus Zürich beigezogen, das kument für unsere tägliche Arbeit. » oder zumindest schon weit gediehen. Stadtentwicklungspotenzial aus einem Der Masterplan betont vor allem eines: Der neue Bahn- und Bushof Jona zum anderen Blickwinkel definiert: aus jenem die notwendige Verdichtung nach innen. Beispiel sei ein wichtiger Meilenstein der Nutzung und der Identität (siehe In- Er setzt aber auch auf eine Aufwertung der Stadtentwicklung, erklärt Marcel terview Seite 12). Mit diesem spezifischen der beiden Zentren Rapperswil und Jona Gämperli. Gemeinsam mit der daneben Blick hat das Team Rapperswil-Jona in sowie der Verbindungsachse Neue Jona- entstehenden Überbauung Bühlpark, in den vergangenen zwei Jahren unter die strasse. Ausserdem sollen die Quartiere der altersgerechte Wohnungen für be- Lupe genommen – mithilfe verschiede- gestärkt, die Wohnqualität erhalten, die tagte Menschen erstellt werden, trage ner Analysen, Auswertungen von Sta- Attraktivität für Betriebe gesteigert und er zur Aufwertung des Zentrums Jona tistiken, Befragungen und Beobachtun- der öffentliche Raum gepflegt werden. bei. « Bisher war die Unterführung an der gen. Ein wichtiger Teil davon war die St. Gallerstrasse ein Schnitt zwischen sogenannte Wahrnehmungsanalyse: Die Einiges geplant, anderes umgesetzt Jona und Rapperswil », erklärt der Stadt- Experten setzten quasi die Brille der Ein- An dieser Stossrichtung hat sich laut baumeister. «Mit dem neuen Bahnhof wohner und der Besucher – kurz: der Nut- Marcel Gämperli nichts geändert. Aus- sowie dem angrenzenden Grünfelspark, zer – auf und hielten ihre Ergebnisse in
aktuell Dezember 2016 11 Die Zentrumsmitte in Jona soll aus dem kommerziellen Kernbereich hin zum Be- reich «Kreuz» erweitert werden. Form von Fotografien und Collagen fest. könnte der Fokus auf dem städtischen trum bis zum Jona-Delta führt. Sie soll Bei diesem Vorgehen gehe es darum, die Wohnen liegen, im anschliessenden auf stärker akzentuiert und besser nutzbar atmosphärischen Qualitäten der Stadt dem Gewerbe. gemacht werden, zum Beispiel mit einer oder eines bestimmten Quartiers heraus- ansprechenderen Gestaltung der Wege zuspüren, erklärt Götz Datko, Mitglied Stadthalle und Stadtplatz für Fussgänger entlang der Jona. der Geschäftsleitung der Intosens AG. Für das Zentrum Jona hat das Team Auf Basis der durchgeführten Un- Schlüsselareale (Grünfels, «Kreuz», Froh- « Städtebauliche Akupunktur » tersuchungen wurden bisher zwei soge- büel oder Rütiwis), öffentliche Grundstü- Die Umsetzung solcher Pläne kann nur nannte Nutzungspläne erarbeitet, der cke (von denen viele im Besitz der Stadt schrittweise erfolgen. Und sie benötigt eine für das Zentrum Jona, der andere für sind) und Funktionsräume (Wohnen, Ressourcen. Zum Beispiel personelle. An- die Neustadt, das Gebiet rund um Son- Verwalten, Verweilen, Kultur, Einkaufen) fang September hat der Stadtbaumeister nenhof, Albuville und Manor. erfasst und drei Kernbereiche skizziert: Verstärkung erhalten. Markus Naef, neu- Dort sieht Intosens grosses Entwick- einen kulturellen (rund um das Grünfels- er Projektleiter Stadtplanung, hat zurzeit lungspotenzial « nach innen », also in den areal), einen kommerziellen (im Bereich noch einiges an Unterlagen durchzu- von der Strasse abgewandten Räumen. Molkerei- und Allmeindstrasse) und ei- ackern, um sich ein erstes Bild von seiner Denn hier sei viel Brachland vorhan- nen spirituellen (rund um die Kirche). Aufgabe zu machen. Spannend sei diese den, eine Art ungenutzte natürliche In- Darauf bauen die Ideen für die weite- aber auf jeden Fall, meint er schon heute. nenhöfe. Bereits existierende und dem- re Entwicklung auf. Ein wichtiger Punkt Für Marcel Gämperli ist klar: Stadtent- nächst entstehende Publikumsmagnete ist die Erweiterung der Zentrumsmitte, wicklung bedeutet heute viel Detailar- wie Manor, Citycenter, Albuville, Alte die sich heute im kommerziellen Kernbe- beit, ohne dass man dabei den Blick aufs Fabrik, Stadthof und Sonnenhof sollen reich befindet, hin zum Bereich « Kreuz », Ganze verlieren darf. « Städtebauliche demnach durch eine neue Achse für den in dem sich die drei Kernbereiche über- Akupunktur » nennt er das: da ein punkt- Langsamverkehr abseits der Hauptstras- schneiden. Aus dem « Kreuz » soll eine genaues Projekt, dort ein punktgenaues sen verbunden werden. Entlang dieser eigentliche Stadthalle werden, davor ist Projekt. Immer eingebettet in die gesamt- Achse können neue Plätze und Orte mit ein Stadtplatz vorgesehen, der zum Ver- heitliche Vision und mit dem Ziel, eine Aufenthaltsqualität geschaffen werden. weilen einlädt. Auch der Uferbereich der lebenswerte Stadt zu erhalten und gleich- Hier sollen punktuelle Angebote insbe- Jona soll noch attraktiver werden. Ein zeitig den sich verändernden Bedürfnis- sondere jüngere Altersgruppen anspre- weiterer Fokus liegt auf der Nord-Süd- sen der Bewohner, der Besucher und der chen. Im Bereich Kniestrasse wiederum Achse, die vom Meienberg über das Zen- Wirtschaft anzupassen. ■
interview 12 Dezember 2016 Götz Datko hat mit seinem Team die Stadt Rapperswil-Jona durchleuchtet. « Heute geht man in die Innenstadt, weil man etwas erleben will » Stadtentwicklung darf sich nicht auf Architektur und Raumgestaltung beschränken, sagt Götz Datko, Geschäftsleitungsmitglied der Intosens AG in Zürich. Im Gespräch erklärt er, was es für eine lebendige Stadt braucht und wie man dorthin kommt.
interview Dezember 2016 13 Interview: Jacqueline Olivier Das klingt nach einem ziemlichen Spagat. Fotos: Hannes Heinzer Wie schafft man das? Einerseits muss eine übergreifende Idee entwickelt Sie beschäftigen sich mit Nutzungs- und Identitätsent- und gemeinsam umgesetzt werden. Andererseits wicklung unter anderem von Städten und Gemeinden. braucht die Bevölkerung kleinere Anknüpfungs- Was heisst das konkret? punkte als das grosse Ganze. Im Zentrum Jona wird Der Fokus der Stadtentwicklung liegt oft stark auf eine andere Identität gelebt als in der Altstadt oder dem Räumlichen. Man macht sich Gedanken über Ar- in der Neustadt mit den grossen Einkaufszentren chitektur, Städtebau und Freiraumgestaltung, über- zwischen Cityplatz und Stadtplatz. Es ist wichtig, legt sich aber zu wenig, dass diese abgestimmt wer- bestehende Qualitäten nicht zu verlieren, sondern sie den sollten mit der Nutzung und der Identität. Eine zu pflegen und weiterzuentwickeln. Stadt sollte so weiterentwickelt werden, dass sich die Bevölkerung mit ihrer Stadt identifizieren kann. Es gibt aber nicht nur Qualitäten, sondern auch Schwä- Bei der Nutzungsentwicklung geht es darum, die er- chen. In der Altstadt wird zurzeit über das « Lädeli- wünschte Vielfalt und Lebendigkeit zu erreichen. Wir sterben » geklagt. Ist die Altstadt tatsächlich bedroht? konzentrieren uns darauf, Raum, Nutzung und Iden- Das « Lädelisterben » wurde in letzter Zeit in den Me- tität in Einklang zu bringen. dien stark thematisiert. Die Angst vor dem Ausster- ben der Altstadt ist in fast allen Schweizer Städten Wie gelingt das? präsent. Dem Detailhandel in den Altstädten geht es Altstädte beispielsweise können Heimatgefühl und tatsächlich nicht so gut, ständige Wechsel sind eine Ortsverbundenheit hervorrufen; das sind wichtige Realität. Dass dies aber eine grundlegende Bedro- Werte. Dabei identifizieren sich die Einwohner ins- hung der Altstädte im Allgemeinen oder der Altstadt besondere dann mit ihrer Altstadt, wenn sie in ihr in Rapperswil-Jona im Besonderen bedeuten würde, interessante Nutzungen und Angebote finden. Auch sehen wir nicht. Ohne Zweifel ist ein intakter Detail- bei Neuüberbauungen braucht es charakterstarke handel wichtig, allerdings leben Altstädte nicht aus- Räume, die gleichzeitig attraktive Nutzungen bieten, schliesslich davon, sondern von der Nutzungsvielfalt. damit die Bewohner und Besucher sich damit identi- fizieren können. Sie schliessen also eine Marktlücke? « Die Bevölkerung braucht kleinere An- So würde ich das nicht sagen. Das Thema Stadtiden- tität wird jeden Tag von einer Vielzahl von Akteuren knüpfungspunkte als das grosse Ganze. » bearbeitet, aber häufig unbewusst. Wenn die Bewoh- ner ihre Altstadtgasse liebevoll pflegen, prägt dies die Stadtidentität mit. Die täglichen Bemühungen Es besteht also Handlungsbedarf? von Detailhandel, Gastronomie und weiteren Anbie- Sicher. Heute sind die Ansprüche an Konsum und tern sind Teil der Nutzungsentwicklung einer Stadt. Freizeitgestaltung andere als jene, welche die Alt- Und auch Fachplaner beeinflussen mit ihrer Arbeit städte einst verkörpert haben. Das heisst, auch Alt- die Identität und die Nutzung von Stadträumen. Wir städte müssen sich bewegen. Rapperswil-Jona profi- möchten mit einer spezialisierten Sicht von aussen zu tiert zwar vom starken Aushängeschild der schönen neuen, überraschenden Lösungen beitragen und die Postkartenfassaden und von der belebten Seepro- unterschiedlichen Akteure für gemeinsame Ziele und menade, aber die eigentliche Identität für die Bevöl- Schritte motivieren. kerung ist eine andere: Man möchte in der Altstadt etwas Besonderes finden – den alten Laden, den es Sie haben für Rapperswil-Jona diverse Analysen durch- schon seit Generationen gibt, und gleichzeitig ein geführt. Welche zentralen Schlussfolgerungen ziehen ganz bestimmtes, innovatives Angebot, das es sonst Sie daraus? nirgends gibt. Das ist eine grosse Herausforderung. Ein wichtiger Punkt ist sicher die Vielfalt. Die Charak- teristika und die Mentalitäten der Stadtteile Rappers- Sie sagen, Altstädte müssen sich bewegen. In welche wil und Jona sowie einzelner Quartiere sind völlig Richtung? unterschiedlich, auch die Räume werden ganz un- Bewegen müssen sich sowohl die Anbieter als auch terschiedlich gestaltet und genutzt. Diese Vielfalt ist die Stadt. Die Anbieter – also Detailhandel, Gastrono- eine Qualität, die man bewahren muss. Deshalb ver- mie, Hotellerie und so weiter – müssen einerseits die folgt der Stadtrat die Strategie, dass die spezifischen Qualitäten des historischen Orts bestmöglich aus- Identitäten der Stadtteile gestärkt werden. Gleich- spielen, andererseits aber auch die Bedürfnisse der zeitig will man aber an der kollektiven Identität der Konsumenten kennen und diesbezüglich stets einen Gesamtstadt arbeiten. Schritt voraus sein. So wie dies die Einkaufszentren 3
interview 14 Dezember 2016 Götz Datko: «Im Grunde haben alle Akteure das gleiche Interesse: eine funktionierende Stadt, ein lebendiges Zentrum.» mithilfe von Trendforschungen und entsprechend nigen anderen Altstädten, in denen fast nur noch ge- vorausschauender Planung tun. Heute geht man wohnt wird, wesentlich besser da. eben nicht mehr in die Altstadt respektive in die In- nenstadt, weil man etwas braucht, sondern weil man Welche weiteren Stärken sehen Sie? etwas erleben will – Freizeit gestalten, anderen Men- Zum einen die Qualität als öffentlicher Raum. Die Alt- schen begegnen, sich unterhalten. Da müssen die An- stadt ist ein Begegnungsort, ein Kommunikationsort. bieter kreativer werden. Es reicht nicht mehr, ein gros- Dies gilt für diverse Ecken, oft fernab der Orte, wo ses Sortiment an Pullovern zu haben, um etwas zu ver- sich der Tourismus abspielt. Beispielsweise treffen kaufen. Diese Zeiten sind vorbei; diesen Bedarf deckt sich auf der Seeseite des Schlossbergs viele Familien man heute im Einkaufszentrum oder im Internet. mit kleinen Kindern – eine Zielgruppe, die in vielen anderen Altstädten kaum Nutzungsmöglichkeiten Und was kann die Stadt tun? findet. Und zum andern die Herkunft. Damit ist das Letztlich hängt vieles von den Mietzinsen ab. Dar- Geschichtsträchtige gemeint, das allgegenwärtig und um entwickeln sich attraktive Nischenangebote oft auf das man in der Stadt stolz ist. an B-Lagen, wo die Mieten nicht so hoch sind. Die Eigentümer sollten zur Einsicht gelangen, dass sie Ein anderer Brennpunkt der Stadt ist das Zentrum Jona, querfinanzieren müssen, also Erdgeschossflächen an mit dem Sie sich auch beschäftigt haben. Mit welchem publikumsintensiver Lage auch mal zu einem nied- Resultat? rigeren Mietzins vermieten. In einem kooperativen Das Zentrum Jona hat grosses Potenzial hinsichtlich Vorgehen, das von der Stadt geführt wird, können Ei- der Nutzungs- und Identitätsentwicklung. In Jona gentümer für dieses Thema sensibilisiert werden und wächst die Bevölkerung, es braucht neue Infrastruk- man kann gemeinsam nach Lösungen suchen. turen, nutzbare Freiräume und Orte der Geselligkeit. Wir sehen aber auch eine Gefahr: Das Zentrum Jona Ein solches kooperatives Vorgehen für die Altstadt von ist stark durch die Versorgungsfunktion geprägt, und Rapperswil-Jona soll nächstes Jahr gestartet werden. wir wissen nicht, wie dies in Zukunft sein wird. Richtig, und ich bin im Hinblick darauf sehr optimis- tisch. Wir haben mit der Stadt Ideen entwickelt, auf Wie meinen Sie das? welchen Stärken der Altstadt man aufbauen kann. Im Nahezu zwei Drittel des Umsatzes in diesem Gebiet kooperativen Vorgehen können diese Ideen nun disku- werden durch die beiden Grossverteiler Coop und tiert und gemeinsame Lösungen gefunden werden. Migros generiert, den Rest erwirtschaften Denner, Bäckereien und einige kleine Läden. Das funktioniert Welches sind Ihres Erachtens die Stärken der Altstadt? zurzeit ganz gut, aber was würde passieren, wenn ei- Erstens die Vielfalt: Die Altstadt verfügt über eine ner der beiden Grossen wegbräche? Die Lebendigkeit überraschende Anzahl unterschiedlich genutzter Be- würde darunter sicherlich leiden, denn der Einkauf reiche. Da ist die wuselige Uferpromenade, da ist eine bei den Grossverteilern wird gerne mit weiteren Akti- liebevoll gepflegte « zweite Reihe », es gibt den leben- vitäten im Zentrum Jona verbunden, seien es weitere digen Schlossberg, und auf dessen Rückseite wird im Einkäufe oder eine Verabredung im Café. Sommer gebadet. Ausserdem sind die Wege zu Ange- boten in der Umgebung wie der Hochschule oder den Ist denn ein solches Szenario wahrscheinlich? Einkaufszentren Sonnenhof und Albuville kurz. Mit Es ist zumindest nicht auszuschliessen, denn die diesen vielen kleinen, unterschiedlichen Nutzungs- Konkurrenz an der Peripherie wächst: Das See- bereichen steht Rapperswil-Jona im Vergleich zu ei- damm-Center und der Linthpark wurden oder wer-
interview Dezember 2016 15 den ausgebaut, auf Stadtgebiet wird das Jona-Cen- Wie kann die Stadt denn bei Anbietern und Eigen- ter vergrössert, das City-Center und der Stadthof tümern an dieses gemeinsame Interesse appellieren? entstehen – überall kommen neue Angebote hinzu. Wenn eine Stadt genaue Vorstellungen nicht nur Eine Sättigung des Marktes ist aber längst erreicht. hinsichtlich ihrer räumlichen, sondern ebenso hin- Es findet ein Verdrängungswettbewerb statt, und sichtlich der Nutzungsentwicklung hat, kann sie im man weiss nicht, welche Standorte sich langfristig Rahmen eines kooperativen Vorgehens jederzeit mit behaupten werden. Es ist also sinnvoll, die Entwick- einer klaren Haltung auftreten. Auch für die Investo- lung des Zentrums Jona auch auf anderen Standbei- nen abzustützen, damit Lebendigkeit und Gesellig- keit zukünftig über einen guten Nutzungsmix garan- tiert werden. « Altstädte leben nicht ausschliesslich vom Detailhandel, sondern von Wie weit kann eine Stadt im Hinblick auf die Entwick- lung des Versorgungsangebots überhaupt steuernd der Nutzungsvielfalt. » eingreifen? Bleiben wir beim Beispiel des Zentrums Jona. Die ren wird es immer wichtiger, die Nutzung ihrer Im- Stadt hat sich überlegt, welchen Idealzustand sie mobilien genau zu planen: Welches wäre der ideale hier anstreben möchte. Darauf basiert der Master- Mix, wie will man die Immobilie positionieren, wel- plan für die Nutzungen im Zentrum Jona, den wir in che Idee verfolgt man, wofür soll die Immobilie für enger Abstimmung mit der Bauverwaltung erarbei- Bewohner und Besucher stehen? Gemäss dieser Stra- tet haben. Grundsätzlich geht es immer um die drei tegie suchen auch sie die Anbieter gezielt aus. Darum gleichen Stichworte: Vielfalt, Lebendigkeit, Durch- sind viele Eigentümer und Investoren froh, wenn mischung. Mit welcher Nutzung man diese Ziele eine Stadt ebenfalls klare Ziele verfolgt und so als zu- erreichen will, wo es in den Erdgeschossen welches verlässige, effizient agierende Partnerin auftritt. Angebot braucht und wie der öffentliche Aussen- raum nutzbar sein sollte – dies sind die zentralen Was bringt ein kooperatives Verfahren, wenn die Stadt Fragen, mit denen sich eine Stadt auseinanderset- schon ihre eigenen Vorstellungen hat? zen sollte, um eine entsprechende Strategie entwi- Ein kooperatives Vorgehen meint explizit kein Be- ckeln zu können. teiligungsverfahren. Bei diesem sind die Ziele vor- gegeben und die Beteiligung beschränkt sich le- Dennoch entscheiden letztlich die Anbieter und die diglich auf die Frage, wie man dorthin gelangt. Im Eigentümer, wer sich wo ansiedelt, und die verfolgen kooperativen Verfahren hingegen werden die Ziele ihre eigenen Interessen. gemeinsam definiert. Danach werden miteinander Das stimmt eben nicht, im Grunde haben alle Akteu- Projekte festgelegt und umgesetzt. Die Vorstellun- re das gleiche Interesse: Alle wollen eine funktionie- gen der Stadt sind ja nicht in Stein gemeisselt, son- rende Stadt, ein lebendiges Zentrum. Für die Politiker dern werden immer wieder präzisiert und den sich bedeutet ein lebendiges Zentrum mit Treffpunkt- und ändernden Rahmenbedingungen angepasst. Eine Erlebnisqualitäten, dass der Bürgerwille respektiert Stadtentwicklung, wie sie die Stadt Rapperswil- wurde. Für die Anbieter wiederum bedeutet es genü- Jona nun gemeinsam mit den verschiedenen Akteu- gend Kundschaft und für die Eigentümer wirtschaft- ren anstrebt, ist sicher anspruchsvoll und komplex, liche Rendite dank höheren Mieten, die sie erzielen wir sehen aber, dass man sich auf einem guten Weg können. befindet. ■
die stadt in zahlen 16 Dezember 2016 Hoch zu Ross Bloss rund 400 Menschen können in Rapperswil-Jona reiten oder besitzen gar ein eigenes Pferd. Eine exklusive Gruppe! Im Spannungsfeld von Edelsport, Tierliebe und Pferdemist. Text: Antonio Cortesi Fotos: Hannes Heinzer Kleine Frage: Können Sie reiten? Okay, Sie sassen viel- leicht schon einmal auf einem Pferd, während der Feri- en in der Camargue oder so. Da haben Sie ein paar Run- den gedreht, geführt von einem lokalen Cowboy. Aber so richtig reiten? Eben! Wenn Sie das können, sind Sie nämlich eine ziemliche Ausnahmeerscheinung. Gemäss einer nationalen Statistik frönen in der Schweiz bloss rund 140’000 Personen (im Alter von 10 bis 74 Jahren) regelmässig dem Pferdesport. Das sind rund 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bricht man diesen Anteil auf die Einwohnerzahl von Rapperswil-Jona herunter, so kommt man auf zirka 400 passionierte Reiterinnen und Reiter. Ein exklu- siver Club! Eine, die mittendrin steht, ist Manuela Slagmolen. Sie betreibt seit bald zwanzig Jahren den Reit- und Pensionsstall Grünfeld – gleich neben dem Sportcen- ter gelegen. Sie erteilt Reitunterricht für Anfänger und Fortgeschrittene und ist dafür besorgt, dass sich die Pferde, seien es ihre eigenen oder Pensionäre, hier wohl fühlen. 16 Tiere sind es insgesamt. Eine grosse Familie von Equiden Somit ist fast jedes vierte Pferd von Rapperswil- Jona im Grünfeld zu Hause – jedenfalls, wenn es nach der offiziellen Tierstatistik geht. Sie zählt fürs ganze Stadtgebiet exakt 74 Equiden – dies der Sam- melbegriff für pferdeartige Tiere. Dazu gehören folg- lich auch Ponys, Kleinpferde und Esel. Mit 32 an der Zahl sind sie in Rapperswil-Jona gut vertreten. Eine Klasse für sich sind natürlich die rund 50 (unkast- rierten) Hengste von Fredy Knie. Diese edlen Dres- surpferde sind aber in der Tierstatistik nicht mitge- zählt. Viele von ihnen sind ja auch über Monate auf Zirkus-Tournee. Die Heimbasis befindet sich jedoch in den Stallungen beim Kinderzoo. Jedenfalls: Ob hohe Dressurkunst oder bloss am- bitionierter Freizeitsport, ein Hauch von Exklusivität umweht den Reiter immer und überall. Und dies nicht nur, weil die Zahl von Pferden und Reitern klein ist. Ge- wiss, auch viele Hundehalter führen ein edles Tier an der Leine. Aber erstens gibt es diese in Überzahl (gegen 1000 Hunde auf Stadtgebiet), und zweitens fehlt dem Hundespaziergang jegliche Eleganz. Ganz anders der Ausritt: Der Mensch sitzt hoch zu Ross, mit erhobenem Haupt, Pferd und Reiter bewegen sich mit vollkom- mener Grazie – ein Bild wie aus einer anderen Zeit. Mit Hunden hingegen gibt es bekanntlich immer nur Probleme: Hundehalter lassen den Kot ihrer Vier- Manuela Slagmolen betreibt den Reitstall im Grünfeld. beiner vorschriftswidrig liegen, verletzen die Leinen-
die stadt in zahlen Dezember 2016 17 pflicht, lassen das Tier wildern. Und bei den Pferden? und Velowege verschmutzen! Gängige Antwort: Offenbar alles paletti. « Mindestens in den letzten Pferde seien eben keine Fleischfresser, ihr Kot des- Jahren gab es keine Beanstandungen oder Reklama- halb biologisch abbaubar. Zudem sei er als Rosen- tionen », sagt Guido Wunderlin, Chef der Ortspolizei dünger beliebt. und städtischer Tierschutzbeauftragter. « Problem- Es geht aber auch anders. « Man muss nicht, kann los » verliefen auch die Kontrollen bezüglich Tierhal- es aber trotzdem tun, dem Frieden zuliebe », das sag- tung, die jeweils in Zusammenarbeit mit dem kanto- te sich Manuela Slagmolen vom Reitstall Grünfeld, nalen Veterinäramt durchgeführt werden. nachdem bei der Stadtverwaltung gleich mehrere Reklamationen wegen Pferdemist eingegangen wa- Wer pflückt die « Pferdeäpfel » ? ren. Sie legte für die Ausritte drei klare Regeln fest. Und dennoch: Es gibt ein geradezu ewiges Reiz- Erstens: Da das Pferd im Strassenverkehr dem Auto thema. Es heisst Pferdemist. Wieso, fragen sich nicht gleichgestellt ist, geht es folglich nie aufs Trottoir. bloss die « Hündeler » (zu denen auch der Schreiben- Zweitens: Muss das Pferd « misten », so muss es kurz de gehört), gibt es für die « Rösseler » keine Pflicht innehalten, damit es einen hübschen Haufen gibt. zur Kotaufnahme? Wo doch diese « Pferdeäpfel », wie Drittens: Nach dem Ausritt fährt das Grünfeld-Team sie beschönigend heissen, gleich kiloweise Spazier- die Route mit dem Auto ab und sammelt die 3 Pferde sind eine Klasse für sich – als Tiere wie auch in der Haltung.
die stadt in zahlen 18 Dezember 2016 Die edlen Vierbeiner müssen täglich bewegt werden, drei Stunden pro Tag für Pflege und Ausritt müssen eingeplant werden. Pferdeäpfel ein. « Das machen wir mindestens drei- Stunden einplanen », sagt Manuela Slagmolen. Und mal pro Woche », sagt Manuela Slagmolen. Und wir nicht zuletzt: Die Pferdehaltung geht ins Geld. Allein sagen: Zur Nachahmung empfohlen! die Fixkosten für Pension, Futter, Tierarzt, Zahnarzt Der Vergleich zwischen Hunde- und Pferdehal- und Hufschmied betragen monatlich zwischen 1000 tung ist auch sonst durchaus ergiebig. « Hündeler » und 1500 Franken. bezahlen in Rapperswil-Jona eine jährliche Hunde- Reiten ist ein teures Hobby. Aber am Ende zählt taxe von 100 Franken. Das Geld wird für die Bewirt- die Qualität der Beziehung zwischen Mensch und schaftung der rund 130 Hundekotbehälter (genannt Tier. Sie ist unbezahlbar. Und kann bisweilen er- Robidog) verwendet. Wieso, fragt sich mancher, gibt staunlich intensiv sein. Manuela Slagmolen, die ihr es für Pferdehalter nicht ein ähnlich finanziertes Hobby zum Beruf gemacht hat, beschreibt dies so: Kot-Entsorgungssystem? Häufig gehörte Antwort: « Für mich sagen die Augen des Pferdes am meisten Weil Pferde als Vermögen gelten und entsprechend aus. » Im Ausdruck der Augen nehme sie Aufmerk- versteuert werden müssen. Zudem müssten Pferde- samkeit, Freude, Angst oder Krankheit wahr. Und halter einen (allerdings bescheidenen) Beitrag in die sie folgert: « Ein gesundes Pferd muss ein gutes Auge kantonale Tierseuchenkasse bezahlen. haben. » ■ Aufwendiges und teures Hobby Wie auch immer, Pferde sind nun mal eine Klasse für sich. Das beginnt schon bei den strengen Vorschrif- ten des Tierschutzes. Haben Sie etwa gewusst, dass Pferde grundsätzlich nicht allein gehalten werden dürfen? Sie müssen immer « Sicht-, Hör- und Geruch- kontakt zu einem anderen Pferd » haben. Kommt hinzu: Pferde sind zeitaufwendig. « Wer ein eigenes Ross hat, muss pro Tag für Pflege und Ausritt drei
die meinung Dezember 2016 19 Markus Gisler war in den vergangenen vier Jahren Mitglied des Stadtrats. Zu den letzten Wahlen trat er nicht mehr an. Zeit für einen Rückblick. Kompetenz in einer dynamischen Stadt Es sind dies meine letzten Wochen als eigenen These passen, willentlich unter- Stadtrat von Rapperswil-Jona. Die ver- schlagen, wird die Behörde in ihrer ohne- gangenen vier Jahre boten eine faszi- hin schwierigen Arbeit behindert. Oder nierende, weil gestalterische Aufgabe. würden Sie einen Job antreten wollen, Als ehemaliger Wirtschaftsjournalist mit dem Sie das Risiko laufen, medial zur mit Erfahrung in Bundesbern trat ich Schnecke gemacht zu werden? das Amt mit einer einigermassen klaren Vorstellung von den Aufgaben einer Ver- Die Arbeit als Stadtrat von Rappers- waltung an. Das mir anvertraute Ressort wil-Jona hat mir auch bestätigt, wie Liegenschaften hält die Gebäude der sinnvoll eine politische Koalition ist. Als Stadt in Schuss, Schulhäuser, Verwal- Mitglied der FDP vertrete ich dezidiert tungsgebäude, Werkhöfe sowie gut zwei die Ansicht, dass auch linke Politiker Dutzend Häuser und Liegenschaften, die im Stadtrat vertreten sein sollten. Der zum Finanzvermögen der Stadt zählen. Konsens ist ein wesentlicher Pfeiler der eidgenössischen Politik. Diese Liegenschaften zu unterhalten, verlangt grosses Fachwissen. Da müssen Eine konkrete Meinung habe ich zur komplexe Heizungen ersetzt oder Fenster Frage, wie viele Mitglieder der Stadtrat erneuert werden, da sind aber auch milli- idealerweise haben sollte. Die für die onenteure Gesamtsanierungen nötig und kommende Amtszeit gewählte Lösung von selbstverständlich jede Menge kleinere drei vollamtlichen Stadträten, die auch die und grössere Reparaturen und Ersatzin- gesamte Verwaltung alleine führen, und vestitionen. Die Mitarbeiterinnen und vier Teilzeitstadträten, die kein Ressort Mitarbeiter im Liegenschaftenressort wer- mehr leiten und demnach von der Ver- den – wie alle anderen in der Verwaltung – « Die Arbeit als Stadtrat waltung noch weiter entfernt sein werden heute noch oft als « Beamte » bezeichnet. Dieser Begriff ist landläufig eher negativ hat mir bestätigt, wie als bisher, erachte ich langfristig als nicht sinnvoll. Der Umstand, dass drei vollamtli- besetzt – zu Unrecht. Der totale Einsatz sinnvoll eine politische che Stadtratsmitglieder als Direktoren die und die unbedingte Identifikation mit der Arbeit, die ich überall bei den Frauen Koalition ist. » Stadtverwaltung alleine führen, wäh- rend die vier andern nur noch « Verwal- und Männern in der Verwaltung ange- tungsräte » sind, verleiht Ersteren einen troffen habe, hat mich sehr beeindruckt. Markus Gisler Wissensvorsprung in Sachfragen, mit dem Sie stehen all jenen, die in der Wirtschaft Vorsteher Ressort Liegenschaften, die Teilzeitler nicht mithalten können. Die tätig sind, in keiner Weise nach. In unserer Sport, Freizeit, Tourismus « checks and balances » – die ausgewogene Stadtverwaltung arbeiten überall Leute Kontrolle und ein Gleichgewicht zwischen mit hoher Kompetenz, mit grossem Fach- allen Mitgliedern des Stadtrats – sind so wissen und vor allem mit Herzblut. nicht mehr gewährleistet. Ich bin über- zeugt, dass die eingereichte Volksmotion Dazu gehört auch die Kesb (Kinder- und für eine (weitgehend) vollamtliche Fünfer- Erwachsenenschutzbehörde), die fach- regierung für unsere dynamische Stadt die lich nicht Teil der städtischen Verwal- bessere Lösung ist. Das Fünfermodell ist tung ist. Sie ist fachlich dem Kanton übrigens in Schweizer Städten mittlerer unterstellt, weder Stadtverwaltung noch Grösse die mit Abstand am häufigsten Stadtrat haben ein Durchgriffsrecht. gewählte Regierungsform. Offenbar mit Auch die Kesb arbeitet professionell. Was gutem Grund. In diesem Sinn hoffe ich, ihr in einzelnen Fällen an Fehlern und dass die Stimmbürgerinnen und Stimm- Inkompetenz unterstellt wurde, entbehrt bürger bis in vier Jahren einer neuen jeder Grundlage. Wenn Journalisten wi- Gemeindeordnung mit fünf vollamtlichen der besseres Wissen Fakten, die nicht zur Stadträten zugestimmt haben werden.
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