STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung - Was Stadtnatur für Gesundheit und Wohlbefnden leistet 3. und 4. Mai 2022, Berlin - BFN
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Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! Was Stadtnatur für Gesundheit und Wohlbefnden leistet 3. und 4. Mai 2022, Berlin Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 1
Inhaltsverzeichnis Die Tagung im Überblick Tag 1 S. 4 Grußwort. Staatssekretät Stefan Tidow S. 6 Intro S. 8 Keynote: StadtGesundheit durch Stadtnatur. Prof. Dr. Claudia Hornberg S. 9 Keynote: Artenreiche Natur für gutes Leben in der Stadt. Prof. Dr. Aletta Bonn S. 10 Resonanz: Reaktionen auf die Keynote S. 11 Podiumsdiskussion: Vom Stadtgrün zur Stadtnatur? Chancen und Herausforderungen von mehr naturnahem Grün in der Stadt S. 14 Kurzpräsentationen: So wirkt mehr Stadtnatur! Pionier-Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt (Intro) S. 15 Urbane Waldgärten. Dr. Jennifer Schulz, Universität Potsdam S. 16 Tausende Gärten – Tausende Arten. Bettina de la Chevallerie, DGG v. 1822 S. 17 VielFalterGarten – Bildung und Kommunikation für Tagfalter in Leipzig. Birte Peters, iDiv/UFZ S. 18 Naturstadt – Kommunen schaffen Vielfalt. Robert Spreter, KommBio e.V. S. 19 Urbane Insektenbiotope. Stefanie Propp, Die Summer e.V. S. 20 Bildervortrag: Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt. Conrad Amber S. 21 Exkursionen 2 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Tag 2 S. 22 Impuls: „Nach draußen! Warum wir nach Corona mehr Stadtnatur brauchen“ S. 23 Themen-Workshops (Intro, halbseitig) S. 23 Themen-Workshop „Naturerfahrungsräume & Umweltbildung“ S. 26 Themen-Workshop „Projekte & Planungen“ S. 32 Themen-Workshop „Integration & Inklusion“ S. 35 Themen-Workshop „Bewegung & Teilhabe“ S. 38 Fazit & Ausblick S. 40 Impressum & Bildnachweise Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 3
Einleitende Worte Grußwort Stefan Tidow Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) Und wo wird all das sichtbarer als hier in Marzahn-Hellersdorf, in den Gärten der Welt, in ihrer Vielschichtigkeit. Ihr Tagungsort ist gut gewählt. Ein Ort, der im Zuge der IGA neu qualifziert worden ist, in dem gerade im benachbarten Kienberg ein neuer attraktiver Freiraum geschaffen worden ist. Hier die attraktiven Gärten, die die kulturelle Vielschichtigkeit des Grüns verknüpfen mit der Weitläufgkeit einer Parklandschaft, dort ein ehemaliger Trümmerberg, der auch unter naturschutzfach- lichen Gesichtspunkten ein kleines Juwel ist. Beides wichtige Orte der Erholung und Kontemplation, die auch sozial umso wichtiger sind, wenn kein privates Grün als Rückzugsort zur Stefan Tidow Verfügung steht. Mit einem Naturerfahrungsraum hier auf dem Kienberg – auch er ist ein illustratives Beispiel für die Bedeutung Sehr geehrte Damen und Herren, der Stadtnatur. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, in ihrem sehr geehrte Frau Vorsitzende des direkten Umfeld Natur zu erleben, auch um ganz früh ein besseres Sachverständigenrats für Umweltfragen, Verständnis für Natur- und Umweltzusammenhänge zu erhalten. sehr geehrte Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Hier war während der IGA übrigens der sogenannte Weltacker, der ich freue mich, heute dieses Grußwort an Sie richten zu dürfen. in sehr eindrücklicher Weise die Bedeutung der Natur für mensch- Die Bundesumweltministerin, Frau Steff Lemke, lässt Ihnen eben- liches (Über)leben und die Welternährung in den Fokus gerückt falls herzliche Grüße ausrichten. hat, ein Thema von beklemmender Aktualität. Die Stadtnatur liegt dem Bundesumweltministerium am Herzen. Stadtnatur ist unverzichtbar für den Erhalt der biologischen Aber auch mir persönlich. Und ich gestehe, dass es auch die Vielfalt. Städte sind im Vergleich zur umgebenden Landschaft Verbundenheit mit dem Thema und der Ort hier in den Gärten der oft artenreicher, da sich auf kleinstem Raum eine Vielzahl an Welt war, das dazu beitrug, diesen Termin unbedingt freizuhalten. Standortbedingungen wiederfndet. Daher ist es so wichtig, in den Städten wieder mehr naturnahe Grün- und Freifächen zu erhalten Die Bedeutung von Natur, auch im besiedelten Bereich, wurde uns und zu schaffen, die eine hohe Vielfalt an Arten und Strukturen zuletzt mit der Pandemie, aber auch den großen Hitzeperioden der bieten und zum Beispiel für Insekten Lebensraum und Nahrungs- letzten Jahre, besonders vor Augen geführt. Als grüne Infrastruktur grundlage bieten. erbringt sie wichtige Ökosystemleistungen und schafft im direkten Wohnumfeld Lebensräume für Tiere und Pfanzen. Mit dem Masterplan Stadtnatur hat das Thema Natur in der Stadt in der letzten Legislaturperiode Rückenwind erhalten und es Für die Menschen ist Stadtnatur von hohem Wert und bietet konnten erste wichtige Maßnahmen umgesetzt und angestoßen gleichzeitig vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Sie bietet Raum für werden. Aber auch in dieser Legislaturperiode hat das Thema für Erholung, Bewegung und Freizeitgestaltung, sie schafft Orte der das BMUV weiterhin eine große Bedeutung. Begegnung, für Integration und Teilhabe. Wir sehen uns hier einig mit den Zielen und Diskussionen auf Gerade im urbanen Raum bildet sie im wahrsten Sinne des Wortes EU- und globaler Ebene. Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 Freiräume, in denen die Gesellschaft in ihrer Vielschichtigkeit und spricht die Arten- und Biotopvielfalt in städtischen und stadtnahen Differenz zusammenkommt und auch ihr Zusammenleben immer Gebieten ausdrücklich an und betont deren Bedeutung für das wieder neu aushandeln muss – im Kampf um immer knapper wer- physische und psychische Wohlbefnden. Die geplante Wieder- denden Raum, aber auch in der Nutzung dieser grünen Oasen – herstellungsverordnung der EU wird diesen Aspekt mit Sicherheit gerade, weil konkurrierende Nutzungsansprüche auf Ihnen liegen. ebenfalls aufgreifen. Und die Verhandlungen des Globalen Biodi- versitätsrahmens im Rahmen der Konvention über die biologische Sie sind elementare Lernort für die soziale, kognitive und motori- Vielfalt umfassen auch Städte. sche Entwicklung. 4 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Meine Damen und Herren, wir legen Wert darauf, die Themen und Handlungsbedarfe Wir wollen das unterstützen. Daher ist es selbstverständlich, integriert anzugehen. Wir wollen multifunktionale Ansätze für dass beispielsweise in den kürzlich von Ministerin Steff Lemke Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität verstetigen und vorgestellten Eckpunkten zum Aktionsprogramm Natürlicher Kli- intensivieren – zuallererst bei unseren Aktivitäten und in unseren maschutz die Siedlungs- und Verkehrsfächen eine wichtige Rolle Programmen und Konzepten, aber auch denen anderer Ressorts. spielen. Die drängenden Herausforderungen wie die Anpassung an den Klimawandel unserer Städte, aber auch den verbreiteten Wohn- Wir wollen und werden die Kommunen unter anderem bei der raummangel müssen und wollen wir diesbezüglich gemeinsam Umstellung auf ein naturnahes Grünfächenmanagement unter- angehen. stützen und dieses durch entsprechende Rahmenbedingungen zusätzlich stärken. Dazu gehört auch die Förderung der Pfanzung Denn gerade in stark verdichteten Siedlungsräumen kommt es von zusätzlichen Stadtbäumen und die Neubegrünung urbaner darauf an, auf eine multifunktionale Nutzung der Freiräume zu Wälder zur Klimaanpassung und Förderung der Biodiversität im setzen und auf – wie es so schön heißt – multicodierte Flächen. innerstädtischen Bereich. Bei der Entwicklung unserer Städte sollten wir dringend eine dop- pelte Innenentwicklung verfolgen und demnach bei der baulichen In diesem Jahr wird zu diesem Aktionsprogramm ein umfassender Entwicklung immer auch eine qualitativ hochwertige Grün- und Beteiligungsprozess stattfnden, zu dem ich Sie nur ermuntern Freiraumentwicklung mitdenken. Wenn die Stadt wächst, muss kann, sich intensiv einzubringen. auch das Grün mitwachsen. Wir haben in den Haushaltsverhandlungen einen schönen Erfolg Über eine stärkere Nutzung naturbasierter Lösungen müssen wir erzielt – vier Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz: Für gezielt urbane grüne Infrastruktur schaffen. So kommen wir zu die Renaturierung von Morgen, den Erhalt von Auenlandschaften, Win-win-Lösungen, die einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der die Qualifzierung von Flächen. Und das Stadtgrün soll von diesem Lebensqualität, zur Steigerung der Biodiversität und gleichzeitig Geld natürlich ebenfalls proftieren. zum natürlichen Klimaschutz in unseren Städten leisten. Und auch zur Klimaanpassung. Der Fluch der guten Tat: Unter Hochdruck sind wir gegenwärtig dabei, entsprechende Förderprogramme zu konzeptionieren und Ich bin sehr froh, dass hier in den vergangenen Jahren einiges administrative Strukturen für diese große Herausforderung zu passiert ist, die Bedeutung der Stadtnatur immer stärker ins ertüchtigen. öffentliche Bewusstsein rückt – auch in das Denken anderer Ressorts. Auch wenn wir alle die Erfahrung gemacht haben, dass Und auch in der Umweltministerkonferenz erleben wir gerade in angesichts des enormen Drucks auf den Flächen dann, wenn es diesen Tagen einen intensiven Diskussionsprozess über Klimaan- konkret wird, Erhalt und Schaffung von Freiräumen alles andere passung und Naturschutz in den Ländern. Und auch hier haben als ein Selbstläufer ist. Oft genug schieben sich andere Rationali- wir die Debatte, dass gerade die Städte stärker als bisher adres- täten in den Vordergrund. siert werden müssen. Sie sehen, es ist viel in Bewegung. Heute und morgen erwarten Sie zwei anregende und interessante Umso wichtiger werden Lösungen der Multicodierung und Lö- Tage. Ich wünsche Ihnen allen einen produktiven Austausch mit sungen, die gezielt eine graue Infrastruktur um grüne Infrastruktur vielen neuen Ansätzen und Ideen, die die Stadtnatur voranbringen erweitern. Aber auch der Rückbau und die Entsiegelung an den und damit unsere Städte funktionsfähig und lebenswert erhalten Orten, wo die stein- oder betongewordene Vergangenheit nun- und machen. mehr ohne echte Funktion im wahrsten Sinne des Wortes in der Landschaft liegt. Ausdruck dieses neuen Blicks ist nicht nur das Grünbuch des Bundesumweltministeriums. Es ist vor allem sehr erfreulich, dass in den Metropolen in den vergangenen Jahren viel passiert ist und sich auch unter dem Druck des Wohnungsbaus die Städte Stefan Tidow aufgemacht haben, die Grünentwicklung aktiv und strategisch an- zugehen. Wir sehen es in Hamburg. Aber natürlich auch in Berlin mit der „Charta Stadtgrün“. Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 5
Intro Diskurs für erlebbare, vielfältige, resiliente Stadtnatur Stadtnatur wirkt – besonders in der Corona-Pandemie wird das vielen von uns immer bewusster. Warum ist Naturerleben in der Stadt gut für unsere Gesundheit? Wie können wir Städte gestalten, um die biologische Vielfalt sowie Gesundheit und Lebensqualität zu stärken? Welche Rolle spielt dabei eine besonders artenreiche Pfanzen- und Tierwelt? Diese Fragen standen bei der Fachtagung „Stadtnatur wirkt! Was Stadtnatur für Gesund- heit und Lebensqualität leistet“ am 3. und 4. Mai 2022 zur Diskussion. Dass vielfältige, artenreiche Stadtnatur Tagung auf dem interaktiven Austausch: unsere Städte zukunftsfähig und lebens- Bei Exkursionen durch die Gärten der Welt, wert macht, ist längst kein Geheimnis in den benachbarten Naturerfahrungsraum mehr. Welche positiven Auswirkungen „Wilde Welt am Kienberg“ oder durch den Stadtnatur konkret auf die Gesundheit Stadtteil Marzahn gingen die Teilnehmen- der Menschen in den Städten hat, was den in direkten Kontakt und Austausch mit sie für die Lebensqualität leistet – und wie der Stadtnatur. Stadtnatur dafür gestärkt werden kann, erörterten Expertinnen und Experten bei Am zweiten Tagungstag diskutierten die der Fachtagung „Stadtnatur wirkt!“ Anfang Teilnehmenden in vier Workshops über Mai 2022 in Berlin. unterschiedlichste Wirkungsbereiche von Stadtnatur – und über Ansätze und Wege, Rund 80 Vertreter*innen aus kommunaler, Stadtnatur nachhaltig zu entwickeln und Landes- und Bundes-Verwaltung, Wis- möglichst allen Menschen gleichermaßen senschaft und Forschung, Vereinen und zugänglich zu machen. Die Zusammen- Initiativen, Wohnungswirtschaft, Politik fassungen der Inputs und die Ergebnisse und Projekten waren der Einladung des der Dialogformate fnden Sie in dieser Bundesamtes für Naturschutz (BfN) in das Broschüre. Tagungszentrum der Gärten der Welt in Berlin-Marzahn gefolgt. Neben inspirieren- den fachlichen Inputs lag der Fokus der 6 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Die Moderatorinnen Prof. Antje Stokman und Dr. Tanja Busse Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 7
Keynote 1 StadtGesundheit durch Stadtnatur Prof. Dr. med. Claudia Hornberg Dekanin Medizinische Fakultät, Universität Bielefeld; Sachverständigenrat für Umweltfragen sind mitunter auch auf Lärm, Hitze oder nicht-intendierte Effekte mit Blick auf den Luftschadstoffe als typische urbane Pollenfug oder die Bildung bodennahen Gesundheitsrisiken zurückzuführen oder Ozons zu beachten. Auch sollten poten- werden durch diese Umweltfaktoren (mit) zielle soziale Verdrängungseffekte durch beeinfusst. StadtGesundheit bezeichnet Grünraumaufwertung mitgedacht und die Anwendung von Public Health-Theorie durch sozialpolitische Maßnahmen fanki- und -Praxis für die Gesundheit städtischer ert werden. Ein solcher ganzheitlicher Blick Bevölkerungen. Stadtnatur – also die auf StadtGesundheit und Stadtnatur ist ein Gesamtheit der in urbanen Gebieten zentraler Schritt hin zu einer nachhaltigen vorkommenden Naturelemente – ist ein Entwicklung. Die urbane Mobilitäts-, wichtiger Hebel, um Gesundheitsrisiken zu Wärme- und Energiewende sind zentrale reduzieren und Gesundheitsressourcen zu Transformationsfelder der nachhaltigen stärken: Denn innerstädtische Grün- und Stadt und können eine kluge Allianz mit Blauräume regulieren das Stadtklima, reini- der StadtGesundheit bilden. Prof. Dr. med. Claudia Hornberg gen die Luft, den Boden und das Wasser; sie sind aber auch Orte der Begegnung, Neunzig Prozent der Krankheitslast in der Freizeitgestaltung oder der Erholung. Deutschland betreffen bösartige Tumor- erkrankungen, Herz-Kreislauferkran- Die positiven Gesundheitswirkungen der kungen, Atemwegserkrankungen oder Stadtnatur wurden bereits in einer Reihe andere nicht-übertragbare Krankheiten. von Meta-Analysen beobachtet. Bei der Diese oftmals chronischen Krankheiten Grünraumplanung sind jedoch auch 8 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Keynote 2 Artenreiche Natur für gutes Leben in der Stadt Prof. Dr. Aletta Bonn Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Friedrich-Schiller-Universität Jena Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig Die Biodiversitätskrise ist zusammen mit Das Konzept der Ökosystemleistungen als Deshalb muss die biologische Vielfalt als der Klima- und der Gesundheitskrise Beitrag der Natur für den Menschen er- wesentlicher Bestandteil für öffentliche eine Tripelkrise, für die nur gemeinsam läutert, wie die biologische Vielfalt eng mit Stadt- und Gesundheitsplanung mitein- Lösungswege gefunden werden können. physischer und psychischer Gesundheit bezogen werden, so dass naturbasierte Dabei bildet die biologische Vielfalt die sowie Wohlbefnden verbunden ist. Hier Lösungen in Städten sowohl Zielen der öf- Grundlage für die Gesundheit und das konnte gezeigt werden, dass vogelarten- fentlichen Gesundheit als auch des Natur- Wohlergehen des Menschen. reiche Gebiete eng mit einer höheren Le- schutzes dienen können. Hierzu benötigen benszufriedenheit zusammenhängen und wir eine gute Zusammenarbeit von Politik, Städte können einerseits interessante, dass Straßenbäume direkt vor der Haustür Stadtplanung und Management, damit Na- artenreiche Biotope bieten, während die das Risiko mindern, an Depressionen zu turschutz als proaktive Gesundheitsmaß- zunehmende Urbanisierung andererseits erkranken. Auch artenreicher Vogelgesang nahme verstanden und gefördert wird. Biodiversitätsverlust und Gesundheits- erhöht die empfundene Erholung, wie in ei- risiken, vor allem für nicht-übertragbare ner Laborstudie mit Aufnahmen aus Parks Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankun- gezeigt werden konnte – wobei jedoch gen oder psychische Erkrankungen, wie Verkehrslärm die Erholungsempfndung Depression, begünstigt. Die Corona-Pan- abschwächt. demie und der immer stärkere Zustrom in urbane Parks haben gezeigt, dass die Die alltägliche Naturerfahrung in urbanen erreichbaren städtischen Grünfächen Räumen ist also wichtig und Natur sollte einen wichtigen Beitrag für die öffentliche auf den täglichen Wegen zur Arbeit, zur Gesundheit leisten. Schule oder zum Einkaufen erlebbar sein. Prof. Dr. Aletta Bonn Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 9
Resonanz Reaktionen auf die Keynotes Im Anschluss an die beiden Keynotes wird aus dem Plenum Weiterhin wird diskutiert, wie man Kindern heutzutage am besten gefragt, ob die Biodiversität auf dem Land oder in der Stadt höher die Bedeutung von Natur Biodiversität näherbringen könne: Ein sei. Prof. Dr. Bonn antwortet, viele Städte seien aufgrund der Viel- Teilnehmer plädierte für Kita- und Schulgelände, auf denen die falt an Lebensräumen auf engem Raum sehr artenreich. Allerdings Kinder in Kontakt mit wilder Natur kommen können – „gegen sei die Biomasse insgesamt geringer als im ländlichen Bereich. Banalität und Einseitigkeit“. Prof. Dr. Hornberg schlägt vor, schon Prof. Dr. Hornberg ergänzt, dass bei landwirtschaftlich genutzten Kindern ab drei Jahren den Zugang zu Naturerfahrungsräumen Flächen die Art der Bewirtschaftung die Artenvielfalt sehr stark zu ermöglichen. Kinder sollten bereits an der Planung der Natur- beeinfusse – das Stichwort Agrarwende müsse an anderer Stelle erfahrungsräume teilhaben, da Naturkontakte unter anderem die dringend auf den Plan. Entwicklung der kindlichen Motorik und das Verständnis für Natur förderten. Zudem seien Naturkontakte für die physische und psy- In einer von Prof. Dr. Bonn vorgestellten Studie sei die Artenvielfalt chische Gesundheit sowie Erfahrung der Selbstwirksamkeit bei von Wäldern weniger entscheidend für den positiven Erholungs- Kindern bedeutend. effekt erschienen. Inwieweit die empfundene Artenvielfalt bestimmter Landschaften – also die Wahrnehmung unterschied- licher Pfanzenstrukturen, Wuchshöhen etc. – deren Wert für das Naturerlebnis beeinfusse, werde erst seit Kurzem eingehender erforscht, so Prof. Dr. Bonn. Ein Teilnehmer fügt hinzu, Biodiversi- tät sei nicht allein entscheidend, da auch artenarme Lebensräume wie Hochmoore ökologisch hochwertvoll sein könnten. Eine Teilnehmerin möchte wissen, inwieweit Gesundheitsdaten von Krankenkassen aus städtischer Umgebung hinzugezogen worden seien, um den Zusammenhang von Gesundheit und Biodi- versität zu ermitteln. Prof. Dr. Hornberg erläutert, es gebe codierte Daten der Krankenkassen, die aus verschiedenen Gründen – zum Beispiel bei Begleitdiagnosen – nur sehr eingeschränkt verwend- bar seien. Aus ihrer Sicht sei ein neues Monitoring von Gesund- heitsdaten erforderlich. Das Augenmerk müsse darauf gerichtet werden, wie die Daten in Planungs- und Entscheidungsprozesse einfießen können. 10 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Podiumsdiskussion Vom Stadtgrün zur Stadtnatur? Chancen und Herausforderungen von mehr naturnahem Grün in der Stadt Auf dem Podium schildern Vertreter*innen des Bundesamtes für Naturschutz, des Bundesum- weltministeriums, aus Wissenschaft, Naturschutz, Berufsverbänden, kommunaler Verwaltung und Politik ihre Perspektive auf Stadtnatur und diskutieren darüber mit dem Publikum. Dr. Alfred Herberg, Fachbereichsleiter breiten Nachahmung schaffen. Mit vier Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Milliarden Euro sei das Aktionsprogramm Natur und Landschaft beim Bundesamt Natürlicher Klimaschutz das größte für für Naturschutz (BfN), benennt biologische Natur- und Klimaschutz je fnanzierte Vielfalt als zentrales Thema für Städte. Förderprogramm, aus dem Projekte im Stadtnatur sei ein wichtiger Teil der grünen Bereich Stadtnatur und natürlicher Klima- Infrastruktur, die für Gesundheit und schutz fnanziert würden. Dr. Herberg Wohlbefnden unverzichtbar sei – auch aus ruft die Kommunen dazu auf, vermehrt seiner persönlichen Erfahrung heraus. Beispielprojekte anzustoßen und dafür die gebotenen Fördermöglichkeiten auszu- Die aktuellen Förderprogramme des BfN schöpfen. Auch das Programm chance.na- sowie des BMUV sollten Initialprojekte in tur fördere solche Projekte, etwa „Natürlich die Umsetzung bringen und so Muster zur Hamburg!“. Dr. Alfred Herberg Podiumsdiskussion Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 11
Podiumsdiskussion Auch in Berlin geht die Entwicklung hin 2018 sei in allen Berliner Stadtbezirken zu natürlicheren Parks und Grünanlagen. je ein Pilotprojekt gestartet, in dem die Karola Lakenberg von der Abteilung Grünpfege auf biologische Vielfalt und Naturschutz und Stadtgrün der Berliner Erholungsaspekte ausgerichtet wurde. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Ergebnisse würden in einem Monitoring Verbraucher- und Klimaschutz berichtet ausgewertet. von einer Studie mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die den Wunsch der Bevölkerung nach naturnäheren Parks und mehr Teilhabe an der Grüngestaltung widerspiegele. Berlin sei in Sachen Umweltbildung auf dem richtigen Weg: Gefördert durch das BfN seien drei Naturerfahrungsräume entstanden. Weitere sollen folgen, was aufgrund starker Flächenkonkurrenzen in der Stadt großes Engagement erfordere. Frau Lakenberg fordert eine rechtliche Ver- Karin Gaedicke ankerung von Naturerfahrungsräumen, um Kindern das Erlebnis vielfältiger Natur zu Von dem ersten Naturschutzgroßprojekt in garantieren. Allgemein müsse viel stärker einer Großstadt berichtet Karin Gaedicke ressortübergreifend dafür zusammenge- aus der Präsidialabteilung der Hamburger arbeitet werden, jedem Bürger und jeder Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Bürgerin ausreichend Stadtnatur zu bieten. Agrarwirtschaft. „Natürlich Hamburg!“ ziele darauf ab, Naturschutzgebiete zu öffnen und besser erlebbar zu machen Andrea Gebhard sowie mehr Naturräume in Grünanlagen zu schaffen. Besonders herausfordernd sei Aus Sicht von Andrea Gebhard, Präsi- gewesen, die Verwaltung und Politik der dentin der Bundesarchitektenkammer sieben Hamburger Bezirke sowie Instituti- und Vertreterin des Bundes deutscher onen, Verbände und die Landwirtschafts- Landschaftsarchitekt*innen, wird die De- kammer in der mittlerweile abgeschlosse- batte um die Implementierung Stadtnatur nen Planungsphase mit an Bord zu holen. vor dem Hintergrund des Klimawandels Das sei gut gelungen: Es sei ein Paket mit immer drängender. Frau Gebhard fordert, 300 Einzelmaßnahmen geschnürt worden, Freifächenplanung verbindlich in der die in einer zehnjährigen zweiten Projekt- Bauleitplanung zu verankern: mit einem phase umgesetzt werden sollen. Freifächengestaltungsplan zu jedem Bau- antrag, einem Grünordnungsplan zu jedem Insbesondere die Naturschutzverbände Bebauungsplan, einem Landschaftsplan hätten sich Veränderungen für die Parks zu jedem Flächennutzungsplan. und Grünanlagen gewünscht. Dafür müssten Organisation und Pfege der Daneben müsse für alle Menschen in Flächen angepasst und zudem Personal Deutschland ein öffentlicher Stadtnatur- aufgestockt und geschult werden. Für Karola Lakenberg bereich innerhalb von fünf Minuten be- den Umbau von Straßenverkehrsfächen ziehungsweise in einem Umkreis von 250 zugunsten von Stadtnaturfächen wünscht Hinsichtlich der Anlage und Unterhaltung Metern erreichbar sein. Die Möglichkeiten sich Frau Gaedicke mehr Bundesförder- städtischer Grünanlagen setze das „Hand- dafür seien gegeben, entsprechende Ver- mittel. buch gute Pfege – Pfegestandards für bindlichkeiten sollten schnell geschaffen die Berliner Grün- und Freifächenpfege“ werden. Sie erwarte von Bund und Län- mit elf „goldenen Regeln“ neue Maßstäbe. dern einen Bewusstseinswandel: Neuer 12 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Podiumsdiskussion Wohnraum müsse, wo immer möglich, Natur lerne man am besten durch aktives durch Umbau, Aufstocken und Umnutzen Erleben kennen. Die Menschen müssten bestehender Gebäude geschaffen werden, ehrlich und umfassend beteiligt und dafür anstatt in den Peripherien zu bauen. die formale Beteiligung im Baugesetzbuch reformiert werden. Zum anderen sollten die Menschen politisch Einfuss nehmen. An Bund und Länder richtet Herr Dr. Faen- sen-Thiebes die Erwartung, die Verkehrs- wende einzuleiten und Voraussetzungen dafür zu schaffen, urbane Verkehrsfächen, wie Parkplätze oder mehrspurige Straßen, zumindest teilweise in Stadtnaturfächen umzunutzen. Prof. Antje Stokman Moderatorin Prof. Antje Stokman fasst zusammen, es brauche mutige Pilotpro- jekte, in denen Neues ausprobiert werde, und die rechtlichen und organisatorischen Dr. Andreas Faensen-Thiebes Voraussetzungen für mehr Stadtnatur in Deutschland. Die Kommunen müssten Für Dr. Andreas Faensen-Thiebes, nicht nur fnanziell, sondern auch personell Bundesvorstand Bund für Umwelt und ausreichend ausgestattet sein, um Stadt- Naturschutz e.V., ist das Thema Stadtnatur natur entwickeln und unterhalten zu kön- mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein nen. Nicht zuletzt müsse die Zusammen- angekommen, jedoch bislang nicht gut in arbeit über Fachgrenzen hinweg etabliert die Realität übersetzt worden. Um das zu werden, um Stadtnatur und ihre positiven ändern, müsse unter anderem die natur- Gesundheitseffekte für die Menschen schutzrechtliche Kompensationsregelung Prof. Dr. Aletta Bonn zu stärken. Darauf Bezug nehmend lädt voll umgesetzt werden. Zudem sollte auf Andrea Gebhard alle Anwesenden zum Bundesebene das Flächenvorkaufsrecht Auch Prof. Dr. Aletta Bonn spricht sich Deutschen Architektentag im September für Kommunen geregelt werden, um mehr dafür aus, die Teilhabe – etwa in Citizen 2023 ein, bei dem diese Themen aufgegrif- Stadtnaturfächen anlegen zu können. Scientist-Projekten – zu stärken. Sie warnt fen und weiter debattiert werden sollen. Die Kommunen müssten beim Einsatz jedoch davor, Verantwortung auf die von Stadtnatur-Sachmitteln umdenken: Bürger*innen abzuwälzen. Systemische von der Finanzierung einzelner Projekte Veränderungen, die zum Beispiel in Krisen hin zur Umsetzung in der Fläche. Frau wie der Corona-Pandemie angestoßen Lakenberg ergänzt, es mangele nicht an würden, müssten weiterverfolgt werden. Projektmitteln, sondern an Personal, um Dafür seien klare Kommunikation und das Stadtnatur-Projekte zu initiieren. Festlegen von Zielen, Verantwortlichkeiten, Anreizen und Finanzierung, Fristen für die Den Bürger*innen schreibt Herr Dr. Umsetzung und Regularien bei Nichterrei- Faensen-Thiebes eine sehr große Rolle chen der Ziele nötig. So könne kollektive zu. Es sei noch viel Umweltbildung und Selbstwirksamkeit greifen. Ein systemati- Verständnisarbeit zu leisten, etwa durch scher Wandel könne mit Mut und geballter Mitmachprojekte – denn artenreiche Fachexpertise erreicht werden. Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 13
Bundesprogramm Biologische Vielfalt Mehr Artenvielfalt im Siedlungsbereich fördern Das Bundesprogramm Biologische Vielfalt ist das größte deutsche Förderprogramm für den Erhalt der Biodiversität. Seit 2011 unterstützt das Bundesumweltministerium damit die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Es ist auf Dauer angelegt und fnanziert bis zu 90 Prozent der Projektkosten mit Fördermitteln. 2022 wurde der Förderschwerpunkt Stadtnatur neu in das Programm aufgenommen, um die Erstellung kommunaler Biodiversitätsstrategien und beispielhafte Maßnahmen zu unterstützen. Fünf beispielgebende Projekte, die im Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert werden, werden im Folgenden kurz vorgestellt. Quartiere blühen auf: Vielfältige Pfanzungen erhöhen Artenvielfalt und Lebensqualität , © WILA 14 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Kurzpräsentationen: Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt Urbane Waldgärten: mehrjährig, mehr- schichtig, multifunktional Dr. Jennifer Schulz Universität Potsdam Waldgärten können in vieler Hinsicht für 2022 mit ersten Baumpfanzungen. Zwei Städte eine Bereicherung sein: Sie weitere Waldgärten entstehen in Kassel. „Urbane Waldgärten“ ist ein Verbundvor- - erhöhen die Artenvielfalt, haben der Universität Potsdam gemein- - tragen als Wasserspeicher und mit Verdun- sam mit dem Bezirksverband Berlin-Süden stungskühle zu besserem Stadtklima bei, der Kleingärtner e.V., dem Freilandlabor - leisten zum Beispiel mit bodenverbes- Britz e.V. und dem Umwelt- und Gartenamt sernder Wirkung einen wichtigen ökologi- der Stadt Kassel. schen Beitrag und - sind Orte der Umweltbildung, der Begeg- nung und des Nahrungsmittelanbaus. Projektsteckbrief: Als neue, multifunktionale und langfristige Form des gemeinschaftlichen Urban Gar- www.biologischevielfalt.bfn. dening werden sie im Bundesprogramm de/bundesprogramm/projekte/ Biologische Vielfalt als Modellvorhaben projektbeschreibungen/urba - gefördert und entwickelt. ne-waldgaerten.html Im Berliner Stadtteil Britz entsteht derzeit Weitere Informationen: Dr. Jennifer Schulz ein Waldgarten-Kleingartenpark. 2019 wur- www.urbane-waldgaerten.de de dafür ein aktivierendes Beteiligungs- Das Projekt „Urbane Waldgärten“ verfolgt verfahren durchgeführt – mit Workshops, das Konzept des Waldgartens als mehrjäh- in denen Bürger*innen gemeinsam Gestal- riges, mehrschichtiges Anbausystem von tungsvarianten, mögliche Organisations- überwiegend essbaren Pfanzen. Baum-, formen und Ausstattungsmerkmale des Strauch- und Krautschicht überlagern sich Waldgartens erarbeiteten. Die Anlage des dabei zum Teil – wie in natürlichen Wäldern. Britzer Waldgartens startete im Frühjahr Visualisierung: So entwickelt sich ein urbaner Waldgarten im Laufe der Zeit © Projekt Urbane Waldgärten, Zeichnung A. Rassoul Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 15
Kurzpräsentationen: Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt Tausende Gärten – Tausende Arte Bettina de la Chevallerie Deutsche Gartenbau-Gesellschaft v. 1822 e.V. Tausende Gärten – Tausende Arten Gärten, Balkone, Firmengelände und öf- veranstaltet Seminare und Schulungen, fentliches Grün bergen enorme Potenziale gibt Informations- und Bildungsmaterialien für die biologische Vielfalt im Siedlungs- heraus und prämiert naturnahe Gärten, raum. Diese ist für die einheimische Flora Balkons und Firmengelände. und Fauna von erheblicher Bedeutung. Das Interesse an naturnahen Gärten und Das von 2019 bis 2025 laufende Vorhaben Grünfächen wächst zwar, aber noch wird gefördert im Bundesprogramm Bio- immer sind die wenigsten Gärten und logische Vielfalt durch das Bundesamt für Balkone, Firmengelände oder öffentliches Naturschutz mit Mitteln des Bundesminis- Grün so gestaltet, dass sich hier biologi- teriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare sche Vielfalt entwickeln kann. Die Gründe: Sicherheit und Verbraucherschutz sowie zu wenig Know-how und mangelnde durch die Berliner Sparkasse, die Berlin Verfügbarkeit einheimischer Wildpfanzen Immo Invest Gruppe und den Eigenhei- auf dem Markt. merverband e.V. Das möchte die Kampagne „Tausende Durchführende Organisationen sind die Gärten – Tausende Arten. Grüne Oasen, Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 einheimische Tiere und Pfanzen!“ ändern. e.V., der Wissenschaftsladen Bonn e.V. Mit ihrer Hilfe soll die naturnahe Garten- und die tippingpoints GmbH in enger Bettina de la Chevallerie, © DGG 1822 e.V. bewegung zum Trend werden. Das Projekt Kooperation mit dem Naturgarten e.V., unterstützt kooperierende Pfanzen- und dem Verband deutscher Wildsamen- und Wildpfanzenproduzenten e.V., und Das Motto des Projekts „Tausende Gärten Saatgutbetriebe bei der Produktion und der Heinz-Sielmann-Stiftung. – Tausende Arten“ lautet: Gemeinsam dem Vertrieb einheimischer Wildpfanzen, Vielfalt pfanzen! bietet Unterstützung beim Marketing an, Projektsteckbrief: www.biologischevielfalt.bfn. de/bundesprogramm/projekte/ projektbeschreibungen/tausen- de-gaerten.html Weitere Informationen: www.tausende-gaerten.de/ Wildpfanzen in der Gärtnerei Umbach, © Gärtnerei Umbach 16 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Kurzpräsentationen: Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt VielFalterGarten – Bildung und Kommunikation für Tagfalterarten in Leipzig Birte Peters Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und Klimawandelanpassung anzuregen, 4) Aufbau von Kapazitäten und Netzwerk- Gewohnheitsmuster zu Ansichten von bildung: Durch die gezielte Vernetzung Wildkräutern („Unkraut“) zu hinterfragen unterschiedlicher Akteure im urbanen und zu ändern sowie zum Handeln im Raum werden nachhaltige Kooperationen unmittelbaren Umfeld zu motivieren. geschaffen, um das Modellprojekt langfris- tig in Leipzig und in weiteren Städten zu 2) Schmetterlingsschutz: Tagfalter werden etablieren. durch das gezielte Ausbringen von Futter- pfanzen und Nektarquellen in Privat- und Die Beteiligung am Projekt VielFalterGarten Schrebergärten, Schulgärten sowie auf ermöglicht es den Bürger*innen, anhand ausgewählten öffentlichen Grünfächen in von gezielten und einfach zu handhaben- der Stadt Leipzig wieder vermehrt ange- den Interventionen ihre Alltagsumgebung siedelt beziehungsweise unterstützt. Die aktiv zu gestalten und Veränderungen Anlage von Blühstreifen und zum Beispiel bewusst wahrzunehmen. Die angebo- verändertes Mahdregime in privaten und tenen Bildungsmodule können genutzt öffentlichen Grünfächen in Leipzig soll die werden, um mehr über die Tagfalterarten, Tagfaltervielfalter gefördert werden. ihr Vorkommen und ihre Lebensbedin- gungen zu erfahren. Die Vernetzung mit den beteiligten Wissenschaftler*innen, Birte Peters Naturschutzverbänden, städtischen Einrichtungen und weiteren Projekten zum „VielFalterGarten“ ist ein Kommunikations- Erhalt der Artenvielfalt und Schmetterlings- und Bildungsprojekt mit Modellcharakter schutz bieten außerdem die Möglichkeit, zur biodiversitätsfördernden Entwicklung Wissen zu erlangen und sich nachhaltig für urbaner Räume für Tagfalter. Das Projekt eine lebendige Stadtnatur zu engagieren. verfolgt vier Ziele: Das Projekt bietet somit die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an Gesellschaft und 1) Bildungsziel: Das Wissen über Tagfalter Wissenschaft. und naturschutzförderndes Gestalten und Bewirtschaften von öffentlichen Grünfächen und privaten Gärten soll Schmetterlingsspaziergang im Abtnaundorferpark gefördert werden. Bürger*innen sollen © Birte Peters Projektsteckbrief: durch „learning by doing“ befähigt wer- 3) Citizen Science: Die Tagfaltermeldungen den, durch regelmäßige Beobachtungen werden von Bürger*innen erfasst, anschlie- www.biologischevielfalt.bfn.de/ Schmetterlinge kennenzulernen und selber ßend wissenschaftlich ausgewertet sowie bundesprogramm/projekte/pro- Schutzmaßnahmen durchzuführen. Ziel ist einer Qualitätskontrolle unterzogen. Durch jektbeschreibungen/vielfalter- es, sie zur Diskussion über die Förderung das Monitoring soll ein vertieftes Verständ- garten.html der biologischen Vielfalt, Schmetterlings- nis für die Schmetterlingsökologie sowie schutz eine Selbstwirksamkeit zu eigenständigen Weitere Informationen: Beiträgen zum Naturschutz entstehen. www.vielfaltergarten.de Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 17
Kurzpräsentationen: Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt Naturstadt – Kommunen schaffen Vielfalt Robert Spreter Kommunen für biologische Vielfalt e.V. Die Projektideen umfassen Artenschutz- maßnahmen und innovative Ansätze zur Projektsteckbrief: nachhaltigen Förderung von Stadtnatur. In den Kommunen wird auf vielfältige Weise www.biologischevielfalt.bfn. demonstriert, wie durch die Schaffung de/bundesprogramm/projek - neuer Lebensräume biologische Vielfalt t e / p ro j e k t b e s c h re i b u n g e n / gefördert werden kann. So entstehen naturstadt-kommunen-schaf - durch Mitmachaktionen arten- und struk- fen-vielfalt.html turreiche Staudenbeete, Blühwiesen oder Gehölzstreifen. In der Stadt Havelberg Weitere Informationen: beispielsweise wurde ein Sonderbiotop www.wettbewerb-naturstadt. für tag- und nachtschwärmende Insekten de/zukunftsprojekte.html angelegt. Der Landkreis Mainz-Bingen zeigt Bürger*innen auf Pilotfächen, wie durch dynamischen Agroforst Artenvielfalt entsteht. Andere Kommunen fokussieren Umweltbildung, etwa die Stadt Bersen- brück. Hier werden im Zuge der Entwick- lung eines neuen Wohngebiets frühzeitig Robert Spreter Kaufnteressent*innen hinsichtlich einer naturnahen und artenreichen Gartengestal- Ziel des Projektes „Naturstadt – Kommu- tung beraten. nen schaffen Vielfalt“ ist die Förderung von Stadtnatur und Insektenvielfalt durch Mit ihrem Engagement zeigen die ausge- Kommunen. 2020 wurden im Rahmen ei- zeichneten Kommunen vielfältige Ansätze, nes bundesweiten Wettbewerbs unter 332 um die Ziele des Masterplans Stadtnatur Beiträgen aus 310 Städten, Gemeinden sowie des Aktionsprogramms Insekten- und Landkreisen 40 Projektideen ausge- schutz nachhaltig umzusetzen. wählt und jeweils mit einem Preisgeld in Höhe von 25.000 € zur Projektumsetzung prämiert. Gesucht und gefunden: Aus 332 Projektideen wurden 39 beispielhafte Umsetzungsprojekte © KommBio e.V. 18 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Kurzpräsentationen: Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt Urbane Insektenbiotope Stefanie Propp Die Summer e.V. Der junge Bayreuther Verein „Die Sum- mer“ möchte mit dem Projekt „Urbane Projektsteckbrief: Insektenbiotope“ einiges schaffen. Ein Ziel: Bayreuth soll Vorzeigestadt für Insek- www.biologischevielfalt.bfn.de/ tenlebensräume in der Stadt werden. Dafür bundesprogramm/projekte/pro- werden mindestens 20 Flächen umgestal- jektbeschreibungen/urbane-in- tet – von Firmen- über Schulfächen und sektenbiotope.html öffentliche Flächen bis zu Gärten. Zusätz- lich werden jedes Jahr zahlreiche Umwelt- Weitere Informationen: bildungsveranstaltungen angeboten. www.urbane-insektenbiotope.de/ Bei der Umsetzung von Insektenbiotopen fehlt es vor allem am Angebot heimischer Pfanzen. Damit insektenfreundliche Rasenfächen. Damit alle ihr eigenes Wildblumen in Zukunft öfter über die urbanes Insektenbiotop umsetzen können, Ladentheke gehen, überzeugt das Projekt zeigt eine digitale Karte auf der Projekt- Gärtnereien, Wildpfanzen in ihr Sortiment website Unternehmen, die Wildblumen, aufzunehmen. Wildblumen als Topfpfan- Regio-Saatgut, nachhaltige Baumaterialien zen ermöglichen eine planbare und trotz- Balkenmäher und Sensen verkaufen. Stefanie Propp dem insektenfreundliche Gestaltung von Zusätzlich gibt es dort Anleitungen für Beeten oder Balkonkästen und eignen sich verschiedene Zielgruppen. ebenfalls zum Aufwerten von artenarmen Wildpfanzen in die Gärtnereien, © Matthias Kimpel Umgestaltete, insektenfreundliche Hinterhoffäche, © Stefanie Propp Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 19
Bildervortrag Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt Conrad Amber Autor und Naturfotograf Wir erfahren, wie unsere Häuser, Gärten, Dörfer und Städte der Zukunft aussehen können, und wie das Leben dann ruhiger, gesünder und naturnaher sein wird. Es ist Zeit, damit zu beginnen! Conrad Amber, nach seinem Buch "Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt", erschienen 2017 im Kosmos-Verlag Totholz, © Conrad Amber Anhand zahlreicher Projekte, die der Autor in Europa besucht und dokumentiert hat, zeigt er auf, wie das Leben mit Bäumen und anderen Pfanzen an und auf unseren Conrad Amber Häusern funktioniert, was dies bewirkt und wie notwendig wir es brauchen. Grüne Wir müssen uns wieder mit der Natur Fassaden, Dachgärten mit Blühpfanzen versöhnen, sie zulassen und in unsere und Gehölzen für die Honiggewinnung Dachgarten Wien Mitte, © Conrad Amber Nähe bringen. Wir müssen erkennen und und gesunde Freizeitgestaltung, Obst- verstehen, dass wir ohne Pfanzen, ohne baumalleen und blühende Baumreihen Bäume gar nicht leben können und dass an Verkehrswegen, natürliche Waldparks sie wesentlich für unser Wohlergehen und mitten in der Stadt, Baumschatten auf Gesundheit zuständig sind. Parkfächen und in Gastgärten, Denk-Mal- Bäume und Waldfriedhöfe und wie sich Autobahnwälder ökologisch und ökono- misch rechnen – nur einige Beispiele, die der Naturdenker vorstellt. Mit umgesetzten Naturprojekten, die zum Nachdenken an- regen und zum Nachmachen einladen. Wien Boutiquenhotel, Stadthalle, © Conrad Amber Natur im Garten, Waldlichtung, © Conrad Amber 20 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Exkursionen Auf ins Grüne: Stadtnatur hautnah erleben Am Nachmittag des ersten Tagungstages hatten die Teilnehmenden Gelegenheit direkt mit der Natur in Kontakt zu treten. In vier geführten Exkursionen erkundeten sie die Gärten der Welt, den Naturerfahrungsraum am Kienberg und die nähere Umgebung. Einige Eindrücke des Stadt- teil-Walks „Wildnis am Wegesrand“ durch Marzahn-Hellersdorf fnden Sie auf dieser Seite. Stadtnatur-Führer Toni Becker Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 21
Impuls „Nach draußen!“ Warum wir nach Corona mehr Stadtnatur brauchen Prof. Dr. Catrin Schmidt Direktorin des Institutes für Landschaftsarchitektur, TU Dresden Stadtnatur hat während der der COVID-19- eine mangelhafte Grünausstattung zu den Pandemie eine höhere Bedeutung Hauptgründen für eine erhöhte Anzahl an gewonnen als jemals zuvor. In Phasen Umzugswünschen zählt. Dem durch die besonderer Belastungen lernen Menschen Pandemie angestiegenen Druck auf das in Städten die gesundheitsfördernden Wir- suburbane Umland kann letztlich nur wirk- kungen von Grünfächen, zum Beispiel ein sam begegnet werden, wenn innerhalb der vermindertes Infektionsrisiko, deutlichen Kernstädte das Wohnumfeld durch mehr Stressabbau und eine Aktivierung des und qualitativ hochwertiges Stadtgrün Immunsystems, verstärkt zu schätzen. verbessert wird. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie hat sich die Nutzungshäufgkeit von öffentli- chen Grünfächen gravierend erhöht. Die Pandemie hat dabei zugleich brennglas- artig gezeigt, was zuvor gegebenenfalls bei der Entwicklung und Pfege von Grünfächen zu sehr vernachlässigt wurde. Zudem verdeutlicht eine repräsentative Befragung in Dresden von 2021, dass Prof. Dr. Catrin Schmidt Hundertwasserhaus Wien, Visualisierung © C. Schmidt 22 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Themen-Workshops An die Wurzel: Workshop-Arbeit zu vertiefenden Themen In vier Themenworkshops vertieften die Teilnehmenden ihren Austausch. Zu den Schwerpunkten „Naturerfahrungsräume & Umweltbildung“, „Projekte & Planungen“, „Integration & Inklusion“ sowie „Bewegung & Teilhabe“ hörten sie zunächst anregende Impulsvorträge. Zu unterschiedlichen Leitfragen wurde anschließend intensiv diskutiert und Anregungen gesammelt. In einer gemeinsamen Schlussrunde wurden die Workshop-Ergebnisse mit den Teilnehmenden der anderen Workshops geteilt. Themen-Workshop „Naturerfahrungsräume & Umweltbildung“ Zugänge zu „wilder“ Natur in der Stadt schaffen Moderation: Irma Stopka, Stiftung Naturschutz Berlin, Beratungsstelle für Naturerfahrungsräume Irma Stopka Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 23
Themen-Workshop „Naturerfahrungsräume & Umweltbildung“ Impulse Dr. Dörte Martens, © HNE Eberswalde, Reischauer Leonie Rhode, © Julien Vallé Verena Butt, © privat Die Bedeutung von Was leisten Naturerfahrungsräume Wie ermöglichen wir unmittelbares Natur(-erfahrungen) in der Kindheit und wie können sie weiterverbreitet Naturerleben und neue Zugänge zu Dr. Dörte Martens, Umweltpsychologin, werden? artenreicher Natur? Hochschule für nachhaltige Entwicklung Leonie Rhode, Mitarbeiterin beim Cam- Verena Butt, Landschaftsarchitektin, Eberswalde HNE pus Stadt Natur der Grün Berlin GmbH, Mitarbeiterin in der Stadt Hannover im zuständig für den Naturerfahrungsraum Fachbereich Umwelt und Stadtgrün, Lehr- Dr. Martens Forschungsinteresse gilt der Kienberg beauftragte; Projekt Städte wagen Wildnis Wirkung unterschiedlicher Umwelten auf Gesundheit und Lebensqualität sowie Naturerfahrungsräume sind Freiräume, Zur Naturerfahrung bedarf es nicht immer partizipative Stadtentwicklung. Natur in denen Kinder Natur erkunden und auf Nationalparks – Wildnis gibt es auch vor stellt eine wichtige Ressource in der ihre Weise begreifen lernen. Sie laden zu der Haustür. Um in Hannover städtische kindlichen Entwicklung dar: Sie befriedigt freiem Spielen ein und bieten die Mög- Grünzüge „wilder“ werden zu lassen, die Bedürfnisse nach Veränderung und lichkeit, Sozial- und Risikokompetenz zu wurde die Mahd reduziert oder eingestellt. Kontinuität, spricht alle Sinne an, eröffnet erlernen, Kreativität zu entwickeln, sich Befürchtungen, dass die Flächen als im freie Spielmöglichkeiten, lässt die Kinder und ihren Körper selbst zu erfahren und in negativen Sinne verwildert oder ungepfegt Selbstwirksamkeit erfahren, fördert Bewegung zu kommen. Die behutsam ge- angesehen werden könnten, traten nicht Vorsicht, Widerstandsfähigkeit und selbst- pfegten und kontrollierten Räume bieten ein – die Rückmeldungen waren meist ständiges Handeln. Die Kinder können Kindern einen sicheren Ort für die Begeg- äußerst positiv. Hierzu beigetragen hat Strategien entwickeln, um Kontrolle über nung mit „wilder Natur“. Es ist notwendig, die „Wildnis-Assel“: Auf allen zehn Wildnis- eine Situation zu behalten und bauen dass bei Eltern und Pädagog*innen und fächen Hannovers wurden orangefarbene die eigene Verbundenheit zur räumlichen vermehrt unter Landschaftsarchitekt*in- Stahlblech-Figuren, mit dem Schriftzug Umgebung aus. nen und anderen Mitgestalter*innen „Wildnis“ auf dem Rücken, auf Bäumen von Stadträumen das Konzept der NER und Stelen montiert. Die Assel schlägt Naturerfahrungsräume fördern im Vergleich bekannter und hierzu fortgebildet wird. Es die Brücke zwischen Kunst, Kultur und zum gängigen Spielplatz ein signifkant braucht zudem engagierte Initiativen und Wildnis. Das Motiv wurde weiterentwickelt komplexeres Spielverhalten: Neben dem Menschen, die Beratungs- und „Überzeu- zum „Assel-Quassel-Wildnis-Walk“, einem psychomotorischen Spielen (Interagieren, gungsarbeit“ leisten, um Naturerfahrungs- Hörspaziergang, bei dem die Assel Kinder Erfahren, Begreifen), Bewegungsspielen räume weiter zu verbreiten. die urbane Wildnis erklärt. und Bauspielen werden insbesondere Fantasie- und Rollenspiele angeregt. Es Elf ausgebildete Wildnis-Lots*innen unter- entstehen tiefergehende Lernmöglichkei- stützen die Projektkommunikation, indem ten. sie auf Besucher*innen zugehen und Um- weltbildungsveranstaltungen anbieten. Das Projekt „Städte wagen Wildnis-Vielfalt erleben“ wurde gefördert durch das Bun- desamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Natur- schutz und nukleare Sicherheit. 24 STADTNATUR WIRKT! Dokumentation der Fachtagung
Themen-Workshop „Naturerfahrungsräume & Umweltbildung“ Arbeitsphase Leitfrage 1: Leitfrage 2: Leitfrage 3: Was macht das Erleben von Natur Wie kann Umweltbildung auch solche Wie kann Natur beiläufg-spiele- beziehungsweise naturräumlichen Zielgruppen ansprechen, die aus risch und niederschwellig erfahren Strukturen besonders in Städten so ihrem sozialen Umfeld heraus nur werden? Welche Vorbildprojekte und wichtig und wertvoll? wenig Zugang hierzu bekommen? beste Praktiken gibt es hierfür außer dem Naturerfahrungsraum? Wie bedeutend die Möglichkeit von Natur- Umweltbildung sollte möglichst barrierefrei kontakt in der Stadt ist, hat nicht zuletzt und an vielen Orten möglich sein. Bezogen Beiläufg-spielerisches Naturerleben die Covid-19-Pandemie gezeigt. Dafür auf naturnahe Freifächen, die zu Natur- sollte an vielen Orten und schon für ganz ist es generell wichtig, in den Städten kontakt einladen sollen, ist eine positive, junge Kinder ermöglicht werden. Um dies lebendige, grüne und vielfältige Freiräume klar verständliche und gegebenenfalls gewährleisten zu können, sollten Schulen, zu schaffen, die die Lebensqualität erhö- mehrsprachige Kennzeichnung bezie- Kitas und Kindergärten wieder mehr hen. Naturnah gestaltete innerstädtische hungsweise Kommunikation entscheidend, natürliche Freiräume wie zum Beispiel Freiräume und Naturerfahrungsräume um Kinder (-gruppen) zu erreichen. Das Schulgärten bekommen. Darüber hinaus ermöglichen diesen Zugang zur Natur für Projekt der „Wildnis-Asseln“ in Hannover sollte zukünftig im Zuge der Stadt- und Kinder und Jugendliche. ist hierfür ein positives Beispiel. Grünplanung regelmäßig geprüft werden, ob zum Beispiel das Straßenbegleitgrün, Das kindliche Freispiel in der Natur fördert Umweltbildung muss in den Alltag aller insbesondere an Schulwegen, und die Selbstwirksamkeit und Kreativität – weitere Kindern integrierbar sein. Das bedeutet Grünfächen im Umfeld von Spielplätzen wertvolle Effekte von Naturerleben in Städ- auch, dass ausreichend Flächen für naturnäher gestaltet und die spielerische ten. Der Aufenthalt in der Stadtnatur bietet formelle wie informelle Umweltbildung im Nutzung durch Kinder zugelassen werden die Möglichkeit, ein besseres Verständnis Wohnumfeld zur Verfügung stehen sollten. kann. für und eine Bindung zur Natur zu entwi- Es muss in Zukunft vermehrt darüber ckeln – im Sinne des Leitspruchs „Nur was nachgedacht werden, wie man in Städten Die Arbeit von Stadtnatur-Ranger*in- man schätzt, ist man bereit zu schützen“. weiteres Flächenpotenzial generieren kann nen, wie zum Beispiel in Berlin, von – zum Beispiel halböffentliche Grünfächen Junior-Ranger*innen, von zertifzierten von Wohnungsbaugesellschaften – und Natur- und Landschaftsführer*innen sowie wie man die Stadtgesellschaft ermutigen von Kümmerinnen und Kümmerern in kann, sich an Projekten zur naturnahen Naturerfahrungsräumen ist erprobterweise Gestaltung von Freifächen zu beteiligen. wertvoll. Sie können von Naturkontakte beiläufg und spielerisch unterstützen und Das Prinzip der „Kümmerinnen und dabei Wissen um die Zusammenhänge Kümmerer“ (Pädagogen, engagierte in der Natur vermitteln. Auch hier wären Laien, Vereine, Eltern, die sich haupt- oder kontinuierliche Fortbildungsangebote, zum ehrenamtlich einsetzen) hat sich für Natur- Beispiel zu Methoden und Werkzeugen für erfahrungsräume als erfolgreich erwiesen. das Herstellen von Naturkontakt, wichtig. Diese können positive Kommunikation Die Erfahrung zeigt, dass (Umwelt-)Kom- unterstützen, Werbung für die Nutzung munikation eine hohe Kontinuität braucht, der Flächen machen, aber auch bei der um wirksam werden zu können. Insofern Gestaltung und Pfege entsprechender Flä- ist es auch wichtig, dass hierfür ausrei- chen unterstützen. Die zielgerichtete Aus- chend Budget zur Verfügung gestellt wird. und Weiterbildung engagierter Personen darf nicht vergessen werden, um möglichst viel zu erreichen. Dokumentation der Fachtagung STADTNATUR WIRKT! 25
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