SOZIAL? DIGITAL? MIT POTENZIAL? - Personalentwicklung aus Sicht des Betriebsrats Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA - Abteilung Arbeit & Technik

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SOZIAL? DIGITAL? MIT POTENZIAL? - Personalentwicklung aus Sicht des Betriebsrats Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA - Abteilung Arbeit & Technik
SOZIAL? DIGITAL?
MIT POTENZIAL?
Personalentwicklung aus Sicht
des Betriebsrats

Aus der Broschürenserie
Gewerkschaft GPA – Abteilung Arbeit & Technik   1
SOZIAL? DIGITAL? MIT POTENZIAL? - Personalentwicklung aus Sicht des Betriebsrats Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA - Abteilung Arbeit & Technik
„Bildung soll allen zugänglich
sein. Man darf keine Standes-
unterschiede machen.“
Konfuzius, eigentlich Kong Qiu, K'ung Ch'iu, chinesischer Philosoph, ca. 551 - 479 vor Chr.

                                                         „[Wir arbeiten mit] lernender
                                                         Technologie um Daten aus jedem
                                                         Segment der Beschäftigten
                                                         sammeln und analysieren [zu
                                                         können und] die Kluft zwischen
                                                         Performance und Gehalt zu
                                                         identifizieren“
                                                         Website des Software-Unternehmens Cornerstone am 01.08.2021

„Ich halte – ehrlich gesagt – vom
Big-Data-Einsatz im Personalbereich
überhaupt nichts.“
Thilo Weichert, ehem. Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein in einem Interview 2015

IMPRESSUM:
Herausgeber: Gewerkschaft GPA, 1030 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1
Redaktion: Clara Fritsch, Gewerkschaft GPA – Abteilung Arbeit & Technik
Layout: Christina Schier, Gewerkschaft GPA – Abteilung Organisierung und Marketing
Bilder/Fotos: iStock, Edgar Ketzer
ÖGB ZVR-Nr.: 576439352

Stand: September 2021
AUTORIN
© Edgar Ketzer

                 Mag.a Clara Fritsch
                 ist Soziologin und arbeitet in der Abtei-
                 lung Arbeit & Technik der Gewerkschaft
                 GPA. Sie beschäftigt sich schwerpunkt-
                 mäßig mit den Themen Kontrolle am
                 Arbeitsplatz, Beschäftigten-Datenschutz
                 sowie IKT-Systemen und berät zur Ge-
                 staltung von Betriebsvereinbarungen.

                 Die Inhalte sind nach bestem Wissen erstellt und sorgfältig geprüft. Es besteht jedoch keine Haftung seitens der AutorInnen
                 oder der Gewerkschaft GPA. Inhalte dürfen unter Angabe der AutorInnen weiterverbreitet werden (CC-Urheberrecht).

                                                                                                                                               3
INHALT

Kurzer Einblick in die Personalentwicklung........................................................................................... 6

Methoden der Personalentwicklung....................................................................................................... 8
  Praktika.................................................................................................................................................................... 8
  Einführungs- und Traineeprogramme.............................................................................................................. 9
  Job-Rotation, Job-Enlargement und Job-Enrichment.................................................................................10
  Coaching, Supervision und Mentoring...........................................................................................................10
  Lernpartnerschaften/kollegiale Fallberatung..............................................................................................10
  Projektarbeit.........................................................................................................................................................10
  Seminare/Workshops/Kurse.............................................................................................................................11
  Selbstlernen/digitales Lernen...........................................................................................................................11
  Lernen am Arbeitsplatz......................................................................................................................................11

Weiterbildung im Arbeitsverlauf........................................................................................................... 12
  Die Bewerbung....................................................................................................................................................12
  Die Personal-Einsatzplanung............................................................................................................................14
  Weiterbildung während der Beschäftigung...................................................................................................15
  Weiterbildung in der Führungsetage...............................................................................................................15
  Die Personal-„Verabschiedung“.......................................................................................................................17

Recht....................................................................................................................................................... 18
  Allgemeines Vorschlags- und Überwachungsrecht.....................................................................................18
  Information, Beratung, Mitbestimmung.......................................................................................................... 19
  Betriebsvereinbarung......................................................................................................................................... 19
  Aus- und Weiterbildungskosten........................................................................................................................21
  Europäische Rechtsetzung ist in Arbeit...........................................................................................................23

Evidenzbasierte, digital angereicherte Personalentwicklung............................................................ 24
  Die Anbieter..........................................................................................................................................................26
  Die Anwendung....................................................................................................................................................28
  Kritische Stimmen................................................................................................................................................29

Handlungsoptionen und Strategien für den Betriebsrat..................................................................... 32
  Diskussion im Betriebsratsgremium.................................................................................................................32
  Tipps und Gestaltungsmöglichkeiten..............................................................................................................33
  Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung zum Schulungs- und Bildungsmanagement...........................37
  Muster-Vereinbarung zum Rückersatz von Ausbildungskosten..................................................................39
  Forderungen der Gewerkschaft GPA zu beruflicher Qualifikation und Weiterbildung..........................40

                                                                                                                                                                               4
VORWORT

Personalentscheidungen sind im gesamten Arbeitsleben präsent; man bewirbt sich, wird aufgenommen, bildet sich
weiter, wird mit neuen Aufgaben betraut, bei neuen Projekten eingesetzt, mit neuen Teams und deren Arbeitswei-
se vertraut gemacht, macht Karriere (oder auch nicht) und verlässt den Betrieb früher oder später wieder. Bei all
diesen Schritten geht es um Personalentscheidungen. Es wird abgewogen, wer aufgrund welcher Qualifikationen
zu welchen Kosten für welche Aufgaben am besten geeignet ist. Entscheidungen darüber welche Aus- und Weiter-
bildungen gefördert werden, welche Qualifikationen benötigt werden, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt
werden sollen, ob das in speziellen Seminaren, international hochkarätig besetzten Kursen oder auch direkt mit den
KollegInnen am Arbeitsplatz stattfinden soll, diese Entscheidungen sind ein zentraler Bestandteil des Arbeitslebens.

Im Hintergrund von Personalentscheidungen sind digitale Entscheidungshilfen im Einsatz. In Software sind Kriterien
abgebildet, die die Entscheidungsfindung unterstützen sollen und darauf basierende Berechnungen sollen den/
die passenden ArbeitnehmerIn finden. In den letzten Jahren hat sich das Personalmanagement immer mehr auf die
digitale Ebene verlagert, was durch das Corona-bedingte Arbeiten auf Distanz einen Schub erhalten hat.

Personalentwicklung? – Ja bitte, aber sozial gestaltet!

Diese Broschüre zeichnet die Trends nach, die es in der Personalentwicklung und bei Personalentscheidungen gibt.
Fragen hinsichtlich rechtlicher Zulässigkeit, strategischer Ausrichtung, gängiger Methoden sowie möglicher Hand-
lungsoptionen für den Betriebsrat sind in dieser Broschüre aufgerollt. Wenn BetriebsrätInnen und ArbeitnehmerIn-
nen sich über die praktischen Möglichkeiten der Mitgestaltung und Mitsprache informieren möchten, wenn sie hin-
ter die Kulissen der Personalentwicklung und über den Tellerrand des eigenen Betriebs blicken möchten, dann ist
diese Broschüre die Richtige für sie.

Beim Erstellen dieser Broschüre haben viele Menschen ihr „Scherflein“ beigetragen. Im Beirat für Arbeit & Technik
wurde das Thema von den BetriebsrätInnen aufgegriffen, die wesentlichen Aspekte zusammengetragen und dis-
kutiert. Nur in diesem gemeinsamen Werken, konnte die vorliegende Broschüre geschaffen werden. Vielen Dank an
die engagierten KollegInnen!

                                                                                                 Beispiele

                                                                                                 Wertvolle Tipps

                                                                                                 Wichtige Hinweise

                                                                                                                   5
KURZER EINBLICK
IN DIE PERSONAL-
ENTWICKLUNG

I
    n der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde in      oder sie überhaupt „outgesourct“ wird. Zwischen der
    den Personalabteilungen entschieden, wer wie lan-      Rolle als Erfüllungsgehilfe für sämtliche Wünsche der
    ge zu welchen Bedingungen Arbeit hatte – und wer       Geschäftsführung und der Servicestelle für sämtli-
nicht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beka-    che Anliegen der ArbeitnehmerInnen, kann die HR-
men Personalabteilungen immer stärker den Charak-          Abteilung ganz schön „in die Bredouille“ geraten.
ter von Verwaltungsapparaten. Die „PersonalerInnen“        Gegenwärtig liegt die Hauptaufgabe von Personal-
waren beschäftigt mit der Lohnverrechnung, Berech-         abteilungen darin darauf zu achten, dass Wissen und
nung bevorstehender Gehaltssprünge, Auszahlung             Kompetenzen nicht verloren gehen.
von Prämien, zu besuchende Aus- und Weiterbildun-
gen, Urlaubsgenehmigung, Krankenstandmeldung,              Personalentscheidungen werden in der Regel von di-
steuerrechtliche Beurteilungen etc. Personalabteilun-      rekten Vorgesetzten getroffen und meist mit „Leistung“,
gen waren zuständig für die gesamte Verwaltung der         „Eignung“ oder „Seniorität“ begründet. Inoffiziell er-
Arbeitsverhältnisse eines Betriebs. Diese Machtfülle       folgen Beförderungen auch aufgrund von Loyalität
ließen sie mitunter als eigene kleine „Königreiche“ er-    oder es hat etwas mit „Vitamin B“ zu tun, also Netz-
scheinen. Vielen ArbeitnehmerInnen trat die Personal-      werken und Seilschaften, wie BetriebsrätInnen im-
abteilung als einflussreicher – mitunter fast eigenstän-   mer wieder beobachten können. Davon hofft sich so
dig agierender – Machtapparat gegenüber.                   manche/r PersonalistIn zu befreien, indem er/sie auf
                                                           datenbasierte Entscheidungshilfen zurückgreift. Sub-
Seit der Jahrtausendwende wurden diese Verwaltungs-        jektive Personalpolitik könnte durch Zahlen, Daten und
apparate merklich abgebaut. Die Aufgabengebiete            Fakten minimiert werden. Ein evidenzbasiertes Perso-
verlagert, die Lohnverrechnung in ein externes Unter-      nalmanagement bezieht wissenschaftlich erwiesene
nehmen ausgelagert, die steuerlichen Aspekte einem/        Fakten in Entscheidungen mit ein. Eine Laufbahn- bzw.
einer SteuerberaterIn anvertraut, die Entscheidung         Karriereplanung auf Basis von Daten und Fakten (also
über Weiterbildungsmaßnahmen weniger zentralistisch        evidenzbasiert) soll improvisierte, von persönlichen
organisiert. Personaleinsparung, Ausgliederung, Stan-      Befindlichkeiten abhängige Beförderungs- oder Ver-
dardisierung und Digitalisierung machen vor Personal-      setzungsentscheidungen ablösen. Eine strukturierte
abteilungen nicht halt. Auch die „Human Ressource“         Karriere sollte Cliquenwirtschaft und Beförderungsseil-
(HR)-Abteilungen müssen ihre „Kosten-Nutzen-Effizienz“     schaften ablösen. Durch ein für alle gleich definiertes
unter Beweis stellen, damit ihnen nicht die Auflösung       Verfahren im Personalmanagement wird der Legitima-
ins Haus steht, weil ihre Aufgaben entweder von den        tionszwang für abweichende Personalentscheidungen
Beschäftigten selbst übernommen werden, sich eine          höher – und der Einfluss des Betriebsrates und der Be-
andere Abteilung um die Personalagenden kümmert            triebsrätin kann zunehmen.

                                                                                                                6
KURZER EINBLICK IN DIE PERSONALENTWICKLUNG
© iStock

           Digitale Instrumente eignen sich nicht nur für eben-      aus unternehmensinternen als auch -externen Quellen)
           diese zahlenbasierten Personalentscheidungen, sie         sammeln, aufbereiten und dem Management in geeig-
           sind auch ideal, wenn es um ortsunabhängiges Ar-          neter Form (führungsadäquat) zur Verfügung stellen.”
           beiten geht. Wenn Vorgesetzte und deren Beschäf-
           tigte nicht an einem Ort ihrer Arbeit nachgehen (z. B.    In der Praxis bedeutet das, dass die individuellen Ei-
           Matrix-Struktur, Home-Office), können sie mittels digi-   genschaften der ArbeitnehmerInnen möglichst um-
           taler Personalentwicklung Karriereschritte planen und     fangreich dargestellt werden, um sie mit denen an-
           durchführen.                                              derer zu vergleichen und so herauszufinden, wer für
                                                                     vorhandene Arbeitsplätze und Aufgaben, Projekte und
           Wikipedia definiert: „Als Führungsinformationssystem      Teams, KundInnenanfragen und Spezialwünsche am
           oder Management-Unterstützungs-Systeme bezeichnet         besten geeignet ist. Ausbildung, Weiterbildung, Berufs-
           man in der Wirtschaft jene Informationssysteme, welche    erfahrung und mitunter auch persönliche Eigenschaf-
           Informationen über alle das betrachtete Unternehmen       ten der ArbeitnehmerInnen werden also in Software
           oder Organisation betreffenden Sachverhalte (sowohl       dargestellt und ausgewertet.

                                                                                                                          7
METHODEN DER
PERSONAL-
ENTWICKLUNG

E
        uropaweit werden Aus- und Weiterbildungs-                           PRAKTIKA
        daten alle fünf Jahre im Continuing Vocatio-
        nal Training Survey (CVTS) erhoben. Das letzte                      Studierende oder noch in Ausbildung befindliche
fand 2015 statt. Die Statistik Austria brachte in Erfah-                    Menschen arbeiten im Rahmen von Praktika für einen
rung, dass vorwiegend Tagungen und Konferenzen in                           begrenzten Zeitraum im Unternehmen, um berufs-
österreichischen Betrieben zur Weiterbildung genutzt                        spezifische Erfahrungen zu sammeln bzw. weil es ver-
wurden. Das Feld der Weiterbildungsangebote und                             pflichtender Teil der Ausbildung ist. Das Unternehmen
Methoden ist vielfältig. Einige sollen hier beschrieben                     hat dadurch auch die Möglichkeit, geeignete Nach-
werden, um einen groben Überblick zu schaffen und                           wuchskräfte auszuwählen.
vielleicht die eine oder andere Anregung zu erhalten:

   FORMEN DER BETRIEBLICHEN WEITERBILDUNG IN ÖSTERREICH 2015

                                                                                      Darunter mit Weiterbildung durch

                                                   Anzahl aller      On-the-                      Tagungen,      Lern- oder       Sebstge-
        Wirtschaftszweige (ÖNACE 2008),                                              Job-
                                                     Unter-            Job                        Konferen-      Qualitäts-       steuertes
          Beschäftigtengrößenklassen                                                Rotation
                                                    nehmen           Training                      zen etc.         zirkel         Lernen

                                                                                          in % aller Unternehmen

                                     Insgesamt        39.535           48,7           17,1           65,4           26,5             21,6

                                                                                                                  Quelle: Statistik Austria 20171

1	https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/erwachsenenbildung_weiterbildung_lebenslanges_lernen/
    betriebliche_weiterbildung/index.html

                                                                                                                                                    8
METHODEN DER PERSONALENTWICKLUNG
© iStock

                                                               Abteilungen, FachexpertInnen und KollegInnen stehen
                                                               hier auf dem Plan – in multinationalen Konzernen auch
              Praktika werden nicht immer entsprechend         oft im Ausland. In diesen Programmen werden den neu
              entlohnt und gestaltet. PraktikantInnen sind     Hinzugekommenen auch erfahrene KollegInnen aus
              oftmals im Rahmen ihrer Ausbildung zu Prak-      dem Team zur Seite gestellt, um sie in der Einarbeitungs-
              tika verpflichtet und dieser Umstand kann von     phase zu begleiten und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu
              ArbeitgeberInnen ausgenutzt werden. Bei dies-    stehen; diese BegleiterInnen werden mitunter „Buddies“
              bezüglichen Fragen gibt es Informationen in      genannt und die Weiterbildungen „Buddy-Programm“.
              der Jugendabteilung der Gewerkschaft GPA.

           EINFÜHRUNGS- UND TRAINEEPROGRAMME                      Einschulungspläne erleichtern es den neu Hin-
                                                                  zugekommenen, sich zurechtzufinden. Der BR
           Das Einarbeiten neuer MitarbeiterInnen in die Un-      sollte jedenfalls darauf achten, dass die Neuen
           ternehmensabläufe, ihr Bekanntmachen mit dem           auch im Betriebsratsbüro vorbeikommen.
           Unternehmensleitbild, Kennenlernen der relevanten

                                                                                                                      9
METHODEN DER PERSONALENTWICKLUNG

JOB-ROTATION, JOB-ENLARGEMENT UND                                                Austausch von den Erfahrungen ihres/ihrer Mentors/in
JOB-ENRICHMENT                                                                   profitieren. Mentoring ist ein langfristiger Prozess.

Um Qualifikationen generell zu fördern und dadurch
Arbeitszufriedenheit, Flexibilität und Lernmöglichkei-                           LERNPARTNERSCHAFTEN/
ten in der Arbeit zu erhöhen, werden Arbeitsinhalte                              KOLLEGIALE FALLBERATUNG
vielfältiger gestaltet und die Aufgaben wechseln ab.
Werden regelmäßig und routinemäßig die Arbeits-                                  Bei Lernpartnerschaften kann der Wissenstransfer zu
aufgaben getauscht, spricht man von „Job Rotation“.                              zweit oder in einer kleinen Gruppe erfolgen. Es geht
Dies kann auch mit dem Hintergrund gemacht werden,                               darum, das Wissen einer Person weiterzutragen und/
dass besonders schwierige, verantwortungsvolle oder                              oder besondere Fähigkeiten, die jemand besitzt oder
belastende Arbeiten nicht zu lange ausgeführt werden                             sich im Laufe der Erwerbstätigkeit angeeignet hat,
sollen.2                                                                         weiterzugeben. ArbeitnehmerInnen treffen sich dabei
                                                                                 regelmäßig und beraten einander. Das Lernen erfolgt
Wechseln die Aufgaben auf einer Ebene, sind also                                 durch systematische Diskussion zwischen KollegInnen
gleich fordernd hinsichtlich der Qualifikationen,                                (z. B.: bei der realistischen Definition von Zielen, Hilfe
spricht man von einer Tätigkeitserweiterung , einem                              bei Entscheidungen, Planung eines Projekts etc.).
„Job-Enlargement“, was eher keine hohe Qualifika-
tionsmaßnahme darstellt. Handelt es sich hingegen                                Die kollegiale Fallberatung ist eine Form der gegen-
um eine Arbeitsbereicherung, also eine Arbeitsauf-                               seitigen Unterstützung bei der konkret ein Fall nach
gabe mit einem anderen Qualifikationsniveau, spricht                             verschiedenen Gesichtspunkten hin „abgeklopft“ und
man von Arbeitsbereicherung „Job-Enrichment“, was                                in einer bestimmten Reihenfolge durchgegangen wird,
durchaus ein Angebot zur innerbetrieblichen Weiter-                              unterschiedliche KollegInnen in unterschiedlichen Rol-
bildung darstellt.                                                               len nehmen zum vorgelegten Problem Stellung und su-
                                                                                 chen gemeinsam nach einer gangbaren Lösung.3

COACHING, SUPERVISION UND MENTORING
                                                                                 PROJEKTARBEIT
Coaches und SupervisorInnen sind externe, profes-
sionelle BeraterInnen, die sich spezieller Fragen an-                            Eine Gruppe von ArbeitnehmerInnen aus verschiede-
nehmen und gemeinsam mit den Beschäftigten nach                                  nen Bereichen arbeitet zeitlich befristet an einer klar
Lösungen für auftretende Probleme suchen. Während                                begrenzten Aufgabe.
Supervision eher im pädagogischen oder sozialarbei-
terischen Bereich stattfindet und das Augenmerk auf                              Dabei kann eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
Beratungssituationen und Gruppenprozesse legt, wird                              Sinn machen, sodass Beschäftigte mit unterschiedli-
Coaching von einzelnen leitenden Angestellten in An-                             chem Qualifikationshintergrund und aus unterschied-
spruch genommen und soll „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei                             lichen Bereichen in einem Projekt zusammenarbeiten.
Führungsaufgaben bieten.                                                         Das Ergebnis ist meist klar definiert (z. B. die Entwick-
                                                                                 lung von neuen Produkten oder Verfahren, die Ein-
Mentoring wird hier nur der Vollständigkeit halber an-                           führung einen neuen IT-Systems, das Entwerfen einer
geführt, da es sich nicht um Weiterbildung im eigent-                            Marketing-Kampag etc.), nicht unbedingt auch der
lichen Sinn handelt, sondern sich vor allem mit Fragen                           Weg dahin. Die selbstverantwortliche Arbeit in der Pro-
der Persönlichkeitsbildung als Führungskraft widmet.                             jektgruppe kann auch eine Form der Qualifizierung
Nachwuchs-Führungskräfte sollen durch regelmäßigen                               darstellen.4

2    itunter sehen ArbeitgeberInnen darin auch ein Mittel zu Vorbeugung kriminellen Handelns wenn es sich um Arbeitsstellen mit Zugang zu hohen
    M
    Geldbeträgen handelt und die dort Beschäftigten nicht „in Versuchung“ kommen sollen.
3   Eine sehr stark und streng strukturierte Methode stellt das sogenannte „Heilbronner Modell“ dar, das jedoch nur unter professioneller Leitung
     durchgeführt werden sollte.
4    Eine derzeit weit verbreitete Art der Projektgruppe ist das „Scrummen“ im Rahmen des Konzeptes Agiler Arbeit. Dazu hat die Gewerkschaft GPA im Juni
      2021 eine Information herausgebracht, die bei den RegionalsekretärInnen erhältlich ist.

                                                                                                                                                            10
METHODEN DER PERSONALENTWICKLUNG

SEMINARE/WORKSHOPS/KURSE                                                           Manchmal ist die Teilnahme verbindlich (z. B. bei Schu-
                                                                                   lungen zu Sicherheitsrichtlinien), was in Verbindung mit
Diese Lernformen werden meist von externen Anbie-                                  der Datenverarbeitungen kritisch betrachtet werden
tern zu einem bestimmten Thema angeboten. Die                                      muss. So wäre es beispielsweise bei einer verpflichten-
Gruppe trifft dabei ein- oder mehrtägig zusammen,                                  den Schulung zulässig festzuhalten, ob jemand die Ab-
was in der Regel außerhalb des Unternehmens statt-                                 schlussprüfung bestanden hat, aber nicht unbedingt
findet, um eine gewisse Distanz zu erhalten. Ein/e Mo-                             wieviel Wiederholungen dafür benötigt wurden.
deratorIn soll für einen reibungslosen Ablauf sorgen,
ist jedoch nicht zwangsläufig auch für die Sachinhalte
eines Seminars oder für die Endprodukte eines Work-
shops selbst zuständig.                                                                 Um das digitale Lernen auf Plattformen im Sin-
                                                                                        ne der ArbeitnehmerInnen und unter Schutz der
Innerbetriebliche Seminar- und Kursangebote richten                                     Privatsphäre zu gestalten, ist der Abschluss ei-
sich an die Beschäftigten innerhalb des Unternehmens.                                   ner Betriebsvereinbarung gut geeignet. Siehe
Vortragende sind entweder KollegInnen oder Externe.                                     Abschnitt „Betriebsvereinbarung“ im Kapitel
                                                                                        „Recht“ (Seite 19 ff).
Je nach Branche werden in Unternehmen bei Semina-
ren auch fachspezifische Zertifizierungen angeboten
(z. B. Zertifizierungen für bestimmte Programmier-
sprachen für MitarbeiterInnen der IT-Abteilung) Die                                LERNEN AM ARBEITSPLATZ
Zertifizierungen werden in der Regel von akkreditierten
Stellen durchgeführt und sind somit unternehmensun-                                Dabei werden konkrete Probleme der Arbeitstätigkeit
abhängig.                                                                          und des Arbeitsumfeldes in Angriff genommen. Diese,
                                                                                   auch unter „Training on the job“ bekannten Methode,
                                                                                   ist eine zweckgerichtete, maßgeschneiderte Vermitt-
SELBSTLERNEN/DIGITALES LERNEN                                                      lung von Qualifikationen durch unmittelbare Übung
                                                                                   am Arbeitsplatz, oft unter Anleitung eines/r Vorgesetz-
Für das eigenständige Lernen bieten sich neben Fach-                               ten oder von KollegInnen. Diese Lernform ist im Pro-
literatur, Internet-Recherche, Videos und Podcasts                                 duktionsbereich vorhanden, wo „auf dem Hallenbo-
auch e-learning an. Es können Lernplattformen im In-                               den“ Innovationen entwickelt werden.5 Gemeinsames
ternet genutzt werden. Wissen kann so zeitlich und ört-                            Ausprobieren, Partizipation und die enge Verbindung
lich flexibel vermittelt werden. „Computer based trai-                              zur konkreten Tätigkeit sind die tragenden Säulen die-
ning“, „Web based training“ oder Webinare sind (meist                              ser Methode. Die erworbenen Qualifikationen haben
interaktive) Systeme, die besonders auf das Vermitteln                             allerdings den kleinen „Schönheitsfehler“, dass sie nur
von Fachwissen spezialisiert sind. Lernplattformen soll-                           bedingt auf andere Arbeitsplätze übertragbar sind –
ten ergänzend zu Lernangeboten mit physischer An-                                  und damit am Arbeitsmarkt eher weniger brauchbar.
wesenheit angeboten werden, also herkömmliche Bil-
dungsmaßnahmen nicht vollständig ersetzen.                                         Eine Möglichkeit für arbeitsplatznahes Lernen sind die
                                                                                   sogenannten „Brown Bag Sessions“. Diese Treffen zum
Hier sind insbesondere Aspekte des Datenschutzes zu                                Erfahrungsaustausch sind kurz und bündig, finden am
beachten, da digitale Schulungen natürlich die Tä-                                 Arbeitsplatz (bzw. in der nächsten Umgebung) statt
tigkeiten der Lernenden aufzeichnen, mitverfolgen,                                 und jede/r kann sich schnell die Jause im „braunen
speichern, auswerten, vergleichen etc. Insbesonde-                                 Sackerl“, also im „brown bag“, mitnehmen. Ad-hoc
re bei Modulen mit abschließender Bewertung durch                                  Arbeitsgruppen können mit dieser Methode auch über
Testfragen muss darauf geachtet werden, dass die da-                               Abteilungsgrenzen hinaus gebildet werden, um rasch
tenschutzrechtlichen Grundsätze eingehalten werden.                                und unbürokratisch Anstehendes zu bereden.

5   vgl. Interviews und Publikationen von Prof. Sabine Pfeiffer https://www.sabine-pfeiffer.de/blog

                                                                                                                                           11
WEITERBILDUNG
IM ARBEITSVERLAUF

A
        n verschiedenen Stellen im beruflichen Ver-
        lauf wird eine Personalentscheidung gefällt.
        Wer in einem (neuen) Betrieb arbeitet, wird
im Laufe der Jahre verschiedene Funktionen kennen-           Eine Betriebsrätin erinnert sich an ihre Studi-
lernen – und vielleicht auch hierarchische Ebenen.           enzeit an der Wirtschaftsuni. In einer Vorlesung
Jeder Wechsel bringt neue Anforderungen mit sich.            ging es um „Assessment-Center“, also Aufnah-
Um die für die neuen Positionen erforderlichen Fä-           meverfahren. Der Dozent erörterte: Es wurde
higkeiten zu erlangen, werden ArbeitnehmerInnen              in mehreren Betrieben untersucht, ob fünf bis
intern geschult, absolvieren Weiterbildungen bei ex-         zehn Jahre nach einem Assessment-Center zwi-
ternen Instituten, werden gefördert und erhalten so          schen dem Verhalten der damals ausgewählten
zusätzliche im Betrieb (und anderswo) einsetzbare            Führungskräfte und deren wirtschaftlichem Er-
Kompetenzen.                                                 folg ein Zusammenhang bestünde. Die heuti-
                                                             ge Betriebsrätin und damalige Studentin kann
                                                             sich erinnern, dass überraschender Weise kein
DIE BEWERBUNG                                                signifikanter Unterschied festgestellt werden
                                                             konnte zwischen Führungskräften, die das Auf-
Am Anfang steht die Bewerbung, das Recruiting, die           nahmeverfahren bestanden hatten, und denen,
Aufnahme. Werden Bewerbungen in Präsenz durchge-             die zwar nicht bestanden, dennoch aber aus
führt, geht dies bei einer größeren Anzahl von Arbeits-      anderen Gründen aufgenommen wurden. Der
suchenden meist so vonstatten, dass in einer ersten          Dozent erwähnte, dass immer die Gefahr beste-
Runde mehrere BewerberInnen gleichzeitig bestimmte           he, dass man eigentlich gute Leute zu vorschnell
Fragen beantworten und praktische Übungen absol-             „aussortiert“. Wissenschaftlich dürfte es also
vieren müssen – sogenannte „Assessment Center“.              umstritten sein, inwieweit in Aufnahmeverfahren
                                                             die „Richtigen“ ausgewählt werden.
Dabei werden mitunter die Reaktionen der Bewerbe-
rInnen auf ausgedachte typische Arbeitssituationen
getestet. Unterschiedliche Methoden können dabei
angewandt werden. Meist sind es Fragebatterien,           Besonders in großen Unternehmen ist es üblich,
die (digital) beantwortet werden müssen. Es können        im Laufe des Einstellungsverfahrens nicht nur die
aber auch Bilder interpretiert, Geschichten komplet-      fachlichen, sondern auch persönliche soziale Kompe-
tiert oder Situationen mit verteilten Rollen gespielt     tenzen (auch „social skills“ oder „soft skills“ genannt)
werden.                                                   im Bewerbungsprozess miteinzubeziehen.

                                                                                                                12
WEITERBILDUNG IM ARBEITSVERLAUF
© iStock

           In Bewerbungssituationen tritt generell das Risiko       nicht jedem und jeder persönlich ausreichend Zeit
           ein, dass die Privatsphäre beeinträchtigt wird, da die   gewidmet werden. Online-Plattformen sollen daher
           KandidatInnen Verhaltens- und zwangsläufig auch           anhand von bestimmten Merkmalen (z. B. Ausbildung,
           Persönlichkeitsmerkmale oder politische Einstellun-      Berufserfahrung und Ähnlichem) eine Vorauswahl
           gen offenlegen, die sie ohne die Drucksituation einer    treffen.
           Bewerbung nicht preisgeben würden.
                                                                    Obwohl der Betriebsrat keine direkte Vertretungsbe-
           Ziel der Bewerbungsprozesse ist es unter allen Be-       fugnis für (noch) nicht im Betrieb Angestellte hat, ist
           werberInnen den oder die Beste für den Betrieb bzw.      es von Vorteil, wenn er/sie sich bei der Gestaltung von
           den jeweiligen Arbeitsplatz auszuwählen. Bei einer       Assessment-Centern einbringt. Die zukünftigen Kolle-
           dreistelligen Bewerberanzahl auf nur eine Handvoll       gInnen können schon hier von der Expertise und den
           Ausschreibungen kann schon aus zeitlichen Gründen        Schutzmaßnahmen des Betriebsrats profitieren.

                                                                                                                        13
WEITERBILDUNG IM ARBEITSVERLAUF

                                                                            Recruiting-Unternehmen bieten Tests an, in denen Be-
                                                                            werberInnen ihre persönliche Eignung für eine Stelle
                                                                            in einem Unternehmen testen können. Die dabei ge-
    Asssessment-Center:                                                     machten Angaben und Testergebnisse können mit Da-
                                                                            ten aus Social Media-Netzwerken kombiniert werden,
    ●   BetriebsrätInnen können sich die Bewer-                             was das Ergebnis für die personalsuchende Firma an-
        bungsfragen vorab ansehen und hinterfra-                            geblich treffsicherer macht. Axciom oder Cornerstone
        gen.                                                                arbeiten mit einem solchen Geschäftsmodell. Siehe Ab-
    ●   BetriebsrätInnen erfahren die Aufnahme-                             schnitt „Die Anbieter“ im Kapitel „Evidenzbasierte, digi-
        kriterien vorab und können sie hinterfra-                           tal angereicherte Personalentwicklung“ (Seite 26 ff).
        gen.
    ●   bei Aufnahmeverfahren mit großen Grup-
        pen in Präsenz: Die Schulung der Beobach-                           DIE PERSONAL-EINSATZPLANUNG
        terInnen erfordert viel Zeit und Sorgfalt. Da-
        her sollten diese BeobachterInnen entweder                          Um die richtige Person und den richtigen Arbeitsplatz
        bereits Erfahrung gesammelt haben oder                              zusammenzubringen, kommen in größeren Unter-
        zumindest eine ausführliche Schulung er-                            nehmen Datenbanken zum Einsatz. Personenbezo-
        halten haben.                                                       gene Daten der ArbeitnehmerInnen, wie vereinbarte
    ●   bei Übungen im Assessment-Center: Auf-                              Arbeitszeit (-modelle), Ausbildung und berufsspezifi-
        nahme- und Beobachtungskriterien sollen                             sche Zusatzqualifikationen, Führerscheinbesitz oder
        im direkten Zusammenhang mit dem ausge-                             Sprachkenntnisse werden dort hinterlegt und für die
        schriebenen Arbeitsplatz stehen (z. B. ist das                      Erstellung von Personalplänen, Schichtplänen, Pro-
        fließende Sprechen einer Fremdsprache nur                           jekt-Teams etc. verwendet. Es kommt auch vor, dass
        dann zu prüfen, wenn es die zukünftige Tä-                          die Daten in der Software weitläufig verknüpft werden
        tigkeit auch tatsächlich erfordert).                                (z. B. bei mobilen Einsatzplänen wird der konkrete
    ●   Auszuschließen sind Testverfahren mit psy-                          Aufenthaltsort per GPS ermittelt, um eine möglichst
        chologischen Selbsteinschätzungen oder                              schnellen Einsatz zu gewährleisten).
        Beurteilungen durch andere BewerberIn-
        nen                                                                 Bei der Zusammenstellung von Teams werden mitunter
    ●   Übungen, die Rückschlüsse auf besonders                             soziale Rahmenbedingungen miteinbezogen. Beispiels-
        schutzwürdige Daten der BewerberInnen zu-                           weise kann es zu Problemen kommen, wenn sich zu viele
        lassen ( das sind: politische Einstellung, se-                      Urlaubswünsche von Eltern schulpflichtiger Kinder in
        xuelle Orientierung, religiöse Überzeugung                          der Schulferienzeit zusammenballen. Bei derartigen Kri-
        etc.) sowie Übungen, die dazu beitragen,                            terien lässt sich ein Geschlechterbias ablesen. So wird
        dass die Teilnehmenden herabgewürdigt                               es eher in die Berechnung und Planung einfließen, dass
        werden oder sich als „VerliererInnen“ sehen                         Frauen schulpflichtige Kinder zu betreuen haben, als
        dürfen nicht stattfinden                                            dass Männer Fußballfans sind, obwohl es sich zu Zeiten
    ●   BetriebsrätInnen sollten das Recht auf stille                       von internationalen Fußballgroßereignissen schon zu-
        Beobachtung bei Assessment-Centern ha-                              getragen haben soll, dass zu viele (männliche) Fußball-
        ben.                                                                fans in einer Abteilung einen zeitgleichen Konsum von
    ●   KandidatInnen sollten das Recht auf Teilnah-                        Zeitguthaben beantragen. Soziale Rahmenbedingun-
        mewiederholung haben.                                               gen sollten jedenfalls nicht als Rechengrundlage für
                                                                            eine Maschine herhalten, sondern von Menschen nach
                                                                            fairen Kriterien für alle gestaltet werden.
                                                                            Prinzipiell ist es von Vorteil, wenn Menschen an jenen
Ergänzend zu den Ergebnissen von Bewerbungstests                            Arbeitsplätzen eingesetzt werden, für deren Arbeits-
werden von den Unternehmen, die sich das leisten kön-                       aufgaben sie geeignet sind. Was in der Praxis mitunter
nen und wollen, auch Daten aus dem Internet analysiert.6                    allerdings vergessen wird ist, dass

6   http://derstandard.at/2000037259645/Trend-mit-Makel-Wenn-der-Algorithmus-den-Mitarbeiter-findet?ref=rec [21.03.2021]

                                                                                                                                    14
WEITERBILDUNG IM ARBEITSVERLAUF

●   zwischenmenschliche Beziehungen bei den Ein-                                    falsch ein. ArbeitnehmerInnen schätzen ihr eigenes
    satzplänen mit zu berücksichtigen sind (z. B. Klien-                            Karrierepotenzial falsch ein, sodass sie unrealistische
    tInnen- und KundInnenwünsche, Erfahrung etc.)                                   Laufbahnziele und Erwartungen haben. Der Aufstieg
●   allfällige Änderungen in Einsatzplänen rechtzeitig                              erfolgt nach Kriterien, die für die ArbeitnehmerInnen
    bekannt gegeben werden müssen (vgl. § 19c AZG)                                  nicht zu durchschauen und/oder nicht akzeptabel
●   es für „SpezialistInnen“ nicht zu einer Arbeitsüber-                            sind. Ein weites Feld für Missinterpretationen und Fehl-
    lastung kommt, wenn sie aufgrund ihrer in der Da-                               einschätzungen.
    tenbank hinterlegten Fähigkeiten gleichzeitig von
    verschiedenen Stellen angefordert werden.
                                                                                    WEITERBILDUNG IN DER FÜHRUNGSETAGE

                                                                                    Um aber innerbetrieblich Weiterbildung und
    Je mehr Angaben in einem Personalinformati-                                     Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen anbieten zu
    onssystem (PIS) zur Einsatzplanung enthalten                                    können, ist es erforderlich, dass jemand derartige An-
    sind, desto mehr kann ausgewertet werden und                                    gebote veranlasst. In der Regel wird das die jeweilige
    desto mehr Rechtfertigungsgründe können ent-                                    Führungskraft sein. Führungskräfte haben also Einfluss
    stehen. Daher ist es bei der Regelung derartiger                                auf das Wie und Was der Qualifizierung – nicht zuletzt
    Datenbanken ratsam, die Angabe zu den per-                                      durch ihre Vorbildwirkung.
    sönlichen Qualifikationen den ArbeitnehmerIn-
    nen weitgehend freizustellen, welche ihrer indi-                                Die Schlüsselfigur „Führungskraft“ sollte die geeigne-
    viduellen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Beruf                                 ten Voraussetzungen mitbringen, die auch das Lernen
    Verwendung finden sollen und daher ins PIS ein-                                  für die ArbeitnehmerInnen begünstigen. Folglich sollte
    getragen werden.                                                                auch die Führungskraft selbst Weiterbildungen durch-
                                                                                    laufen, die Wissen und Fähigkeiten auf dem Gebiet der
                                                                                    Weiterbildung vermitteln. Welche Art des Angebots ist
                                                                                    für welche/n MitarbeiterIn geeignet? Welche Metho-
WEITERBILDUNG WÄHREND DER                                                           den passen zu den Zielen, die erreicht werden sollen?
BESCHÄFTIGUNG                                                                       Welche Angebote gibt es derzeit am Markt? Diesen
                                                                                    Fragen muss sich eine Führungskraft stellen (lernen),
Die Anforderungen an einen einmal angetretenen Ar-                                  wenn sie die ArbeitnehmerInnen für die Arbeit gut rüs-
beitsplatz können sich im Laufe der Zeit verändern. Es                              ten will. Für Führungskräfte stellt sich einerseits das
kann sich auch herausstellen, dass eine Person besser                               Problem, MitarbeiterInnen anleiten zu sollen, deren
an einem anderen Arbeitsort passen würde oder sich                                  Fachwissen nicht dem ihren gleicht: „Autonome, gut
weiterentwickeln möchte. Die klassische Frage im Mit-                               ausgebildete Spezialisten sind von Führungskräften zu
arbeitergespräch „wo sehen sie sich in fünf Jahren“                                 führen, die die Inhalte der Expertentätigkeit nicht mehr
nimmt darauf Rücksicht und es soll mit ihrer Hilfe fest-                            ausreichend beurteilen können.“7 Außerdem sind Füh-
gestellt werden, wo der Weiterbildungsbedarf gege-                                  rungskräfte selbst nicht immer ExpertInnen für die ih-
ben ist.                                                                            nen anvertrauten Führungsaufgaben.

Im Idealfall sollte der betriebliche Bedarf an Kompe-
tenzen und die individuellen Ziele einander ergänzen.
In der Praxis finden sich allerdings folgende Prob-                                      Ein Betriebsrat erzählt: Bei uns werden die Füh-
lemlagen, die dem entgegenstehen. Es sind bisweilen                                     rungskräfte zu Führungskräften, indem der eine
weniger Aufstiegspositionen vorhanden als Personen,                                     zum andern sagt: „Ab morgen bist du Führungs-
die nach Aufstieg streben. BetriebsinhaberInnen se-                                     kraft.“ Der legt sich dann ins Bett und am nächs-
hen ArbeitnehmerInnen für Positionen vor, die diese                                     ten Tag glaubt er, er hat sich von der Raupe in
etwa nicht anstreben. Vorgesetzte erkennen das Po-                                      einen Schmetterling verwandelt.
tenzial von ArbeitnehmerInnen nicht bzw. schätzen es

7   Artikel „Arbeiten und Leben 4.0“ von Prof. Dr. Manfred Becker in: „Wirtschaft + Weiterbildung“ 11/12 2015 S. 24ff

                                                                                                                                              15
WEITERBILDUNG IM ARBEITSVERLAUF

Damit der Betriebsrat/die Betriebsrätin in der Füh-                             Von Weiterbildung profitieren heute v. a. jene, die oh-
rungskraft eine/n gute/n VerhandlungspartnerIn hat,                             nehin bereits als BildungsgewinnerInnen bezeichnet
ist es unumgänglich Führungskräften bestimmte Wei-                              werden können. Niedrigqualifizierte, Ältere und Teil-
terbildungsinhalte zu vermitteln. Das Dauerthema                                zeitbeschäftigte sind deutlich unterrepräsentiert. Das
Arbeitszeit kann beispielsweise nur dann sinnvoll im                            Erlernen von Grundkompetenzen und das Nachholen
Betrieb ausdiskutiert werden, wenn beide Verhand-                               von Bildungsabschlüssen müssen auch nach der Schul-
lungspartnerInnen wissen, welche gesetzlichen Ar-                               und Ausbildungspflicht in jedem Alter und für alle mög-
beitszeitvorgaben gelten.                                                       lich sein. Das verlangt nach Förderung der Durchlässig-
                                                                                keit im Bildungssystem. Siehe Abschnitt „Forderungen
Dem kann entgegengehalten werden, dass gerade bei                               der Gewerkschaft GPA zu beruflicher Qualifikation
höherqualifizierten Beschäftigten, die auch eher in der                         und Weiterbildung“ (Seite 40).
Führungsebene zu finden sind, auch mehr in Aus- und
Weiterbildung investiert wird. Im Bereich der weiter-                           Aktuelle Zahlen aus Deutschland, belegen: Je höher
führenden beruflichen Qualifizierung und der betrieb-                           die abgeschlossene formale Bildung desto höher die
lichen Weiterbildung greift in hohem Maß das Prinzip                            Teilnahme an beruflicher Weiterbildung.8
„Wer hat, dem wird gegeben“.

      WER NIMMT AN AUS- UND WEITERBILDUNG TEIL
      TeilnehmerInnen an beruflicher Weiterbildung nach beruflichen Bildungsabschlüssen,
      in Prozent der jeweiligen Erwerbsbevölkerung

                                                                                                                   Hochschulabschluss

                                                                                                                   Lehre/Berufsausbildung

                                                                                                                   Bevölkerung 19–64 insgesamt

                                                                                                                   Meister-, andere Fachschule
      %                                                                                                            Keine Berufsausbildung

        80

        70

        60

        50

        40

        30

        20

        10

         0
              1979     1982     1985     1988    1991     1994     1997     2000     2003    2007     2010     2012     2014    2016     2018
                                                                Quelle: Hans-Peter Klös. IW_Policy Paper 12/21: Berufliche Weiterbildung in Deutschland:

                                                                                                                   Status Quo und Weiterentwicklung9

8    achdem das duale Ausbildungssystem in Deutschland und Österreich sowie die Wirtschaftsstruktur einander ähneln, kann davon ausgegangen werden,
    N
    dass die diesbezüglichen Befunde ähnlich aussehen, wenn auch der Effekt spezieller politischer Fördermaßnahmen für den niedrig qualifizierten Bereich
    in Deutschland nicht herausgerechnet wurde.
9   https://www.iwkoeln.de/studien/hans-peter-kloes-status-quo-und-weiterentwicklung.html [21.07.2021]

                                                                                                                                                       16
WEITERBILDUNG IM ARBEITSVERLAUF
© iStock

           DIE PERSONAL-„VERABSCHIEDUNG“                                Mitunter wird das Ausscheiden eines/r Arbeitneh-
                                                                        mers/in begleitet. Dazu können eigene TrainerInnen
           Dieser Vorgang wird im Sprachgebrauch des Manage-            herangezogen werden, die sowohl die verbleibenden
           ments auch „off-boarding“ genannt; wir nennen es             KollegInnen als auch die ausscheidende Person un-
           „Kündigung“. Manche Aspekte der Kündigung können             terstützen, die entstandene Lücke in der alten Firma
           digital standardisiert unterstützt werden, da es bei einer   schließen, neue Perspektiven für den/die Betroffenen
           Kündigung immer auch um administrative Prozesse, wie         erarbeiten. Schön wäre es, wenn die Beschreibung in
           die Rückgabe von Arbeitsmitteln (z. B. mobile Geräte,        wikipedia zuträfe: „Das professionelle Offboarding
           Schlüssel etc.) oder das Übertragen von Aufgaben an          durch entsprechend ausgebildete Personalverantwort-
           andere ArbeitnehmerInnen bzw. den/die Nachfolge-             liche oder einen externen Coach soll dem Mitarbeiter
           rIn geht. Auch technische Aspekte, wie das Leeren von        helfen, die Trennung als natürlichen Abschluss einer
           Ordnern, Löschen von Daten, das Übertragen von Zu-           Lebensetappe zu ‚begreifen‘, die Erkenntnisse aus sei-
           griffsberechtigungen können in einer Personalverwal-         nen Erlebnissen bewusst für den neuen Lebens- und
           tungssoftware hinterlegt sein. Aber es sind immer auch       Berufsabschnitt zu nutzen. So geht der Mitarbeiter ori-
           soziale Aspekte mit im Spiel, die sich schwer in automa-     entiert ‚von Bord‘, um sich – mit sicherem Boden unter
           tisierten Prozessen wiedergeben lassen.                      den Füßen, nämlich im positiven Bewusstsein seiner
           Mitunter sind Schulungen auch nur vorgeschobene              persönlichen wie beruflichen Talente und Motive – zu
           Gründe, um sich von MitarbeiterInnen „zu trennen“.           neuen Zielen aufzumachen.“ Natürlich sind derarti-
                                                                        ge Maßnahmen immer auch ein Stück weit der Ver-
                                                                        such des Unternehmens ökonomischen Schaden oder
                                                                        Imageverlust hintanzuhalten.
              Eine Betriebsrätin erzählt, wie in ihrem Unter-
              nehmen der Finanzbranche Assessment-Center
              eingesetzt wurden: Bei uns wurden auch Grup-
              penleiterfunktionen im Rahmen einer Umstruk-
              turierung komplett neu über Assessment-Center
              vergeben. Dabei wurden Führungskräfte „ab-
              gesägt“, die zwar fachlich und sozial kompetent
              waren, aber zum Teil kritisch und für die Ge-
              schäftsführung unbequem und eben nicht zu
              einhundert Prozent angepasst.

                                                                                                                            17
RECHT

D
        er Betriebsrat hat einige arbeitsrechtliche He-   Rechtsvorschriften zu überwachen.“ (§ 89 ArbVG)
        bel, an denen er ansetzen kann, um bei (Wei-      Dieses allgemeine Überwachungsrecht bezieht sich
        ter-)Bildungsmaßnahmen mitzureden. Diese          auch auf Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit
Rechtsgrundlagen sind in verschiedenen Materien           den betrieblichen Aus- und Weiterbildung, also bei-
verstreut. Regelungen finden sich im Arbeitsverfas-       spielsweise ob eine Betriebsvereinbarung diesbezüg-
sungsgesetz (ArbVG), dem Arbeitsvertragsrechtsan-         lich abgeschlossen wurde und eingehalten wird.
passungsgesetz (AVRAG) sowie der Betriebsrats-
geschäftsordnung (BRGO).                                  § 90 ArbVG normiert die allgemeinen Interventi-
                                                          onsrechte des BR. „Der Betriebsrat hat das Recht,
                                                          (…) Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedin-
ALLGEMEINES VORSCHLAGS- UND                               gungen, der betrieblichen Ausbildung (…) sowie zur
ÜBERWACHUNGSRECHT                                         menschengerechten Arbeitsgestaltung zu machen.“
                                                          (§ 90 Abs 1 Z 2 ArbVG). Ein Betriebsratsmitglied kann
„Der Betriebsrat hat das Recht, die Einhaltung            also Vorschläge zur Verbesserung der betrieblichen
der die Arbeitnehmer des Betriebs betreffenden            Ausbildung einbringen.

RECHTE DES BETRIEBSRATS

                                                                                               Quelle: Gewerkschaft GPA

                                                                                                                   18
RECHT

INFORMATION, BERATUNG, MITBESTIMMUNG
                                                                jedoch nicht erzwingen – ausgenommen im
Der Betriebsinhaber muss den Betriebsrat allge-                 Zusammenhang mit deren Auflösung und
mein über geplante Vorhaben informieren und ist                 einem Sozialplan. Bestehen solche Einrich-
verpflichtet sich mit dem Betriebsrat zu vierteljähr-            tungen (z. B. eine Ausbildungsstätte für Lehr-
lichen Beratungen zusammenzusetzen (§ 91 und 92                 linge) oder Maßnahmen (z. B. ein Einschu-
ArbVG).                                                         lungsplan für neu eingetretene KollegInnen),
                                                                kann der Betriebsrat erzwingen, an ihrer Ver-
§ 94 ArbVG widmet sich explizit der betrieblichen Be-           waltung teilzunehmen.
rufsausbildung (wobei Spezialkenntnisse theoretischer
und praktischer Art vermittelt werden, die auch in ande-      …
                                                               der Betriebsrat an allfälligen Verhandlun-
ren Unternehmen verwendet werden können), der Ein-             gen mit dem Arbeitsmarktservice teilnehmen
schulung (wobei der/die Beschäftigte mit den Eigen-            kann.
heiten der vorgesehenen Tätigkeit vertraut gemacht
wird), Schulung (worunter die berufliche Weiterbildung
zwecks Ausbau oder Erhaltung von Qualifikationen
zu verstehen ist) und Umschulung (die notwendig ist,       BETRIEBSVEREINBARUNG
wenn die vorhandene Qualifikation nicht mehr nach-
gefragt ist). Die breite Definition von „Schulungsmaß-      Werden personenbezogene Daten der Arbeitneh-
nahmen“ lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber       merInnen so erfasst, dass es eine Kontrolle darstellt
hier sämtliche Weiterbildungsmaßnahmen umfassen            und berührt diese Kontrolle die Menschenwürde (z. B.
möchte und dass er hier eine wichtige Angelegenheit        übermäßig detaillierte Daten zu Arbeitsverhalten als
der betriebsrätlichen Mitwirkung sieht – sonst hätte er    Grundlage für Personalentscheidungen), kommt der
sich wohl nicht so ausführlich und umfassend mit der       § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zu tragen, d. h. die Systeme sind
Thematik auseinandergesetzt.                               zustimmungspflichtig. Ohne eine Zustimmung des Be-
                                                           triebsrats mittels Betriebsvereinbarung (BV) dürfen sie
                                                           nicht eingeführt werden.

   Die wesentlichen Punkte sind, dass:                     Werden im Zuge des Personalmanagements Frage-
                                                           bögen verwendet und sind darin Fragen enthalten,
    … der Betriebsrat zeitgerecht informiert werden       die über die konkrete berufliche Notwendigkeit hi-
       muss (§ 94 Abs 1 ArbVG),                            nausgehen (z. B.: Wie beurteilen sie ihre Position im
                                                           Team? Können sie sich gut durchsetzen? Sind sie zufrie-
   …
    der Betriebsrat eigene Vorschläge zu kon-              den mit ihrer Arbeit?), handelt es sich um sogenannte
    kreten Weiterbildungsmaßnahmen machen                  „qualifizierte Personalfragebögen“. Diese sind (egal ob
    kann und über diese auch mit dem/der Ar-               auf Papier, digital oder verbal) nur zulässig, wenn es
    beitgeberIn beraten werden muss (§ 94 Abs 2            dazu eine BV gibt (siehe § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG). In Mit-
    ArbVG)                                                 arbeiterInnengesprächen sowie deren Dokumentation
                                                           handelt es sich meist um qualifizierten Fragebögen.
   … der Betriebsrat bei der Planung und konkre-
      ten Durchführung Mitwirkungsrecht hat und            Heutzutage sind Schulungsmaßnahmen in der Regel
      auch eine BV dazu abgeschlossen werden               in größere Personalmanagement-Systeme integriert.
      kann (§ 94 Abs 3 ArbVG),                             Nachdem hier umfassend personenbezogene Daten
                                                           der ArbeitnehmerInnen erfasst werden, sind derartige
   …
    Betriebsvereinbarungspflicht (gem. § 97                 Systeme zustimmungspflichtig. Gesetzlich geregelt ist
    Abs 1 Z 5 ArbVG) besteht bzgl. der Verwal-             die BV-Pflicht bei Systemen, die automationsunterstützt
    tung von unternehmenseigenen Schulungs-                personenbezogene Daten der ArbeitnehmerInnen ver-
    und Bildungseinrichtungen. Der Betriebsrat             arbeiten und die über allgemeine Angaben hinausrei-
    kann Bildungs- und Schulungseinrichtungen              chen in § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG.

                                                                                                                 19
RECHT

§ 96a Abs 1 Z 2 kann bei Beurteilungssystemen eben-
falls zum Tragen kommen. Wenn nämlich die (erfolg-
reiche) Teilnahme der Beschäftigten an Ausbildungen,
Schulungen, Kurse etc. systematisch dokumentiert und                                 Der OGH fordert folglich eine im Einzelfall
nach bestimmten Kriterien in irgendeiner Art und Wei-                                durchzuführende Beurteilung, ob „ein betrieb-
se beurteilt wird (z. B. Smileys, Schulnoten) bzw. die                               liches Interesse“ oder die Persönlichkeitsinteres-
Beschäftigten in eine Rangreihenfolge gebracht wer-                                  sen der ArbeitnehmerInnen überwiegen (OGH
den. Umfassende Persönlichkeits- und Leistungsbeur-                                  20.08.2008 9 ObA 95/08y). Auf die freiwillige Teil-
teilung unterliegt in der Regel der BV-Pflicht. Beurtei-                             nahme an den Tests durch die ArbeitnehmerIn-
lungskriterien können sein: Arbeitsmenge, Flexibilität,                              nen kommt es dabei nicht an (OGH 27.02.2018,
Kreativität, Durchsetzungsvermögen, Teamfähigkeit,                                   9ObA94/17i).
Verantwortungsbewusstsein, Risikobereitschaft, Zuver-
lässigkeit, Selbstständigkeit etc.10

                                                                                 Betriebsvereinbarungspflicht besteht ferner bei der
                                                                                 Verwaltung von innerbetrieblichen Schulungs- und
                                                                                 Wohlfahrtseinrichtungen (§ 97 Abs 1 Z 5 ArbVG).
    Die RegionalsekretärInnen der Gewerkschaft
    GPA unterstützen gerne beim Verhandeln einer                                 Eine freiwillige BV kann nach § 97 Abs 1 Z 19 ArbVG da-
    Betriebsvereinbarung und helfen mit einem ei-                                rüber abgeschlossen werden, auf welche Art und Weise
    gens zusammengestellten Muster beim Einsatz                                  der Betriebsrat bei der Planung und Durchführung von
    von e-learning und Datenbanken zum digitalen                                 Bildungsmaßnahmen zu beteiligen ist.
    Personalmanagement.
                                                                                 Weiters kann eine freiwillige BV abgeschlossen werden,
                                                                                 wenn es sich um Boni, Gewinnbeteiligung, oder Ähnli-
                                                                                 ches handelt, die aufgrund der Teilnahme an Weiter-
In der Judikatur wurden bestimmte Kriterien heraus-                              bildungsveranstaltungen oder dem „Erfolg“ bei selbi-
gebildet, anhand derer festzustellen ist, ob der Einsatz                         gen gewährt werden (§ 97 Abs 1 Z 16 ArbVG).
eines Systems „durch die betriebliche Verwendung ge-
rechtfertigt“ ist, ob also BV-Pflicht vorliegt:                                  Abgesehen von Mitbestimmungsrechten in Zusam-
                                                                                 menhang mit Betriebsvereinbarungen, steht dem Be-
                                                                                 triebsrat mitunter auch Mitbestimmung bei Personal-
                                                                                 entscheidungen zu. Sollten Personalentscheidungen
                                                                                 zu verschlechternden Versetzungen führen, kann das
    ●    Je stärker sich die Beurteilung auf zukünf-                             nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen (§ 101
         tige, mit dem aktuellen Arbeitsplatz kaum                               ArbVG). Vor einer normalen Versetzung ist eine Infor-
         in Zusammenhang stehende Weiterbildung                                  mation, vor einer längerfristigen oder dauerhaften
         bezieht, desto eher liegt eine BV-Pflicht vor.                          Versetzung eine Beratung mit dem Betriebsrat durch-
    ●    Je weniger die Weiterbildungsinhalte mit                                zuführen.
         der konkreten betrieblichen Verwendung zu
         tun haben, desto eher liegt eine BV-Pflicht
         vor.
    ●    Je schwerer die Beurteilungskriterien mess-
         bar sind, desto eher liegt eine BV-Pflicht vor.
    ●    Je mehr die Beurteilung negativer Eigen-
         schaften im Fokus steht, desto eher liegt
         eine BV-Pflicht vor.

10 Siehe Elias Felten und Jochen Preiss in „Arbeitsverfassungsrecht Band 3, Befugnisse der Arbeitnehmerschaft und Rechte der Betriebsratsmitglieder“
   von Susanne Auer-Mayer, Sieglinde Gahleitner et al. ÖGB-Verlag 2020

                                                                                                                                                       20
RECHT

AUS- UND WEITERBILDUNGSKOSTEN                                                                        Um den Kostendruck hintanzuhalten, verlangen Arbeit-
                                                                                                     geberInnen Aus- und Weiterbildungskosten mitunter
Insgesamt haben 2015 82 % der Betriebe in Österreich                                                 zurück, insbesondere wenn es zu einer Beendigung des
Weiterbildungen angeboten. „Der Verzicht auf Weiterbil-                                              Arbeitsverhältnisses seitens des/der Arbeitnehmers/Ar-
dungsaktivitäten wurde von 88 % der abstinenten Unter-                                               beitnehmerin kommt. Ob und in welchem Ausmaß eine
nehmen mit ausreichenden Fähigkeiten der Beschäftigten                                               derartige Rückerstattung zulässig ist, regelt der 2015 in
begründet. Am zweithäufigsten wurde argumentiert, die                                                Kraft getretene § 2d AVRAG.
benötigten Kompetenzen wären durch Neueinstellungen                                                  Ausbildungskosten sind von dem/der ArbeitgeberIn tat-
entsprechend qualifizierter Mitarbeiter/innen gewonnen                                               sächlich aufgewendete Kosten für eine erfolgreich absol-
worden (50 %)“, so die Statistik Austria.11 Hohe Kosten für                                          vierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer/der Arbeitneh-
Aus- und Weiterbildung stellen zusätzlich ein ernstzu-                                               merin Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer
nehmendes Hemmnis dar (siehe Grafik).                                                                Art vermittelt, die auch bei anderen ArbeitgeberInnen

  HEMNISSE FÜR EIN HÖHERES AUSMASS AN BETRIEBLICHER WEITERBILDUNG 2015

                                                                                                                                                                   Hemmnisfaktoren
                                                                Weiterbildungsumfang entsprach

                                                                                                 Neueinstellungen entsprechend
                                                                 dem Bedarf des Unternehmens

                                                                                                                                                                                                                                                                        Beschäftigte sehr ausgelastet
                                                                                                                                 Bedarf schwer zu beurteilen

                                                                                                                                                                                                                                         Jüngst erst in Weiterbildung
                                                                                                                                                                                                            Schwerpunkt auf Lehrlings-
                                                                                                                                                               Kursangebot unzureichend
                                                                                                     qualifizierter Personen

                                               Anzahl der
                                                                                                                                                                                          Hohe Kurskosten

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Andere Gründe

                                                 weiter-
                                                                                                                                                                                                                   ausbildung

                                                                                                                                                                                                                                                  investiert

     Wirtschaftszweige (ÖNACE 2008),           bildungs-
       Beschäftigtengrößenklassen               aktiven
                                                 Unter-
                                                nehmen

                                                                                                                                 Zeilenprozent (Mehrfachantworten)
                                 Insgesamt        34.813          62,3                               23,5                        15,5                          17,0                       42,3               13,0                         28,9                          64,6                            12,9

                                                                                           Quelle: Statistik Austria, Continuing Vocational Training Survey – CVTS5 2015

11 https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/erwachsenenbildung_weiterbildung_lebenslanges_lernen/
    betriebliche_weiterbildung/index.html

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        21
RECHT

eingesetzt werden können. Bloße Einschulungskosten
(bei einer Einschulung wird der/die Beschäftigte mit
den Eigenheiten der vorgesehenen Tätigkeit vertraut
gemacht) sind keine Ausbildungskosten.                                             Ein Betriebsrat erzählt: Einem Arbeitnehmer in
                                                                                   einem internationalen Konzern wurde ein Auto-
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs stellt fest: Kosten                           CAD-Kurs bezahlt (Auto-CAD ist ein technisches
einer für den Arbeitnehmer nicht verständlichen und                                Zeichenprogramm für IngenieurInnen). Angeb-
damit wertlosen Ausbildung können nicht zurückgefor-                               lich sollte der Kurs 6.000 Euro wert sein, was für
dert werden. Ein Arbeitnehmer hatte in seinem Dienst-                              den Betriebsrat nur schwer vorstellbar war, da
vertrag die Verpflichtung, eine bestimmte Ausbildung                               es sich hauptsächlich um pdf-Files handelte, die
zu absolvieren bzw. bei Selbstkündigung deren Kosten                               per e-learning durchzuarbeiten waren. Zwischen
aliquot selbst zu bezahlen. Er bekam als Ausbildung                                dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten
einen Computerkurs für Systemadministratoren vorge-                                war als Kostenanteil des Arbeitnehmers 5 % des
schlagen, obwohl er in dem System bislang ausschließ-                              Gehalts festgelegt worden. Bei genauer Analy-
lich als Benutzer und nicht als Administrator gearbei-                             se durch den Betriebsrat zeigte sich, dass diese
tet hatte. Die Fachkenntnisse des Beklagten reichten                               anteilig vereinbarten Kosten des Arbeitnehmers
nicht aus, um dem Kurs überhaupt folgen zu können.                                 dazu führten, dass sein Gehalt unter das kollek-
Der Oberste Gerichtshof hielt ausdrücklich fest „…                                 tivvertraglich festgeschriebene Mindestmaß ge-
dass auch unter Berücksichtigung einer angemessenen                                langte. Ein Gespräch des Betriebsrates mit dem
Interessenabwägung zwischen den Vorteilen des Arbeit-                              Vorgesetzten reichte in diesem Fall aus, um die
nehmers am Arbeitsmarkt aus der besseren Ausbildung                                Vereinbarung als rechtswidrig zu entlarven und
und dessen Nachteilen aus der Bindungsdauer durch die                              den Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers
Kostenrückersatzverpflichtung eindeutig abzuleiten ist,                             außer Kraft zu setzen.
dass eine für den Arbeitnehmer völlig wertlose, weil nicht
verständliche Ausbildung nicht als erfolgreich absolvier-
te Ausbildung qualifiziert werden kann“ (OGH: 8 ObA
51/12a 27.11.2012).                                                            Fortbildungskosten können auch dann nicht rückge-
                                                                               fordert werden, wenn bloß eine bereits vorhandene
Ein weiteres Urteil des OGH legt fest, dass selbst nach                        Ausbildung auf aktuellem Stand gehalten wird (OGH
einer erfolgreich absolvierten Ausbildung das wäh-                             27.01.2016 9 ObA 131/15b). Es muss sich also um Aus-
rend der Ausbildungszeit ausgezahlte Entgelt nicht                             bildungsinhalte handeln, die tatsächlich zusätzlich
einfach zurückgefordert werden darf, selbst wenn eine                          oder neu zum vorhandenen Wissen erworben werden.
allgemeine Vereinbarung dazu im Dienstvertrag fest-
gelegt war. Hier gilt der Schutz vor Sittenwidrigkeit.                         Die wesentlichsten Bedingungen dafür, dass Arbeitge-
Der OGH sagt, dass die Rückforderung des Entgelts                              berInnen Teile der Ausbildungskosten zurückverlangen
nur zulässig wäre, wenn diese in einer eigenen Ver-                            dürfen sind zusammengefasst12:
einbarung, bezogen auf den konkreten Einzelfall, ge-
regelt worden wäre. Eine allgemeine Regelung über
den Kostenersatz im Dienstvertrag reicht also nicht
aus. Aus einer solchen speziellen Vereinbarung muss                                ●    Der/die ArbeitnehmerIn ist volljährig.
die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungs-                                  ●    Der/die ArbeitgeberIn hat die Kosten tat-
kosten hervorgehen. Andernfalls kann der Arbeitgeber                                    sächlich bezahlt (und nicht etwa durch Dritt-
keinen Ersatz für die aufgewendeten Ausbildungs-                                        mittel finanziert wie z. B. mittels eines vom
kosten verlangen (OGH 21. 12. 2011 9 ObA 125/11i).                                      AMS zur Verfügung gestellten Förderfonds).

12 Ein Muster zur Rückzahlungsvereinbarung findet sich im Abschnitt „Muster-Vereinbarung zum allfälligen Rückersatz von Ausbildungskosten“
   (Seite 39) [21.07.2021]

                                                                                                                                               22
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