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BIOPRO Magazin Biotechnologie und Life Sciences in Baden-Württemberg Ausgabe 2/2015 Wirtschaft: Biotenside – leistungsstarke Fettlöser aus Bakterien Im Gespräch: Cellca will nach Übernahme noch schneller wachsen Wissenschaft: Künstliche Riboproteine – raffinierte Werkzeuge für die RNA-Editierung
Wir über uns BIOPRO in Baden-Württemberg Im Jahr 2002 gründete die Landesregierung Baden-Württembergs die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH mit Sitz in Stuttgart. Die zu 100 Prozent vom Land getragene Gesellschaft unter- stützt die Gesundheitsindustrie mit den Branchen Biotechnologie, Medizintechnik und pharmazeutische Industrie sowie den Aufbau einer Bioökonomie in Baden-Württemberg. Wir sind zentraler Ansprechpartner für Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Netzwerke. Unser Ziel ist es, mit unserem Fachwissen Baden-Würt tem berg als herausragenden Standort weiterzuentwickeln und ein optimales Klima für Innovationen zu schaffen. Wir bewirken mit unserer Arbeit aber auch sehr konkret, dass wissenschaftliche Erkenntnisse schneller den Weg in die Wirtschaft finden. Die BIOPRO informiert die Öffentlichkeit über die Leistungsfähigkeit und den Ideenreichtum von Medizintechnik, Biotechnologie und pharmazeutischer Industrie. Außerdem begleiten wir Gründer auf dem Weg in ihr eigenes Unternehmen. Gesundheitsindustrie: Baden-Württemberg ist ein starker Standort der Gesundheitsindustrie. Die zahlreichen Unternehmen der Medizintechnik, der pharmazeutischen Industrie und der Biotechno logie bilden einen Kern bereich der baden-württembergischen Wirtschaft. Wir untermauern dies mit Daten und Fakten und tragen dazu bei, es national und international deutlich zu machen. Bioökonomie: In einer Bioökonomie dienen nachwachsende Rohstoffe als Basis zum Beispiel für Chemikalien, Kunststoffe und Energie. Wich tige Verfahren zur Umsetzung der Biomasse in Zwischenprodukte kom- men aus der Biotechnologie/Biologie. Wir sensibilisieren Unternehmen für die wirtschaftlichen Chancen in diesem Bereich und engagieren uns für die Etablierung einer Bioökonomie in Baden-Württemberg. 2 BIOPRO Magazin 2/2015
Editorial Liebe Leser, Mit der Entdeckung, dass Gebärmutterhalskrebs durch humane Papillom viren (HPV) verursacht wird, hat Nobelpreisträger Professor Harald zur Hausen den Grundstein für die Bekämpfung von Krebs durch das eigene Immunsystem gelegt. Die Impfung gegen HPV wird heute durch die stän- dige Impfkommission für Mädchen zwischen neun und vierzehn empfohlen. Mit dem Verfahren, die körpereigenen Krebszellen für das Immunsystem sichtbar zu machen, schließt man direkt an diesen Therapieansatz an. In unserem aktuellen Schwerpunkt „Krebsimmuntherapie“ erfahren Sie, wel- che Fortschritte die therapeutische Impfung derzeit macht und wie die Wissenschaftler mit Impfstoffen gegen Hirntumoren und Lymphdrüsenkrebs vorgehen wollen. Unternehmen wie die CureVac GmbH und die Immatics Biotechnologies GmbH aus Tübingen führen aktuell mit ihren Impfstoffen die erforderlichen klinischen Studien durch und werden uns in den nächsten Jahren die ersten therapeutischen Impfstoffe im Kampf gegen Krebs zur Ver fügung stellen. Mehr über RNA-Therapeutika und tumorassoziierte Peptide können sie in unserem Schwerpunkt „Krebsimmuntherapie“ nachlesen. In unserem Interviewbeitrag „Im Gespräch“ spricht Walter Pytlik mit dem Cellca- Geschäftsführer Hugo de Wit über die Übernahme durch Sartorius Stedim Biotech und welche Möglichkeiten sich für das Unternehmen daraus ergeben. Unter „BIOPRO aktuell“ stellt Dr. Barbara Jonischkeit den neuen Internetauftritt der BIOPRO vor. Mit jeweils eigenständigen Portalen zur Gesundheitsindustrie und Bioökonomie in Baden-Württemberg können Sie sich noch leichter und passgenauer über die Themen informieren. Unter der bekannten Adresse www.bio-pro.de wird nun das Angebot der BIOPRO über- sichtlich dargestellt. Übrigens jetzt auch für Ihr Tablet und Ihr Smartphone. Viel Spaß beim Lesen wünschen Prof. Dr. Ralf Kindervater und das Redaktionsteam der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH 3 BIOPRO Magazin 2/2015
Inhalt Editorial 3 Inhalt 4 Kurz notiert 5 Kommendes Grippevirus besser voraussagen Mit dem Master Bioprozesstechnik gegen den Fachkräftemangel 3D-Bioprinting: Passgenau Gewebe kreieren Forschungsverbund will intelligente Mikroimplantate entwickeln Schwerpunkt Krebsimmuntherapie 6 Kommentar 11 Wirtschaft Biotenside – leistungsstarke Fettlöser aus Bakterien 12 Menschenleben retten durch Messung der Atemströme 14 Wissenschaft Wege zu einer naturverträglichen Energiewende 16 Künstliche Riboproteine – raffinierte Werkzeuge für die RNA-Editierung 18 Im Gespräch Cellca will nach Übernahme noch schneller wachsen 20 BIOPRO aktuell In eigener Sache: Neuer Webauftritt der BIOPRO Baden-Württemberg 22 Impressum 23 4 BIOPRO Magazin 2/2015
Kurz notiert Kommendes Grippevirus Schnittstelle zwischen Verfahrenstechnik und Forschungsverbund will besser voraussagen Biotechnologie. Es ist erklärter Anspruch, die intelligente Mikroimplantate gesamte Prozesskette der Wertstoffherstellung entwickeln Jeweils im Februar gibt die Weltgesundheits- von der gentechnischen Optimierung der organisation WHO ihre Empfehlung zur Zu Zelle über die Zellkultivierung in Bio Bioelektronische Mikroimplantate rücken sammensetzung der Grippeschutzimpfung reaktoren bis zur Aufarbeitung der biotech- immer mehr in den Fokus der Medizin. Die für die kommende Wintersaison heraus. Ihre nologischen Produkte abzubilden. Die in fingernagelgroßen Winzlinge können das Ent schei dung beruht auf Beobachtungen, den Lehrveranstaltungen erworbenen theore- Nervensystem lokal elektrisch stimulieren auf Labortests, aber auch auf Erfahrung und tischen Grundlagen werden in Blockpraktika und dadurch zur Behandlung von Schmerzen, Intuition. Welches Grippevirus sich tatsächlich direkt angewendet. Durch das besonde- Migräne und Depression eingesetzt werden, durchsetzen wird, blieb bisher im Wesentlichen re berufsbegleitende Studienkonzept wird aber auch bei Diabetes oder Bluthochdruck Spekulation. Dr. Richard Neher vom Max- zudem ein enger Austausch mit der Praxis in wirksam sein. Sie stehen jedoch noch Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Unternehmen gewährleistet. Das Gesamtpaket ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Ein Tübingen hat zusammen mit Wissenschaftlern aus Fachwissen, Schlüsselqualifikationen, Forschungsverbund aus vier Instituten der aus Großbritannien und den USA eine Soft- Praxis und der interdisziplinären Erfahrung soll Innovationsallianz Baden-Württemberg ware entwickelt, die versucht, einen Blick in die den Absolventen des „Master of Engineering (innBW) will das jetzt ändern. Das Zukunft werfen. Anhand der Erbgutinforma Bioprozesstechnik“ auch dazu dienen, sich für Forschungsprojekt heißt „innBW implant“, ist tion ihres Oberflächenrezeptors Hämagglutinin Führungspositionen zu qualifizieren. am 1. Juli gestartet und wird vom Finanz- und zeichnen die Forscher die Ver wandtschafts Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg beziehungen verschiedener Grippestämme 3D-Bioprinting: Passgenau mit insgesamt 3,65 Millionen Euro gefördert. nach. Unter dem Druck der in der menschli- Gewebe kreieren In Deutschland und Europa ist dies das erste chen Bevölkerung vorhandenen Immunität Förderprogramm, das die bioelektronische sind besonders diejenigen Virusvarianten Bisher können 3D-Drucker nur tote Produkte Medizin mit öffentlichen Mitteln unter- erfolgreich, die durch Veränderung ihrer herstellen: Plastikspielzeug, aber auch stützt. Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid Oberflächenmoleküle der körperlichen Im Knochen- und Zahnersatz gibt es schon überreichte zum Projektstart persönlich den munabwehr entwischen. Sie vermehren sich aus dem Drucker. Jetzt wollen Freiburger Förderbescheid und wünschte dem innBW- explosionsartig. „Unsere mathematische Me Wissenschaftler lebendes Gewebe dru- Forschungsverbund viel Erfolg. Der Verbund thode wertet die Verzweigungsstrukturen des cken, um in der individualisierten Medizin besteht aus dem Naturwissenschaftlichen und Stammbaums aus, um daraus die biologische einen entscheidenden Schritt zu gehen. Prof. Medizinischen Institut (NMI) in Reutlingen, Fitness für jeden Verzwei gungspunkt abzu- Dr. Günter Finkenzeller, Sektionsleiter für den Hahn-Schickard-Instituten in Villingen- schätzen“, erklärt Neher. Die Fitness drückt Forschung und Tissue Engineering an der Schwenningen (HS VS) und in Stuttgart (HS aus, wie überlebensfähig eine Virusvariante ist Uniklinik für Plastische und Handchirurgie in S) sowie dem Institut für Mikroelektronik und welcher Teil des Baumes sich voraussicht- Freiburg, und Dr. Peter Koltay vom Institut in Stuttgart (IMS). Die Koordination erfolgt lich stark ausbreiten wird. für Mikrosystemtechnik der Universität durch das NMI. Freiburg (IMTEK) erhalten für drei Jahre Mit dem Master Bioprozess- eine DFG-Forschungsförderung. Damit pla- technik gegen den nen sie, funktionsfähiges Knochengewebe mit Fachkräftemangel integrierten Blutgefäßen per Druckverfahren zu erzeugen. Interessant ist das Herstellen Zum Sommersemester 2015 bot die Hochschule lebender Gewebe für die Organersatztherapie Esslingen zum ersten Mal den berufsbegleiten und die Pharmaforschung, um Tierversuche den Master-Studiengang „Bioprozesstechnik“ einzuschränken. Koltay und Finkenzeller an. Dieser soll Bachelor- oder Diplom- entwickeln nun ein Druckverfahren, das Absolventen technischer Studiengänge anspre- aus Knochenzellen einen funktionsfähigen chen, die seit Abschluss des Erststudiums Knochen herstellt, in den die Blutgefäße in der Regel mindestens ein Jahr Berufser schon integriert werden sollen. Mit dem Trick fahrung gesammelt haben und sich auf dem möchten sie den entscheidenden zeitlichen Gebiet der Bioprozesstechnik weiterqualifi- Vorteil erzielen, dass die neuen Blutgefäße Dr. Nils Schmid, Finanz- und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, bei der Übergabe zieren wollen. Der bundesweit einzigartige sich rasch mit den umliegenden Gefäßen ver- des Förderbescheids für das Projekt „innBW Masterstudiengang liegt inhaltlich an der binden und die Durchblutung gewährleisten. implant“. (Foto: NMI) 5 BIOPRO Magazin 2/2015
Schwerpunkt In der Krebsimmuntherapie wird das eigene Immunsystem eingesetzt, um den Krebs zu bekämpfen. Nachdem die spezifischen Tumorantigene identifiziert wurden, können sie im Labor hergestellt werden. Die durch die therapeutische Impfung in den Körper gelangten Moleküle werden von den T-Helferzellen (TH) erkannt. Die TH -Zellen aktivie- ren mit Hilfe von Peptidhormonen (Interleukine) die zytotoxischen T-Zellen (Tz), die nun die Tumorzellen gezielt zerstören können. (Konzept der Montage: Kindervater, Pott, Kühn / BIOPRO; grafische Umsetzung: Designwerk Kussmaul; Fotos: CureVac GmbH, Fotolia / decade3d) Die Aktivierung des körpereigenen Immunsystems zur Mit der Krebsimmuntherapie verfolgt man das Konzept, die eigent- Bekämpfung von Krebs ist nicht mehr nur ein vielverspre- lich für das Abtöten von bakterien- oder virusinfizierten Zellen verantwortlichen T-Lymphozyten (T-Zellen) des Immunsystems chendes Therapiekonzept, sondern wird bereits in der auch für die Abwehr von Krebszellen im Körper zu rekrutieren. medizinischen Praxis angewendet. Erste Immuntherapeu- Jahrzehntelang hat man diesen bestechenden Therapieansatz tika sind zugelassen; viele weitere befinden sich im experi erforscht, aber er scheiterte immer wieder daran, dass Tumorzellen mentellen Stadium oder in klinischen Studien. Impfungen über raffinierte Tarn- und Verteidigungsstrategien gegen die T-Lymphozyten verfügen. Diese können beispielsweise durch zur Vorbeugung gegen bestimmte Krebskrankhei ten bestimmte, von den Krebszellen sezernierte Botenstoffe ruhigge- werden schon in großem Umfang erfolgreich eingesetzt. stellt oder am Eindringen in das Krebsgewebe gehindert werden. 6 BIOPRO Magazin 2/2015
Regulatorische T-Zellen (T-Suppressorzellen) sorgen für die Professor zur Hausen hatte bereits damals das nächste Selbstkontrolle des Immunsystems, um Autoimmunkrankheiten Forschungsziel vorgegeben: therapeutische Impfstoffe zu ent- und Allergien zu vermeiden, unterdrücken dabei aber auch die wickeln, die gleichzeitig der Prävention und der Therapie von Krebsabwehr. Tumorzellen tragen auf ihren Oberflächen immun- Vorstufen (sogenannten Präkanzerosen) oder Frühstadien von suppressive Moleküle, die ebenfalls dafür sorgen, dass körper Krebskrankheiten dienen. Mit Unterstützung durch die Manfred eigene Zellen von den Immunzellen nicht angegriffen werden. Lautenschläger-Stiftung wurde daraufhin am DKFZ eine Damit T-Zellen den Tumor erkennen und angreifen können, „Nachwuchsgruppe Immuntherapie und -prävention“ eingerichtet. müssen die Tumorzellen Merkmale aufweisen, mit denen sie sich Sie wird seit 2010 von PD Dr. Dr. Angelika Riemer geleitet, die von gesunden Zellen unterscheiden. Spezifische Tumorantigene zuvor am Cancer Vaccine Center der Harvard Medical School in zu identifizieren, die sich als Zielstrukturen für einen Impfstoff Boston geforscht hatte. oder andere Immuntherapeutika eignen, ist sehr schwierig, da sich Tumorzellen von Person zu Person – ja, sogar innerhalb desselben Auf dem Weg zu einer therapeutischen HPV-Vakzine Tumors – oft stark unterscheiden. Während bei der prophylaktischen HPV-Impfung das körperei- gene Immunsystem zur Produktion von Antikörpern gegen die Vor dem großen Durchbruch Viren angeregt wird, muss bei der therapeutischen Krebsimpfung der Krebsimmuntherapie die zelluläre Abwehr des Körpers in der Weise aktiviert wer- Strategien, um die Schwierigkeiten zu überwinden, wurden Schritt den, dass die zytotoxischen T-Zellen (Tz) des Immunsystems für Schritt entwickelt. Heute steht die Krebsimmuntherapie nach die Krebszellen erkennen und abtöten, ohne die normalen Ansicht vieler Experten vor dem großen Durchbruch. Man hat die Körperzellen anzugreifen. Wie Riemer beschreibt, töten die T-Zellen genetisch so verändert, dass sie bestimmte Strukturen in zytotoxischen T-Zellen die von krebsauslösenden Papillomviren den Krebszellen erkennen. Mit Antikörpern, welche die immun- infizierten Zellen, nachdem sie eine kleine Region auf der suppressiven Moleküle auf diesen Zellen blockieren, wird eine Oberfläche eines Antigen-Fragments, ein sogenanntes virales spezifische Immunantwort gegen den Krebs aktiviert. Die Tarnung Epitop, erkannt haben. Epitope oder antigene Determinaten sind der Tumorzellen wird dadurch überwunden, dass man die vom Peptidstrukturen des viralen Antigens, die auf der Oberfläche Tumor sezernierten Botenstoffe unterdrückt, sodass der Tumor der Krebszellen von sogenannten MHC-Molekülen (Major für das Immunsystem sichtbar wird. Da bei Patienten mit fort- Histocompatibility Complex) präsentiert werden. Die Tz-Zellen geschrittenem Krebs die Immunantwort meist nicht stark genug treten dabei in Wechselwirkung mit dem Epitop und zerstören ist, versucht man diese zu stärken, indem man die Bildung und die durch das Virus infizierte Tumorzelle. Zellteilung der T-Lymphozyten anregt. Durch Kombination der verschiedenen Ansätze erzielt man die beste Wirkung. Bereits Nun gibt es viele Tausende solcher HLA-Moleküle (Human zugelassen ist eine Immuntherapie gegen metastasierten schwar- Leukocyte Antigen, dem MHC-Äquivalent im Menschen), zen Hautkrebs (Melanom). Diese beruht auf einem Antikörper die jeweils verschiedene Epitope präsentieren; sie sind zudem gegen ein „Checkpoint“-Protein auf der Oberfläche der zytoto- von Mensch zu Mensch verschieden. Mittels hochsensitiver xischen T-Zellen, das die Immunantwort unterdrückt. Massenspektrometrie identifizierte Riemers Arbeitsgruppe HPV- Epitope, die auf virustransformierten Tumorzellen präsentiert Von der prophylaktischen zur wurden. Als Kandidaten für die Entwicklung eines Impfstoffs wur- therapeutischen Krebsimpfung den Epitope ausgewählt, die man in reproduzierbarer Weise auf Die erste Schutzimpfung gegen Krebs beim Menschen verhindert unterschiedlichen Tumorproben wiederfand. effektiv eine Erstinfektion mit humanen Papillomviren (HPV) der Typen 16 und 18, von denen Professor Harald zur Hausen, Medizin- Dieser Ansatz führte zunächst nicht zum erhofften kli- Nobelpreisträger von 2008 und ehemaliger Vorstandsvorsitzender nischen Erfolg. Riemer und ihre Mitarbeiter erweiterten die des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, Suche nach geeigneten Epitopen auf T-Helferzellen (TH), die gezeigt hatte, dass sie Gebärmutterhalskrebs hervorrufen. Seit bei der Aktivierung der Tz-Zellen eine wichtige Rolle spie- der HPV-Impfstoff 2006 zugelassen worden ist, sind vor allem len. Die Wissenschaftler suchten nach Epi to pen, die von in Amerika, Europa und Australien viele Millionen Mädchen TH-Zellen erkannt werden, von HPV-Proteinen abstammten und junge Frauen damit geimpft worden. Die Häufigkeit des sowie in einem großen Teil der Population nachgewiesen wer Gebärmutterhalskrebses ist in diesen Ländern inzwischen deut- den konnten, und wurden fündig. Sie konnten zeigen, dass lich gesunken. Gegen eine bereits erfolgte Infektion mit HPV ein von mehreren HPV16-Proteinen abgeleitetes Gemisch oder einen sich bereits entwickelnden Krebs schützt der Impfstoff von Epitopen, die durch TH-Zellen erkannt werden, im Blut nicht; er ist also rein prophylaktisch. HPV16-positiver Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs eine 7 BIOPRO Magazin 2/2015
Schwerpunkt spezifische Immunreaktion auslöste. Die jetzt in der Fach EBV-Proteinen trugen. Diese antigenbeladenen Antikörper wer- zeitschrift „International Journal of Cancer“ publizierten Befun den von der Zelloberfläche ins Zellinnere zurückgezogen und in de könnten der Durchbruch zu der von Harald zur Hausen Peptide zerlegt, die von MHCII-Molekülen auf der Zelloberfläche geforderten Entwicklung eines umfassenden therapeutischen präsentiert werden. Darunter sind auch Peptide, die von den Impfstoffs gegen krebserregende humane Papillomviren sein. Virusproteinen abstammen und dem Immunsystem eine EBV- Infektion vortäuschen. Bekämpfung von Lymphdrüsenkrebs mit Krebsvirus-Proteinen Eine Virusinfektion ist ein so starkes Signal, dass es von den für Das erste Humanvirus, das man als einen direkten krebsver- die Aktivierung von B-Lymphozyten verantwortlichen TH-Zellen ursachenden Faktor identifiziert hatte, war das zur Gruppe in den Lymphdrüsen nicht ignoriert werden kann. Die Forscher der Herpesviren gehörende Epstein-Barr-Virus (EBV). Wie konnten zeigen, dass in Kulturschalen die vermeintlich infizierten man heute weiß, sind über 90 Prozent aller Menschen mit Lymphomzellen von den T-Zellen abgetötet werden. Aber auch im EBV infiziert, und nur in seltenen Fällen erkrankt man daran: Blut von Personen, die bereits eine EBV-Infektion hinter sich hat- In Zentralafrika ist es Ursache des Burkitt-Lymphoms, in ten, ließen sich mit den antigenbeladenen Antikörpern erfolgreich Ostasien des Nasopharynx-Karzinoms, und in Westeuropa Gedächtnis-T-Zellen aktivieren. „Das ist ein sicheres Anzeichen und Nordamerika des Pfeifferschen Drüsenfiebers (dieses dafür, dass auch im lebenden Organismus eine Immunabwehr ist kein Krebs). Prof. Dr. Dr. Henri-Jacques Delecluse und gegen die Lymphomzellen ausgelöst wird“, erläutert Delecluse. seine Mitarbeiter am DKFZ konnten zeigen, dass genetische Wie er betont, wurde damit zum ersten Mal gezeigt, dass antigen- Unterschiede in den Virusstämmen dafür verantwortlich sind, beladene Antikörper ein geeignetes Werkzeug für die Therapie dass das EBV in den verschiedenen menschlichen Populationen von Krebs sein können – vermutlich nicht nur gegen B-Zell- ganz unterschiedliche Krankheitsbilder auslöst. Jetzt benutzten Lymphome, sondern auch gegen andere Krebsarten. Zuvor die Wissenschaftler Oberflächenproteine dieser Viren zur waren solche gentechnologisch hergestellten Antigen-Antikörper- Aktivierung des körpereigenen Immunsystem gegen B-Zell- Komplexe nur als Impfstoffe entwickelt worden, um Menschen Lymphome – das sind Krebserkrankungen, bei denen die anti- gegen infektiöse Erreger zu immunisieren. körperproduzierenden B-Lymphozyten entartet sind. Eine tumorspezifische Mutation Gentechnologisch erzeugten Delecluse und sein Team Antikörper, Eine weitere Erkenntnis gewannen Forscher des DKFZ zu nied- die an spezifische Oberflächenrezeptoren der Lymphomzellen riggradigen Gliomen. Die langsam wachsenden und schwer the- binden und außerdem an ihrem Schwanzende Bruchstücke von rapierbaren Hirntumoren können sich zu den extrem aggressiven Glioblastomen weiterentwickeln. Gliome entstehen aus den Stützzellen des zentralen Nervensystems und sind die häufigsten Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen. Da sie sich diffus im Gehirn ausbreiten, sind sie chirurgisch meist nicht vollständig zu entfernen und kehren daher häufig wieder. Auch Chemotherapie oder Strahlenbehandlung haben oft nur begrenzte Wirkung. Von einem Impfstoff, der verhindern könnte, dass der Tumor erneut auftritt, würden die Patienten sehr profitieren. Die Entdeckung, dass die niedriggradigen Gliome in über 70 Prozent der Fälle ein und dieselbe Mutation in einem Protein aufweisen, „ließ uns Immunologen sofort aufhor- chen“, sagt Prof. Dr. Michael Platten vom DKFZ sowie Universitätsklinikum Heidelberg. Es handelt sich um eine Punktmutation im Enzym Isocitrat-Dehydroge nase 1 (IDH 1), die zu einem Austausch der an der Position 132 eigent - lich vorgesehenen Aminosäure Arginin durch Histidin führt. Bei keiner anderen Tumorart tritt mit einer solchen Häufigkeit diesel- be Mutation auf. Sie verleiht dem Protein in den Krebszellen neu- Eine Krebszelle dringt durch eine Öffnung der Blutgefäßwand. Wenn sie nicht von der körpereigenen Immunabwehr erkannt und abgetötet wird, kann sie sich in einem artige immunologische Eigenschaften, die von den körpereigenen Organ festsetzen und eine Metastase bilden. (Foto: DKFZ) Abwehrzellen erkannt werden können, wie Platten erläutert. 8 BIOPRO Magazin 2/2015
Der Heidelberger Neuropathologe Prof. Dr. Andreas von Deimling und seine Mitarbeiter haben einen Antikörper ent wickelt, mit dem das veränderte Enzym IDH1(R132H+) zuverlässig nachgewiesen werden kann. Wie die Forscher zei- gen konnten, waren von der Mutation alle identifizierbaren Tumorzellen im Gehirn – und ausschließlich diese – betroffen, nicht aber gesunde Zellen. „Das bedeutet, dass wir mit einer Impfung, die das Immunsystem gegen das veränderte IDH1 scharfmacht, den Tumor bekämpfen könnten, ohne gesunden Zellen zu schaden“, erklärt Platten. Ein Impfstoff gegen langsam wachsende, bösartige Hirntumoren Für die Entwicklung eines für IDH1(R132H+) spezifischen Impfstoffes, an der auch Teams der Universitäten Mainz, Tübingen und Hamburg beteiligt waren, synthetisierten die Forscher ein aus 15 Aminosäuren bestehendes Peptid, das die charakteristische Mutation enthielt. Das Peptid passte genau in die Peptid-Bindungstasche eines MHC-Klasse-II-Moleküls auf den antigenpräsentierenden Zellen, also hier den dendritischen Dieser Teil der GMP-Anlage (Good Manufacturing Practice) von CureVac ist die Abfüllanlage mit der höchsten Reinraumklasse A. (Foto: CureVac GmbH) Zellen. Dieser aufwendige Syntheseschritt ist notwendig, denn das Tumorantigen kann eine Immunantwort nur induzieren, wenn es den Immunzellen auf MHC-II-Molekülen präsentiert wird. Dass der die Mutation enthaltende Bereich des IDH1- Proteins tatsächlich immunogen ist (das heißt, die Bildung Die Tierversuche haben den Nachweis für das Wirkprinzip einer spezifischer Antikörper auslösen kann), war den Forschern therapeutischen Impfung gegen IDH1-mutierte Gliome glänzend bekannt. Denn man hatte bei einigen Patienten mit niedrig- bestätigt und den Weg für eine klinische Phase-I-Studie am gradigen Gliomen spontane Antikörper-Reaktionen gegen das Menschen frei gemacht, in der nun die Sicherheit des Impfstoffs mutierte IDH1 gefunden. überprüft wird. Für den Nachweis, dass eine IDH1(R132H+)-Peptidvakzinierung Zwei starke Partner im Kampf gegen Krebs tatsächlich in den Gliomen effektiv ist, benutzten die Forscher Weitere klinische Studien im Bereich der Immuntherapie transgene Mäuse. Diese waren – anstatt mit ihren eigenen werden zur Zeit durch die CureVac GmbH aus Tübingen mausspezifischen MHC-Molekülen – mit MHC-Molekülen des durchgeführt. Denn im September 2014 verkündeten CureVac Menschen ausgestattet. Das Ergebnis beschrieb Dr. Theresa und der Unternehmensverbund Boehringer Ingelheim Schumacher, die Erstautorin der in der Fachzeitschrift „Nature“ ihre Kooperation im Kampf gegen das nicht-kleinzellige veröffentlichten Studie: „Nach der Impfung der Tiere mit dem Lungenkarzinom. „Boehringer Ingelheim ist eines der Top- Peptid konnten wir Immunzellen und Antikörper nachweisen, 20-Pharmaunternehmen weltweit und damit ein attrak- die das veränderte IDH1 der Tumorzellen, nicht aber das nor- tiver Partner. Zudem ist das Unternehmen offen für neue male Enzym der gesunden Körperzellen spezifisch erkannten.“ Technologien, und die therapeutischen CureVac-Vakzine pas- sen gut zu deren Portfolio. Die Kooperation bedeutet für Durch Immunhistochemie wurde auch gezeigt, dass T-Zellen uns auch eine Validierung unseres Ansatzes und der gesamt- nach der Impfung in die Tumoren eingedrungen waren. en RNActive®-Plattform, was uns besonders freut“, sagt Dr. Die Vakzinierung erzeugte in den Versuchstieren eine Florian von der Mülbe, Mitgründer von und Chief Operating Immunreaktion, durch die das Wachstum von Krebszellen Officer bei CureVac. mit der IDH1(R132H+)-Mutation gestoppt wurde. Nicht beeinträchtigt wurde dagegen die Funktion des normalen Finanziell ist die Kooperation in jedem Fall ein Schwergewicht IDH1-Enzyms, das in gesunden Körperzellen am zentralen in der Branche und hat entsprechend für Aufsehen gesorgt. Energiestoffwechsel beteiligt ist. Mit der Vertragsunterzeichnung erhielt CureVac 35 Millionen 9 BIOPRO Magazin 2/2015
Schwerpunkt Euro und kann im weiteren Verlauf der Kooperation mit dem Krebspatienten vertretbar und im Rahmen des Wirkprinzips Erreichen bestimmter Meilensteine bis zu 430 Millionen Euro der Reaktionen des Immunsystems sind. Damit unterschei- zusätzlich erhalten. Hinzu kommen noch Lizenzgebühren im Fall den sich die Nebenwirkungen sehr positiv von denen anderer der Markteinführung. Krebsmedikationen“, so von der Mülbe. Die Produktion des therapeutischen Impfstoffes verbleibt bei Lang unterschätzte mRNA-Therapeutika CureVac, wie von der Mülbe erklärt: „Wir kooperieren zwar Es wird zwar noch mehrere Jahre dauern, bis die mRNA-basier- auf allen Ebenen, um das Produkt in die Klinik zu bringen, te Therapie gegen Lungenkrebs standardmäßig zur Anwendung die Substanz selbst wird jedoch nicht verändert. Wir haben kommen kann. Die heutigen Erkenntnisse sind jedoch bereits ein weiterhin die Verantwortung für die Produktion und geben großer Schritt zu einer neuen Art der Krebsbekämpfung. CureVac sie als ‚Ready-to-use-Substanz‘ an Boehringer Ingelheim. In hat mRNA als Arzneimittel nutzbar gemacht, ohne dass es sich deren Händen liegen die Studien, der gesamte regulatorische um ein klassisches Arzneimittel handelt, denn mit der mRNA Bereich rund um die Zulassung und die Vermarktung. Wir wird „nur“ Information übergeben. Im Fall der therapeutischen unterstützen unseren Partner dabei und bringen unsere eige- Impfstoffe besteht die Information darin, dass die mRNA die ne Kompetenz mit ein.“ Boehringer Ingelheim wird zunächst Bauanleitung für Proteine erhält, die als Antigene wirken und drei klinische Studien zur Immuntherapie mit dem Impfstoff somit eine Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen. CV9202 starten. Das Besondere daran: Es handelt sich um Kombinationstherapien. Damit wird der Tumor von mehreren Inzwischen hat CureVac eine ganze Reihe von RNA-Impfstoffen Seiten in die Zange genommen, um die Behandlungschancen in Arbeit, die außer bei Krebs zukünftig noch bei vielen ande- zu erhöhen. ren Erkrankungen eingesetzt werden könnten. Die Bill & Melinda Gates Foundation investiert 46 Millionen Euro in das Kombinierbarkeit ist eine große Stärke Unternehmen und finanziert zusätzlich die Entwicklung von des CureVac-Ansatzes CureVac-Impfstoffen gegen eine Reihe von viralen, bakteriellen In einer der kommenden Studien werden Patienten mit einem und parasitären Infektionskrankheiten. Das dritte gemeinsame fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Programm wurde im August 2015 gestartet. Dies – und auch die Lungenkarzinom (NSCLC) sowohl mit CV9202 als auch mit Aufstockung des CureVac-Kapitals um 21 Millionen Euro durch Afatinib behandelt, einem von Boehringer Ingelheim selbst ent- CureVacs langjährigen Investor dievini Hopp BioTech holding wickelten Wirkstoff. Afatinib blockiert auf der Oberfläche von – zeigt, wie viel Potenzial noch in der Technologie und dem Tumorzellen bestimmte Rezeptoren, die für das Zellwachstum Unternehmen steckt. wichtig sind. An der Studie nehmen Patienten teil, deren Tumorzellen aufgrund einer Mutation besonders viele dieser Impfstoff gegen Nierenkrebs Rezeptoren aufweisen. Dadurch stellen diese Zellen ein beson- Ein weiterer Pionier in der Krebsimmuntherapie ist die ders attraktives Angriffsziel für Afatinib dar. Immatics Biotechnologies GmbH. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 80 Mitarbeiter in Tübingen und in der Niederlassung Der Wirkstoff besteht aus einem mRNA-Cocktail. Die mRNA in München. Immatics hat im Oktober 2013 eine vierte liefert neben der Bauanleitung von Antigenen, die der Körper Finanzierungsrunde in Höhe von 34 Millionen Euro abge- dann selbst produziert, auch ein aktivierendes Alarmsignal. schlossen. Die Finanzierungsrunde ermöglichten die beste- Diese Kombination ist essenziell für ein wirksames Vakzin. henden Investoren, darunter dievini Hopp BioTech holding Das Immunsystem erkennt die Antigene und reagiert darauf, GmbH & Co. KG, Wellington Partners, MIG Verwaltungs AG indem es spezifische B- und T-Zellen produziert, die wiede- und AT Impf GmbH. „Das neue Kapital stellt den Abschluss rum die Tumorzellen anhand der Tumormarker erkennen und der Phase-III-Studie von Immatics’ führendem Impfstoff bekämpfen können. IMA901 gegen Nierenkrebs sicher und deckt darüber hinaus die Vorbereitungen für eine mögliche Zulassung in den USA In ersten klinischen Studien zeigte CureVac bereits eine gerich- und Europa ab“, bestätigt Dr. Harpreet Singh, Geschäftsführer tete Immunantwort und auch ein gutes Sicherheitsprofil der der Immatics Biotechnologies GmbH. IMA901 besteht aus zehn Substanz. „In den klinischen Phase-I- und -IIa-Studien sehen wir tumorassoziierten Peptiden (TUMAPs), die bei einer Mehrzahl keine gravierenden Nebenwirkungen. An den Injektionsstellen von Patienten mit Nierenkrebs nachgewiesen wurden. traten höchstens leichte vorübergehende Rötungen auf, und es kam zum Teil zu grippeähnlichen Symptomen – beides Neben IMA901 umfasst die Pipeline von Immatics den Impfstoff Dinge, die im Sinne der ‚Risk-Benefit-Betrachtung‘ für IMA910 gegen Darmkrebs (Phase-I/II-Studie abgeschlossen) 10 BIOPRO Magazin 2/2015
BIOPRO-Kommentar zum sowohl die Patienten als auch die Pharmaindustrie, da Letztere ihre Produkte häufig auf den Forschungsergebnissen von Universitäten Thema: Krebsimmuntherapie und Start-ups aufbaut. Doch spiegelt der Preis, der für ein Medikament verlangt wird, tatsächlich die Forschungskosten wider, oder greifen die Pharmaunternehmen hier einfach zu tief in die Die Krebsimmuntherapie ist eine innovative und auch sehr gezielte Taschen der Patienten und der sozialen Gesundheitssysteme? Therapieform zur Bekämpfung von Krebs. Sie soll es dem eigenem Immunsystem ermöglichen, spezifisch gegen die Krebszellen vor- Die Medizin ist bei der Bekämpfung von Krebs noch lange nicht zugehen. Einige der hier vorgestellten Projekte sind noch in den am Ziel. Innovationen aus Unternehmen und Forschungsinstituten verschiedenen Phasen der klinischen Studien, werden jedoch hof- sind die Basis, um den Krebs schlussendlich zu besiegen. fentlich bald den Patienten zur Verfügung stehen. Damit werden Den Eindruck zu erwecken, Innovationen würden unserem sie jedoch zu den Arzneimitteln gehören, die nach Aussage von Gesundheitssystem generell schaden, ist daher mehr als kontra Prof. Dr. Karl Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender produktiv. Die Arzneimittel aus der Krebsimmuntherapie könnten der SPD, bald das deutsche Gesundheitssystem sprengen werden. eine Revolution im Kampf gegen Krebs bedeuten, und sie dürfen Die aus seiner Sicht zu hohen Preise für Krebsmedikamente, die daher auf keinen Fall an den Hürden unseres Gesundheitssystems nichts mit dem tatsächlichen Nutzen zu tun hätten, könnten in scheitern. Hier ist ein besserer Dialog zwischen Politik, Gesellschaft Zukunft nicht mehr durch unser Gesundheitssystem gedeckt und Pharmaindustrie gefragt. Denn es gibt in diesem Sektor nicht werden. Doch was darf ein Medikament kosten, das das Leben nur eine Innovation, über die es zu entscheiden gilt. Krankheiten zu eines Menschen um 6 Wochen, 6 Monate oder 6 Jahre verlängert, heilen, ist ein „Systemgeschäft“. Diagnostische Werkzeuge, zelluläre jedoch die Krankheit nicht nachhaltig besiegt? Studien zeigen, Testsysteme und moderne Wirkstoffentwicklung arbeiten schon dass immer mehr Menschen, die an Krebs leiden, auch geheilt heute Hand in Hand. Wer hier Innovationen pauschal abwürgt, werden können. Dieser Erfolg bei der Bekämpfung von Krebs ist verhindert Zukunft. Vielleicht auch seine eigene. zum einen auf die kostenintensive Forschung der Industrie, aber auch auf die kontinuierlich durchgeführte Grundlagenforschung Herzlichst der öffentlichen Hand zurückzuführen. Von dieser profitieren Ihr Prof. Dr. Ralf Kindervater sowie den Impfstoff IMA950 gegen Hirntumoren (derzeit in Aktive Immuntherapie gegen Tumorendothelzellen Phase-I-Studien). Weiterhin erforscht Immatics mithilfe seiner Gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs werden zur Zeit von der einzigartigen Technologieplattform XPRESIDENT® neuartige VaxiMm GmbH aus Mannheim Impfstoffe erprobt, welche die und relevante Krebsantigene, die als sogenannte tumorasso- vom Krebs induzierte Blutgefäßbildung verhindern, sodass der ziierte Peptide (TUMAPs) auf Tumorzellen natürlich präsen- Tumor verhungert. Die Initiative zur Gründung von VAXIMM tiert sind. Eine kürzlich geschlossene Partnerschaft mit der basiert auf Arbeiten von PD Dr. Andreas Niethammer, der als MorphoSys AG aus Martinsried erweitert die Möglichkeiten Postdoc am Scripps Research Institute in La Jolla (San Diego, von Immatics noch einmal. Die Kooperation dient der Kalifornien) im Mausmodell gezeigt hat, dass durch eine Impfung Entwicklung neuartiger, antikörperbasierter Therapien gegen gegen VEGFR-2 (Vascular Endothelial Growth Factor Receptor die von intrazellulären Proteinen abgeleiteten TUMAPs. 2) die Größe und Metastasenbildung bei verschiedenen Tumoren „Diese tumorassoziierten Peptide bilden die Basis für die stark reduziert und die Überlebenszeit der Tiere drastisch erhöht Entwicklung therapeutischer Krebsimpfstoffe und ande- werden konnte. Nebenwirkungen durch die Vakzinierung wurden rer Immun therapien, unter anderem Antikörper und lös- kaum beobachtet, und der Impfschutz hielt lange vor. liche T-Zell-Rezeptoren, die spezifisch solche Peptide erken- nen können“, bestätigt Singh. Die in den Impfstoffen von Leider helfen die bisher entwickelten Immuntherapien nicht allen Immatics enthaltenen multiplen TUMAPs maxi mieren die Patienten gleichermaßen, und oft weiß man nicht recht, warum Möglichkeit eines klinischen Erfolgs, da sie zu einem Angriff das so ist. Manche Krebsarten sind bislang resistent gegen alle der T-Zellen auf mehrere Ziele auf den Krebszellen gleichzei- Ansätze, ihnen mit Immuntherapien beizukommen. Dennoch tig führen können. Dementsprechend zeigen auch die Phase- wurde mit der Immuntherapie ein neues Kapitel aufgeschlagen, II-Studienergebnisse von IMA901 und IMA910 ein besseres wie es endet, ist jedoch noch offen. Überleben von Patienten, die auf mindestens zwei TUMAPs Dr. Ernst-Dieter Jarasch (BioRN), Dr. Heike Lehmann des jeweiligen Impfstoffs ansprechen. und Heike Laue (BioRegio STERN) 11 BIOPRO Magazin 2/2015
Wirtschaft Der nicht-pathogene Pseudomonas-Stamm wird für die Produktion in Rundkolben kultiviert und bei ausreichender Bakteriendichte in den Fermenter überführt. Nach etwa 72 Stunden kann das bräunlich gefärbte Medium ge- wonnen werden, das die Rhamnolipide enthält. (Foto: SF/BIOPRO) Biotenside – leistungsstarke Nach Schätzungen werden jährlich weltweit mindestens 18 Millionen Tonnen Tenside produziert. Ob als Emulgator in Fettlöser aus Bakterien der Gesichtscreme oder als Fettlöser im Geschirrspülmittel – Tenside begegnen uns überall. Diese Eigenschaften beruhen auf Anfang 2015 gründete die Karlsruher Firma Biotensidon dem amphiphilen Aufbau der Tensidmoleküle. Dank ihres hydro- GmbH ein Tochterunternehmen im Bereich der weißen philen (wasserliebenden) Kopfes und eines hydrophoben (was- serabstoßenden) Schwanzes wirken sie wie ein Verbindungsglied Biotechnologie. In einem Fermenter-Prototypen wer- zwischen verschiedenen Flüssigkeiten. Als oberflächenakti- den dort Rhamnolipide, besonders oberflächenaktive ve Moleküle setzen sie auch die Oberflächenspannung von Biotenside, produziert. Durch diese Entwicklung, die in Flüssigkeiten herab. Daher zerläuft ein Wassertropfen nach Tensidzugabe und behält nicht seine nahezu kugelige Form. Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des „Science & Technology Center in Ukraine“ durchgeführt wird, können Die meisten herkömmlichen Tenside basieren auf Erdöl und nun herkömmliche erdölbasierte Tenside durch Biotenside sind oftmals umweltbelastend. Sie erfüllen zwar den gesetz- lich geforderten Primärabbaugrad – aber dieser bezieht sich ersetzt werden. Diese sind nicht nur besonders vielseitig, lediglich auf den Verlust der Grenzflächenaktivität. Ein voll- sondern auch vollkommen biologisch abbaubar. ständiger biologischer Abbau wird bei diesen Tensiden oft 12 BIOPRO Magazin 2/2015
nicht erreicht. Daher wird bereits ein Viertel der oberflä- mit ihm gearbeitet werden. Auch unter dem Aspekt der Ver chenaktiven Substanzen aus nachwachsenden Rohstoffen wie braucherakzeptanz war das eine wichtige Voraussetzung“, Palm- oder Kokosöl chemisch hergestellt – sie gelten als voll- erläutert Dr. Alexandr Shulga, wissenschaftlicher Projektleiter ständig biologisch abbaubar. „Aber auch Mikroorganismen der Biotensidon. „Dieser spezielle Stamm produziert ein können Tenside produzieren, die biologisch abbaubar sind – Rhamnolipid-Gemisch der Di-Rhamnolipide RL3 und RL4. sogenannte Biotenside“, weiß Rolf Hartmann, Vertriebsleiter Diese Rhamnolipide sind aufgrund ihrer Eigenschaften ideal, der Biotensidon GmbH – eines Unternehmens, das sich in den um bisher eingesetzte Tenside zu ersetzen und so ein Produkt letzten dreieinhalb Jahren auf biologische Reinigungsmittel maßgeblich aufzuwerten.“ spezialisiert hat. Eine Herausforderung in der weißen Produktion war wirtschaftlich bislang Biotechnologie kaum darstellbar „Als Produktionsstandort konnten wir glücklicherweise optima- Biotenside sind eine Gruppe oberflächenaktiver Moleküle, die le Räumlichkeiten in Bruchsal finden“, so Hartmann. Das nöti- unter anderem von Bakterien oder Pilzen produziert werden. ge wissenschaftliche Know-how für den Aufbau einer wirtschaft Bakterien zum Beispiel geben diese in ihre Umgebung ab. Die lich darstellbaren Rhamnolipid-Produktion fand man in einem Tensidmoleküle können hier zum Beispiel in ihrer natürlichen ukrainischen Forscherteam des „Science & Technology Center in Funktion die Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilms herab- Ukraine“ (STCU) in Kiew. Daher wurde eine Kooperation mit setzen und erleichtern so das Schwärmen der Bakterien. Neben dem STCU ausgehandelt. So konnte kurz darauf das mittlerweile ihrem breiten Wirkungsspektrum sind die meisten Biotenside 7-köpfige Spezialistenteam um Shulga seine Arbeit aufnehmen. kaum toxisch und besitzen eine antimikrobielle Wirkung gegen bestimmte Bakteriengruppen. Das qualifiziert sie zum Beispiel als „Wir konnten die im Labormaßstab schon funktionierende Zusatz bei Kosmetika, Hautseifen oder auch für pharmazeutische Rhamnolipid-Produktion in einen 100-Liter-Fermenter übertra- Produkte. Außerdem sind sie biologisch abbaubar, wodurch sie in gen“, erzählt Jörg Joegel, Technischer Leiter des Projektes. „Die nahezu allen Bereichen eingesetzt werden können. eigentliche Herausforderung aus technischer Sicht war eine ver- mehrte Schaumbildung während der Produktion im Fermenter, Ein Beispiel für ein mikrobielles Biotensid sind Rhamnolipide was die Rhamnolipid-Produktion erheblich störte.“ Zusammen (RL). Diese gehören zu den Glycolipiden, da sie mindestens entwickelte man die Lösung: Ein neuartiger Innenausbau des ein Zuckermolekül (hier Rhamnose) besitzen. Es sind circa 60 Fermenters sorgt für minimales Schaumvorkommen. „So konnten verschiedene Rhamnolipid-Typen bekannt. Die vier häufigsten wir auch auf den Einsatz chemischer Anti-Schaummittel verzich- Vertreter, RL1 bis RL4, werden von dem Bakterium Pseudomonas ten“, erklärt Joegel. Nach diesem Erfolg konnten nun Shulga und aeruginosa als Mix produziert und in das Medium abgegeben. sein Team die nötigen Prozessparameter sowie die Nährmedium- Obwohl Rhamnolipide exzellente Tensideigenschaften auf- Zusammensetzung für eine Überproduktion optimieren. weisen, werden sie bisher kaum industriell produziert, da her- kömmliche Verfahren sehr kostenintensiv sind. Eine der höchsten Und das Feintuning zahlte sich schon nach wenigen Wochen aus. Rhamnolipid-Konzentrationen (112 g/l) wurde 1997 mit einem „Heute produzieren wir Rhamnolipide in einer Konzentration Stamm des Bakteriums P. aeruginosa realisiert. Dieser produktions- von 15 g/l im zellfreien Überstand“, so Joegel. Eine erfolgreiche starke Stamm ist aber ein Humanpathogen der Risikogruppe 2 – Produktion scheint nun realistisch, aber jedes neue Produkt eine wirtschaftliche Herausforderung an den Produktionsprozess ist mit einem wirtschaftlichen Risiko behaftet. Daher wurde und die Produktionsstätte. Daher sind die Produktionskosten für die Produktion in einer separaten Tochtergesellschaft der Biotenside in der Regel auch etwa 40-mal höher als die synthe- Biotensidon erst einmal ausgegründet. „Da unsere Produktion tischer Tenside. jetzt läuft, können wir zusammen mit neuen Investoren das Vorhaben vorantreiben. Geplant ist die Installation mehrerer Aus diesem Grund sucht man weltweit nach einem nicht- 250-Liter-Fermenter in den nächsten Monaten, um eine laufen- pathogenen Produktionsstamm. Aber die bisher erreichten de Produktion sicherzustellen. Unser Trumpf: Die Biotensidon Rhamnolipid-Konzentrationen alternativer Stämme waren um kann als etablierte Vertriebsgesellschaft für biologische den Faktor 50 bis 400 geringer. Schließlich wurde man doch Reinigungsmittel auf ein weltweites Vertriebsnetz zurückgreifen. fündig. Die Firma Biotensidon ist heute im Besitz eines kon- Um die ersten Anfragen bedienen zu können, wird in Kürze ein kurrenzfähigen, nicht-pathogenen Wildtyps von Pseudomonas Sprühtrockner zur Herstellung von reinem Rhamnolipid-Pulver aeruginosa. „Dieser Pseudomonaden-Stamm ist nachweislich angeschafft“, so Hartmann. nicht pathogen, und unter regulären Laborstandards kann Sanja Fessl / BIOPRO 13 BIOPRO Magazin 2/2015
Wirtschaft Rund 500.000 Menschen in Europa erleiden jedes Jahr einen plötzlichen Herztod. Laut dem Europäischen Rat für Wiederbelebung (ERC) könnte ein Großteil von ihnen durch verbesserte Erste-Hilfe-Maßnahmen gerettet werden. In einem Notfall müssen Patienten schnell mit Sauerstoff versorgt wer- den, um die lebenswichtigen Organe vor bleibenden Schäden zu bewahren. „Leider schrecken Laien aus Angst vor Fehlern aber oft vor einer Wiederbelebung zurück. Sie wissen häu- fig nicht genau, was zu tun ist, und erhalten in der brenz- ligen Situation auch keine Rückmeldung darüber, ob sie richtig handeln“, schildert Rolf Bronner, Leiter Medizintechnik bei Küfner, die Situation. Der Behandlungserfolg nach einem Herzstillstand hängt jedoch maßgeblich von der Qualität der Erstversorgung in den ersten Minuten nach dem Vorfall ab. Deshalb hat der Filterspezialist Küfner das Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung (HSG- IMIT) mit der Realisierung eines Erste-Hilfe-Assistenten beauf- tragt, der es auch ungeschulten Benutzern ermöglichen soll, schnell und mit den richtigen Mitteln einzuschreiten, wenn Hilfe gebraucht wird. „Der rescue-iFil ist einfach zu bedienen und kann auch ohne Stromversorgung überall eingesetzt wer- den“, beschreibt Bronner das Gerät. Mehr Sicherheit durch Anleitung des Ersthelfers Das Herzstück des Apparats ist ein Atemstromsensor, der über einen Strömungstubus das Volumen der passiven Atemströmung, welches durch die Herzdruckmassage erzeugt wird, sowie die Der rescue-iFil leitet den Ersthelfer bei der Herzdruckmassage an. Strömungsgeschwindigkeit misst, speichert und auswertet. (Foto: Karl Küfner GmbH & Co. KG) Dabei wird sowohl die Atmung des Verunglückten als auch die Beatmung durch den Ersthelfer kontrolliert, was es erlaubt, die Wiederbelebung so effektiv wie möglich durchzuführen und die Herzdruckmassage durch visuelle und akustische Zeichen Menschenleben retten durch anzuleiten. Die Messung der Strömungsgeschwindigkeit, des Messung der Atemströme Atemwegsdrucks sowie der Temperatur der Atemluft des Verunglückten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Der rescue-iFil ermittelt aus diesen Parametern die Atemkurve und Durch Erste-Hilfe-Maßnahmen können bei Unfällen leitet daraus ab, ob die Atemwege des Patienten blockiert sind viele Menschen gerettet werden. Dabei werden die ersten oder nicht, und mit welcher Intensität die Herzdruckmassage Rettungsversuche in den meisten Fällen durch Laien durchgeführt werden muss. durchgeführt. Damit diese in der schwierigen Situation Diese erstmals eingesetzte patientennahe Überwachung der sicherer handeln können, hat die Karl Küfner GmbH Atemströme mittels direkt am Patientenmund platzierter und Co. KG aus Albstadt in Kooperation mit dem Institut Sensoren stellt aufgrund der hohen Atemluftfeuchtigkeit und der damit verbundenen Flüssigkeitskondensation eine für Mikro- und Informationstechnik (HSG-IMIT) aus Herausforderung für Ingenieure und Mikrosystemtechniker dar. Villingen-Schwenningen einen Atemstromsensor für „Da die Atemluft wärmer und feuchter ist als die Umgebung, einen Erste-Hilfe-Assistenten entwickelt. bilden sich Wassertröpfchen, die bei herkömmlichen Sensoren 14 BIOPRO Magazin 2/2015
die Messung behindern“, erläutert Dr. Sophie Billat, Leiterin der Innovative Lösung für eine Forschungsgruppe Thermische Sensoren des HSG-IMIT. Gelöst hygienische Anwendung wurde diese Aufgabe durch ein im Hauptstrom freistehendes Wichtig für die Messung ist darüber hinaus, dass der mecha- thermisches Sensorsystem, das auch in Gegenwart von Betauung nische Schutz des Sensors gewährleistet wird und den medizi- oder bei Abscheidung von Wassertröpfchen auf dem Sensor ein nischen Hygieneanforderungen entspricht. Aus diesem Grund genaues Massestromsignal liefert. wurde der rescue-iFil als System aus zwei Bestandteilen reali- siert: einem preiswerten Tubus als Einwegkomponente, der nach Dieses mikroelektromechanische System (MEMS) enthält neben jedem Gebrauch gewechselt werden kann, und einer wiederver- der thermischen Sensormembran zur Strömungsmessung eine wendbaren messtechnischen Systemkomponente. „Der rescue- weitere Membran, die zur dynamischen Temperaturmessung des iFil besteht also aus zwei Teilen: dem Tubus, der als Einmalartikel Atemgases und zur Detektion von Feuchtigkeit verwendet wer- in das Gerät eingesetzt wird, und der Elektronikeinheit, die wie- den kann. „Über zusätzliche Kondensatheizer kann der Sensor derverwendbar ist“, erklärt Bronner. dann erwärmt werden, um Tropfen kurzfristig zu verdampfen oder den gesamten Sensor über den Taupunkt zu temperieren“, Vorteile für Patienten, Ersthelfer und Ärzte erklärt Billat weiter. Mit dem rescue-iFil ist erstmals ein patientennah einsetzbarer Atemstromsensor zur synchronen Messung von Strömung, Temperatur und Druck entwickelt worden, der neue diagnos- tische Möglichkeiten eröffnet und die Erste Hilfe deutlich verbessern kann. Dadurch gelingt es, das Notfallmanagement am Unfallort effizienter zu gestalten, denn durch die genaue Anleitung während der Herzdruckmassage kann dem Patienten in den entscheidenden ersten Minuten nach einem Unfall besser geholfen werden. „Durch den Einsatz des rescue-iFil können sich die Überlebenschancen des Verunfallten wesentlich erhö- hen“, erläutert Bronner. Ersthelfern wird mit dem Gerät ein einfaches Feedback-System während der Reanimation an die Hand gegeben, und die Qualität der Erste-Hilfe-Maßnahmen wird gesteigert. Zusätzlich hilft der Erste-Hilfe-Assistent auch den Notärzten. Wenn diese am Unfallort eintreffen, können sie anhand des Messgeräts genau feststellen, in welchem Zustand sich der Patient befindet, die Historie der Reanimation nachvollziehen und so die richtigen nächsten Schritte für einen sicheren Transport ins nächste Krankenhaus einleiten. Das Gerät soll voraussichtlich 2016 auf den Markt kommen. Ein Prototyp ist bereits im Einsatz. Eva Botzenhart-Eggstein / BioLAGO INFO Weitere Informationen: Rolf Bronner (Leiter Medizintechnik) Karl Küfner GmbH & Co. KG E-Mail: rolf.bronner@kuefner.com Tel.: +49 7432 951 192 Der Atemstromsensor des rescue-iFil ermöglicht erstmalig eine patientennahe Fax: +49 7432 951 115 Messung der Atmung. (Foto: Karl Küfner GmbH & Co. KG) 15 BIOPRO Magazin 2/2015
Wissenschaft Die nachhaltige Holznutzung in Deutschland könnte bereits nahezu ausgeschöpft sein. (Foto: Rainer Luick) Wege zu einer naturverträglichen Eine mögliche Biomasse-Art im waldreichen Deutschland Energiewende könnte Holz sein. Aber gibt es denn überhaupt genügend Holz in Deutschland für eine zukünftig weiter zunehmende stoff- liche und energetische Nutzung? „Da haben sich in den letzten Für eine zukünftige Bioökonomie ist die nachhaltige und zehn Jahren tatsächlich die Einschätzungen massiv geändert. Vor naturverträgliche Bereitstellung von genügend Rohstoffen zehn Jahren war die offizielle Meinung noch, wir haben unend- liche Ressourcen im Wald. Wobei es regionale Unterschiede unerlässliche Voraussetzung. Prof. Dr. Rainer Luick, der an gibt, und dies auch in Bezug auf die Besitzverhältnisse“, so der Universität Freiburg und der University of Michigan die Einschätzung von Luick. Vor diesem Hintergrund beginnt Biologie studiert hat und lange Jahre Leiter des Instituts für in seiner Forschungsgruppe an der HFR aktuell ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geför- Landschaftsökologie und Naturschutz in Singen war, ist seit dertes Forschungsprojekt, das sich mit den Aspekten der 2000 an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg Energieholznutzung im Kleinprivatwald befasst. (HFR) tätig. Seine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit einer „In diesem Segment gibt es sowohl extensiv genutzte wie übernutzte, Reihe von Forschungsarbeiten auf dem Weg zu einer natur- als auch schon seit langer Zeit gar nicht genutzte Waldparzellen.“ verträglichen Energiewende. Luicks Team versucht nun besser zu erfassen, ob tatsächlich bereits 16 BIOPRO Magazin 2/2015
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