THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln - ISSN: 0934-8824
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THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln Jahrgang 31 Juni 2018 Nr. 2 ISSN: 0934-8824
^ THAILAND-RUND- SCHAU Impressum und Inhalt Inhalt Nr. 2 – 2018 Vorwort 47 Die thailändische Besatzung Deutschlands 48 Stefan Hell Der Beirat der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft 52 KoKai-Schule Düsseldorf 53 - die größte Thaischule Deutschlands Alina Krause, Yaowalak Makanaso Daśaharȃ-Feier 56 Monique Heitmann DEUTSCH-THAILÄNDISCHE Festschrift: 60 Jahre Deutschabteilung 58 GESELLSCHAFT e.V an der Chulalongkorn-Universität Lutz Damerow Ehrenpräsident: Der Botschafter des Königreiches 60 Jahre Deutschabteilung 59 Thailand in Deutschland – Georg Verweyen S.E. Botschafter Dhiravat Bhumichitr Von Bayreuth zu "Thai-reuth" 64 Präsidentin: Dieter Topp Prof. Dr. Frauke Kraas Stellvertretender Präsident: Der Herb Garden der Prinzessin 67 Prof. Dr. Dr. h.c. K.-H. Pfeffer Maha Chakri Sirindhorn Schatzmeister: Gabi von Malottki Günter Blindert Thailands Wasserscheiden und Flussnetze: 69 Vorstandsmitglieder: Wiege des historischen Siam Dr. Lutz Damerow Karl E. Weber Dr. Arnd D. Kumerloeve Stadt- und Regionalentwicklung entlang 76 RUNDSCHAU -IMPRESSUM des „East West Economic Corridor“ (EWEC) Annika Seitz, Kay Rosenbach Herausgeber und Verlag: Deutsch-Thailändische Gesellschaft e.V. Datenschutzerklärung gemäß EU-DSGVO 78 Redaktion: Thailändisches Mosaik 79 Prof. Dr. Frauke Kraas, 50923 Köln Gerhard Klinkhardt (ViSdP) unter Mitarbeit von Typisch Thai – sekundäres Recycling 83 Dr. Arnd D. Kumerloeve, Köln, Werner Dackweiler Prof. Dr. Karl-Heinz Pfeffer, Tübingen Dr. Lutz Damerow, Bonn Werner Dackweiler, Kerpen Namentlich gekennzeichnete oder aus anderen Publikationen übernom- Layout: Anke Dick-Follmann, Rodgau mene Beiträge dienen ausschließlich der Information unserer Leser und Druck geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Gesellschaft Druckerei Koges, Bonn wieder. ISSN: 0934-8824 Wir freuen uns sehr über eine Unterstützung unserer Arbeit, und jede Spende wird steuerlich absetzbar bescheinigt: Sparkasse KölnBonn Geschäftsstelle IBAN DE60370501980034405720, SWIFT COLSDE33 und Redaktionsbüro Iddelsfelder Straße 33 Titelfoto: Der Prang des Wat Mahathat, Phetchaburi, Foto: © Werner 51067 Köln Dackweiler +49 (0)221 / 68 00 210 Innenfoto: Bangkok 2017, Foto: © Yann Bombecke Fax: +49 (0)221 / 96 90 287 E-Mail: info@dtg.eu Internet: http:// www.dtg.eu THAILAND-RUNDSCHAU, die Zeit- schrift der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., erscheint dreimal im Jahr im Umfang von je ca. 40 Seiten. Der Bezugspreis ist durch den Mit- gliedsbeitrag abgegolten. Redaktionsschluss: für Heft 3-2018: 01.10.2018 für Heft 1-2019: 01.02.2019 für Heft 2-2019: 01.06.2019
THAILAND-RUNDSCHAU Vorwort Liebe Freunde und Mitglieder der DTG! Am Ende eines rundherum reichen und höchst anregenden Tages verabschiedete sich ein langjähriges Mitglied mit den Worten von uns: „Das war die schönste Veranstaltung seit zehn Jahren!“ – und fügte hinzu: „Es passte einfach alles, das herrliche Wetter, die harmonische Mitgliederversammlung, das so spannende Symposium – und Bad Godesberg hat immer eine ganz besondere Atmosphäre“. Diese spontane Deutlichkeit war berührend, und sie sprach Vielen aus dem Herzen. In der Tat enthielt unsere diesjährige Versammlung einige Besonderheiten im bewährten Ambiente: Gute Be- gegnungen und Gespräche waren möglich mit den Mitgliedern vor unserer Jahresversammlung und beim Mit- tagessen am Parkgelände der Stadthalle. Sie stimmten ein für ein sehr spannendes Symposium zu einem hochaktuellen Thema: Digitalisierung – und die Folgen für die thailändische Gesellschaft. Höhepunkte waren zweifellos der sehr eindringliche und weit die Zielsetzungen und Ausmaße der Digitalisie- rungsstrategie Thailands umgreifende Vortrag Seiner Exzellenz, des Botschafters des Königreichs Thailand, Dr. Dhiravat Bhumichitr, sowie die ausführliche Diskussion am Ende des Symposiums. Im Anschluss an den Vortrag des Botschafters beleuchtete Harald Sterly (Universität Bonn), der seit vielen Jahren zu Thailand arbeitet, in außerordentlich anregender Weise die sehr verschiedenen, die Handlungsspiel- räume der ländlichen Bevölkerung erweiternden Konsequenzen der Digitalisierung im ländlichen Raum. Ein Überblick zu den Initiativen, Schwerpunkten und Auswirkungen in städtischen Räumen folgte; hier treten vor allem moderne smart city-Konzepte, e-governance und der Einsatz von Technik in der Stadtentwicklung in den Vordergrund. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas abgehoben klingen mag, wird sehr konkret im Alltag der Menschen – hierzu gaben alle Beiträge zahlreiche Beispiele. In der lebhaften Diskussion im Anschluss an die Vorträge entwickelte sich ein hoch interessanter Austausch zwischen Seiner Exzellenz, den Vortragenden und den Mitgliedern – im fast bis zum letzten Platz besetzten Saal. Allen Anwesenden wurde dabei sehr bewusst, wie umwälzend für die Menschen in Thailand, bis in den unmittelbaren Lebensalltag hinein, die Umbrüche sind, die durch die Nutzung digitaler Techniken – auch – in Thailand einhergehen. Ausführlicher werden wir in der nächsten Ausgabe unserer Thailand-Rundschau über die Begegnungen, Vorträge und Diskussion berichten. In der vorliegenden Ausgabe der Thailand-Rundschau richten sich die Beiträge auf die historischen Themen der thailändischen Besatzung Deutschlands sowie das besondere 60jährige Jubiläum des Deutschen Akade- mischen Austauschdienstes (DAAD) in Thailand. Weiter wird unsere neue Serie zur Geschichte Thailands in den unterschiedlichen Landschaftsräumen fortgesetzt – dieses Mal mit Fokus auf der Wiege des historischen Siam. Kulturell stehen Berichte zur Daśaharȃ-Feier und zu „Thai-reuth“ im Vordergrund. Über ein besonderes Kleinod – so wird beim Lesen verständlich – wird berichtet: den Princess Maha Chakri Sirindhorn Herbal Gar- den. Über die Kokai-Schule wird informiert und über eine große Exkursion entlang des East West Economic Corridor (EWEC). Auch unsere Rubriken „Thailändisches Mosaik“ und „Typisch Thai“ dürfen nicht fehlen! Ihnen anregende Lektüre sowie einen guten, erholsamen Sommer – und wie immer beste Grüße, im Namen des gesamten Vorstands, Ihre Frauke Kraas 47
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 Die thailändische Besatzung Deutschlands Stefan Hell Vor nunmehr 100 Jahren endete der Erste Welt- die Regierung modernisieren. Der Staat beschäf- krieg mit dem Waffenstillstand vom 11. November tigte westliche technische Berater und entwickelte 1918. Kurz darauf überquerten einige hundert thai- ein Rechtssystem nach westlichem Muster. Der ländische Soldaten die deutsch-französische Westen verkörperte Anfang des 20. Jahrhunderts Grenze und besetzten eine Region in der Pfalz für Modernität in Verwaltung, Militär, Recht, Technolo- die folgenden sieben Monate. Nachdem dann am gie, Ästhetik, Kunst, Mode, Bildung und Handel. Bri- 28. Juni 1919 die Prinzen Charoonsakdi Kritakara ten übten den stärksten Einfluss auf Siam aus, aber und Traidos Prabhand Devakula gemeinsam mit auch Franzosen, Deutsche und andere wetteiferten den anderen Siegermächten den Friedensvertrag um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Berg- von Versailles unterzeichnet hatten, zogen die thai- bau, Holz, Außenhandel und Infrastrukturentwick- ländischen Besatzer wieder aus Deutschland ab. lung. Der Reformprozess wurde von den Onkeln, Am 14. Juli 1919 marschierten sie unter thailändi- Cousins und Brüdern des Königs vorangetrieben scher Flagge und voller Stolz mit den anderen Sie- und in zunehmendem Maße auch von dem nichtad- germächten in der großen alliierten Parade auf der ligen Beamtentum. Pariser Avenue des Champs-Élysées. Anschlie- Deutschland wurde in Siam nicht als Kolonialmacht ßend verließ das thailändische Expeditionskorps wahrgenommen. Deutsche Handelshäuser hatten von Marseille aus wieder den europäischen Konti- sich erfolgreich in Bangkok etabliert und deutsche nent. Reedereien dominierten den Schiffsverkehr zwi- Wie kam es zu diesen wenig bekannten, für die thai- schen Bangkok, Singapur und Hongkong. Deut- ländische Geschichte aber bedeutsamen Ereignis- sche Technologie galt bereits vor 100 Jahren als in- sen? novativ. Deutsche Firmen in Siam dominierten die fortschrittlichen Technologien dieser Zeit: Eisen- bahn, Telegraphie, Medizin und Pharmazie. Die bi- Siam im Jahr 1914 lateralen Beziehungen waren 1914 sehr gut, nicht Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Siam, wie zuletzt, weil viele Mitglieder in Bangkoks Elite in Thailand damals genannt wurde, mit einer Reihe Deutschland studiert oder Militärakademien be- von Herausforderungen konfrontiert. International sucht hatten. war seine Souveränität nicht gesichert. Obwohl es formal nie kolonialisiert worden war, hing seine Existenz in Zeiten des Imperialismus zum Großteil Siams Neutralität, 1914-17 von der Politik seiner kolonialen Nachbarn Großbri- Als im Sommer 1914 in Europa der Erste Weltkrieg tannien und Frankreich ab. Nur wenige Jahre zuvor ausbrach, erklärte sich Siam neutral, sah es doch war Siam noch gezwungen worden, den benach- seine wesentlichen Interessen von dem fernen Kon- barten Mächten Territorien abzutreten und war au- flikt unberührt. In den folgenden drei Jahren, bis ßerdem durch sogenannte "ungleiche Verträge" im Mitte 1917, wurde es für den König und seine Re- Außenhandel wie in seiner Gerichtsbarkeit gegen- gierung jedoch zunehmend schwieriger, diese über Ausländern nur eingeschränkt handlungsfä- Neutralität aufrecht zu erhalten, denn die Kriegspar- hig. teien versuchten, Siam in ihr jeweiliges Lager zu Siam war eine absolute Monarchie, seit 1910 regiert ziehen. Bangkok wurde während dieser Jahre zum von König Vajiravudh. Die buddhistische religiöse Schauplatz eines Propagandakriegs um den Preis Praxis war eng mit der feudalen Gesellschaftsstruk- einer wichtigen strategischen Allianz und wirtschaft- tur des Königreichs verwoben. Die Gesellschaft war licher Vorteile in dem einzigen noch nicht koloniali- überwiegend landwirtschaftlich geprägt, die Haupt- sierten Markt in Fernost. stadt Bangkok das einzige urbane Zentrum. Die in- Die siamesische Elite war gespalten: König Vajira- dustrielle Entwicklung steckte noch in den Kinder- vudh und sein Außenminister, Prinz Devawongse schuhen und ein Großteil der Privatwirtschaft lag in Varopakarn, machten zwar kein Hehl aus ihren den Händen chinesischer Einwanderer, die in den Sympathien für Großbritannien, bestanden jedoch vorangegangenen Jahrzehnten zahlreich nach auf Neutralität. Andere dagegen favorisierten einen Siam eingewandert waren. Eine tiefgreifende Ver- Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten und damit waltungsreform, bei der viele westliche Normen und auch auf Seiten Großbritanniens. So etwa der Praktiken übernommen wurden, sollte die Herr- höchste Militäroffizier des Landes, Prinz schaft Bangkoks über das Königreich stärken und Chakrabongse Bhuvanadh, wie auch Siams Ge- sandter in Paris und der wichtigste außenpolitische 48
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU Berater des Königs, Prinz Charoon. Andere politi- Zwar gab es vereinzelte besorgte Stimmen, doch sche Entscheidungsträger und einflussreiche Ade- wurde die Kriegerklärung in Berlin und Wien weit- lige hatten ausgeprägt deutschfreundliche Ansich- gehend mit Achselzucken quittiert. Denn die Siame- ten, darunter die Prinzen Paribatra Sukhumbandh, sen würden – so die vorherrschende Meinung - ja Mahidol Adulyadej und Rangsit Prayurasakdi. In nicht eben mal auf dem europäischen Kriegsschau- den ersten Monaten des Jahres 1917 gewannen die platz erscheinen. Doch zur allgemeinen Verwunde- Befürworter eines Kriegseintritts auf die Seite der rung entschied König Vajiravudh im September Alliierten die Oberhand im Ringen um die beste po- 1917 genau dies: Ein Expeditionskorps sollte auf- litische Strategie. Nach drei Jahren der Neutralität gestellt und nach Europa entsandt werden. änderte Siam in einer Reihe von Sitzungen des Kö- nigs mit seinem Ministerrat im Mai und Juni 1917 seine Politik: Der König entschied, auf Seiten der Das siamesische Expeditionskorps Alliierten in den Weltkrieg einzutreten. Die Entscheidung, Mitte 1917 in den Krieg einzutre- König Vajiravudh entschied sich somit für eine ak- ten, war aus der Sicht Siams sicherlich ein vernünf- tive Außenpolitik anstatt sich der alten Garde um tiger politischer Entschluss, der dem Beispiel ande- Prinz Devawongse zu unterwerfen, die Neutralität rer kleiner, außereuropäischer Staaten folgte. Die zur Staatsräson erklärt hatte. Für diese Entschei- Entscheidung, dann aber auch noch ein Expediti- dung gab es zahlreiche politische und wirtschaftli- onskorps nach Europa zu entsenden, war geradezu che Beweggründe, die sich bewahrheiten sollten: radikal. Dieser Entschluss war in erster Linie von Krieg gegen eine starke europäische Macht wie dem Ziel bestimmt, dem Westen einerseits die Mo- Deutschland zu führen, war in der thailändischen dernität Siams zu demonstrieren, sowie dadurch Geschichte beispiellos; der Kriegseintritt untermau- andererseits die Entschlossenheit des Königs und erte die Macht des Königs ebenso wie er dem Land der Elite zu demonstrieren, auch für Thailand die internationales Ansehen einbrachte. Innenpolitisch strikte Einhaltung internationalen Rechts zu verlan- diente der Krieg dazu, die Gesellschaft zu mobilisie- gen. Derart sollte des Weiteren durch eine aktive ren und Patriotismus zu wecken. Zudem schaffte und sichtbare Präsenz auf dem europäischen der Kriegseintritt unmittelbare materielle Vorteile Kriegsschauplatz der Anspruch Siams auf Gleich- durch die Requirierung deutscher Vermögenswerte behandlung in einer Nachkriegsordnung untermau- wie Unternehmen, Immobilien und Schiffe. Interna- ert werden. Die Idee eines Expeditionskorps ging tional konnte Siam durch den Kriegseintritt seine zurück auf eine Unterredung zwischen dem franzö- volle Souveränität als gleichberechtigtes Mitglied sischen Diplomaten Pierre de Margerie und dem si- der internationalen Gemeinschaft in einer neuen amesischen Gesandten Prinz Charoon im Juni Nachkriegsordnung wiedererlangen, indem es die 1917. De Margerie schlug vor, Siam solle Piloten ungleichen Verträge abschüttelte und respektierter und Sanitäter nach Europa entsenden und dadurch Partner auf Augenhöhe mit westlichen Staaten seine Modernität international unter Beweis stellen. wurde. Der Kriegseintritt war die Gelegenheit, sich Und tatsächlich war Siam in dieser Frühphase der der Welt als moderner und zivilisierter Staat zu prä- Luftfahrt am Puls der Zeit. Es besaß eine Flugstaffel sentieren, der das Völkerrecht verteidigte. Mit und Wartungseinrichtungen sowie in Frankreich Deutschland selbst hatte die Motivation zur Kriegs- ausgebildete Piloten. erklärung somit nur wenig zu tun; eine nachhaltige Dass Truppen eines souveränen südostasiatischen anti-deutsche Einstellung lag ihr nicht zugrunde. Staates in Europa kämpfen sollten, war bis dato bei- spiellos und elektrisierte die Elite ebenso wie große Bevölkerungsteile Bangkoks. Kritische Stimmen, Siam im Krieg politisch oder religiös motiviert, gab es nur wenige. In den frühen Morgenstunden des 22. Juli 1917, ei- Dem Aufruf des Kriegsministers im September nem Sonntag, rissen in Bangkok Militär und Gen- 1917, ein Expeditionskorps zu bilden, folgten zahl- darmerie etwa 300 weitgehend ahnungslose Deut- reiche Zivilisten und Soldaten. Das Korps bestand sche und Österreicher aus ihren Träumen. Sie letztlich aus einem 414 Mann starken Fliegerkorps präsentierten eine englische Übersetzung der Krie- von Piloten und Flugzeugmechanikern, sowie ei- gerklärung ihres Königs und inhaftierten die Männer nem 870 Mann starken Transportkorps aus Fah- in einem ehemaligen Militärhospital, die Frauen und rern, Mechanikern, Sanitätern und Hilfskräften. Kinder im Deutschen Club. Parallel dazu enterten Während die Truppen noch ausgebildet, geimpft Marineeinheiten Schiffe der deutschen Handelsma- und ausgestattet wurden, reiste bereits im Januar rine, die im Chao Phraya Fluss vor Anker lagen. 1918 Generalmajor Phraya Bijai Janriddhi, der Wie zeitgenössische Berichte schildern, führten Si- Kommandeur des Expeditionskorps, mit seinem ams Soldaten und Gendarmen ihre Befehle größ- Stab nach Europa, um die Ankunft der Truppen vor- tenteils respektvoll und gewaltfrei gegenüber den zubereiten. Phraya Bijai hatte mehrere Jahre als Deutschen und Österreichern aus. Kadett in Belgien und Frankreich verbracht, sprach 49
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 Französisch und hatte Erfahrung mit französischer Militärkultur. In Europa wurde Phraya Bijai von Kö- nig Georg V. von England und dem französischen Präsidenten Clemenceau empfangen, inspizierte die Front und traf mit seinem Stab Vorbereitungen für die Truppen in Marseille und anderswo. Nach mehreren Verzögerungen stachen die über 1.200 Mann schließlich am 20. Juni 1918 ab Bang- kok in See und kamen nach einmonatiger Reise an Bord der S.S. Empire via Singapur, Colombo und Port Said am 30. Juli in Marseille an. Dort ergaben sich gleich anfangs interkulturelle Konflikte mit fran- zösischen Verbindungsoffizieren, als die stolzen Lastwagen des siamesischen Expeditionsheers bei Thais für vietnamesische Hafenarbeiter gehalten ihrem Vormarsch nach Deutschland, 1918 wurden. Die Truppen wurden dann nach wenigen Tagen aufgeteilt: Das Fliegerkorps erhielt in den Fliegerschulen in Istres, Avord und Pau weiterfüh- Die Besatzung der Pfalz rendes Training in Flug und Wartung der Maschi- König Vajiravudh beschrieb den Einmarsch seiner nen. Es sollte letztlich jedoch nicht an Kampfhand- Truppen in Deutschland gemeinsam mit der franzö- lungen teilnehmen und verblieb dort bis sischen Armee als den stolzesten Tag seiner Re- Kriegsende. Das Automobilkorps durchlief in Lyon gentschaft. Dass Siams Truppen das Territorium ei- eine Grundausbildung und in Dourdan einen Me- ner europäischen Großmacht besetzten, war von chaniker-Lehrgang, bevor die Truppen Ende Sep- immenser symbolischer Bedeutung für den Macht- tember in die Champagne-Region verlegt wurde. anspruch des selbsternannten Soldatenkönigs und Dort erledigten sie mit französischen Lastwagen seine Bemühungen um Stärkung des Thai-Natio- Transport- und Nachschubaufgaben hinter der nalgefühls. Front. Bis zum Waffenstillstand belieferte das Expe- Die siamesischen Truppen zogen am 16. Dezem- ditionskorps so die französische 4. Armee mit Mu- ber 1918 in Neustadt an der Haardt – heute Neu- nition und Material und transportierte Verwundete stadt an der Weinstraße – in der Pfalz ein. Wir kön- und Truppen. nen vermuten, dass die Bevölkerung Neustadts und Die Spannungen zwischen den siamesischen Sol- der umliegenden Dörfer wohl zum ersten Mal asia- daten und ihren französischen Verbindungsoffizie- tische Menschen sah. Und die siamesischen Besat- ren hatten sich derweil kontinuierlich verschärft und zer waren ebenso fasziniert von Deutschland und spitzten sich in Frontnähe zu. Weil die Thais sich seinen Einwohnern. Das Hauptquartier schlug das von den Franzosen herablassend und zuweilen ras- Expeditionskorps im Hotel zum Löwen in Bahnhofs- sistisch behandelt fühlten, meinten sie deshalb nähe auf und die Truppen wurden auf Mußbach, umso mehr, beständig ihre Unabhängigkeit de- Geinsheim und Hochspeyer verteilt. Das Korps war monstrieren zu müssen. Verstärkt wurden die Prob- für die Wahrung der öffentlichen Ordnung zustän- leme durch die Sprachbarriere: Es war beiden Sei- dig, forderte Respekt von der deutschen Bevölke- ten im Vorfeld nicht gelungen, ausreichend rung, verhielt sich Berichten zufolge aber zurückhal- Dolmetscher zu rekrutieren. Doch der Waffenstill- tend. Die Kommunikation mit den Einheimischen stand vom 11. November 1918 entspannte die war wegen mangelnder Sprachkenntnisse sehr be- Lage, noch bevor Überlegungen des Königs und grenzt und wurde meist durch Franzosen vermittelt. seiner Berater umgesetzt werden konnten, die Von deutscher Seite gab es keine Auflehnung ge- Truppen vorzeitig abzuziehen. Stattdessen rückte gen die siamesischen Besatzer, Berichte dokumen- das Expeditionskorps nun gemeinsam mit der fran- tieren lediglich kleinere Zwischenfälle. zösischen Armee in Deutschland ein. Mit dieser Of- Weihnachten 1918 und den Geburtstag des Königs ferte, dieser Geste wollten der französische Gene- am 1. Januar 1919 feierten Offiziere und Soldaten ralstab und das Außenministerium die gestörten gemeinsam mit ihren französischen Kameraden im Beziehungen mit dem verärgerten Verbündeten Hotel zum Löwen, mit Festessen, Champagner und Siam wieder bereinigen. Denn auch Frankreich thailändischer Musik bis spät in die Nacht. Mitte Ja- hatte natürlich das Ziel, Siams Kriegsteilnahme nuar besuchten Prinz Charoon und weitere siame- strategisch für einen wirtschaftlichen und politi- sische Diplomaten gemeinsam mit dem französi- schen Vorteil zu nutzen. schen Major Doumenc die Besatzungstruppen, zeichneten einige Soldaten aus und besuchten Kranke im Lazarett. Mitte März kam Generalmajor Phraya Bijai mit der Regimentsfahne in Neustadt an, die vom König gesegnet und nach Europa ge- schickt worden war. In einer großen Zeremonie mit 50
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU Siamesische Truppen in Neustadt a. d. Haardt, 1919. Marschmusik und Kavallerie auf dem Bahnhofs- ris folgten dann in den folgenden Wochen noch wei- platz in Neustadt wurde die Fahne übergeben und tere Siegesmärsche mit siamesischer Teilnahme in dem Expeditionskorps durch den französischen London und Brüssel. General de Morderelle der Orden 'Croix-de-Guerre' Als die siamesischen Truppen schließlich im Sep- verliehen. tember wieder in Bangkok angekommen waren, Der Alltag der siamesischen Besatzer schien recht fanden auch dort mehrtägige Feierlichkeiten statt. entspannt. Um fit zu bleiben, trieben sie Sport, unter Es gab Truppenparaden, Konzerte, Theaterauffüh- anderem Thai-Boxen. Dies beeindruckte die franzö- rungen, ein Sportfest und als Höhepunkt eine Audi- sischen Kameraden so sehr, dass sie im April 1919 enz beim König. Im Rahmen der Feierlichkeiten im elsässischen Metz ein Sportfest mit den Thais wurden die sterblichen Überreste von 19 Soldaten veranstalteten. Die thailändischen Soldaten wiede- des Expeditionskorps – die alle durch Krankheit rum waren beeindruckt vom Alltagsleben in oder Unfälle, nicht durch Feindeinwirkung zu Tode Deutschland, das außer durch kriegsbedingte Le- kamen – in Anwesenheit von König Vajiravudh in bensmittelknappheit nicht nennenswert beeinträch- einem eigens hierfür errichteten Denkmal beige- tigt schien. Sie waren angetan von der Schönheit setzt. Das Kriegsdenkmal steht noch heute an sei- deutscher Frauen, die ihren Erinnerungen nach sin- nem ursprünglichen Platz am nördlichen Ende des gend die Straßen entlanggingen, und bewunderten Sanam Luang gegenüber dem Königspalast. Es ist die Auslagen in Geschäften und die Elektrifizierung alljährlich am 11. November der Ort von Feierlich- der Schaufenster. Es ergaben sich – Sprachbarrie- keiten, die zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg ren zum Trotz – sogar Liebschaften zwischen sia- und Thailands seinerzeitige außergewöhnliche mesischen Soldaten und deutschen Frauen. Rolle auf der Weltbühne abgehalten werden. Am 10. Juli erging der Befehl zum Abzug der sia- mesischen Truppen. Sieben Monate nach Grenz- übertritt zog somit das siamesische Expeditions- korps wieder aus Deutschland ab. Berichten zufolge wurden sie am Neustädter Bahnhof von vie- len Deutschen, manche sogar mit Blumen, verab- schiedet. Die siamesischen Truppen wurden nach Paris verlagert und stellten 150 Soldaten, die an der großen Siegesparade auf der Avenue des Champs- Élysées teilnahmen. Ein Foto des Moments, an dem die siamesischen Truppen durch den Triumph- bogen auf die Place de l’Étoile marschierten, ist er- halten geblieben. Man meint, den Stolz der Thais zu erkennen, in einer der Hauptstädte des imperialen Das Weltkriegsdenkmal vor dem Grand Palace im Kolonialismus ihre Fahne und ihr souveränes Land Zentrum Bangkoks. präsentieren zu können. Den Feierlichkeiten in Pa- 51
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 Siam als Siegermacht neben Großbritannien, Frankreich und den USA – in dieser Symbolik drückte sich der Erfolg der thailändischen Teil- Fotos: © aus der Sammlung Chakrabongse. nahme am Ersten Weltkrieg aus. Das Königreich hatte seinen Status gefestigt, sein internationales Ansehen ausgebaut und sichergestellt, dass es in der Nachkriegsordnung einen Platz erhielt. Als Un- terzeichner des Versailler Vertrages und Grün- Dr. Stefan Hell hat in Tübingen Geschichte und Phi- dungsmitglied des Völkerbundes war Siam in den losophie studiert und in Leiden (Niederlande) pro- folgenden zwei Jahrzehnten dann auch in die neue, moviert. Forschungsschwerpunkte sind internatio- multilaterale Welt integriert und konnte sich von den nale Organisationen sowie internationale und überkommenen ungleichen Verträgen lösen. Innen- interkulturelle Aspekte asiatischer Geschichte. Er politisch hatte König Vajiravudh durch die Kriegs- arbeitet seit 20 Jahren als Berater in der internatio- teilnahme und den Sieg gegen das deutsche Reich nalen Entwicklungskooperation in Asien. Er ist auch einen erstarkten Patriotismus gestiftet und seine Verfasser eines deutschen Buches über den Mand- Macht gestärkt. Thailands Teilnahme am Ersten schureikonflikt Japan gegen China 1931-1933 und Weltkrieg und die Besatzung Deutschlands waren - der Publikation 'Siam and the League of Nations: so lässt sich abschließend festhalten - für Zeitge- Modernisation, Sovereignty and Multilateral Diplo- nossen im Königreich Siam vielleicht die wichtigs- macy, 1920-1940', ebenfalls bei River Books in ten außenpolitischen Ereignisse ihrer Generation. Bangkok. Die vom Autor des vorliegenden Beitrags stammende Publikation "Siam and World War I – An International History" wurde zum 100. Jahrestag der Kriegserklärung am 22. Juli 2017 in einer englischen und einer thailän- dischen Ausgabe veröffentlicht. Die Buchvorstellung sowie eine Begleitausstellung wurden in Bangkok von Prinzessin Sirindhorn eröffnet. Das Buch basiert auf Primärquellen aus Archiven Thailands und der europäi- schen Grossmächte. Memoiren und Briefe von Soldaten wie Kriegsgefangenen zeichnen lebendige und per- sönliche Kriegserfahrungen, während thailändische und westliche Regierungsakten die politischen Prozesse vor und nach dem Kriegseintritt erstmals zutage fördern. Zudem beschreibt das Buch die Folgen und die Wir- kungsgeschichte des Ersten Weltkriegs in Thailand. Das Werk ist wissenschaftlich und doch packend geschrie- ben, voller individueller Geschichten und politisch-historisch interessierten Leser leicht zugänglich. Die engli- sche Ausgabe ist über www.amazon.de, die thailändische über www.riverbooksbk.com zu erwerben und beide natürlich auch im Buchhandel. 52
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU KoKai - Schule Düsseldorf die größte Thaischule Deutschlands – Kinder und Jugendliche erlernen die thailändische Sprache – Alina Krause, Yaowalak Makanaso Die Idee, eine Thaischule für Kinder in Deutschland zu gründen, kam Frau Yaowaman Sasho, als sie ihr erstes Kind bekam. Die Befürchtung, dass ihre Tochter in Deutschland die thailändische Sprache nicht richtig erlernen könnte, war einer der Haupt- gründe, warum die KoKai-Schule entstanden ist. Logo der KoKai-Schule Frau Sasho, Gründerin der Schule und Übersetzerin Thai-Deutsch http://thailändisch-deutsch.com/index.html Der Wunsch, Kindern Thailändisch weitergeben zu können, um sich vor allem mit Verwandten verstän- digen zu können, lag Frau Sasho sehr am Herzen. Zunächst stellte sie sich vor, das Lesen und Schrei- ben ihrer Tochter selbst beizubringen. Allerdings dachte sich Yaowaman Sasho, dass es für ihre Tochter schnell langweilig werden könnte, wenn sie ganz alleine lernen müsse. Also fragte sie im Be- kanntenkreis nach, ob noch andere Eltern daran in- teressiert seien, den Sohn oder die Tochter die thai- ländische Sprache erlernen zu lassen. Nach vielen Einige KoKai-Kinder positiven Rückmeldungen stellte sich dann die Frage, warum aus dem Interessentenkreis nicht eine kleine Thaischule gegründet werden sollte. So Ziel der Schule ist es, den in Deutschland lebenden rief Frau Sasho im August 2012 die KoKai-Thai- thailändischen Kindern und Kindern aus binationa- schule mit 12 Schülern ins Leben. Zunächst gab es len Beziehungen die thailändische Sprache zu ver- noch keinen festen Standtort für die Thaischule, mitteln. Neben Sprachunterricht versuchen wir den also fand der Unterricht vorübergehend in einer Kir- Kindern und Jugendlichen auch die thailändische che statt. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Schule Kultur sowie thailändischen Tanz näher zu bringen. rund 60 Schüler/innen und ist somit die größte Thai- schule Deutschlands. 53
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 In der dritten Klasse der KoKai-Thaischule befin- Anfänglich gab es in der Thaischule Schülerinnen den sich die Kinder, welche sich leicht tun, den und Schüler, welche zuvor noch nie Kontakt mit der Unterrichtsstoff der zweiten Klasse anzuwenden. thailändischen Sprache oder Kultur gehabt haben. Diese Klasse wäre ungefähr auf dem Niveau der Obwohl mindestens ein Elternteil aus Thailand dritten oder vierten Klasse des thailändischen stammt, wurde zu Hause zumeist nur Deutsch ge- Schulsystems. sprochen. Seit dem letzten Jahr bieten wir auch eine Klasse Heute allerdings können die Schüler das thailändi- für Erwachsene an, in der besonders deutsche In- sche Alphabet lesen und schreiben. Unsere Auf- teressenten teilnehmen, um der thailändischen gabe ist es, Kindern, die in einem deutschen Umfeld Sprache näher zukommen. aufwachsen, die thailändische Sprache so gut wie möglich zu lehren. Seit dem Jahr 2016 sind wir eine von Thailand staatlich anerkannte Schule in Deutschland. Die KoKai-Thaischule ist in drei Klassen aufgeteilt. Die erste Klasse besteht aus Kleinkindern. In dieser Klasse wird den Kindern spielerisch das thailändi- sche Alphabet, das Zählen und die ersten einfachen Wörter beigebracht. In Thailand könnte man diese Klasse mit dem Kindergarten vergleichen. Unterricht in der KoKai-Schule Besonders stolz waren wir im Jahre 2017 auf den Besuch der berühmten Lehrerin Salee, Trägerin des Preises „Beste Lehrerin Thailands“. Wir hatten die Ehre, mit ihr ein Wochenend-Seminar durchzu- führen, indem sie uns neue und spaßige Methoden näher brachte, wie man die Kinder für die thailändi- sche Sprache begeistern kann. Unterricht in der KoKai Schule Gleichermaßen sind wir stolz auf unsere Schüler, welche an einem Sprachwettbewerb des Königlich In der zweiten Klasse befinden sich die Schülerin- Thailändischen Generalkonsulats Frankfurt im letz- nen und Schüler, die all das schon gut beherrschen. ten Jahr teilgenommen haben. Insgesamt haben 18 Dort wird den Kindern das Sprechen, das erste Le- Kinder und junge Leute im Alter 6-18 Jahren an die- sen und Schreiben beigebracht. In Thailand wäre sem Wettbewerb teilgenommen, darunter sechs das vergleichbar mit der ersten oder zweiten Schul- aus der KoKai-Thaischule. Von sechs zu vergeben- klasse. den Preisen, haben die KoKai-Kinder vier Preise gewinnen können! 54
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU Den ersten Platz in der Altersgruppe von 6-12 Jahre Im letzten Jahr haben nicht nur unsere Schüler viele hat Sakura gewonnen. Der zweite Preis der Alters- tolle Preise gewonnen, sondern auch unsere ange- gruppe ging an Rina. In der Altersgruppe 12-18 hende Lehrerin Alina. Jahre belegte Baidoej den ersten und Sai den drit- ten Platz. I.E. Frau Pannabha CHANDRARAMYA, Gewinner des Sprachwettbewerbs Generalkonsulin des Königlich Thailändischen Generalkonsulats Frankfurt bei der Preisverleihung Wir bedanken uns bei Herrn Konsul Dr. Stephan Holthoff-Pförtner vom Königlich Thailändischen Ho- norargeneralkonsulat Düsseldorf dafür, dass er uns all die Jahre begleitet und unterstützt hat. Ohne seine Hilfe wären wir als Thaischule niemals so er- folgreich geworden. Natürlich geht auch ein großes Dankeschön an all die „KoKai-Eltern“, welche stets hilfsbereit sind und auf die wir uns immer verlassen können. Fotos: Frau Jarunya Bunwiset Autorinnen: Frau Alina Krause und Frau Yaowalak Makanaso, angehende Lehrkraft bzw. Lehrerin an der KoKai-Schule Alina als Gewinnerin des Schönheitswettbewerbs Sie finden uns bei Facebook unter dem Namen: Alina nahm an dem diesjährigen Loy Kratong- KoKai Thai-Schule. Schönheitswettbewerb teil und errang von 15 Teil- Informationen Khru Num 0172 25 74 250 oder Khru nehmerinnen den ersten Preis. Nim 0173 48 47 223 55
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 Daśaharȃ-Feier Monique Heitmann Während des indischen Mondmonats Asvina (Sep- iert wird. Vielleicht stellen die Chinesen die gutar- tember / Oktober) kündigt ein großer Verkehrsstau tige Parvati / Uma, die auch in dem Tempel an der auf der Silom Road ein ganz besonderes jährliches Silom Road verehrt wird, mit Kuan-yin gleich. Ereignis an: Der Sri Mariammam Tempel in Bang- kok feiert Daśaharȃ1, den zehnten Tag des religiö- sen Festes Navarȃtri (‚Neun Nächte‘, 2017: 21.-30. September). Die örtlichen Tempelverwalter be- haupten, es sei die bekannteste heilige Hindu-Ze- remonie in Thailand. Das Fest findet am Ende des Monsuns an dem Tag statt, an dem der Legende nach Rama mit Sita nach Ayodhya zurückkehrte, nachdem er in Sri Lanka den Dämon Ravana be- siegt hatte. Daher wird es manchmal Ramalilȃ ge- nannt. Das religiöse Fest Navarȃtri wird in ganz Indien und im Ausland an Orten mit großen Hindu-Gemein- schaften zu Ehren von Devi, der Shakti von Shiva, Am Abend des Festes ist die Luft in der Tempelan- gefeiert. Eine Shakti ist der weibliche Aspekt der lage stickig von dem Rauch, der aus brennenden großen Hindu-Götter, die häufig auch "Ehefrau" o- Räucherstäbchen aufsteigt, die vor den beiden der Gemahlin genannt wird. Devi hat viele Formen. reich geschmückten Bildern von Brahma und Shiva Ihre milden Verkörperungen sind u.a. Uma und im Innenhof des Tempels glimmen. Trommeln wer- Parvati. Als Furcht einflößende Ausprägung heißt den geschlagen und zwei Kapellen tragen zu einem sie u.a. Durga, Kali oder Bhairavi. hohen Geräuschpegel bei. Viele Zelebranten tan- zen im Rhythmus der lauten Musik. In Indien bestimmt die örtliche Präferenz für eine bestimmte Shakti den Charakter der Festlichkeiten. Die schreckliche Durga, die in Bengalen und in Ne- pal verehrt wird, ruft zu Zeremonien auf, die das Op- fer von Tieren einschließen. Essen, Trinken und Tanzen begleiten die Feierlichkeiten. In Südindien, z.B. in Tamilnadu, wird Daśaharȃ zu Ehren der lokalen Göttin Mariamman gefeiert. Sie bringt Regen, verursacht Pocken und Cholera und heilt diese Krankheiten. Mariamman wird auch mit den Shaktis Uma / Parvati aber auch lokal mit Kali / Durga assoziiert. Im Jahr 1879 gründeten Tamilen aus Südindien den Tempel an der Silom Road in Bangkok und widme- ten ihn Sri Mariamman. Folglich gibt es Ähnlichkei- ten in der Art und Weise, wie Daśaharȃ in Bangkok Plötzlich taucht ein Medium, das erste von drei und in Südindien gefeiert wird. männlichen Medien, in Trance aus dem Tempelge- bäude auf. Es wird geglaubt, dass dieses Medium Am Abend von Daśaharȃ ist der Tempel an der Si- vom Geist des Subrahmaniam, dem jüngsten Sohn lom Road hell erleuchtet und gedrängt voll von An- von Shiva und Parvati, auch Murugan genannt, be- hängern, die gespannt darauf warten, dass die Ze- sessen ist. Der Mann wird zu einer Stelle geleitet remonien beginnen. Interessanterweise sind Inder wo er für die folgende Prozession vorbereitet wird. wohl in der Minderheit. Die Mehrheit der Verehrer Von seinen Assistenten geführt, tanzt das Medium sind Chinesen und Thailänder. Die Chinesen veran- mit geschlossenen Augen, ohne sich seiner Umge- stalten um diese Zeit des Jahres ein Fest, das bung bewusst zu sein. Kuan-yin, der Göttin der Barmherzigkeit, gewidmet ist, die mit dem Bodhisattva Avalokitesvara assozi- Zum Klang von Musik und Schellen werden die Wangen und die Zunge des Mediums sorgfältig mit kleinen Spießen durchbohrt, die das Symbol von 1 Engl. Transkription: Dusserah 56
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU Shiva tragen. Bronzehaken mit Girlanden und Li- monen, die als zusätzliche Gewichte befestigt sind, werden im nackten Fleisch seines Oberkörpers be- festigt. Man sieht keine Anzeichen von Schmerz oder Blut. Dann legen seine Assistenten auf den Kopf und die Schultern einen aufwendigen Kopf- schmuck mit einem Bild von Subrahmaniam umran- det von Pfauenfedern. Das Medium, immer noch in Trance und mit dem Kopfschmuck tanzend, wird in den Hof gebracht, wo die Menge ihm Platz macht. Er tanzt in der Menge, bis die Prozession beginnen kann. Dann kommt das zweite Medium, um sich vorzube- reiten. Es verkörpert die Göttin Kali. Zusätzlich zu den Spießen und Limetten sind an seinen Lippen Haken angebracht, die mit Äpfeln beschwert sind. Sein zeremonielles Kostüm ist aufwendiger als der Kopfschmuck des ersten Mediums. Ein kaum sicht- barer Aluminiumrahmen stützt das Kostüm aus Pfauenfedern auf Kopf und Hüften des Mediums ab, was es ihm schwer macht zu tanzen. Er kann nur noch ein paar rhythmische Schritte machen. Da zu seiner zeremoniellen Ausstattung auch kleine far- bige elektrischen Birnen gehören, muss sein Assis- tent ihm eine Batterie nachtragen. anderer Gottheiten in einer Prozession durch die Straßen, die Silom und Sathorn Roads verbinden, gefahren werden. Die Wagen sind reich verziert und mit elektrischen Lampen beleuchtet; Ein Jeep mit einem Generator sorgt für die Stromversorgung. Es braucht Zeit, um die Bilder der Gottheiten sicher auf den Wagen zu platzieren. Während dieses Vor- gangs drängen sich die Verehrer mit geschlosse- nen Augen in tiefer Hingabe gegen die Wagen. Die Aktivitäten in der Tempelanlage gehen schließ- lich zu Ende und die Prozession beginnt sich zu be- Schließlich erscheint das dritte Medium, eine Mani- wegen. Die Wagen, von Schulkindern an langen festation von Uma, aus dem Tempel. Er ist auch in Seilen gezogen, beginnen sich durch die Menge zu Trance und balanciert tanzend auf seinem Kopf ein drängeln. Das Medium ‚Uma‘, das das Gefäß auf Messinggefäß, den Karacham2, das Sand, Wasser dem Kopf trägt, tanzt an der Spitze der Prozession, und Münzen enthalten soll und reich mit Blumen ge- gefolgt vom Wagen des Kathavarayan. Dann folgt schmückt ist. Man glaubt, daß der Geist der Göttin das Medium, das den Geist von Subrahmaniam Mariamman / Uma sich darin aufhält. Eine von meh- verkörpert. Er geht dem Wagen von Subrahmaniam reren Deutungen ist der Gedanke, dass mit der im voraus, der mit einem Pfau, einer Schlange und ei- Topf befindlichen Göttin der Krankheit, das Leiden nem Bild von Subrahmaniam geschmückt ist. aus dem Ort getragen werden soll. Das Medium, das von Kali besessen ist, tanzt vor Außerhalb des Tempels werden Wagen vorbereitet, dem letzten Wagen, der Bilder der Gottheiten Uma, auf denen Bilder von Kathavarayan, dem Schutz- Krishna und Ganesha trägt. gott der Mariamman, Subrahmaniam und Uma und Die Gläubigen versuchen, nahe an die Wagen heran zu kommen, um den Begleitern der Fahr- zeuge Früchte, Blumen und Weihrauch als Opfer- gaben zu geben, die diese der Gottheit darreichen und dann einen Teil davon an den Spender zurück- 2 Engl. Transkription des Tamil Wortes: Karagam 57
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 geben. Kokosnüsse werden auf den Boden gewor- Fotos: Monique Heitmannn fen und zerschmettert. Die Kokosnuss ist in hindu- istischen religiösen Zeremonien allgegenwärtig, ihr Literatur:Gonda, Jan: ‚Die Religionen Indiens‘, wässrige Saft ist von höchster Reinheit, geeignet für Band 2/3, Kohlhammer Verlag 1963 die Verehrung der Götter. Limetten, Symbole der Fruchtbarkeit, spielen eine wichtige Rolle in den Ze- Monique Heitmann lebte in Thailand von 1981 – 2005. remonien. Sie werden nicht nur als Gewichte an Sie war von Anfang an Mitglied der National Museum Vo- den Haken verwendet, die die Haut des Mediums lunteers und vertrat in dieser Gruppe verschiedene wich- durchbohren, sondern sind auch an den zeremoni- tige Positionen; u.a. war sie 1989/90 deren Präsidentin, ellen Dreizacken und Schwertern befestigt, die der besonders die Pflege der Kontakte zum Fine Arts De- während der Prozession getragen werden. Es wer- partment obliegt. In dieser Zeit nahm sie aus der Hand den auch Limetten in die Menge geworfen, nach- von HRH Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn den ersten 'Thai National Heritage Award 1989' für die Gruppe ent- dem die Assistenten auf den Wagen in sie gebissen gegen. haben. Die Limetten sollen böse Geister vertreiben. Das emotionale Fest dauert bis tief in die Nacht hin- ein, während der sich die Prozession durch die Straßen zwischen Sathorn und Silom Road zum Mariamman Tempel / Wat Kek zurück schlängelt und die heiligen Bilder zu ihren Altären zurückkeh- ren. Festschrift 60 Jahre Deutschabteilung an der Chulalongkorn-Universität! 60 Jahre Zusammenarbeit mit dem DAAD in Thailand Lutz Damerow Vor dem Hintergrund des einhundertjährigen Beste- hens der Chulalongkorn-Universität in Bangkok und des sechzigjährigen Bestehens der Deutschabtei- lung an der Universität sowie der engen Zusam- menarbeit mit dem Deutschen Akademischen Aus- tauschdienst (DAAD) haben verschiedene thailändische und deutsche Autoren eine Fest- schrift verfasst, die die gemeinsame Arbeit in dieser Zeit darstellt. Die vorliegende Festschrift ist in fünd Hauptkapitel gegliedert, die sich mit der Geschichte der deut- schen Sprache in Thailand, der Thai-Deutschen Kulturbegegnung, der didaktischen Vermittlung und der eher wissenschaftlich orientierten Auseinander- setzung mit deutscher Sprache und Literatur be- schäftigen. So werden unter anderem die Bedeu- tung der deutschen Sprache in Thailand (A. Otrakul), das Engagement des DAAD in Thailand von 1950 bis 2017 (G. Verweyen) und alle an der Deutschabteilung tätig gewordenen DAAD-Lekto- rinnen und Lektoren, sowie ein neues, universitäts- übergreifendes Theaterprojekt und seine Umset- zung in den Jahren 2016/2017 dargestellt (A. Streit). Festschrift, 60 Jahre Deutschabteilung an der Chu- 250 Seiten, schwarz-weiß und farbige Fotografien lalongkorn Universität im Anhang, 18 x 25 cm, gebunden. Herausgeber: A. Otrakul, A. Streit, B. Laser, C. Sri- Bezug: Chulalongkorn University, Faculty of Arts; ratanasomboon, M. Schalbruch 2017, Department of Western Languages, German Sec- tion Phyathai Road; Bangkok 10330, Thailand 58
2 / 2 0 1 8 THAILAND-RUNDSCHAU 60 Jahre DAAD in Thailand Georg Verweyen Vor sechzig Jahren reiste Dr. Georg Heuser als ers- zurückblicken. Auch das Netzwerk des DAAD be- ter Lektor für den Deutschen Akademischen Aus- gann schnell zu wachsen: Noch vor der offiziellen tauschdienst (DAAD) nach Thailand. Seitdem unter- Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem richten DAAD-Lektoren an thailändischen Vereinigten Königreich wurde 1952 das Büro in Lon- Universitäten und bilden eine wichtige Brücke zwi- don als erste Außenstelle wiedereröffnet. schen Thailand und Deutschland. So wie die Ent- Als DAAD-Lektor gehört Georg Heuser zu den Pio- wicklung Bangkoks mit seinen glänzenden Wolken- nieren eines relativ neuen Förderkonzepts. Seit kratzern augenfällig ist, hat sich auch die 1954 unterstützt der DAAD ausländische Universitä- Ausstattung und Strategie des DAAD in Thailand ten bei der Auswahl von deutschen Lektoren und deutlich verändert. legt damit den Grundstein für das wichtigste Pro- Als sich Georg Heuser 1957 auf den weiten Weg in gramm zur Förderung der Germanistik im Ausland. den Fernen Osten macht, liegt die Universität noch In den ersten Jahren kamen jeweils etwa zehn neue am Rande einer überschaubaren Hauptstadt, deren Lektorate hinzu, gut zwei Drittel davon innerhalb Eu- Leben sich zu großen Teilen auf dem Wasser der ropas. Bereits 1957 wird Dr. Georg Heuser nach unzähligen Kanäle abspielt. Handelsbeziehungen Thailand vermittelt, um an der Chulalongkorn-Uni- und kulturellen Austausch zwischen dem Königreich versität Germanistik zu unterrichten. Das neue Lek- Siam und den deutschen Vorgängerstaaten gibt es torat in Bangkok gehört damit zu den entferntesten zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahrhun- Posten des DAAD. dert. Thailändische Prinzen und Würdenträger ha- Deutschunterricht hatte es schon vor dem Zweiten ben deutsche Schulen und Universitäten besucht Weltkrieg an der 1917 gegründeten Chulalongkorn und auch König Bumibhol Adulyadej legt großen Universität gegeben. Zu Heusers Aufgaben gehört Wert auf europäische Fremdsprachen in der Ausbil- nun nach fast zwei Jahrzehnten Unterbrechung der dung seiner Kinder. Aufbau einer eigenständigen Germanistik. In einer Georg Heuser trifft also auf ein ausgesprochen koordinierten Zusammenarbeit von Auswärtigem günstiges Umfeld mit seinem Auftrag, den Aufbau Amt, Goethe-Institut und DAAD soll Deutsch als Stu- der Germanistik in Thailand zu fördern. In der noch dien- und Schulfach nachhaltig in Thailand einge- jungen Bundesrepublik blickt der DAAD bereits auf führt werden. Zu diesem Zweck unterrichten schon einige Jahrzehnte erfolgreicher Arbeit zurück bis ins seit 1954 deutsche Lehrer im Auftrag des Goethe- Jahr 1925. Der Akademische Austauschdienst, so Instituts an thailändischen Sekundarschulen. Im der ursprüngliche Name, ging auf die Initiative eines Jahr 1957 lernen so schon 600 Schüler der besten Studenten zurück, der während eines USA-Aufent- Schulen Deutsch. Zeitgleich zur Entsendung halts Stipendien für seine Kommilitonen organisiert Heusers wird eine erste Kohorte von zukünftigen hatte. In den ersten Jahren beschränkte sich die Ak- Deutschlehrern und Dozenten am Goethe-Institut in tivität des Vereins auf den Studentenaustausch mit München ausgebildet und mit Lehrmitteln versorgt. Europa und Nordamerika. Erste Büros wurden in Damit war das Umfeld für die erste Generation thai- London (1927), Paris (1930) und, für wenige Mo- ländischer Germanisten an der Chulalongkorn Uni- nate, in New York (1938) eröffnet, bevor die „Gleich- versität vorbereitet. 1962 wird schließlich in der Phi- schaltung“ aller Vereinsaktivitäten im Dritten Reich losophischen Fakultät eine Germanistische und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Ar- Abteilung eingerichtet, die seitdem Deutschlehrer beit des DAAD zum Erliegen brachten. Schon fünf und Germanisten ausbildet. Diese Entstehung der Jahre nach Kriegsende begann der DAAD 1950 die thailändischen Germanistik ist in Saengaramruangs akademischen Austauschaktivitäten der Bundesre- Überblick „Teaching German in Thailand“ (in Manu- publik wiederaufzubauen. Eine der ersten strategi- sya: Vol. 9 No. 1) nachzulesen. schen Entscheidungen war die Integration des Mit Heusers Entsendung beginnt 1957 auch eine DAAD in das weltweite Netzwerk für den Austausch Partnerschaft zwischen dem Deutschen Akademi- von Praktikanten IAESTE: Bereits im Sommer 1950 schen Austauschdienst und dem Gastland Thailand, konnten fast 300 grenzübergreifende Praktikums- die heute auf sechzig Jahre Wachstum und gemein- plätze vermittelt werden. Dem standen anfangs nur samen Wandel zurückblickt. Diese Entwicklung hat zwölf Stipendien für Studenten gegenüber, doch sich weniger an einer Zielvorgabe aus Deutschland Auswärtiges Amt und Stiftungen stellten bald mehr orientiert als vielmehr am thailändischen Bedarf. Da- Geld für den Austausch zur Verfügung, und schon rin kann man ein fehlendes „großes Konzept und Ko- 1956 konnte der DAAD auf zehntausend Stipendia- ordination“ sehen, wie es Stoffers in „Thailand und ten - zu ähnlichen Teilen Deutsche und Ausländer Deutschland: Wirtschaft, Politik, Kultur“ (Springer 2016, S. 310) nennt oder die Fähigkeit zuzuhören, 59
THAILAND-RUNDSCHAU 2 / 2 0 1 8 wie es Apinan Phatarathiyanon, ehemaliger Direktor Lektorat unterstützt. Neben den entsandten Lek- der Thailand International Cooperation Agency toren werden deutschsprachige Ortslektoren geför- (TiCA) in einem Interview 2012 formuliert. dert, die unter anderem über den DAAD Fachlitera- Ein entscheidender Aspekt der akademischen Zu- tur bestellen können und zu sammenarbeit ist auch weiterhin die Förderung der Fortbildungsmaßnahmen eingeladen werden. Zahl- deutschen Sprache im Ausland. Darüber hinaus ha- reiche thailändische Germanistikdozenten haben in ben sich in Thailand folgende Schwerpunkte entwi- Deutschland promoviert, viele mit direkter finanziel- ckelt: Ingenieurswissenschaften, Duale Hochschul- ler Unterstützung durch den DAAD. bildung, Politik und gute Regierungsführung, Im April 2016 hat Frau Supatcha Jennasombut als Förderung der regionalen Vernetzung und nachhal- erste Doktorandin erfolgreich ihre Dissertation im tige Entwicklung. Diese Vielfalt und Flexibilität in der Promotionsstudiengang Germanistik an der Chula- Wahl der Schwerpunkte hat sicher zum Erfolg des longkorn-Universität verteidigt. Dieser Studiengang DAAD in Thailand beigetragen. ist in Südostasien einmalig und bietet erstmals die Möglichkeit, selbständig und nachhaltig einen Teil Förderung der deutschen Sprache der benötigten Dozenten vom Bachelor bis Doktor- Seit sechs Jahrzehnten engagieren sich Goethe- grad auszubilden. Mit diesem Schritt ist die Germa- Institut, deutsche Botschaft und DAAD im Bereich nistik in Thailand voll ausgebaut und nach sechzig der deutschen Sprache in Thailand. Als weiterer Jahren gewissermaßen erwachsen. Der DAAD un- Partner kam 1963 die deutschsprachige Schule in terstützt die Programme an der Chulalongkorn-Uni- Bangkok hinzu, die als eidgenössische Gründung versität durch ein germanistisches Lektorat und in sowohl von der Schweizer Regierung als auch durch Teilzeit durch das Lektorat am Informationszentrum. die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) Georg Heusers wichtigster Auftrag, der Aufbau einer gefördert wird. Seit 2016 gehört auch die Robert- funktionierenden Germanistik als akademische Wis- Bosch-Stiftung zum Kreis der deutschen Kulturmitt- senschaft, ist also nach sechs Jahrzehnten abge- ler in Thailand, die sich im „Netzwerk Deutsch“ tref- schlossen. fen. Betrachtet man die Aufgaben des DAAD über die An 39 thailändischen Sekundarschulen wird Förderung der deutschen Sprache hinaus, so hat die Deutsch unterrichtet. Dort lernen zurzeit etwa 3.600 Bedeutung der Sprachvermittlung insofern abge- Schüler Deutsch, hinzu kommen 6.800 erwachsene nommen, als ein Großteil der Studienbewerber und Deutschlerner am Goethe-Institut und ungefähr Stipendiaten englischsprachige Programme an 1.800 Studenten, die an zehn Universitäten Deutsch deutschen Universitäten besucht. Deutsch ist damit lernen. Diese Zahlen belegen ein hohes Interesse nicht mehr der notwendige Schlüssel zum deut- an Deutschland und der deutschen Sprache. Neben schen Hochschulsystem, sondern eine bewusste den gut strukturierten Wegen des Spracherwerbs in Entscheidung. Es darf dabei nicht vergessen wer- Schule, Hochschule und am Goethe-Institut gibt es den, dass auch heute nur mit Kenntnis der deut- in Thailand zahlreiche private Sprachschulen, die schen Sprache die deutsche Hochschullandschaft in mit unterschiedlichem Erfolg Kursteilnehmer beson- voller Breite erschlossen wird. Das Deutsche öffnet ders für den Tourismus, aber auch für den Familien- darüber hinaus Türen zum kulturellen Verständnis nachzug nach Deutschland vorbereiten. Die über- und Austausch, insofern wird die Förderung der wiegende Mehrzahl der Deutschlerner verbleibt deutschen Sprache wohl immer einen besonderen allerdings auf Anfängerniveau, nur eine kleine Min- Platz im DAAD haben. derheit erreicht fortgeschrittene Sprachkenntnisse. An den Universitäten und am Goethe Institut gibt es Ingenieurwissenschaften immer wieder thailändische Studenten, die ein bei- Die meisten Thailänder assoziieren Deutschland un- nahe muttersprachliches Niveau erreichen. mittelbar mit Ingenieurwissenschaften und Technik: Viele Universitäten bauen ihre Deutschprogramme schnelle Autos und gute Qualität, in letzter Zeit aber aus und erleben zurzeit ebenso wie das Goethe- auch Windräder und Recycling bestimmen das Institut einen Engpass bei den qualifizierten Lehr- Deutschlandbild, abgesehen natürlich von den Klas- kräften für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Weder sikern: Fußball, Sauerkraut und Bier. an den Schulen oder Hochschulen, noch am Goe- Während Georg Heuser mit seinen thailändischen the-Institut kann der Bedarf an qualifizierten DaF- Kolleginnen und Kollegen die ersten Studierenden in Lehrern und Germanisten gedeckt werden. der Germanistik unterrichtet, betreibt die thailändi- Das Engagement des DAAD in Thailand für die deut- sche Regierung aktiv die akademische Kooperation sche Sprache, insbesondere für die universitäre mit der Bundesrepublik in ganz anderen Fakultäten: Germanistik, zeigt sich deutlich an der Zahl der mut- Vor allem die ingenieurwissenschaftliche Entwick- tersprachlichen Dozenten, die vom DAAD gefördert lung Thailands wurde durch akademischen Aus- werden. Heute unterrichten drei Lektoren und zwei tausch mit Deutschland und durch zahlreiche Sti- Sprachassistenten an den thailändischen Universi- pendien im Bereich der Ingenieurwissenschaften täten. Außerhalb der Hauptstadt wird auch an der geprägt. Auch im Bereich der technischen Berufs- Chiang Mai Universität die Germanistik durch ein ausbildung besteht eine starke Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 60
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