THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln - ISSN: 0934-8824

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THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln - ISSN: 0934-8824
THAILAND-RUNDSCHAU
der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln

Jahrgang 31                Juni 2018                 Nr. 2

                             ISSN: 0934-8824
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         THAILAND-RUND-
             SCHAU                                                                  Impressum und Inhalt
                                              Inhalt                                               Nr. 2 – 2018
                                              Vorwort                                                          47
                                              Die thailändische Besatzung Deutschlands                         48
                                              Stefan Hell
                                              Der Beirat der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft               52
                                              KoKai-Schule Düsseldorf                                          53
                                              - die größte Thaischule Deutschlands
                                              Alina Krause, Yaowalak Makanaso
                                              Daśaharȃ-Feier                                                   56
                                              Monique Heitmann

       DEUTSCH-THAILÄNDISCHE                  Festschrift: 60 Jahre Deutschabteilung                           58
         GESELLSCHAFT e.V                     an der Chulalongkorn-Universität
                                              Lutz Damerow
               Ehrenpräsident:
      Der Botschafter des Königreiches        60 Jahre Deutschabteilung                                        59
          Thailand in Deutschland –           Georg Verweyen
     S.E. Botschafter Dhiravat Bhumichitr
                                              Von Bayreuth zu "Thai-reuth"                                     64
                 Präsidentin:
                                              Dieter Topp
           Prof. Dr. Frauke Kraas
        Stellvertretender Präsident:          Der Herb Garden der Prinzessin                                   67
        Prof. Dr. Dr. h.c. K.-H. Pfeffer      Maha Chakri Sirindhorn
               Schatzmeister:                 Gabi von Malottki
                Günter Blindert
                                              Thailands Wasserscheiden und Flussnetze:                         69
            Vorstandsmitglieder:              Wiege des historischen Siam
              Dr. Lutz Damerow                Karl E. Weber
           Dr. Arnd D. Kumerloeve
                                              Stadt- und Regionalentwicklung entlang                           76
       RUNDSCHAU -IMPRESSUM                   des „East West Economic Corridor“ (EWEC)
                                              Annika Seitz, Kay Rosenbach
          Herausgeber und Verlag:
    Deutsch-Thailändische Gesellschaft e.V.   Datenschutzerklärung gemäß EU-DSGVO                              78
                   Redaktion:                 Thailändisches Mosaik                                            79
      Prof. Dr. Frauke Kraas, 50923 Köln      Gerhard Klinkhardt
                      (ViSdP)
                unter Mitarbeit von           Typisch Thai – sekundäres Recycling                              83
         Dr. Arnd D. Kumerloeve, Köln,        Werner Dackweiler
     Prof. Dr. Karl-Heinz Pfeffer, Tübingen
             Dr. Lutz Damerow, Bonn
          Werner Dackweiler, Kerpen           Namentlich gekennzeichnete oder aus anderen Publikationen übernom-
     Layout: Anke Dick-Follmann, Rodgau       mene Beiträge dienen ausschließlich der Information unserer Leser und
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             Druckerei Koges, Bonn            wieder.
                 ISSN: 0934-8824              Wir freuen uns sehr über eine Unterstützung unserer Arbeit, und jede
                                              Spende wird steuerlich absetzbar bescheinigt: Sparkasse KölnBonn
                 Geschäftsstelle
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              und Redaktionsbüro
              Iddelsfelder Straße 33          Titelfoto: Der Prang des Wat Mahathat, Phetchaburi, Foto: © Werner
                    51067 Köln                Dackweiler
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    THAILAND-RUNDSCHAU, die Zeit-
    schrift der Deutsch-Thailändischen
    Gesellschaft e.V., erscheint dreimal im
    Jahr im Umfang von je ca. 40 Seiten.
    Der Bezugspreis ist durch den Mit-
    gliedsbeitrag abgegolten.
    Redaktionsschluss:
    für Heft 3-2018: 01.10.2018
    für Heft 1-2019: 01.02.2019
    für Heft 2-2019: 01.06.2019
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THAILAND-RUNDSCHAU Vorwort

Liebe Freunde und Mitglieder der DTG!

Am Ende eines rundherum reichen und höchst anregenden Tages verabschiedete sich ein langjähriges Mitglied
mit den Worten von uns: „Das war die schönste Veranstaltung seit zehn Jahren!“ – und fügte hinzu: „Es passte
einfach alles, das herrliche Wetter, die harmonische Mitgliederversammlung, das so spannende Symposium –
und Bad Godesberg hat immer eine ganz besondere Atmosphäre“. Diese spontane Deutlichkeit war berührend,
und sie sprach Vielen aus dem Herzen.

In der Tat enthielt unsere diesjährige Versammlung einige Besonderheiten im bewährten Ambiente: Gute Be-
gegnungen und Gespräche waren möglich mit den Mitgliedern vor unserer Jahresversammlung und beim Mit-
tagessen am Parkgelände der Stadthalle. Sie stimmten ein für ein sehr spannendes Symposium zu einem
hochaktuellen Thema: Digitalisierung – und die Folgen für die thailändische Gesellschaft.

Höhepunkte waren zweifellos der sehr eindringliche und weit die Zielsetzungen und Ausmaße der Digitalisie-
rungsstrategie Thailands umgreifende Vortrag Seiner Exzellenz, des Botschafters des Königreichs Thailand,
Dr. Dhiravat Bhumichitr, sowie die ausführliche Diskussion am Ende des Symposiums.

Im Anschluss an den Vortrag des Botschafters beleuchtete Harald Sterly (Universität Bonn), der seit vielen
Jahren zu Thailand arbeitet, in außerordentlich anregender Weise die sehr verschiedenen, die Handlungsspiel-
räume der ländlichen Bevölkerung erweiternden Konsequenzen der Digitalisierung im ländlichen Raum. Ein
Überblick zu den Initiativen, Schwerpunkten und Auswirkungen in städtischen Räumen folgte; hier treten vor
allem moderne smart city-Konzepte, e-governance und der Einsatz von Technik in der Stadtentwicklung in den
Vordergrund. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas abgehoben klingen mag, wird sehr konkret im Alltag der
Menschen – hierzu gaben alle Beiträge zahlreiche Beispiele.

In der lebhaften Diskussion im Anschluss an die Vorträge entwickelte sich ein hoch interessanter Austausch
zwischen Seiner Exzellenz, den Vortragenden und den Mitgliedern – im fast bis zum letzten Platz besetzten
Saal. Allen Anwesenden wurde dabei sehr bewusst, wie umwälzend für die Menschen in Thailand, bis in den
unmittelbaren Lebensalltag hinein, die Umbrüche sind, die durch die Nutzung digitaler Techniken – auch – in
Thailand einhergehen. Ausführlicher werden wir in der nächsten Ausgabe unserer Thailand-Rundschau über
die Begegnungen, Vorträge und Diskussion berichten.

In der vorliegenden Ausgabe der Thailand-Rundschau richten sich die Beiträge auf die historischen Themen
der thailändischen Besatzung Deutschlands sowie das besondere 60jährige Jubiläum des Deutschen Akade-
mischen Austauschdienstes (DAAD) in Thailand. Weiter wird unsere neue Serie zur Geschichte Thailands in
den unterschiedlichen Landschaftsräumen fortgesetzt – dieses Mal mit Fokus auf der Wiege des historischen
Siam. Kulturell stehen Berichte zur Daśaharȃ-Feier und zu „Thai-reuth“ im Vordergrund. Über ein besonderes
Kleinod – so wird beim Lesen verständlich – wird berichtet: den Princess Maha Chakri Sirindhorn Herbal Gar-
den. Über die Kokai-Schule wird informiert und über eine große Exkursion entlang des East West Economic
Corridor (EWEC). Auch unsere Rubriken „Thailändisches Mosaik“ und „Typisch Thai“ dürfen nicht fehlen!

Ihnen anregende Lektüre sowie einen guten, erholsamen Sommer – und wie immer beste Grüße, im
Namen des gesamten Vorstands,
Ihre Frauke Kraas

                                                                                                          47
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                  Die thailändische Besatzung Deutschlands
Stefan Hell

Vor nunmehr 100 Jahren endete der Erste Welt-          die Regierung modernisieren. Der Staat beschäf-
krieg mit dem Waffenstillstand vom 11. November        tigte westliche technische Berater und entwickelte
1918. Kurz darauf überquerten einige hundert thai-     ein Rechtssystem nach westlichem Muster. Der
ländische Soldaten die deutsch-französische            Westen verkörperte Anfang des 20. Jahrhunderts
Grenze und besetzten eine Region in der Pfalz für      Modernität in Verwaltung, Militär, Recht, Technolo-
die folgenden sieben Monate. Nachdem dann am           gie, Ästhetik, Kunst, Mode, Bildung und Handel. Bri-
28. Juni 1919 die Prinzen Charoonsakdi Kritakara       ten übten den stärksten Einfluss auf Siam aus, aber
und Traidos Prabhand Devakula gemeinsam mit            auch Franzosen, Deutsche und andere wetteiferten
den anderen Siegermächten den Friedensvertrag          um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Berg-
von Versailles unterzeichnet hatten, zogen die thai-   bau, Holz, Außenhandel und Infrastrukturentwick-
ländischen Besatzer wieder aus Deutschland ab.         lung. Der Reformprozess wurde von den Onkeln,
Am 14. Juli 1919 marschierten sie unter thailändi-     Cousins und Brüdern des Königs vorangetrieben
scher Flagge und voller Stolz mit den anderen Sie-     und in zunehmendem Maße auch von dem nichtad-
germächten in der großen alliierten Parade auf der     ligen Beamtentum.
Pariser Avenue des Champs-Élysées. Anschlie-           Deutschland wurde in Siam nicht als Kolonialmacht
ßend verließ das thailändische Expeditionskorps        wahrgenommen. Deutsche Handelshäuser hatten
von Marseille aus wieder den europäischen Konti-       sich erfolgreich in Bangkok etabliert und deutsche
nent.                                                  Reedereien dominierten den Schiffsverkehr zwi-
Wie kam es zu diesen wenig bekannten, für die thai-    schen Bangkok, Singapur und Hongkong. Deut-
ländische Geschichte aber bedeutsamen Ereignis-        sche Technologie galt bereits vor 100 Jahren als in-
sen?                                                   novativ. Deutsche Firmen in Siam dominierten die
                                                       fortschrittlichen Technologien dieser Zeit: Eisen-
                                                       bahn, Telegraphie, Medizin und Pharmazie. Die bi-
Siam im Jahr 1914                                      lateralen Beziehungen waren 1914 sehr gut, nicht
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Siam, wie       zuletzt, weil viele Mitglieder in Bangkoks Elite in
Thailand damals genannt wurde, mit einer Reihe         Deutschland studiert oder Militärakademien be-
von Herausforderungen konfrontiert. International      sucht hatten.
war seine Souveränität nicht gesichert. Obwohl es
formal nie kolonialisiert worden war, hing seine
Existenz in Zeiten des Imperialismus zum Großteil      Siams Neutralität, 1914-17
von der Politik seiner kolonialen Nachbarn Großbri-    Als im Sommer 1914 in Europa der Erste Weltkrieg
tannien und Frankreich ab. Nur wenige Jahre zuvor      ausbrach, erklärte sich Siam neutral, sah es doch
war Siam noch gezwungen worden, den benach-            seine wesentlichen Interessen von dem fernen Kon-
barten Mächten Territorien abzutreten und war au-      flikt unberührt. In den folgenden drei Jahren, bis
ßerdem durch sogenannte "ungleiche Verträge" im        Mitte 1917, wurde es für den König und seine Re-
Außenhandel wie in seiner Gerichtsbarkeit gegen-       gierung jedoch zunehmend schwieriger, diese
über Ausländern nur eingeschränkt handlungsfä-         Neutralität aufrecht zu erhalten, denn die Kriegspar-
hig.                                                   teien versuchten, Siam in ihr jeweiliges Lager zu
Siam war eine absolute Monarchie, seit 1910 regiert    ziehen. Bangkok wurde während dieser Jahre zum
von König Vajiravudh. Die buddhistische religiöse      Schauplatz eines Propagandakriegs um den Preis
Praxis war eng mit der feudalen Gesellschaftsstruk-    einer wichtigen strategischen Allianz und wirtschaft-
tur des Königreichs verwoben. Die Gesellschaft war     licher Vorteile in dem einzigen noch nicht koloniali-
überwiegend landwirtschaftlich geprägt, die Haupt-     sierten Markt in Fernost.
stadt Bangkok das einzige urbane Zentrum. Die in-      Die siamesische Elite war gespalten: König Vajira-
dustrielle Entwicklung steckte noch in den Kinder-     vudh und sein Außenminister, Prinz Devawongse
schuhen und ein Großteil der Privatwirtschaft lag in   Varopakarn, machten zwar kein Hehl aus ihren
den Händen chinesischer Einwanderer, die in den        Sympathien für Großbritannien, bestanden jedoch
vorangegangenen Jahrzehnten zahlreich nach             auf Neutralität. Andere dagegen favorisierten einen
Siam eingewandert waren. Eine tiefgreifende Ver-       Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten und damit
waltungsreform, bei der viele westliche Normen und     auch auf Seiten Großbritanniens. So etwa der
Praktiken übernommen wurden, sollte die Herr-          höchste     Militäroffizier des    Landes,    Prinz
schaft Bangkoks über das Königreich stärken und        Chakrabongse Bhuvanadh, wie auch Siams Ge-
                                                       sandter in Paris und der wichtigste außenpolitische

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Berater des Königs, Prinz Charoon. Andere politi-       Zwar gab es vereinzelte besorgte Stimmen, doch
sche Entscheidungsträger und einflussreiche Ade-        wurde die Kriegerklärung in Berlin und Wien weit-
lige hatten ausgeprägt deutschfreundliche Ansich-       gehend mit Achselzucken quittiert. Denn die Siame-
ten, darunter die Prinzen Paribatra Sukhumbandh,        sen würden – so die vorherrschende Meinung - ja
Mahidol Adulyadej und Rangsit Prayurasakdi. In          nicht eben mal auf dem europäischen Kriegsschau-
den ersten Monaten des Jahres 1917 gewannen die         platz erscheinen. Doch zur allgemeinen Verwunde-
Befürworter eines Kriegseintritts auf die Seite der     rung entschied König Vajiravudh im September
Alliierten die Oberhand im Ringen um die beste po-      1917 genau dies: Ein Expeditionskorps sollte auf-
litische Strategie. Nach drei Jahren der Neutralität    gestellt und nach Europa entsandt werden.
änderte Siam in einer Reihe von Sitzungen des Kö-
nigs mit seinem Ministerrat im Mai und Juni 1917
seine Politik: Der König entschied, auf Seiten der      Das siamesische Expeditionskorps
Alliierten in den Weltkrieg einzutreten.                Die Entscheidung, Mitte 1917 in den Krieg einzutre-
König Vajiravudh entschied sich somit für eine ak-      ten, war aus der Sicht Siams sicherlich ein vernünf-
tive Außenpolitik anstatt sich der alten Garde um       tiger politischer Entschluss, der dem Beispiel ande-
Prinz Devawongse zu unterwerfen, die Neutralität        rer kleiner, außereuropäischer Staaten folgte. Die
zur Staatsräson erklärt hatte. Für diese Entschei-      Entscheidung, dann aber auch noch ein Expediti-
dung gab es zahlreiche politische und wirtschaftli-     onskorps nach Europa zu entsenden, war geradezu
che Beweggründe, die sich bewahrheiten sollten:         radikal. Dieser Entschluss war in erster Linie von
Krieg gegen eine starke europäische Macht wie           dem Ziel bestimmt, dem Westen einerseits die Mo-
Deutschland zu führen, war in der thailändischen        dernität Siams zu demonstrieren, sowie dadurch
Geschichte beispiellos; der Kriegseintritt untermau-    andererseits die Entschlossenheit des Königs und
erte die Macht des Königs ebenso wie er dem Land        der Elite zu demonstrieren, auch für Thailand die
internationales Ansehen einbrachte. Innenpolitisch      strikte Einhaltung internationalen Rechts zu verlan-
diente der Krieg dazu, die Gesellschaft zu mobilisie-   gen. Derart sollte des Weiteren durch eine aktive
ren und Patriotismus zu wecken. Zudem schaffte          und sichtbare Präsenz auf dem europäischen
der Kriegseintritt unmittelbare materielle Vorteile     Kriegsschauplatz der Anspruch Siams auf Gleich-
durch die Requirierung deutscher Vermögenswerte         behandlung in einer Nachkriegsordnung untermau-
wie Unternehmen, Immobilien und Schiffe. Interna-       ert werden. Die Idee eines Expeditionskorps ging
tional konnte Siam durch den Kriegseintritt seine       zurück auf eine Unterredung zwischen dem franzö-
volle Souveränität als gleichberechtigtes Mitglied      sischen Diplomaten Pierre de Margerie und dem si-
der internationalen Gemeinschaft in einer neuen         amesischen Gesandten Prinz Charoon im Juni
Nachkriegsordnung wiedererlangen, indem es die          1917. De Margerie schlug vor, Siam solle Piloten
ungleichen Verträge abschüttelte und respektierter      und Sanitäter nach Europa entsenden und dadurch
Partner auf Augenhöhe mit westlichen Staaten            seine Modernität international unter Beweis stellen.
wurde. Der Kriegseintritt war die Gelegenheit, sich     Und tatsächlich war Siam in dieser Frühphase der
der Welt als moderner und zivilisierter Staat zu prä-   Luftfahrt am Puls der Zeit. Es besaß eine Flugstaffel
sentieren, der das Völkerrecht verteidigte. Mit         und Wartungseinrichtungen sowie in Frankreich
Deutschland selbst hatte die Motivation zur Kriegs-     ausgebildete Piloten.
erklärung somit nur wenig zu tun; eine nachhaltige      Dass Truppen eines souveränen südostasiatischen
anti-deutsche Einstellung lag ihr nicht zugrunde.       Staates in Europa kämpfen sollten, war bis dato bei-
                                                        spiellos und elektrisierte die Elite ebenso wie große
                                                        Bevölkerungsteile Bangkoks. Kritische Stimmen,
Siam im Krieg                                           politisch oder religiös motiviert, gab es nur wenige.
In den frühen Morgenstunden des 22. Juli 1917, ei-      Dem Aufruf des Kriegsministers im September
nem Sonntag, rissen in Bangkok Militär und Gen-         1917, ein Expeditionskorps zu bilden, folgten zahl-
darmerie etwa 300 weitgehend ahnungslose Deut-          reiche Zivilisten und Soldaten. Das Korps bestand
sche und Österreicher aus ihren Träumen. Sie            letztlich aus einem 414 Mann starken Fliegerkorps
präsentierten eine englische Übersetzung der Krie-      von Piloten und Flugzeugmechanikern, sowie ei-
gerklärung ihres Königs und inhaftierten die Männer     nem 870 Mann starken Transportkorps aus Fah-
in einem ehemaligen Militärhospital, die Frauen und     rern, Mechanikern, Sanitätern und Hilfskräften.
Kinder im Deutschen Club. Parallel dazu enterten        Während die Truppen noch ausgebildet, geimpft
Marineeinheiten Schiffe der deutschen Handelsma-        und ausgestattet wurden, reiste bereits im Januar
rine, die im Chao Phraya Fluss vor Anker lagen.         1918 Generalmajor Phraya Bijai Janriddhi, der
Wie zeitgenössische Berichte schildern, führten Si-     Kommandeur des Expeditionskorps, mit seinem
ams Soldaten und Gendarmen ihre Befehle größ-           Stab nach Europa, um die Ankunft der Truppen vor-
tenteils respektvoll und gewaltfrei gegenüber den       zubereiten. Phraya Bijai hatte mehrere Jahre als
Deutschen und Österreichern aus.                        Kadett in Belgien und Frankreich verbracht, sprach

                                                                                                          49
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Französisch und hatte Erfahrung mit französischer
Militärkultur. In Europa wurde Phraya Bijai von Kö-
nig Georg V. von England und dem französischen
Präsidenten Clemenceau empfangen, inspizierte
die Front und traf mit seinem Stab Vorbereitungen
für die Truppen in Marseille und anderswo.
Nach mehreren Verzögerungen stachen die über
1.200 Mann schließlich am 20. Juni 1918 ab Bang-
kok in See und kamen nach einmonatiger Reise an
Bord der S.S. Empire via Singapur, Colombo und
Port Said am 30. Juli in Marseille an. Dort ergaben
sich gleich anfangs interkulturelle Konflikte mit fran-
zösischen Verbindungsoffizieren, als die stolzen          Lastwagen des siamesischen Expeditionsheers bei
Thais für vietnamesische Hafenarbeiter gehalten           ihrem Vormarsch nach Deutschland, 1918
wurden. Die Truppen wurden dann nach wenigen
Tagen aufgeteilt: Das Fliegerkorps erhielt in den
Fliegerschulen in Istres, Avord und Pau weiterfüh-        Die Besatzung der Pfalz
rendes Training in Flug und Wartung der Maschi-           König Vajiravudh beschrieb den Einmarsch seiner
nen. Es sollte letztlich jedoch nicht an Kampfhand-       Truppen in Deutschland gemeinsam mit der franzö-
lungen teilnehmen und verblieb dort bis                   sischen Armee als den stolzesten Tag seiner Re-
Kriegsende. Das Automobilkorps durchlief in Lyon          gentschaft. Dass Siams Truppen das Territorium ei-
eine Grundausbildung und in Dourdan einen Me-             ner europäischen Großmacht besetzten, war von
chaniker-Lehrgang, bevor die Truppen Ende Sep-            immenser symbolischer Bedeutung für den Macht-
tember in die Champagne-Region verlegt wurde.             anspruch des selbsternannten Soldatenkönigs und
Dort erledigten sie mit französischen Lastwagen           seine Bemühungen um Stärkung des Thai-Natio-
Transport- und Nachschubaufgaben hinter der               nalgefühls.
Front. Bis zum Waffenstillstand belieferte das Expe-      Die siamesischen Truppen zogen am 16. Dezem-
ditionskorps so die französische 4. Armee mit Mu-         ber 1918 in Neustadt an der Haardt – heute Neu-
nition und Material und transportierte Verwundete         stadt an der Weinstraße – in der Pfalz ein. Wir kön-
und Truppen.                                              nen vermuten, dass die Bevölkerung Neustadts und
Die Spannungen zwischen den siamesischen Sol-             der umliegenden Dörfer wohl zum ersten Mal asia-
daten und ihren französischen Verbindungsoffizie-         tische Menschen sah. Und die siamesischen Besat-
ren hatten sich derweil kontinuierlich verschärft und     zer waren ebenso fasziniert von Deutschland und
spitzten sich in Frontnähe zu. Weil die Thais sich        seinen Einwohnern. Das Hauptquartier schlug das
von den Franzosen herablassend und zuweilen ras-          Expeditionskorps im Hotel zum Löwen in Bahnhofs-
sistisch behandelt fühlten, meinten sie deshalb           nähe auf und die Truppen wurden auf Mußbach,
umso mehr, beständig ihre Unabhängigkeit de-              Geinsheim und Hochspeyer verteilt. Das Korps war
monstrieren zu müssen. Verstärkt wurden die Prob-         für die Wahrung der öffentlichen Ordnung zustän-
leme durch die Sprachbarriere: Es war beiden Sei-         dig, forderte Respekt von der deutschen Bevölke-
ten im Vorfeld nicht gelungen, ausreichend                rung, verhielt sich Berichten zufolge aber zurückhal-
Dolmetscher zu rekrutieren. Doch der Waffenstill-         tend. Die Kommunikation mit den Einheimischen
stand vom 11. November 1918 entspannte die                war wegen mangelnder Sprachkenntnisse sehr be-
Lage, noch bevor Überlegungen des Königs und              grenzt und wurde meist durch Franzosen vermittelt.
seiner Berater umgesetzt werden konnten, die              Von deutscher Seite gab es keine Auflehnung ge-
Truppen vorzeitig abzuziehen. Stattdessen rückte          gen die siamesischen Besatzer, Berichte dokumen-
das Expeditionskorps nun gemeinsam mit der fran-          tieren lediglich kleinere Zwischenfälle.
zösischen Armee in Deutschland ein. Mit dieser Of-        Weihnachten 1918 und den Geburtstag des Königs
ferte, dieser Geste wollten der französische Gene-        am 1. Januar 1919 feierten Offiziere und Soldaten
ralstab und das Außenministerium die gestörten            gemeinsam mit ihren französischen Kameraden im
Beziehungen mit dem verärgerten Verbündeten               Hotel zum Löwen, mit Festessen, Champagner und
Siam wieder bereinigen. Denn auch Frankreich              thailändischer Musik bis spät in die Nacht. Mitte Ja-
hatte natürlich das Ziel, Siams Kriegsteilnahme           nuar besuchten Prinz Charoon und weitere siame-
strategisch für einen wirtschaftlichen und politi-        sische Diplomaten gemeinsam mit dem französi-
schen Vorteil zu nutzen.                                  schen Major Doumenc die Besatzungstruppen,
                                                          zeichneten einige Soldaten aus und besuchten
                                                          Kranke im Lazarett. Mitte März kam Generalmajor
                                                          Phraya Bijai mit der Regimentsfahne in Neustadt
                                                          an, die vom König gesegnet und nach Europa ge-
                                                          schickt worden war. In einer großen Zeremonie mit

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Siamesische Truppen in Neustadt a. d. Haardt, 1919.

Marschmusik und Kavallerie auf dem Bahnhofs-             ris folgten dann in den folgenden Wochen noch wei-
platz in Neustadt wurde die Fahne übergeben und          tere Siegesmärsche mit siamesischer Teilnahme in
dem Expeditionskorps durch den französischen             London und Brüssel.
General de Morderelle der Orden 'Croix-de-Guerre'        Als die siamesischen Truppen schließlich im Sep-
verliehen.                                               tember wieder in Bangkok angekommen waren,
Der Alltag der siamesischen Besatzer schien recht        fanden auch dort mehrtägige Feierlichkeiten statt.
entspannt. Um fit zu bleiben, trieben sie Sport, unter   Es gab Truppenparaden, Konzerte, Theaterauffüh-
anderem Thai-Boxen. Dies beeindruckte die franzö-        rungen, ein Sportfest und als Höhepunkt eine Audi-
sischen Kameraden so sehr, dass sie im April 1919        enz beim König. Im Rahmen der Feierlichkeiten
im elsässischen Metz ein Sportfest mit den Thais         wurden die sterblichen Überreste von 19 Soldaten
veranstalteten. Die thailändischen Soldaten wiede-       des Expeditionskorps – die alle durch Krankheit
rum waren beeindruckt vom Alltagsleben in                oder Unfälle, nicht durch Feindeinwirkung zu Tode
Deutschland, das außer durch kriegsbedingte Le-          kamen – in Anwesenheit von König Vajiravudh in
bensmittelknappheit nicht nennenswert beeinträch-        einem eigens hierfür errichteten Denkmal beige-
tigt schien. Sie waren angetan von der Schönheit         setzt. Das Kriegsdenkmal steht noch heute an sei-
deutscher Frauen, die ihren Erinnerungen nach sin-       nem ursprünglichen Platz am nördlichen Ende des
gend die Straßen entlanggingen, und bewunderten          Sanam Luang gegenüber dem Königspalast. Es ist
die Auslagen in Geschäften und die Elektrifizierung      alljährlich am 11. November der Ort von Feierlich-
der Schaufenster. Es ergaben sich – Sprachbarrie-        keiten, die zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg
ren zum Trotz – sogar Liebschaften zwischen sia-         und Thailands seinerzeitige außergewöhnliche
mesischen Soldaten und deutschen Frauen.                 Rolle auf der Weltbühne abgehalten werden.
Am 10. Juli erging der Befehl zum Abzug der sia-
mesischen Truppen. Sieben Monate nach Grenz-
übertritt zog somit das siamesische Expeditions-
korps wieder aus Deutschland ab. Berichten
zufolge wurden sie am Neustädter Bahnhof von vie-
len Deutschen, manche sogar mit Blumen, verab-
schiedet. Die siamesischen Truppen wurden nach
Paris verlagert und stellten 150 Soldaten, die an der
großen Siegesparade auf der Avenue des Champs-
Élysées teilnahmen. Ein Foto des Moments, an
dem die siamesischen Truppen durch den Triumph-
bogen auf die Place de l’Étoile marschierten, ist er-
halten geblieben. Man meint, den Stolz der Thais zu
erkennen, in einer der Hauptstädte des imperialen        Das Weltkriegsdenkmal vor dem Grand Palace im
Kolonialismus ihre Fahne und ihr souveränes Land         Zentrum Bangkoks.
präsentieren zu können. Den Feierlichkeiten in Pa-

                                                                                                        51
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Siam als Siegermacht neben Großbritannien,
Frankreich und den USA – in dieser Symbolik
drückte sich der Erfolg der thailändischen Teil-            Fotos: © aus der Sammlung Chakrabongse.
nahme am Ersten Weltkrieg aus. Das Königreich
hatte seinen Status gefestigt, sein internationales
Ansehen ausgebaut und sichergestellt, dass es in
der Nachkriegsordnung einen Platz erhielt. Als Un-
terzeichner des Versailler Vertrages und Grün-              Dr. Stefan Hell hat in Tübingen Geschichte und Phi-
dungsmitglied des Völkerbundes war Siam in den              losophie studiert und in Leiden (Niederlande) pro-
folgenden zwei Jahrzehnten dann auch in die neue,           moviert. Forschungsschwerpunkte sind internatio-
multilaterale Welt integriert und konnte sich von den       nale Organisationen sowie internationale und
überkommenen ungleichen Verträgen lösen. Innen-             interkulturelle Aspekte asiatischer Geschichte. Er
politisch hatte König Vajiravudh durch die Kriegs-          arbeitet seit 20 Jahren als Berater in der internatio-
teilnahme und den Sieg gegen das deutsche Reich             nalen Entwicklungskooperation in Asien. Er ist auch
einen erstarkten Patriotismus gestiftet und seine           Verfasser eines deutschen Buches über den Mand-
Macht gestärkt. Thailands Teilnahme am Ersten               schureikonflikt Japan gegen China 1931-1933 und
Weltkrieg und die Besatzung Deutschlands waren -            der Publikation 'Siam and the League of Nations:
so lässt sich abschließend festhalten - für Zeitge-         Modernisation, Sovereignty and Multilateral Diplo-
nossen im Königreich Siam vielleicht die wichtigs-          macy, 1920-1940', ebenfalls bei River Books in
ten außenpolitischen Ereignisse ihrer Generation.           Bangkok.

Die vom Autor des vorliegenden Beitrags stammende Publikation "Siam and World War I – An International
History" wurde zum 100. Jahrestag der Kriegserklärung am 22. Juli 2017 in einer englischen und einer thailän-
dischen Ausgabe veröffentlicht. Die Buchvorstellung sowie eine Begleitausstellung wurden in Bangkok von
Prinzessin Sirindhorn eröffnet. Das Buch basiert auf Primärquellen aus Archiven Thailands und der europäi-
schen Grossmächte. Memoiren und Briefe von Soldaten wie Kriegsgefangenen zeichnen lebendige und per-
sönliche Kriegserfahrungen, während thailändische und westliche Regierungsakten die politischen Prozesse
vor und nach dem Kriegseintritt erstmals zutage fördern. Zudem beschreibt das Buch die Folgen und die Wir-
kungsgeschichte des Ersten Weltkriegs in Thailand. Das Werk ist wissenschaftlich und doch packend geschrie-
ben, voller individueller Geschichten und politisch-historisch interessierten Leser leicht zugänglich. Die engli-
sche Ausgabe ist über www.amazon.de, die thailändische über www.riverbooksbk.com zu erwerben und beide
natürlich auch im Buchhandel.

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                               KoKai - Schule Düsseldorf
                           die größte Thaischule Deutschlands
               – Kinder und Jugendliche erlernen die thailändische Sprache –

Alina Krause, Yaowalak Makanaso
Die Idee, eine Thaischule für Kinder in Deutschland
zu gründen, kam Frau Yaowaman Sasho, als sie ihr
erstes Kind bekam. Die Befürchtung, dass ihre
Tochter in Deutschland die thailändische Sprache
nicht richtig erlernen könnte, war einer der Haupt-
gründe, warum die KoKai-Schule entstanden ist.

                                                                       Logo der KoKai-Schule

Frau Sasho, Gründerin der Schule und Übersetzerin
Thai-Deutsch
http://thailändisch-deutsch.com/index.html

Der Wunsch, Kindern Thailändisch weitergeben zu
können, um sich vor allem mit Verwandten verstän-
digen zu können, lag Frau Sasho sehr am Herzen.
Zunächst stellte sie sich vor, das Lesen und Schrei-
ben ihrer Tochter selbst beizubringen. Allerdings
dachte sich Yaowaman Sasho, dass es für ihre
Tochter schnell langweilig werden könnte, wenn sie
ganz alleine lernen müsse. Also fragte sie im Be-
kanntenkreis nach, ob noch andere Eltern daran in-
teressiert seien, den Sohn oder die Tochter die thai-
ländische Sprache erlernen zu lassen. Nach vielen
                                                        Einige KoKai-Kinder
positiven Rückmeldungen stellte sich dann die
Frage, warum aus dem Interessentenkreis nicht
eine kleine Thaischule gegründet werden sollte. So      Ziel der Schule ist es, den in Deutschland lebenden
rief Frau Sasho im August 2012 die KoKai-Thai-          thailändischen Kindern und Kindern aus binationa-
schule mit 12 Schülern ins Leben. Zunächst gab es       len Beziehungen die thailändische Sprache zu ver-
noch keinen festen Standtort für die Thaischule,        mitteln. Neben Sprachunterricht versuchen wir den
also fand der Unterricht vorübergehend in einer Kir-    Kindern und Jugendlichen auch die thailändische
che statt. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Schule        Kultur sowie thailändischen Tanz näher zu bringen.
rund 60 Schüler/innen und ist somit die größte Thai-
schule Deutschlands.

                                                                                                        53
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                                                       In der dritten Klasse der KoKai-Thaischule befin-
Anfänglich gab es in der Thaischule Schülerinnen       den sich die Kinder, welche sich leicht tun, den
und Schüler, welche zuvor noch nie Kontakt mit der     Unterrichtsstoff der zweiten Klasse anzuwenden.
thailändischen Sprache oder Kultur gehabt haben.       Diese Klasse wäre ungefähr auf dem Niveau der
Obwohl mindestens ein Elternteil aus Thailand          dritten oder vierten Klasse des thailändischen
stammt, wurde zu Hause zumeist nur Deutsch ge-         Schulsystems.
sprochen.                                              Seit dem letzten Jahr bieten wir auch eine Klasse
Heute allerdings können die Schüler das thailändi-     für Erwachsene an, in der besonders deutsche In-
sche Alphabet lesen und schreiben. Unsere Auf-         teressenten teilnehmen, um der thailändischen
gabe ist es, Kindern, die in einem deutschen Umfeld    Sprache näher zukommen.
aufwachsen, die thailändische Sprache so gut wie
möglich zu lehren.
Seit dem Jahr 2016 sind wir eine von Thailand
staatlich anerkannte Schule in Deutschland. Die
KoKai-Thaischule ist in drei Klassen aufgeteilt. Die
erste Klasse besteht aus Kleinkindern. In dieser
Klasse wird den Kindern spielerisch das thailändi-
sche Alphabet, das Zählen und die ersten einfachen
Wörter beigebracht. In Thailand könnte man diese
Klasse mit dem Kindergarten vergleichen.

                                                       Unterricht in der KoKai-Schule

                                                       Besonders stolz waren wir im Jahre 2017 auf den
                                                       Besuch der berühmten Lehrerin Salee, Trägerin
                                                       des Preises „Beste Lehrerin Thailands“. Wir hatten
                                                       die Ehre, mit ihr ein Wochenend-Seminar durchzu-
                                                       führen, indem sie uns neue und spaßige Methoden
                                                       näher brachte, wie man die Kinder für die thailändi-
                                                       sche Sprache begeistern kann.
Unterricht in der KoKai Schule
                                                       Gleichermaßen sind wir stolz auf unsere Schüler,
                                                       welche an einem Sprachwettbewerb des Königlich
In der zweiten Klasse befinden sich die Schülerin-
                                                       Thailändischen Generalkonsulats Frankfurt im letz-
nen und Schüler, die all das schon gut beherrschen.
                                                       ten Jahr teilgenommen haben. Insgesamt haben 18
Dort wird den Kindern das Sprechen, das erste Le-
                                                       Kinder und junge Leute im Alter 6-18 Jahren an die-
sen und Schreiben beigebracht. In Thailand wäre
                                                       sem Wettbewerb teilgenommen, darunter sechs
das vergleichbar mit der ersten oder zweiten Schul-
                                                       aus der KoKai-Thaischule. Von sechs zu vergeben-
klasse.
                                                       den Preisen, haben die KoKai-Kinder vier Preise
                                                       gewinnen können!

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Den ersten Platz in der Altersgruppe von 6-12 Jahre    Im letzten Jahr haben nicht nur unsere Schüler viele
hat Sakura gewonnen. Der zweite Preis der Alters-      tolle Preise gewonnen, sondern auch unsere ange-
gruppe ging an Rina. In der Altersgruppe 12-18         hende Lehrerin Alina.
Jahre belegte Baidoej den ersten und Sai den drit-
ten Platz.

      I.E. Frau Pannabha CHANDRARAMYA,                      Gewinner des Sprachwettbewerbs
   Generalkonsulin des Königlich Thailändischen
  Generalkonsulats Frankfurt bei der Preisverleihung

                                                       Wir bedanken uns bei Herrn Konsul Dr. Stephan
                                                       Holthoff-Pförtner vom Königlich Thailändischen Ho-
                                                       norargeneralkonsulat Düsseldorf dafür, dass er uns
                                                       all die Jahre begleitet und unterstützt hat. Ohne
                                                       seine Hilfe wären wir als Thaischule niemals so er-
                                                       folgreich geworden. Natürlich geht auch ein großes
                                                       Dankeschön an all die „KoKai-Eltern“, welche stets
                                                       hilfsbereit sind und auf die wir uns immer verlassen
                                                       können.

                                                       Fotos:        Frau Jarunya Bunwiset

                                                       Autorinnen: Frau Alina Krause und
                                                                   Frau Yaowalak Makanaso,
                                                                   angehende Lehrkraft
                                                                   bzw. Lehrerin an der KoKai-Schule
   Alina als Gewinnerin des Schönheitswettbewerbs
                                                       Sie finden uns bei Facebook unter dem Namen:
Alina nahm an dem diesjährigen Loy Kratong-            KoKai Thai-Schule.
Schönheitswettbewerb teil und errang von 15 Teil-      Informationen Khru Num 0172 25 74 250 oder Khru
nehmerinnen den ersten Preis.                          Nim 0173 48 47 223

                                                                                                        55
THAILAND-RUNDSCHAU                                                                             2 / 2 0 1 8

                                           Daśaharȃ-Feier
Monique Heitmann
Während des indischen Mondmonats Asvina (Sep-           iert wird. Vielleicht stellen die Chinesen die gutar-
tember / Oktober) kündigt ein großer Verkehrsstau       tige Parvati / Uma, die auch in dem Tempel an der
auf der Silom Road ein ganz besonderes jährliches       Silom Road verehrt wird, mit Kuan-yin gleich.
Ereignis an: Der Sri Mariammam Tempel in Bang-
kok feiert Daśaharȃ1, den zehnten Tag des religiö-
sen Festes Navarȃtri (‚Neun Nächte‘, 2017: 21.-30.
September). Die örtlichen Tempelverwalter be-
haupten, es sei die bekannteste heilige Hindu-Ze-
remonie in Thailand. Das Fest findet am Ende des
Monsuns an dem Tag statt, an dem der Legende
nach Rama mit Sita nach Ayodhya zurückkehrte,
nachdem er in Sri Lanka den Dämon Ravana be-
siegt hatte. Daher wird es manchmal Ramalilȃ ge-
nannt.
Das religiöse Fest Navarȃtri wird in ganz Indien und
im Ausland an Orten mit großen Hindu-Gemein-
schaften zu Ehren von Devi, der Shakti von Shiva,       Am Abend des Festes ist die Luft in der Tempelan-
gefeiert. Eine Shakti ist der weibliche Aspekt der      lage stickig von dem Rauch, der aus brennenden
großen Hindu-Götter, die häufig auch "Ehefrau" o-       Räucherstäbchen aufsteigt, die vor den beiden
der Gemahlin genannt wird. Devi hat viele Formen.       reich geschmückten Bildern von Brahma und Shiva
Ihre milden Verkörperungen sind u.a. Uma und            im Innenhof des Tempels glimmen. Trommeln wer-
Parvati. Als Furcht einflößende Ausprägung heißt        den geschlagen und zwei Kapellen tragen zu einem
sie u.a. Durga, Kali oder Bhairavi.                     hohen Geräuschpegel bei. Viele Zelebranten tan-
                                                        zen im Rhythmus der lauten Musik.
In Indien bestimmt die örtliche Präferenz für eine
bestimmte Shakti den Charakter der Festlichkeiten.
Die schreckliche Durga, die in Bengalen und in Ne-
pal verehrt wird, ruft zu Zeremonien auf, die das Op-
fer von Tieren einschließen. Essen, Trinken und
Tanzen begleiten die Feierlichkeiten.
In Südindien, z.B. in Tamilnadu, wird Daśaharȃ zu
Ehren der lokalen Göttin Mariamman gefeiert. Sie
bringt Regen, verursacht Pocken und Cholera und
heilt diese Krankheiten. Mariamman wird auch mit
den Shaktis Uma / Parvati aber auch lokal mit Kali /
Durga assoziiert.
Im Jahr 1879 gründeten Tamilen aus Südindien den
Tempel an der Silom Road in Bangkok und widme-
ten ihn Sri Mariamman. Folglich gibt es Ähnlichkei-
ten in der Art und Weise, wie Daśaharȃ in Bangkok       Plötzlich taucht ein Medium, das erste von drei
und in Südindien gefeiert wird.                         männlichen Medien, in Trance aus dem Tempelge-
                                                        bäude auf. Es wird geglaubt, dass dieses Medium
Am Abend von Daśaharȃ ist der Tempel an der Si-
                                                        vom Geist des Subrahmaniam, dem jüngsten Sohn
lom Road hell erleuchtet und gedrängt voll von An-
                                                        von Shiva und Parvati, auch Murugan genannt, be-
hängern, die gespannt darauf warten, dass die Ze-
                                                        sessen ist. Der Mann wird zu einer Stelle geleitet
remonien beginnen. Interessanterweise sind Inder
                                                        wo er für die folgende Prozession vorbereitet wird.
wohl in der Minderheit. Die Mehrheit der Verehrer
                                                        Von seinen Assistenten geführt, tanzt das Medium
sind Chinesen und Thailänder. Die Chinesen veran-
                                                        mit geschlossenen Augen, ohne sich seiner Umge-
stalten um diese Zeit des Jahres ein Fest, das
                                                        bung bewusst zu sein.
Kuan-yin, der Göttin der Barmherzigkeit, gewidmet
ist, die mit dem Bodhisattva Avalokitesvara assozi-     Zum Klang von Musik und Schellen werden die
                                                        Wangen und die Zunge des Mediums sorgfältig mit
                                                        kleinen Spießen durchbohrt, die das Symbol von

1    Engl. Transkription: Dusserah

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Shiva tragen. Bronzehaken mit Girlanden und Li-
monen, die als zusätzliche Gewichte befestigt sind,
werden im nackten Fleisch seines Oberkörpers be-
festigt. Man sieht keine Anzeichen von Schmerz
oder Blut. Dann legen seine Assistenten auf den
Kopf und die Schultern einen aufwendigen Kopf-
schmuck mit einem Bild von Subrahmaniam umran-
det von Pfauenfedern. Das Medium, immer noch in
Trance und mit dem Kopfschmuck tanzend, wird in
den Hof gebracht, wo die Menge ihm Platz macht.
Er tanzt in der Menge, bis die Prozession beginnen
kann.
Dann kommt das zweite Medium, um sich vorzube-
reiten. Es verkörpert die Göttin Kali. Zusätzlich zu
den Spießen und Limetten sind an seinen Lippen
Haken angebracht, die mit Äpfeln beschwert sind.
Sein zeremonielles Kostüm ist aufwendiger als der
Kopfschmuck des ersten Mediums. Ein kaum sicht-
barer Aluminiumrahmen stützt das Kostüm aus
Pfauenfedern auf Kopf und Hüften des Mediums ab,
was es ihm schwer macht zu tanzen. Er kann nur
noch ein paar rhythmische Schritte machen. Da zu
seiner zeremoniellen Ausstattung auch kleine far-
bige elektrischen Birnen gehören, muss sein Assis-
tent ihm eine Batterie nachtragen.

                                                       anderer Gottheiten in einer Prozession durch die
                                                       Straßen, die Silom und Sathorn Roads verbinden,
                                                       gefahren werden. Die Wagen sind reich verziert und
                                                       mit elektrischen Lampen beleuchtet; Ein Jeep mit
                                                       einem Generator sorgt für die Stromversorgung. Es
                                                       braucht Zeit, um die Bilder der Gottheiten sicher auf
                                                       den Wagen zu platzieren. Während dieses Vor-
                                                       gangs drängen sich die Verehrer mit geschlosse-
                                                       nen Augen in tiefer Hingabe gegen die Wagen.
                                                       Die Aktivitäten in der Tempelanlage gehen schließ-
                                                       lich zu Ende und die Prozession beginnt sich zu be-
Schließlich erscheint das dritte Medium, eine Mani-    wegen. Die Wagen, von Schulkindern an langen
festation von Uma, aus dem Tempel. Er ist auch in      Seilen gezogen, beginnen sich durch die Menge zu
Trance und balanciert tanzend auf seinem Kopf ein      drängeln. Das Medium ‚Uma‘, das das Gefäß auf
Messinggefäß, den Karacham2, das Sand, Wasser          dem Kopf trägt, tanzt an der Spitze der Prozession,
und Münzen enthalten soll und reich mit Blumen ge-     gefolgt vom Wagen des Kathavarayan. Dann folgt
schmückt ist. Man glaubt, daß der Geist der Göttin     das Medium, das den Geist von Subrahmaniam
Mariamman / Uma sich darin aufhält. Eine von meh-      verkörpert. Er geht dem Wagen von Subrahmaniam
reren Deutungen ist der Gedanke, dass mit der im       voraus, der mit einem Pfau, einer Schlange und ei-
Topf befindlichen Göttin der Krankheit, das Leiden     nem Bild von Subrahmaniam geschmückt ist.
aus dem Ort getragen werden soll.
                                                       Das Medium, das von Kali besessen ist, tanzt vor
Außerhalb des Tempels werden Wagen vorbereitet,        dem letzten Wagen, der Bilder der Gottheiten Uma,
auf denen Bilder von Kathavarayan, dem Schutz-         Krishna und Ganesha trägt.
gott der Mariamman, Subrahmaniam und Uma und
                                                       Die Gläubigen versuchen, nahe an die Wagen
                                                       heran zu kommen, um den Begleitern der Fahr-
                                                       zeuge Früchte, Blumen und Weihrauch als Opfer-
                                                       gaben zu geben, die diese der Gottheit darreichen
                                                       und dann einen Teil davon an den Spender zurück-

2   Engl. Transkription des Tamil Wortes: Karagam

                                                                                                         57
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geben. Kokosnüsse werden auf den Boden gewor-           Fotos: Monique Heitmannn
fen und zerschmettert. Die Kokosnuss ist in hindu-
istischen religiösen Zeremonien allgegenwärtig, ihr     Literatur:Gonda, Jan: ‚Die Religionen Indiens‘,
wässrige Saft ist von höchster Reinheit, geeignet für   Band 2/3, Kohlhammer Verlag 1963
die Verehrung der Götter. Limetten, Symbole der
Fruchtbarkeit, spielen eine wichtige Rolle in den Ze-   Monique Heitmann lebte in Thailand von 1981 – 2005.
remonien. Sie werden nicht nur als Gewichte an          Sie war von Anfang an Mitglied der National Museum Vo-
den Haken verwendet, die die Haut des Mediums           lunteers und vertrat in dieser Gruppe verschiedene wich-
durchbohren, sondern sind auch an den zeremoni-         tige Positionen; u.a. war sie 1989/90 deren Präsidentin,
ellen Dreizacken und Schwertern befestigt, die          der besonders die Pflege der Kontakte zum Fine Arts De-
während der Prozession getragen werden. Es wer-         partment obliegt. In dieser Zeit nahm sie aus der Hand
den auch Limetten in die Menge geworfen, nach-          von HRH Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn den ersten
                                                        'Thai National Heritage Award 1989' für die Gruppe ent-
dem die Assistenten auf den Wagen in sie gebissen       gegen.
haben. Die Limetten sollen böse Geister vertreiben.
Das emotionale Fest dauert bis tief in die Nacht hin-
ein, während der sich die Prozession durch die
Straßen zwischen Sathorn und Silom Road zum
Mariamman Tempel / Wat Kek zurück schlängelt
und die heiligen Bilder zu ihren Altären zurückkeh-
ren.

                            Festschrift
     60 Jahre Deutschabteilung an der Chulalongkorn-Universität!
         60 Jahre Zusammenarbeit mit dem DAAD in Thailand
Lutz Damerow

Vor dem Hintergrund des einhundertjährigen Beste-
hens der Chulalongkorn-Universität in Bangkok und
des sechzigjährigen Bestehens der Deutschabtei-
lung an der Universität sowie der engen Zusam-
menarbeit mit dem Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienst       (DAAD)    haben    verschiedene
thailändische und deutsche Autoren eine Fest-
schrift verfasst, die die gemeinsame Arbeit in dieser
Zeit darstellt.
Die vorliegende Festschrift ist in fünd Hauptkapitel
gegliedert, die sich mit der Geschichte der deut-
schen Sprache in Thailand, der Thai-Deutschen
Kulturbegegnung, der didaktischen Vermittlung und
der eher wissenschaftlich orientierten Auseinander-
setzung mit deutscher Sprache und Literatur be-
schäftigen. So werden unter anderem die Bedeu-
tung der deutschen Sprache in Thailand (A.
Otrakul), das Engagement des DAAD in Thailand
von 1950 bis 2017 (G. Verweyen) und alle an der
Deutschabteilung tätig gewordenen DAAD-Lekto-
rinnen und Lektoren, sowie ein neues, universitäts-
übergreifendes Theaterprojekt und seine Umset-
zung in den Jahren 2016/2017 dargestellt (A.
Streit).
Festschrift, 60 Jahre Deutschabteilung an der Chu-      250 Seiten, schwarz-weiß und farbige Fotografien
lalongkorn Universität                                  im Anhang, 18 x 25 cm, gebunden.
Herausgeber: A. Otrakul, A. Streit, B. Laser, C. Sri-   Bezug: Chulalongkorn University, Faculty of Arts;
ratanasomboon, M. Schalbruch 2017,                      Department of Western Languages, German Sec-
                                                        tion Phyathai Road; Bangkok 10330, Thailand

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                                60 Jahre DAAD in Thailand
Georg Verweyen
Vor sechzig Jahren reiste Dr. Georg Heuser als ers-     zurückblicken. Auch das Netzwerk des DAAD be-
ter Lektor für den Deutschen Akademischen Aus-          gann schnell zu wachsen: Noch vor der offiziellen
tauschdienst (DAAD) nach Thailand. Seitdem unter-       Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem
richten     DAAD-Lektoren       an    thailändischen    Vereinigten Königreich wurde 1952 das Büro in Lon-
Universitäten und bilden eine wichtige Brücke zwi-      don als erste Außenstelle wiedereröffnet.
schen Thailand und Deutschland. So wie die Ent-         Als DAAD-Lektor gehört Georg Heuser zu den Pio-
wicklung Bangkoks mit seinen glänzenden Wolken-         nieren eines relativ neuen Förderkonzepts. Seit
kratzern augenfällig ist, hat sich auch die             1954 unterstützt der DAAD ausländische Universitä-
Ausstattung und Strategie des DAAD in Thailand          ten bei der Auswahl von deutschen Lektoren und
deutlich verändert.                                     legt damit den Grundstein für das wichtigste Pro-
Als sich Georg Heuser 1957 auf den weiten Weg in        gramm zur Förderung der Germanistik im Ausland.
den Fernen Osten macht, liegt die Universität noch      In den ersten Jahren kamen jeweils etwa zehn neue
am Rande einer überschaubaren Hauptstadt, deren         Lektorate hinzu, gut zwei Drittel davon innerhalb Eu-
Leben sich zu großen Teilen auf dem Wasser der          ropas. Bereits 1957 wird Dr. Georg Heuser nach
unzähligen Kanäle abspielt. Handelsbeziehungen          Thailand vermittelt, um an der Chulalongkorn-Uni-
und kulturellen Austausch zwischen dem Königreich       versität Germanistik zu unterrichten. Das neue Lek-
Siam und den deutschen Vorgängerstaaten gibt es         torat in Bangkok gehört damit zu den entferntesten
zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahrhun-      Posten des DAAD.
dert. Thailändische Prinzen und Würdenträger ha-        Deutschunterricht hatte es schon vor dem Zweiten
ben deutsche Schulen und Universitäten besucht          Weltkrieg an der 1917 gegründeten Chulalongkorn
und auch König Bumibhol Adulyadej legt großen           Universität gegeben. Zu Heusers Aufgaben gehört
Wert auf europäische Fremdsprachen in der Ausbil-       nun nach fast zwei Jahrzehnten Unterbrechung der
dung seiner Kinder.                                     Aufbau einer eigenständigen Germanistik. In einer
Georg Heuser trifft also auf ein ausgesprochen          koordinierten Zusammenarbeit von Auswärtigem
günstiges Umfeld mit seinem Auftrag, den Aufbau         Amt, Goethe-Institut und DAAD soll Deutsch als Stu-
der Germanistik in Thailand zu fördern. In der noch     dien- und Schulfach nachhaltig in Thailand einge-
jungen Bundesrepublik blickt der DAAD bereits auf       führt werden. Zu diesem Zweck unterrichten schon
einige Jahrzehnte erfolgreicher Arbeit zurück bis ins   seit 1954 deutsche Lehrer im Auftrag des Goethe-
Jahr 1925. Der Akademische Austauschdienst, so          Instituts an thailändischen Sekundarschulen. Im
der ursprüngliche Name, ging auf die Initiative eines   Jahr 1957 lernen so schon 600 Schüler der besten
Studenten zurück, der während eines USA-Aufent-         Schulen Deutsch. Zeitgleich zur Entsendung
halts Stipendien für seine Kommilitonen organisiert     Heusers wird eine erste Kohorte von zukünftigen
hatte. In den ersten Jahren beschränkte sich die Ak-    Deutschlehrern und Dozenten am Goethe-Institut in
tivität des Vereins auf den Studentenaustausch mit      München ausgebildet und mit Lehrmitteln versorgt.
Europa und Nordamerika. Erste Büros wurden in           Damit war das Umfeld für die erste Generation thai-
London (1927), Paris (1930) und, für wenige Mo-         ländischer Germanisten an der Chulalongkorn Uni-
nate, in New York (1938) eröffnet, bevor die „Gleich-   versität vorbereitet. 1962 wird schließlich in der Phi-
schaltung“ aller Vereinsaktivitäten im Dritten Reich    losophischen       Fakultät   eine    Germanistische
und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Ar-        Abteilung eingerichtet, die seitdem Deutschlehrer
beit des DAAD zum Erliegen brachten. Schon fünf         und Germanisten ausbildet. Diese Entstehung der
Jahre nach Kriegsende begann der DAAD 1950 die          thailändischen Germanistik ist in Saengaramruangs
akademischen Austauschaktivitäten der Bundesre-         Überblick „Teaching German in Thailand“ (in Manu-
publik wiederaufzubauen. Eine der ersten strategi-      sya: Vol. 9 No. 1) nachzulesen.
schen Entscheidungen war die Integration des            Mit Heusers Entsendung beginnt 1957 auch eine
DAAD in das weltweite Netzwerk für den Austausch        Partnerschaft zwischen dem Deutschen Akademi-
von Praktikanten IAESTE: Bereits im Sommer 1950         schen Austauschdienst und dem Gastland Thailand,
konnten fast 300 grenzübergreifende Praktikums-         die heute auf sechzig Jahre Wachstum und gemein-
plätze vermittelt werden. Dem standen anfangs nur       samen Wandel zurückblickt. Diese Entwicklung hat
zwölf Stipendien für Studenten gegenüber, doch          sich weniger an einer Zielvorgabe aus Deutschland
Auswärtiges Amt und Stiftungen stellten bald mehr       orientiert als vielmehr am thailändischen Bedarf. Da-
Geld für den Austausch zur Verfügung, und schon         rin kann man ein fehlendes „großes Konzept und Ko-
1956 konnte der DAAD auf zehntausend Stipendia-         ordination“ sehen, wie es Stoffers in „Thailand und
ten - zu ähnlichen Teilen Deutsche und Ausländer        Deutschland: Wirtschaft, Politik, Kultur“ (Springer
                                                        2016, S. 310) nennt oder die Fähigkeit zuzuhören,

                                                                                                            59
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wie es Apinan Phatarathiyanon, ehemaliger Direktor         Lektorat unterstützt. Neben den entsandten Lek-
der Thailand International Cooperation Agency              toren werden deutschsprachige Ortslektoren geför-
(TiCA) in einem Interview 2012 formuliert.                 dert, die unter anderem über den DAAD Fachlitera-
Ein entscheidender Aspekt der akademischen Zu-             tur       bestellen       können        und       zu
sammenarbeit ist auch weiterhin die Förderung der          Fortbildungsmaßnahmen eingeladen werden. Zahl-
deutschen Sprache im Ausland. Darüber hinaus ha-           reiche thailändische Germanistikdozenten haben in
ben sich in Thailand folgende Schwerpunkte entwi-          Deutschland promoviert, viele mit direkter finanziel-
ckelt: Ingenieurswissenschaften, Duale Hochschul-          ler Unterstützung durch den DAAD.
bildung, Politik und gute Regierungsführung,               Im April 2016 hat Frau Supatcha Jennasombut als
Förderung der regionalen Vernetzung und nachhal-           erste Doktorandin erfolgreich ihre Dissertation im
tige Entwicklung. Diese Vielfalt und Flexibilität in der   Promotionsstudiengang Germanistik an der Chula-
Wahl der Schwerpunkte hat sicher zum Erfolg des            longkorn-Universität verteidigt. Dieser Studiengang
DAAD in Thailand beigetragen.                              ist in Südostasien einmalig und bietet erstmals die
                                                           Möglichkeit, selbständig und nachhaltig einen Teil
Förderung der deutschen Sprache                            der benötigten Dozenten vom Bachelor bis Doktor-
Seit sechs Jahrzehnten engagieren sich Goethe-             grad auszubilden. Mit diesem Schritt ist die Germa-
Institut, deutsche Botschaft und DAAD im Bereich           nistik in Thailand voll ausgebaut und nach sechzig
der deutschen Sprache in Thailand. Als weiterer            Jahren gewissermaßen erwachsen. Der DAAD un-
Partner kam 1963 die deutschsprachige Schule in            terstützt die Programme an der Chulalongkorn-Uni-
Bangkok hinzu, die als eidgenössische Gründung             versität durch ein germanistisches Lektorat und in
sowohl von der Schweizer Regierung als auch durch          Teilzeit durch das Lektorat am Informationszentrum.
die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA)         Georg Heusers wichtigster Auftrag, der Aufbau einer
gefördert wird. Seit 2016 gehört auch die Robert-          funktionierenden Germanistik als akademische Wis-
Bosch-Stiftung zum Kreis der deutschen Kulturmitt-         senschaft, ist also nach sechs Jahrzehnten abge-
ler in Thailand, die sich im „Netzwerk Deutsch“ tref-      schlossen.
fen.                                                       Betrachtet man die Aufgaben des DAAD über die
An 39 thailändischen Sekundarschulen wird                  Förderung der deutschen Sprache hinaus, so hat die
Deutsch unterrichtet. Dort lernen zurzeit etwa 3.600       Bedeutung der Sprachvermittlung insofern abge-
Schüler Deutsch, hinzu kommen 6.800 erwachsene             nommen, als ein Großteil der Studienbewerber und
Deutschlerner am Goethe-Institut und ungefähr              Stipendiaten englischsprachige Programme an
1.800 Studenten, die an zehn Universitäten Deutsch         deutschen Universitäten besucht. Deutsch ist damit
lernen. Diese Zahlen belegen ein hohes Interesse           nicht mehr der notwendige Schlüssel zum deut-
an Deutschland und der deutschen Sprache. Neben            schen Hochschulsystem, sondern eine bewusste
den gut strukturierten Wegen des Spracherwerbs in          Entscheidung. Es darf dabei nicht vergessen wer-
Schule, Hochschule und am Goethe-Institut gibt es          den, dass auch heute nur mit Kenntnis der deut-
in Thailand zahlreiche private Sprachschulen, die          schen Sprache die deutsche Hochschullandschaft in
mit unterschiedlichem Erfolg Kursteilnehmer beson-         voller Breite erschlossen wird. Das Deutsche öffnet
ders für den Tourismus, aber auch für den Familien-        darüber hinaus Türen zum kulturellen Verständnis
nachzug nach Deutschland vorbereiten. Die über-            und Austausch, insofern wird die Förderung der
wiegende Mehrzahl der Deutschlerner verbleibt              deutschen Sprache wohl immer einen besonderen
allerdings auf Anfängerniveau, nur eine kleine Min-        Platz im DAAD haben.
derheit erreicht fortgeschrittene Sprachkenntnisse.
An den Universitäten und am Goethe Institut gibt es        Ingenieurwissenschaften
immer wieder thailändische Studenten, die ein bei-         Die meisten Thailänder assoziieren Deutschland un-
nahe muttersprachliches Niveau erreichen.                  mittelbar mit Ingenieurwissenschaften und Technik:
Viele Universitäten bauen ihre Deutschprogramme            schnelle Autos und gute Qualität, in letzter Zeit aber
aus und erleben zurzeit ebenso wie das Goethe-             auch Windräder und Recycling bestimmen das
Institut einen Engpass bei den qualifizierten Lehr-        Deutschlandbild, abgesehen natürlich von den Klas-
kräften für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Weder          sikern: Fußball, Sauerkraut und Bier.
an den Schulen oder Hochschulen, noch am Goe-              Während Georg Heuser mit seinen thailändischen
the-Institut kann der Bedarf an qualifizierten DaF-        Kolleginnen und Kollegen die ersten Studierenden in
Lehrern und Germanisten gedeckt werden.                    der Germanistik unterrichtet, betreibt die thailändi-
Das Engagement des DAAD in Thailand für die deut-          sche Regierung aktiv die akademische Kooperation
sche Sprache, insbesondere für die universitäre            mit der Bundesrepublik in ganz anderen Fakultäten:
Germanistik, zeigt sich deutlich an der Zahl der mut-      Vor allem die ingenieurwissenschaftliche Entwick-
tersprachlichen Dozenten, die vom DAAD gefördert           lung Thailands wurde durch akademischen Aus-
werden. Heute unterrichten drei Lektoren und zwei          tausch mit Deutschland und durch zahlreiche Sti-
Sprachassistenten an den thailändischen Universi-          pendien im Bereich der Ingenieurwissenschaften
täten. Außerhalb der Hauptstadt wird auch an der           geprägt. Auch im Bereich der technischen Berufs-
Chiang Mai Universität die Germanistik durch ein           ausbildung besteht eine starke Zusammenarbeit mit
                                                           der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

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