CAB SCHULDEN- & FINANZKRISE - isw München
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isw-Redaktion ABC DER SCHULDEN- & FINANZKRISE Schutzgebühr: 4,00 Euro 87 Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.
Impressum isw-report 87, Dezember 2011 Publikationsreihe isw-report: ISSN 1614-9289 Herausgeber: isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. Johann-von-Werth-Str. 3, 80639 München Telefon 089/130041 Fax 089/168 94 15 isw_muenchen@t-online.de www.isw-muenchen.de Konto: Sparda Bank München Konto-Nr. 98 34 20 (BLZ 700 905 00) Autoren: Franz Garnreiter (fg), Klaus Mähler (km) Leo Mayer (fm), Fred Schmid (fs), Conrad Schuhler (cs) Redaktion: Conrad Schuhler (verantwortlich im Sinne des Presserechts) Layout und Grafiken: Monika Ziehaus Titelblattgrafik: Bernd Bücking Schutzgebühr: 4,00 EUR Der Innenteil dieser Broschüre ist auf 100% Altpapier, zertifiziert mit dem Blauen Engel, gedruckt. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Genehmigung des isw e.V.
A ........................................................................ 3 K ...................................................................... 25 Aktie, Aktiengesellschaft Kasino-Kapitalismus Anleihe Kreditwesengesetz Auslandsschulden L ....................................................................... 26 Außerbörslicher Handel (OTC-Handel) Leerverkauf B ........................................................................ 4 P ...................................................................... 26 Bad Bank Bafin Portfolio Bank, Bankensystem (Privates) Geldvermögen Bankenaufsicht R ...................................................................... 27 Bankenstresstest Basel Rohstoffspekulation BIZ Rating-Agentur, Ratings Börse Regulierung Bundeswertpapiere Rettungsfonds Risikoprämie C ........................................................................ 9 S ....................................................................... 31 CDS – Credit Default Swaps Shareholder Value D ...................................................................... 10 Schattenbanken Defizit Schulden Deregulierung Schuldenschnitt Derivat Spekulation Deutsche Bundesbank Staatsschulden Devisen-/Währungsspekulation Steueroasen Dividende Subprime E ...................................................................... 13 T/U ................................................................... 34 Eigenkapital, Kernkapital, -quote Treasuries Eurobonds Umschuldung Europäische Union V ...................................................................... 34 Europäische Verträge Vermögensverwaltung Europäische Zentralbank Versicherungen European Banking Authority Volatilität Eurozone, Euro-Gruppe W ...................................................................... 36 F ...................................................................... 16 Währung Finanztransaktionssteuer Wechselkurse Finanzinvestitionen Wertpapier Fonds: Investmentfonds / Pensionsfonds / Immobilienfonds / Hedge-Fonds / Z ....................................................................... 37 Private-Equity-Fonds / Staatsfonds Zahlungsausfall, Default G ..................................................................... 20 Zahlungsbilanz Geld Zentralbank Geldmenge Zins Geldschöpfung Zocker, Zocken I ....................................................................... 21 Inflation Insolvenz Editorial .............................................................. 2 Institutionelle Anleger Investmentbanking isw-Publikationen zur Wirtschafts-, IWF Finanz- und Schuldenkrise ............................... U3
2 editorial Seit Jahren folgt eine Krise auf die andere. Von der Immobilien- zur Bankenkrise, von der Wirtschafts- zur Krise der Schuldnerländer und der Staatsfinanzen, von der Eurokrise wieder zur Bankenkrise und wieder zurück. Der globale Kapitalismus ist gefangen in ständigen Krisenzyklen und findet keinen Ausweg. Der Betrachter, gerade auch der engagierte und zur Aktivität bereite, steht vor einer Fülle von Begriffen, die in hohem Tempo und mit großer Intensität auf ihn einprasseln. Was gestern noch subprime-Kredite waren, sind heute schon Credit Default Swaps und andere Derivate, sind Leerverkäufe und Treasuries, Kernkapitalquoten und Basel I, II und III. Die isw-Redaktion legt hier ein "ABC" vor, worin über 70 der meistgebrauch- ten und wichtigsten Stichworte der Schulden- und Finanzkrise erläutert werden. (Redaktionsschluss: Ende November 2011) Es ging uns dabei nicht in erster Linie um eine "lexikalische" Definition der Sachver- halte, sondern um ihren je speziellen "Beitrag" zur Krise und zur Krisenhaftigkeit des an seine Grenzen stoßenden neoliberalen Akkumulationsmodells des Kapitalismus. Es zeigt sich, dass der Kapitalismus keine Lösungen auf die von ihm produzierten Probleme hat. Nichts bewies dies mehr als der "EU-Gipfel" im Dezember 2011. Auf die Gründe der Existenzkrise des Euro ging der Gipfel nur insofern ein, als er sie weiter verschärfte. Der erste Grund liegt in den "volkswirtschaftlichen Ungleichge- wichten" zwischen den Euro-Ländern. Deutschland, Luxemburg, Niederlande und Finnland haben beträchtliche Exportüberschüsse und die Problemländer Griechen- land, Portugal, Italien, Spanien und Frankreich haben zum Teil gewaltige Handels- defizite. Die vier Überschussländer haben den Defizitländern Kredite über 630 Milli- arden Euro gewährt, damit sie die Waren aus den "wettbewerbsstärkeren" Ländern bezahlen konnten. Nun werden die Defizitländer mit Austerity-Programmen weiter in die Rezession getrieben, womit die Wettbewerbsüberlegenheit der Überschuss- länder weiter ausgebaut wird. Von einer kräftigen Erhöhung der Binnennachfrage, also vor allem der Masseneinkommen, in den bisherigen Überschussländern ist ebenso wenig die Rede wie von einem fundamentalen Aufbauprogramm für die Defizitländer. Statt die Masseneinkommen zu erhöhen und die steuerlichen Abgaben für Reiche und Unternehmen drastisch hinauf zu setzen – ein ausgeglichener Haushalt ent- steht nicht nur durch Streichen der öffentlichen Ausgaben, sondern ebenso durch eine Erhöhung der Steuern an der richtigen Stelle – erklären die Regierungen aus Berlin und Paris, es ginge darum, "das Vertrauen der Märkte" wieder zu gewinnen. Das heißt nichts anderes, als die Völker zu massakrieren, um Kredite und Höchstzin- sen bezahlen zu können. Allein der italienische Staat muss im 1. Quartal 2012 über 100 Milliarden Euro an Krediten und Zinsen zurückzahlen. Wenn man dieses Feld den "Marktkräften" überlässt, gar noch Besonderes leisten will, um "ihr Vertrauen" zu gewinnen, ist der Marsch in die Katastrophe vorgezeichnet. Die Völker verarmen, die Staaten brechen zusammen, nichts blüht mehr außer den Zinsen. Und die Reste an Demokratie gehen auf in einer "Fiskalunion", die von Berlin und Paris via Brüssel das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente aushebelt. Beim Kampf gegen dieses Katastrophenprogramm wird das isw-ABC hoffentlich eine effektive Hilfe sein.
3 Aktionäre: 9,3 % der deutschen Bevölkerung sind Aktionäre bzw. Besitzer von Aktienfondsanteilen. In den meisten Industrieländern ist der Anteil höher: 2010: USA 25,4 %, Japan 27,7 %, Großbritannien 23,0 %, Frankreich 14,5 %; China: 3,7 %. Die Aktio- näre sind an einem möglichst hohen → Shareholder Aktie, Aktiengesellschaft (AG) Value interessiert. Aktie (engl. Share; US-am. Stock) ist ein Wertpapier, Die Aktionärsstruktur hat sich in allen Ländern in den das seinem Inhaber einen bestimmten Anteil am Ge- vergangenen Jahrzehnten stark verschoben. Der An- samtvermögen einer Aktiengesellschaft (AG) verbrieft teil der Privathaushalte (und damit auch der Familien- (lat. Actio = Anteilsrecht). Der auf der Aktie aufge- clans) am Aktienbesitz ging kontinuierlich zurück; auf druckte Nennwert gibt an, mit welchem Anteil der dem Vormarsch sind die → Institutionellen Anleger. Aktionär am Grundkapital einer AG beteiligt ist. Der In den USA 1970: Privathaushalte: 68,0 %, Banken geringste Nennwert ist ein Euro (Aktiengesetz). Der 10,4 %, Pensionsfonds 9,2 %, Investmentfonds 5,2 %, Nennwert ist nicht zu verwechseln mit dem Kurs- Versicherungen 3,3 %, Sonstige 0,6 %, Ausland 3,2 %. wert: Dieser bildet sich aus Angebot und Nachfrage Der Anteil der Institutionellen betrug damals 20,9 %. am Markt, z.B. Börse, und gibt den aktuellen Wert 2002 (neuere Daten liegen dem dai nicht vor): Haus- der Aktie an. Aktien gewährleisten i.d.R. ein Recht halte 36,7 %, Banken 2,1 %, Pensionsfonds 21,4 %, auf Mitentscheidung auf der Hauptversammlung, Investmentfonds 18,5 %, Versicherungen 7,8 %, Son- sog. Stimmrecht. Wobei es hier eine große Vielfalt stige 2,6 %, Ausland 10,9 %; Anteil der Institutionel- gibt, von stimmrechtslosen Aktien bis zu Aktien mit len: 58,6 %. Mehrfachstimmrecht (z.B. Familie Siemens). Aktiengesellschaft (AG): Ist eine Kapitalgesellschaft Vorzugsaktien verbriefen ebenfalls eine Beteiligung mit eigener Rechtspersönlichkeit (sog. Juristische Per- am Grundkapital, haben aber i.d.R. kein Stimmrecht; son); weitere Kapitalgesellschaften sind GmbH und sie werden meistens bei der Dividende bevorzugt. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Das Grund- Der Aktionär erhält eine → Dividende als Teil des kapital einer AG muss mindestens 50.000 Euro betra- Bilanzgewinns. Die Höhe der Dividende wird auf der gen (Stammkapital einer GmbH mindestens 25.000 Hauptversammlung beschlossen. Euro). Insgesamt gab es im Jahr 2009 13.122 Aktien- gesellschaften; nur ein Bruchteil ist börsennotiert: 692 im September 2010. Die Gesamtzahl der Aktien multipliziert mit dem aktuellen Börsenkurs ergibt den Börsenwert einer AG; sog. Börsenkapitalisierung (auch Marktkapitalisierung). fs Anleihe (Schuldverschreibung, Obligation, Bond) Anders als eine → Aktie stellt eine Anleihe keinen Eigentumsanteil dar, sondern einen Kredit. Dieser Kredit wird von einer Bank (im Auftrag eines Unter- nehmens oder eines Staates oder auch eigene Kredi- te) als → Wertpapier gestaltet (verbrieft), so dass jeder Anleihenkäufer Gläubiger für einen Bruchteil des Gesamtkredites wird. Die Anleihe hat in der Regel eine bestimmte Laufzeit, beinhaltet die Rückzahlung am Laufzeitende und hat als zinstragendes Papier in der Regel eine nach Höhe und Zahlungstermin feste Zinszahlung. Allerdings existieren häufig Vereinba- rungen über variable Zinssätze oder eine Stufenver- zinsung oder auch zinslose Anleihen, wobei hier dann die Rückzahlung entsprechend höher liegt als die anfängliche Auszahlung. Bei der Festlegung des Zinssatzes und der anderen Anleihenmerkmale spie- len die → Rating-Agenturen eine große Rolle: je schlechter sie die Bonität (Kreditwürdigkeit) des Schuldners bewerten, desto höher der Zinssatz. Bis zum Beginn der Staatsschuldenkrise galten Staatsan- leihen in der Eurozone als risikofreie Finanzanlage. fg
4 Auslandsschulden Die Summe der Verbindlichkeiten eines Landes ge- genüber dem Ausland stellt die Auslandsschulden dar. Ihre Höhe wird entscheidend bestimmt durch den Saldo der Leistungsbilanz, durch den Außenhan- del. (→ Zahlungsbilanz) In diesen Salden drückt sich die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der natio- Bad Bank nalen Volkswirtschaften aus. Den Siegern in diesem Unter Bad Bank (bad = schlecht, faul) ist ein Kreditin- Wettbewerb mit ihren positiven Leistungsbilanzen stitut zu verstehen, in das Kredite oder Wertpapiere stehen die Verlierer mit den entsprechenden Defizi- ausgelagert werden, die mit großem Risiko behaftet ten gegenüber. So haben die PIIGS-Länder Portugal, sind, d.h. die mit großer Sicherheit an Wert verlieren Irland, Italien, Griechenland und Spanien – die Euro- werden oder schon verloren haben. Damit geht das "Problemländer" – seit Jahren Leistungsbilanzdefizite, Ausfallrisiko und die anfallenden Verluste von der während der Euro-Hegemon Deutschland auf stattli- verlagernden Bank auf die "Bad Bank" über. Die Mut- che Überschüsse blicken kann. ter-Bank bereinigt ihre Bilanz um die faulen Kredite Die USA mit ihrem seit vielen Jahren bei über 5 % des und Wertpapiere und muss kein Eigenkapital für die- BIP liegenden Defizit sind folgerichtig der größte se faulen Papiere mehr halten. Dementsprechend Schuldner der Welt. Die Hauptgeldgeber für die USA mehr kann sie Kredite ausreichen oder Wertpapier- sind die Länder mit den höchsten Exportüberschüssen: Geschäfte tätigen. allen voran China und Japan. Selbst die → Staats- Das Verfahren der "Bad Bank" ist hochproblematisch. schulden der USA befinden sich zu fast einem Drittel Anstatt dass ein Kreditinstitut die Konsequenzen ei- in den Händen von Ausländern. ner verfehlten Geschäftspolitik ziehen muss, die bis cs hin zur Insolvenz gehen können, löst es sich mit ei- nem Trick von seinen "faulen" Teilen und erhöht da- mit noch seine Schlagkraft im Kredit- und Spekulati- Außerbörslicher Handel (OTC-Handel) onsgeschäft. Finanzielle Transaktionen zwischen Marktteilneh- Als Musterbeispiel für den Bad-Bank-Prozess kann die mern, die nicht über die Börse abgewickelt werden, Hypo Real Estate (HRE) und ihre FMS-Wertmanage- sondern Over the Counter (über den Tresen). ment gelten (FMS nach der Bundesanstalt für Finanz- Drei Arten: 1.) außerbörslicher Handel mit börsenno- marktstabilisierung, unter deren Dach die Abwick- tierten Wertpapieren; 2.) mit Wertpapieren, die nicht lungsgesellschaft tätig ist). Die HRE, die bis dahin vor zum Börsenhandel zugelassen sind; 3.) mit Finanzde- allem im Immobilien- und Staatsanleihengeschäft tä- rivaten. tig war, ging in der Immobilienkrise 2007-2009 pleite Fast 90 Prozent aller → Derivate weltweit werden und wurde im Oktober 2009 verstaatlicht, nachdem außerbörslich, zwischen Banken oder Fonds, gehan- sie vom Staat bereits 102 Milliarden Euro an Beihilfen delt. Dieser OTC-Handel unterliegt keiner Aufsichts- und Garantien erhalten hatte. Offizielles Ziel war und pflicht oder Kontrolle, die Finanzaufsichtsbehörden ist, eine sanierte HRE wieder zu privatisieren. Um die haben keinen Überblick. (→ Schattenbanken) Bilanz der HRE zu "reinigen", wurden "Risikopositio- nen und nichtstrategienotwendige Geschäftsberei- fs che" (so heißt es im Statut der FMS-Wertmanage- ment) an die im Oktober 2010 gegründete Bad Bank übertragen, die voll in staatlichem Besitz ist. Was heißt, dass die hier planmäßig realisierten Verluste vom Steuerzahler getragen werden. Die Bilanzsumme des Abwicklungsinstituts betrug zum 30.6.2011 noch 301,8 Milliarden Euro. Zu diesem Zeitpunkt hielt die Firma noch 8,8 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen und sonstigen Krediten. cs BaFin Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht) untersteht dem Finanzministerium und kon- trolliert alle Bereiche des Finanzwesens, also Kreditinsti- tute, Finanzdienstleistungsinstitute, → Versicherun- gen, Pensionsfonds und Kapitalanlagegesellschaften. Die Kreditinstitute sind verpflichtet, ein automati-
5 siertes Abrufsystem für Kontendaten zu unterhalten, Fazit und Bewertung mit dem die BaFin jederzeit auf Kundendaten zugrei- Die interne Kritik setzt in erster Linie an Mängeln fen kann. Die Kreditinstitute selbst oder betroffene hinsichtlich des möglichst reibungslosen Funktionie- Kunden erfahren nichts von einem Kontenabruf. rens des neoliberalen Finanzkapitalismus an. Dieser Versicherungsunternehmen benötigen zur Aufnahme selbst wird nicht in Frage gestellt. Das Hauptproblem und Aufrechterhaltung ihrer Geschäftstätigkeit eben- ist der politische Auftrag: "geheimdienstliche Tätig- falls die Zustimmung der BaFin. Sie überwacht die Ver- keit" im Auftrag des Finanzministeriums statt Trans- mögenswerte und die Zahlungsfähigkeit, um die Er- parenz und Kontrolle durch Öffentlichkeit füllbarkeit der abgeschlossenen Verträge zu gewähr- km leisten. Ziel und Zweck der Arbeit der dritten Säule der BaFin ist es, die Funktionsfähigkeit der deutschen Wertpa- piermärkte zu gewährleisten. Bank, Bankensystem Eine Bank ist ein privates oder öffentlich-rechtliches Gravierende Organisationmängel – Unternehmen, das entgeltliche Dienstleistungen (Bankgeschäfte) für den Zahlungs-, Kredit- und Kapi- deutliche Schwächen in der Praxis talverkehr anbietet. Die "Bankgeschäfte" sind in ei- Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat nem umfangreichen Katalog in § 1 → Kreditwesen- 2009 im Auftrag des Finanzministeriums ein Gutach- gesetz (KWG) definiert. Die ursprüngliche Funktion ten vorgelegt, das die Bankenaufsicht analysieren soll- war das Einsammeln von "brachliegendem Geldkapi- te. Die BaFin hat demnach im Vorfeld der Finanzkrise tal" (Geldsammelstelle), die Verwahrung und Verwal- gefährliche Risiken übersehen. Sie zeige aufgrund ih- tung von Spareinlagen und Wertpapieren und die rer Leitlinien, die ein blindes Vertrauen in → Rating- Vergabe von Krediten, zuzüglich einer eigenständi- Agenturen provoziert hätten, deutliche Schwächen gen Kreditschöpfung. (→ Geldschöpfung) in der Praxis. Ihr fehle der Blick für das gesamte Sys- Mit diesen Funktionen waren die Banken ein ent- tem, stattdessen orientiere sie sich zu stark an einzel- scheidender Motor bei der Entwicklung des Kapitalis- nen Banken. Dadurch hätten die Aufseher die Gefahr mus, insbesondere bei der Finanzierung von Investi- einer Systemkrise nicht rechtzeitig erkannt. Die Finanz- tionen. Zur Absicherung und pünktlichen Bedienung marktkrise zeige, dass die Vernachlässigung der Sys- ihrer Kredite nahmen die Banken direkt auf die Ge- temzusammenhänge eine eklatante Schwachstelle schäftspolitik der beliehenen Unternehmen Einfluss – der Bankenaufsicht ist. Nach Ansicht des Frankfurter kapitalmäßig über Beteiligungen und personell über Wirtschaftsprofessors Faust ist die BaFin nur der ver- Aufsichts- oder Beiräte sowie in Form des Depot- längerte Arm der Politik: "Die BaFin hätte sicher Risi- stimmrechts. ken im System früher erkennen können, hätte aber wegen fehlender politischer Regularien auch dann Bankensystem nichts dagegen machen können." Im April 2009 ge- riet ein internes Papier an die Öffentlichkeit, in der In Deutschland lassen sich vier Anbietergruppen von das Volumen der Kredite und Wertpapiere "aus pro- Banken unterscheiden: Private Kreditbanken, die staat- blembehafteten Geschäftsfeldern" bei deutschen Ban- lichen Landesbanken, die (öffentlich-rechtlichen) Spar- ken auf 816 Milliarden Euro beziffert wurde. Die Re- kassen und die Genossenschaftsbanken. Ende 2007 aktion war bezeichnend: Das Finanzministerium, der betrugen die Anteile an der gesamten Bank-Bilanz- Bundesbankpräsident sowie die BaFin selbst erklär- summe: Private Banken 29,6 % (davon Großbanken ten, dass die darin enthaltenen Daten keinerlei Rück- 18,4 %), Landesbanken 20,8 %, Sparkassen 13,7 %, schlüsse auf die Kreditwürdigkeit der Banken zu- Kreditgenossenschaften 8,3 %, Sonstige (z.B. Hypo- ließen. Die BaFin stellte Strafantrag gegen Unbekannt thekenbanken, Bausparkassen) 27,6 %. Der Anteil der wegen des Verdachts auf Verstoß gegen die gesetzli- Landesbanken + Sparkassen ist bis Mitte 2010 auf che Verschwiegenheitspflicht. 30,7 % gesunken (Rückgang der Landesbanken), der Anteil der Privaten Banken auf 35,5 % gestiegen; Kre- Outsourcing durch private Prüfer ditgenossenschaften: 11,3 %. Statt eigene Prüfer zu schicken, setzte die Bundesre- Alle vier Bankengruppen sind Universalbanken, d.h. gierung vermehrt auf private Prüfer. Nach einer inter- sie sind universell tätig, sie bieten die gesamte Palet- nen Anweisung galt für die BaFin ab 2007 die Vorga- te der Bankdienstleistungen an. Die Spezialbanken be: "Die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer sollen stär- dagegen konzentrieren sich auf ein Teilgebiet des ker genutzt werden, um damit weniger Prüfungen Bankgeschäfts. Das deutsche Bankensystem wird durch die BaFin zu haben." In der Praxis bedeutet das auch als Universal- oder Geschäftsbankensystem be- Outsourcing. Statt die Unterlagen der Banken selbst zeichnet. vor Ort zu prüfen, schickt die BaFin private Prüfer in Von größerer Bedeutung ist das Trennbankensys- die Banken. Beauftragt werden die Wirtschaftsprüfer tem: Hier erfolgt eine Trennung zwischen Geschäfts- von der BaFin. Bezahlt werden sie von der zu prüfen- banken (Kredit- und Einlagengeschäft) und Invest- den Bank. mentbanken. Am bekanntesten war diese Abtren-
6 nung des Investmentgeschäfts im US-amerikanischen den Supergau im Finanzsystem zu verhindern. Die Bankensystem durch den zweiten Glass-Steagall Act Staatsschulden der Industrieländer stiegen dadurch (1933). Das Gesetz wurde mehrfach modifiziert und sprunghaft an. 1999 unter Präsident Clinton komplett aufgehoben. Es wurden jedoch keine Konsequenzen gezogen und Die US-Investmentbanken durften nun auch als Ge- keine Maßnahmen im Hinblick auf eine stärkere öf- schäftsbanken agieren und umgekehrt. fentliche Kontrolle des Bankensystems, Kleinregulie- rung oder gar Zerschlagung der Großbanken getrof- fen. Auch die von der OECD geforderte Abtrennung des Investmentbanking vom Filialgeschäft für Privat- kunden und vom Kreditgeschäft für Unternehmen wur- de nicht vorgenommen. Die Konzentration im Bank- wesen hat sich durch die Finanzkrise sogar beschleu- nigt, die Großbanken sind heute mächtiger denn je. Und die Investmentbanker beziehen wieder millio- nenschwere Zocker-Boni wie vor der Finanzkrise. Too big to fail: 29 international operierende Mega- banken haben die G-20 auf ihrem Gipfel in Cannes (Nov. 2011) und der Financial Stability Board (FBS) auf die Liste systemrelevanter Banken gesetzt. Sie sind so groß, dass ihr Zusammenbruch nicht riskiert werden darf, da er das Weltfinanzsystem ins Wanken brächte. Notfalls müssen sie von den Staaten mit Steuergeldern gerettet werden. 29 Banken nehmen gewissermaßen die gesamte Weltbevölkerung als Geisel. Die unausgesprochenen Staatsgarantien kom- men einer Subvention gleich: die Banken können sich dadurch günstiger refinanzieren. Von den deutschen Banken zählen die Deutsche Bank und die Commerz- bank zu diesen systemrelevanten Banken. fs Siehe auch: Investmentbanking → Bankenaufsicht → Bad Bank Bei den international operierenden Großbanken ist → Bankenstresstest das Investmentbanking heute i.d.R. das Hauptge- → Eigenkapital, Kernkapital schäft (siehe Grafik). → Schattenbanken Zum Investmentbanking zählt: Handel mit Wertpapieren (Aktien, Anleihen, Deri- vate, Zertifikate – auch Devisen): auf eigene Rech- Bankenaufsicht nung (Eigenhandel); auf Rechnung von Kunden (Auf- tragshandel). Hierzu zählt auch die Schaffung und Die Bankenaufsicht umfasst nach der Begriffsbestim- der Handel mit neuen Finanzprodukten, sog. Finanz- mung des Bundesfinanzministeriums sowohl die Be- innovationen. Ex-Fed-Chef Volcker: "Die einzig sinn- aufsichtigung von Bankgeschäften als auch sonstiger volle Finanzinnovation der letzten 25 Jahre ist die Finanzdienstleistungen. Dies trifft schon deshalb nicht Erfindung des Geldautomaten". zu, weil die → Schattenbanken, die mittlerweile 25 bis 30 % des Finanzsystems abdecken, überhaupt kei- Unterstützung der Unternehmen bei Kapitalmaß- ner Beaufsichtigung unterliegen. Und in der Beauf- nahmen: Börsengänge, Aktien- und Wertpapieremis- sichtigung der Banken erweisen sich die zuständigen sionen, Kapitalerhöhungen. Institute – die Bundesanstalt für Finanzdienstleis- Betreuung von Fusionen und Übernahmen (Mer- tungsaufsicht (→ BaFin) und die → Deutsche Bun- gers & Acquisitions). desbank – als wenig fähig oder auch als wenig wil- Häufig wird auch die → Vermögensverwaltung/Asset lig, wie sich angesichts der tiefgreifenden Banken- Management (Fondsverwaltung; Reiche Privatvermö- und Finanzkrise ohne Übertreibung feststellen lässt. gen) zum Investmentbanking gezählt. Sie nimmt aber Es handelt sich dabei eher um Unwilligkeit, um eine mehr eine Zwischenstellung ein. neoliberale politische Grundeinstellung. Jochen Sanio, Zur Raserei auf den Finanzmärkten und letztlich zur der Präsident der BaFin, feiert sich im Jahresbericht Finanzkrise trug vor allem das gesamte, hochspekula- 2011 hinsichtlich Basel III: "Wir haben es erreicht, dass tive Wertpapiergeschäft bei. Mit billionenschweren es langgezogene Übergangsfristen geben wird und staatlichen Rettungspaketen mussten die Banken die Banken sich Schritt für Schritt auf die neuen An- herausgepaukt werden, um eine Kettenreaktion und forderungen einstellen können." Gemeint ist damit,
7 dass die Erhöhung der Eigenkapitalquote (→ Eigen- Allein die Commerzbank müsste sich bis zu fünf Milli- kapital, Kernkapital) auf 7 % bis 2019 vertagt wur- arden Euro zusätzlich beschaffen. Die Diskussionen de! Mittlerweile wird für die Großbanken in der Euro- laufen auf die Bereitstellung neuer öffentlicher Gel- zone eine Erhöhung auf 9 % zum 1.7.2012 verlangt. der zur Rekapitalisierung der Banken hinaus. Der oberste Bankenaufseher Sanio hält dagegen: "Wir cs dürfen aber nicht zulassen, dass große Banken in eine Eigenkapital-Zwangsjacke gesteckt werden." In den Instituten der Bankenaufsicht herrschen die Basel Verfechter des Großbankensystems und der Warner Vom "Basler Ausschuss für Bankenaufsicht" der → BIZ vor "zu viel Regulierung". Ganz offenkundig wollen entwickelte Empfehlungen für die Bankenaufsicht. sie über die bisherige, völlig unzureichende Rechts- grundlage der Bankenaufsicht, das → Kreditwesen- Nach seiner Gründung 1974 veröffentlichte der Aus- gesetz, nicht hinausgehen. schuss 1988 die Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I), die 1992 in Kraft trat. Basel I stellte auf das cs Mindestkapital mit einer festen Quote als vermeint- lich entscheidende Größe für die Begrenzung der Ri- siken ab. Bankenstresstest 1996 begannen die Arbeiten an Basel II, 2004/2005 Bei den Bankenstresstests geht es darum zu prüfen, wie Veröffentlichung der neuen Baseler Eigenkapitalemp- sicher Banken in einem verschlechterten Geschäfts- fehlung (Basel II), die 2006 in Kraft trat. Hauptadressat umfeld wären. Positive Ergebnisse sollen das Vertrau- sind große, international tätige Banken. Mit Basel II en der Investoren in die Banken wieder herstellen. sollen unterschiedliche Risikoklassen für die Vergabe Die → Europäische Bankenaufsicht (EBA) führte von Krediten berücksichtigt werden. Die Beurteilung 2010 und 2011 solche Bankenstresstests durch. 2010 des Kreditrisikos kann durch externe → Rating-Agen- wurden 91 Geldhäuser geprüft und sieben fielen turen erfolgen. Zusätzlich sollen die Banken regel- durch. 2011 kamen 91 Banken aus 21 europäischen mäßig durch die Bankenaufsicht überprüft werden Ländern in die Prüfung und es fielen neun Banken und die Transparenz z.B. im Jahresabschluss, in Quar- durch, darunter die Hessische Landesbank (Helaba). talsberichten oder in Lageberichten verbessert werden. Sie hatte sich kurz vor dem Ende selbst aus dem Ver- Die Umsetzung von Basel II in nationales Recht erfolg- fahren ausgeklinkt, wäre aber durchgefallen, denn te in der EU ab 1.1.2007 (BRD), in den USA schrittwei- sie hatte eine Eigenkapitalquote von 3,9 % aufge- se und zögerlich ab 2008. Allerdings werden in der bracht, die erforderliche Quote lag aber bei 5 %. Wei- gegenwärtig noch gültigen Eigenkapitalrichtlinie Ba- ter durchgefallen sind fünf spanische, zwei griechi- sel II Staatsanleihen von Mitgliedsländern der Organi- sche Banken und eine österreichische Bank. sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- In Wahrheit hätten viel mehr Banken durchfallen müs- wicklung (OECD) offiziell als "risikofrei" eingestuft und sen. Die EBA hatte höchst milde Kriterien für die Stress- bei der Bemessung von Eigenkapitalanforderungen Prüfung vorgegeben. So war z.B. nicht vorgesehen, deshalb mit "Null" gewichtet. Bei Versicherungen wird wie sich der Bankrott eines Eurolandes auf die Bilan- analog verfahren. Dies war natürlich ein Anreiz, Staats- zen der Banken auswirken würde. Dieses Prüf-Kriteri- anleihen aus OECD-Ländern zu kaufen, da für diese ja um hatte schon 2010 gefehlt, als alle irischen Banken kein Eigenkapital vorzuhalten war, andererseits da- von der EBA gelobt wurden, um kurz danach vom mit vermeintlich sichere Zinseinnahmen verbunden Staat finanziert werden zu müssen. Als "Stress" wurde waren. Mit zunehmender Globalisierung wurden die ein wirtschaftlicher Rückgang in der Eurozone ange- "Märkte" und die auf ihnen durch → Spekulation zu nommen, aber ein weiteres Wachstum. Der Stresstest erzielenden Renditen immer bedeutsamer; zugleich damals war ein Propagandamanöver wie auch der von verstärkte sich der Einfluss der Rating-Agenturen, de- 2011, den Bundesfinanzminister Schäuble prompt als nen ja bei Basel II eine wesentliche Rolle zukam. Das Beleg für die Krisenfestigkeit der Branche wertete. globale Finanzsystem hat sich von 1996, als Basel II Selbst im beschränkten Prüfungsrahmen des letzten konzipiert wurde, gegenüber 2011 völlig verändert. Tests ist dieses Urteil ein Witz. Die größten deutschen Die Realität der "Märkte" hat unter dem Einfluss der Banken lagen nur knapp über den geforderten 5 % Rating-Agenturen die Richtlinie ausgehebelt. Eigenkapital. (→ Eigenkapital, Kernkapital, Kern- Im Dezember 2010 wurde das Regelwerk von Basel III kapitalquote) Die Deutsche Bank kam auf 6,5 %. veröffentlicht, die Umsetzung in nationales Recht ist Wenige Wochen nach dem Test (Juli 2011) erklärte im EU-Raum ab 2013 geplant. Der Hauptansatz von die EBA, die europäischen Großbanken sollten bis Basel III sind höhere Anforderungen an das Eigenka- Ende Juni 2012 eine Eigenkapitalquote von 9 % auf- pital der Banken. Die Banken sollen ihr so genanntes weisen. Sowohl die Deutsche Bank wie die Commerz- Kernkapital (→ Eigenkapital, Kernkapital) deutlich bank (Eigenkapitalquote 6,4 %) stehen nun vor der erhöhen. Die Kernkapitalquote beschreibt das Verhält- Aufgabe, mehrere Milliarden Euro neu von Aktionä- nis des Eigenkapitals einer Bank zu den vergebenen ren zu erhalten oder aus den Gewinnen in die Rückla- Krediten und den getätigten Geldanlagen. Basel III gen abzuführen. schreibt künftig eine Kernkapitalquote von 7 Prozent
8 vor. Hinzu kommen weitere Eigenkapitalkomponen- Als im Laufe der sechziger Jahre erste Spannungen ten, in der Summe addieren sich die Eigenkapitalan- im System fester Wechselkurse (Bretton Woods) auf- forderungen auf 10,5 Prozent. Auch bei Basel III bei traten, war sie an Stützungsaktionen für europäische wird bei EU-Banken für Staatsanleihen in der Eurozo- Währungen beteiligt. Vor dem Hintergrund der Dere- ne Risikofreiheit dieser Anlageklasse unterstellt. gulierung der Finanzmärkte und der rapide wachsen- den grenzüberschreitenden Kapitalströme wurde die Bewertung und Kritik BIZ zum Aufsichtsgremium über Finanzmarktinstitu- tionen. 1974 entstand als Reaktion auf die Häufung Die Basel II-Regeln beschleunigten bei den Großban- von Bankenpleiten der "Basler Ausschuss für Banken- ken die Anstrengungen, Eigenkapital aus der Bilanz aufsicht". Kern der Regelungen sind Mindestanforde- zu nehmen, um die Rendite zu steigern: Verbriefung rungen an das Eigenkapital der Kreditinstitute. von Krediten und → Wertpapieren, → Hedge-Fonds, (→ Basel). ein ganzes Arsenal von → Schattenbanken wurde Seit 1998 ist die internationale Versicherungsaufsicht von findigen Bankmanagern entwickelt. als Arbeitsgebiet hinzugekommen. Mit Beginn der Arbeit an Basel III setzte eine globale Neben der Veröffentlichung von internationalen Statis- Kampagne der Bankenlobby zur Abmilderung der Ba- tiken aus dem Bereich ihrer Mitglieder werden auch sel III-Regelungen ein. Ein Ergebnis: eine lange Über- allgemeine Wirtschaftsanalysen erstellt. gangsphase mit schrittweiser Umsetzung der Refor- men bis 2019. Zum Vergleich: von 2000 bis 2012 werden vier weltweite Krisen stattgefunden haben: Wirtschaftsanalysen und Rezepte die geplatzte "Technologieblase" der Internetfirmen nach neoliberalem Grundmuster im Jahr 2000, die "Finanzmarktkrise" im Jahr 2008, Gegenwärtig vertritt die BIZ in ihren Veröffentlichun- die gegenwärtige "Schuldenkrise" und wahrscheinlich gen und Analysen die gängigen neoliberalen Thesen. eine Krise der Realwirtschaft ab 2012. Weltweit ein- Der BIZ-Generaldirektor 2011: "Die erste und unmit- heitliche Mindeststandards für die Institute rücken telbarste Herausforderung besteht darin, dass die weiter in die Ferne, die USA bremsen bei Basel III. fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Verringerung Bisher hat jede schwerere Finanzkrise zu einer Verän- ihrer Haushaltsdefizite überzeugend in Angriff neh- derung der Spielregeln an den Finanzmärkten ge- men. ... Es gibt keinen einfachen Ausweg, keine Ab- führt. Gleichzeitig gibt es kaum eine Krise, von der kürzung, keine schmerzlose Lösung – keine Alternati- nicht behauptet wird, sie wäre auf fehlgeleitete Re- ve zur rigorosen Umsetzung umfassender nationaler gulierung zurückzuführen. Programme einer straffen Haushaltskonsolidierung km und struktureller Reformen. ...Die Fiskalpolitik sollte das Ziel verfolgen, in normalen Zeiten den Schulden- stand möglichst niedrig zu halten, damit der Staat für die unvermeidliche nächste Krise gerüstet ist. ..." BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Im Klartext: Wenn ordentlich gespart wird und gleich- (engl.: Bank for International Settlement – BIS). Grün- zeitig die Zinsen erhöht werden, wird alles gut. dung 1930 als internationale Bank mit Sitz in Basel km von den Zentralbanken Belgiens, Deutschlands, Frank- reichs, Großbritanniens, Italiens, Japans und der Schweiz sowie Vertretern einer amerikanischen Ban- kengruppe. Börse Die BIZ ist eine internationale Organisation und dem Die Börse ist ein organisierter Handelsplatz für den Völkerrecht unterworfen. Organe sind die General- Kauf und Verkauf von Wertpapieren, Devisen, Roh- versammlung und der Verwaltungsrat. Diesem gehö- stoffen und Derivaten. Zum Börsenhandel sind nur ren die Präsidenten verschiedener Zentralbanken an. professionelle Geschäftsvermittler zugelassen: Ban- Gleich zweimal hintereinander wechselten Generaldi- ken, Kursmakler und Freimakler. Freimakler vermitteln rektoren der BIZ zu Großbanken. Im Jahr 2003 wech- hauptsächlich Geschäfte für Kreditinstitute, die über selte Andrew Crockett zur Investmentbank JP Mor- kein eigenes Büro und keine Händler an der Börse gan. Sein Nachfolger Malcolm Knight wechselte 2008 verfügen. Amtlich bestellte Kursmakler vermitteln die zur Deutschen Bank. Dort war er für den Kontakt zu Geschäfte zwischen den Teilnehmern und bestimmen Notenbanken und Aufsichtsbehörden zuständig. aus Angebot und Nachfrage den Börsenkurs. Der Kurs bestimmt sich aus dem "Preis", zu dem die größt- Arbeitsschwerpunkte mögliche Zahl von Aktien gehandelt werden kann. Arbeitsschwerpunkte sind die Koordination der Reak- Diese Ausführungen gelten für die Präsenzbörse (Par- tion auf Währungskrisen sowie die Banken- und die kettbörse). Hier treffen die Händler noch räumlich Versicherungsaufsicht. Die BIZ arbeitet als Bank der auf dem Parkett zusammen. Die größte Präsenzbörse Zentralbanken mit rund 120 Zentralbanken zusam- ist die berüchtigte NYSE (New York Stock Exchange) men, für die sie z.B. Währungsreserven verwaltet und an der Wallstreet; heute, nach der Fusion mit Euro- eine Vielzahl von Finanztransaktionen ausführt. next (2007) NYSE Euronext.
9 Die Präsenzbörsen werden zunehmend vom Compu- und Bundesschatzanweisungen im Volumen von terhandel verdrängt. Die größte reine Computerbörse mehreren Milliarden Euro angeboten, die dann gegen ist die New Yorker Technologiebörse Nasdaq. Zinsangebote im sog. "Tenderverfahren" quasi "ver- Das elektronische Handelssystem der Deutschen Bör- steigert" werden. Bundesanleihen mit 10 Jahren Lauf- se nennt sich Xetra (exchange electronic trading) und zeit wurden im November 2011 mit 2 % Zinsen ange- wickelt hauptsächlich Dax-Werte (Deutscher Aktien boten. Über 95 Prozent der Bundesschulden werden Index) ab: 30 ausgewählte Aktien, die gewichtet in von → Institutionellen Anlegern wie → Versiche- die Kursbildung eingehen. rungen, Pensionsfonds, Investmentfonds (→ Fonds) Der älteste Aktienindex ist der Dow Jones der Wall- und → Banken gehalten. Mehr als die Hälfte davon street: Kursentwicklung der 30 größten US-Aktienge- sind ausländische Investoren. Das bedeutet, dass sellschaften (Industrie). selbst die vermeintlich "solide" BRD kein sicherer Ha- Geplant ist die Fusion der Börsen NYSE Euronext mit fen ist, wenn in größerem Maß Investoren umschich- der Deutschen Börse. Die Aktionäre der Deutschen ten oder außerhalb der Eurozone investieren. Börse bekommen 60 Prozent der Anteile, die Eigner km von NYSE Euronext die restlichen 40 Prozent. Der neue Börsenriese verbleibt dennoch in ausländischer Hand, denn bei der Deutschen Börse sind nur 18 % der Aktien bei deutschen Aktionären; 32 % der An- teilseigner stammen aus den USA, 16 % aus Großbri- tannien und 34 % aus anderen Ländern. Börsengang (Going Public): Entschließt sich eine AG zum Börsengang, dann benötigt sie dazu eine beglei- tende Bank bzw. ein Banken-Konsortium. Diese er- mittelt das Platzierungskonzept und den Ausgabe- CDS – Credit Default Swaps kurs. Aktien-Emission: Eine börsennotierte AG kann Ein Swap (→ Derivate) ist eine Vereinbarung zweier sich in der Folgezeit Kapital durch Aktienemission be- Vertragsparteien über den Tausch von Zahlungsströ- schaffen. Für die Platzierung weiterer Aktien-Tran- men. Credit Default bedeutet Kreditausfall; ein CDS ist chen ist die AG an einem hohen Aktienkurs interes- damit eine Kreditausfall-Ausgleichszahlung. Das ist siert. (→ Shareholder Value) (nur!) so was Ähnliches wie eine Versicherung, näm- fs lich eine Wette auf die Zahlungsfähigkeit eines Schuld- ners. Ein CDS schließt ein Kreditgeber ab, wenn er die Kreditrückzahlung für ungesichert hält. Der CDS-Käu- Bundeswertpapiere fer zahlt dann, üblicherweise 6 Jahre lang, Prämien Von der Bundesrepublik Deutschland durch die Deut- an den CDS-Verkäufer (quasi Versicherungsprämien), sche Finanzagentur angebotene öffentliche Anleihen, und erhält für den Fall, dass sein Schuldner zahlungs- die zur Finanzierung der Defizite im Bundeshaushalt unfähig wird, vom CDS-Verkäufer die vereinbarte Aus- dienen. Wie bei allen Staatsanleihen werden auch die gleichszahlung. deutschen Staatsanleihen durch das Staatsvermögen CDS sind groß in Mode gekommen in der US-ameri- und das Steueraufkommen besichert. Ihnen wird von kanischen Immobilienwirtschaft. Dort vergaben die den internationalen → Rating-Agenturen mit der Banken über Jahre hinweg immer freigebiger Hypo- Bewertung AAA regelmäßig die höchstmögliche Kre- thekendarlehen (→ Subprime), zerteilten und struk- ditwürdigkeit zugesprochen. turierten die einzelnen Hypotheken nach Risikoklas- An Privatanleger richten sich die Tagesanleihen mit un- sen, bündelten die Teile zu großen und unterschied- befristeter Laufzeit (entspricht einem Tagesgeldkonto), lich riskanten Paketen (→ Wertpapiere) zu je zig Mil- Finanzierungsschätze (1 oder 2 Jahre Laufzeit), Bun- lionen Dollar und verkauften sie an Anleger, Pensions- desobligationen (5 Jahre Laufzeit) sowie die Bundes- fonds vor allem. Um das Kreditrisiko zu eliminieren, schatzbriefe (festverzinsliches Wertpapier mit steigen- schlossen die Banken CDS-Vereinbarungen ab mit dem Zinssatz). Diese können bei der Deutsche Finanz- dem Ziel, jegliche Kreditausfälle auf die CDS-Verkäu- agentur, die für den Bund die Wertpapierverwaltung fer abzuladen. Bekanntlich wurden die dadurch risi- abwickelt, erworben werden. Von den gesamten Bun- kofrei gerechneten Kreditpakete von den → Rating- desschulden entfällt nur etwa ein Prozent auf private Agenturen mit Bestnoten bewertet und konnten da- Kleinanleger. Bundesanleihen und Bundesschatzan- durch zu guten Preisen verkauft werden. weisungen können nur über die Börsen erworben CDS sind frei ausgehandelte, unreglementierte Ge- werden. Die Renditen lagen im Dezember 2011 je schäfte, also Marktwirtschaft pur. In der Schönwet- nach Laufzeit unter 0,5 % bis maximal knapp 3 %. terphase der US-amerikanischen Immobilienwirtschaft An Banken, Versicherungen und andere Großanleger winkte mit der CDS-Qualifizierung und der Prämien- richten sich die Bundesanleihen und Bundesschatzan- festlegung der Kreditpakete ein riesiger Markt und weisungen. Einer "Bietergruppe Bundesemissionen" (ca. kaum jemand wollte sich vorstellen, dass jemals auch 30 Großbanken) werden regelmäßig Bundesanleihen eine andere Entwicklung eintreten könnte. Im Jahr
10 2000 waren CDS noch gar nicht erfunden und 2007 belief sich der Umfang dieser "Versicherungen" be- reits auf rund 60.000 Mrd. Dollar und die Prämien- zahlung (im Durchschnitt 3 %) auf 2.000 Mrd. Dollar. Da wollte niemand zurück bleiben, und so stiegen die Hedge-Fonds und die Finanzkonzerne auf beiden Seiten des Marktes ein, als Käufer und auch als Ver- Defizit käufer von CDS. Die Existenz konkreter Kredite wurde nun unwichtig, man konnte (und tat das auch aus- Unter Defizit versteht man in der Finanz- und Haus- giebig) auf Zahlungsnöte und den Konkurs irgendei- haltspolitik einen Fehlbetrag, der entsteht, wenn die nes Konzerns wetten oder eines Staates, oder auch im Haushaltsplan veranschlagten öffentlichen Ausga- darauf, welcher von drei Konzernen als erster zusam- ben die regelmäßigen öffentlichen Einnahmen über- men brechen würde usw. steigen. Dieser Finanzierungssaldo muss durch Kre- ditaufnahme ausgeglichen werden, wodurch sich die Es gibt nun seit eh und je Versicherungen, die gegen öffentlichen Schulden erhöhen. Die jährliche Neuauf- den Kreditausfall versichern. Beispielsweise muss der nahme von Krediten wird als Neuverschuldung be- Nehmer eines Bauspardarlehens eine solche Versiche- zeichnet. Die meisten Staaten weisen seit Jahrzehn- rung abschließen. Diese Versicherungen werden al- ten fast immer Haushaltsdefizite auf, was zu einer lerdings von Behörden überwacht und ihre Kalkula- weltweit immer weiter zunehmenden Staatsverschul- tionen und Reserven für Schadensfälle überprüft. Sie dung führt. (→ Staatsschulden) sind gegenüber Turbulenzen daher recht robust. Der entscheidende Unterschied zu den CDS ist, dass die Im Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen CDS völlig unreglementiert von den CDS-Gebern und Union verpflichten sich die Mitgliedsländer prinzipiell den -Nehmern gehandhabt wurden. Die CDS-Wett- zu einer Neuverschuldung von maximal 3 % des Brut- wirtschaft wurde daher in der Finanzmarktkrise übel toinlandsprodukts und einem Schuldenstand von zerzaust. Kaum ein CDS-Verkäufer hatte, wie in einer maximal 60 % des Bruttoinlandsprodukts. Derzeit Versicherung üblich, ausreichend Rücklagen für die – verstößt eine Vielzahl von Mitgliedstaaten gegen die aus CDS-Geber-Sicht – unerwartete Flut an geforder- Maastricht-Kriterien sowohl beim jährlichen Haus- ten Ausgleichszahlungen, die nun aufgrund der Kre- haltsdefizit als auch bei der Gesamtverschuldung. Zur ditausfälle erhoben wurden. Und umgekehrt verlang- Begrenzung der Haushaltsdefizite und zur Durchset- ten die CDS-Verkäufer nun bei Neuabschlüssen so zung der Sparprogramme drängen die Finanzmärkte viel höhere Prämien, dass diese bei den Banken, die wie auch Bundeskanzlerin Merkel und der französi- ihre Kreditpakete schön rechnen und verkaufen woll- sche Präsident Sarkozy auf die Einführung einer ten, deren Kalkulation völlig durcheinander brachten, "Schuldenbremse" nach deutschem Muster in die Ver- so dass sie auf Verlusten oder auf ihren schlechten fassungen der Mitgliedsländer. Hypotheken sitzen bleiben. Der durchschnittliche Prä- Neben dem Haushaltsdefizit gibt es auch das Leis- miensatz stieg von unter 2 % des "Versicherungs"- tungsbilanzdefizit. Ein Leistungsbilanzdefizit deutet Umfangs bis 2006 auf über 12 % Ende 2008 und darauf hin, dass das betreffende Land mehr ver- sank dann wieder auf 5 % heute. braucht als produziert, also mehr importiert als ex- portiert, und sich zur Bezahlung der Importe im Aus- Das Volumen der CDS hat sich gegenüber ihren bes- land verschuldet. Weist die Leistungsbilanz einen ten Zeiten auf etwa 30.000 Mrd. Dollar halbiert und Überschuss aus, so bedeutet dies, dass das Land dort eingependelt. Heute dürften die CDS-Wettspe- mehr exportiert als importiert und deshalb Devisen- kulanten hauptsächlich von der europäischen Staats- überschüsse erzielt. Als Folge der neoliberalen Globa- anleihen-Malaise profitieren, zweifellos wieder ein lisierung und der Konzeption der EU, die auf interna- boomendes und hoch lukratives Geschäft. Bisher ist tionale Wettbewerbs- und Exportfähigkeit setzen, noch keine dieser Anleihen ausgefallen. Wäre interes- gibt es eine geringe Zahl von Exportüberschusslän- sant zu erfahren, was passiert, wenn diese Staatsan- dern und eine wachsende Zahl von Ländern mit Leis- leihen wirklich flächendeckend ausfallen würden. tungsbilanzdefiziten. Von den Griechenland-"Rettern" wird ein formaler lm Staatskonkurs unbedingt abgewehrt und stattdessen auf einen "freiwilligen" Haircut gesetzt – wesentlich auch deshalb, weil ein Staatskonkurs die CDS-Aus- gleichszahlungen auslösen würde, was wohl zu au- Deregulierung genblicklichen und unüberschaubaren Verwerfungen Wirtschaftspolitische Deregulierung bedeutet den auf den Finanzmärkten führen würde. Abbau von staatlichen Normen und Vorschriften für fg die Wirtschaft bzw. die Erlaubnis für weitere Betäti- gungsfelder. Hintergrund ist die marktwirtschaftliche Kernideologie: Staat ist schlecht, Markt ist gut. Kon- kret läuft die "Befreiung der Märkte" auf die Befrei- ung der Konzerne von Einschränkungen und Vorga- ben hinaus. Altkanzler Schröder: "Ich kann keine Poli-
11 tik gegen die Wirtschaft [d.h. gegen die Konzerne] Derivate lassen sich grob einteilen in Termingeschäfte machen". Einige Deregulierungsmaßnahmen zuguns- und Swap-Geschäfte: ten der Finanzkonzerne in Deutschland: Termingeschäfte betreffen den Kauf oder den Ver- 1991 Abschaffung der Börsenumsatzsteuer. kauf von Gütern (Rohstoffe, Aktien, Devisen usw.), (→ Finanztransaktionssteuer) der erst zu einem festgelegten zukünftigen Zeitpunkt 1991 Endgültige Abschaffung aller Kapitalverkehrs- erfüllt werden muss, wobei Vertragsbedingungen und beschränkungen im grenzüberschreitenden Kapital- Preise heute festgeschrieben werden (vgl. → Rohstoff- verkehr. spekulation). Darunter fallen einerseits Futures und 1992 Maastrichter Vertrag (→ Europäische Verträ- Forwards (die Geschäfte werden in jedem Fall vollzo- ge) tritt in Kraft: "Alle Beschränkungen des Kapital- gen) und andererseits die viel häufigeren Optionen. verkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwi- Hier erwirbt die eine Vertragspartei gegen Zahlung schen Mitgliedsstaaten und dritten Ländern sind ver- eines Entgeltes das Recht, ein bestimmtes Gut in ei- boten." nem bestimmten Zeitraum von der anderen Vertrags- partei zu kaufen (Call) oder an sie zu verkaufen (Put). 2001 Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmens- Oder der Optionskäufer lässt sein Optionsrecht ver- anteilen werden steuerfrei gestellt. Verluste aus dem fallen. Hier wird der Wettcharakter dieser Geschäfte Verkauf können dagegen noch einige Jahre lang deutlich. steuermindernd geltend gemacht werden. 2001 Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsor- Swaps sind Vereinbarungen über den Austausch ge (Riester): durch Steuersubventionen hoch attraktiv von zwei Zahlungsströmen zwischen den beiden Ver- für die Finanzwirtschaft, weniger für die Sparer. tragspartnern. In der Regel geht es darum, Risiken zu verlagern. So möchte vielleicht ein Chemiekonzern 2003 Zulassung von Kreditverkäufen (die Hauptursa- stabile Energiepreise oder ein Schuldner mit variablen che für das US-amerikanische Finanzdesaster 2008) Zinsen einen stabileren Zinssatz oder ein Gläubiger 2004 Zulassung von Hedge-Fonds für ein breites Pu- ein geringes Konkursrisiko seines Schuldners. In die- blikum, damit Propagierung unbegrenzter Spekulati- sen Fällen sucht sich der Risikoscheue einen Partner on. (→ Fonds) (meistens eine Bank oder einen → Hedge-Fonds) und 2005 Förderung des Derivatehandels (Koalitionsver- vereinbart für einen Zeitraum (oft einige Jahre) die trag: "Verstärkter Einsatz neuer Finanzierungsinstru- monatliche Zahlung einer Prämie, während der Part- mente" und "Regulierung der Finanzaufsicht auf not- ner den Anstieg der Energiepreise übernimmt oder die wendiges Maß zurückführen") (→ Derivate) Energiepreisschwankungen absorbiert bzw. die Diffe- 2007 Steuerliche Begünstigung der speziellen Immo- renz des variablen zum langfristigen Zinssatz über- nimmt bzw. beim Konkurs des Schuldners die Kredit- bilienfonds REITs (→ Fonds) rückzahlung trägt. Alle Swaps haben Wettcharakter 2007 platzt die Finanzmarktkrise. Seither Lippenbe- mit dem Ziel, von den immanenten Risiken der Markt- kenntnisse zu wieder mehr → Regulierung. wirtschaft zu profitieren oder sie los zu werden. fg Terminhandel und Swaps mögen ursprünglich ein Si- cherheitsbedürfnis in einer als chaotisch empfindba- ren Marktwirtschaft befriedigt haben. Seit langem Derivat aber haben sich diese Geschäfte völlig von jeder real- Während Aktien und Anleihen einen realwirtschaftli- wirtschaftlichen Basis entfernt. Dies macht schon ihr chen Hintergrund haben bzw. zur Finanzierung der Umfang deutlich: Ende 2010 waren nach der Statistik Realwirtschaft dienen, sind Derivate (der Begriff ist der → BIZ außerbörsliche (over-the-counter OTC) De- lateinischer Herkunft und bedeutet Abgeleitetes) Fi- rivatgeschäfte in Höhe von mehr als 600.000 Mrd. nanzinstrumente, die völlig jenseits der Realwirt- Dollar noch offen, unerfüllt. Das ist eine Wettsumme, schaft, rein in der Finanzwirtschaft existieren. Ihr Preis die rund das zehnfache Welt-BIP ausmacht. Davon hängt von den derzeitigen oder von den zukünftigen beanspruchten Zinsgeschäfte mit 465 Billionen Dollar Preisen anderer Marktgrößen ab. Diese Größen kön- den Großteil, 58 Bio. Dollar fielen auf die Außenhan- nen künftige Warenpreise sein (Rohstoffe, Lebensmit- dels- und Währungsderivate, 30 Bio. Dollar auf Kre- tel) oder andere Wertpapiere (Aktien) oder sonstige ditsicherungs-Swaps (die berüchtigten → CDS) und Größen (Zinssätze, Wechselkurse, Börsenindices, Kon- 48 Billionen Dollar auf Warenderivate und anderes. kurswahrscheinlichkeiten, die Wetterentwicklung und Das sind kaum vorstellbare Größen: Auf jeden Welt- Schneehöhe). Es geht in allen Fällen darum, die Risi- bürger incl. der Milliarden Chinesen, Inder, Afrikaner ken aus der grundsätzlich unsicheren wirtschaftlichen entfiel rechnerisch eine noch offene Wettsumme von Entwicklung gegen Gebühr auf andere, risikofreudi- fast 100.000 Dollar. Diese Größenordnung macht gere (evtl. minder informierte) Vertragspartner zu überdeutlich, dass der größte Teil der Derivatverträge übertragen, oder die eigene bessere Prognose (mög- reine Spekulation ohne Absicherungshintergrund ist: licherweise die nur vermeintlich bessere) in Profit um- Zinsswaps ohne Kreditvertrag; Kreditausfall-Swaps zumünzen. Alle Geschäfte haben also eine Ähnlich- (CDS) über ein Unternehmen oder einen Staat ohne keit mit oder die Form von Wetten. irgendeine Kreditbeziehung zu ihnen; Devisenswaps
12 ohne jede Devisentransaktion aufgrund von Export senhändler und Finanzkonzerne, sondern auch die oder Import; Warenterminhandel ohne jegliches In- großen transnationalen Konzerne beteiligen. Durch teresse an der physischen Ware usw. die Abschaffung der Devisenkontrollen und die Auf- Anstatt, wie von den Marktwirtschafts-Apologeten hebung der Kapitalverkehrskontrollen Mitte der 70er versprochen, die Risiken zu minimieren und auf starke Jahre konnten die Spekulanten nun "around the risikofreudige Schultern zu verlagern, verstärken die- clock" und rund um den Globus zocken. Nach Anga- se Instrumente die Unsicherheiten und Schwankungen. ben der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsaus- (vgl. → Rohstoffspekulation, → Devisenspekulati- gleich) stiegen die Tagesumsätze im Devisenhandel on, → CDS) von 20 Milliarden Dollar (1973) auf 600 Milliarden fg Dollar (1990) weiter auf 1,5 Billionen Dollar (1998) und 4 Billionen Dollar (3.981 Mrd.) im Jahr 2010; 20 % höher als vor der Finanzkrise (2007). Gerade mal fünf Prozent der Giga-Summe haben den Zweck, Deutsche Bundesbank den Güter-, Dienstleistungs- und Reiseverkehr abzu- Die Deutsche Bundesbank ist die → Zentralbank der wickeln. Der Rest dient Finanzgeschäften und der di- Bundesrepublik Deutschland. Ihre gesetzlich festge- rekten Spekulation. Die Akteure sind Banken mit legten Aufgaben sind: stabiles Geld; stabiles Finanz- etwa 1,55 Billionen, andere Finanzinstitute 1,9 Billio- und Währungssystem; stabiles Bankensystem; siche- nen und Unternehmen 0,55 Billionen Dollar. rer Zahlungsverkehr; sicheres Bargeld. Spekulationsobjekt der internationalen Devisenspe- Die Banken- und Schuldenkrise hat offenbart, wie kulation sind inzwischen ganze Volkswirtschaften wenig die Bundesbank ihren Pflichten nachkommt. und deren Währungen. Die Spekulation nutzt nicht Weder ist das Geld stabil noch das Banken- und das nur bestimmte Kursschwankungen von Währungen Finanz- und Währungssystem. Stattdessen liegt die auf den Devisenmärkten aus, gibt sich nicht mit Arbi- Inflation klar über der 2%-Marke, die noch als stabi- trage-Gewinnen und Gewinnen aus Termingeschäf- ler Geldwert angesehen wird. Ins Bankensystem ten (z.B. Short-Seller als eine Form von → Leerver- musste der Staat über 240 Milliarden Euro Steuergel- kauf) zufrieden; das internationale Finanzkapital der einschießen, um die Schmelze des Systems zu führt mit massiven Kapitalmassen und Hebeln (→ verhindern. Und die Währung, der Euro, steht auf Hedge-Fonds) bestimmte Kursentwicklungen herbei. wackligen Beinen, die Finanzmärkte gehen immer of- Ausgangspunkt ist meist die Annahme, eine Wäh- fener zur Spekulation auf den Bruch der → Eurozone rung sei überbewertet. über. Zu den bekanntesten Spekulationen gegen ganze Oberstes Ziel aller Tätigkeiten der Bundesbank ist Währungen gehört die Spekulation von George Soros nach der gesetzlichen Vorgabe, die Stabilität des all- (Quantum Fonds) gegen das britische Pfund (1992), gemeinen Preisniveaus zu sichern. Dies war und ist die Spekulation gegen den mexikanischen Peso (1994) vor allem für die Inhaber der großen Geldvermögen von Vorteil. In Deutschland gibt es ein → privates Geldvermögen von fast 5 Billionen Euro. Diese Stabilitätsnorm versucht die Bundesbank auch dem Eurosystem aufzudrücken. Seit 1999 ist sie Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Der je- weilige Bundesbankpräsident ist Mitglied des Direk- toriums der → Europäischen Zentralbank, die für die Euro-Finanz- und Währungspolitik zuständig ist. Axel Weber, der vorletzte Bundesbankpräsident, hat sein Amt im Protest gegen die Ankaufspolitik von Staatsanleihen durch die EZB zur Verfügung gestellt. Der deutsche Chefvolkswirt der EZB, Stark, hat seinen Posten aus dem selben Grund quittiert. cs Devisen-/Währungs-Spekulation Spekulation auf dem Devisenmarkt, mit dem Ziel, Kursdifferenzen auf verschiedenen Märkten (Arbitra- ge) oder im Zeitablauf (Termingeschäfte: Spekulation auf steigende oder fallende Kurse) auszunutzen. Das wachsende globale Finanzvolumen im Vergleich zum produktiven Kapital stimulierte die Devisenspekulati- on in ungeheurem Maße, an der sich nicht nur Devi-
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