Amt und Gemeinde - Evangelische Kirche in Österreich
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Amt und Gemeinde 67. Jahrgang, Heft 3, 2017 € 6, – Die Bibel und ihre Übersetzung „Dass das Wort laufe und gepriesen werde …“ Siegfried Kreuzer 152 Martin Luther: Schriftsteller – Bibelübersetzer – Medienstar Gottfried Adam 178 Allein durch den Glauben Michael Bünker 191 *** Europa mit und ohne Grenzen Marko Kerševan 198 Minderheitenschutz oder Diskriminierung? Karl W. Schwarz 204 Und weitere Beiträge Evangelischer Presseverband Herausgeber: Bischof Michael Bünker
INHALT Editorial ....................................................................................... 149 Karl W. Schwarz *** Die Bibel und ihre Übersetzung „Dass das Wort laufe und gepriesen werde …“. Beobachtungen zur (neuen) Lutherbibel und zu Fragen der Bibelübersetzung ................................................................ 152 Siegfried Kreuzer Martin Luther: Schriftsteller – Bibelübersetzer – Medienstar. Der Reformator – einmal anders betrachtet ............................... 178 Gottfried Adam Allein durch den Glauben ............................................................ 191 Michael Bünker *** Dokumentation und Diskussion Europa mit und ohne Grenzen ................................................... 198 Marko Kerševan Minderheitenschutz oder Diskriminierung? Zur Karfreitags- regelung im österreichischen Arbeitsruhegesetz ........................ 204 Karl W. Schwarz
Rezensionen Karl W. Schwarz: Der österreichische Protestantismus im Spiegel seiner Rechtsgeschichte (2017) ................................................. 212 Michael Bünker Max Josef Suda: 95 biblische Meditationen (2017) ............................................... 215 Hannelore Reiner Welker / Beintker / de Lange (Hg.): Europa reformata. Reformationsstädte Europas und ihre Reformatoren (2016) ........................................................... 217 Karl W. Schwarz *** Anhang AutorInnen ................................................................................... 219 Impressum ................................................................................... 220
DIE BIBEL UND IHRE ÜBERSETZUNG Editorial Das vorliegende dritte Heft von Amt und Ordinarius berief. Ein früherer Aufsatz Gemeinde legt den Schwerpunkt auf die über „tiefenpsychologische Schriftinter Bibel und ihre Übersetzung. Herausge pretation“ (AuG 1989, 126 ff.) spiegelt ber und Redaktion grüßen mit diesem sich in seiner Gastvorlesung anlässlich Heft den emeritierten Neutestamentler der Bewerbung um das NT-Ordinariat in an unserer Wiener Fakultät Professor Wien (14.12.1996) wider, in der er „Be Wilhelm Pratscher, der am 15. August deutung und Grenzen neuerer methodi seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. Er hat scher Zugänge zum NT“ auslotete (AuG sowohl in der Wiener Superintendential 1997, 86 ff.). Hier sind weiters seine Stel versammlung als auch in der Synode A. B. lungnahme zur „Homosexualität in der und Generalsynode (2006–2011) als Dele Bibel“ (AuG 1994, 13 ff.), zum „Amt gierter mitgearbeitet und als theologischer der Einheit“ (AuG 1998, 105 ff.), zu den Fachmann seine Kompetenz eingebracht, „Leitungsorganen im frühen Christentum“ wofür ihm herzlich zu danken ist. (AuG 2001, 206 ff.), zu „Maria in der frühchristlichen Literatur“ (AuG 2007, Dass Pratscher schon seit vielen Jahren 82 ff.), über das Judasevangelium und den zu den Autoren von Amt und Gemeinde historischen Judas (AuG 2008, 186 ff), auf zählt, verdient hier besonders vermerkt einer anderen Ebene die Würdigungen des zu werden: So finden wir zahlreiche wissenschaftlichen Werkes seiner Vorgän Aufsätze, die seinen wissenschaftlichen ger Gottfried Fitzer (AuG 2003, 86 ff.) Werdegang markieren, in dieser Zeit und Kurt Niederwimmer (AuG 2015, schrift: eine Studie über „mythologische 40 ff.) zu erwähnen, schließlich eine Pre Vorstellungen als Mittel der Daseinsbe digt im Fakultätsgottesdienst (18.6.2012), wältigung in der gnostischen Jakobus die nicht nur erwähnt werden soll, weil tradition“ (AuG 1987, 76 ff.) verweist sie in AuG (2012/13, 336 ff.) veröffent auf seine international gefeierte Mono licht wurde, sondern auch als Hinweis auf graphie über den Herrenbruder Jakobus eine reiche Predigtmeditationstätigkeit und die Jakobustradition (1987), mit der für homiletische und andere fachtheolo er die Lehrbefugnis als Dozent für NT gische Organe dienen. Sein besonderes erwarb und die wohl auch die Ursache Interesse galt den Apostolischen Vätern, war, warum die Universität Bonn ihn als dazu verfasste er eine Einleitung (2009), Amt und Gemeinde 149
die ins Englische übersetzt wurde (2010); gewichtigen Publikationen, zumal seine sein Kommentar zum 2. Clemensbrief 1988 veröffentlichte Habilitationsschrift (2007) ist hervorzuheben, der in der re über die „Frühgeschichte Israels in Be nommierten Ergänzungsreihe zum Kri kenntnis und Verkündigung des Alten tisch-exegetischen Kommentar über das Testaments“ haben ihn an die Kirchli NT als Bd. 3 erschienen ist. Ein kleiner che Hochschule nach Wuppertal geführt Abschnitt über die „Bedeutung der Ge (1991–2015), wo er zu einem der erstran bote im 2. Clemensbrief“ ist ebenfalls gigen Erforscher der Septuaginta aufstieg. in dieser Zeitschrift (AuG 2004, 208 ff.) Nach seiner Emeritierung in Wuppertal nachzulesen. ist er nun wieder ganz nach Österreich zurückgekehrt und hat mit seiner vorlie Prof. Wilhelm Pratscher hat durch seine genden Untersuchung dargetan, worin der ruhige und besonnene Arbeit den interna große Erfolg der Lutherbibel gründete. tionalen Ruf der Wiener Fakultät bestätigt und bestärkt und der Sache, um die es Auch Gottfried Adam hat zu Luther Eini dem wissenschaftlichen Theologen stets ges zu sagen, er würdigt den Reformator gegangen ist, der Umsetzung des gelehr als „Medienstar“ und fügt seinen Beitrag ten Wissens in die Praxis des gelebten in das Themenheft „Bibel-Bibelüberset Glaubens, einen großen Dienst erwiesen. zung“ ein, ebenso der Beitrag des Her Dafür darf auch an dieser Stelle herzlich ausgebers Bischof Michael Bünker, der gedankt werden. am 28. Jänner 2017 in Graz einen Vortrag über Luthers „sola fide“ hielt und diesen An der Spitze des Heftes steht der ge für das vorliegende Heft zur Verfügung wichtige Beitrag des Alttestamentlers stellte. Siegfried Kreuzer. Er widmet sich aus Anlass der neuen Revision der Lutherbi Einen Blick über die Landesgrenzen hi bel der Frage nach der Übersetzung der naus führt uns nach Laibach / Ljubljana, biblischen Botschaft in ihrer Geschichte. wo am 9. Oktober 2016 eines der „Zwölf Mit diesem Beitrag begrüßen wir einen Apfelbäumchen für ein klares Wort“ ge vertrauten Freund, der in seiner früheren pflanzt wurde. So lautet das Programm Tätigkeit als Assistent und Dozent (1987) des Reformationsgedenkens der Evangeli an der Wiener Fakultät, als Direktor der schen Kirche A. B. in Rumänien, die nach Evangelischen Frauenschule und Evan Laibach einlud, um an Paul Wiener zu er gelischen Religionspädagogischen Aka innern, den Mitarbeiter von Primus Tru demie (1986-1991) immer wieder auch ber und ersten Bischof der Siebenbürger Beiträge und Rezensionen für Amt und Sachsen. Die Veranstaltung, an der auch Gemeinde (seit 1977) verfasste, etwa über unsere Kirche durch OKRin Gerhild Her hebräische und semitische Wörter in un gesell Anteil nahm, stand unter dem Motto serer Sprache (AuG 1983, 59 ff.). Seine „Europa mit und ohne Grenzen“. Dazu 150 Amt und Gemeinde
hielt der Laibacher Religionssoziologe Drei Rezensionen von Michael Bünker, Marko Kerševan, zugleich Vorsitzender Hannelore Reiner und von mir ergänzen der dortigen Primus-Truber-Gesellschaft, das Heft, mit dem wir einen guten Start den Festvortrag, der in diesem Heft do in das neue Arbeitsjahr wünschen. kumentiert wird. Nachtrag zu Heft 2/2017. Der dort ab Aus meiner Feder stammt eine rechts gedruckte Beitrag von Frau Professorin geschichtlich orientierte Analyse der Susanne Heine wurde zuerst in einer ita Karfreitagsregelung im österreichischen lienischen Tagungsdokumentation veröf Arbeitsruhegesetz, welche die (mögli fentlicht: Fabrizio Serra (Hg.), Passegna cherweise diskriminierenden) finanz di Pedagogia, Trimestrale di Cultura Pe rechtlichen Aspekte als sekundär von der dagogica, Pisa-Rom, Januar 2017. Ein Grundrechtsfrage abkoppelt, die Feier diesbezüglicher Hinweis ist in meinem tagsregelung aber als Schutzmaßnahme Editorial bedauerlicherweise unterblie zugunsten einer Minderheitskirche de ben, ich bitte um Entschuldigung. finiert und die Klage des atheistischen Arbeitnehmers zurückweist. Karl W. Schwarz Amt und Gemeinde 151
DIE BIBEL UND IHRE ÜBERSETZUNG „Dass das Wort laufe und gepriesen werde …“. Beobachtungen zur (neuen) Lutherbibel und zu Fragen der Bibelübersetzung Es ist mir eine Freude und Ehre, mit diesem Beitrag meinen Kollegen und Freund Wilhelm Pratscher zu seinem 70. Geburtstag herzlich zu grüßen. Die folgenden Ausführungen erscheinen anlässlich der neuen Revision der Lutherbibel. Sie setzen ein mit einem Blick auf die ersten Bibelübersetzungen und darauf, dass Ausbreitung der Kirche und Bibelübersetzung in der Antike Hand in Hand gingen. Es folgt ein Blick auf die mittelalterliche Spannung zwischen Bibelwunsch und Bibelverbot und auf den grundlegenden Durchbruch, den die Reformation bedeutete. Schließlich geht es um die Revisionen der Lutherbibel (auch in ihrem Verhältnis zur Einheitsübersetzung) und werden einige Übersetzungsentscheidungen vorgestellt und erörtert. Von Siegfried Kreuzer 152 Amt und Gemeinde
1. Vorgeschichte zeigt sich nicht zuletzt darin, dass z. B. Pau lus auf seinen Missionsreisen offensicht 1.1 Die Septuaginta als „Mutter lich überall in den jüdischen Gemeinden aller Bibelübersetzungen“ auf die Heiligen Schriften in griechischer Sprache Bezug nehmen und sie in seinen Bibelübersetzung als Vermittlung der Hei Briefen argumentativ einsetzen konnte. ligen Schriften in ein neues sprachliches Wie die griechischen Texte aus Qumran Umfeld begleitete schon früh die Über zeigen, wurden die Heiligen Schriften nicht lieferung der Bibel. Dabei gab es schon nur in der Diaspora sondern auch im Mut früh gewisse Grundprobleme, die immer terland auch in Griechisch gelesen. wieder eine Rolle spielen, insbesondere Die ältesten Handschriftenfunde aus die Frage der primären Orientierung an Qumran und Umgebung zeigen, dass man der Ausgangsprache oder an der Zielspra im 1. Jh. v. Chr. begann, die griechische che. Die älteste „Bibel“-Übersetzung ist Übersetzung formal an das Hebräische an bekanntlich die Übersetzung des „Alten zupassen, etwa in der Wortstellung oder Testaments“ in die griechische Sprache, durch stets einheitliche Übersetzung e ines die sog. Septuaginta („[Übersetzung der] bestimmten Begriffs (sog. konkordante Wie Siebzig“). Diese begann in der 1. Hälfte dergabe). Ein weiteres Problem ist, ob man des 3. Jh. v. Chr. begonnen wurde war einen Begriff funktional wiedergegen soll, für die meisten Schriften im Lauf des oder sozusagen wortwörtlich bzw. „mate 2. Jh. v. Chr. abgeschlossen.1 Diese Über rial“. So hatte z. B. die ursprüngliche Sep setzung war zwar von Buch zu Buch etwas tuaginta das Wort schofar = „Horn“ gemäß unterschiedlich, aber generell lehnte sie der Funktion mit salpinx = „Posaune“ wie sich eng an die hebräische Vorlage an, und dergegeben, in der Revision wurde dagegen zugleich nahm sie Bedacht auf die Ver eine materiale Wiedergabe gewählt, nämlich ständlichkeit im Griechischen. Grundlage keratine = Horn. Beides ist nicht falsch, son der Übersetzung ist nicht einfach der Text dern hat sein gutes Recht. Es kommt darauf an sich, sondern wie dieser verstanden an, welchen Zweck man verfolgt und welche wurde. Insofern ist die Septuaginta zu Übersetzungstechnik man wählt.2 gleich ein interessantes Zeugnis für die damalige frühjüdische Schriftauslegung. 2 Es ist interessant, dass Hieronymus bzw. die Vulgata Wie sehr die Septuaginta eine wichtige lateinisch cornu, „Horn“, also die materiale Entspre chung verwendet, während Luther die funktionale Grundlage für das Leben in der jüdischen Entsprechung „Posaune“ wählte. Für beides gibt es Diaspora des Mittelmeerraumes wurde, Anhaltspunkte in der Septuagintaüberlieferung: Hie ronymus bevorzugte hebraisierende Handschriften des griechischen Textes, während in der Aldina, d. h. in der Septuagintaausgabe, die Luther und seinen Mitarbeitern 1 Das Zeugnis dafür ist die Vorrede des Enkels von zur Verfügung stand, auch die älteren freieren Wieder Jesus Sirach, der im Prolog von der Übersetzung des gaben zu finden waren. Mit anderen Worten: Gesetzes, der Propheten und der Schriften spricht. Die in der evangelischen Kirche so beliebten Posaunen Ob dabei schon alle uns als „Schriften“ bekannten chöre verdanken ihre Existenz nicht nur der Lutherbibel Bücher vorlagen, muss allerdings offen bleiben. sondern indirekt bereits auch der Septuaginta. Amt und Gemeinde 153
Diese formal hebraisierende Überarbei Übersetzungen, die sog. Targume, über tung existierte bereits zur Zeit des Neuen rtrugen den Text in die aktuelle Volks Testaments. Beide Textformen, die ur sprache. Eine frühe syrische Übersetzung sprüngliche Septuaginta und die formal entstand wahrscheinlich im Zusammen hebraisierende Bearbeitung kommen in den hang der Bekehrung des Königshauses Schriftzitaten vor. Es ist klar, dass eine sol von Adiabene (im Nordosten des heutigen che formal-hebraisierende Übersetzung in Irak) zum Judentum. der Zielsprache nicht mehr so gut verständ Die Septuaginta wurde zur Mutter lich ist, dafür hat sie den Anschein der Nähe vieler Tochterübersetzungen. Die älteste zum Ursprung. Gerade durch die Fremdheit Tochterübersetzung aus der Septuaginta wirkt sie sozusagen „biblischer“. Ein mo ist die lateinische Übersetzung, deren An dernes Vergleichsbeispiel wäre die Überset fänge vielleicht noch in das Judentum zung von Buber und Rosenzweig,3 bei der zurückreichen. Ab dem 2. Jh. scheint sie ebenfalls durch die oft merkwürdige und jedenfalls dann weitgehend vorhanden fremdartige Wiedergabe der Eindruck einer gewesen zu sein und wurde ca. 200 von größeren Ursprünglichkeit und besonderer den lateinische Kirchschriftstellern zitiert. Nähe zum heiligen Original erweckt wer Jedenfalls hatte die lateinischsprachige den soll. Diese formalistische Bearbeitung Kirche im Westen des römischen Reiches war eine noch rein innerjüdische Revision, damit ihren Bibeltext in der Landesspra die sich dann in den Revisionen bzw. neuen che. Aber auch die Missionskirchen im jüdischen Übersetzungen des 2. Jh. n. Chr. Osten und Süden des römischen Reiches fortsetzte. hatten bald ihre Bibelübersetzungen: In Ägypten die koptische Bibel mit ihrem 1.2 Glaubensgemeinschaft älteren oberägyptischen (ab dem 3. Jh.) und Bibelverbreitung und jüngeren unterägyptischen (ab dem 4./5 Jh.) Zweig. Im Osten entstand die sy Das andere interessante Phänomen aus rische Übersetzung. Jenseits der Grenzen der Antike ist, dass Ausbreitung des Glau des römischen Reiches entstand die äthio bens und Übersetzung der Bibel immer pische Übersetzung, die gotische Überset Hand in Hand gingen. Das gilt nicht nur zung durch Wulfila, die georgische sowie für die Septuaginta, sondern auch für die die armenische Übersetzung. weiteren Übersetzungen, teils noch aus Insgesamt zeigt sich, dass in der Re dem Hebräischen, vor allem aber dann gel die Entstehung einer Kirche und die aus dem Griechischen. Die aramäischen Übersetzung der Bibel Hand in Hand gin gen, wobei die Bibelübersetzung nicht 3 Die Schrift. Aus dem Hebräischen verdeutscht von selten auch der erste größere literarische Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, 1926–1938; danach von Martin Buber bearbeitet und Text in der betreffenden Sprache war oder fertiggestellt. 1954–1962 in fünf Bänden erschienen, zuerst in Berlin, später in Heidelberg; zuletzt Stutt überhaupt erstmals zu ihrer Verschriftung gart 1992 (= 2016) und Gütersloh 2007. führte. 154 Amt und Gemeinde
1.3 Die Bibel in deutscher darunter eine Übersetzung des Matthäu Sprache sevangeliums.5 Diese entstand vermutlich so wie die Handschrift selbst um 810. Im Westen des römischen Reiches Das missionarische Anliegen zeigt sich herrschte die lateinische Sprache und mit auch darin, dass in der Handschrift auch ihr die lateinische Bibel vor. Diese wurde Predigten und weitere Abhandlungen ent bekanntlich um 400 n. Chr. von Hierony halten sind. Ob das Matthäusevangelium mus revidiert. Diese Revision verbreitet übersetzt wurde, weil es das erste ist, oder sich dann in Verbindung mit der karo weil es mit dem Missionsbefehl endet, lingischen Renaissance um 800 n. Chr. muss offen bleiben.6 und wurde so zur „Vulgata“, zur in den Etwas jünger und auch umfangreicher Kirchen West- und Südeuropas allgemein ist das althochdeutsche Bibelepos „Liber verbreiteten Bibelübersetzung. evangeliorum“ des Otfrid von Weissen Ähnlich wie in den Kirchengebieten des burg (im Elsaß), das 7104 Zeilen umfasst Orients gab es dann auch im Westen schon und um 840 entstand. Im Unterschied zur bald Bemühungen, die Heilige Schrift bzw. genauen Übersetzung des Mondseer Mat deren Inhalt in der Landessprache zu ver thäustextes ist der „Liber evangeliorum“ mitteln. Bekannt ist der um 830 entstan so wie der „Heliand“ ein literarischer Text. dene Heliand. Dieses Epos ist keine Bibel Die Texte zeigen, dass mit den Anfän übersetzung im engeren Sinn, aber doch gen der althochdeutschen Sprache schon das Bemühen, den Inhalt des Evangeliums, früh auch deutsche Übersetzungen der das Christusgeschehen, in der Landesspra Bibel entstanden. Im Grunde entspricht che darzustellen und zu vermitteln. das dem auch bei den vorhin genannten Schon früh gab es aber auch Anfänge Bibelübersetzungen genannten Anliegen einer richtiggehenden Bibelübersetzung, und Bedürfnis, die heiligen Schriften bzw. interessanter Weise auf österreichischem zumindest die Jesuserzählungen in der bzw. damals noch bajuwarischem bzw. ostfränkischem Gebiet. Zwar schon länger 5 Klaus Matzel, Der lateinische Text des Matthäus- bekannt aber immer noch wenig erforscht Evangeliums der Monseer Fragmente, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur sind die sog. „Mon(d)seer Fragmente“ (PBB) 87, Tübingen 1965, S. 289–363, wieder in: aus dem ehemaligen Kloster in Mondsee. ders., Gesammelte Schriften, hg. v. Rosemarie Lühr u. a., Heidelberg 1990, S. 252–326. Die Schreibung Neben anderen Schriften, insbesondere des Ortnamens Mondsee wechselte im Lauf der Zeit. Texten des Isidor von Sevilla,4 findet sich Die ca. 220 Fragmente enthalten 5 Texte, die jeweils lateinisch (linke Seite) und deutsch (rechte Seite) ge schrieben sind. Das Matthäusevangelium ist der erste 4 Wegen der Isidor-Schriften, die auch an anderen Text. Die Übersetzung folgt genau der Vulgata. Nach Orten überliefert sind, werden die Texte in der der Auflösung des Klosters im Jahr 1791 kamen die Forschung teilweise unter dem Stichwort Isidor- Fragmente nach Wien, weshalb sie auch manchmal Schriften erörtert; siehe etwa: Elke Krotz: Isidor als Wiener Fragmente bezeichnet wurden. von Sevilla ‘De fide catholica’, Althochdeutsche 6 Auffallend und befremdlich ist, dass zum Isisdor- Übersetzung und ‘Mon(d)seer Fragmente’, in: Rolf Komplex auch antijüdische Schriften (mit dem Streit Bergmann (Hrsg.): Althochdeutsche und altsächsi um den wahren Messias) gehörten. sche Literatur, Berlin 2013, S. 203–213. Amt und Gemeinde 155
Landessprache zur Verfügung zu haben. in der Zugänglichkeit der Bibel für die Nur dass nun der lateinische Bibeltext in Laien. Im Rahmen einer wechselhaften Form der Vulgata der Muttertext war und Geschichte widerrief 1080 Papst Gregor der deutsche Text die Tochterübersetzung. VII. die Erlaubnis für den Gebrauch der In der Folgezeit gab es verschiedent slawischen Sprache im Gottesdienst, wo lich Übersetzungen oder literarische Ge bei es insbesondere um den Gebrauch der staltungen biblischer Texte, vor allem der Bibel ging, und zwar mit der doch recht Evangelien. Zu nennen sind u. a. neben fadenscheinigen Begründung, dass „es der Vorauer Handschrift aus der Mitte dem allmächtigen Gott nicht ohne Grund des 12. Jh.s, die neben einem Genesis gefallen habe, dass die Heilige Schrift in text ein Lob Salomos, einen Judithtext gewissen Gegenden verhüllt sei, damit und aus dem Danielbuch die Geschichte sie nicht bei allseitiger Zugänglichkeit der drei Jünglinge im Feuerofen enthält, gewöhnlich werde und der Verachtung insbesondere die gut 50 sog. Wien-Mün anheimfalle oder von mittelmäßigen Men chener Evangelienfragmente aus der Zeit schen falsch verstanden werde und so in um 1200.7 Irrtum führe.“8 Besonders virulent wurden Bibelver 1.4 Bibelinteresse und bote angesichts der Reformbewegungen, Bibelverbot insbesondere der Katharer und der Wal denser, später auch der Hussiten, die ih Insgesamt zeigt sich ein beachtliches In rerseits landessprachliche Übersetzun teresse an den biblischen Erzählungen gen für Laien anfertigten. 1199 verbot und insbesondere an den Evangelien, Innozenz III. in einem Schreiben an den auch wenn diese Texte nicht der breiten Bischof von Metz das Lesen der Bibel Bevölkerung, sondern wohl vor allem in privaten Zusammenkünften. Zur Un etwa Nicht-Latein-Kundigen Laienbrü terstützung des Verbots wurde aus Rom dern in Klöstern und anderen gebilde eine Delegation entsandt, die französi ten Personen, etwa in den Städten, zu sche Bibelübersetzungen aufspüren und gänglich waren. Neben diesen deutschen verbrennen sollte, was zugleich auf das Übersetzungen gab es ähnliche Ansätze nicht seltene Vorhandensein solcher Über auch im Bereich anderer Sprachen. Al setzungen hinweist. Auf der Synode von lerdings zeigten sich in dieser Zeit auch Toulouse (1229) wurde den Laien der Be erste Gegenreaktionen im Sinne eines Ver sitz von Bibelübersetzungen untersagt, bots der Bibel in der Landessprache bzw. auf der Synode von Tarragona (1234) wurde, in Verbindung mit einem könig 7 Siehe dazu u. a. Horst Kriedte, Deutsche Bibelfrag mente in Prosa des XII. Jahrhunderts, Halle a. d. Saale 1930; und Karin Schneider, Gotische Schriften 8 Adolf Adam: Deutsch oder Latein? In: Adolf Adam: in deutscher Sprache, I. Vom späten 12. Jahrhundert Erneuerte Liturgie – Eine Orientierung über den bis um 1300, Text- und Tafelband, Wiesbaden 1987. Gottesdienst heute, Herder-Verlag, 1972. 156 Amt und Gemeinde
lichen Dekret, generell der Besitz einer lien sondern eine Evangelienharmonie romanischsprachigen (also einer landes plus Apg 1-5). In Verbindung damit sind sprachlichen) Bibel verboten. Solche Bi weitere Schriften, vor allem apologetische beln mussten innerhalb von acht Tagen Abhandlungen, des unbekannten Verfas nach Bekanntmachung des Dekrets zum sers erhalten, die auf eine Entstehung im Verbrennen abgegeben werden. 1202 er Raum von Krems schließen lassen.9 ließ ein päpstlicher Gesandter bei einer Der Verfasser bezeichnet sich selbst als Visitation in Löwen die Bestimmung, dass ungelernter Laie („vngelernt layn“), der alle französischen und deutschen Bücher, nicht geweiht und ordiniert ist („wann ih die sich auf die Bibel beziehen, bei den niht geweiht pin vnd geordent gots wort Bischöfen abzugeben seien, die über die zu predigen“). Er kannte aber die Postillen weitere Verwendung entscheiden sollen. des Nikolaus von Lyra und war offensicht 1210 erließ der Erzbischof von Sens ein lich auch sonst keineswegs ungebildet. Dekret, dass alle theologischen Schriften In den Vorreden zu den Büchern vertei in romanischer Sprache mit Ausnahme der digt der Autor sein Bemühen, die Heilige Heiligenlegenden den Diözesanbischöfen Schrift den Gläubigen in der Volksspra abzugeben seien. che nahezubringen. Offensichtlich wollte Bibelverbote wurden in der Folgezeit er die Bibel und mit ihr die Kirche den immer wieder erlassen und waren ein we Menschen nahebringen und andererseits, sentlicher Teil des Kampfes der römischen wie die weiteren Schriften erkennen las Kirche gegen Reformbestrebungen, wobei sen, auch Ketzer bekämpfen.10 Trotz des auch immer wieder der weltliche Arm zu durch Karl IV. erneuerten Bibelverbotes Hilfe genommen wurde. So erließ 1369 ließ sein Sohn Wenzel IV. die berühmte Kaiser Karl IV., der immerhin die Univer Wenzelsbibel anfertigen. Der Text der sehr sität in Prag gegründet hatte, auf Bitten schön gestalteten und kostbaren Hand Papst Urbans V. ein Edikt gegen deutsche schrift war natürlich wieder eine Über Auslegungen der Heiligen Schrift. setzung aus der Vulgata. Die für die Wen Die Spannung, in der Bibelüberset zelsbibel verwendete Übersetzung geht zung und Bibelverbreitung erfolgten, zeigt sich auch im Werk des sog. „Österreichi 9 Auch hier fällt wieder auf, dass sich die Abhandlun schen Bibelübersetzers“ aus der Zeit um gen nicht nur gegen „Ketzer“ sondern auch gegen die Juden wenden. 1350. Diese Übersetzung erfasste erst 10 Zur Sache und für weitere Literatur siehe den Artikel mals auch größere Teile des Alten Testa „Österreichischer Bibelübersetzer“ in Wikipedia ments (Genesis, Exodus, Tobias, Daniel, (https://de.wikipedia.org/wiki/Österreichischer_ Bibelübersetzer; 4.6.2017). Siehe auch: Freimut Hiob, sowie Proverbia und Ecclesiastes). Löser: Neues vom Österreichischen Bibelübersetzer. Sie ist erhalten im Schlierbacher Alten In: Ralf Plate / Martin Schubert (Hrsg.): Mittelhoch deutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Testament (weitere Teile wurden im Stift Literatur, Berlin 2011. Unter der Leitung von Löser läuft seit 2016 ein großes Forschungsprojekt, aller Melk gefunden) und im Klosterneuburger dings nicht bei der Österreichischen sondern bei der Evangelienwerk (nicht die vier Evange Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Amt und Gemeinde 157
wohl in die Mitte des 14. Jh. zurück, ihre noch im 14. Jh. entstanden war. Diese Herkunft ist jedoch unbekannt. Sie war Übersetzung, die manchmal als Vorläufe etwas freier als die spätere Mentelinbibel rin der Lutherbibel betrachtet wird, was und war wohl auch dem Übersetzer der allerdings nur im chronologischen Sinn Kobergerbibel bekannt. Die Wenzelsbi und im Sinn einer gedruckten Bibel, aber bel entstand zwischen 1390 und 1400. nicht im sachlichen Sinn gelten kann, war, In Folge der zeitweisen Absetzung ihres so wie die bisher genannten Bibeln, aus Auftraggebers wurde die Arbeit unterbro der Vulgata übersetzt. Sie ist beinahe eine chen. Zwar wurde sie 1441 unter Friedrich Wort-für-Wort Übersetzung, was sie na III. wieder aufgenommen, das Werk blieb türlich im Deutschen schwer lesbar macht. aber unvollständig. Es fehlen die Kleinen Diese beschwerliche Übersetzungsweise Propheten, 1. und 2. Makkabäer und das geht wohl nicht auf ein Unvermögen des ganze Neue Testament. Insofern handelt Autors zurück, sondern auf das Bemühen, es sich um keine Vollbibel. Für die 1441 allfällige Kritik oder gar die Verurteilung Blätter sollen 607 Kalbshäute verwendet als Ketzer hintanzuhalten: Man konnte sie worden sein. Die 654 Miniaturen sind damit verteidigen, dass sie sich ja eng an zum Teil mit Gold ausgelegt. Diese An die Vulgata hält und fast nur eine interli gaben machen nicht nur den Wert deut neare Verstehenshilfe für das lateinische lich, sondern auch, dass diese Bibel ein Original ist. Prunkobjekt und nicht für einen breiteren Die Mentelinbibel war die erste ge Gebrauch ausgelegt war.11 druckte deutsche Bibel und die erste in Die Spannung zwischen Bibelüberset einer Volkssprache gedruckte Bibel über zung und Bibelverbot zeigt sich deutlich haupt (die berühmte Gutenbergbibel von bei der sog. Mentelinbibel (gedruckt 1466 1452-1454 war eine Ausgabe der Vulgata bei Mentelin in Straßburg). 12 Die Grund gewesen). Sie wurde zwar bis zum Er lage dieser Ausgabe war eine Übersetzung scheinen der Lutherbibel mehrfach nach der Bibel aus dem Nürnberger Raum, die gedruckt, ihre Wirkung blieb aber doch gering.13 11 Zur Wenzelsbibel siehe u. a.: Horst Appuhn: Wenzelsbibel: König Wenzels Prachthandschrift der deutschen Bibel. Harenberg, Dortmund 1990; Rudolf Hopmann: König ohne Kaiserkrone oder Eine Bibel 13 Das lag wohl nicht nur an der schwierigen Sprache, für den Papst – Die (Bilder)Sprache der Wenzelsbi sondern auch am Preis: Im Exemplar der Bayeri bel. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2015 (dass schen Staatsbibliothek findet sich die Notiz, dass das diese Bibel den Papst zur Verleihung der Kaiserwür Buch vom Augsburger Chronisten Hektor Mülich, de an Wenzel motivieren sollte, bleibt allerdings an um den Preis von 12 Gulden gekauft wurde: gesichts der deutschen Sprache und des Bibelverbost „1466 27 Junio ward ditz buch gekaft vneingepun eine wenig wahrscheinliche Vermutung). den vmb 12 gulden“. Das entsprach angeblich etwa 12 Zur Mentelinbibel siehe: Wilhelm Walther: Die dem Wert von vier Ochsen. – Bedenkt man, dass ein deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters, ausgewachsener Ochse ca. 500 kg Fleisch ergeben Braunschweig 1889–1892, Sp. 306–320; Michael konnte, und dass Fleisch damals wertvoller war als Landgraf, Henning Wendland: Biblia deutsch. Bibel heute, so ergibt für heutigen Wert ein Preis von ca. und Bibelillustration in der Frühzeit des Buchdrucks, 500 kg × ca. 20,– / kg = ca. 10.000,– Euro pro Ochse Speyer, Evangelischer Presseverlag Pfalz, 2005. und damit ca. 40.000,– Euro. 158 Amt und Gemeinde
Von den insgesamt 14 vor der Luther sich seinerseits in höchsten Kreisen, wo bibel gedruckten deutschen Bibeln ist bei er die nationalen Ansprüche des Kö vor allem die 1483 in Nürnberg bei dem nigs gegen Rom unterstützte. Zugleich sehr erfolgreichen Buchdrucker Kober trat er für eine Kirchreform eine und übte ger erschienene Kobergerbibel zu erwäh u. a. Kritik an Reliquienverehrung und nen. Diese mit reichem Bildmaterial aus Zölibat. Dafür und insbesondere für die der Kölner Bibel von 1478 ausgestat auf ihn zurückgehende Predigerbewe tete Ausgabe erschien in fünf Auflagen. gung der sog. Lollarden war natürlich Auf Grund der üblichen Anzahl von wiederum die Bibel in der Landesspra 200 bis 300 Exemplaren pro Auflage che von großer Bedeutung. Wycliff war schätzt man eine Gesamtzahl von 1000 bis nicht der erste englische Bibelübersetzer, 1.500 Exemplaren, von denen bis heute ca. sondern er sammelte Bibelübersetzun 150 Exemplare erhalten sind.14 gen in der Landessprache. Die auf ihn zurückgehende zusammenfassende Be 1.5 Bibelübersetzung arbeitung, die 1383 erschien, wird dann in anderen Ländern gerne als erste englische Bibelüberset zung betrachtet. Das Bemühen um Bibelübersetzung gab Erwähnt sei auch noch, dass um 1360 es natürlich auch in anderen Ländern, eine vollständige Übersetzung der Bibel typischer Weise auch da immer wieder ins Tschechische entstand, und zwar im in Verbindung mit Reformbestrebun Augustinerkloster Rudnice (an der Elbe). gen. Für die auf Petrus Valdes aus Lyon Sie wurde später von Jan Hus revidiert (ca. 1150 – ca. 1215) zurückgehenden und 1488 zum ersten Mal gedruckt (Pra Waldenser, die sich in Südfrankreich, im ger Bibel). Diese war die erste tschechi Piemont, in Italien und auch in Österreich sche und zugleich die erste in einer sla (vor allem im Donauraum, mit einem wischen Sprache gedruckte Bibel. Auf wichtigen Zentrum in Steyr) ausbreite dieser Basis entstand später die (auch an ten, waren neben einem Leben in Armut Hand des hebräischen und griechischen die Predigt des Evangeliums und persön Urtextes und – wie sich u. a. aus der An liches Bibelstudium von großer Bedeu ordnung der Apokryphen zwischen AT tung. Beides setzt Bibelübersetzungen in und NT ergibt – gewiss auch in Kennt die jeweilige Landessprache voraus. Für nis der Lutherbibel gearbeitete) Kralitzer England ist die Tätigkeit von John Wyc Bibel (1579–93), gedruckt in der gehei liff (vor 1330-1384) bekannt. Er bewegte men Druckerei der Böhmischen Brüder in Kralitz, westlich von Brünn. 14 Virtueller Katalog: ‚Mit schönen figuren‘ – Buch kunst im deutschen Südwesten. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek Heidelberg und der Württem bergischen Landesbibliothek Stuttgart: www.ub.uni-heidelberg.de/ausstellungen/buch kunst2014/sektion1/I_01.html (abgerufen 6.6.2017). Amt und Gemeinde 159
2. Die Lutherbibel auch wenn Luther ihn der Sache nach gewiss weithin gut kannte.15 2.1 Die Übersetzung des Ein wesentlicher neuer Aspekt war, Neuen Testaments und dass Luther nicht aus der lateinischen Vul ihre Textgrundlage gata übersetzte, sondern aus dem griechi schen Neuen Testament. Ein wichtiger Martin Luther war auf Grund seiner Grund war die Erkenntnis, dass im Streit Studien wie auf Grund seiner Aufgabe um die Wahrheit nicht eine Übersetzung als Professor für (wie man heute sagen ausschlaggebend sein konnte, sondern nur würde) Bibelwissenschaft mit der Bibel der Urtext.16 Damit kam Luther aus einem bestens vertraut, und zwar zunächst und anderen Grund zum Anliegen der Huma in erster Linie natürlich mit der lateini nisten mit ihrem Grundsatz „ad fontes“. schen Bibel. Seine Vorlesungen zeigen Es traf sich gut, dass erst wenige aber, dass er sich auch schon früh mit Jahre zuvor, nämlich 1516, die griechi dem griechischen und auch mit dem he sche Ausgabe des Neuen Testaments von bräischen Text beschäftigte. Erasmus erschienen war. Das Interesse an Der äußere Anlass für die Überset originalsprachlichen Ausgaben des bibli zung der Bibel bzw. zunächst des Neuen schen Urtextes war schon älter und hatte Testaments war bekanntlich seine am bereits erste Früchte getragen: 1494 war 4. Mai 1521 bei Altenstein in Thüringen in Brescia eine Ausgabe des hebräischen erfolgte „Entführung“ auf dem Rückweg vom Reichstag in Worms und sein un 15 Für dieses „Kennen“ markant ist die Bemerkung in seinem Rückblick auf die reformatorische freiwilliger Aufenthalt auf der Wartburg. Entdeckung, dass die Gerechtigkeit Gottes nicht sein Nach den Ereignissen der vorangegan richterliches sondern sein rettendes Handeln bezeich net: „Bis ich dank Gottes Erbarmen unablässig Tag genen Jahre und Wochen war es nahelie und Nacht darüber nachdenkend auf den Zusammen gend, im Sinn der reformatorischen Ent hang der Worte aufmerksam wurde, nämlich ‚Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart wie geschrieben deckung und dem grundlegenden Bezug steht: Der Gerechte lebt aus Glauben.‘ Da begann auf die Bibel, der Bibel bzw. zunächst ich die Gerechtigkeit Gottes zu verstehen als die, durch die als durch Gottes Geschenk der Gerechte dem Neuen Testament eine weitere Ver lebt, nämlich aus Glauben … Da zeigte mir sofort die ganze Schrift ein anderes Gesicht. Ich durchlief breitung zu geben. dann die Schrift nach dem Gedächtnis[! S. K.] und Luther übersetzte das Neue Testament sammelte entsprechende Vorkommen auch bei ande ren Vokabeln, z. B. Werk Gottes, d. h. was Gott in uns in knapp drei Monaten bzw. in knapp wirkt, Kraft Gottes, durch die er uns kräftig macht, 90 Tagen. Da das Neue Testament 259 Weisheit Gottes, durch die er uns weise macht …“. Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe Kapitel hat, sind das knapp drei Kapitel der lateinischen Schriften Luthers (1545). Zitat nach pro Tag bzw., da er gewiss den Sonntag der Ausgabe Karin Bornkamm / Gerhard Ebeling (Hg.), Martin Luther. Ausgewählte Schriften, Bd. 1. arbeitsfrei hielt, etwas mehr als drei Ka Luther, 1982, 22 f. pitel pro Werktag. Das ist eine beachtli 16 Siehe dazu Karl Holl, Luthers Bedeutung für den Fortschritt der Auslegungskunst, in: ders., Gesam che Leistung für diesen schwierigen Text, melte Aufsätze zur Kirchengeschichte I., Tübingen 1921, 414–450. 160 Amt und Gemeinde
Alten Testaments erschienen. Eine noch Theologen und andere Gelehrte. Interes größere Leistung war die in Complutum santer Weise spricht aber auch Erasmus bei Madrid erstellte Ausgabe der gesam im Vorwort von Widerständen gegen die ten Bibel in Hebräisch, Griechisch und Verbreitung der Bibel. 1519 erschien eine Latein, die sog. Complutensische Poly neue Auflage, die vor allem Fehler, die in glotte, die in 6 Bänden von 1514 bis 1520 der Hektik der Konkurrenz mit dem spa gedruckt wurde und die neben dem Al nischen Projekt entstanden waren, ver ten Testament auch das Neue Testament besserte. Ein Nachdruck dieser Auflage und eine Wörterbuch umfasste.17 Abge stand Luther für seine Übersetzung zur sehen davon, dass diese Ausgabe wohl Verfügung. Die Ausgabe des Erasmus ist nicht allzu schnell in Deutschland zur zweisprachig, Griechische mit lateini Verfügung gestanden hätte, war es Eras scher Übersetzung. Erasmus bot beides, mus gelungen, ein kaiserliches Privileg im humanistischen Sinn von ad fontes zu erwirken, dass für sechs Jahre nur das eine Ausgabe in der Originalsprache und Neue Testament des Erasmus verkauft dazu eine lateinische Übersetzung, die im werden durfte. Dieses Privileg ist auf dem Grunde eine verbesserte Vulgata darstel Titelblatt (im unteren Teil) erwähnt. Eras len sollte. – Ein Nachdruck dieses „No mus hatte schon seit etwa 1506 an dieser vum Instrumentum“ in der Auflage von Ausgabe gearbeitet und im Lauf der Zeit 1519 stand für Luther auf der Wartburg auch zwischen Nähe und Distanz zum zur Verfügung. Durch Luther wurde es überkommenen Vulgatatext geschwankt. in der Tat ein „Instrument“, nämlich der Erasmus nannte seine Ausgabe nicht Kirchenreform. Novum Testamentum sondern „ Novum Nach der im März erfolgten Rück Instru mentum“, wohl im Sinn von kehr Luthers von der Wartburg wurde die Instrument zur Verbesserung des lateini Übersetzung im Sommer 1522 zum Druck schen Textes. Im Prinzip war auch er an vorbereitet. Nicht zuletzt wurde sie auch einer Reform der Kirche interessiert. Al von Melanchthon durchgesehen, der seit lerdings dachte er – so wie zunächst auch 1518 in Wittenberg war. Die Übersetzung Luther bei der lateinischen Abfassung wurde in der beachtlichen Auflage von seiner Thesen – an eine Reform durch die 3.000 Exemplaren gedruckt und erschien im September. Dieses Septembertesta ment von 1522 war bereits im Dezember, 17 Diese Ausgabe ist sowohl von der textlichen Seite (d. h. bezügliche der zu Grunde gelegten Hand also nach nur drei Monaten ausverkauft schriften) her als auch in ihrer drucktechnischen und musste nachgedruckt werden. Gestaltung eine großartige Leistung. Bezeichnend für die dogmatische Bindung an den lateinischen Text und die Ambivalenz gegenüber den älteren Sprachen ist aber doch die im Vorwort gegebene Erklärung der Anordnung der Spalten in der Rei henfolge hebräisch-lateinisch-griechisch, womit der lateinische Text wie Christus am Kreuz zwischen den Schächern[!] stehe. Amt und Gemeinde 161
2.2 Vom Neuen Testament Die Übersetzung wie auch die Re zur Gesamtbibel und vision war immer eine Teamarbeit. Ab zu den Revisionen 1531 wurde die Arbeit durch die Proto kolle von Georg Rörer detailliert fest Mit der Rückkehr Luthers von der Wart gehalten. Neben Luther und Melanch burg setzen zwei Dinge ein, die auch in thon bildeten Caspar Cruciger und der weiterer Folge die Luther Bibel bestimm Hebraist Matthäus Aurogallus den en ten, nämlich die Überarbeitung bzw. Revi geren Kern der Arbeitsgruppe, zu dem sion und die Arbeit in einem Team. Wie er zeitweise weitere Personen dazukamen. wähnt war schon das Septembertestament Die Arbeit wurde später auch von Johan von Melanchthon durchgesehen worden. nes Mathesius beschrieben, der 1540 bis Der erste Nachdruck, das sog. Dezem 1542 in Wittenberg weilte: „Kam Doc bertestament, wurde an einzelnen Stellen tor [Martin Luther] inn das Consisto aber auch in der Bildausstattung verbessert. rium mit seiner alten Lateinischen und 1529 wurde eine gründliche Revision des newen Deutschen Biblien, dabei er auch Neuen Testaments durchgeführt. stettigs den Hebräischen text hatte. Herr Das Alte Testament entstand sukzessive: Philippus [Melanchthon] bracht mit sich 1524 waren der Pentateuch und einzelne den Greckischen text, Doctor Creutziger historische und poetische Bücher über neben dem Hebreischen die Chaldeische setzt. 1531 wurde der Psalter umfassend Bibel. Die Professoren hatten bey sich revidiert und für den Druck fertiggestellt, jre Rabbinen, D. Pommer [Bugenhagen] 1532 waren die Propheten fertiggestellt, het auch lateinischen Text für sich, dar 1534 schließlich die Gesamtbibel, für die inn er sehr wol bekannt war. Zuvor hat nochmals alles durchgesehen wurde. Die sich ein jeder auff den text gerüst, dauon Gesamtbibel erschien im Herbst 1534 in man ratschlagen solte. Greckisch vnnd sechs Teilen (Pentateuch, historische Bü Lateinische neben den Jüdischen außle cher, Poetische Bücher, Propheten, Apokry gern vbersehen. Darauff proponirt dieser phen, Neues Testament) mit insgesamt 900 President [= Luther, S. K.] ein text ynd Blättern. Die letzte Ausgabe, die unter der ließ die stimm herumb gehen vnd höret Ägide Luthers erschien, wurde ab 1541 re was ein jeder darzu zu reden hette, nach vidiert und erschien 1545 in Wittenberg. Sie eygenschafft der sprache oder nach der gilt daher als die Ausgabe letzter Hand.18 alten Doctoren außlegung. Wunder schöne und lehrhafftige re den sollen bey diser arbeyt gefallen sein, 18 Diese Ausgabe letzter Hand ist in vielen Nachdru cken und Faksimileausgaben nachgedruckt, z. B.: welcher M. Georg [Rörer] etliche auffge D. Martin Luther, Die gantze Heilige Schrift Deu zeichnet vnd die hernach als kleine glöß dsch, Wittenberg 1545. Letzte zu Luthers Lebzeiten erschienene Ausgabe; in zwei Bänden und mit diver sen Beigaben herausgegeben von Hans Volz unter Mitarbeit von Heinz Blanke, München 1972 (diverse Nachdrucke und Lizenzausgaben). 162 Amt und Gemeinde
lein vnd außlegung auff den rand zum text Bedürfnis nach Orientierung an der Bibel, gedruckt sein.“19 insbesondere dem Neuen Testament ver Diese Beschreibung zeigt u. a., dass bunden. Das Anliegen der Kirchenreform nicht nur in der damals bestmöglichen und auch das Bedürfnis nach grundlegen Weise am Urtext und den alten Überset der Orientierung an der Bibel waren durch zungen gearbeitet wurde, sondern dass die Steigerung der Missstände durch den auch die Auslegungsgeschichte („nach Ablasshandel und durch Luthers Thesen der alten Doctoren Auslegung“) der grie und die folgenden Disputationen und chischen und lateinischen Tradition und die reformatorischen Schriften Luthers nicht zuletzt auch die jüdische Auslegung in eine neue Phase getreten. Die Situation berücksichtigt wurde. Für letzteres wurde hatte sich mit dem Reichstag zu Worms wohl vor allem die 1524/25 in Venedig nocheinmal zugespitzt und zugleich war erschienene Bombergiana des aus Tunis Luther durch seinen Widerstand vor dem vertriebenen Jacob ben Chajim verwen Kaiser noch bekannter geworden. det. Diese enthielt neben dem hebräischen Ein weiterer Faktor war, dass durch Text auch Targume und rabbinische Aus die Entwicklung im Buchdruck Bücher legungen. billiger geworden waren. Auch wenn das Neue Testament noch immer mehr als 2.3 Gründe für den Erfolg ein durchschnittliches Monatseinkommen der Lutherbibel kostete, so war es doch für weitere Kreise erschwinglich geworden. Was trug zu diesem überwältigenden Er Die eigentliche Motivation lag aber folg der Übersetzung Martin Luthers bei? in der Sache selbst, nämlich einerseits Gewiss war es zunächst und vor allem die in dem Bedürfnis, die Bibel selber lesen seit 1517 in ganz neuer Weise angelaufene und damit die Kirche mit ihrer Grund Diskussion um die Kirchenreform. Wie lage vergleichen und nachprüfen zu kön die oben dargestellte Vorgeschichte bis hin nen, und andererseits doch auch an der zum Novum Instrumentum des Erasmus Sprachgestalt und Sprachgewalt dieser zeigt, war die Kirchenreform – und zwar Übersetzung, die einen Zugang zu den nicht nur in organisatorischer Hinsicht Inhalten der biblischen Schriften und da sondern auch im Sinn des geistlichen Le mit eine neue Gestaltung der Frömmigkeit bens und der Gestaltung der Frömmigkeit ermöglichte. – seit langem mit dem grundsätzlichen Mit dem zugleich humanistischen und theologischen Prinzip, ad fontes, zu den 19 Zitat nach: Stefan Michel, Die Revision der Luther Quellen bzw. zur Grundlage zurückzuge bibel zwischen 1531 und 1545. Beobachtungen in hen, hatte sich Luther auch vom Zwang den Protokollen von Georg Rörer, in: Melanie Lange und Martin Rösel, Was Dolmetschen für Kunst und der Nähe zum Lateinischen befreit. Bi Arbeit sei. Die Lutherbibel und andere deutsche Übersetzungen. Beiträge der Rostocker Konferenz belverbot und Zwang zum Lateinischen 2013, Leipzig und Stuttgart 2014, 83–106: 87. oder zumindest eine möglichst große Amt und Gemeinde 163
Nähe auch der deutschen Übersetzung derten Nachdrucks des Septembertesta zum Lateinischen zählten für ihn nicht ments beifügte und das wiederholt nach mehr. Luthers gern zitierte Äußerung, gedruckt wurde. dass man dem Volk aufs Mauls schauen Luther verwendete die regionale Kanz müsse und darauf achten, wie „die Mutter leisprache von Meissen. Er ergänzte aber im Haus, die Kinder auf der Gasse und deren Bestand durch eine Reihe von Wör der gemeine Mann auf dem Markt“ reden, tern, die er tatsächlich vom Volk aufnahm, ist auf diesem Hintergrund zu verstehen, dem er „auf’s Maul schaute“, aber auch zumal Luther seine Bemerkung genau mit durch eine ganze Reihe von Neuschöp diesem Kontrast zur lateinischen Sprache fungen, die er erfand, um die biblischen einleitet.20 Sachverhalte zum Ausdruck zu bringen.22 Ein gewisser Vorteil war auch die Während Luthers Orthographie wie Sprache Luthers, die man als (ost)mit damals üblich zunächst noch ziemlich teldeutsch bezeichnen kann. Diese war unregelmäßig war, wurde sie allmählich sowohl im Oberdeutschen als auch im regelmäßiger. Das hatte schon bei den Niederdeutschen einigermaßen gut ver reformatorischen Schriften Luthers be ständlich. Allerdings waren damit kei gonnen und setzte sich in der Deutschen neswegs alle Regionen des deutschen Bibel fort. Das ergab sich einerseits aus Sprachraums erfasst. Es entstanden so der Revisionsarbeit, andererseits auch von wohl nieder (/nord-) deutsche als auch Seiten der Buchdrucker, die im Sinn ei süddeutsche Ausgaben, die faktisch den ner möglichst großen Auflage und weiten Text Luthers boten, in denen aber weni Verbreitung eine möglichst konsistente ger gebräuchliche oder unbekannte Wör Schreibweise haben wollten. ter durch regional gebräuchliche ersetzt Luther verwendete intensiv die da wurden.21 Ein beliebtes Hilfsmittel für den mals noch kaum gebräuchliche Groß oberdeutschen Raum wurde das Glossar, schreibung. Sie diente der Hervorhebung das der Baseler Buchdrucker Adam Petri wichtiger Wörter („Hauptwörter“ im ur 1523 der zweiten Auflage seines unverän sprünglichen Sinn), und zwar nicht nur von Nomina sondern auch von anderen 20 „man mus nicht die buchstaben inn der lateinischen sinntragenden Wörtern. Auch diese prak sprachen fragen, wie man sol Deutsch reden, wie tische Erfindung zeigt die Orientierung diese esel thun, sondern, man mus die mutter jhm hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen, und den selbigen auff das maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetz schen, so verstehen sie es den und mercken, das man 22 Siehe dazu u. a. die Beiträge im Internet: Deutsch mit jn redet.“ Martin Luther, Sendbrief vom www.die-bibel.de/ueber-uns/unsere-uebersetzungen/ Dolmetschen, 1530. lutherbibel-2017/reformationsjubilaeum/rede 21 Zur Geschichte der deutschen Sprache siehe etwa: wendungen-der-lutherbibel (20.6. 2017) und Peter von Polenz: Geschichte der deutschen Sprache, www.luther2017.de/de/reformation/und-gesellschaft/ De Gruyter Studienbuch, 10. völlig neu bearbeitete deutsche-sprache/wem-hat-luther-aufs-maul- Auflage von Norbert Richard Wolf, Berlin / New York geschaut-luthers-einfluss-auf-die-sprache (Interview 2009. mit Hartmut Günther; abgerufen 20.6.2017) 164 Amt und Gemeinde
an den Lesenden und an dem Anliegen, Die Kodizes platzierten die Apokryphen die Botschaft des Textes zu vermitteln.23 durchaus unterschiedlich und variierten So waren insgesamt durchaus verschie auch im Umfang. So hat z. B. der be dene Faktoren wirksam, aber entschei rühmte Kodex Vaticanus aus dem 4. Jh. dend war doch, dass es um eine deutsche keine Makkabäerbücher, dagegen bietet Bibel ging, d. h. eine Übersetzung, die erstmals der aus dem 5. Jh. stammende sich an der Zielsprache orientierte und Kodex Alexandrinus die Oden und mit ih den alten Bann des Lateinischen brach,24 nen erstmals das Gebet des Manasse, das und die zugleich sorgfältig am Urtext ori sich dann auch in der Vulgata findet und entiert war. mit dem dann Luther die Apokryphen und damit das ganze Alte Testament abschloss. 2.4 Zur Stellung der Von den Kirchschriftstellern der Antike Apokryphen wurden Unterschiede und Abstufungen erörtert, auch die altkirchlichen Ka Bis in neueste Zeit findet sich die Behaup nonslisten sind nicht einheitlich. Gerade tung, dass Luther die sog. Apokryphen aus Hieronymus, der Übersetzer und Gestal der Bibel entfernt hätte. Diese Behauptun ter der Vulgata, machte einen deutlichen gist in zweierlei Hinsicht falsch, einerseits Unterschied zwischen den Schriften mit werden Diskussionen des 19. Jh.s in das hebräischem Text und den nur Griechisch 16. Jh. zurückprojiziert, und andererseits geschriebenen bzw. erhaltenen. Festzu werden Entscheidungen des Tridentinums halten ist, dass auch in der lateinischen in die Zeit Luthers zurückprojiziert. Tradition die Zahl und die Zuordnung Zunächst ist festzuhalten, dass die der Apokryphen schwankte und dass die Stellung der sogenannten Apokryphen Vulgata weniger „apokryphe“ Schriften in der mittelalterlichen und vortridenti enthält als die Septuaginta. nischen Zeit keineswegs einheitlich war. Luther blieb mit seiner Einstufung der einzelnen sog. Apokryphen durchaus im Rahmen der Tradition. So schreibt Luther in der Vorrede zu Jesus Sirach: Das Buch 23 Dass die Großschreibung später auf Nomina und no minale Fügungen bezogen wurde, ist eine Sache der ist „von den alten Vetern nicht in der Zal weiteren Entwicklung. Dass sich die Großschreibung der heiligen Schrifft / sondern als sonst trotz diverser Anläufe zu ihrer Abschaffung (siehe z. B. das große Wörterbuch der Brüder Grimm) nicht ein gut / fein Buch eins weisen Mannes abgeschafft werden konnte, zeigt, dass sie zum Lesen gehalten / Da bey wirs auch lassen blei und Erfassen eines Textes äußerst hilfreich ist. ben.“ Luther nimmt hier klar auf die Tra 24 Diese Freiheit vom lateinischen Sprachduktus ist zu unterscheiden davon, dass Luther an manchen dition Bezug und sagt ausdrücklich, dass Stellen der Sache nach dem Wortlaut der Vulgata er es dabei belassen will. Ähnliches gilt folgte, etwa mit der Übersetzung von Phil 4,7 als Wunsch: „Der Friede Gottes … bewahre eure Herzen auch für die anderen Schriften, die Luther und Sinne …“ (gegenüber „wird bewahren“, wie es im Griechischen lautet und jetzt in der neuen Luther durchaus loben und auch tadeln kann, aber bibel wiedergegeben ist). zu denen sein Urteil, dass sie nicht der Amt und Gemeinde 165
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