THEMA: "MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!" - FALSCH VERSTANDEN? - Evangelisches ...

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THEMA: "MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!" - FALSCH VERSTANDEN? - Evangelisches ...
Magazin der Evangelischen Kirche A.B. u. H.B.         Ausgabe 4 | Dezember 2019 – Februar 2020
                Baden, Pfaffstätten, Alland und Heiligenkreuz

                                  Alles,
                                  was die gesunde Natur tut,
                                  ist göttlich.
                                          J. C. Friedrich Schiller
Foto: Pixabay

                THEMA:
                „MACHT EUCH DIE ERDE                            KIRCHENSANIERUNG:
                UNTERTAN!“ —                                    SETZ AUF DIESE BANK –
                FALSCH VERSTANDEN?                              DANN SITZT DU GUT!
THEMA: "MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!" - FALSCH VERSTANDEN? - Evangelisches ...
Foto: Wieland Curdt

                          „Der Klimawandel verändert tiefgreifend
                          die Lebensbedingungen der außermensch-
                          lichen Natur. Lebensräume für Pflanzen
                          und ­Tierarten verschwinden, und damit
                          wird auch die biologische Vielfalt der Erde
                          ­geringer. So ist der Klimawandel auch ein
                           Problem der Schöpfungsgerechtigkeit …“
                           
                                                Karl Kardinal Lehmann,
                                             Vorsitzender der Deutschen
                               ­Bischofskonferenz in „Der Klimawandel:
                             Brennpunkt globaler, intergenerationeller
                                  und ökologischer Gerechtigkeit“, 2006

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THEMA: "MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!" - FALSCH VERSTANDEN? - Evangelisches ...
Liebe Leserin, lieber Leser,

von Kanada bis Neuseeland, von Südamerika bis Japan – welt­
weit protestieren Menschen für den Klimaschutz. Oft unter
dem Motto „Fridays for Future“. In diesem Jahr wurden unter
dem Ruf „climing for future“ oder – wie in Baden – „Parents
for future“ auch weitere Aktionen gestartet. Der Rückgang
bzw. das Aussterben zahlreicher Tierarten, das Schmelzen von
Gletschern und Eisbergen, die stetig anwachsenden Müll­berge
und der globale Temperaturanstieg machen i­nsbesondere
jüngeren Menschen Angst. Greta Thunberg hat eine Lawine
ins Rollen gebracht. Dabei gelangen zunehmend mehr Men­
schen zu der Überzeugung: Die Bewahrung der Natur stellt
für die Menschheit wohl die wichtigste Herausforderung im
21. Jahrhundert dar.
Es ist Aufgabe der evangelischen Gemeinde in Baden / Pfaff­
stätten / Alland / Heiligenkreuz, einen Standpunkt zu d   ­ iesem
Thema zu beziehen. Zurecht wird die Frage gestellt: „Wie
sieht die Kirche das eigentlich?“ Schließlich ist die Erde nach
­biblischem Verständnis Gottes Schöpfung und sein ­Geschenk
 an uns. Die Menschheit hat die Aufgabe, mit diesem G  ­ eschenk
 verantwortungsvoll umzugehen, d.h. die Erde für die kom­
 menden Generationen zu bewahren. So geht es nach christ­
 lichem Verständnis bei dem Schutz von Tieren, Pflanzen und
 natürlichen Lebensbedingungen immer auch um die Wahr­
 nehmung unserer Verantwortung vor Gott, dem ­Schöpfer.
 Die Bewältigung der Umweltprobleme ist eine gemeinsame
 Aufgabe, die bei allen eine Veränderung des Verhaltens, ein
 neues Denken, verlangt und kirchliches Engagement ­erfordert.
 So finden Sie in dieser Ausgabe vor allem Bei­träge zum Thema
 „Schöpfung“ wie theologische Gedanken ­sowie Erfahrungs­
 berichte und Stellungnahmen von Jugendlichen. Vielleicht
 erscheint es Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ungewöhnlich,
 so viel Selbstkritik über uns Menschen in dieser Jahreszeit zu
 lesen. Vielleicht ist es aber GERADE zu dieser Jahreszeit be­
 sonders angebracht: Wir feiern zu W  ­ eihnachten nicht zuletzt
 auch unsere Schöpfung, das wunderbarste (Weihnachts-)Ge­
 schenk von allen! Vielleicht ­können wir ­etwas zurückgeben,
                                                                    Foto: Privat

 um uns zu bedanken, indem wir das heurige Weihnachtsfest
 vielleicht auch in ein umweltfreundlicheres Licht rücken und
 sei es „nur“ dadurch, dass wir uns vielleicht beim Beschenken
 unserer Liebsten Gedanken in Bezug auf die Nachhaltigkeit
 (Stichwort „C02-Fußabdruck“ oder „Stichwort Verpackung“)
 machen …

Das Redaktionsteam freut sich über Ihre Gedanken,
­Anre­gungen und Leserbriefe und wünscht Ihnen:
 Ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Ihr Pfarrer

Wieland Curdt

                                                                                   3
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uter Start in den Tag ∙
                ∙ Ein g

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THEMA: "MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!" - FALSCH VERSTANDEN? - Evangelisches ...
AN-GEDACHT:
             „Lass los, die du unter das Joch gelegt hast …“
                                                                 6
        MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?:
          „Macht euch die Erde untertan!“ (1. Mose 1,28) –
                                                                 7
                         Nein. Bloß nicht falsch verstehen!
                                        Unser Haus brennt!
                                         Jeder kennt Greta?
                             „Wir sind hier, wir sind laut …“
                    Sichtbare Folgen der Klimaerwärmung
                         An alle Natur- und Bergliebhaber:
                         Klimapetition: „Climbersforfuture“
                               Filmtipp: „Awake 2 Paradise“
                                           Kreationismus –
Hintergründe einer fundamentalistischen Schöpfungslehre
                       Predigt zum Radfahr-Öko-Sonntag

                                      KURZ ERKLÄRT:
                              „Gottesdienst“ oder „Messe“?
                                                                18
        EVANGELISCHE PERSÖNLICHKEITEN:
                Felix Mendelssohn Bartholdy (1809—1847)
                                                                20
                              GEHÖRT & GESEHEN:
                             „Vom Zahnstein zum Marmor“
                                                                21
                                   GEMEINDELEBEN:
                                      Mein Weg zu Gott
                                                                22
                           Seit 125 Jahren eigenständig!
                 Gemeinde-Jugend: Die bunte Kinderseite

                                       FREUD & LEID:
                            Eintritte, Taufen, Beerdigungen
                                                                26
          TERMINE UND VERANSTALTUNGEN:
                            Gottesdienste, Veranstaltungen
                                                                28
                              KIRCHENSANIERUNG:
                                      Evangelisch (er)baut
                                                                32
                   Setz auf diese Bank – dann sitzt du gut!

                                               KONTAKT:
                                         Kreise, Unser Team
                                                                34
                                                                 5
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AN-GEDACHT

„LASS LOS,
DIE DU UNTER DAS JOCH GELEGT HAST …“
„Lass los, die du unter das Joch gelegt hast …     Unser real existierender Umgang mit Tieren
reiß jedes Joch hinweg“, schreibt Jesaja (58,6).   ist legalisiertes Verbrechen.“ Jesaja formuliert
Das ist ein Bild, das aus der Tierwelt stammt.     es mit den Worten: „Lass los, die du unter das
Ein Joch war ein Zuggeschirr, mit dem zwei         Joch gelegt hast.“
Ochsen vor einen Wagen oder Pflug gespannt         Mit welchem Recht unterjochen wir diese Ge­
wurden. Dieser Text ist ca. 2500 Jahre alt. Seit   schöpfe? Ist es allein, weil es uns nützt oder
Urgedenken – kann man sagen – haben Men-           schmeckt und wir davon profitieren? Nur weil
schen mit einer scheinbaren Selbstverständ-        Tiere nicht denken, sprechen oder Kreuzwort­
lichkeit Tiere unter das Joch gezwungen, d.h.      rätsel lösen können, sind sie nicht rechtlos. Es
auch gedemütigt, gequält und für die eigenen       kommt nicht aufs Denken oder Sprechen an,
Interessen ausgenutzt.                             sondern ob sie leiden können. Es bleibt die
                                                   schlichte Tatsache, dass Tiere fühlbare Wesen
                                                   sind. Da Menschen und Tiere die gleichen
                                                   Sinne haben, müssen auch ihre fundamenta­
                                                   len Empfindungen gleich sein. Damit haben
                                                   auch die Tiere Rechte, die zu respektieren sind.
                                                   Wenn wir uns Tieren gegenüber bedenkenlos
                                                   durchsetzen, dann ist es allein das Recht des
                                                   Stärkeren, das Faustrecht. Und das ist immer
                                                   UN-recht.

                                                   Die Geschichte von Mensch und Tier ist eine
                                                   Geschichte von Tausenden oder Millionen von
                                                   Jahren. Ohne die Inanspruchnahme der Leis­
                                                   tungen der Tiere hätten wir Menschen niemals
                                                   unsere Kulturstufe und Zivilisation erreicht. Es
                                                   scheint schwierig zu sein, Tieren ihre Rech­
                                                   te zuzugestehen. Nicht nur heute. Schon vor
In der Gegenwart ist Massentierhaltung ein         2500 Jahren schrieb Jesaja: „Lass los, die du
Beispiel für das Leid, das Menschen den Tie­       unter das Joch gelegt hast.“ Weil Tiere Ge­
ren zufügen. Der Fernsehmoderator Franz Alt        schöpfe Gottes sind und weil wir sie brauchen.
schreibt: „Ein deutscher Mensch verspeist in
seinem Leben durchschnittlich sieben Rin­                   Lass los, die du unter das Joch ­gelegt
der, 20 Schafe, 22 Schweine, 600 Hühner. Der                hast … reiß jedes Joch hinweg.
Fleischhunger scheint so unersättlich, wie die                                        (Jesaja 58,6).
Respektlosigkeit gegenüber dem Tier gren­
zenlos ist. Was haben uns die Tiere angetan,
dass wir sie behandeln, wie wir sie behandeln?                               Pfarrer Wieland Curdt

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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

                              „MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN!“ (1. MOSE 1,28)
                              NEIN, BLOSS NICHT FALSCH VERSTEHEN!
                              Welche grundlegenden ethischen Orientie-            Wenn man diesen Text im Sinne seines Ver­
                              rungen lassen sich für eine ökologische Ethik       fassers deuten möchte (und das sollte ja der
                              gewinnen und benennen? Eines steht fest: In         Anspruch sein), bedeutet der Ausdruck „Un­
                              der Verantwortung für Natur und Umwelt darf         tertan machen“ (Genesis 1,28), die Erde (den
                              sich der Mensch nicht allein an seinen eigenen      Boden) mit ihrem Wildwuchs „botmäßig, ge­
                              Interessen und nicht allein an seinen tech-         fügig zu machen“. Dies geschieht etwa, wie
                              nischen Möglichkeiten orientieren. In dem           der Gebrauch des Wortes im Alten Testament
                              vorliegenden Beitrag werden einige zentrale         zeigt, in der Landnahme Israels in Kanaan
                              Aspekte dargestellt.                                (Numeri 32,29; Josua 18,1). Der Boden wird
                                                                                  zwar in ein Abhängigkeitsverhältnis gesetzt,
                              Die Schöpfungsgeschichte, die von der Er­           zugleich darf er aber auch nicht ausgebeutet
                              schaffung der Welt in sieben Tagen erzählt (1.      und ohne fürsorgenden Schutz gelassen wer­
                              Mose, Kapitel 1), zieht im Blick auf die erschaf­   den. Dem Menschen wird also von Gott in dem
                              fene Welt folgendes Fazit: „Gott sah alles, was     Herrschaftsauftrag aufgetragen, durch seine
                              er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ (1. Mose        Arbeit das Angesicht der Erde zu schonen, zu
                              1,31) Dieses abschließende Urteil betrifft die      gestalten, sie zu verändern, sie bewohnbar und
                              einzelnen Werke in ihrem Zusammenhang,              fruchtbar zu machen.
                              aber auch ihre Zuordnung zueinander. In­            Der zweite Schöpfungsbericht, der davon be­
                              nerhalb dieser Schöpfungsordnung erhält der         richtet, wie Adam Leben eingehaucht und die
                              Mensch eine Sonderstellung. „Macht euch die         Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen
                              Erde untertan und herrscht über alle Tiere!“(1.     wird (1. Mose, Kapitel 2), bekräftigt diesen von
                              Mose 1,28). Die beiden Schlüsselworte „unter­       tiefer Dankbarkeit und Wertschätzung gepräg­
                              tan ­machen / unterwerfen“ und „herrschen“          ten Umgang mit der Natur. Der Mensch (hebr.
                              rufen in der Regel Assoziationen hervor, die        Adam) ist hier eng mit dem Boden (hebr. Ada­
                              gänzlich an ihrer eigentlichen Aussageinten­        ma) verbunden. Er ist von ihm genommen,
                              tion vorbeigehen. Diese Schlüsselworte dürfen       kehrt zu ihm zurück und er erhält sein Leben
                              nämlich nicht im Sinne von „Unterdrückung“          durch dessen Kräfte (1. Mose 2,7; 3,17ff.).
                              und „Ausbeutung“ verstanden werden.                 Die menschliche Hauptaufgabe besteht somit
                              In der Zeit der Entstehung dieser Texte hatten      darin, diesen Boden zu bearbeiten (Genesis
                              die Menschen regelrecht Angst vor der über­         2,6; 3,23). In der hebräischen Sprache, in der
                              mächtigen Natur. Damals war es unvorstellbar,       das Alte Testament geschrieben ist, wird das
                              dass der Mensch jemals so stark wird, dass er das   so formuliert, dass Adam der Adama, d.h. dem
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                              Klima ins Wanken und die Ressourcen der Erde        Ackerboden, zu „dienen“ hat. Das schließt den
                              ausbeuten kann. Den biblischen Autoren ging         Umgang mit Tieren ein, die die Schöpfungs­
                              es vielmehr darum, die Befreiung des Men­           geschichte als beseelte Lebewesen versteht
                              schen aus der Übermacht der Natur zu fördern.       (Genesis 2,17-19).

                                                                                                           Pfarrer Wieland Curdt
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                                                                                                                         7
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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Unser Haus brennt!
                                                  Wald stirbt“ berichtet, dass allein im Waldvier­
                                                  tel bereits hektarweise Fichtenwälder wegen
                                                  des Borkenkäferbefalls geschlägert werden
                                                  mussten. In Österreich sind im vorigen Jahr
                                                  5,2 Millionen Festmeter Holz geschädigt wor­
                                                  den. In Raabs an der Thaya kann man sehen,
                                                  wie früher einmal geschlossene Waldflächen
                                                  später ausschauen werden. Ein Waldbesitzer
                                                  meinte, das Waldviertel werde bald „Kahlvier­
                                                  tel“ heißen. Ein anderer Bauer sagte, dass der
                                                  Wald für die nächsten Generationen verloren
                                                  sei. Dies bedeutet nicht nur einen enormen
                                                  wirtschaftlichen Schaden für die betroffenen
                                                  Waldbesitzer, sondern auch den Verlust wert­
Vielleicht können manche diesen Ausspruch         voller Erholungsgebiete für die Stadt- und
oder ähnliche fast schon täglich medial be-       Landbevölkerung.
richteter, drohender Szenarien über die           In Osttirol und Kärnten sind tausende Bäume
Klima­veränderung nicht mehr hören. Weil sie      dem letztjährigen Sturm zum Opfer gefallen.
vielleicht der Meinung sind, die Klimaverän-      Es ist erwiesen, dass je mehr fossile Brennstof­
derung kann nicht mehr aufgehalten werden,        fe genutzt werden, desto mehr CO2 findet sich
vielleicht weil sie glauben, der einzelne kann    in der Atmosphäre. Diese und andere Treib­
nichts dagegen tun, oder weil sie meinen, es      hausgase führen dazu, dass sich die Tempera­
wird schon nicht so schlimm werden.               turen auf unserer Erde stetig erhöhen. Wenn
Seit über 40 Jahren warnen wissenschaftliche      diese Erwärmung mehr als zwei Grad über­
Studien, dass die Folgen des Klimawandels die     schreitet, hat dies schwerwiegende Folgen für
Lebensgrundlage der Menschheit bedrohen.          Menschen und ihr Leben.
Die Häufigkeit und Intensität von Starkregen-     Momentan liegt die Erwärmung bei rund
ereignissen, von Überschwemmungen, Hitze-         1,2 °C und wir sehen: Der Permafrost taut auf
und Dürreperioden, Berg-/Felsstürzen, Stür-       und unsere Gletscher schmelzen in rasender
men usw. nehmen weltweit weiter zu. Damit         Geschwindigkeit ab. Nach neuesten Mess­
treten die Prognosen der Forscherinnen und        ergebnissen wird es in ca. zehn Jahren keinen
Forscher nicht nur ein, sie werden übertroffen.   Gletscher mehr am Dachstein geben. Das sind
Die Konsequenzen sind spürbar und nicht zu        nur einige Beispiele für unzählige weitere, ein­
leugnen.                                          deutige Zeichen des Klimawandels.
                                                  Diese Fakten haben eine klare Botschaft: Un­
Der erste österreichische „Klimasachstands­       ser Lebensstil greift nachweisbar tiefer und
bericht“, an dem 240 Klimaforscherinnen           langfristiger auf unsere Umwelt ein als jemals
und Forscher drei Jahre lang gearbeitet ha­       zuvor. Wenn unsere Generation sich vor ihrer
ben, zeigt, dass Österreich vom Klimawandel       Verantwortung drückt, wird für künftige Ge­
besonders betroffen ist. Die Fichte ist an den    nerationen kein menschenwürdiges Leben
sonnenausgesetzten Hängen in Oberöster­           auf unserem Planeten mehr möglich sein.
reich innerhalb der letzten Jahre durch den       „Den Kopf in den Sand zu stecken“, schützt
Befall von Borkenkäfern nahezu verschwun­         weder die Umwelt, noch bewahrt es vor den
den. Der Borkenkäfer vermehrt sich nämlich        bereits spürbaren Folgen.
bei den steigenden Temperaturen rasant.
In der TV-Sendung „Am Schauplatz“ vom             Viele werden sich fragen, ob in dieser Situation
5. Oktober 2019 wurde zum Thema „Wenn der         das Ruder noch herumgerissen werden kann?

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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

                  www.mein-fussabdruck.at

                  Namhafte Wissenschaftlerinnen und Klimaex­
                  perten meinen, dass wir alle dazu beitragen
                  können, unser Ökosystem zum Wohl künftiger
                  Generationen lebenswert zu erhalten.
                  Nachhaltig zu leben ist die einzige Lösung.
                  Das in der Forstwirtschaft seit Jahrhunderten
                  angewandte Prinzip der Nachhaltigkeit ist, auf
                  die Art und Weise zu wirtschaften, bei welcher
                  derzeitige Bedürfnisse befriedigt werden, ohne
                  zukünftigen Generationen die Lebensgrund­
                  lagen zu entziehen. Dabei ist es wichtig, be­
                  wusst zu machen, was zu einem nachhaltigen         Unter www.wwf.at gibt die Umweltschutz-
                  Lebensstil gehört.                                 organisation „World Wide Fund For Nature“
                  Auf www.mein-fussabruck.at besteht die             einfache und praktische Tipps, wie man sei­
                  Möglichkeit, sich seinen persönlichen öko­         nen Alltag umweltfreundlicher und nachhal­
                  logischen Fußabdruck zu berechnen und zu           tiger gestalten kann.
                  erfahren, welche persönlichen Verhaltenswei­       Persönliches Engagement ist wichtig und je
                  sen besonders großen Einfluss auf die Umwelt       mehr Menschen mitmachen, gemeinschaft­
                  haben und dabei zu lernen, wo man am besten        lich handeln und sich zusammenschließen,
                  und effektivsten ansetzen kann.                    desto effektiver gelingt nachhaltige Entwick­
                  Jeder von uns kann also durch sein Handeln         lung. Politik, Wirtschaft und Industrie auf na­
                  seinen Beitrag leisten, sei es beim Einkauf, bei   tionaler und globaler Ebene sind gefragt, die
                  der Ernährung, bei der Vermeidung von Ab­          richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen
                  fall und dessen Entsorgung, beim Energiever­       und sich ihrer Verantwortung bewusst zu wer­
                  brauch, bei der Mobilität, am Arbeitsplatz.        den. Wie Sie das beeinflussen können? Ihre
                  Ein erwähnenswertes Problem in diesem              Stimme als Bürgerin und Konsument hat die
                  Zusammenhang ist die Lebensmittelver­              Macht, um Druck auf Regierung und Konzerne
                  schwendung. Die Europäische Kommission             auszuüben.
                  schätzt, dass in der EU pro Person und Jahr
                  173 kg Lebens­mittel weggeworfen werden. Das       Das Engagement vieler junger Menschen, Ak­
                  macht insgesamt 88 Millionen Tonnen Abfall         tivisten und Aktivistinnen zeigt eindrucksvoll,
                  pro Jahr. Die Vernichtung von noch genießba­       wie die Stimmen Vieler Veränderungen im
                  ren Lebensmitteln stellt letztlich auch ein gro­   Denken von Politik und Bevölkerung bewirken
                  ßes ethisches Problem dar. „Die Lebensmittel,      können. Ihr Drängen auf eine Klimapolitik, die
                  die wir in Europa und Nordamerika wegwer­          dem Ernst der Lage entspricht, gibt Zuversicht,
                  fen, würden ausreichen, um die Hungernden          dass wir zusammen eine menschenwürdige
                  der Welt dreimal zu ernähren.“ (Aus dem Ki­        Zukunft auf einem bewohnbaren Planeten
                  nofilm „Taste the waste“ von Valentin Thurn).      gestalten können. Denn: „Niemand begeht ei­
                  Auch hier gilt, dass ein bewusster Umgang mit      nen größeren Fehler als jemand, der nichts tut,
                  Lebensmitteln jedes einzelnen von uns, uns         weil er nur wenig tun konnte.“ Edmund Burke
                  bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen        (1729–1797)
                  einen großen Schritt weiterbringen kann. Der                    Dr. Irene und Mag. Katrin Bichler
                  Verein foodsharing.at bietet Ratschläge, wie
                  man Lebensmittelabfälle vermeidet und die
Fotos: Pixavbay

                  Möglichkeit, sich in einer größeren Gemein­
                  schaft für verantwortungsvollen Umgang mit
                  Lebensmitteln zu engagieren.
                                                                                     foodsharing.at    www.wwf.at

                                                                                                           9
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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Jeder kennt Greta?
Seit Jahren ist unsere Welt nicht mehr so, wie
sie sein sollte. Das Wetter spielt verrückt. Re­
korde über Rekorde werden gebrochen. Jedes
Jahr aufs Neue. Und mittendrin sind die Ju­
gendlichen. Die nächste Generation, die es
hoffentlich besser macht. Jede Woche gehen
sie, seit nunmehr einem Jahr, auf die Stra­
ßen. Und diese Bewegung begann mit einem
Mädchen, der Schwedin Greta Thunberg. Für
einige ein Vorbild, für andere (vor allem ältere
Amerikaner mit komischer Frisur und bedenk­
licher Ideologie) ein Dorn im Auge.
Und dann gibt es da noch die Menschen, die
sie nicht einmal kennen …
Es sind wenige. Denn in unserer modernen,
mit allem vernetzten Welt ist es beinahe un­
möglich, sie nicht zu kennen. Doch alleine
in diesem Jahr sind mir persönlich zwei von
­ihnen begegnet.
 Den ersten traf ich im ländlichen Irland. Wäh­
 rend meiner Zeit dort besuchte Greta Wien
 und ich erfuhr das über die Nachrichten, die
 ich mit meinem Handy abrief. Neben mir saß        Greta Thunberg – die 16jährige schwedische Klima-
 ein irischer Junge, dem ich sofort begeis­        schutzaktivistin initiierte „Schulstreiks für das Klima“,
 tert davon berichtete. Seine Reaktion: „Wer       die zur globalen „Fridays for Future“-Bewegung
 ist das?“ Überrascht versuchte ich es ihm zu      gewachsen sind.
 erklären. Vielleicht kannte er den Namen nur
 nicht? Oder er spricht es anders aus? Gegen       ges Mädchen, das mit einem einfachen Streik
 Ende meinte er dann: „Ich glaube, ich hab mal     eine internationale Bewegung in Gang gesetzt
 von ihr gehört, aber ich weiß nicht genau.”       hat: Greta Thunberg. Bevor wir mit der Runde
 Nun, so einen Einzelfall kann es doch geben,      begannen, ging Sara noch schnell die Namen
 oder nicht? Aber das findet man kein zweites      durch. Bei den vorhin genannten Österrei­
 Mal! Schon gar nicht nach einem Jahr „Friday’s    chern gab sie gleich zu, sie nicht zu kennen.
 for Future“ und nachdem Greta Thunberg eine       Wer kann es ihr verübeln? Doch als sie bei dem
 berührende Rede bei der UN-Konferenz in           Schild mit Gretas Namen ankam, meinte sie
 New York gehalten hat. Oder doch?                 auch: „Die Person kenne ich nicht.” Das führte
 Erst vor wenigen Wochen begab ich mich mit        natürlich zu allgemeinem Unverständnis der
 meiner Schule für zwei Wochen nach Spani­         anderen Anwesenden, nur der Schüler, der
 en. Verständlicherweise mussten wir auch dort     den Zettel auf der Stirn hatte, wusste nicht so
 eine Schule besuchen. Um den Unterricht auf­      recht, was er tun sollte.
 zulockern, beschloss unsere Lehrerin, Sara, das   Nun ist diese Gruppe von Leuten doch eher
 allseits bekannte Spiel „Wer bin ich?” zu spie­   eine Seltenheit, was nichts daran ändert, dass
 len. Jeder suchte also für seinen Sitznachbar     sie existieren. Gut oder schlecht, diese Frage
 eine berühmte Person aus. Darunter waren in­      stellt sich mir nicht. Es sagt mir nur, dass diese
                                                                                                               Foto: wikipedia

 ternationale Berühmtheiten wie Johnny Depp        zwei die Nachrichten nicht sehr aufmerksam
 oder Zac Efron, Österreicher wie Richard Lug­     verfolgt haben. Aber die Gegner Gretas, die
 ner oder Niki Lauda. Aber auch ein 16-jähri­      sind eine Sache für sich …
                                                   
                                                                   Melanie Ulrichshofer, Schülerin

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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

                                                           „WIR SIND HIER, WIR SIND LAUT ...“
                       Foto: Privat

                                      „Ich war Ende September auf einer der „Fri­      nicht nur als Begleitung mitgekommen, um
                                      days for Future“-Demonstrationen in Wien,        auf ihre Sprösslinge aufzupassen. Viele hatten
                                      zusammen mit meiner Schwester, drei meiner       selber Schilder dabei, viele riefen selber ihre
                                      Freundinnen und der Mutter einer Freundin.       Sprüche. Denn im Endeffekt betrifft der Klima­
                                      Diese Demonstration war eine etwas besonde­      wandel ja uns alle.
                                      re, denn sie bildete den Abschluss der „Earth-
                                      Week“, einer Woche ganz im Zeichen des Kli­      Wir sind gefühlt durch halb Wien marschiert,
                                      maschutzes.                                      obwohl es nur vom Westbahnhof bis zum
                                                                                       ­Karlsplatz war. Es haben uns immer wieder
                                      Wir gingen vom Westbahnhof aus (es gab noch       Leute überholt und dann waren wir wieder
                                      zwei andere Märsche, einen vom P­ raterstern      schneller. Es war ein einziges Durcheinander,
                                      und einen vom Hauptbahnhof aus) und ­allein       aber jeder wusste, wohin er gehen musste
                                      schon, als wir ankamen, waren dort tausende       und wie er sich verhalten sollte. Neben dem
                                      und abertausende Leute versammelt, alle mit       Marsch standen auch Leute, die nicht mitge­
                                      den unterschiedlichsten Plakaten und Sprü­        gangen sind. Die haben uns teilweise seltsam
                                      chen. Dabei haben sich einige Leute mehr          angesehen, haben auch Fotos gemacht. Und
                                      Mühe gegeben als andere, doch am Ende             ja, es ist, wie es im Fernsehen auch manchmal
                                      zählt doch nur eines: Nämlich für das Klima       aussieht: ein einziges, riesiges Gedrängel.
                                      zu ­demonstrieren.
                                                                                       Aber ich war froh, dabei gewesen zu sein. Es
                                      Die Stimmung bei der Demonstration war           zeigt, dass unsere Umwelt und unsere Erde
                                      einfach unglaublich. Die Leute haben geju­       uns wirklich etwas bedeuten und dass wir
                                      belt, geschrien und es gab sogar eine Gruppe,    nicht tatenlos zusehen, wie Politiker und ­große
                                      die Trommeln mitgebracht hatte. Es waren so      Konzerne die Welt zerstören.
                                      viele unterschiedliche Leute dabei. Menschen
                                      jeden Alters, jeder Ethnizität. Es waren nicht            Wir sind hier, wir sind laut,
                                      nur Schüler, wie manch einer es vielleicht                weil ihr uns die Zukunft klaut.
                                      erwarten konnte. Und die Erwachsenen sind
                                                                                                       Anne Beichbuchner, Schülerin

                                      SICHTBARE FOLGEN DER KLIMAERWÄRMUNG
Fotos: Wieland Curdt

                                      Im Jahr 2001 machte ich mit einer Gruppe eine Trekking-Tour auf Spitzbergen / Svalbard,
                                      ca. 1000 km vom Nordpol entfernt. Dabei mussten wir einen Gletscher überqueren. Einige J
                                                                                                                             ­ ahre
                                      zuvor konnte man den Gletscher noch direkt vom Land betreten. Wir mussten im Jahr 2001
                                      bereits mit Schlauchbooten zum Eis übersetzen.

                                                                                                                Pfarrer Wieland Curdt

                                                                                                                                  11
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

AN ALLE NATUR- UND BERGLIEBHABER:
KLIMAPETITION: „CLIMBERSFORFUTURE“
                                  Unsere eindrucksvolle Natur und damit auch unsere unmit­
                                  telbare Umgebung sind durch die aktuell leicht feststellbaren
                                  Klima- und Tem­peratur­veränderungen ernstlich bedroht. Die
                                  Wetter­extreme lösen immer häufiger katastrophenähnliche Zu­
                                  stände aus, Hoch­wasser, Dürreperioden, das Abschmelzen der
                                  Gletscher, Berg­stürze und Muren, Sturm­­schäden, etwa in den
                                  Wäldern, häufen sich zusehends. Starke Temperaturschwan­
                                  kungen und vor allem höhere Temperaturen sind eindeutig
                                  eine extreme ­Belastung für Flora und Fauna. Unsere Natur und
                                  damit auch unser alpiner Raum müssen auch für die künftigen
                                  Generationen intakt ­bleiben!
                                  Zahlreiche aktuelle Initiativen fokussieren sich nun auf eine
                                  Reduktion der Treibhausgase, dabei sind individuelle I­ mpulse
                                  (wie kann ich meine eigene Ökobilanz rasch verbessern?) ge­
                                  nauso wichtig wie kollektive Aktionen bis hin zu umfangrei­
                                  chen politischen Lenkungsmaßnahmen. Alle Lebensbereiche
                                  sollten unter Nachhaltigkeitsüberlegungen neu überdacht
                                  werden, von der Mobilität über den Energieverbrauch bis zum
                                  Privatkonsum und dem baulichen Umfeld.

                                  Mit Unterstützung der alpinen Vereine und ins Leben gerufen
                                  vom Autor, Bergsteiger und Coach Stefan Gatt wurde die Aktion
                                  „Climbers for Future“ vor einigen Monaten gestartet.

                                  Werde aktiv und unterstütze die Online-­Petition auf

                                  www.climbersforfuture.org

                                  Damit soll der Bundesregierung ein klarer Auftrag zum Klima­
                                  schutz erteilt werden.

                                  Die Petitionsforderungen:

                                  „ Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sollen mit geeigne­
                                    ten Maßnahmen erreicht und als Verfassungsziele in der
                                    Bundesverfassung verankert werden.
                                  „ Aus- und Neubau von Schigebieten ­stoppen!
                                  „ Bodenversiegelung und -verdichtung in den Bergen
                                    stoppen!
                                  „ Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes.
                                  „ Stopp der Subvention klimaschädlicher Maßnahmen.
                                  „ Nachhaltige Waldwirtschaft: mehr Schutzwälder; bei Nutz­
                                    wäldern auf Diversität achten.
                                                                                                   Fotos: Privat

                                                                            Dr. Franz Gschiegl,
                                                              Mitglied der Gemeindevertretung
      www.climbersforfuture.org

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MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

                                              FILMTIPP:                             Filmabend: Am 23. Jänner 2020
                                                                                    um 19:00 Uhr wird dieser Film
                                                                                    im Herzoghof gezeigt!

                                              „AWAKE 2 PARADISE“                    Die Anzahl der Sitzplätze ist begrenzt.
                                                                                    Es wird um Anmeldung bis zum 20. Jänner
                                                                                    im Pfarrbüro gebeten.

                                                                           Vor etwa einem Jahr durfte ich bei der Pre­
                                                                           miere von Catharina Rolands Film „Awake 2
                                                                           Paradise“ dabei sein. Dieser Film hat mich tief
                                                                           berührt.
                                                                           Mit wunderbaren Bildern zeigt uns ­Catharina,
                                                                           wie wundervoll unser Planet ist und führt uns
                                                                           auf eine inspirierende Reise zu Wissenschaft­
                                                                           lern (Gerald Hüther), Visionären (Charles Ei­
                                                                           senstein) und Coaches (Bruce Lipton), die uns
                                                                           Fragen beantworten und uns zeigen, was not­
                                                                           wendig ist, um unser schöpferisches Potenzial
                                                                           voll zu leben.
                                                                           Warum nutzen wir unser Potenzial nicht?
                                                                           Warum beuten wir uns selbst, einander und
                                                                           unsere Erde aus?
                                                                           Warum gefährden wir durch unser Handeln
                                                                           das Überleben unzähliger Spezien und unser
                                                                           Eigenes?

                                                                           In berührenden Bildern, gewürzt mit bewe­
                                                                           genden Geschichten und inspirierenden In­
                                                                           terviews zeigt der Film, wie unsere innere und
                                                                           äußere Gesundheit sowie die Gesundheit der
                                                                           Erde in einem Kreislauf untrennbar miteinan­
                                                                           der verbunden sind.
                                                                           Dieser Film ist eine Reise vom Verstand zu un­
                                                                           serem Herzen und zeigt praktische Lösungen,
                                                                           wie wir mit unserem Körper und allem Leben
                                                                           verbunden sein können. Wie wir ein kraftvol­
                                                                           les, lebendiges und glückliches Leben führen
                                                                           können.
                                                                           Um das Paradies im Außen zu erschaffen, gilt
                                                                           es, zuerst das Paradies in uns zu finden und
                                                                           genau dafür öffnet der Film die Türen.

                                                                                                       Karin Klettenhofer,
                                                                                        Mitglied der Gemeindevertretung
Fotos: © Catharina Roland, Nina Suzy Stöckl

                                                           Hinterlasse in der Natur keine Spuren,
                                                           wo nicht einmal die Jahrhunderte
                                                           die ihrigen hinterlassen haben.
                                                           
                                                                                 Spruch aus Spanien

                                                                                                                  13
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Kreationismus – Hintergründe einer
fundamentalistischen Schöpfungslehre
Das Wort „Fundamentalismus“ wird ge­­­­gen­        trialisierung und rapide Urbanisierung zur He­
wärtig oftmals mit dem Islam in Verbin-            rausbildung eines kulturellen Pluralismus, zur
dung gebracht. Jedoch liegen die Ursprün-          Infragestellung traditioneller Wertvorstellun­
ge des religiösen Fundamentalismus im              gen sowie zur dramatischen Veränderung der
­Protestantismus der Vereinigten Staaten, hier     Sozialstruktur. Fundamentalisten sahen z.B.
 findet man gewissermaßen das Original. Es         durch den sozialen und politischen Aufstieg
 lohnt sich ein Blick auf die protestantischen     von Frauen die patriarchale Familienstruktur
 Wurzeln des Fundamentalismus in den Verei-        gefährdet. Allein sie entsprach aber nach ih­
 nigten Staaten, weil hier auch die Ursprünge      rer Ansicht der göttlichen Ordnung. Zweitens
 des Kreationismus zu finden sind, d.h. eines      gefährdeten die Säkularisierung und die Ver­
 wortwörtlichen Verständnisses der biblischen      wissenschaftlichung des Weltbildes auch die
 Schöpfungsaussagen, die man (pseudo-)­            beiden anderen Grundpfeiler des christlichen
 wissenschaftlich beweisen möchte.                 Charakters der Vereinigten Staaten: Die reli­
                                                   giösen Konfessionen waren durch die liberale
Der Fundamentalismus entstand aus der evan­        Theologie herausgefordert und die Schulen
gelikalen Bewegung in den Vereinigten Staa­        durch die Einführung der Evolutionslehre.
ten. Wie die evangelikale Bewegung ist auch        Die Säkularisierung dieses vormals so protes­
der Fundamentalismus an keine bestimmte            tantisch geprägten Landes führte bis Ende der
religiöse Konfession, also z.B. an die Presby­     1920er Jahre dazu, dass in zwölf der damals 49
terianer oder Baptisten, gebunden. Ein ande­       Bundesstaaten die Bibellektüre an öffentlichen
rer Punkt ist entscheidend: Fundamentalisten       Schulen verboten wurde.
veröffentlichten gelegentlich Fundamental-         Im Darwinismus sahen Fundamentalisten ge­
artikel, in denen sie ihren Glauben prägnant zu    radezu exemplarisch die Verleugnung der bib­
formulieren suchten (z.B. Niagara Creed 1878;      lischen Wahrheit und als ihre Folge die Herab­
Presbyterianische Generalversammlung 1910).        würdigung des zum Bilde Gottes geschaffenen
Ungeachtet aller Unterschiede im Detail werden     Menschen hin zum Affen. Die Quintessenz
dabei an erster Stelle ein wortwörtliches Ins­     von Darwins Forschung wurde bald auf den
pirationsverständnis und die Irrtumslosigkeit      einprägsamen Satz verkürzt, dass der Mensch
der Schrift genannt. Die dominierende Rolle        vom Affen abstammt. „Meine Güte! Abkömm­
der Irrtumslosigkeit der Bibel stellt damit von    linge der Affen!“, soll die Frau des englischen
Beginn an bis heute das entscheidende Kenn­        Bischofs von Worcester gesagt haben, als sie
zeichen des protestantischen Fundamentalis­        im Juni 1860 erstmals von Darwins Theorie
mus dar.                                           hörte. „Lasst uns hoffen, dass es nicht wahr ist,
Einen entscheidenden psychologischen               aber wenn es so ist, dann lasst uns beten, dass
Grund, warum Fundamentalisten so ener­             es nicht allgemein bekannt wird.“
gisch für die Irrtumslosigkeit der Bibel eintre­   Ihr Wunsch wurde nicht erfüllt, im Gegenteil.
ten, vermag wiederum ein Rückblick auf den         Die ursprünglich rein wissenschaftliche The­
frühen Fundamentalismus in den Vereinigten         orie Darwins wurde rasch popularisiert und
Staaten zu zeigen. Entgegen einer verbreiteten     konnte sich in Windeseile verbreiten. Auf vie­
Meinung entwickelte sich der Fundamentalis­        le Menschen wirkte Darwins Evolutionslehre
mus nicht auf dem Land im Süden der Verei­         allerdings wie ein Trauma, denn sie schien
nigten Staaten, sondern in den Städten entlang     im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte
der Ostküste sowie in Chicago. Verschiedene        der Bibel zu sein und dem Menschen seine
                                                                                                       Fotos: Pixabay

Symptome der Moderne führten nämlich in            Sonderstellung in der Natur zu nehmen. Bald
der zweiten Hälfte des 19. sowie zu Beginn         tobte ein heftiger Streit der Befürworter und
des 20. Jahrhunderts zu einem steigenden           Gegner des „Darwinismus“, wie die neue Lehre
Krisenbewusstsein: Erstens führte die Indus­       nun genannt wurde.

14
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Allerdings errangen 1925 fundamentalisti­            Dies zeigt sich etwa daran, dass Fundamen­
sche Vertreter im sogenannten „Affenprozess“         talisten moderne Kommunikationsmittel ein­
in Dayton/Tennessee einen Pyrrhus-Sieg:              setzen, z.B. eigene Fernsehkanäle und das In­
­Thomas Scopes, ein High-School-Lehrer, be­          ternet in all seinen Facetten bis hin zu Twitter.
 kannte sich dazu, gegen ein gerade erlasse­         Subtiler ist ein anderes Beispiel: Fundamen­
 nes Gesetz verstoßen zu haben, indem er die         talisten sind nämlich einer gängigen natur­
 Evolutionslehre im Unterricht behandelt hatte.      wissenschaftlichen Denkweise des 19. Jahr­
 Scopes wurde von dem brillanten Anwalt Cla­         hunderts verhaftet, wenn sie immer wieder
 rence Darrow vertreten, sein Gegenüber war          von den „facts“, den Tatsachen, sprechen. Nur
 der dreifache amerikanische Präsidentschafts­       beziehen sie sich nicht auf die „facts“ der Na­
 kandidat W­ illiam Jennings Bryan. Zwar wurde       tur, sondern auf die „facts“ der Bibel. Und aus­
 Scopes zu 100 Dollar Geldstrafe                                      gehend von diesen biblischen
 verurteilt, jedoch hatte es sein                                     „facts“ konstruieren sie eine
 Anwalt trefflich verstanden,                                         „wissenschaftliche“ Gegenthe­
 in diesem öffentlichen Me­                                           orie zur Evolutionslehre – den
 dienspektakel das Anliegen                                           Kreationismus. Diese Gegen­
 des Fundamentalismus der                                             theorie ist jedoch aus wis­
 Lächerlichkeit preiszugeben.                                         senschaftstheoretischen wie
 So veranlasste er Bryan zu der                                       auch theologischen Gründen
 Feststellung, dass die Erde am                                       als eine Pseudowissenschaft
 23. Oktober 4004 v. Chr. um 9                                        zu charakterisieren: Wissen­
 Uhr morgens erschaffen wor­                                          schaftstheoretisch, weil nicht
 den sei. Der Zwischenruf aus                                         ergebnisoffen geforscht wird,
 dem Zuschauerraum, ob das                                            sondern das Ergebnis („Und
 Eastern Standard Time gewe­ Charles R. Darwin (1809—1882), die Bibel hat doch recht“) von
                                       britischer Naturforscher
 sen sei, führte zu schallendem                                       vornherein feststeht; theolo­
 Gelächter. Gleichfalls wusste Bryan genau den       gisch, weil es sich im ersten Kapitel der B  ­ ibel
 Zeitpunkt der Sintflut sowie des Turmbaus zu        – genauer gesagt Gen 1,1–2,4a – nicht um ei­
 Babel. Auch verbürgte er sich dafür, dass Jona      nen naturwissenschaftlich zu verstehenden
 tatsächlich im Walfisch gewesen sei. Durch          Schöpfungs-„‚Bericht“ handelt, sondern um
 diesen Prozess galt der Fundamentalismus            eine Schöpfungs-„Poesie“, in der Menschen
 und mit ihm ein wortwörtlicher Schöpfungs­          vor ca. 2500 Jahren ihren Glauben von Gott
 glaube für lange Zeit als rückständig und hat­      als Schöpfer mit dem damaligen Wissensstand
 te einen negativen Beigeschmack. Letztlich          über die Entstehung der Welt zum Ausdruck
 führte dies dazu, dass Fundamentalisten ihre        brachten.
 gesellschaftspolitischen Aktivitäten in den
 1930er Jahren weitgehend einstellten.                             Univ.-Prof. Dr. Martin Rothgangel,
 Für viele überraschend kam der Fundamen­            Evangelisch-Theologische
 talismus seit Ende der 1960er Jahre wieder                         Fakultät der Universität Wien und
 verstärkt in die öffentliche Diskussion der         Mitglied der Evangelischen Gemeinde in Baden
 Vereinigten Staaten zurück. Auch gegenwär­
 tig ist der Fundamentalismus einschließlich
 Kreationismus sehr verbreitet – und Ausläu­                  Vortrag: Am 3. März 2020 um 19:30 Uhr
 fer sind auch im deutschsprachigen Raum zu                   spricht Prof. Dr. Rothgangel im Gemeindesaal
 verzeichnen.                                                   zum Thema „Schöpfung und Naturwissenschaft.
 Eines darf aber nicht übersehen werden: Die­                 Lebensgeschichtliche und theologische Perspektiven“
 ser Antimodernismus trägt moderne Züge.

                                                                                          15
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

PREDIGT ZUM
RADFAHR-ÖKO-SONNTAG
von Pfarrer i. R. Dr. Wolfgang Schillak am 29. September 2019, Evangelische Kirche Baden

Was hat eine Fahrradkette mit e
                              ­ inem Regen-      Noah. Er hat gesammelt, gebastelt, Pläne ent­
bogen gemeinsam?                                 wickelt, vorgesorgt, blieb auch mitten im Un­
                                                 heil im Dialog mit Gott, ja, gerade als es aus­
Beide sind Wegweiser hin zur Bewahrung der       sichtslos schien – und am Ende kam, was ein
Schöpfung:                                       neuer Anfang war: Er sah sich, die Menschen,
                                                 die Schöpfung bewahrt durch den, der sie ins
„ Fahrradketten bestehen aus Gliedern            Leben gerufen hatte:
„ Glieder einer Kette = Maßnahmen des            „Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt,
  Engagierens                                    der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen
„ Aktivisten bilden Menschenketten               mir und Euch!“
„ … laufen über Zahnräder – Elemente der
  Klimadiskussion                                Dieser Gott bindet sich an Dein Leben, verbün­
„ Wie in einer endlos-Schleife (Warnungen        det sich mit unserer Zukunft.
  der Fachleute und Beschwich­tigungen/          Bindet den Himmel an die Erde, die Zukunft
  Ignoranz/Parteiengezänk!)                      an die Vergangenheit, uns an sich.
                                                 Genau dies haben wir damals in unserer Taufe
Und dann sind da noch die Pedale – damit zie­    gefeiert, feiern wir heute in der Taufe unserer
hen wir die Kettenglieder über die Zahnräder.    Kinder und Enkel: In allem, was Dich nervt,
So engagieren sich Menschen an der Sorge         bedrängt, Dir bedrohlich bis zum Hals steht,
um die Welt unserer Enkelkinder.                 Angst macht, stehst Du nicht allein. Gott hat
Da müssen wir uns sehr, noch viel mehr an­       sich mit Dir verbunden – ganz fest verbunden
strengen, um selbst die nah gesetzten Ziele      mit Dir und mir, mit unserem Lebensraum, mit
erreichen zu können.                             dem künftiger Generationen.
Das sind gesellschaftliche Pedale, die sich
da drehen, politische Pedale, die da gedreht     Der Regenbogen zeigt das klar und deutlich:
werden müssen, wirtschaftliche und wissen­       Anfang und Ende sind nicht zu greifen –
schaftliche Antriebe, die gehört und befolgt     Und doch wölbt sich der Bogen über uns,
werden müssen.                                   wir haben es/uns nicht in der Hand.
                                                 Aber wir haben Aussicht,
Wozu aber mitradeln als Kirche?                  wo es anderen aussichtslos erscheint!
Als Gemeinde? Als Christin und Christ – nicht    Das ist die Quelle unserer Kraft, ist der Mehr­
nur als Wähler und Weltbürgerin – als mit Gott   wert im christlichen Engagement.
­Lebende?
                                                 Der Regenbogen zeigt das klar und deutlich:
Das macht nur Sinn, wenn die Frage beant­        In den Farben bunt – in der Aussage zuver­
wortet werden kann:                              sichtlich, hoffnungsfroh, sehnsuchtsvoll.
                                                 So tragen es die verschiedensten Bündnisse
Was meinen wir, wenn wir „Schöpfung“ sagen,      derzeit auf die Straßen:
wo andere von Ökosystem und Klimawandel          Farbenfroh sichtbare Zeichen für eine toleran­
sprechen? Wie drücken wir aus, dass unser        te Gesellschaft in bewahrter Natur.
Glaube an Gott, den Schöpfer, einen Mehrwert
an ­Zukunftsgewissheit erzeugt?                  Bewahrt –      ABER    WERDEN      WIR    DAS
                                                                                                   Fotos: Adobe Stock

                                                 ­SCHAFFEN?
Holen wir uns Rat bei einem, der es durchlebt
hat, was fundamentale Bedrohung des Globus       In aller Kraftanstrengung kauert auch ein Un­
meint:                                           behagen:

16
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Vielleicht auch daher die heimlich-unheimli­       zum Beispiel Grün:
che Anziehungskraft eines Regenbogens.             „ Die Bäume ringsum und die Wiesen
An ihm erleben wir nämlich, was ansonsten          „ Da wächst unsere Nahrung, daher bezie­
unsichtbar bleibt:                                   hen wir unsere Nährstoffe
Wir alle leben unter diesem Gottes-Bündnis,        „ Sofern wir die Schadstoffe aus der Gülle
das sich über uns wölbt,                             bei Seite lassen
mit uns mitgeht,                                   „ Und auch nicht an die Abholzung des
ohne, dass wir seines Anfangs oder seines            Regenwaldes denken.
­Endes habhaft werden könnten.                     „ Die globalisierte Wirtschaftswelt trägt die
 Die Farben des Regenbogens bezeugen die             Verantwortung, nachhaltig für unser aller
 Vielfalt der Kraft,                                 Lebensraum zu handeln.
 der uns bewahrenden, aber auch uns kritisch
 herausfordernden Kraft,                           Lieber Schöpfergott, siehst Du das?
 mit der sich Gott an uns bindet, an seine         Hörst DU das?
 Schöpfung.                                        Komm herab, zeig Dich, greif ein –
 Diesen Segen hat er uns versprochen.              wir versagen!
 Daran dürfen wir ihn immer wieder erinnern,
 das bei ihm einfordern.                           zum Beispiel Rot:
 Fridays for future – und Sundays for prayer!      „ ein Sonnenuntergang etwa: wie schön!
                                                   „ Das Rot am Himmel, an den Wolken,
zum Beispiel in Blau:                              „ romantische Stimmung, als wenn mich
„ das Wasser unten, der Himmel oben                  jemand mag, kuschelig
„ leuchtendes Blau:                                „ weniger kuschelig das Rot der Fahr­
  „ Gott ist zuverlässig da für Euch                 verbote, die Verkehrsinfarkte, der CO2-­
  „ und doch ist Plastik im Meer und Kero­           Emissionen
     sin in der Luft                               „ die viel zu späte, zu langsame Umgestal­
  „ und wir hören Menschen uns das Blau              tung unserer öffentlichen und elektri­
     vom Himmel herunterquatschen:                   schen Mobilität.
  „ kleinteilig, kleinkariert, Partei-orientiert
     statt lösungsaffin.                           Lieber Schöpfergott, siehst Du das?
                                                   Hörst DU das?
Lieber Schöpfergott, siehst Du das?                Komm herab, zeig Dich, greif ein –
Hörst DU das?                                      wir versagen!
Komm herab, zeig Dich, greif ein –
wir versagen!                                      Was hat also eine Fahrradkette mit einem
                                                   ­Regenbogen gemeinsam?
zum Beispiel in Gelb:
„ der Strahl der Sonne, die Blüte der              Beide sind Wegweiser hin zur Bewahrung der
  Sonnen­blume                                     Schöpfung.
„ da kannst Du Dich entspannen, wohlfüh­
  len, selbst aufblühen                            „ Beide verkörpern die bewahrende Kraft,­
„ solange Du keine Rauchschwaden von                 mit der sich Gott an den irdischen Garten
  Kohlekraftwerken siehst                            Eden, an seine Menschenkinder bindet.
„ Gelb ist Symbol zugleich einer verschlafe­       „ Beide verkörpern die bewegende Kraft,
  nen, verfehlten Energie-Politik                    mit der Gott uns beauftragt und heraus­
„ Technische Innovation nur halbherzig               ruft, der menschengemachten Zerstörung
  betrieben oder gleich den Chinesen über­           des göttlichen Werkes uns energisch ent­
  lassen.                                            gegenzustemmen.
                                                   „ Beide verkörpern die segnende Kraft, mit
Lieber Schöpfergott, siehst Du das?                  der Gott uns und unserem Lebensraum
Hörst DU das?                                        liebevoll eine gute Zukunft öffnet.
Komm herab, zeig Dich, greif ein –
wir versagen!

                                                                                         17
MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN?

Genau das hat auch Jesus immer wieder ge­          Wir nennen Ökosysteme „Schöpfung“, weil wir
sagt,                                              dieser Bündnis-Absicht Gottes vertrauen und
                                                   seinem geschichtsmächtigen Wirken unter
„ dafür hat er gestritten, gelitten, sein Leben    uns und durch uns.
  riskiert
„ und Gott hat ihn in anderer Weise leben­         Wie eine Fahrradkette Öl braucht, damit die
  dig gemacht,                                     Pedale uns vorwärts bewegen, so brauchen
„ damit wir begreifen:                             wir den Segen Gottes, damit wir nachhaltig
  Gott, unser Schöpfer, führt uns, seine Ge­       vorankommen.
  schöpfe hindurch
  „ Durch Katastrophen ökologischer,               Ja, mit dem Fuß in die Pedale – mit der Hand
     ­politischer Art                              im Gebet; so bekommt ökologisches Engage­
  „ Einem geheilten Leben, einer erneuer­          ment der Christen Hand und Fuß.
     ten Erde entgegen.
                                                   Amen.

                                                                            Dr. Wolfgang Schillak
KURZ ERKLÄRT

„GOTTESDIENST“ ODER „MESSE“?
Warum sprechen evangelische Christen vom „Gottesdienst“
und Katholiken von der „Messe“?

Der „Begriff“ Gottesdienst ist eine Bezeich­       Ruhe und Besinnung ist. Auch der Besuch von
nung für alle christlichen Feiern wie etwa         Gottesdiensten ist bei vielen Katholiken und
für Andachten, Dank- und Wortgottesdiens­          Protestanten unüblich geworden. Im Blick auf
te. Die „Heilige Messe“ oder auch „Messe“ ist      die katholischen Christen ist dies noch eher
ein katholischer Gottesdienst, der aus einem       erstaunlich, weil für sie eine kirchengesetzli­
Wortgottesdienst und einer Abendmahlsfeier         che Pflicht besteht, sonn- und feiertags an ei­
besteht. Evangelische Christen sagen zu dieser     ner Eucharistiefeier teilzunehmen. Im Kirch­
Form „Gottesdienst mit Abendmahl“.                 lichen Gesetzbuch heißt es: „Am Sonntag und
                                                   an den anderen gebotenen Feiertagen sind
Im Jahr 789 erteilte Karl der Große das Verbot,    die Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier
am Sonntag zu arbeiten. Den Frauen untersag­       verpflichtet“ (Kanon 1247 des CIC). Eine ver­
te er, Schafe zu scheren, Wolle zu zupfen, zu      gleichbare Vorschrift gibt es in der evangeli­
weben, Kleider zuzuschneiden, zu nähen oder        schen Kirche nicht, aber auch sie betont den
zu waschen. Den Männern verbot er z.B. die         Wert des Gottesdienstbesuchs. Zugleich geht
Arbeit auf den Feldern und in den Weinbergen,      sie – bis in die offiziellen Texte hinein – rea­
das Mähen, Pflügen und Ernten sowie das Er­        listisch bis pragmatisch mit der geringen Zahl
bauen von Häusern. Dieses Verbot diente dem        der Gottesdienstbesucher um. So heißt es in
Zweck, dass die Menschen „von überall her zur      den neuen „Leitlinien kirchlichen Lebens“ der
Messfeier in die Kirche kommen und Gott lo­        lutherischen Kirchen Deutschlands geradezu
ben ob all des Guten, das er uns an diesem Tag     bescheiden: „Etlichen Gemeindemitgliedern
erwiesen hat“. Es war nicht die erste staatliche   ist der Sonntagsgottesdienst wichtig für ihr
Rechtsnorm im Blick auf Sonntagsheiligung,         Leben. Andere kommen nur selten. Für viele
aber sie betonte besonders deutlich die Pflicht    Kirchenmitglieder hat der sonntägliche Got­
zum Kirchgang.                                     tesdienst keine erkennbare Bedeutung.“ Doch
Für die Christen war es also eine Pflicht, sich    diese Praxis entspricht nicht der grundlegen­
am Auferstehungstag Jesu, dem Tag nach dem         den Bedeutung, die der Gottesdienst auch für
Sabbat, also dem ersten der Woche, zum Gebet       den Evangelischen Glauben hat.
zu versammeln. Heute bröckelt nicht nur der
Konsens darüber, dass der Sonntag ein Tag der                              Pfarrer Wieland Curdt

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EVANGELISCHE PERSÖNLICHKEITEN

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY
                                      (1809–1847)
                 Wohl jeder kennt ­Musik von         In seinen Wanderjahren
                 Felix Mendelssohn Bartholdy         gab er zahlreiche Kon­
                 – vielleicht, ohne es zu ­wissen:   zerte in England, bereiste
                 Der „Hochzeitsmarsch“ aus           Schottland, Frank­reich,
                 seiner Schauspielmusik zur          Italien und die Schweiz.
                 ­Shakespeare-Komödie „Ein           ­Viele seiner Werke sind
                  Sommernachtstraum“ unter­           auf Reisen durch die
                  malt allein in mehr als 100         deutschen und europä­
                  ­Filmen den Weg des Braut­          ischen Länder entstan­
                   paares zum Altar. Die Wiege        den und von den Ein­
                   dieses Komponisten stand           drücken aus der Fremde
                   in Hamburg. Mendelssohn            inspiriert.
                   kam am 3. Februar 1809 auf         Seine erste feste Anstel­
                   die Welt. Schon zwei Jahre         lung nahm Mendelssohn
                   später verließen seine Eltern      1833 auf, und zwar als
                   wegen der napoleonischen           Generalmusikdirektor
                   Besatzung die Stadt und zo­        in Düsseldorf – bevor er
gen mit den Kindern Fanny, Felix und Rebecca          mit 26 Jahren nach Leipzig berufen wurde.
nach Berlin.                                          Hier feierte Mendelssohn ab 1835 als Kapell­
Felix Mendelssohn Bartholdy war ein Enkel             meister seine größten Triumpfe, das Gewand­
des jüdischen Philosophen Moses Mendels­              hausorchester führte er zum Weltruhm. Felix
sohn, wurde aber christlich erzogen und galt          Mendelssohn Bartholdy gilt als einer der be­
als Mittler zwischen den Religionen. Im Alter         deutendsten Musiker der Romantik und war
von sieben Jahren wurde Felix getauft. Damit          Pianist, Organist und setzte als Dirigent neue
war er Mitglied der neuen christlich-protes­          Maßstäbe, die das Dirigieren bis heute prägen.
tantischen Kirche. Es fällt relativ leicht, Men­
delssohns Bekenntnis zum Protestantismus in                                            Erna Koprax,
seinen geistlichen Werken bestätigt zu finden.                            Mitglied im Presbyterium
Insbesondere seine Liebe zum Choral, die er
durch die intensive Beschäftigung mit Bach
gewann. Auf seinen vielen Reisen, die er un­         QUELLEN:
ternahm, war das Lutherische Liederbuch sein
ständiger Begleiter. Von Luthers Dichtung            „   Austria Forum
fühlte er sich magisch angezogen.                    „   NDR Radio & TV 2017
Seine musikalische Ausbildung erhielt Felix          „   Wikipedia
Mendelssohn Bartholdy vor allem bei Carl             „   Deutsche Biographie
Friedrich Zelter, dem Direktor der Berliner
Singakademie. Hier wurde Mendelssohn mit             GEDENKSTÄTTEN:
Kirchen­musik konfrontiert, die einen wesent­
lichen Teil seines kompositorischen Reper­           „ Wikipedia (Umfangreiche Auflistung)
toires ausmachte. Die Auseinandersetzung
mit Mendelssohns geistlicher Musik gehört            BILDER:
zu unserer Kirchen- und Kulturgeschichte.
Mendelssohn Bartholdy komponierte Musik              „ Felix Mendelssohn Bartholdy,
                                                                                                       Fotos: wikipedia

für verschiedene Glaubensrichtungen, unter             Gemälde von Eduard Magnus, 1846
anderem für Lutheraner, Hugenotten, Angli­           „ Cécile Mendelssohn Bartholdy,
kaner und ­Katholiken.                                 Gemälde von Eduard Magnus

20
GEHÖRT & GESEHEN

                         „VOM ZAHNSTEIN ZUM MARMOR“
                         Ein Zahnarzt tauscht den Bohrer gegen den Meißel

                         „Welcher Tag ist heute?
                         Wie spät ist es ?
                         Habe ich schon gegessen – ach ja, die Kaffee­
                         pause – war die schon?
                         Wollte ich hier nicht eine Kontur verstärken?
                         Die Muscheleinlagerung muss ich noch
                         hervorheben !
                         Aber jetzt ist es wirklich schon spät – das
                         Sonnen­licht reicht kaum noch aus. Vielleicht
                         sollte ich morgen weiterarbeiten. Werde ich
                         dann noch genug Zeit haben?
                         Mein Stein ist noch lange nicht fertig.
                         Übermorgen habe ich doch diesen stressigen
                         Vormittag, den Amtsweg, die Buchhaltung …
                         Aber morgen ist noch Zeit – für meine Kontur
                         unter der Muscheleinlagerung – es soll ja Sinn
                         ergeben, was ich hier erarbeite, was ich
                         schaffe.“

                         Um diese oder ähnliche Gedanken dreht sich       Wir haben eine überwältigend große ­Aufgabe
                         mein Tagesablauf bei meiner fünften Teilnah-     vor uns, wenn wir dieses Wegdriften aus der
                         me am Seminar „Vom Zahnstein zum ­Marmor“        Schöpfung noch verhindern wollen.
                         des Bildhauers und Kunst­        t herapeuten
                         ­Christian Koller – diesmal wieder im märchen-   … aber da war doch noch diese Muschelein­
                          haft schönen Stift St. Georgen am Längsee.      lagerung unter der noch zu rundenden
                                                                          ­Kontur, die ich hervorheben wollte – heute
                         Ich fragte unseren Seminarleiter, welche Be­      oder ­morgen, bevor das stressige ­Übermorgen
                         deutung der Begriff „Schöpfung“ für ihn und       mich einholt …
                         seine Arbeit hat.
                                                                                                                Dr. Christian Derdak,
                                   Schaffensprozesse im Bildnerischen                                       Mitglied im Presbyterium
                                   – aber auch in der Musik – sind für
                                   mich ein Spiegelbild der Schöpfung
                                   im Kleinen.
                         In schöpferischen Abläufen geht es doch auch
                         um Erneuerung und um ein Überdenken des
                         Althergebrachten.
                         Im Grunde genommen geht es bei den Kre­
                         ativ-Entwicklungen des Menschen darum,                     LANDSCHAFTS-APOTHEKE
                         ganzheitlich mit der Natur verbunden, in eine              Mag. pharm. HEINZ HABERFELD
                         Wellenlänge hineinzufinden, die im Einklang                A-2500 Baden · Hauptplatz 13 · Tel. 0 22 52 / 86 3 15 · Fax 0 22 52 / 86 3 15-4
                         mit der Schöpfung ist.                                     E-mail: landschaftsapotheke.baden@aon.at · Internet: www.apothekebaden.at
                         Im 21. Jahrhundert trennt sich die Menschheit
Foto: Christian Derdak

                                                                                          ARZNEIMITTELSICHERHEITSGURT
                         aber immer mehr von den naturgegebenen
                         Lebensgrundlagen und der Verbundenheit mit                                        HEILKRÄUTER
                         der Schöpfung. Unbeabsichtigt – aber auch                                            APOTHEKENKOSMETIK
                         unumkehrbar.
                                                                                                                         HOMÖOPATHIKA

                                                                                                                            KÖRPERPFLEGEARTIKEL
                                                                          ANZEIGE

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                                                                                                                                     21
GEMEINDELEBEN

MEIN WEG ZU GOTT
Meine Geschichte beginnt mit einer Frage: Hat          sollte ich nicht lügen, ich hörte meine Erzie­
das Leben einen Sinn? Und wo findet man eine           hung im Hinterkopf, aber es wäre doch so
zufriedenstellende Erklärung darüber, ob mein          viel einfacher, dieser unangenehmen Situa­
Leben Bedeutung hat? Natürlich in Büchern              tion zu entrinnen, wenn ich doch nur diese
und so begann ich damit, Philosophie zu lesen.         eine ­kleine Lüge erzählte. Um ehrlich zu sein,
Eines war mir jedoch von Anfang an klar: Eine          nicht nur wäre es einfacher für mich, nein,
Bibel werde ich niemals in die Hand nehmen.            es wäre auch besser für die Person, der ich
Ich sah auf alles Religiöse von einem Ross so          gegenüberstehe und vielleicht sogar für alle
hoch herab, ich hätte mir beim Absteigen bei-          anderen ­Beteiligten. Somit ist es doch eigent­
de Beine gebrochen. Ich begann mich also zu            lich eine gute Handlung zu lügen, um uns all
fragen, warum wir uns an scheinbar univer-             den un­nötigen Ärger zu ersparen, oder? Wozu
sale Regeln halten. Wieso bringen uns unsere           die Wahrheit sagen, wenn sie brennt? Außer­
Eltern bei, nicht zu stehlen? „Weil man‘s halt         dem ist es so oder so relativ und meine Wer­
nicht macht.“ Aber was steckt dahinter?                te kann ich ja selbst formen, warum überlege
                                                       ich noch? Also lüge ich, natürlich. Doch bald
Werte, wie ich bald herausfand. Gut, nun               finde ich heraus, dass ich eine weitere Lüge
wusste ich, dass jede meiner Handlungen                erschaffen muss, um diese kleine Lüge zu
von diesen Werten bestimmt wird und diese              decken. Und so beginnt ein Kreislauf, bis ich
haben sogar Namen: Höflichkeit, Hilfsbereit­           mich eines T   ­ ages in einem Netz von Lügen
schaft, Pflichtbewusstsein, Ehrlichkeit etc. Lo­       wiederfinde und die Freiheit, die ich mir am
gik brachte mir bei, dass alles, was ist, einen        Anfang von dieser kleinen Lüge erhofft hatte,
Anfang gehabt haben muss. Nichts erscheint             zu einem Gefängnis geworden ist, in dem ich
einfach aus dem Nichts, alles hat einen Ur­            nicht einmal mir selbst trauen kann.
sprung. Was, oder wer war also der Ursprung            Eines Tages wache ich auf und ich fühle, ich
meiner W  ­ erte? Meine Eltern hatten sie sich         tue Falsches. Aber das kann doch nicht sein,
nicht ausgedacht, Werte waren lange vor ih­            ich bin der starke Mensch, der seine Werte
nen da. Wie können also Menschen Werte                 selbst erschaffen kann. Ich bekomme einen
erschaffen? E  ­ iner meiner Lieblings-Philoso­        Geschmack von einem Leben ohne das Abso­
phen, Nietzsche, setzte sich genau mit dieser          lute, ohne Halt und ohne Sinn. Denn ich selbst
Frage auseinander. Ich war überrascht, als ich         kann meinem Leben keinen Sinn geben, der
las, dass Nietzsche die traditionellen Werte           stark genug ist, um mich zu orientieren. Im
Gott zuordnete. Moment, Gott? Dieses Hirnge­           Gegenteil, ich habe mich selbst an meinen
spenst, dieses Macht­instrument, basierend auf         tiefsten Punkt gezogen.
einem staubigen, alten Buch, das keiner lesen          Wer schon einmal ganz unten war, weiß, dass,
möchte? Was Glaube mit Menschen macht,                 wenn man sich selbst nicht mehr traut, wenn
ist, dass sie all ihre Freiheiten verlieren. All die   die Verzweiflung kommt, dann sucht man
Freiheiten, die das Leben doch lebenswert ma­          einfach nur nach Halt. Meine Philosophie
chen. ­Außerdem sind Christen Zurückgeblie­            hatte mich im Stich gelassen. Ich war kein
bene, die nicht stark genug sind, allein durchs        Übermensch und, wie ich herausfand, alle
­Leben zu gehen und sich auf eine Fiktion              meine Freunde hatten den Sinn ihres ­Lebens
 stützen müssen. Erbärmlich. Endlich kam ich           in Wochenenden, Partys und des Weiteren
 also zu der Stelle, wo Nietzsche sagt, dass der       gefunden. Das erschien mir nicht wie der
 Mensch zum Übermenschen werden müsse                  wahre Sinn. All das ließ mich meine ­gesamte
 und ­seine eigenen Werte erschaffen könne.            Lebenseinstellung, das Fundament meiner
 Das ist es, dachte ich. Ich, der starke, infor­       Werte, in Frage stellen. Eines Nachts, als ich
 mierte, aufgeklärte Mensch, ich kann meine            in meinem Bett lag, erinnerte ich mich an ei­
 eigenen Werte erschaffen.                             nes der vielen Male, wo ich mit meiner Mut­
                                                                                                         Foto: Privat

 Bald schon fand ich mich in einer Situation,          ter ein k­ leines Nachtgebet gesprochen hatte.
 die mir eine Wahl zu bieten schien. Natürlich         Zuerst unbehaglich und ohne viel Erwartung

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