Todesursachen und Krankheiten beim Luchs - eine Übersicht - Seltene Tiere
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KORA Bericht Nr. 8 Oktober 2001 ISSN 1422-5123 Todesursachen und Krankheiten beim Luchs – eine Übersicht Marie-Pierre Ryser-Degiorgis KORA Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz. Coordinated research projects for the conservation and management of carnivores in Switzerland. Projets de recherches coordonnés pour la conservation et la gestion des carnivores en Suisse. KORA, Thunstrasse 31, CH-3074 Muri. Tel +41-31-951 70 40, Fax +41-31-951 90 40, Email: info@kora.ch, http://www.kora.unibe.ch
2 KORA Bericht Nr. 8 KORA Bericht Nr. 8 Todesursachen und Krankheiten beim Luchs - eine Übersicht Autor Marie-Pierre Ryser-Degiorgis Auteur Tavelweg 21 Author 3006 Bern mpdegiorgis@swissonline.ch Bearbeitung Susanne Hagen (Text) Adaptation Adrian Siegenthaler (Layout) Editorial Kora, Thunstrasse 31, CH-3074 Muri Bezugsquelle Kora, Thunstrasse 31, CH-3074 Muri Source T +41 31 951 70 40 / F +41 31 951 90 40 Source info@kora.ch Titelfoto An Räude gestorbener Luchs (Andreas Ryser) Photo de la page de titre Front cover picture Fotos Marie-Pierre Ryser-Degiorgis Photos Figures Anzahl Seiten/pages: 19 ISSN 1422-5123 ©KORA Oktober 2001
Oktober 2001 3 Todesursachen und Krankheiten beim Luchs – eine Übersicht Marie-Pierre Ryser-Degiorgis
4 KORA Bericht Nr. 8 Todesursachen und Krankheiten beim Luchs - eine Übersicht Inhalt 1. Zusammenfassung 5 2. Executive Summary 5 3. Einleitung 5 4. Nicht-infektiöse Todesursachen 6 5. Krankheiten 6 5.1 Ektoparasiten 6 5.2 Endoparasiten 7 5.3 Virale Erkrankungen 10 5.4 Bakterielle Erkrankungen 13 5.5 Pilze 14 5.6 Tumore 14 6. Schlussbemerkungen 14 7. Literatur 15 Dank An erster Stelle möchte ich mich bei Dr. Urs Breitenmoser (KORA) und Dr. Hans-Jörg Blankenhorn (Bundesamt für Umwelt, Wald, und Landschaft, Sektion Wildtiere) bedanken. Durch ihr Vertrauen in meine Arbeit haben sie mir die Möglichkeit gegeben, im Schweizer Luchsumsiedlungsprojekt mitzumachen. Ohne diese Aufgabe wäre dieser Bericht vermutlich nicht entstanden. Ein besonderer Dank geht auch an Dr. Torsten Mörner (Swedish National Veterinary Institute SVA, Dept. of Wildlife), der mir die Möglichkeit gegeben hat, mich ein Jahr lang in seiner Abteilung ausschliesslich mit Luchs- krankheiten zu beschäftigen. Vielen Dank auch an all die Personen, die mich während diesem Auslandsaufenthalt unterstützt haben, insbesondere Caroline Bröjer, Ewa Backman, Roland Mattsson (SVA, Dept. of Wildlife), Prof. Dr. Arvid Uggla, Dr. Set Bornstein (SVA, Dept. of Parasitology), Dr. Carl Hård af Segerstad (SVA, Dept. of Pa- thology) und Dr. Ana-Lena Berg (Swedish University of Agriculture, Dept. of Pathology). Ich möchte mich eben- falls bei Prof. Dr. Hans Lutz (Tierspital Zürich, Klinisches Labor) bedanken, der mich in verschiedenster Art und Weise und immer enthusiastisch in meinen Luchsarbeiten unterstützt hat. All den Leuten, die mir wertvolle Informationen gegeben haben, bin ich sehr dankbar. Ich habe verschiedene Publikationen von den Autoren selbst bekommen und mit Ihnen interessante Gespräche geführt. Mehrere persönli- che und bis jetzt unveröffentlichte Mitteilungen haben diesen Bericht zusätzlich ergänzt. Meinem Mann Andreas Ryser (KORA) bin ich ebenfalls sehr dankbar. Mit viel Geduld, lieben Worten und wis- senschaftlicher Beratung hat er mich in meiner Arbeit sehr unterstützt. Zudem hat er sich immer wieder Zeit ge- nommen, um dieses Manuskript kritisch durchzulesen. Schlussendlich möchte ich mich bei Susanne Hagen und Adrian Siegenthaler (KORA) für die finale Bearbei- tung des Textes und all die kleinen Arbeiten, die mit dem Druck verbunden sind, ganz herzlich bedanken.
Oktober 2001 5 1. Zusammenfassung their significance as possible cause of death should not be neglected. On the one hand, infectious diseases are Die häufigsten Todesursachen freilebender Luchse sind probably underrepresented, at least when one considers menschenbedingt: Strassen- und Bahnverkehr, Wilde- only lynx carcasses found by chance. On the other rei, offizielle Jagd und legale Abschüsse schadenstif- hand, lynx seem to be more or less sensitive to all bac- tender Tiere. Obwohl ansteckende Krankheiten an- terial and viral diseases of domestic cats – however, scheinend selten auftreten, sollte man ihre Bedeutung lynx in their natural habitat seldom come in contact als mögliche Todesursache nicht unterschätzen. Einer- with such infectious agents. seits sind infektiöse Krankheiten vermutlich unterrep- Parasites play an important role, especially in the räsentiert, zumindest wenn man nur zufällig gefundene wild. Mange is the most common disease affecting tote Luchse berücksichtigt. Andererseits scheinen lynx. It is described in Eurasian lynx and is an impor- Luchse für alle bei Hauskatzen vorkommenden bakteri- tant cause of death especially in northern Europe. ellen und viralen Erkrankungen mehr oder weniger Other ectoparasites like fleas and ticks are frequently stark empfänglich zu sein – allerdings kommen die observed in summer – like in other domestic and wild Luchse in ihrem natürlichen Lebensraum kaum mit den animals. Intestine worms (especially round worms) are entsprechenden Erregern in Kontakt. very common. In North America and in Europe infec- Parasiten spielen vor allem in der freien Wildbahn tions with toxoplasma and trichinella also occur fre- eine wichtige Rolle. Die Krankheit, die den Luchs am quently. However, they seldom cause disease symp- häufigsten befällt, ist die Räude. Sie ist beim Eurasi- toms. schen Luchs beschrieben und stellt vor allem in Nord- Bacterias play a role especially in the infection of europa eine wichtige Todesursache dar. Andere Ekto- wounds: they sometimes lead to death by causing septi- parasiten wie Flöhe und Zecken sind, wie bei anderen cemia. But occasionally lynx can also be affected by Haus- und Wildtieren, im Sommer häufig zu beobach- specific bacterial diseases: Salmonellosis occurs some- ten. Darmwürmer (v.a. Rundwürmer) kommen sehr oft times in lynx kept in zoos, and tuberculosis has been vor. Auch Infektionen mit Toxoplasmen und Trichinel- described in a free-ranging Iberian lynx. len treten in Nordamerika und in Europa häufig auf. Viral diseases are seldom in the wild. However, iso- Sie führen aber nur äusserst selten zu einer Erkran- lated cases of rabies, parvovirosis, feline infectious kung. peritonitis, Borna disease (Eurasian lynx), and distem- Bakterien spielen vor allem bei der Infektion von per (Canada lynx) have been observed. In zoo animals Verletzungen eine Rolle, indem sie manchmal zu einer as well, only few cases of viral diseases are known: in- Blutvergiftung und dadurch zum Tode führen können. fections with orthopoxviruses and also a case of feline Selten kann der Luchs aber auch von bestimmten bak- leucose. teriellen Krankheiten befallen werden: Die Salmonello- Tumours and fungi infections are seldom, too. The se kommt ab und zu bei Zooluchsen vor, und die Tu- only cases described up to now were observed in lynx berkulose ist nachweislich bei einem freilebenden Par- kept in zoos. However, it can not be excluded that such delluchs aufgetreten. diseases also occur in the wild. Virale Erkrankungen sind in der freien Wildbahn selten. Einzelfälle von Tollwut, Parvovirose, Feline In- fektiöse Peritonitis, Bornasche Krankheit (Eurasischer Luchs), und Staupe (Kanadaluchs) sind aber bekannt. 3. Einleitung Auch bei Zootieren sind nur wenige Fälle viraler Er- krankungen aufgetreten: Infektionen mit Orthopoxvi- Der Luchs wurde in der Schweiz im 19. Jahrhundert ren und auch ein Fall von Feliner Leukose. durch direkte Verfolgung durch den Menschen und den Tumore und Pilzinfektionen sind ebenfalls sehr sel- Verlust von Lebensraum und geeigneten Beutetieren ten. Die einzigen bis jetzt bekannten Fälle betrafen ausgerottet. Nach der bundesrechtlichen Unterschutz- Zooluchse. Trotzdem kann man nicht ausschliessen, stellung (1962) wurden zu Beginn der 1970er-Jahre um dass sie auch in der freien Wildbahn vorkommen. die 25 Luchse ausgesetzt. Aus diesen teils legalen, teils illegalen Aussetzungen entstanden zwei getrennte Po- pulationen: eine im Jura, eine in den Nordwestalpen. Natürliche Barrieren stellen offenbar für die Ausbrei- 2. Executive Summary tung des Luchses im Alpenraum ein grosses Hindernis dar. Obwohl es der lokalen Population gut geht, gibt es Causes of death and diseases in lynx – an overview nur wenige Tiere, die abwandern. Ende des Jahres 2000 – also fast genau 30 Jahre nach den ersten Wie- The most common causes of death of free-ranging lynx deransiedlungen – wurde entschieden, dem Luchs are traffic accidents (cars, trains), poaching, hunting nochmals zu helfen: Umsiedlungen aus der Nordwest- and legal shooting of animals causing too many dam- alpenpopulation in die Ostschweiz sollen das Verbrei- ages to livestock. Although diseases seem to be rare, tungsgebiet des Luchses in der Schweiz vergrössern
6 KORA Bericht Nr. 8 und ein erster Schritt zu einer alpenweit vernetzten und stellen noch immer eine Bedrohung für das lang- Luchspopulation sein. fristige Überleben dieser Tierart dar. In einigen Län- Das Projekt LUNO (Luchsumsiedlung Nordost- dern sterben Luchse auch durch die Jagd und – verein- schweiz) wurde aus wissenschaftlichen wie aus politi- zelt – durch legale Abschüsse schadenstiftender Tiere. schen Gründen gründlich geplant. Mehrere Räudefälle Wie andere Wildtiere sterben auch Luchse durch bei Luchsen in den Nordwestalpen im Jahr 1999 haben Unfälle (z.B. Lawinen, Absturz). Junge Luchse, die zu Verunsicherungen über den Gesundheitszustand ihre Mutter verloren haben und noch nicht selbständig dieser Population geführt. Daher kam der veterinärme- jagen können, versuchen oft in der Nähe von menschli- dizinischen Betreuung eine besondere Bedeutung zu. chen Siedlungen Nahrung zu finden und werden dann Dieser Bericht war der erste Schritt der tierärztlichen geschwächt oder verhungert aufgefunden. Vorbereitungsarbeiten: Um Entscheide treffen zu kön- nen, war ein Dokument über die Krankheitsanfälligkeit des Luchses dringend nötig. Dieser Bericht stellt die aktuellen Kenntnisse über Krankheiten und Todesursachen des Luchses zusam- men. Aufgeführt sind auch einzelne Krankheiten, die den Luchs befallen könnten, bis jetzt aber bei ihm noch nie beobachtet wurden. Im Rahmen des Projektes war der Eurasische Luchs von besonderem Interesse. In dieser Zusammenstellung habe ich zusätzlich auch noch andere Luchsarten berücksichtigt. Eigene, noch unveröffentlichte Daten und persönliche Mitteilungen anderer Wissenschaftler vervollständigen eine ausführ- liche Literaturrecherche. Der Text wendet sich in erster Linie an Wildbiologen und Tierärzte, aber auch an an- Abb. 2. Wilderei ist eine häufige Todesursache bei freile- dere interessierte Leute. Ich hoffe, dass er allen nütz- benden Luchsen. Diesen abgeschnittenen Luchskopf fanden lich sein kann, sei es als Arbeitsgrundlage oder als all- Spaziergänger in einem Wald in Schweden. gemeine Informationsquelle. 4. Nicht-infektiöse Todesursachen 5. Krankheiten Die häufigsten Todesursachen bei freilebenden Luch- Krankheiten treten bei Luchsen verhältnismässig selten sen sind menschenbedingt (91, 102, 110). Strassen- auf. Dennoch gibt es verschiedene Infektionserreger, und Bahnverkehr stehen dabei an erster Stelle. Spe- die für sie ansteckend bzw. krankmachend sind. ziell gefährdet sind subadulte Tiere, die auf der Suche Im Gegensatz zu anderen wilden Karnivoren wie nach einem eigenen Territorium sind. Illegale Ab- dem Fuchs und dem Dachs spielt der Luchs offenbar schüsse und andere Tötungsarten (z.B. Vergiften) führ- kaum eine Rolle bei der Verbreitung von Krankheiten. ten vor hundert Jahren zur Ausrottung des Eurasischen Als Predator wird der Luchs manchmal durch seine Luchses in vielen damals besiedelten Gebieten Europas Beute angesteckt (z.B. Fuchs). Doch sein einzelgänge- rischer Lebensstil gibt ihm nur wenige Gelegenheiten, seinen Artgenossen den Krankheitserreger weiter- zugeben. 5.1. Ektoparasiten Die Räude ist eine parasitäre, durch Milben (knapp mit blossem Auge sichtbare Spinnentiere) verursachte Hauterkrankung. Die Übertragung erfolgt hauptsäch- lich durch Kontakt von Tier zu Tier. Schon wenige Wochen nach der Infektion erscheinen die ersten Sym- ptome: Hautrötungen, Schuppenbildung, später dicke Krusten und oft Haarausfall. Diese Hautveränderungen verursachen in der Regel einen starken Juckreiz. Befal- lene Tiere fügen sich manchmal beim Kratzen offene Abb. 1. Wie andere Wildtiere sterben auch Luchse durch Wunden zu, die sich dann infizieren. Unfälle. Hier eine sendermarkierte Luchsin, die in den Laut experimentellen Infektionen beim Rotfuchs Schweizer Alpen abgestürzt ist. und Luchs beträgt die Inkubationszeit 10 bis 72 Tage
Oktober 2001 7 (15, 16, 74). Die gleichen Infektionsversuche haben der warmen Jahreszeit (91, 102). Beim Kanadaluchs gezeigt, dass in der Regel mehrere Monate zwischen findet man neben Flöhen auch Läuse (122). den ersten Räudesymptomen und dem Tod des Tieres vergehen. Beobachtungen bei freilebenden Kojoten 5.2. Endoparasiten bestätigen, dass sich die Krankheitssymptome über Lungenwürmer befallen ab und zu freilebende Eurasi- mehrere Monate entwickeln (83). Ein in der Schweiz sche Luchse. Sie scheinen aber, zumindest bei dieser sendermarkierter Luchs, der beim Fang gesund schien, Art, eine untergeordnete Rolle zu spielen. In Schweden starb drei Monate später an Räude (93). liess sich ein Befall mit Capillaria sp. bei nur 7 von Sarcoptes scabiei verursacht die sogenannte Sar- 221 untersuchten Tieren nachweisen (91). Eine durch koptesräude, auch Fuchsräude genannt. S. scabiei den Nematoden Aelurostrongylus abstrusus verursach- kommt weltweit vor und kann zahlreiche Säugetierar- te Lungenentzündung ist in der Schweiz beobachtet ten befallen – auch den Menschen (2, 33, 34). Bei wil- worden (102). Weitere Lungenwürmer wurden beim den Karnivoren ist die Krankheit vor allem beim Rot- Rotluchs nachgewiesen: Paragonimus kellicotti (Tre- fuchs bekannt. Sie tritt aber auch beim Wolf (117), Ko- matoda) und Filaroides rostratus (Nematoda) sind in joten (83, 117), Schwarzbär (104) und Luchs (46, 49, Zusammenhang mit Lungenläsionen beschrieben wor- 72) auf. Experimentelle Infektionen haben gezeigt, den (108). Angiostrongylus gubernaculatus, Capillaria dass die Übertragung zwischen verschiedenen Tierar- aerophila, Metatheliazia sp., Oslerus rostratus, Tro- ten nicht immer stattfindet, dass sie aber vorkommen glostrongylus wilsoni, und Vigisospirura potekhina kann (14, 15, 98, 112). Die Wirtspezifität von S. sca- sind weitere Nematoden, die man in der Lunge von biei ist noch nicht ganz geklärt, doch die meisten Auto- Rotluchsen nachgewiesen hat (124). Vigisospirura po- ren vertreten dieselbe Ansicht wie Fain (32), der an- tekhina ist auch beim Pardelluchs beschrieben worden nimmt, dass es sich um eine einzige, sehr variable Mil- (118). benart handelt und nicht um mehrere Milbenarten, die Im Gegensatz zu Lungenwürmern kommen Magen- je einen spezifischen Wirt befallen. Neue morphologi- Darm-Parasiten beim Eurasischen Luchs häufig vor. sche und genetische Untersuchungen unterstützen diese In der Schweiz ist Toxocara sp. der am häufigsten Theorie (126). Beobachtungen in der Wildbahn deuten beim Luchs vorkommende Parasit; bei Jungtieren wird darauf hin, dass der Fuchs ein Vektor der Sarkoptes- er sogar als Todesursache beschrieben (102). Taenia räude ist und andere Wildkarnivoren wie den Luchs sp., Trichuris sp., Capillaria sp., Uncinaria sp., Nema- anstecken kann (46, 72, 93). Durch eine experimentelle todirus sp., Toxascaris leonina und weitere unidentifi- Infektion liess sich beweisen, dass Räudemilben, die zierte Askariden und Kokzidien kommen ebenfalls vor. Füchse befallen, Luchse ebenfalls anstecken können Sehr ähnliche Befunde zeigte eine Untersuchung bei (15). Weil die Krankheit sowohl bei adulten Weibchen 230 schwedischen Luchsen (91). Toxocara spp., To- als auch bei ihren Jungen aufgetreten ist, nimmt man xascaris leonina, Taenia spp. und Isospora felis sind an, dass eine Übertragung von Luchs zu Luchs möglich einige Beispiele der helminthen Fauna des Pardelluch- ist (92, 93). ses (87, 118). Zahlreiche Nematoden sowie einige Notoedres cati gehört zur gleichen Familie wie S. Zestoden und Protozoen können den Rotluchs (43, 113, scabiei (Sarcoptidae) und verursacht ein ähnliches 115, 124) und den Kanadaluchs (122) befallen. Krankheitsbild. Die Notoedresräude wird auch Kat- Die Trichinellose wird durch Trichinella sp. verur- zenräude oder Kopfräude genannt, weil der Hauptwirt sacht, einem Nematoden, der im infizierten Tier zu- der Milbe N. cati die Hauskatze ist, die bei einem Be- nächst den Darm und anschliessend die Muskulatur be- fall mit dem Parasit vor allem in der Kopfregion Sym- fällt. Trichinella parasitiert hauptsächlich in Fleisch- ptome zeigt. Wildfeliden in Zoos sind für die No- und Allesfressern (z.B. Wildschwein, Fuchs, Luchs, toedresräude (und auch die Sarkoptesräude) sehr emp- Bär, Wolf, Wildkatze, Dachs, Marder und kleine Na- fänglich (40). Bei freilebenden Luchsen ist die No- ger) und befällt auch den Menschen. In Europa kommt toedresräude erstmals in der Schweiz beschrieben wor- dieser Parasit häufig beim Fuchs vor, welcher als wich- den (93); auch eine Mischinfektion durch N. cati und S. tige Infektionsquelle gilt. Die Infektion erfolgt durch scabiei ist beobachtet worden (93). die Aufnahme von parasitenhaltigem Muskelfleisch Otodectes cynotis ist eine sehr häufige Milbenart, (57). Rezente Arbeiten sprechen von hohen Infektions- die im Gegensatz zu den zwei oben genannten Arten raten bei Luchsen in den verschiedenen Ländern Euro- keine Gänge in der Haut seiner Wirte bohrt, sondern pas; fast 50 % in Slowenien und Ex-Jugoslawien (17), auf der Hautoberfläche bleibt. Am häufigsten ist sie in 40 % in Finnland (80) und 50 % in der Schweiz (42). den Ohren von jungen Hauskatzen zu finden, sie kom- Der Parasit kommt auch beim Rotluchs (103) und beim mt aber auch bei verschiedenen Wildkatzen in Zoos Kanadaluchs (128) vor. Ein infizierter Luchs zeigt kei- (40) und bei freilebenden Luchsen vor (27, 102). Die ne Krankheitssymptome, der Konsum seines Fleisches sogenannte Ohrräude ist relativ harmlos, da sie sich kann aber ohne die nötigen Vorsichtsmassnahmen eine äusserst selten über den Rest des Körpers ausdehnt. Gefahr für den Menschen darstellen! Flöhe, Zecken und gelegentlich Lausfliegen befal- Die Toxoplasmose ist eine Krankheit, die bei vielen len freilebende Eurasische Luchse vor allem während Tierarten und auch beim Menschen vorkommt. Ihr
8 KORA Bericht Nr. 8 Abb. 3. Die Milbe Sarcoptes scabiei, die zahlreiche Säuger Abb. 4. Die Milbe Notoedres cati verursacht die Notoedres- befallen kann, verursacht die Sarkoptesräude, auch Fuchs- räude, auch Katzenräude genannt. Sie unterscheidet sich von räude genannt. Die Struktur der Dorsalfläche ist charakteris- Sarcoptes scabiei durch einen runderen, plumperen Körper, tisch und der Anus ist am Körperrand gelegen (Pfeil). die zwiebelschalenartige Struktur der Dorsalfläche und durch die Lage des Anus, der sich zentraler befindet (Pfeil). Abb. 5. Otodectes cynotis (links: Männchen, rechts: Weib- Abb. 6. Zum Zeitpunkt seines Fanges wurde dieses sender- chen) ist sehr häufig in den Ohrgängen von Hauskatzen und markierte Luchsmännchen als gesund beurteilt. Drei Monate ab und zu auch von Wildfeliden zu finden. Sie verursacht die später starb es an Räude: Es litt an einer Mischinfektion von sogenannte Ohrräude. Notoedres cati und Sarcoptes scabiei, eine Räudeform, die noch nie beschrieben worden war. Auf dieser Aufnahme sind die räudebedingten dicken Krusten insbesondere auf den Ohren und auf der Stirn gut sichtbar. Abb. 7. Adultes räudiges Luchsweibchen, das tot aufgefun- Abb. 8. Nahaufnahme der Ohrmuschel eines räudigen Luch- den wurde. Diese Aufnahme zeigt das typische Aussehen ses: Die Haut der äusseren Ohrseite ist mit (den für Räude) eines räudigen Luchses: Das kranke Tier ist struppig und typischen dicken Krusten bedeckt, die durch blutige Raga- stark abgemagert. Haarausfall tritt kaum – wenn überhaupt – den zerstückelt werden. auf und die dicken Krusten, die den ganzen Körper bede- cken, sind auf einer Übersichtsaufnahme nicht sichtbar.
Oktober 2001 9 Abb. 9. Juveniler räudiger Luchs, der tot aufgefunden wur- Abb. 10. Nahaufnahme des Rückens von Abb. 9: Die haarlo- de. Das Tier ist struppig und sehr mager. Auf dem Rücken se, mit Krusten bedeckte Stelle ist gut sichtbar. Bei räudigen ist eine grosse haarlose Fläche, die Haare im Lumbal-/ Füchsen sind solche Befunde typisch, bei räudigen Luchsen Schwanzansatzbereich sind verkürzt, und am Schwanzansatz stellen sie eher eine Ausnahme dar. gibt es eine haarlose, wunde Stelle. Abb. 11. Nahaufnahme des Schwanzes und des Lumbalbe- reiches von Abb. 10: Die haarlose, wunde Stelle am Schwanzansatz ist vermutlich ein Hinweis darauf, dass der Abb. 12. Sarcoptes scabiei bohrt Gänge in die Haut ihrer Jungluchs an Juckreiz gelitten hat und sich immer wieder in Wirte. In diesen Bohrgängen ernährt sie sich von lebenden die Schwanzbasis gebissen hat. Solche Beobachtungen kom- Zellen und Gewebeflüssigkeit; sie legt auch ihre Eier und men ab und zu vor, sind aber verhältnismässig selten. setzt ihren Kot ab. Betrachtet man einen histologischen Schnitt eines befallenen Hautstücks (hier von einem Luchs) unter dem Mikroskop, sieht man, dass die oberste Haut- schicht verdickt (schwarzer Pfeil) ist und zahlreiche durch- geschnittene Milben (blaue Pfeile) sowie abgestorbenes Mil- ben- und Zellmaterial enthält. Auf der Hautoberfläche bildet sich eine dicke Kruste (gelber Pfeil), bestehend aus Schich- ten von Serum, abgestorbenen Milben und totem Zellmateri- al. Abb. 13. Im Magen-Darm-Trakt lebenden Rundwürmer sind die häufigsten Endoparasiten freilebender Luchse. Diese Aufnahme zeigt einen Teil des aufgeschnittenen Dünndarms eines durch Rundwürmer stark befallenen Luchses.
10 KORA Bericht Nr. 8 Verursacher ist Toxoplasma gondii, ein einzelliger Pa- der Infektionsstelle und beträgt zwei bis acht Wochen. rasit dessen Endstadium im Darm von Katzenartigen Gemäss Tierseuchenverordnung gilt eine Inkubations- lebt (in Europa: Hauskatze, Wildkatze und Luchs). An- zeit von 100 Tagen (116). Bereits bis zu fünf Tage vor dere Tierarten infizieren sich durch die Aufnahme von Ausbruch der klinischen Erscheinungen kann der Spei- parasitenhaltigem Katzenkot oder, wie die Katzen chel virushaltig sein. selbst, durch den Verzehr infizierter Beutetiere. Nach Die Tollwut wurde beim Eurasischen Luchs selten einer Infektion gelangen die Parasiten aus dem Darm diagnostiziert (44, 56, 67, 99, 110). Bei Feliden ist die via Blut in alle Organe (hauptsächlich Gehirn und benötigte Infektionsdosis höher als bei einem Fuchs. Muskulatur), wo sich dann sogenannte Toxoplasma- Zudem stecken sich Feliden durch die orale Aufnahme zysten bilden. Bei den Karnivoren verläuft die Infekti- infizierter Beutetiere in der Regel nicht an (35). Im Ge- on meistens ohne Krankheitssymptome. Nur selten gensatz zu den Hauskatzen scheint sich die Krankheit führt sie zu tollwutähnlichen Verhaltensstörungen. In beim Luchs meistens durch die „stille Wut“ (Lähmung, Finnland sind über 70 % der Luchse seropositiv (81); kein aggressives Verhalten) zu äussern: Von 1000 auch in Schweden ist ein grosser Teil der Luchspopula- während zehn Jahren in der Slowakei gefangenen oder tion infiziert (97). Bei Eurasischen Luchsen sind aber getöteten Luchsen waren nur sechs Tiere tollwütig. Al- keine Krankheitsfälle bekannt. Im Kanada traten hinge- le sechs zeigten eine stille Wut (35). Dass ein aggressi- gen vereinzelte klinische Fälle bei jungen Rotluchsen ves Verhalten aber auch beim Luchs in seltenen Fällen auf (30, 107). Aber auch beim Rotluchs sind inappa- vorkommen kann, zeigt ein Fall aus Slowenien, wo rente Infektionen sehr verbreitet (38, 79, 86). Eine Stu- 1993 ein tollwütiger Luchs zwei Frauen angegriffen die in Alaska zeigt, dass rund 40 % der Kanadaluchse hat. seropositiv sind, und dass die Antikörperprävalenz Die feline Parvovirusinfektion (infektiöse Panleu- stark altersabhängig ist (126). kopenie, Katzenseuche) kommt bei allen Feliden vor Parasiten der Gattung Sarcocystis haben typischer- (40). Darüber hinaus sind auch einige Vertreter der weise einen Beute-Predatoren-Zyklus. Der Endwirt ist Procyoniden, einige Viverriden und fast alle Musteli- in der Regel ein Fleischfresser, in dessen Darm sich der den empfänglich. Inapparent infizierte oder kranke Parasit befindet; die sogenannten Sporozysten werden Hauskatzen stellen das Virusreservoir dar, wobei we- mit dem Kot ausgeschieden. Der Zwischenwirt, bei gen der hohen Virustenazität kein direkter Kontakt von dem Sarkozysten im Muskel- oder Nervengewebe vor- Tier zu Tier stattfinden muss (55). Die Aufnahme des handen sind, ist meistens ein Pflanzen- oder Allesfres- Erregers erfolgt über den Atmungs- oder Verdauungs- ser, und nur selten ein Fleischfresser (123). Die Anwe- trakt, aber auch durch mit Viren verunreinigte Gegens- senheit intramuskulärer Sarkozysten scheint beim Rot- tände. Die Inkubationszeit beträgt drei bis sechs Tage. luchs dennoch sehr verbreitet zu sein (1, 29). Eine in- Die Krankheit kann sowohl perakut (Tod innerhalb von tramuskuläre Sarkozyste wurde auch bei einem freile- 10–20 Stunden), akut (Tod nach 3–4 Tagen) oder benden Eurasischen Luchs in Schweden nachgewiesen protrahiert über viele Wochen verlaufen. Die Haupt- (94). symptome sind anfangs Apathie, Erbrechen und Exsik- Die feline Cytauxzoonose ist eine durch den Blut- kose mit Fieber. Erst danach stellen sich breiige bis parasiten Cytauxzoon felis verursachte Krankheit. Sie wässrige und blutige Durchfälle ein. Zu Beginn der Er- ist für Hauskatzen tödlich. Der Erreger kommt vor al- krankung ist vor allem das Blutbild entscheidend für lem bei Katzen in Nordamerika und bei afrikanischen die Diagnose. Ungulaten vor. Vermutlich sind Zecken die Überträger Beim Eurasischen Luchs sind einige Panleukope- der Krankheit. In Nordamerika scheinen der Rotluchs nie-Fälle bekannt: Ein freilebender Luchs aus dem und der Puma das Reservoir des Erregers in der Wild- Schweizer Jura (102) und einer aus Frankreich (110) bahn zu sein (47). Ein Experiment zeigte, dass der Rot- sind an der Krankheit gestorben. Eine serologische Stu- luchs die fatale Krankheitsform ebenfalls entwickeln die bei schwedischen Luchsen hat gezeigt, dass diese kann (52). Infektion in diesem Land sehr selten vorkommt (95), aber auch dort bestand bei einem Fall der Verdacht auf 5.3. Virale Erkrankungen eine Parvovirusinfektion als Todesursache (91). Bei Die Tollwut ist eine in der Regel tödlich verlaufende, einer in Gefangenschaft gehaltenen kleinen Luchspo- meldepflichtige Infektionskrankheit, die alle Säugetier- pulation in Russland ereignete sich eine Krankheitsepi- arten (inkl. Mensch) befallen kann. Das Tollwutvirus demie, deren Symptome stark an die Panleukopenie (Lyssavirus) gelangt mit dem Speichel in Bisswunden. erinnerten. Obwohl keine veterinärmedizinischen Un- Die Anfälligkeit der verschiedenen Tierarten ist sehr tersuchungen durchgeführt wurden, um diese Ver- unterschiedlich. Bei den Karnivoren gelten Wildkani- dachtsdiagnose zu bestätigen, ergriff man prophylakti- den als sehr leicht infizierbar, wohingegen u.a. Katzen sche Massnahmen (jährliche Impfung der Jungen). und Marder deutlich weniger empfänglich sind (21). Seitdem trat diese Krankheit nicht mehr auf (77). Aufrecht erhalten wird die Infektionskette hauptsäch- Die feline infektiöse Peritonitis (ansteckende lich durch den Fuchs. Die Inkubationszeit ist u. a. ab- Bauchfellentzündung, FIP), ist heute eine der gefürch- hängig von der Virusmenge, der Virulenz und der Lage tetsten Katzenkrankheiten, da sie, einmal ausgebro-
Oktober 2001 11 chen, immer tödlich verläuft. Ein Coronavirus verur- re nach Beginn der Infektion. Für den Nachweis von sacht die Krankheit. Bei der Katze kennt man zwei Ar- FeLV im Blut von Katzen steht ein Test zur Verfügung ten von Coronaviren: Das FIP-Virus und das feline en- (61). terale Coronavirus, welches gelegentlich bei Jungtieren Da FeLV und FeLV-bedingte Krankheiten nur sel- zu Episoden von Erbrechen und Durchfall führt. Von ten bei Wildfeliden nachgewiesen wurden, betrachtet beiden Viren gibt es einzelne Stämme, die mehr oder man das Virus nicht als bedeutenden Krankheitserreger weniger krankmachend sind. Das FIP-Virus kann für diese Tierarten (62). Die Krankheit wurde jedoch durch direkten Kontakt mit einer erkrankten Katze oder bei Pumas, Leoparden und Tigern beobachtet (40). Ein aber auch indirekt über unbelebte Gegenstände erfol- aktueller Bericht beschreibt die klinischen Symptome gen. Man muss davon ausgehen, dass eine mit einem und pathologischen Organveränderungen eines an einer Coronavirus infizierte Katze das Virus über den Kot FeLV-Infektion gestorbenen Rotluchses in Gefangen- und vermutlich seltener über den Speichel und den schaft: Man nimmt an, dass seine Adoptivmutter, eine Urin ausscheiden kann – unabhängig davon, ob das Hauskatze, die Infektionsquelle war (106). Zudem gibt Tier selber erkrankt ist oder nicht. Der Krankheitsaus- es Berichte über nachgewiesene FeLV-Infektionen (mit bruch erfolgt oft erst Wochen bis Monate nach der In- oder ohne assoziierte klinische Symptome) bei einer fektion. Jede Art von Stress kann das Ausbrechen einer Bengalkatze (90), einem Leoparden (24), einem Ge- FIP-Erkrankung bei einem Tier mit stummer Coronavi- pard (18) und einem Puma (70) in Gefangenschaft. rusinfektion begünstigen. Die Diagnose einer FIP ist Schweizer Forscher haben zwölf Arten von in Gefan- äusserst schwierig. Im Coronavirustest bestimmt man genschaft gehaltenen Wildkatzen, inklusive drei Luch- Antikörper gegen Coronaviren, was sehr unspezifisch se, auf die Anwesenheit von FeLV-Antikörper getestet: ist. Über 50 % der gesunden Hauskatzen haben Anti- Alle untersuchten Tiere waren seronegativ. Das gleiche körper gegen das Coronavirus. Das FIP-Virus kann Resultat ergaben Untersuchungen bei freilebenden Pu- man mittels spezieller Methoden wie PCR nachweisen, mas (88) und afrikanischen Löwen (45). doch diese Methoden sind zur Zeit noch nicht sehr pra- Die feline Immunschwächevirus-Infektion (FIV- xistauglich (61): Solche Laborverfahren sind zeitlich Infektion) führt zu einer Schwächung des Immunsys- und finanziell zu aufwendig für die Untersuchung eines tems der Katze, in deren Folge es zu den verschiedens- einzelnen Tiers. ten Krankheitszeichen kommen kann. Der Krankheits- Weil Fälle von FIP bei verschiedenen in Zoos ge- verlauf kann sich über viele Wochen und Monate haltenen Wildkatzenarten aufgetreten sind, gilt schon erstrecken. Wegen der Immunschwäche werden vor lange die Annahme, dass alle Vertreter der Familie Fe- allem bakterielle Infektionen begünstigt. FIV wird lidae für diese Infektion empfänglich sind (40), also hauptsächlich durch Bissverletzungen übertragen (v.a. auch der Eurasische Luchs (48) und der Rotluchs (37). im Zusammenhang mit der Revierverteidigung und Aus Frankreich ist sogar ein Fall bei einem freileben- dem Paarungsakt). Zum Nachweis einer FIV-Infektion den Luchs bekannt (50). In der Schweiz wurde ein Fall stehen Testverfahren zur Verfügung, mit denen sich mit FIP-ähnlichen patho-anatomischen Veränderungen Antikörper gegen FIV nachweisen lassen. Negative beschrieben, bei dem sich der Verdacht auf eine Coro- Resultate sind äusserst verlässlich. Bei gesunden Tie- navirusinfektion jedoch nicht bestätigen liess (102). ren gefundene positive Resultate bedürfen aber einer Aktuelle serologische Untersuchungen in Schweden Bestätigung durch ein zweites, besseres Verfahren bei 102 freilebenden Luchsen sind negativ verlaufen (Immunfluoreszenztest oder Western Blot) (61). (95) und haben gezeigt, dass Luchse dort äusserst sel- FIV-Infektionen kommen in der Schweiz, Deutsch- ten mit Coronaviren in Kontakt kommen – falls über- land und Österreich nicht häufig vor; nur wenige Pro- haupt. zente der gesamten Katzenpopulation sind betroffen. In Die feline Leukämievirusinfektion (FeLV-Infekti- Frankreich, England, Italien sowie Nordeuropa ist die on, feline Leukose) äussert sich in einer ganzen Reihe FIV-Häufigkeit dagegen wesentlich höher (61). verschiedener Krankheitsbilder. Das Leukämievirus Antikörper gegen FIV hat man bei vielen in Gefan- erhielt diesen Namen, weil es erstmals im Zusammen- genschaft gehaltenen Wildfeliden nachgewiesen (3, 20, hang mit einer Leukämie identifiziert wurde. Diese 62), aber auch bei mehreren freilebenden Feliden, u.a. Form der Krankheit tritt bei der Hauskatze selten auf. beim Rotluchs (3, 20, 45, 88). Ob eine FIV-Infektion Meist kommt es zu einer krankhaften Vergrösserung bei Wildfeliden wie bei der Hauskatze zu Immun- der Lymphknoten (sogenannte Leukose). Noch häufi- schwäche führt, ist unklar und umstritten. Beim freile- ger verursacht das Leukämievirus jedoch Blutarmut benden Eurasischen Luchs ist eine FIV-Infektion aus und Immunschwäche. Die Übertragung des FeLVs er- Frankreich bekannt (109). Dieser Fall wurde aber lei- folgt hauptsächlich durch infizierten Speichel. Einige der nicht näher dokumentiert. Nur wenige Luchse in Tiere können die Infektion überwinden. Andere blei- Gefangenschaft hat man auf FIV-Antikörper untersucht ben zeitlebens infiziert und scheiden grosse Mengen und bei allen verlief der Nachweis negativ (3, 62). Das- Viren aus. Bei klinisch gesunden, aber dauerhaft infi- selbe Resultat ergab sich bei einer in Schweden durch- zierten Tieren kann die Krankheit ausbrechen: Im geführten Studie an 104 freilebenden Eurasischen Durchschnitt sterben sie etwa zweieinhalb bis drei Jah- Luchsen (95).
12 KORA Bericht Nr. 8 Beim Katzenschnupfen handelt es sich um eine fende Erkrankung des Zentralnervensystems. Ursache Erkrankung des Nasen- und Rachenraums, in vielen der Krankheit ist das Borna-Virus (Borna disease virus, Fällen auch der Bindehäute der Augen. Die Krankheit BDV). Das BDV hat ein weites Wirtspektrum: vor al- tritt am häufigsten im Alter von 6–12 Wochen auf. Die lem Pferde und Schafe, aber auch Katzen und seltener Inkubationszeit beträgt wenige Tage. Meistens ver- weitere Tierarten (22). Dieses Virus wurde sogar beim schwinden die Krankheitssymptome nach 10–12-tägig- Menschen nachgewiesen. Der erste bekannt gewordene er Krankheitsdauer von selbst. Gelegentlich kommt es BD-Fall bei einem Luchs ist in Schweden aufgetreten zu bakteriellen Sekundärinfektionen. Zwei Viren kön- (26). Das Tier zeigte ein abnormales Verhalten nen den Katzenschnupfen verursachen: das feline Her- (ausgeprägte Apathie, keine Fluchtreaktion vor dem pesvirus (FVH) und das Calicivirus (FCV). Beide sind Menschen) und war stark abgemagert. bei Hauskatzen weit verbreitet. Aufgrund der Krank- Nach der Inkubationszeit, die bei der experimentel- heitssymptome lässt sich die Ursache des Schnupfens len Infektion der Ratte in Abhängigkeit von Erreger- nicht genau erkennen, auch wenn das Herpesvirus eher stamm und Empfänglichkeit des Wirtes mindestens zu Nasen- und Augenausfluss und das Calicivirus eher zwei Wochen beträgt (111), kommt es zu einer klinisch zu Veränderungen auf der Zunge führt. Die Übertra- manifesten, häufig tödlichen Gehirnentzündung. Typi- gung der Viren erfolgt durch direkten Kontakt. Ein di- sche Symptome sind Gangstörungen und ein veränder- rekter Nachweis von Herpes- und Caliciviren ist nur in tes Verhalten. Das Auftreten der Krankheit ist streng spezialisierten Labors durchführbar (61). an gewisse Endemiegebiete gebunden. Als Endemiege- FVH- und FCV-Infektionen treten bei verschiede- biete in der Schweiz gelten die Bündner Herrschaft, nen freilebenden und in Gefangenschaft gehaltenen das Domleschg, das Schanfigg und das St. Galler Wildfelidenarten auf (11, 45, 88, 100). Beide Viren Rheintal (22). Aktuelle serologische Untersuchungen gelten als pathogen für die meisten Wildfelidenarten bestätigen, dass seropositive Katzen auch in der (37). FHV-Infektionen findet man in ausgeprägter Schweiz vorkommen (69). Bornand et al. (13) haben Form bei allen kleineren Wildkatzen, während die einen Fall bei einer acht Wochen alten, aus dem Kan- grösseren nur milde oder keine Symptome zeigen. Nur ton Bern stammenden Katze mit neurologischen Sym- Geparde erkranken meistens schwer (40). Eine serolo- ptomen diagnostiziert. gische Studie über FVH-Infektionen bei 19 freileben- Die Epidemiologie von BD bleibt unklar. Spekulati- den Rotluchsen brachte aber nur negativen Resultate onen, dass Zecken oder kleine Nager als Virusträger und Tiere, die mit FVH1 experimentell infiziert wur- fungieren können, wurden bis jetzt nicht bestätigt. Bei den, entwickelten keine klinische Symptome. Dennoch Hauskatzen hat man gewisse Risikofaktoren identifi- stellte man bei diesen Tieren Virusreplikation und eine ziert: Fälle treten vor allem in ländlichen Gebieten auf, aktive Immunantwort fest (31). Beim Eurasischen Kater sind häufiger befallen als kastrierte Männchen Luchs ist ein Fall einer natürlichen FVH-Infektion be- oder Weibchen, und Katzen, die Mäuse jagen, sind kannt (109). Interessanterweise waren aber alle 102 ebenfalls häufiger betroffen (9). freilebenden schwedischen Luchse, die in einer serolo- Eine sichere Diagnose beim lebenden Tier ist, aus- gischen Studie untersucht wurden, negativ (95). ser durch den Nachweis spezifischer Antikörper, zur Die Staupe ist eine hochkontagiöse Erkrankung der Zeit nicht möglich. Bei klinisch unauffälligen Tieren Hunde und anderer Karnivoren. Der Erreger ist ein ist ein positives Resultat aber nur ein Hinweis, dass ein Morbillivirus. Natürliches Reservoir sind kranke oder Kontakt mit BDV-Antigenen oder eine Übertragung inapparent infizierte Tiere (v.a. Hunde und Steinmar- maternaler Antikörper auf das Jungtier stattgefunden der), die Viren mit allen Sekreten und Exkreten ab dem hat (22). Tiere, die an BD sterben, sind zudem manch- fünften Tag nach der Infektion über Wochen ausschei- mal seronegativ (26, 51, 60). Die Serologie ist somit den und auch Futter und Wasser kontaminieren können kein geeignetes Instrument zur Erkennung infizierter (55). Die Staupe kann sich als pulmonale, gastrointesti- Tiere. Ebenso wenig lassen sich vom Resultat der Se- nale oder nervöse Verlaufsform zeigen. Der Virusnach- rologie sichere Aussagen zum Verlauf der Infektion weis ist schwierig; die serologische Diagnose zum oder eine Prognose ableiten (22). Nachweis des Antikörperanstiegs ist möglich aber rela- Orthopoxvirusinfektionen kommen bei zahlrei- tiv aufwendig (59). chen Säugetierarten und beim Menschen vor (59). Das Das Virus kann auch Löwen und Tiger befallen (10, Kuhpockenvirus, das nahe mit dem Vacciniavirus 76, 84, 89). Ein Fall von Staupe nach einer vorange- (Gattung Orthopoxvirus) verwandt ist, erwies sich in gangenen Parvovirusinfektion stellte man bei einem verschiedenen europäischen Ländern für Hauskatzen Schneeleoparden fest (36). Aus mehreren Kanadaluch- (7, 12, 114, 119) und für mehrere in Zoos gehaltene sen, die neurologische Symptome und abnormales Ver- Felidenarten als pathogen: Z.B. für Löwe, Leopard, halten zeigten, wurde ebenfalls ein Morbillivirus iso- Gepard, Ozelot, Puma und Jaguar in Russland (66), Ti- liert (68). Beim Eurasischen Luchs sind zur Zeit aber ger in Schweden (73) und Gepard (4) und Luchs (6) in keine Fälle bekannt. England. In einer in Fennoskandien durchgeführten Die Bornasche Krankheit (Borna disease, BD) ist Studie wurden Antikörper gegen das Orthopoxvirus bei eine sporadische, meist progressiv und tödlich verlau- verschiedenen Wildkarnivoren, u.a. bei freilebenden
Oktober 2001 13 Luchsen, nachgewiesen (120). Die Übertragung des len, die nur bei für sie günstigen Bedingungen zu einer Virus erfolgt durch direkten und indirekten Kontakt Erkrankung führen. Escherichia coli, Streptococcus (59). Man vermutet, dass Zootiere und Hauskatzen spp., Staphylococcus spp. und Pasteurella spp. wurden durch kleine Nagetiere infiziert werden, die als Reser- in der Schweiz aus freilebenden Luchsen isoliert, die voir für das Kuhpockenvirus dienen (59, 121). Zusätz- an einer bakteriellen Infektion gestorben waren (102). lich könnten sich Luchse auch durch Kontakte mit Eine durch Pasteurella multocida und Acheloplasma Füchsen und Katzen infizieren (120). Die Inkubations- laidlawi verursachte Lungenentzündung ist bei einem zeit beträgt bei der Kuh etwa fünf Tage (59); bei Wild- Kanadaluchs beschrieben worden (58). Infizierte Wun- feliden scheint sie 7–16 Tage zu dauern (66). Nach den können zu einer Blutvergiftung und dadurch auch überstandener Infektion besteht eine lebenslängliche zum Tode führen (101, 102). Einige Einzelfälle be- Immunität (59). Bei der Katze bestimmen, neben allge- stimmter Erkrankungen sind aber auch bekannt und meinen Symptomen, vor allem Hautläsionen das klini- verschiedene serologische Studien deuten ebenfalls auf sche Bild (121). Zusätzlich zu der klassischen Haut- Infektionen mit Bakterien und Rickettsien, die über- form (Pocken) tritt bei Wildfeliden auch eine Lungen- standen wurden bzw. nie zu einem klinischen Krank- form auf (66). Eine Infektion führt aber offenbar nicht heitsbild geführt haben. immer zum Krankheitsausbruch. Über die Pathogenität Ein in Gefangenschaft gehaltener Eurasischer Luchs von Orthopoxviren bei Wildtierarten ist wenig bekannt. erkrankte an septikämischer Salmonellose (Salmonella Aufgrund von Beobachtungen in Zoos scheint das arizonae) (64). In einer Studie wurde Salmonella sp. Kuhpockenvirus für Wildfeliden pathogener zu sein als bei 6 von 153 freilebenden Rotluchsen isoliert (124). für Hauskatzen. Klinische Fälle bei freilebenden Wild- Die Salmonellose ist vorwiegend eine Erkrankung von tieren sind zur Zeit aber nicht bekannt (120). Grosskatzen in grösseren Beständen (z.B. Safari- Die Pseudowut (Aujeszky‘sche Krankheit) äussert Parks). Die Ansteckung erfolgt in der Regel über infi- sich durch Fressunlust, zunehmende Unruhe, später ziertes Futter, z.B. ungekochtes Geflügel (40). Speichelfluss, Erbrechen und Schmerzäusserungen. Die Tuberkulose (Tbc) der Säuger wird durch My- Katzen können einen unstillbaren Juckreiz entwickeln cobacterium tuberculosis oder M. bovis verursacht. Die und sich zum Teil wund kratzen. Nach ein bis zwei Ta- Inkubationszeit beträgt ca. 150 Tage (116). In der gen führen diese Krankheitssymptome zum Tod. Der Schweiz ist die Tuberkulose meldepflichtig. Ihr Vor- Erreger ist ein Herpesvirus der Schweine. Die Krank- kommen bei freilebenden Tieren steht in engem Zu- heit lässt sich am lebenden Tier nicht klar diagnostizie- sammenhang mit ihrem Auftreten bei Haustieren (25). ren und eine Therapie ist nicht bekannt. Zur Erkran- Dank der Ausmerzung der Rindertuberkulose ist die kung kommt es, wenn eine Katze ungekochte Schlacht- Tuberkulose der Feliden schon lange erheblich zurück- abfälle infizierter Schweine gefressen hat, aber auch gegangen; sie kam in erster Linie als Lungentuberkulo- durch direkten Kontakt der Katze mit infizierten se bei Grosskatzen in Zoos vor (40). Bei Hauskatzen ist Schweinen. Eine Übertragung von Katze zu Katze ist die Krankheit selten und verläuft oft subklinisch d.h. nicht bekannt. Die Pseudowut ist eine sehr seltene ohne Symptome (8). Ein Fall von Tbc trat bei einem Krankheit, die nur in Gebieten mit Herpesinfektion des freilebenden Pardelluchs auf (19). Schweins auftritt. Sie kommt in der Schweiz kaum vor Infektionen mit Helikobacter sp. treten beim Luchs (61). Das Pseudowutvirus wurde aus dem Gehirn eines ebenfalls auf: Diese Bakterien, die beim Menschen und freilebenden, tot aufgefundenen Pumas isoliert, der verschiedenen Haus-, Zoo- und Labortieren Magenent- sich vermutlich durch das Fleisch eines infizierten zündungen verursachen, wurden bei 17 von 25 unter- Wildschweins angesteckt hatte (41). Fälle von an Pseu- suchten, scheinbar gesunden, freilebenden schwedi- dowut erkrankten Hauskatzen und Hunden, die sich auf schen Luchsen nachgewiesen (75). Ähnliche Bakterien die gleiche Weise angesteckt hatten, sind ebenfalls be- fand man auch beim Rotluchs und beim Kanadaluchs kannt (23). Die Autoren sind der Meinung, dass die In- sowie bei anderen Wildfeliden (53). fektion von Wölfen und Luchsen auch möglich wäre. Bei Rotluchsen und anderen Wildkarnivoren aus Berichte über Pseudowut beim Luchs existieren zur Kalifornien fand man Antikörper gegen Coxiella bur- Zeit aber nicht. netii, dem Erreger des Q-Fiebers (86). C. burnetii ist Das feline Syncitium-forming-virus (FeSFV) ge- weltweit verbreitet. Das Wirtspektrum ist ausserordent- hört zu den Spumavirinae. Spumaviren scheinen im lich gross. Die Übertragung findet via Zecken, oraler Allgemeinen nicht pathogen zu sein; Es besteht aber oder nasaler Aufnahme statt. Die Infektion beim Tier die Möglichkeit, dass das FeSFV Tiere für Krankheiten verläuft meistens klinisch inapparent oder wenigstens prädisponieren könnte (39). Antikörper gegen FeSFV sehr mild. Eine Ausnahme bildet das sporadische, sel- wurden bei verschiedenen Feliden in der Gefangen- ten seuchenhafte Auftreten von Abortus bei Rind, schaft nachgewiesen, auch bei drei untersuchten Luch- Schaf und Ziege (78). Antikörper gegen C. burnetii las- sen (62). sen sich bei Hauskatzen oft nachweisen (8). Yersinia pestis, der durch Flöhe und Nagetiere über- 5.4. Bakterielle Erkrankungen tragene Erreger der Pest, wurde auch bei freilebenden Die Hauptrolle scheinen ubiquitäre Bakterien zu spie- Rotluchsen isoliert (65). In den USA spielen Hauskat-
14 KORA Bericht Nr. 8 zen und verwilderte Katzen eine wichtige Rolle bei der rosporum canis (40). Die Übertragung erfolgt durch Übertragung der Pest auf den Menschen (65). Die In- direkten Kontakt. Jungtiere erkranken häufiger als Er- kubationszeit beim Menschen beträgt ein bis zehn Tage wachsene. Als prädisponierend gelten verschiedene (85). Bei der Hauskatze ist die Beulenpest die häufigste Faktoren, u.a. Futterumstellung, Transportbelastung, Form einer klinischen Erkrankung. Die Prävalenz von Parasitenbefall und Hautläsionen. Die typischen Läsio- Y. pestis-Infektionen bei europäischen Wildtieren ist nen sind kreisrunde, haarlose Stellen auf den Glied- unbekannt, aber wahrscheinlich tief. Daher ist das Risi- massen oder am Kopf, die später zusammenfliessen. ko einer felinen Infektion in Europa sehr klein (8). In einer Studie in den USA isolierte man Yersinia 5.6. Tumore enterocolica aus dem Kot eines freilebenden Rotluch- Tumorerkrankungen sind bei Wildkatzen ziemlich sel- ses. Die Forscher brachten aber keine Läsionen in Zu- ten (40). Bei Luchsen in der Gefangenschaft sind in der sammengang mit der Anwesenheit der Bakterien. Literatur zwei Fälle beschrieben: ein Pankreastumor Die Borreliose (auch Lyme disease) ist weit ver- bei einem Eurasischen Luchs (54) und ein Hauttumor breitet und tritt bei vielen Haustierarten auf. Obwohl (Plattenepithelkarzinom) bei einem Pardelluchs (82). Katzen erregerspezifische Antikörper bilden, ist es nicht klar, ob sie klinische Symptome entwickeln (5). Die Krankheit wird durch Borrelia burgdorferi verur- sacht und hauptsächlich durch Zecken übertragen. An- 6. Schlussbemerkungen tikörper gegen B. burgdorferi sind bei einem von zwei untersuchten freilebenden Luchsen aus Frankreich ge- Die meisten freilebenden Luchse sterben durch funden worden (28). menschliche Einwirkungen, während Krankheiten an- Eine aktuelle, in den USA durchgeführte Studie bei scheinend verhältnismässig selten auftreten. Epidemien freilebenden Wildfeliden über die sogenannte „cat im engeren Sinn scheinen nicht vorzukommen. Der scratch disease“ (eine durch Bartonella henselae ver- Luchs ist ein Einzelgänger und dies hat epidemiologi- ursachte Krankheit des Menschen, die typischerweise sche Konsequenzen: Als Predator kann er zwar von durch von Hauskatzen verursachte Kratzer übertragen seiner Beute (z.B. Fuchs) angesteckt werden, aber sein wird) zeigte, dass 53 % von 62 untersuchten Rotluch- einzelgängerischer Lebensstil gibt ihm nur wenige Ge- sen positiv waren. Einige andere freilebende und in legenheiten, seinen Artgenossen einen Krankheitserre- Gefangenschaft gehaltene Wildfelidenarten waren ger weiterzugeben. Im Gegensatz zu anderen wilden ebenfalls positiv (125). Karnivoren wie dem Fuchs und dem Dachs, spielt der Bei Untersuchungen über die Leptospirose beim Luchs bei der Verbreitung von Infektionen in der freien Kanadaluchs waren drei von 120 Tieren positiv (71). Wildbahn offenbar kaum eine Rolle. Ein Befall durch Leptospira interrogans serotyp grip- Der mögliche Einfluss von ansteckenden Krankhei- potyphosa entdeckte man bei einem freilebenden Rot- ten auf die Luchspopulationen sollte man aber trotz- luchs (105) und Antikörper gegen Leptospira serovar dem nicht ausser Acht lassen. Einerseits darf man nicht pomona und grippotyphosa wurden bei zwei freileben- vergessen, dass man Opfer des Strassen- und Bahnver- den Rotluchsen nachgewiesen (43). Eine klinische kehrs meistens findet, während kranke oder alters- Leptospirose ist bei Hauskatzen selten, trotz der Anwe- schwache Tiere sich eher verkriechen und daher ver- senheit von Antikörpern gegen Leptospira sp. bei 5–20 mutlich nur selten erfasst werden. Auch gewilderte % der Katzen, je nach untersuchter Population (8). Tiere sind – aus anderen Gründen (!) – in den Statisti- Die Tularämie (Nagerpest) ist weltweit verbreitet. ken wahrscheinlich untervertreten. Eine Studie aus der Erreger der Krankheit ist Francisella tularensis. Die Schweiz unterstützt diese Vermutung: Während bei der Tularämie verursacht schwere Epidemien bei Nagetie- allgemein erfassten Luchsmortalität Infektionen rund ren und Lagomorphen. Viele Säuger sind jedoch nur 20 % der Todesfälle verursachten, beruhte 40 % der Träger (78). Doch auch andere Säugetiere, inklusive Mortalität der sendermarkierten Tiere allein auf Infek- die Hauskatze und der Mensch, können erkranken. Die tionen (102). Obwohl in dieser Studie nur 15 Tiere sen- Übertragung erfolgt hauptsächlich über infizierte Ekto- dermarkiert waren, zeigt dieses Resultat doch, dass in- parasiten wie Zecken, Läuse oder Flöhe. Eine serologi- fektiöse Krankheiten als mögliche Todesursache wahr- sche Studie zeigte die Anwesenheit von Antikörpern scheinlich unterschätzt werden, wenn man nur tote, zu- gegen F. tularensis bei zwei von acht freilebenden Rot- fällig gefundene Luchse berücksichtigt. luchsen (43). 91 freilebende Eurasische Luchse aus Gass (1987) berichtete, dass alle Wildkatzen für die Schweden waren aber alle seronegativ (96). bei Hauskatzen vorkommenden bakteriellen und vira- len Krankheiten mehr oder weniger stark empfänglich 5.5. Pilze sind, dass sie in ihrem natürlichen Lebensraum aber Die häufigste Hauterkrankung unter Zoobedingungen kaum mit den entsprechenden Erregern in Kontakt ist bei wilden Feliden (inkl. Eurasischem Luchs und kommen (40). Die in diesem Bericht vorgestellte Zu- Rotluchs) die Mikrosporie („ringworm“). Der Erreger sammenstellung unterstützt diese Aussage. Vorsicht ist dieser Dermatomykose ist in den meisten Fällen Mic- dennoch geboten: Falls Luchse vermehrt mit einem
Oktober 2001 15 Krankheitserreger in Kontakt kommen würden, könnte Veterinary Dermatology 2: 151–159. dies dramatische Konsequenzen haben. Obwohl die 15. Bornstein, S., B. Röken, R. Lindberg, and T. Krüger. Räude noch keine Luchspopulation ausgelöscht hat, ist 1994. Sarcoptic mange of lynx (Felis lynx): an sie ein gutes Beispiel eines solchen Szenarios. Deshalb experimental infection with Sarcoptes scabiei var. vulpes. Viltpatologmöte, Eckerö, Åland, 18–20.5.94, p. sollte jedem kranken bzw. tot aufgefundenen Luchs 3–4. grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nur durch 16. Bornstein, S., G. Zakrisson, and P. Thebo. 1995. eine gründliche klinische bzw. pathologische Untersu- Clinical picture and antibody response to experimental chung dieser Tiere kann man neu auftretende Krank- Sarcoptes scabiei var. vulpes infection in red foxes heiten (rechtzeitig) entdecken und die eventuell not- (Vulpes vulpes). Acta vet. Scand. 36: 509–519. wendigen, entsprechenden Management-Massnahmen 17. 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