Top 100 Wirtschaft Die wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen für Unternehmen - BMWi
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Top 100 Wirtschaft Die wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen für Unternehmen
Impressum Herausgeber Das Bundesministerium für Wirtschaft und Bundesministerium für Wirtschaft Energie ist mit dem audit berufundfamilie® und Energie (BMWi) für seine familienfreundliche Personalpolitik Öffentlichkeitsarbeit ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von 11019 Berlin der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative www.bmwi.de der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen. Stand Juni 2017 Gestaltung und Produktion PRpetuum GmbH, München Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt Bildnachweis littlehenrabi – iStock (S. 4), xijian – iStock (S. 13), peshkov – iStock (S. 27), VictorHuang – iStock (S. 29), Pleasureofart – iStock (S. 31), fotografixx – iStock (S. 33), Eugeneonline – iStock (S. 36), MarioGuti – iStock (S. 38), andresr – iStock (S. 40), oneinchpunch – iStock (S. 42) Diese und weitere Broschüren erhalten Sie bei: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Referat Öffentlichkeitsarbeit Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum www.bmwi.de Verkauf bestimmt. Nicht zulässig ist die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen Zentraler Bestellservice: der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Telefon: 030 182722721 Aufkleben von Informationen oder Werbemitteln. Bestellfax: 030 18102722721
1 Inhalt Management Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Digitalisierung der Kontakte von Unternehmen mit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Auswahl von Verwaltungskontakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Priorisierung von Geschäftslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Analyse der Geschäftslagen und Erarbeitung der Top 100 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Top 100 Kernleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Ausblick: Umsetzungsprinzipien für wirtschaftsorientiertes E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Projektbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2 Management Summary Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, das Aus der Perspektive der Unternehmen, die in Kontakt mit digitale Leistungsangebot der Verwaltung für Bürger und der Verwaltung treten bzw. deren Leistungen in Anspruch Wirtschaft deutlich zu verbessern und dies in ihrer Koali- nehmen, stehen meistens mehrere Verwaltungsleistungen tionsvereinbarung vom 14. Dezember 2013 zum Ausdruck in einem zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang. gebracht: „Die Idee der einheitlichen Behördennummer Deshalb werden alle unternehmensbezogenen Leistungen 115 wollen wir ins Internet übertragen (www.115.de) und und Verwaltungskontakte zu insgesamt 19 Geschäftslagen zumindest die 100 wichtigsten und am häufigsten genutz- zusammengefasst. Als Ergebnis der Bewertung wurden ten Verwaltungsleistungen innerhalb der nächsten vier folgende acht Geschäftslagen für besonders relevant her- Jahre bundesweit einheitlich online anbieten.“ ausgearbeitet: Steuern und Abgaben, Arbeitgeber sein, Forschung und Entwicklung, Anlagen und Stoffe, Logistik Die Leistungen der Verwaltung sind umfangreich und und Transport, Finanzierung und Förderung, Statistik vielfältig. Der offizielle Leistungskatalog der Verwaltung und Berichtspflichten, Unternehmensstart und Gewerbe- umfasst allein rund 5.500 unterschiedliche Leistungen, die zulassung. Mit diesen Geschäftslagen verbinden sich ca. vom Bund, den Ländern und den Kommunen erbracht einhundert Kernleistungen der Verwaltung. Diese werden werden. In dieser Studie wird ein Vorgehen entwickelt, um vorgestellt und ein erster Ausblick auf wichtige Prinzipien die wichtigsten 100 Verwaltungsleistungen für die Wirt- für die Umsetzung digitaler Angebote der Top 100 Verwal- schaft auszuwählen. Die Vorgehensweise basiert metho- tungsleistungen für die Wirtschaft gegeben. disch auf der Studie „Top 100 Verwaltungsleistungen für Bürger“, die weitgehend vom selben Autorenteam erstellt wurde.
3 Vorwort Die Digitalisierung sorgt für einen breiten Wandel in jedem zur Verbesserung der unserer Lebensbereiche und hat enorme Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit den Standort Deutschland. Sie bietet große Chancen für eine deutscher Unternehmen höhere Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und leisten: Sie sorgen im unser Zusammenleben in der Zivilgesellschaft, für neue Ge erheblichen Maße dafür, schäftsmodelle und eine innovative und effiziente Wirtschaft. Bürokratiekosten zu redu- zieren, die Nutzung des Die digitale Transformation verändert ganze Branchen Verwaltungsangebotes für und deren Zusammenspiel. Unternehmen, die die Digita Unternehmen zu erleich- lisierungspotenziale nutzen wollen, müssen ihre Arbeits- tern und diese auf vielfäl- weise anpassen und ihr Geschäftsmodell oft vollkommen tige Weise zu entlasten. neu gestalten. Sie müssen neue Kompetenzen aufbauen und sich in neuen Märkten gegenüber neuen Wettbewer- Wesentliche Voraussetzung dafür ist, die Austauschprozesse bern durchsetzen. Auch die deutsche Verwaltung muss sich zwischen Wirtschaft und Verwaltung zu kennen und konkret der digitalen Transformation stellen, um mit diesen Ent- dort anzusetzen, wo die Digitalisierung den höchsten Mehr- wicklungen Schritt zu halten. Experten weisen oft darauf- wert für die Unternehmen mit sich bringt. Das sind jene hin, dass die Digitalisierung und Modernisierung der Ver- Verwaltungsleistungen, die Unternehmen häufig nutzen, die waltung in Deutschland ausgesprochen anspruchsvoll seien: einen hohen Erfüllungsaufwand verursachen und ein hohes die ausgeklügelte Kompetenz- und Aufgabenverteilung zwi Digitalisierungspotenzial haben. Mit dem Projekt „Top 100 schen Bund, Ländern und Kommunen, die Regelungen Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft“ haben wir diese zum Datenschutz und einige weitere spezifische Aspekte 100 wichtigsten Austauschprozesse zwischen Wirtschaft und erschwerten mitunter schnelle, flächendeckend spürbare Verwaltung identifiziert. und wahrgenommene Fortschritte. Die Studie wurde von renommierten Wissenschaftlern Nichtsdestotrotz gibt es in Deutschland bereits bemerkens- und Experten verfasst. Mein Dank gilt Prof. Dr. Martin werte Best-Practice-Beispiele fur die Digitalisierung von Brüggemeier, Prof. Dr. Tino Schuppan, Dirk Stocksmeier und Verwaltungsleistungen für Unternehmen, deren einziges Sirko Hunnius. Ihre Arbeit wird von einem Projektbeirat Manko es oftmals ist, dass sie nur regional beschränkt unter meiner Leitung begleitet, der mit Vertretern aus Ver- verfügbar (und bekannt) sind. Insbesondere die neuen waltung, Wissenschaft und Wirtschaft vielfältige Perspek- Technologien von heute machen es gleichwohl möglich, tiven und Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen auch innerhalb der föderalen Strukturen einheitliche Ange- vereint. Auch bei den Beiratsmitgliedern bedanke ich mich bote – über Verwaltungsgrenzen hinweg – zu schaffen. Für für ihr Engagement und ihre Beiträge und freue mich auf die Verwaltung ist das eine hervorragende Gelegenheit, die weitere Zusammenarbeit. die digitalen Leistungen für Bürger und Unternehmen in naher Zukunft wesentlich zu verbessern. Denn die Identifizierung der Top 100 Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft ist natürlich nur ein erster Schritt. Zukünf Im Leistungskatalog der deutschen Verwaltung befinden tig gilt es, digitale Angebote zu entwickeln und umzusetzen, sich bereits rund 5.500 Verwaltungsleistungen. Dennoch die flächendeckend funktionieren. Um diesen Weg erfolgreich sind nicht alle Leistungen erfasst. Deshalb gilt es, als ersten zu meistem, sind wir alle – in Wirtschaft und Verwaltung – Schritt – wie von der Bundesregierung als gemeinsames gefragt, einen Beitrag zu leisten und gegebenenfalls bekannte Ziel formuliert –, die „100 wichtigsten und am häufigsten Pfade zu verlassen. Ganz im Zeichen der Digitalisierung müs- genutzten Verwaltungsleistungen bundesweit einheitlich sen wir neue Kompetenzen aufbauen, unsere Arbeitsweise online anzubieten" und damit ein zukunftsfähiges Angebot anpassen und unsere Aufgabenteilung neu gestalten. der Verwaltung in die Fläche zu bringen. Ihr Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich dieses Vorhabens vor allem mit Blick auf die Vernet- zung von Verwaltung und Unternehmen angenommen. Eine zukunftsfähige Verwaltung und effiziente Austausch Matthias Machnig prozesse mit der Wirtschaft können einen großen Beitrag Staatssekretär
4 Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung Digitalisierung der Wirtschaft Die Datenmenge nimmt ebenso zu wie die Möglichkeiten, daraus schnellere, evidenzbasierte Entscheidungen zu tref- Die Digitalisierung der Wirtschaft schreitet rasant voran fen. Unternehmen tauschen in großem Umfang Daten aus und löst weitreichende Änderungen in nahezu allen Berei- und vernetzen ihre Prozesse, um voneinander und mitein- chen aus. Die Innovationsgeschwindigkeit ist so stark ander zu lernen. Sie automatisieren ihre Abläufe, um effizi- gestiegen, dass selbst Unternehmen, die erst wenige Jahre enter zu werden. Dabei vernetzen Unternehmen sich nicht zuvor gegründet wurden, global tätig sein können. Neue länger nur mit Partnern entlang der eigenen Wertschöp- Geschäftsmodelle sind entstanden, auf die sich etablierte fungskette, sondern mit vielfältigen Akteuren innerhalb Unternehmen neu einstellen müssen, um die Chancen der eines Sektors und darüber hinaus, um Innovations- und Digitalisierung zu nutzen. So entwickeln Hersteller von Effizienzpotenziale zu heben. Selbst Maschinen werden im Produkten anschlussfähige Services, damit Kunden einen Internet der Dinge unmittelbar miteinander vernetzt. höheren Nutzen daraus ziehen können (Neely, 2013). Sie vernetzen ihre Produkte und Leistungen über Schnittstel- Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für den Wirt- len, sodass gemeinsame Plattformen entstehen (Hagiu & schaftsstandort Deutschland und die Bürgerinnen und Wright, 2015). In der Folge werden beispielsweise industri- Bürger, die hier leben und arbeiten. Neue Geschäftsmo- elle Maschinenbauer gleichzeitig zu Dienstleistungsunter- delle versprechen Produktivitätssteigerungen und neue nehmen und Softwareproduzenten. Arbeitsplätze. Die effiziente Allokation schont die natür- lichen Ressourcen. Komfortable Services für eine alternde Gesellschaft erhöhen Flexibilität, Autonomie und Freiheit.
C H A N C E N U N D H E R AU S F O R D E R U N G E N D E R D I G I TA L I S I E R U N G 5 Auch Politik und Verwaltung sehen sich dementsprechend Die Herausforderung für die Digitalisierung der Verwal- steigenden Erwartungen und Forderungen gegenüber, ihre tungskontakte von Unternehmen liegt demnach darin, Rolle bei der Digitalisierung wahrzunehmen und die intel- die Unternehmens-IT mit der Verwaltungs-IT zu vernet- ligente Vernetzung zur Wirtschaft zu stärken. zen. Auch die Verwaltung ist in den meisten Bereichen in hohem Maße digitalisiert: Daten werden strukturiert in Fachverfahren verarbeitet und in großen Datenbanken und Rolle der Verwaltung in der Digitalisierung Registern gespeichert. Was allerdings vielfach fehlt, sind die der Wirtschaft Schnittstellen nach außen. Politik und Verwaltung spielen bei der Digitalisierung der Offen ist, in welchen Bereichen die Verwaltung angesichts Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Sie schaffen in vielen knapper Ressourcen vorrangig digitalisiert werden muss, Bereichen die Voraussetzungen und Rahmenbedingun- um Unternehmen zu entlasten und zu unterstützen. Ziel gen für Unternehmen. Sie stellen digitale Infrastrukturen dieser Untersuchung ist es, der Politik und Verwaltungs- bereit, regulieren den digitalen Raum und legen Förder- praxis Hinweise zu geben, welche digitalen Angebote die programme auf, um die Digitalisierung der Unternehmen Unternehmen brauchen und wo für sie der höchste Mehr- voranzutreiben (Bundesministerium für Wirtschaft und wert erzielt werden kann. Es wird die Frage beantwortet, Energie, 2016). Für ihren wirtschaftlichen Erfolg sind welche die 100 wichtigsten und am häufigsten genutzten Unternehmen auch auf eine leistungsfähige, digitale Ver- Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft sind, die digitali- waltung angewiesen. Doch im Alltag fühlen sich Unterneh- siert werden sollten. men von der Verwaltung mitunter zu sehr behindert und mit Bürokratie belastet (u. a. BDI/PwC-Mittelstandspanel Zunächst werden die Rahmenbedingungen und Voraus- Herbst 2015, DIHK-Bürokratieradar 2016, vbw 2016, Sage & setzungen für die Digitalisierung der Verwaltungskontakte Institut für Mittelstandsforschung (IfM), 2015). von Unternehmen beschrieben und der Status digitaler Angebote der deutschen Verwaltung für Unternehmen Als Adressaten der Verwaltung müssen Unternehmen um dargestellt. Anhand der Analyse, in welchen Bereichen ein Vielfaches mehr Kontakte mit Behörden bewältigen als Unternehmen aktuell mit der Verwaltung Kontakt haben Bürger (Sobania, 2007, S. 75). Zugleich werden bislang die und durch Bürokratie belastet werden, werden Hinweise Digitalisierungspotenziale bei der Gestaltung des Verwal- und Kriterien für die Auswahl relevanter Verwaltungskon- tungszugangs für Unternehmen jedoch nur unzureichend takte aus Unternehmensperspektive abgeleitet. Auf Basis genutzt, wie die deutsche Position im Mittelfeld einschlä- dieser Ergebnisse wird ein Untersuchungsrahmen für die giger Benchmarks zeigt (European Commission, 2016, S. Auswahl abgeleitet und die methodische Vorgehensweise 25). Dabei bieten sich mit Blick auf die Wirtschaft geradezu beschrieben. Abschließend werden die wichtigsten Verwal- ideale Voraussetzungen: Unternehmen in Deutschland wei- tungskontakte vorgestellt und ein Ausblick auf die weiteren sen einen hohen Digitalisierungsgrad auf. Daten liegen in Umsetzungsüberlegungen gegeben. Unternehmen zu einem großen Teil elektronisch vor. Diese werden mit Zulieferern und Partnern entlang der Wert- schöpfungsketten in großem Umfang ausgetauscht. Da Unternehmen stärker effizienzgetrieben als Privatpersonen sind und „für die Wirtschaft […] der Nutzen von E-Govern- ment-Lösungen vor allem im Bereich der Zeit- und Kosten- reduzierung“ (R. Müller, 2012) liegt, ist die Nutzungswahr- scheinlichkeit für digitale Angebote der Verwaltung hoch.
6 Digitalisierung der Kontakte von Unternehmen mit der Verwaltung Rahmenbedingungen und Voraussetzungen tungskontakte von Unternehmen. So haben sich in vielen für die Digitalisierung der Verwaltungs Bereichen Intermediäre als „Power-User“ der Verwaltung kontakte von Unternehmen etabliert, die Verwaltungskontakte mehrerer Unterneh- men bündeln. Dazu zählen Steuerberater und Lohnbüros, Viele Unternehmen in Deutschland haben ihre Produkte Architekten, Intermediäre im Bereich Kraftfahrzeugzulas- und Prozesse in hohem Maße digitalisiert. Dies umfasst sung und der Genehmigung von Schwerlasttransporten sowohl die internen Prozesse, z. B. Dienstreisen buchen, sowie im Zoll-Bereich. Diese Bündelungsfunktion lässt sich Arbeitszeiten erfassen und Gehälter auszahlen, als auch die gezielt nutzen, weil nicht Schnittstellen der Verwaltungen externen Schnittstellen. So werden nahezu alle Produkte zu allen Unternehmen notwendig sind, sondern lediglich und Leistungen auch online vertrieben. Ihre Herkunft und zu den Intermediären, die Verwaltungskontakte für Unter- Transportwege in Logistik und Handel lassen sich sogar nehmen abwickeln. Intermediäre bieten insofern einen lückenlos entlang der Lieferkette zurückverfolgen. Die Pro- guten Anknüpfungspunkt für Digitalisierungsvorhaben. dukte selbst werden in die Lage versetzt, Daten darüber zu Somit findet durch die Digitalisierung nicht nur Disinter- erfassen, wie Nutzer sie verwenden. Sie senden diese Daten mediation statt, weil intermediäre Geschäftsmodelle unter zurück an die Hersteller, die dadurch die Konsumentenin- Druck geraten, sondern auch Reintermediation, weil neue teressen noch besser bedienen können. Demnach bieten intermediäre Geschäftsmodelle entstehen – auch an der sich grundsätzlich gute Voraussetzungen, auch die Prozesse Schnittstelle zur Verwaltung (Löbel, Paulowitsch, & Schup- zwischen den Unternehmen und der Verwaltung weiter zu pan, 2016). vernetzen. Am Grad der Digitalisierung von Unternehmen und der Allerdings ist der Digitalisierungsgrad der Unternehmen Rolle von Intermediären wird zudem deutlich, dass die sehr unterschiedlich. So hat „ein großer Teil der mittelstän- Digitalisierung von Verwaltungsleistungen für Unterneh- dischen Unternehmen noch Ausbaupotential auf grundle- men grundsätzlich anders gedacht und gestaltet werden genden Stufen der Digitalisierung“ (Saam, Viete, & Schiel, muss als digitale Angebote für Bürger. Trotz aller Unter- 2016). Gleichzeitig arbeiten andere Unternehmen nahezu schiedlichkeit von Lebensentwürfen und der Nutzung ausschließlich digital und speichern für Verwaltungskon- von technischen Geräten im Alltag, ist die Kontingenz im takte relevante Daten in unterschiedlichen IT-Verfahren. Verlauf eines Menschenlebens deutlich geringer, als es die Während diese Unternehmen ihre Verwaltungskontakte Situationen sind, in denen sich Unternehmen befinden über Schnittstellen zwischen Unternehmens- und Ver- können. waltungs-IT „Maschine-zu-Maschine“ abwickeln wollen, brauchen andere grundlegende Informations- und Trans- Während alle Menschen geboren werden, Bildungseinrich- aktionsangebote im Browserformat. tungen besuchen, arbeiten, umziehen, familiäre Bindungen eingehen, krank werden und schließlich sterben, ist die Auch aufgrund unterschiedlicher Berechtigungssysteme Diversität bei Unternehmen kaum zu überschauen. Zwar und Vertretungsrechte (Wolf & Krcmar, 2007) haben Unter- werden auch alle Unternehmen zu einem bestimmten Zeit- nehmen in Deutschland unterschiedliche Anforderun- punkt gegründet, aber sie fusionieren, expandieren, werden gen an die Gestaltung digitaler Angebote . Nicht zuletzt aufgespalten, ändern ihre Rechtsform, erwerben andere bewegen sich Unternehmen je nach Größe und Branche Unternehmen, während wiederum andere dauerhaft klein in höchst unterschiedlichen Bereichen, in denen jeweils bleiben oder aufgelöst werden. Auch wenn gewisse Analo- spezifische Leistungen relevant sind und für die sich der gien zu einem Menschenleben nahe liegen, ist die Varianz Aufwand, den sie leisten müssen, in hohem Maße unter- zwischen Unternehmensgründung und -auflösung um ein scheidet. Vielfaches höher. Dies stellt hohe Ansprüche an die digita- len Angebote der Verwaltung für die Wirtschaft, die diesen Strukturelle Merkmale der deutschen Wirtschaft bieten unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen müssen, um gute Voraussetzungen für die Digitalisierung der Verwal- einen Nutzen zu stiften.
D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G 7 Digitale Angebote der Verwaltung für die mit dem Arbeitgeberservice umfangreiche Online-Services Wirtschaft an. Für statistische Meldungen bieten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder mit eStatistik.core einen Die deutschen Verwaltungen haben große Anstrengun- gemeinsamen Dateneingang. Weitere Fortschritte bei der gen unternommen, um das digitale Service-Angebot für Digitalisierung konnten auch im Bereich der elektroni- Unternehmen auszubauen. In einzelnen Bereichen und bei schen Vergabe und der elektronischen Rechnung erzielt einzelnen Meldepflichten konnten gute Angebote etabliert werden. werden, die teilweise sogar über Verwaltungs- und Zustän- digkeitsgrenzen hinweg einheitlich verfügbar sind. Doch Darüber hinaus wurden aufgrund der EU-Dienstleistungs- insgesamt sind Angebote und Zugänge zur Verwaltung aus richtlinie sog. Einheitliche Ansprechpartner (EA) etabliert, Sicht der Unternehmen sehr unübersichtlich und zu wenig bei denen Unternehmen alle zur Aufnahme und Ausübung auf die unternehmerischen Bedürfnisse zugeschnitten. Die einer Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Angelegenhei- bisherigen Digitalisierungsbestrebungen der Verwaltung ten erledigen können – auch elektronisch. Die Bandbreite sind noch zu wenig systematisch und sehr heterogen. unterschiedlicher Umsetzungsvarianten in Deutschland ist Zudem fokussieren sie sich oft auf die Übermittlung von jedoch groß. Noch immer gibt es fast 200 EA bei Kammern, Daten an die Verwaltung, jedoch werden an dieser Stelle Kommunen und Ländern mit jeweils unterschiedlicher die gefühlte und die tatsächliche Bürokratiebelastung der örtlicher Zuständigkeit. Deren Nutzungszahlen bleiben Unternehmen nur in einem geringen Umfang reduziert. deutlich hinter den ursprünglichen Prognosen zurück, weshalb die EA bislang kaum die erhofften Wirkungen Elektronische Angebote existieren bereits in drei ganz erzielen konnten. wesentlichen Bürokratiesegmenten – steuerliche, statis- tische und Arbeitgebermeldepflichten. Insbesondere die Unübersichtlich wird es insbesondere bei Verwaltungs- Steuerverwaltung gilt als ein E-Government-Erfolgsbei- leistungen für Unternehmen, die in kommunaler Verant- spiel, weil mit ELSTER eine länderübergreifend einheitliche wortung liegen. Auch hier gibt es einzelne Online-Services. Lösung gelungen ist. So können Unternehmen in Steueran- Allerdings werden häufig unterschiedliche Leistungen gelegenheiten regelmäßig elektronisch mit der Verwaltung online angeboten – mancherorts der Bauantrag, andernorts kommunizieren. Für die Umsatzsteuervoranmeldung ist der Handwerkerparkausweis oder die Straßensondernut- die elektronische Übermittlung sogar verpflichtend. Eben- zungserlaubnis – und regelmäßig verstreut auf verschiede- falls weit vorangeschritten ist das elektronische Angebot nen Webseiten. Dadurch ist eine schwer durchschaubare im Bereich der Sozialversicherung. Hier konnte für die sog. Komplexität aus verschiedenen Leistungen, Zuständigkei- DEÜV-Meldung nicht nur eine elektronische Schnittstelle ten und Formularen und Nachweisen – viele davon noch geschaffen werden, sondern zugleich eine Bündelung immer papierbasiert – entstanden. Kaum ein Angebot bie- von Meldepflichten an Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, tet einen umfassenden Überblick über vorhandene Services Unfall- und Pflegeversicherungen erzielt werden. Auch für oder unterstützt Unternehmen dabei festzustellen, was in weitere Verwaltungskontakte von Unternehmen in ihrer ihrer konkreten Situation notwendig und einschlägig ist. Rolle als Arbeitgeber bietet die Bundesagentur für Arbeit
8 D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G Mit Blick auf die Art der Angebote zeigt sich ein ebenso tung von unnötiger Bürokratie […] mehr um ihre Geschäfte, heterogenes Bild. So wurden für mehrere Meldepflichten Innovationen, Arbeitsplätze und Ausbildung kümmern“ Datenaustauschstandards etabliert, die in gängigen IT- (www.bmwi.de, Themenseite Bürokratieabbau) können. Programmen integriert sind. Damit können Verwaltungs- Trotz der vielfältigen Digitalisierungsbemühungen gilt die kontakte unmittelbar aus der Unternehmens-IT heraus Bürokratiebelastung für Unternehmen in Deutschland „Maschine-zu-Maschine“ abgewickelt werden. Allerdings nach wie vor als hoch, weshalb sie ein wichtiges Auswahl- bleibt die Digitalisierung auf die online-Schnittstelle zur kriterium im Rahmen dieser Untersuchung ist. So neh- Verwaltung beschränkt und nimmt selten die gesamte Pro- men laut einer Studie von sage-Software mit dem Institut zesskette in den Blick (Wolf & Krcmar, 2007). für Mittelstandsforschung (IfM) „mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der befragten Unternehmen [wahr, dass] die büro- Eine Schnittstellenlösung digitalisiert vorrangig die Über- kratische Belastung […] im vergangenen Jahreszeitraum mittlung einer Meldung an die Verwaltung. Die bürokra- ‚gestiegen‘ (51 Prozent) oder sogar ‚stark gestiegen‘ (18 Pro- tischen Belastungen der Unternehmen liegen hingegen zent) ist“ (Sage & Institut für Mittelstandsforschung (IfM), insbesondere im Bereich der Erhebung, Dokumentation 2015, S. 4). Auch im BDI/PwC-Mittelstandspanel Herbst 2015 und Aufbereitung notwendiger Datengrundlagen. Für alle gaben 80 Prozent der befragten mittelständischen Indust- browserbasierten Angebote sind jeweils unterschiedliche rieunternehmen an, dass die bürokratischen Belastungen Identifizierungs- und Authentifizierungssysteme im Ein- in den letzten fünf Jahren nach ihrer Ansicht gestiegen satz. Die Unübersichtlichkeit und der Aufwand nehmen sind. Gleichzeitig kommt das Statistische Bundesamt in angesichts entstehender allgemeiner Servicekonten für seiner Untersuchung zur Wahrnehmung von bürokratischen Unternehmen weiter zu, wenn Vertretungsrechte und Belastungen durch Unternehmen in ausgewählten Situatio- Daten jeweils separat gepflegt werden müssen. nen in Deutschland zu dem Ergebnis, dass „Unternehmen in Deutschland […] mit den behördlichen Dienstleistungen Was bei den bestehenden elektronischen Angeboten für der öffentlichen Verwaltung überwiegend zufrieden [sind]“ Unternehmen weitgehend ungenutzt bleibt, sind die (Statistisches Bundesamt, 2016). weitergehenden Digitalisierungspotenziale beim Regulie- rungsdesign. Der „konsequente Abbau von Rechts- und Eine Maßgröße, mit der die Bürokratiebelastung im Verfahrensvorschriften (Verwaltungsvereinfachung) und Zeitablauf berechnet wird, sind die sogenannten Büro- der damit einhergehenden Formalitäten“ (Hogrebe, Kruse, kratiekosten. Gemessen wird insbesondere die Belas- & Nüttgens, 2009, S. 355) steht noch hinter den Bemühun- tung, die durch die Erfüllung bzw. Erbringung von gen zum Bürokratieabbau im Verwaltungsvollzug durch Informationspflichten entsteht, weil Daten oder sonstige Digitalisierung zurück. Um eine spürbare Entlastung zu Informationen zu beschaffen, verfügbar zu halten oder erreichen, müssten Ansätze zur vollzugssensitiven Regulie- zu übermitteln sind. Die Bürokratiekosten werden vier- rung weiter entwickelt und umgesetzt werden und dabei teljährlich im sogenannten Bürokratiekostenindex (BKI) sowohl die Umsetzung in der Verwaltung als auch in den erfasst und veröffentlicht. Umfassender gemessen wird Unternehmen unmittelbar mitbetrachtet werden (Brügge- die Bürokratiebelastung auf Basis des Erfüllungsaufwands, meier 2011). der die gesamte Belastung durch die Befolgung rechtlicher Vorschriften erfasst. Der Erfüllungsaufwand bildet den „Zeitaufwand und die Kosten, die den Bürgerinnen und Bürokratiebelastung der Unternehmen in Bürgern, der Wirtschaft und der Verwaltung durch die Deutschland Befolgung einer gesetzlichen Vorgabe entstehen“ (Statis- tisches Bundesamt, 2012, S.47) ab. Wie Abbildung 2 veran- Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen gilt als schaulicht, ist die Bürokratiebelastung seit 2011 gestiegen, wesentliches Instrument zum Abbau von Bürokratie, nicht bevor sie in den letzten beiden Jahre leicht gesunken ist. zuletzt damit sich Unternehmen aufgrund einer „Entlas-
D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G 9 Abbildung 1: Entwicklung des Erfüllungsaufwands seit 2011 Milliarden Euro 10 Mietpreisbremse Gesamt (7,6 Mrd. Euro) 8 Mindestlohn Bürokratie- entlastungsgesetz Wirtschaft (7,0 Mrd. Euro) 6 E-Vergabe 4 Energieeinsparverordnung 2 Verwaltung (0,4 Mrd. Euro) 0 Bürger (0,4 Mrd. Euro) GKV-Entlastungsgesetz PKW-Maut -2 Juli 2011 Juli 2012 Juli 2013 Juli 2014 Juli 2015 Juli 2016 Gesamt Wirtschaft Verwaltung Bürger Quelle: NKR 2017 Die bisherigen Erfolge beim Bürokratieabbau sind etwa zur Aus diesem Grund wurde in der weiteren Untersuchung Hälfte auf Maßnahmen des E-Government zurückzuführen neben der gemessenen Belastung auch die gefühlte Belas- (NKR, 2015).1 tung berücksichtigt. Da jedoch der Bürokratiekostenindex (BKI) auf Basis der Dabei wird deutlich, dass bürokratische Lasten in unter- Informationspflichten berechnet wird und der Erfüllungs- schiedlichen Zusammenhängen und bei unterschiedlichen aufwand noch nicht flächendeckend erhoben ist, bildet Kontaktarten zwischen Wirtschaft und Verwaltung entste- die gemessene Belastung nur einen Teil der tatsächlichen hen. So werden nicht nur die regelmäßigen und weitge- Belastung von Unternehmen ab. Daraus ergibt sich ein hend standardisierten Arbeitgebermeldepflichten in den unvollständiges Bild der tatsächlich zu erbringenden Leis- Bereichen Steuern und Sozialversicherung als belastend tungen und es entsteht eine „deutliche Diskrepanz zwi- wahrgenommen, sondern auch Kontrollen und Prüfungen, schen der empirisch gemessenen und der von den Unter- die zwar nur punktuell und zeitweise durchgeführt wer- nehmen subjektiv wahrgenommenen Bürokratiebelastung“ den, dafür aber die Betriebsabläufe in den Unternehmen in (Sage & Institut für Mittelstandsforschung (IfM), 2015, S. 6). erheblichem Maße einschränken. 1 Vgl. hierzu die Maßnahmen im Rahmen der Eckpunkte zur weiteren Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie, das Prinzip des One-in-one-out, den KMU-Test, die Reform des Vergaberechts, das Arbeitsprogramm Bessere Rechtsetzung 2016, das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz sowie den Einheitlichen Ansprechpartner 2.0.
10 D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G Abbildung 2: Aspekte von Bürokratiebelastung 92% 69% 56% Bürokratielast Kontrollen Zuständigkeit Bürokratiebelastung wird von fast 69 Prozent der KMU empfinden den Klarheit der behördlichen Zuständigkeiten jedem Befragten (92 Prozent) als Aufwand für staatliche Kontrollen und wird von mehr als der Hälfte kritisch „hoch“ oder „sehr hoch“ bewertet. Inspektionen als „“hoch“ oder „sehr hoch“. betrachtet (56 Prozent). Quelle: IfM 2015 Die Befragung durch das IfM kommt zu dem Ergebnis, Zusammenfassend lässt sich zum einen feststellen, dass dass die mit Bürokratie verbundenen Lasten insbesondere aktuelle Untersuchungen zur Bürokratiebelastung gro- durch „behördliche Vorschriften und Auflagen, die dem ßes Potenzial in der Bündelung von Verwaltungsleistun- Erfüllungsaufwand zuzuordnen sind, (z. B. in den Bereichen gen und -kontakten anhand von Unternehmens- bzw. Umweltschutz, Arbeits- und Produktsicherheit, Baurecht)“ Geschäftslagen sehen (Sage & Institut für Mittelstandsfor- (Sage & IfM, 2015, S. 14) verursacht werden. Auch eine IW- schung (IfM), 2015; Statistisches Bundesamt, 2016). Zum Umfrage im Auftrag der Bayerischen Wirtschaft identifi- anderen wird deutlich, dass Unternehmen in Deutschland ziert in den Regulierungsbereichen wie Arbeitsrecht und nach wie vor in hohem Maße mit Bürokratie belastet sind, -schutz, Statistik- und Dokumentationspflichten, Sozialver- u. a. weil Digitalisierungspotenziale nicht voll ausgeschöpft sicherung, Steuern und Umweltschutz die größten Belas- wurden. In der politischen Aufmerksamkeit und Wahrneh- tungen für Unternehmen (vbw, Bürokratische Belastungen mung der Unternehmen genießen die durch Informations- aus Sicht der Unternehmen). pflichten verursachten Bürokratiekosten zwar einen hohen Stellenwert. Allerdings verursacht die Übermittlung von Gleichwohl sollten Befragungen zur Bürokratiebelastung Daten und Meldungen an die Verwaltung nur einen gerin- nicht ohne weiteres ausschlaggebend für die Antwort auf gen Teil des gesamten anfallenden Erfüllungsaufwandes. die Frage sein, welche die wichtigsten und am häufigsten Dieser wird vielmehr bedingt durch Auflagen oder Regulie- genutzten Verwaltungsleistungen sind. Die eigene Büro- rungen, die Unternehmen berücksichtigen müssen, indem kratiebelastung wird stark unterschiedlich eingeschätzt, sie u. a. ihre IT-Systemen an neue Anforderungen anpassen unter anderem abhängig davon, in welcher Branche ein und um komplexe Anträge zu stellen (Sage & IfM, 2015; Unternehmen tätig ist, wie viele Mitarbeiter es hat und wer vbw, 2016). in einem Unternehmen befragt wird. Die hohe Streuung in den Befragungsdaten (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016) Ziel dieser Untersuchung ist es zwar, die bürokratischen verdeutlicht, dass die Ergebnisse nur begrenzt aussagefähig Belastungen für Unternehmen möglichst umfassend in sind, weshalb auch bewusst für die Auswahl der Top 100 den Top 100 für die Wirtschaft abzubilden, zugleich aber Verwaltungsleistungen keine erneute Befragung durch- den Fokus auf die Austauschprozesse zwischen Verwaltung geführt wurde. Nichtsdestotrotz hat die gefühlte Belas- und Unternehmen zu legen, da hier Bürokratie durch digi- tung ihre Berechtigung bei der Auswahl von Leistungen, tale Angebote der Verwaltung abgebaut werden kann. Vor zumindest als ein Kriterium unter anderen, da Lösungen diesem Hintergrund muss zunächst die Frage beantwortet für wahrgenommene Probleme eher genutzt werden (vgl. werden, wie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Adams, Nelson, & Todd, 1992). der Begriff der Verwaltungsleistung abzugrenzen ist.
D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G 11 Interaktion und Transaktion von Wirtschaft und Leistungsverwaltung belastend oder begünstigend sein und Verwaltung kann (Detterbeck, 2014, S. 139, 167). Die Leistungsverwal- tung gewährt dem Unternehmen Leistungen und Vergüns- Der Begriff der Verwaltungsleistung ist in den Diskussionen tigungen während die Eingriffsverwaltung in Rechte des zu Verwaltungsmodernisierung und E-Government weit Unternehmens eingreift, indem sie Verpflichtungen und verbreitet, wird allerdings in den einschlägigen Wissen- Belastungen auferlegt (Detterbeck, 2014, S. 4; Maurer, 2011, schaftsdisziplinen recht unterschiedlich verwendet. Für S. 9f.). Als Verwaltungsleistung ließe sich demnach aus Sicht die vorliegende Untersuchung ist die Abgrenzung von des Unternehmens eher das Handeln der Leistungsverwal- hoher Bedeutung, weil sich daraus ableitet, welche Art der tung verstehen. Jedoch scheint ein solch enges Verständnis Bürokratiebelastung näher betrachtet wird. Ein zu enges für die weitere Untersuchung nicht geeignet, da der größte Verständnis einerseits, beispielsweise auf Informations- Teil der Bürokratiebelastung unbeachtet bleiben würde. und Meldepflichten beschränkt, vernachlässigt wesentliche Bürokratiebereiche. Andererseits führt eine sehr umfas- Ein breiteres Verständnis des Leistungsbegriffs findet sende Betrachtung von Bürokratie, beispielsweise jegliche sich in den Diskussionen zum Neuen Steuerungsmodell Form der Regulierung, dazu, dass Verwaltung allein durch (NSM), in denen der Leistungs-Begriff zentrale Bedeutung Vollzugsgestaltung und Digitalisierung die Belastung nicht hat. Ein wesentliches Ziel des NSM ist die Steuerung der reduzieren kann. Ausgeklammert wird demnach jener Verwaltung über ihren Output (Jann, 2011). Das Verwal- Bereich der Regulierung, bei dem Staat und Verwaltung tungshandeln wird hierfür in sogenannten Produkt- oder lediglich das Handeln privater Akteure untereinander regu- Leistungskatalogen zusammengefasst (bspw. KGSt, 1994). lieren, ohne dass es einen Kontakt mit der Verwaltung gibt. Diese haben den Anspruch, das Leistungsportfolio von Ver- Nicht betrachtet wird zudem, wenn Verwaltung als gleich- waltungen umfassend zu beschreiben, sind jedoch als Steu- berechtigter Marktbeteiligter auftritt oder der nicht näher erungsobjekt konzipiert und zielen auf Budgetierung ab. spezifizierten Allgemeinheit öffentliche Güter bereitstellt. Speziell für die Umsetzung von E-Government-Vorhaben wurde das Portfolio öffentlicher Aufgaben im Leistungs- Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist die wichtigste katalog der öffentlichen Verwaltung (LeiKa) systematisiert Handlungsform der Verwaltung der Verwaltungsakt, der (vgl. GK LeiKa, 2015). entsprechend der Unterscheidung in Eingriffsverwaltung Abbildung 3: Rollen der Verwaltung und Arten der Kontakte Staat und Verwaltung Marktbeteiligter Produzent Informations- Verwaltungsleistungs- Regulierer Öffentlicher Güter empfänger produzent Verwaltung als Staat und Verwaltung Beteiligter an Staat stellt der Unternehmen Unternehmen stellt Anträge regulieren das Handeln wirtschaftlichen Allgemeinheit informiert Verwaltung an die Verwaltung, die privater Akteure Austauschprozessen Ressourcen bereit über eigenes Handeln genehmigt oder verwehrt eVergabe Infrastruktur Statistikmeldungen Baugenehmigung Datenschutz eRechnung open Data Arbeitgebermeldungen Förderanträge Umweltschutz … … … … Arbeitsrecht …
12 D I G I TA L I S I E R U N G D E R KO N TA K T E V O N U N T E R N E H M E N M I T D E R V E R WA LT U N G Tabelle 1: Kontakttypen nach Wolf/Jurisch/Krcmar (2010) Kontakt-Typ Beschreibung Richtung des Informationsflusses Archivpflicht Dokumente zu Prüfzwecken für eine vorgegebene Frist aufbewahren B Informationen zu einer Aktivität vor bzw. während des Prozesses Meldung B-2-G übermitteln Informationen einer Berichtsperiode zu einem bestimmten Termin Bericht B-2-G übermitteln Genehmigung Antrag auf Genehmigung, die erteilt oder verwehrt wird B-2-G-2-B Verwaltung stellt Informationen für Unternehmen (und Bürger) Informationsbereitstellung G-2-B bereit In Anlehnung an die Definition im LeiKa werden im Fol- Ein Großteil der für Unternehmen im Rahmen von Kon- genden sowohl begünstigende Maßnahmen der Verwal- takten mit der Verwaltung anfallenden Belastungen ent- tung betrachtet als auch Maßnahmen, die den Betroffenen steht nicht allein durch die Übermittlung, sondern die zum Nachteil gereichen. Vor dem Hintergrund, dass gerade Erhebung, Dokumentation und Aufbereitung notwendiger belastende Maßnahmen von den Adressaten wohl kaum Datengrundlagen. Dieser Vorgang ist dem Charakter nach als „Leistung“ der Verwaltung wahrgenommen werden, eher durch Regulierung verursacht, an deren Vollzug die scheint der neutralere Begriff „Verwaltungskontakt(-an Verwaltung möglicherweise gar nicht direkt beteiligt ist. lässe)“ besser geeignet. Der Begriff des Kontaktanlasses ver- Der durch Regulierungen verursachte Mehraufwand hat kürzt den zu bezeichnenden Gegenstand nicht auf die eher zur Folge, dass neben dem eigentlichen Verwaltungskon- flüchtige unmittelbare Herstellung der Verbindung („Ver- takt auch vorangehende oder wiederkehrende Tätigkei- waltungskontakt“), sondern stellt den eigentlichen inhalt- ten in Bezug auf Dokumentation oder die Verpflichtung lich begründenden Auslöser des Kontaktes in (notwendig) Unterlagen vorrätig zu halten mitbedacht werden müssen, neutral-offener Weise in den Mittelpunkt. Dabei werden wie dies auch beim Prozesskettenansatz der Fall ist (Brüg- nur Kontakte betrachtet, die sich auf einen bestimmten gemeier, Schilling, & Hunnius (geb. Schulz), 2011). Dieser Fall beziehen und solche, deren Adressatenkreis individuell erweiterte Begriff des Verwaltungskontaktes ist insofern bestimmbar ist. Die Aufstellung eines Bebauungsplans oder relevant, als dass Digitalisierungsansätze, die beispiels- die Regelung von Ladenöffnungszeiten wären dann zum weise auf eine elektronische Übermittlung von Antrags- Beispiel keine Verwaltungskontakte im Sinne dieser Studie, unterlagen hinauslaufen, Belastungen für Unternehmen wohl aber die Erteilung einer Betriebsgenehmigung für nur unvollständig reduzieren. Um eine Verringerung der eine bestimmte Anlage (vgl. Detterbeck, 2014, p. 157). tatsächlichen Bürokratiekosten zu erreichen, muss z. B. eine umfassende Systemanbindung in Erwägung gezogen Für eine auf Unternehmen konzentrierte Untersuchung werden. von Verwaltungskontakten muss die Definition zudem um einen dezidiert unternehmensspezifischen Aspekt erweitert Im folgenden Abschnitt wird herausgearbeitet, welche werden: Kriterien herangezogen werden können, um die Frage zu beantworten, welche Verwaltungskontakte vorrangig digi- talisiert werden sollten.
13 Auswahl von Verwaltungskontakten Die häufigsten und wichtigsten Verwaltungs kontakte identifizieren Die Verwaltung befasst sich grundsätzlich nicht mit der Frage, welche ihrer Aufgaben wichtiger oder weniger wich- tig sind, da dies dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen würde. Ziel der Studie ist dennoch eine Priorisierung von Verwaltungskontakten, weil allein aus Ressourcengründen nur eine begrenzte Zahl von Projekten gleichzeitig umge- setzt werden kann und weil die Wirkung von Maßnahmen beachtet werden sollte, beispielsweise welche Bürokratie entlastung erreicht werden kann. Ausgehend von der Ziel- setzung im Koalitionsvertrag von 2013 dienen daher die Parameter „wichtig“ und „häufig“ als Ausgangspunkt für die Auswahl vorrangig zu digitalisierender Verwaltungs- kontakte. Abbildung 4: Zielsetzung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung (Dez. 2013) Verwaltungsleistungen häufig und wichtig Was sind Verwaltungsleistungen? Betrachtet aus wessen Perspektive? Öffentliche Aufgaben – typische Verwaltung – Bürger – Politik – Bürgerservices – Regulierung – … Wirtschaft – Verbände – … Wir wollen „die 100 wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen innerhalb der nächsten vier Jahre bundesweit einheitlich online anbieten“ (Koalitionsvertrag, Dezember 2013, S. 106) online anbieten bundesweit einheitlich Welche Angebotstiefe impliziert anbieten? Was gilt als einheitlich? Information – Kommunikation – Einheitliches Set – einheitliches Design – Transaktion – Transformation einheitlicher Zugang – einheitliche Technologie – …
14 AU S WA H L V O N V E R WA LT U N G S KO N TA K T E N „Wichtig“ steht, aus der Verwaltungswissenschaft heraus Aus Unternehmenssicht sind selten einzelne Verwaltungs- argumentierend, mit der Zielstellung Effektivität in Zusam- kontakte mit spezifischen Behörden wichtig und häufig, menhang. Es geht dabei um die Wirkung, die mit Verwal- als vielmehr die Erledigung bestimmter Anliegen, für die tungskontakten erreicht werden soll. Wichtig wird deshalb Kontakte mit mehreren unterschiedlichen Behörden not- insbesondere im Sinne von mit strategischer Bedeutung wendig sind. Deshalb empfiehlt sich nicht die Auswahl sin- verbunden verstanden. Strategische Bedeutung können gulärer Verwaltungsleistungen bzw. -kontakte, die anschlie- Verwaltungskontakte sowohl aus der Sicht des einzelnen ßend digitalisiert werden, sondern zusammenhängender Unternehmens haben, als auch mit Blick auf die gesamte Bündel von Leistungen, die als Geschäftslagen bezeichnet Volkswirtschaft, wobei beides nicht identisch sein muss. werden. Mit dem Ziel, eine einheitliche Bewertungsgrund- Der Fokus der Untersuchung liegt genau auf der Schnitt- lage zu schaffen, wurden daher die Parameter Effektivität menge. Ausgewählt werden demzufolge jene Kontakte, die und Effizienz operationalisiert und mit Kriterien unterlegt. von strategischer Relevanz für den Wirtschaftsstandort Anschließend wurden geeignete Datengrundlagen identifi- Deutschland wie auch für das einzelne Unternehmen sind. ziert, anhand derer für Unternehmen in Deutschland rele- Dies ist beispielsweise bei den Themen Digitalisierung, vante Geschäftslagen bewertet und priorisiert werden. Fachkräftemangel und Energiewende der Fall. Auch in Bezug auf „häufige“ Verwaltungskontakte stellt Grundlage: Modellierung von Geschäftslagen sich die Frage, wessen Perspektive eingenommen wird. Die Überlegung, häufig vorkommende Kontakte auszuwählen, Als Grundlage der Analyse wurde ein Vorgehen, ähnlich zielt darauf ab, dass Kontakte digitalisiert werden sollen, dem der Studie Top 100 Verwaltungsleistungen für Bürger die sich von der Menge her betrachtet lohnen. „Häufigkeit“ gewählt. Dort standen Lebenslagen im Mittelpunkt, d.h. steht deshalb in Zusammenhang mit Effizienz. Dahinter die Bündelung von Verwaltungskontakten anhand von steht die Überlegung, dass eine größere Menge Betroffener zeitlich-inhaltlich geschlossenen Episoden, in denen sich oder die Entlastung in einer größeren Anzahl von Fällen Bürger befinden können. Das Prinzip der Lebenslagen ist sinnvoller ist als die Fokussierung auf Leuchtturmprojekte seit vielen Jahren ein weithin erprobter Analyseansatz. Er mit geringer Reichweite (zur Kritik an Leuchtturmprojek- wurde für diese Untersuchung auf Unternehmen übertra- ten vgl. Fromm, Welzel, Nentwig, & Weber, 2015, p. 5). Die gen und hier als Geschäftslagen bezeichnet. Hierzu wurden vorliegende Untersuchung stellt die Unternehmenspers- die Webseiten von deutschen Städten mit mehr als 100.000 pektive in den Vordergrund. Aus praktischer Sicht sollte Einwohnern (insgesamt 75) analysiert und ein erstes der Fokus der Digitalisierung deshalb auf Anwendungen Geschäftslagen-Set auf Basis der gesammelten Informati- liegen, die von einer großen Anzahl von Unternehmen onen gebildet. Es wird davon ausgegangen, dass die bereits nachgefragt werden, um so „nicht nur eine kritische Masse vorhandenen Geschäftslagen und ähnliche Bündelungsan- von Benutzern, sondern auch eine kritische Masse von sätze eine gewisse Nachfrage zur Grundlage haben. Ergänzt Verfahren [zu] erreichen.“ (Winter, 2011) So bearbeitet eine wurden diese Ergebnisse um Themen, die sich in den Por- Verwaltung eine große Zahl an Bauanträgen, ein einzelnes talen der Einheitlichen Ansprechpartner finden ließen. Unternehmen stellt jedoch ggf. nur einen (oder keinen) Bauantrag innerhalb mehrerer Jahre.
AU S WA H L V O N V E R WA LT U N G S KO N TA K T E N 15 Exkurs: Geschäftslagen-Systematiken Simply put, this means that the service is organised around an event that makes sense to the customer, be they a citizen or an enterprise, and that the customer need not be aware of the various public administration bodies that co-operate in seamlessly delivering the service. (Commission of the European Communities, 2003, S. 8) Geschäftslagen sind kein völlig neues Ordnungskriterium, sondern finden bereits seit vielen Jahren auf EU- wie Bundesebene Verwendung. Seit 2006 werden die im Rahmen des Projekts Deutschland Online (DOL) entworfenen Geschäftslagen u. a. für die Entwicklung der Einheitlichen Ansprechpartner angewendet. Die EU fasst diese und weitere nationale Klassifikationen im Kontext der Single Point of Contacts-Projekte in ihrer Definition der sog. Key Business Events zusammen. Beide Klassifikationen wurden im Rahmen der vorliegenden Studie ausgewertet, fanden jedoch keine direkte Anwendung, insbesondere deshalb, weil die Definitionen für die Zielsetzung dieser Studie für nicht ausreichend eingeschätzt werden: Die DOL-Geschäftslagen bestehen aus 25 sog. Oberkategorien, für die jeweils Unterkategorien (Geschäftsepiso- den) definiert wurden. Die Geschäftslage Steuern und Abgaben umfasst beispielsweise sieben Geschäftsepisoden, u. a. Steuern und Abgaben für Mitarbeiter und Steuern und Abgaben für Betriebe. In der Geschäftslage Personal finden sich neben 13 weiteren die Geschäftsepisoden Rechte der Beschäftigten und Personalvertretungsrecht sowie Stellenangebote und Verzeichnisse offener Stellen. Diese feine Granularität ist zum einen für die angestrebte Priorisierung kaum zu handhaben und zum anderen suggeriert sie eine Genauigkeit, die den unterschiedlichen Anforderungen der Unternehmen kaum gerecht werden kann. Die in der vorliegenden Studie verwendeten Geschäftslagen überschneiden sich in Teilen mit den DOL- Geschäftslagen, setzen teilweise jedoch andere Schwerpunkte und verzichten, insbesondere aus Gründen der Übersichtlichkeit, auf die weitere Unterteilung in Geschäftsepisoden. Die Key Business Events der EU werden als „generische Situationen oder Ereignisse im Lebenszyklus eines Unternehmens, unabhängig vom gesetzlichen Kontext eines Mitgliedstaates, der Art oder den Aktivitäten des Unternehmens, in denen ein Unternehmen seinen Geschäften nachgeht und Kontakt mit der Verwaltung hat“ (DG Digit/ ISA Programme, 2014), definiert. Die von der EU gebildeten fünf Geschäftslagen sind für die vor- liegende Studie zu grob. Sie orientieren sich viel stärker am „Lebens“zyklus von Unternehmen, als an den in diesem Zyklus tatsächlich anfallenden Situationen und Aufgaben. Die Geschäftslage Doing business umfasst daher auch den gesamten Aufgabenbereich eines operierenden Unternehmens und hat aus Sicht dieser Studie einen Sammelcharakter, der mit den hier definierten Geschäftslagen aufgebrochen wird: Die Konzentration von Verwaltungskontakten im Bereich Doing business, wird differenziert betrachtet und es wird auf die besonderen Bedingungen und Bedürfnisse der Unternehmen eingegangen.
16 AU S WA H L V O N V E R WA LT U N G S KO N TA K T E N Abbildung 5: Unternehmensportal Düsseldorf Die Analyse der unterschiedlichen Web-Angebote zeigt, Den für die vorliegende Untersuchung gebildeten dass für Unternehmen, ähnlich wie im Bereich Bürger Geschäftslagen wurden in einem zweiten Analyse-Schritt (vgl. Hunnius, Schuppan, & Stocksmeier, 2015), die über die alle im Leistungskatalog (LeiKa) aufgeführten Einzel- Web-Portale angebotenen Leistungen in der Regel themen-, leistungen im Bereich der Wirtschaft zugeordnet. Für lebenslagen- oder branchenorientiert dargestellt werden. Leistungen des LeiKa, die keiner der zuvor recherchier- Mitunter werden Leistungen auch weiterhin alphabetisch ten Geschäftslagen zugeordnet werden konnten, wurden sortiert aufgeführt. Nur noch selten sind Webseiten vor- weitere Geschäftslagen gebildet. Insgesamt wurden etwa rangig an der Verwaltungsorganisation orientiert, häufig 3.000 LeiKa-Einzelleistungen analysiert, aus denen 19 werden jedoch Angebote in einer Kombination aus unter- mögliche Geschäftslagen (vgl. Abbildung 7) gebildet wur- schiedlichen Strukturierungsansätze dargestellt. den. Nur etwa 150 Leistungen des LeiKa konnten keiner Geschäftslage zugeordnet werden. Damit wurden über 90 Auch dort, wo Leistungen anhand von Lebens- bzw. Ge- Prozent aller für Unternehmen in Deutschland relevanten schäftslagen strukturiert angeboten werden, ist oft nur ein Leistungen in Geschäftslagen abgebildet. Als ergänzende wenig umfangreiches Portfolio vorhanden, so dass kein An- Datenquelle wurde schließlich die SKM-Datenbank heran- spruch auf Vollständigkeit (im Sinne einer Abdeckung aller gezogen, deren Normen analog zu den LeiKa-Leistungen auftretenden Situationen eines Unternehmens) besteht. Es den bereits gebildeten Geschäftslagen zugeordnet wurden, bestätigt sich, dass Lebens- bzw. Geschäftslagen sehr unter- so dass diese validiert und angepasst werden konnten. schiedlich verstanden werden (so auch Müller, 2011, S. 74). Abbildung 6: Herleitung der Geschäftslagen Unternehmenslagenzugang Analyse der Webseiten aller 75 Städte mit > 100T EW sowie EA-Portale Vollständiges Set von Geschäftslagen Set von Geschäftslagen, das das gesamte Leistungsportfolio der Verwaltung abbildet Einzelleistungszugang Mapping des Leistungskatalog (LeiKa), der SKM-Datenbank
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