Wirtschaftspolitische Positionen - 2022 der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig - IHK zu Leipzig
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HERAUSGEBER Industrie- und Handelskammer zu Leipzig Goerdelerring 5 | 04109 Leipzig T: 0341 1267-1183 www.leipzig.ihk.de REDAKTIONSSCHLUSS Januar 2022 BILDNACHWEIS Zerbor/Shotshop.com HINWEIS © Industrie- und Handelskammer zu Leipzig Nachdruck und sonstige Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 2
Vorwort | Inhalt Die IHK zu Leipzig vertritt die Gesamtinteressen von etwa 67.600 kammerzugehörigen Unterneh- men in der Leipziger Wirtschaftsregion. Die „Wirtschaftspolitischen Positionen 2022“ thematisieren viele Handlungsfelder – von der dualen Berufsausbildung über das Steuersystem bis hin zu den energiepolitischen Rahmen- bedingungen. Es werden darin Standpunkte sowie Forderungen formuliert, wie durch Politik und Verwaltung die Wirtschaft gestärkt, Belastungen reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit ausgebaut werden kann. Die Positionen stellen ein Leitbild dar, unter anderem für eine unter- nehmensfreundliche Gesetzgebung, den Bürokratieabbau, eine verbesserte Standortattraktivität, eine geringere Abgabenlast sowie für einen Schub bei Innovationen. Unterschiedliche Interessen einzelner Branchen oder Betriebe werden entsprechend des gesetzlichen Auftrages der Industrie- und Handelskammern abwägend und ausgleichend berücksichtigt. Die „Wirtschaftspolitischen Positionen 2022“ sind in einem umfassenden und demokratischen Konsultationsprozess mit den Mitgliedsunternehmen und Gremien der IHK zu Leipzig entstanden. Vom 5. Juli bis zum 12. September 2021 konnten sich alle IHK-Mitglieder über ein Online- Beteiligungsportal mit eigenen Hinweisen und Anregungen aktiv in die Themen, Inhalte und Vorschläge einbringen. Es sind dazu 378 Hinweise eingegangen, die gesichtet und bewertet wurden. Auch Minder- und Einzelmeinungen sind als solche in den Positionstexten abgebildet und kenntlich gemacht. Die Vollversammlung der IHK zu Leipzig hat die „Wirtschaftspolitischen Positionen 2022“ im Dezember 2021 beschlossen. 1 Geschäftsfeld AUS- UND WEITERBILDUNG 4 2 Geschäftsfeld EXISTENZGRÜNDUNG UND UNTERNEHMENSFÖRDERUNG 7 3 Geschäftsfeld INNOVATION UND UMWELT 11 4 Geschäftsfeld INTERNATIONAL 14 5 Geschäftsfeld RECHT UND STEUERN 15 6 Geschäftsfeld STANDORTPOLITIK 17 7 Anlage ENERGIEPOLITISCHE POSITIONEN DER IHK ZU LEIPZIG 28 Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 3
Geschäftsfeld AUS- UND WEITERBILDUNG POPULARITÄT UND ATTRAKTIVITÄT DER DUALEN allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen. Neuord- BERUFSAUSBILDUNG STÄRKEN! nungsverfahren von Berufen sind zukünftig zügiger zu voll- ziehen und Berufsbilder regelmäßig auf ihre Aktualität der Die duale Berufsausbildung ist eine wesentliche Voraus- Lerninhalte zu überprüfen. Die Ausbildung von Lehrpersonal setzung dafür, dass Unternehmen weiterhin qualifizierte ist quantitativ und qualitativ auszubauen. Zur zeitgemäßen Fachkräfte zur Verfügung stehen. Sie trägt entscheidend Ausrichtung der Berufsausbildung ist auch der Auf- bzw. zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Ausbau von Kooperationen von Berufsschulen mit Bran- Wirtschaft bei. Unternehmen bestätigen in Umfragen der chenverbänden sinnvoll. sächsischen Wirtschaftskammern regelmäßig, dass die dua- le Berufsausbildung die erfolgreichste Maßnahme zur Fach- Die IHK zu Leipzig beteiligt sich an Imagekampagnen der kräftesicherung darstellt. IHK-Organisation sowie an Internationalisierungsprojekten („Bildungsexport“) zur Stärkung des Karriereweges Berufli- Zur Stärkung der dualen Berufsausbildung wird die IHK zu che Bildung. Besonderes unternehmerisches Engagement in Leipzig mit den sächsischen Wirtschaftskammern gegen- der Berufsausbildung wird von der IHK zu Leipzig weiterhin über der Politik öffentlichkeitswirksam als beispielgebend herausgestellt. - permanent einfordern, auf Grundlage des dazu abgeschlossenen „Paktes für duale Ausbildung“ den GLEICHBEHANDLUNG DER DUALEN Stellenwert der dualen Berufsausbildung als attrak- BERUFSAUSBILDUNG SICHERSTELLEN! tive Alternative zur akademischen Ausbildung stärker Die IHK zu Leipzig tritt dafür ein, Benachteiligungen für herauszustellen, Ausbildende und Auszubildende zu vermeiden, um die Be- - die Anpassung der Ausbildungs- und Prüfungsord- rufsausbildung auch bei unverschuldeten Störungen des nungen im Hinblick auf die zunehmende Digitali- Berufsausbildungsprozesses durch Pandemien oder behörd- sierung der Berufsausbildung sowie der Prüfungen liche Auflagen abzusichern. Dazu sind bundeseinheitlich die einfordern, Regelungen zum Kurzarbeitergeld anzupassen. Auszubil- - auf eine Stärkung der Verbundausbildung sowie von dende sollten ab dem 1. Tag Anspruch auf Kurzarbeitergeld KMU-Ausbildungsverbünden hinwirken, in Höhe von 100 % zzgl. der Arbeitgeberanteile erhalten, um - für ein nachhaltig finanziertes sowie durchgängiges bestehende Ausbildungsverhältnisse auch zukünftig abzu- Berufsorientierungssystem an allen allgemeinbil- sichern. denden Schulen eintreten und für die Einstellung Einzelne Unternehmen vertreten die Ansicht, für Auszubil- von Praxisberatern auch an sächsischen Gymnasien dende das Instrument Kurzarbeit nicht anzuwenden. werben, - auf eine ausreichende Sicherung des zukünftigen DIGITALISIERUNG IN DER BILDUNG FORCIEREN! Berufsschullehrernachwuchses drängen, Die über den „Digital Pakt Schule“ bereitgestellten Mittel - für die Implementierung des Unterrichtsfaches „Wirt- für die Anschaffung der benötigten technischen Infrastruk- schaft“ an den allgemeinbildenden Schulen plädieren, tur an allen allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen - für eine intensivere Vermittlung sozialer Kompetenz sind zügig auszureichen, effektiv einzusetzen und hinsicht- neben der beruflichen Handlungskompetenz und dem lich der neuen Anforderungen des „Home-Learnings“ zu er- Fachwissen eintreten gänzen. Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwa- chen Familien darf durch die ökonomische Situation der - moderne und zukunftsorientierte Ausbildungsinhal- Eltern kein schulischer Nachteil entstehen, eine technische te, insbesondere im Kontext der Digitalisierung von Grundausstattung zum Home-Learning (z. B. Tablet) muss Wirtschaftsprozessen („Wirtschaft 4.0“), einfordern gewährleistet werden. An sämtlichen Schulen und Wohn- sowie orten muss der Zugang zum schnellen Internet gewährleis- - auf die Stärkung und den Ausbau bereits beste- tet sein. Daneben ist das Lehrpersonal hinsichtlich digitaler hender Unterstützungsinstrumente, wie z. B. der Kompetenzen ausreichend zu qualifizieren. Künftig sind zu- ausbildungsbegleitenden Beihilfen und assistierten dem mehr digitale Selbstlernangebote für Auszubildende zu Ausbildung drängen. entwickeln und vorzuhalten. Dazu ist auf eine zeitgemäße Anpassung der Berufsbil- der und Lehrinhalte mittels Rahmenlehrplänen und Aus- bildungsordnungen genauso hinzuwirken, wie auf eine moderne technische und personelle Ausstattung an den Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 4
Geschäftsfeld AUS- UND WEITERBILDUNG DURCHLÄSSIGKEIT DES DEUTSCHEN BILDUNGS- Finanzierung, Ausstattung mit Lehrpersonal) müssen dieser SYSTEMS ERHÖHEN! Entwicklung gerecht werden. Die IHK zu Leipzig setzt sich für eine größere Durchlässigkeit INTEGRATION VON MIGRANTEN UND GEFLÜCH- des deutschen Bildungssystems ein. Bekanntheit und At- TETEN IN AUSBILDUNG UNTERSTÜTZEN! traktivität sowohl der dualen Berufsausbildung als auch der höheren Berufsbildung sind zu stärken. Auch von staatlicher Ausländische Jugendliche und Flüchtlinge sind zunehmend Seite muss noch umfassender über die Durchlässigkeit von in die duale Berufsausbildung integriert. Damit dieser Pro- beruflicher und akademischer Bildung aufgeklärt werden. zess künftig noch einfacher und reibungsloser fortgeführt Dies gilt z. B. für die neuen Abschlussbezeichnungen „Ba- werden kann, bedarf es der Festigung verlässlicher Bera- chelor Professional“ und „Master Professional“ der höheren tungsstrukturen und rechtlicher Rahmenbedingungen für Berufsbildung sowie für das in den Regelbetrieb überführte die Unternehmen bei der Integration von Migranten in Kombinationsmodell „Duale Berufsausbildung mit Abitur in die duale Berufsausbildung. Dazu gehören die Begleitung Sachsen“ (DuBAS). Im Gefolge der notwendigen Sicherstel- und Unterstützung vor und während der Ausbildung ein- lung einer qualitativ hochwertigen „klassischen“ Berufs- schließlich der Klärung aufenthaltsrechtlicher Fragestellun- ausbildung sind darüber hinaus weitere innovative Ausbil- gen (keine Abschiebung während oder nach erfolgreicher dungsmodelle und hybride Bildungsformate (Kombination Berufsausbildung), die Unterbringung in berufsbezogenen aus Studium und Berufsausbildung) zu entwickeln, zu opti- (Teilzeit-)Sprachkursen sowie in weitere Anpassungs- und mieren und zu vermarkten. Die bislang nicht zugeordneten Qualifizierungsangebote. Das Beratungsangebot für Unter- Qualifikationen im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR), nehmen ist im Kontext des neuen Fachkräfteeinwanderungs- insbesondere diejenigen der geregelten höheren Berufsbil- gesetzes zu erweitern. Hier bedarf es der Unterstützung des dung, sind möglichst zeitnah einzustufen. Engagements der Ausbildungsbetriebe und Auszubildenden. Dies gelingt durch verbesserte Beratungsangebote und ent- FÜR EIN „LÄNGERES GEMEINSAMES LERNEN“ IN sprechende personelle Ausstattung in den verschiedenen SACHSEN EINTRETEN! Institutionen (z. B. Ausländerbehörden, Arbeitsagenturen), Anerkennungsstellen (z. B. IHK-FOSA) sowie Botschaften. Die Umsetzung der im sächsischen Schulgesetz verankerten Darüber hinaus sind Weiterbildungskurse für Lehrkräfte an Möglichkeit, den Übergang zur gymnasialen Stufe im all- sächsischen Berufsschulen durchzuführen, die auf die be- gemeinbildenden Schulbereich im Freistaat Sachsen später sonderen Anforderungen bei der theoretischen Wissensver- zu vollziehen, wird seitens der IHK zu Leipzig weiterhin kri- mittlung an Migranten bzw. Geflüchtete abzielen. Das hohe tisch begleitet. Um die Oberschule als die wichtigste Quel- Niveau der dualen Berufsausbildung in Deutschland muss le der dualen Berufsausbildung in ihrem Image zu stärken, dabei der Maßstab sein. sollten zudem künftig wieder die leistungsbezogenen Zu- gangsvoraussetzungen für einen Wechsel an das Gymnasi- BERUFLICHE QUALIFIZIERUNG UND BETRIEBLICHE um entscheidend sein. Überdies ist an allen Schularten die WEITERBILDUNG STÄRKEN! individuelle Förderung der Schüler, je nach Leistungsniveau, stärker in den Blick zu nehmen. Gut 80 Prozent der gesamten Weiterbildung in Deutschland entfallen auf den Bereich der beruflichen Qualifizierung (vgl. DIE KONDITIONEN DES SÄCHSISCHEN „AZUBI- Adult Education Survey 2018). Bei der Erarbeitung der Säch- TICKETS“ VERBESSERN! sische Weiterbildungsstrategie 2030 ist es deshalb dringend Es ist zu prüfen, ob das in 2019 im Freistaat Sachsen ein- notwendig, der beruflichen Weiterbildung entsprechenden geführte Azubi-Ticket attraktiver gestaltet und somit zu Raum zu geben. verbesserten Konditionen angeboten werden kann (kos- Bei Weiterbildungsangeboten sind die Belange der kleinen tengünstiger, Erreichbarkeit des ÖPNV im ländlichen Raum, und mittleren Unternehmen maßgeblich zu berücksichtigen. bundeslandübergreifende Gültigkeit). Die diesbezüglich not- Um künftig noch attraktiver zu sein, müssen diese sich bes- wendige Finanzierung sowie ein attraktives ÖPNV-Angebot ser an die betriebliche Realität anpassen. Flexibilität, Zeit- müssen bereitgestellt werden. effizienz und ein Fokus auf das Wesentliche sind hierfür die Stellschrauben. Angebote sind nicht nur für angestellte BERUFSAKADEMIE SACHSEN STÄRKEN! Beschäftigte, sondern auch für Unternehmer vorzuhalten. Durch ihre enge Verzahnung von Studium und beruflicher Zukünftig sollten Hybrid- und Onlineformate häufiger zum Praxis werden die Berufsakademien für immer mehr Un- Einsatz kommen. Um diesen Anforderungen zu genügen, ternehmen eine Alternative zur Gewinnung von jungen sind akademische Angebote zum Management der betrieb- Fachkräften. Die Rahmenbedingungen (z. B. auskömmliche lichen bzw. berufsbezogenen Weiterbildung zu etablieren. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 5
Geschäftsfeld AUS- UND WEITERBILDUNG Zudem sind Weiterbildungsverbünde aufzubauen und lang- fristig zu fördern. Sie stellen den Unternehmen spezifische Informationen zur Verfügung, identifizieren Weiterbil- dungsbedarfe, beraten trägerneutral und unterstützen bei der inhaltlichen Ausgestaltung neuer Weiterbildungsmaß- nahmen. Überdies ist die Förderung der beruflichen Weiterbildung zukunftsfähig zu gestalten. Im Förderzeitraum 2014-2020 wurden in Sachsen bisher knapp 30.000 betriebliche und individuelle Weiterbildungsschecks in Anspruch genom- men. Dafür wurden knapp 63 Millionen Euro an Förder- mitteln investiert. Der Bedarf an beruflicher Weiterbildung und Qualifizierung nimmt aufgrund der aktuell zu bewälti- genden Herausforderungen stetig weiter zu. Dabei wächst die Bedeutung betrieblicher Weiterbildung ebenso wie die der individuell berufsbezogenen Weiterbildung. Um diesen gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, ist die be- stehende Bundesförderung im Rahmen einer individuell be- rufsbezogenen und betrieblichen Weiterbildungsförderung durch ein sächsisches Landesprogramm zur erfolgreichen und langfristigen Fachkräftesicherung zu ergänzen. Dabei sollte die berufliche Weiterbildungsförderung unmittelbar bedarfsorientiert und branchenoffen gestaltet sein. Um die Weiterbildungsbereitschaft zu erhöhen, sollten darüber hinaus zusätzliche Anreize für eine berufsbegleitende Wei- terbildung geschaffen werden. Konkret wird vorgeschlagen, steuerliche Anreize zu intensivieren. So sollten Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung im höheren Maße steuerlich absetzbar sein. Der sächsische Meisterbonus ist auf 2.500,00 EUR anzuheben und neben den Handwerks- und Industrie- meistern perspektivisch auch an Fach- und Betriebswirte auszuzahlen. Einzelne Unternehmen fordern die Gewährung von Bil- dungsurlaub für Beschäftigte. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 6
Geschäftsfeld EXISTENZGRÜNDUNG UND UNTERNEHMENSFÖRDERUNG GERINGSTMÖGLICHE WIRTSCHAFTLICHE tischen Hürden. Mitunter werden Gründungen verschoben EINSCHRÄNKUNGEN BEI PANDEMIEN! oder perspektivisch nicht realisiert, weil strukturelle Verän- derungen der Wirtschaft und die sich daraus ergebenden Grundlagen für zukunftsfähige Existenzgründungen und wirtschaftlichen Folgen schwer einzuschätzen sind. Hinzu erfolgreiches unternehmerisches Handeln sind sichere, kommen eine grundlegend spürbare Verunsicherung und transparente und verständliche Rechtsgrundlagen sowie die Angst vor weiteren Pandemie-Wellen. Eine genauere ein maßvolles staatliches Eingreifen zur Gewährleistung Betrachtung und inhaltliche Auseinandersetzung der Politik des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung. Von Behörden mit der Gründungsförderung ist daher notwendig, um gute für künftige Pandemien entwickelte Notfallpläne und Allge- unternehmerische und innovative Ideen in diesen Zeiten ge- meinverfügungen sind deshalb rechtzeitig und umfassend zielter zu unterstützen. So muss die neue Gründungsförde- mit der Wirtschaft abzustimmen und mit genügend zeit- rung wesentliche Instrumente für einen durch Pandemien lichen Vorlauf bekannt zu machen. Wichtig und hilfreich hervorgerufenen Lockdown vorhalten und schnell anpassbar sind in diesem Kontext zum Beispiel zentrale Informations- sein. Neu gegründete Unternehmen, die ihre Tätigkeit im plattformen und ein möglichst abgestimmtes Handeln aller Zuge der Corona-Krise aufgeben mussten, dürfen keine Re- staatlichen Ebenen unter Berücksichtigung von realistischen striktionen bei einem erneuten Start erfahren. Auch Grün- Prognosen zur Entwicklung des pandemischen Geschehens. dungen im Nebenerwerb sollten dabei unterstützt werden. IM PANDEMIEFALL FÜR VERTRAUEN UND SICHER- Image und Attraktivität der Unternehmensgründung müs- HEIT BEI DEN WIRTSCHAFTSAKTEUREN SORGEN! sen nach Corona seitens der Politik ebenso kommuniziert werden wie die Entwicklung eines Konjunkturpakets speziell Zur Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten und zur für die Gründerszene. Wiederbelebung der Märkte müssen insbesondere im Pan- Darüber hinaus sind für Existenzgründungen folgende demiefall seitens der Politik Rahmenbedingungen vorge- Maßnahmen wichtig: halten werden, die für Vertrauen und Sicherheit bei allen Wirtschaftsakteuren sorgen. KFW-HILFSPROGRAMME ANPASSEN! Vor allem müssen Staatshilfen und Fördermittel in Form Die eingerichteten Sofortzuschüsse des Bundes und der Län- von Zuschüssen ausreichend und über einen längeren Zeit- der für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige sind raum – auch für den breiten Mittelstand – zur Verfügung eine wichtige erste Hilfe für Existenzgründer, zumal etwa gestellt werden, um akute und nachfolgende negative vier von fünf Gründerinnen und Gründern als Einzelunter- wirtschaftliche Auswirkungen abzumildern. Weiterhin ist nehmen starten (vgl. Institut für Mittelstandsforschung, die Bereitstellung von Geldern für möglicherweise weitere Bonn). Epidemie-Wellen abzusichern (zum Beispiel über die Bil- dung staatlicher Rücklagen und Fonds), zumal die aktuelle Die dem Hausbankprinzip obliegenden Hilfen der KfW, Auszahlungsphase von Darlehen und Zuschüssen für viele wie etwa das KfW-Startgeld, sollten so ausgestaltet wer- Unternehmen nicht ausreichend ist. Ziel muss der langfristi- den, dass diese gerade auch in Krisenzeiten und der Nach- ge Erhalt „gesunder“ Unternehmen sein. Es sind demzufolge Krisenzeit bei der Zielgruppe ankommen und auch initiale angemessene und realistische Förderbudgets abzusichern Investitionsausgaben zusätzlich berücksichtigen. Denkbar und öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. Entspre- ist zudem, für kleinere Volumina standardisierte Prüfverfah- chend sind auch die Förderrichtlinien strategisch für weitere ren vorzusehen. Die bürokratischen Anforderungen an die mögliche Krisenfälle anzupassen. Von Pandemieauswirkun- Programme sind insgesamt weiter zu reduzieren und die gen stark betroffene Branchen wie Gastronomie, Tourismus, Flexibilität des Einsatzes der verschiedenen Finanzierungs- Kreativ- und Freizeitwirtschaft sowie Dienstleistungen im programme ist zu verbessern. Messe- und Veranstaltungsbereich und deren jeweilige Be- GRÜNDER UNBÜROKRATISCH UNTERSTÜTZEN – sonderheiten (z. B. Saisongeschäft) sind dabei besonders zu MÖGLICHKEITEN DER DIGITALISIERUNG NUTZEN! berücksichtigen. Gerade in Krisenzeiten ist der Bedarf bei Gründern an trans- GRÜNDUNGSGESCHEHEN FLEXIBILISIEREN UND parenten Informationen, rascher Antragsbearbeitung und WEITERENTWICKELN! -entscheidung sehr hoch. Sämtliche Verwaltungsinstitutio- nen sollten die Digitalisierung in diesem Sinne nutzen und Im Gefolge der Corona-Krise gibt es Restriktionen, die einen Online-Verfahren sollten durchgängig möglich sein. Neustart von Unternehmen erschweren. So erlebt das Grün- dungsgeschehen infolge der krisenbedingten staatlichen Einzelne Unternehmen fordern, die analogen Verfahren pa- Einschränkungen und damit verbundenen Nachfrageeinbrü- rallel aufrecht zu erhalten, um technische Abhängigkeiten chen einen Rückgang bei gleichzeitig steigenden bürokra- und Kostenbelastungen zu vermeiden. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 7
Geschäftsfeld EXISTENZGRÜNDUNG UND UNTERNEHMENSFÖRDERUNG ARBEITSLOSEN GRÜNDERN NEUSTART müssen aus finanzieller und logistischer Sicht für Start-ups ERLEICHTERN! leicht zugänglich und attraktiv sein und sollten noch en- ger mit den Kammern interagieren und verstärkt auch in Bei pandemiebedingtem, unverschuldetem Eintritt in Ar- den ländlichen Raum ausstrahlen. Gerade im Hinblick auf beitslosengeld I bzw. II sollten Agentur für Arbeit und Job- die Unterstützung des innovativen Gründungsgeschehens center den betroffenen Unternehmern eine zeitlich ange- ist die Sichtbarkeit und Wirksamkeit der in Leipzig ange- messene Findungsphase zugestehen und diese bei einem siedelten Agentur für Sprunginnovationen des Bundes zu Wiedereinstieg in die Selbstständigkeit gemeinsam mit den erhöhen. Kammern beratend unterstützen. Die krisenbedingte Un- ternehmensaufgabe darf keine negative Bewertung seitens UNTERNEHMERTUM DURCH POSITIVERES UNTER- der Sachbearbeiter nach sich ziehen. Auf Bewerbungsnach- NEHMERBILD IN DER GESELLSCHAFT STÄRKEN! weise, die Verordnung unnützer Weiterbildungen und die Betrachtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage ist bei Um das Unternehmertum zu stärken, das Unternehmerbild erneut Gründungswilligen zu verzichten. Aktivierungsgut- in ein positiveres Licht zu rücken, ihm ein frischeres Antlitz scheine sind mit zielführenden Qualifizierungsmaßnahmen zu verleihen und damit zu Unternehmensgründungen so- und Unterstützungsleistungen wie z. B. externen Beratun- wie Unternehmensnachfolgen anzuregen, sind Politik und gen zu untersetzen. Verwaltung gehalten, unternehmerisches Handeln wieder stärker wertzuschätzen und müssen dazu beitragen, das GRÜNDUNGEN IN SACHSEN GEZIELT AUSBAUEN! positive Verständnis des Unternehmers bei der Schaffung Sächsische Existenzgründernetzwerke sind durch den Frei- von Arbeitsplätzen und der Generierung von Wertschöp- staat Sachsen organisatorisch und finanziell weiter zu un- fung in der gesamten Gesellschaft wieder zu stärken und terstützen bzw. zu fördern. Die Angebote aller Partner sind mittels geeigneter Instrumente wahrnehmbar zu kommu- weiter zu bündeln sowie gemeinsam zu entwickeln und nizieren. Insbesondere positive Beispiele von erfolgreichem abzustimmen. Spezielle Beratungs- und Förderangebote, Unternehmertum müssen stärker von den Medien und in der z. B. der SAB, für bestimmte Ziel- und Bevölkerungsgruppen Schulbildung kommuniziert werden. können individuelle Informationsbedürfnisse gezielt abbil- Zur Stärkung des Unternehmertums gehört es auch, unter- den und das Gründungsgeschehen beleben. nehmerisches Scheitern gesellschaftlich besser zu akzep- tieren. Es braucht eine positive Fehlerkultur und die Option INNOVATIVES GRÜNDUNGSGESCHEHEN IN DER auf eine zweite Chance. Neben dem gesellschaftlichen Ver- REGION FORCIEREN! ständnis müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen. Innovative Start-ups und junge technologieorientierte Un- Beispielsweise dürfen nach der bestandenen Wohlverhal- ternehmen (JTOU) geben wichtige Impulse, gerade für die tensphase und erteilten Restschuldbefreiung infolge einer digitale Transformation. Deren neuartige Geschäftsmodelle Insolvenz negative Einträge in Auskunfteien die Bankfähig- sorgen für frischen Wind. Das Wachstum, das sich aus die- keit des Unternehmers nicht negativ beeinflussen. sen Unternehmen speist, wird dringend benötigt, um die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft zu erhal- BÜROKRATIEABBAU FORCIEREN – DEREGULIERUNG ten. Diesem Anspruch steht jedoch seit Jahren eine Stag- VORANTREIBEN! nation bei der Zahl von innovativen Gründungen gegen- Um so viel Gewerbefreiheit wie möglich zu erreichen, sind über. Ursachen dafür sind u. a. die Rahmenbedingungen, die Ministerien und Behörden stärker in Sachen Deregulierung weiter verbessert werden müssen, zum Beispiel im Bereich in die Pflicht zu nehmen, da die Schaffung von mehr Frei- der Risikokapitalfinanzierung. Zudem fällt es gerade jun- raum zur Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit das gen, technologieorientierten Unternehmen schwer, sich im Kernelement öffentlicher Wirtschaftsförderung ist. Auch Wettbewerb um Fachkräfte gegen etablierte Firmen durch- unter Verweis auf positive Beispiele im Ausland ist dar- zusetzen. auf hinzuwirken, dass Regulierungen über Gesetze, Sat- Regionale Hochschulnetzwerke, die das Thema Existenz- zungen und Verordnungen nur noch dort erfolgen, wo sie gründung kommunizieren, müssen dauerhaft finanziert sinnvoll und notwendig sind. Bürokratieabbau muss sich in werden, um Studierenden das Rüstzeug für die Existenz- der tatsächlichen Reduzierung von Regelungen und Infor- gründung zu vermitteln. Die Programme (wie z. B. SMILE) mationspflichten ausdrücken. Eine Folgenabschätzung für sollten auch für Nichtakademiker geöffnet werden. Regi- Gesetzgebungsprozesse ist vorzunehmen. Das Prinzip „one onale Gründungs- und Innovationszentren sind als Expe- in – one out“ sollte dabei als Grundsatz dienen. Vereinfa- rimentierräume weiterhin unerlässlich, um in der Region chungen sollten vor allem für KMU umgesetzt werden. Da in Leipzig eine nachhaltige Gründerkultur zu etablieren. Sie allen Phasen des Unternehmenszyklus zu viele verschiedene Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 8
Geschäftsfeld EXISTENZGRÜNDUNG UND UNTERNEHMENSFÖRDERUNG Behörden und Ämter angelaufen werden müssen, sollten In der Corona-Krise wurde gezeigt, dass dies kurzfristig re- zur Entlastung standardisierte Nachweise über eine An- alisierbar ist. Überdies müssen die Bewilligungsverfahren tragsbehörde (Eingangsbehörde = one stop shop) gebündelt transparenten, am Inhalt der Anträge ausgerichteten Maß- eingereicht werden können. Im Falle weiterer notwendiger stäben folgen. Vergaben nach dem Losverfahren sind nicht ordnungsrechtlicher Genehmigungen muss die Antragsbe- länger vorzunehmen. hörde den Verwaltungsprozess mit den anderen Geneh- EIGENKAPITAL WEITER STÄRKEN! migungsbehörden zur Erlaubniserteilung organisieren. Im Zeitalter der Digitalisierung ist bei den zuständigen Be- Die Eigenkapitalquoten der regionalen Wirtschaft liegen hörden auf eine schnelle Einführung digitaler Möglichkei- im Durchschnitt unter dem gesamtdeutschen Niveau und ten einzuwirken, so dass Beantragung, verwaltungsinterne dürften sich im Zuge der Corona-Krise weiter verschlech- Bearbeitung und Weiterleitung sowie behördlicher Bescheid tert haben. Deutschlandweit sind bei rund 40 Prozent der elektronisch erfolgen. Unternehmen bereits Rückgänge des Eigenkapitals zu ver- zeichnen. In Sachsen sind ca. 30 Prozent der Unternehmen Für Behörden und Ämter müssen im Umgang mit Daten von betroffen. Damit verfügen die Unternehmen in der Regel Bürgern und Unternehmen Datenschutz und Datensensibili- nicht (mehr) über ausreichend eigene Finanzmittel, um in tät einen hohen Stellenwert einnehmen. Innovation und Wachstum zu investieren. Es müssen des- Auch um das große unternehmerische Potenzial von Men- halb Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital-Situation schen mit Migrationshintergrund volkswirtschaftlich nut- im Mittelstand ergriffen werden. Generell gilt dabei: alle zen zu können und deren nachhaltige unternehmerische Regelungen müssen möglichst einfach und unbürokratisch Betätigung zu ermöglichen, sind gesetzliche Regelungen für gestaltet werden. Unter Berücksichtigung von diversen Fak- eine unkompliziertere Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit toren, wie Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu schnellstmöglich zu schaffen und umzusetzen. kriteriengestützter Einzelfallprüfung, der Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtlichen Aspekten – auch UNTERNEHMENSNACHFOLGE ERLEICHTERN! innerhalb der Kreditwirtschaft – und ordnungspolitischen Erwägungen, sollte die steuerliche Verlustberücksichtigung Immer mehr Senior-Unternehmer sind auf Nachfolgersu- verbessert, Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapi- che, zumal die Nachfolge immer seltener ein „familiärer talanforderungen in Bezug auf Unternehmen praxisgerecht Automatismus“ ist und sich das Zusammenbringen von Alt- ausgestaltet, kreditnahe Produkte mit Nachrang- bzw. Ei- Inhabern und Interessenten sehr schwierig gestaltet. Kri- genkapitalcharakter gestärkt sowie geförderten Beratungs- tischster Punkt in den Nachfolgeverhandlungen sind oft die angebote zu betriebswirtschaftlichen Themen für Unterneh- Höhe und die Finanzierung des Kaufpreises. Die Politik sollte men in Schwierigkeiten zugänglicher gemacht werden. daher bessere Finanzierungsbedingungen schaffen, stärkere erbrechtliche und steuerliche Anreize setzen, bürokratische ZUGANG ZU FREMDKAPITAL ERLEICHTERN! Hürden abbauen, aber auch Kampagnen sowie Beratungs-/ Die Fremdfinanzierung ist daher die hauptsächliche Finan- Schulungsangebote forcieren, bündeln bzw. unterstützen, zierungsquelle der hiesigen Wirtschaft. Der Zugang zu um mehr Interessenten, insbesondere auch junge Grün- Fremdkapital muss erleichtert werden. Verlässliche und dungswillige für eine Unternehmensnachfolge zu gewinnen. gut funktionierende Kreditinstitute zählen deshalb zu den Informationen und mögliche Ansprechpartner müssen er- grundlegenden Voraussetzungen für erfolgreiches Unter- sichtlich sein. nehmertum. Dazu ist aktiv Einfluss auf die Überprüfung und Anpassung des Kreditwesengesetzes und weiterer Rahmen- UNTERNEHMENSFINANZIERUNG UND FÖRDER- bedingungen für Finanzierungen zu nehmen. Im Kontext MITTELZUGANG VERBESSERN! einer besseren Versorgung vor allem der kleinen und mittle- Antragstellung und Nachweis der Mittelverwendung sind ren Unternehmen mit Fremdkapital ist die Diskussion über oft viel zu kompliziert. Antrags- und Kontrollverfahren sind die Verschärfung der Bankenregulierung (u. a. Basel IV) und weiter wesentlich zu vereinfachen. Die Vorschläge der dazu eine zu starke/strenge Bindung der Mittelvergabe an die Ein- von der sächsischen Staatsregierung eingesetzten Kommis- haltung von Nachhaltigkeitsvorgaben (sogenanntes Green sion zur Vereinfachung von Förderverfahren sind deshalb Financing) kontraproduktiv. Sie kann zur Konsequenz haben, konsequent umzusetzen. Überdies ist ein transparentes, dass sich die Finanzierungsbedingungen im Allgemei- stets aktuelles Verzeichnis (Datenbank) sämtlicher öffent- nen verschlechtern. Die Bankenregulierung ist deshalb mit- licher Fördermittel für Unternehmen vorzuhalten, aus dem telstandsfreundlich auszugestalten, unter der Maßgabe, heraus eine digitale Antragsstellung direkt erfolgen kann. kleine und mittlere Kreditinstitute hinsichtlich Eigenkapital- Insgesamt muss es ermöglicht werden, volldigitalisierte anforderungen und Meldepflichten nicht wie systemrele- Förderverfahren einfach und unbürokratisch umzusetzen. vante Großbanken zu behandeln. 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Geschäftsfeld EXISTENZGRÜNDUNG UND UNTERNEHMENSFÖRDERUNG Obwohl sie für Start-ups sowie für wachstums- und techno- Einzelne Unternehmen fordern, die analogen Verfahren pa- logieorientierte Mittelständler bedeutsame Finanzierungs- rallel aufrecht zu erhalten, um technische Abhängigkeiten und Entwicklungspotenziale bieten, ist die Wagnis- und und Kostenbelastungen zu vermeiden. Beteiligungskapitalausstattung im Mittelstand noch unzu- reichend. Mit der Corona-Pandemie und deren ungewis- DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG WIRT- sen Auswirkungen hat sich der Zugang zu Venture Capital SCHAFTSFREUNDLICH UMSETZEN! massiv verschlechtert, obwohl weiterhin Bedarf besteht. Die Bei der Digitalisierung der Verwaltung gilt es noch immer, Politik sollte daher die Weichen für eine investitionsfreund- Potenziale zu erschließen, auch hinsichtlich der technischen liche Gesetzgebung stellen. Ausstattung und der Schulung des Personals. Mit dem 2017 Um die in der Region Leipzig gemachten wirtschaftlichen verabschiedeten Onlinezugangsgesetz (OZG) soll die Digita- Fortschritte zu verstetigen, bedarf es auch in der EU-Struk- lisierung der Verwaltung beschleunigt werden. Es verpflich- turförderperiode 2021-2027 einer Anschlussfinanzierung. tet Bund und Länder dazu, bis Ende 2022 ihre Verwaltungs- Die den jeweiligen Strukturfonds zugehörigen Operatio- dienstleistungen auch elektronisch anzubieten. Für eine nellen Programme müssen hinsichtlich ihrer Ausgestaltung wirtschaftsfreundliche Umsetzung sind folgende Aspekte auf für die Wirtschaft bedeutsame Schwerpunkte abzielen. essenziell: Dazu gehören insbesondere Forschung und Entwicklung, - Die Belange der Wirtschaft nach einer effizienten Digitalisierung und Bildung. Um regionale Unterschiede und unbürokratischen Gestaltung von Verwaltungs- bei Fördermittelausstattungen innerhalb Sachsens zu kor- dienstleistungen sind prioritär zu behandeln. rigieren, ist in strategisch besonders relevanten Bereichen (Messeförderung, E-Business, Markteinführung innovativer - Die Zielgruppe Unternehmen müssen in die Umset- Produkte) nach Aufzehrung der vorgesehenen EU-Gelder zung einbezogen und deren Anforderungen berück- eine Weiterführung der Förderung aus Haushaltsmitteln des sichtigt werden. Freistaates Sachsen sicherzustellen. - Es ist ein einheitliches Servicekonto mit bundesweit einheitlichen Zugangs- und Identifizierungsprinzipien UNTERNEHMEN BEI DER DIGITALISIERUNG im Sinne eines Single Point of Contact zu schaffen. UNTERSTÜTZEN! - Die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen muss Es gibt zahlreiche Entwicklungsschritte, die Unternehmen im mit einer Optimierung der Prozesse einhergehen. Bereich der Digitalisierung in der aktuellen und kommenden Verwaltungen sollten zudem intern auf bereits Zeit gehen müssen. Dies reicht von der Digitalisierung von vorliegende Daten der Unternehmen zurückgreifen Geschäftsprozessen, über die Digitale Markterschließung, können (Once Only-Prinzip). Die Datensouveränität bis zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells, umrahmt der Unternehmen darf dabei nicht verletzt werden, vom Thema IT-Sicherheit. Ohne dem können u. a. die Ge- die Erhebung von Daten ist auf ein notwendiges schäftsfähigkeit gefährdet oder gesetzliche Forderungen Mindestmaß zu begrenzen. nicht eingehalten werden (z. B. GoBD). - Bei der Umsetzung sind vorhandene Technologien zu Dies bedeutet für Unternehmen erhebliche finanzielle und bevorzugen und bei Neuentwicklungen der Austausch personelle Aufwände, die ohne Unterstützung oftmals kaum und die Vernetzung der Akteure zu fördern, um Dop- zu stemmen sind. Daher ist ein sinnvolles, einfaches und pel- oder Mehrfachentwicklungen zu vermeiden. auch niederschwelliges Angebot an Fördermitteln wichtig, welche für alle KMU verfügbar sein muss (ohne Mindestan- Da ein großer Teil der Verwaltungsleistungen durch Kommu- zahl Mitarbeiter, ohne Branchenausschlüsse), sowohl auf nen vollzogen werden, ist für den Erfolg auch entscheidend, Landes- als auch Bundesebene. Die IHK setzt sich dafür ein, die Kommunen und Landkreise zu sensibilisieren, zu infor- dass die Rahmenbedingungen den Bedarfen entsprechen. mieren und zu unterstützen. Die damit verbundenen, bishe- rigen Aktivitäten des Freistaates Sachsen sollten fortgesetzt Neben der direkten finanziellen Unterstützung sind auch und ggf. intensiviert werden. Programme wie „Mittelstand Digital“ mit deutschlandwei- ten Kompetenzzentren weiterzuführen. Neben Leuchtturm- Mitarbeiter in den Verwaltungen müssen auch für neue Ar- projekten zu innovativen Vorhaben sollten hiermit nach wie beitsformen wie mobile Arbeit bzw. Homeoffice ausgestat- vor auch Standard-Vorhaben von Unternehmen gestützt tet und geschult werden, damit die Erreichbarkeit und Ar- werden, die nach wie vor den Großteil der kleinen Unter- beitsfähigkeit der Verwaltung durchgehend gewährleistet nehmen umtreiben und wichtige Effekte möglich machen. bleibt. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 10
Geschäftsfeld INNOVATION UND UMWELT INNOVATIONSFÖRDERUNG AUF BREITERE FÜSSE Förderinitiativen „Mittelstand digital“ sowie „Mittelstand STELLEN UND VERFAHREN VEREINFACHEN! 4.0 - Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ eingesetzt, um vor allem den Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren als Zur Stärkung der betrieblichen Forschung und Entwicklung erfolgreiche Beratungsinstitutionen für die regionale Wirt- müssen EU, Bund und Freistaat Sachsen eine auskömmli- schaft eine langfristige Perspektive geben zu können. che Finanzierung des breiten Angebots der Technologie- förderung für KMU langfristig sicherstellen und zukünftig ZUSAMMENARBEIT VON WISSENSCHAFT UND die Verwendung von Risikokapital als weiteren Bestandteil WIRTSCHAFT EFFEKTIVER GESTALTEN! unterstützen. Dabei ist neben der bewährten Projektför- derung, z. B. über das Zentrale Innovationsprogramm Mit- Eine enge Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft telstand (ZIM), auch die steuerliche Forschungsförderung (Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen technologieoffen, unbürokratisch und einfach administ- und sonstige Bildungseinrichtungen) fördert Forschung, rierbar fortzuführen. Da entschlackte (Förder-)Verfahren Innovation sowie unternehmerische Dynamik. Erfolgreiche den Unternehmen Anreize bieten, ihre Innovationstätigkeit Kooperationen lassen sich aber nicht politisch verordnen, zu verstärken, ist die Politik angehalten, Gesetzesvorhaben sondern brauchen einen adäquaten Rahmen, um mittel- auf Innovationsfreundlichkeit zu prüfen sowie Innovations- und langfristig selbsttragende Strukturen zu entwickeln. hemmnisse, die sich aus dem geltenden Recht für Unterneh- Deshalb müssen insbesondere Programme zur Anschubfi- men ergeben, abzubauen. Dies betrifft insbesondere die vom nanzierung solcher Netzwerke wie z. B. die Cluster-/Koope- Gesetzgeber bzw. Fördermittelgeber geforderte Vorfinanzie- rations-/Verbundprojekt- und Technologietransferförderung rung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten durch die fortgesetzt werden. Diese sollten auch zu vertretbarem An- Unternehmen. Zudem sollte eine flexiblere Auslaufzeit bei trags- und Verwaltungsaufwand für kleine Netzwerke von der Förderung von FuE-Projekten in Betracht gezogen wer- Unternehmen und Wissenschaft besser nutzbar gemacht den. Diesbezügliche Maßnahmen der Innovations- sowie werden. Hilfreich für die effektive Zusammenarbeit ist auch industriepolitischen Strategie des Freistaates Sachsen sind die staatliche Unterstützung bei der Einrichtung von Über- entsprechend umzusetzen und müssen sich u. a. in der Pro- blicks-/Suchportalen zu Forschungs-, Entwicklungs- und grammierung der Europäischen Strukturfonds im Freistaat Transferkompetenzen. Studierende sollten noch stärker in Sachsen für die Jahre 2021-2027 abbilden. die Netzwerke integriert werden. PRAXISTAUGLICHE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR ENERGIEPOLITIK VERSORGUNGSSICHER, DEN PROZESS DER DIGITALISIERUNG SCHAFFEN! WIRTSCHAFTLICH UND UMWELTVERTRÄGLICH Die Corona-Pandemie hat die Defizite in der Digitalisierung GESTALTEN! der einzelnen Lebensbereiche in Deutschland schonungslos offen gelegt. Vordringliche Aufgabe ist es, ein gesellschaft- l Siehe Anlage : „Energiepolitische Positionen der IHK zu Leipzig“ liches Bewusstsein für digitale Themen und Prozesse zu kreieren, Vorbehalte abzubauen und gleichzeitig Lösungs- WASSERSTOFFWIRTSCHAFT ENTLANG DER GESAM- kompetenz und technologische Offenheit zu fördern. Da- TEN WERTSCHÖPFUNGSKETTE ENTWICKELN! mit „Wirtschaft 4.0“ in der unternehmerischen Praxis ihre Umsetzung findet, muss die Politik in engem Austausch mit Mit dem energiepolitischen „Mega-Thema“ Wasserstoff Wirtschaft und Wissenschaft/Forschung die richtigen Wei- sind große Erwartungen verbunden: Wasserstoff soll zu- chen stellen. Dazu bedarf es praxistauglicher Rahmenbedin- künftig ein wesentliches Element für die Sektorenkopplung gungen, die der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft in der Energiewende sein und bietet als Wirtschaftsfaktor Rechnung tragen und diesem technologischen Wandel för- die Chance, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Regi- derlich sind. Dabei ist besonderes Augenmerk zu legen auf on zu sichern und auszubauen. Im Rahmen der Erarbeitung das Vorhalten leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen der sächsischen Wasserstoffstrategie sind Wirtschaft, Wis- (Hochgeschwindigkeitsinternet), die finanzielle Unterstüt- senschaft und Politik gefordert, Bedarfe zu beschreiben und zung entsprechender betrieblicher Forschungs- und Ent- die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit eine wicklungsaktivitäten, die Rechtssicherheit in der digitalen Wasserstoffwirtschaft entlang der gesamten Wertschöp- Welt (z. B. Arbeitsrecht, Datenschutz) sowie auf eine at- fungskette entwickelt werden kann und Sachsen dabei eine traktive betriebliche Weiterbildungsförderung. Diese Punkte Vorreiterrolle einnimmt. Hierbei sollten alle Bereiche der müssen bei der Umsetzung politischer Programme, wie z. B. Wasserstoffwirtschaft eine Rolle spielen. Bis zum Erreichen der „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung sowie der Stra- eines marktfähigen grünen Wasserstoffs müssen auch ande- tegie „Sachsen digital“ gebührend Berücksichtigung finden. re Möglichkeiten der Wasserstoffherstellung entlastet bzw. Gegenüber dem Bund wird sich für eine Weiterführung der gefördert werden, um eine breitere Nutzung von Wasser- Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 11
Geschäftsfeld INNOVATION UND UMWELT stoffprodukten und -anwendungen (insbesondere Speicher) Unternehmen erschließen zu können, sind Klimaschutzpro- zu gewährleisten. Staatliche Strategien und Förderprogram- gramme (z. B. New Green Deal der EU) gemeinsam mit der me sind wahrnehmbarer zu kommunizieren. Gemeinsam mit Wirtschaft als wichtiger Teil der Gesamtgesellschaft und dem Bund muss Sachsen internationale Energiebezugsquel- den einzelnen betroffenen Sektoren zu entwickeln und um- len definieren und diese über konkrete Handelsaktivitäten zusetzen. Eine gute Basis dafür ist eine Politik, die für die Er- vertraglich binden. Dies öffnet nicht nur Unternehmen in reichung der Klimaziele auf markwirtschaftliche Lösungen, Sachsen neue Märkte, sondern fördert auch in den Produk- Energieträgerneutralität und Technologieoffenheit setzt. tionsländern aktiv den Klimaschutz. Staatliche Förderprogramme können zusätzliche Anreize für entsprechende Investitionen setzen. ZUGANG ZU ROHSTOFFEN SICHERN, ENGPÄSSE VERMEIDEN! Einzelne Unternehmen fordern die Verschärfung der natio- nalen Klimaziele, um Deutschland zum klimafreundlichsten Die Versorgung mit Rohstoffen ist Grundvoraussetzung Land der Welt zu machen. wirtschaftlicher Wertschöpfung. Politisches Handeln muss aus Sicht der Unternehmen vor allem dadurch geprägt sein, UMWELTRECHT – FREIWILLIGES ENGAGEMENT DER den Zugang zu Rohstoffen zu sichern und Rahmenbedin- WIRTSCHAFT HONORIEREN! gungen zu schaffen, die die Innovationskraft der Unterneh- Die Vermeidung von Risiken für die Umwelt und die Wah- men zur Steigerung der Ressourceneffizienz unterstützen. rung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft müssen glei- Zur Vermeidung von Rohstoffengpässen der Wirtschaft oder chermaßen Richtschnur für die Politik sein. Vor jeder um- Preisexplosionen an den Rohstoffmärkten ist die Politik in weltrechtlichen Reglementierung ist zu prüfen, ob deren der Pflicht, internationale Rohstoffabkommen mit transpa- Ziel auch durch freiwilliges Engagement, wie die Einführung renten, vorab der Öffentlichkeit kommunizierten Regelun- eines Energie- oder Umweltmanagementsystems in Unter- gen für die Ex- und Importländer voranzutreiben. Einseitige nehmen, vertragliche Vereinbarungen oder vergleichbare Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten sind jedoch Maßnahmen, erreicht werden kann. Eine Honorierung dieses zu vermeiden. Um eine ausreichende Versorgung mit hei- Engagements ist sinnvoll. Überdies generiert freiwilliges En- mischen Rohstoffen für die Unternehmen sicherzustellen, gagements dann größere gesellschaftliche Akzeptanz, wenn bedarf es eines integrierten Konzepts zur strategischen die ergriffenen Maßnahmen einer unabhängigen Bewertung Sicherung der Rohstoffversorgung und einer vorausschau- unterzogen werden. Neue umweltrechtliche Reglementie- enden Raumplanung auf Bundes-, Landes- und regionaler rungen, etwa Nachweis- und Berichtspflichten sind zu ver- Ebene. Damit auch Massenrohstoffe, wie beispielsweise meiden, bestehende kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit und Sande oder Kiese bei Bedarf unabhängig von konjunkturel- Notwendigkeit hin zu überprüfen. Durch das sächsische Na- len Schwankungen erschlossen werden können, sollte die turschutzrecht sind Flexibilisierungen für die verschiedenen Raumordnung langfristige Planungshorizonte anwenden. Arten von Landnutzung (Nahrungsmittelproduktion, Ener- Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam das Bewusstsein gieumwandlung, Rohstoffgewinnung) zu ermöglichen. Die in der Bevölkerung für die Notwendigkeit des heimischen nationale Umsetzung europäischer Vorgaben muss Wett- Rohstoffabbaus stärken. Gleichzeitig sollten für eine funkti- bewerbsnachteile der deutschen Wirtschaft durch darüber onierende Kreislaufwirtschaft zurückgewonnene Sekundär- hinaus gehende Verschärfungen vermeiden. Der weitere rohstoffe mit Naturmaterialien gleichgestellt werden. Dazu Ausbau der Kreislaufwirtschaft ist anzustreben und unter- sind rechtliche und administrative Hemmnisse abzubauen. nehmensfreundlich sowie wettbewerblich zu organisieren. Die deutsche und sächsische Nachhaltigkeitsstrategie muss Leitlinien formulieren, wie der Transformationsprozess hin Einzelne Unternehmen äußern die Forderung, freiwilliges zu einer ressourcenschonenden und -effizienten Produktion Engagement durch mehr Ordnungsrecht zu ersetzen, um (z. B. Nutzung nachwachsender Rohstoffe, Recycling, Up- mehr Verbindlichkeit zu erreichen. cycling) weiter kontinuierlich und wirtschaftlich gestaltet werden kann. VORGABEN AUS DER UMWELTALLIANZ SACHSEN UMSETZEN! KLIMAZIELE MIT DER WIRTSCHAFT ERREICHEN! Im Rahmen der Umweltallianz Sachsen ist die Umset- Die deutsche Klimapolitik muss die geltenden europäischen zung der im Vertragstext enthaltenen Aufgaben von der Klimaschutzmechanismen, insbesondere die EU-Klimaziele Landespolitik regelmäßig einzufordern. Insbesondere ist und das EU-Emissionshandelssystem unterstützen und auf darauf zu achten, dass freiwillige, über die gesetzlichen nationale Alleingänge, insbesondere auf Verschärfungen Mindestvorgaben hinausgehende Umweltschutzleistungen der europäischen Ziel- und Grenzwerte, verzichten. Um das der Unternehmen durch den Freistaat und seine Behörden Geschäftspotenzial von Klimaschutzinvestitionen für die z. B. durch Verwaltungserleichterungen honoriert werden. Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 12
Geschäftsfeld INNOVATION UND UMWELT Des Weiteren sollte die Umweltallianz Sachsen, insbesondere Störfallrecht so angepasst werden, dass bestimmte gewerb- vor dem Hintergrund der ambitionierten (inter-)nationalen liche Nutzungen auch in dicht besiedelten urbanen Räumen Klimaschutzziele, als Sprachrohr der Wirtschaft in Umwelt- möglich bleiben. belangen konstruktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen Vereinzelte Unternehmen fordern neue Entsorgungskon- werden, damit die zur Erreichung der Klimaziele ausge- zepte- und –wege, um wachsenden Entsorgungsengpässen löste Transformation in den Unternehmen erleichtert wer- (z. B. aufgrund fehlender Flächen) und einer Verteuerung der den kann. Entsorgung entgegenzuwirken. UMWELTRECHTLICHE GENEHMIGUNGSVERFAHREN AUF NACHHALTIGKEIT UND KREISLAUFWIRTSCHAFT PROFESSIONALISIEREN! SETZEN! Vereinfachte Vorschriften unter Nutzung bundeseinheitli- Um den Ressourcenverbrauch und die Erderwärmung zu cher Antragsformulare, ein einheitlicher Vollzug und kür- vermindern, bedarf es einer stringenten Nachhaltigkeitspo- zere Verfahren können umweltrechtliche Genehmigungs- litik. Zur Erreichung der ambitionierten Ziele sollten Unter- verfahren und Anlagenprüfungen beschleunigen. Bezüglich nehmen, welche sich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch besonders nachhaltiges Wirtschaften auszeichnen, für Industrieanlagen ergeht der dringende Appell an die honoriert werden. Des Weiteren sollte die Wettbewerbsfä- sächsische Landespolitik und die zuständigen Behörden, die higkeit sächsischer Unternehmen im Bereich Bioökonomie Bedeutung zügiger und rechtssicherer Genehmigungsver- und Kreislaufwirtschaft gefördert werden. Dies ist nicht nur fahren für die Unternehmen zu erkennen, eine quantitativ im Hinblick auf das enorme Wachstum der Branche sowie und qualitativ bedarfsgerechte Personalausstattung in den deren zukünftiger Bedeutung erstrebenswert. Vor diesem Genehmigungsbehörden sicherzustellen, die technisch-pra- Hintergrund ist es enorm wichtig, Umweltschutz flexibel zu xisorientierte Fachkompetenz zu bündeln, die Kommunika- gestalten und Innovationen in diesem Sektor durch Techno- tion zu verbessern sowie die Verfahren zu vereinheitlichen logieoffenheit zu fördern. und zu digitalisieren. Die Umweltverwaltung muss zügig ihre internen und externen Abläufe weiter digitalisieren. Die Umsetzung der entsprechenden Empfehlungen aus dem Be- richt der von der sächsischen Staatsregierung eingesetzten Kommission zur Evaluation von Planungs- und Genehmi- gungsverfahren ist weiterhin konsequent zu verfolgen. WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG AN GEEIGNETEN STANDORTEN ERMÖGLICHEN! Für die Ausweitung bestehender und die Erschließung neuer Wirtschaftsstandorte sollten in ausreichendem Maße Flä- chen zur Verfügung stehen. Da bei zunehmender Flächen- konkurrenz und zugleich sinkender Flächeninanspruch- nahme von freien Flurgrundstücken eine Preisspirale zu befürchten ist, sollte dieser mit der Erschließung und För- derung freier Brachflächen in der kommunalen Bebauung sowie der Revitalisierung von Altindustriestandorten ent- gegnet werden. Die Freihaltung von Flächen zur späteren offenen Nutzung sollte in diesem Zusammenhang ebenfalls ermöglicht werden. Jedenfalls ist auf eine effiziente Flä- chenausnutzung hinzuwirken. Beispielsweise eröffnet sich im Zuge des Ausstiegs aus der Braunkohleförderung die Möglichkeit zur vielfältigen wirtschaftlichen Nachnutzung der Tagebauflächen. Neue Umweltauflagen sollten beste- hende Unternehmensstandorte nicht gefährden. Stattdes- sen sollten für Bestandsanlagen und für geplante Investi- tionen ausreichende Übergangsfristen, eine transparente Rechtsetzung sowie insgesamt Planungs- und Rechtssicher- heit geschaffen werden. Auch sollte das Immissions- und Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 13
Geschäftsfeld INTERNATIONAL INTERNATIONALISIERUNG DER UNTERNEHMEN DER und fairen Handel, freien Kapitalverkehr und Multilatera- REGION WEITER FÖRDERN! lismus ein: Zölle, Kontingente und sonstige Handelshemm- nisse dürfen nicht zur Durchsetzung nationaler Interessen Obgleich sich die Exportquote der sächsischen Wirtschaft, eingesetzt werden. Ohne das Primat politischer Entschei- insbesondere durch die starke Automobilbranche, in den dungen speziell in dieser Angelegenheit in Frage zu stel- vergangenen Jahren signifikant verbessert hat, liegt die len, steht die Neubewertung der Russlandsanktionen nach Anzahl der exportierenden klein- und mittelständischen wie vor auf der Tagesordnung, da sie sich erwiesenermaßen Unternehmen anderer Branchen weiterhin unter dem Bun- nachteilig auf die regionale Exportwirtschaft auswirken. desdurchschnitt. Gleichzeitig zeigen die Auswirkungen der Gleichzeitig müssen Politik und Verwaltung betroffene Un- Corona-Pandemie, dass für den Wirtschaftsstandort Sach- ternehmen rechtzeitig und umfangreich zu Entwicklungen, sen und die Region Leipzig insbesondere die Automobilindu- die das Auslandsgeschäft beeinträchtigen informieren und strie ein sehr sensibler Bereich im internationalen Kontext über mögliche Handlungsoptionen aufklären. Besonders die ist, und bereits ein Einbrechen der Auslandsnachfrage nach weiteren Vereinbarungen mit Großbritannien seit dem end- Kraftfahrzeugen die Außenwirtschaftsstatistik Sachsens gültigen Austritt aus der Europäischen Union dürfen nicht massiv zurück wirft. Um den Internationalisierungsgrad des dazu führen, dass die Integrität des EU-Binnenmarktes in- regionalen Mittelstands daher branchenübergreifend zu er- frage gestellt wird. Die Europäische Union muss alles dar- höhen, setzt sich die IHK zu Leipzig weiterhin für eine ziel- ansetzen, die bestmögliche Form der engen wirtschaftlichen gerichtete staatliche Unterstützung außenwirtschaftlicher Partnerschaft mit Großbritannien zu forcieren. Weitere, der- Aktivitäten unter dem Dach der „Außenwirtschaftsinitia- zeit ruhende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen, wie tive Sachsen“ (AWIS) ein. Im Rahmen der 2017 gestarteten z. B. dem TTIP sollten – sobald es die politische Situation sächsischen Internationalisierungsoffensive sind Unterneh- zulässt –, schnell wiederaufgenommen und transparent ge- men bei ihren ersten Schritten in neue Märkte zu begleiten, führt werden. Der Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse z. B. im Rahmen von Messeteilnahmen und Delegationsrei- und die gegenseitige Anerkennung von Normen und Stan- sen, aber auch durch die anteilige Förderung der Einstel- dards sollten prioritär umgesetzt werden. Für alle Bereiche lung von Fachpersonal in kleinen Betrieben zum Aufbau von des Abkommens sollte gelten, dass das hohe europäische Internationalisierungsstrategien und -strukturen sowie zum Niveau bei Gesundheits- und Verbraucherschutz-, Umwelt- anschließenden Einstieg in das Auslandsgeschäft. oder Sozialstandards erhalten bleibt. Gleichzeitig zeigen die massiven Einschränkungen der Rei- Einzelne Unternehmen sehen in den Bedingungen mancher semöglichkeiten durch die Corona-Pandemie, dass moderne Freihandelsabkommen, wie sie z. B. im TTIP geplant sind, Formen der Markterschließung und des Treffens im virtuel- eine Gefahr für die heimische Wirtschaft. len Raum eine neue Dynamik erhalten haben und zukünftig verstärkt zum Kontaktaufbau und der Erstkommunikation Gesetzliche Regelungen insbesondere für den grenzüber- beitragen können. Die Chancen der Digitalisierung liegen schreitenden Wirtschaftsverkehr zur Vorbeugung von Ver- somit auch und gerade für die Internationalisierung von stößen gegen die Einhaltung von Arbeitsbedingungen, so kleinen und mittleren Unternehmen auf der Hand, und müs- wie es die Bundesregierung mit dem „Lieferkettengesetz“ sen konsequent unterstützt und genutzt werden. beabsichtigt, sind hinsichtlich Wirksamkeit und drohenden Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft kritisch zu be- GEFAHREN FÜR DIE EXPORTWIRTSCHAFT ABWEN- werten. Eine generelle Haftung der ansässigen Unterneh- DEN – FREIEN HANDEL GEWÄHRLEISTEN! men für das Fehlverhalten Dritter entlang der gesamten Lie- Die Herausforderungen für die Exportwirtschaft – bislang ferkette ist der falsche Weg; eine einseitige Verlagerung von hauptsächlich gemessen an den politischen und wirtschaft- politischen Verantwortlichkeiten für in der Sache richtige lichen Krisen einzelner Länder – sind durch die weltweite Schutzziele auf die Wirtschaft ist abzulehnen. Das Gesetz Corona-Pandemie in einer bislang nicht vorherzusehenden wird die Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften mit Form größer geworden. erheblicher Rechtsunsicherheit sowie mit zusätzlicher Bü- rokratie und weiteren Kosten belasten. Ebenso gilt es, hier Die langfristigen Folgen sind schwer abschätzbar, und müs- Alleingänge der Bundesregierung zu vermeiden. Nur ein EU- sen regelmäßig neu bewertet werden. Gerade die Pandemie weit abgestimmtes Vorgehen kann die Erreichung besserer kann Kritik am Freihandel, Sanktionen und protektionisti- Arbeitsbedingungen weltweit voranbringen. schen Maßnahmen in die Hände spielen, und zu einer wei- teren Verunsicherung der Unternehmen in ihrem außenwirt- Einzelne Unternehmen sprechen sich für gesetzliche Rege- schaftlichen Engagement führen. Die IHK zu Leipzig setzt lungen, wie z. B. das Lieferkettengesetz, aus. sich daher auch weiterhin gegenüber der Politik für freien Wirtschaftspolitische Positionen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig 2022 14
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