Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt

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Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Plädoyer für eine moderne Produktion

Toyota Produktionssystem – TPS
Schafft Toyota die heile Arbeitswelt?
Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Impressum
Herausgeber:
IG Metall-Vorstand
60519 Frankfurt am Main
Verantwortlich i.S.d.P.
Dr. Regina Görner
geschäftsführendes Vorstandsmitglied

Gestaltung:
Nina Großmann
Bildung und Design
70839 Gerlingen

Druck:
Druckerei Julius Reichert,
71206 Leonberg

© 2008 by IG Metall Frankfurt
Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Ressort Bildungs-
            und Qualifizierungspolitik
                                         Vorstand

      Toyota Produktionssystem – TPS
  Schafft Toyota die heile Arbeitswelt?
Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Toyota über sich selbst

Toyota Production System
Das Toyota Produktionssystem (TPS) wird ständig ver-          wo er ausgelöst wurde behoben wird … In der Praxis
bessert und ist das effizienteste Produktionssystem in der    bedeutet das, dass jeder Beschäftigte, der einen Fehler
Welt, das fast alle Autohersteller versuchen zu imitie-       am Fahrzeug findet, das Fließband stoppt, um das Weiter-
ren. Sein Geheimnis ist die gründliche Organisation der       reichen des Mangels zu verhindern.
Arbeit, die hohe Leistungsfähigkeit und strenge Qualität.
Das Ziel ist, ein Produkt der höchsten Qualität für den       Just-in-time
niedrigstmöglichen Preis zu fertigen.                         Just-in-Time-Fertigung ist ein Konzept der Orientierung
Als Toyota die neue Philosophie der Produktion in den         am aktuellen Bedarf und wurde von Toyota erfunden. Es
fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erfunden        läuft auf die Minderung von Warenbeständen hinaus, die
hatte, war das eine Revolution ähnlich der Einführung         unnötige Kosten und vergeudete Ressourcen bedeuten
der Bandproduktion durch Henry Ford am Anfang des             würden. … Teile werden so rechtzeitig in die Fertigung
Jahrhunderts. [Anmerkung: Taylorismus]                        geliefert, wie sie vom Prozess gerade benötigt werden.
Basis des TPS ist der Grundsatz kontinuierlicher Verbes-
serungen von Standards, genannt Kaizen. Wir verbes-           Visualization
sern uns ständig, um zu führen und die Dinge besser zu        Der Grundsatz der Visualisierung soll Informationen über
machen. In der Praxis bedeutet das, dass das Fertigungs-      den Stand des Fertigungsverfahrens und der vorrätigen
verfahren jeden Tag weiterentwickelt wird.                    Teile allen und zu jeder Zeit gut sichtbar machen.
                                                              Nur wenn alle dieselbe Information haben, können sie
Kaizen                                                        auf mögliche Probleme schnell antworten und als eine
Die Vermeidung von Verlusten und die Verbesserung von         Mannschaft arbeiten. Von einem Fließband-Maschinen-
Qualität und Leistungsfähigkeit sind endlose Prozesse.        bediener zu einem Ingenieur, von der Wartung zu einem
Kaizen bedeutet kontinuierliche Verbesserung. Es bedeu-       Vorarbeiter - jeder weiß sofort über den gegenwärtigen
tet, mit der gegenwärtigen Lösung unzufrieden zu sein         Zustand des Fertigungsverfahrens bescheid.
und ständig nach möglichen Qualitäts- und Leistungsver-       (Quelle: Homepage der gemeinsamen Produktionsstätte von Citroen/Peu-
besserungen zu forschen. Letztendlich bedeutet Kaizen         geot mit Toyota in der Tschechischen Republik, Region Kolín)
die kontinuierliche Erhöhung der Produktionsstandards.        www.tpca.cz/en/production/toyota-production-system

Jidoka
Defekte und Fehler … kosten Energie für ihre Beseiti-
gung, die keinen Mehrwert bringt. Deshalb hat Toyota
Jidoka … entwickelt und lässt den laufenden (Montage-)
Prozess anhalten, wenn irgendein Fehler auftaucht. Dies
stellt sicher, dass jeder Qualitätsmangel entdeckt und dort

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Toyota Produktionssystem - TPS - Schafft Toyota die heile Arbeitswelt? Fünf Missverständnisse zurechtgerückt
Toyota Produk tionssystem e T PS

Vorwort
Ungerechtfertigte Berufungen auf das Toyota-                   Ganzheitlichkeit und Konsequenz im Sande verlaufen.
Produktionssystem (TPS)                                        Mit einem Wechsel im Management werden sie dann
Im Daimler-Chrysler-Konzern wurde 2006 vom Manage-             unter neuen Einzelaspekten neu gestartet. Dieses immer-
ment eine Debatte begonnen, die alarmierte. Denn sie           währende „Neustarten“ führt zum Abbau von Motivation
stellte in letzter Konsequenz die zu unserer gesellschaftli-   und Innovationskultur in den Unternehmen. Die Beschäf-
chen Kultur verankerte Facharbeiterausbildung in Frage:        tigten werden so unter zusätzlichen und unvernünftigen
Es wurden konkrete Überlegungen angestellt, den Anteil         Druck gesetzt. Das Management spricht gerne von Ver-
der Azubis mit einer drei- bzw. dreieinhalbjährigen Aus-       änderung, aber Veränderung ist kein Selbstzweck.
bildung drastisch einzuschränken. Diese Initiative des
Managements wurde mit ausdrücklichem Verweis auf das           Abwägen und Vorteile nutzen
TPS begründet.                                                 Unbestritten ist, dass Toyota Maßstäbe setzt hinsichtlich
Dieses Beispiel ist nur ein Ausschnitt einer zunehmenden       der Marktanteile und der Rentabilität, und ganz sicher
Debatte um neue Formen betrieblicher Rationalisierung,         können Instrumente und Prinzipien der Kultur des TPS
die sich gerne auf das TPS beruft. Es ist aber seriöser-       in deutscher Produktion allen Beteiligten auch Vorteile
weise nicht ohne weiteres möglich, von Deutschen Ver-          bringen. Zum TPS gehört z.B. auch, dass sehr viel für
hältnissen eins zu eins auf die japanische Variante von        Qualifikation auf dem shop floor getan wird. Davon hört
Toyota zurückzugreifen. Dazu sind die Voraussetzungen          man bei den hiesigen Toyota-Fans wenig Dazu bedarf es
zu unterschiedlich. Auch die Diskussionen um die Stan-         aber eines genaueren Hinsehens und einer sorgfältigen
dardisierung und zugleich Flexibilisierung, das betrieb-       Abwägung der Ziele und Rahmenbedingungen. Diese
liche Innovationspotential oder generell die Wertschöp-        Broschüre soll zu einer kritischen, differenzierten und
fung nimmt gerne engen Bezug zum TPS. Dabei gibt es            letztendlich nutzbringenden Auseinandersetzung mit dem
inzwischen Beispiele aus der Toyotapraxis selbst, die hier     TPS anregen.
Probleme und Widersprüche offenlegen.
                                                               Montage und Erfahrung
Summe der Teile ergibt nicht schon das Ganze                   Die Broschüre liefert Ausschnitte aus Projektergebnissen
Zu dem von Taiichi Ohno begründeten TPS gehören                des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.,
zahlreiche Instrumente, wie z.B. Just-In-Time oder Kai-        München, die schlüssig belegen können, warum Ganz-
zen (KVP). Viele Unternehmen möchten das Erfolgrei-            heitliche Produktionssysteme menschliches Arbeitsver-
che am TPS gerne nutzen. Ein verbreiteter Fehler des           mögen brauchen. Wir haben
verantwortlichen Managements dabei ist leider, dass            hier die typischen Missver-
TPS-Werkzeuge nur in Ausschnitten zum Einsatz kom-             ständnisse im Zusammenhang
men. Das eigene System, die betriebliche Organisations-        mit Toyota zusammengestellt.
kultur oder auch regionale und nationale Besonderheiten
werden nicht einbezogen.
Dies führt zu einem den Beschäftigten in den Betrieben
allseits bekannten Phänomen: Es werden große und klei-
ne Veränderungsprojekte gestartet, die dann aber mangels       Michael Ehrke

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Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Missverständnis 1
„Toyota ist gleich Japan und funktioniert als universelle
Maschine.“

Missverständnisse aus der MIT-Studie                        heit des japanischen Modells drückt sich in drei typischen
Bis heute hält sich hartnäckig die Idee, Lean Production    Annahmen aus:
sei etwas Universelles und man könne diese „Maschine“       • Es wird angenommen, dass bei allen japanischen
quasi überall einsetzen. Letzendlich geht dieses Missver-        Automobilherstellern durchgängig das gleiche Pro-
ständnis auf die sogenannte „MIT-Studie“ zurück, die in          duktionsmodell (TPS) verwendet würde.
den 90er Jahren zur Pflichtlektüre in den Produktionseta-   • Es wird angenommen, dieses Modell sei ein „Modell
gen und Beratungsgesellschaften gehörte.                         ohne Grenzen“ und seine Effizienz sei unabhän-
Wegen der weltweiten japanischen Absatzerfolge hatte             gig von irgendwelchen nationalen oder kulturellen
schon 1985 die amerikanische Automobilindustrie einen            Zusammenhängen.
Forschungsauftrag an das Massachusetts Institute of Tech-   • Es wird angenommen, das Funktionieren des
nology (MIT) vergeben. Es sollten die Ursachen für die           Modells sei letztlich technisch determiniert. Die
eigenen Verluste von Marktanteilen ergründet werden. Das         soziale Organisation des Unternehmens sei lediglich
vom MIT koordinierte Forschungsprogramm untersuchte              eine zwangsläufige Folge der sachlich-funktionalen
dann bis 1989 über 90 Montagewerke in 17 Ländern.                Erfordernisse.
Im Jahr 1990 wurde der Ergebnisbericht von den Autoren
James P. Womack, Daniel T. Jones und Daniel Roos vor-       Unterschiede zwischen Toyotawerken selbst
gelegt. Danach fand der Begriff der Lean Production erst-   Den Anspruch einer überall erfolgreich funktionierenden
mals Eingang in die allgemeine Diskussion. Unterm Strich    Maschine kann Toyota in seinen eigenen Standorten in
wurde eine Überlegenheit der japanischen gegenüber der      Europa selbst nicht einlösen. So geriet zum Beispiel das
europäischen und amerikanischen Fertigungstechnologie       Toyotawerk in Derby (England) nach mehreren Jahren
hinsichtlich Produktivität und Qualität angenommen.         erheblicher finanzieller Einbußen ab 1999 in eine ernst-
                                                            hafte Krise.
Die universelle Maschine „Lean Production“                  Damit befasste sich auch das europäische Forschungs-
Auch in der aktuellen Debatte um Ganzheitliche Pro-         netzwerk GERPISA. Es untersuchte zwischen 1997 und
duktionssysteme hält sich die Vorstellung einer uni-        2003 industrielle Produktionsmodelle mit Schwerpunkt
versell nutzbaren Lean Production beharrlich. Es wird       auf der internationalen Automobilindustrie. Dabei wurde
zwar immer wieder betont, dass es auf eine eigenständi-     auch die Annahme der universellen Übertragbarkeit des
ge, den konkreten Bedingungen angepasste Umsetzung          Modells TPS näher beleuchtet und kritisch hinterfragt.
ankommt. Betrachtet man aber die Ansätze der Ganzheit-      Im Ergebnis wurde ermittelt, dass für den Erfolg einer
lichen Produktionssysteme in Deutschland, dann findet       Unternehmensstrategie ausschlaggebend sei, dass diese
man wenig Unterschiede, was die von Toyota übernom-         sich stimmig einfügt in die nationalen und regionalen
menen Elemente (z.B. Jidoka, Just-in-Time, Kanban,          Bedingungen, in denen das Unternehmen operiert. Damit
Kaizen u.a.) angeht.                                        wird auch eine plausible Erklärung für die Probleme des
Die unkritische Vermutung einer unbedingten Überlegen-      Toyota-Standortes in England (Derby) geliefert.

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Toyota Produk tionssystem e T PS

Unterschiedlichste Produktionsmodelle – auch in               •   Wie ist die Beziehung zwischen der unternehmensin-
Japan!                                                            ternen Dynamik und dem sozioökonomischen Umfeld
Nach dem GERPISA-Ansatz besteht ein langfristig exis-             am Standort?
tenzfähiges Produktionsmodell aus den Faktoren                •   Wie ist die Dynamik aus der Hybridisierung bzw.
• Produktpolitik                                                  Vermischung von Modellen in bestehenden Struk-
• Produktionsorganisation und                                     turen?
• Arbeitsbeziehungen.                                         •   Welche Wirkung haben tatsächlich die eingesetzten
Im Vordergrund steht demnach ein stabiler Kompro-                 Methoden auf dem Hintergrund jeweiliger strategi-
miss zwischen den verschiedenen Stakeholdern bzw.                 scher Überlegungen.
Anspruchsgruppen einschließlich des Managements, der
Beschäftigten und Gewerkschaften.                                 Die Unterschiede zwischen dem japanischen Vorbild
Nur drei der in den Studien zwischen 1974 und 1992                und den Umsetzungsformen in Europa werden gerne
untersuchten Unternehmen gelang eine durchgängige                 auf die kulturellen Unterschiede zurückgeführt. Und
Rentabilität. Das waren Honda, Toyota und Volkswagen.             ohne Frage hat die japanischen Gesellschaft eine völ-
Interessant ist, dass diese Unternehmen höchst unter-             lig andere Geschichte und eine andere Kultur. Schon
schiedliche Produktionsmodelle und unterschiedliche               vor Jahren aber zeigten Untersuchungen in Japan,
strategischen Ausrichtungen fahren:                               dass der Erfolg des japanischen Produktionsmodells
Bei VW ist es die Masse und Produktvielfalt, bei Honda            sich nicht allein mit der isolierten Insellage oder feu-
die Innovation und Flexibilität und bei Toyota die perma-         dalen Wertvorstellungen erklären lässt. Und auch die
nente Kostenreduktion.                                            für Japan heute typischen betriebsharmonistischen
Nur zwei von acht japanischen Automobilherstellern                Arbeitsbeziehungen sind nicht Ausdruck einer kultu-
haben im Untersuchungszeitraum überhaupt ein durchgän-            rell bedingten Anpassungsbereitschaft der Beschäf-
giges Produktionsmodell entwickelt. Und diese Modelle             tigten, sondern im Gegenteil die Folge der Niederla-
stellen sich zudem noch als völlig unterschiedlich dar. Sie       ge einer vormals sehr kampfbereiten Gewerkschafts-
arbeiten zwar mit Qualitätszirkeln und Kaizen haben aber          bewegung.
ganz unterschiedliche Managementprinzipien.

Toyota ist nicht gleich Japan!
Es gibt also gar nicht das japanische Produktionsmodell       Zurechtgerückt 1
für sich und zumindest Honda wird oft als eigenständiger      Der Erfolg der japanischen Automobilindustrie ist der
Ansatz genannt. Der „Best Way Toyota“ braucht einige          Erfolg verschiedener, kulturell angeglichener Produkti-
Relativierungen, die ihn in verschiedenen Ländern und         onssysteme. Toyoata ist eines davon. Toyota selbst hat
Unternehmen jeweils anders aussehen lassen. Zu fragen         unterschiedliche Ergebnisse in verschiedenen Werken in
ist insbesondere:                                             der Welt.

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Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Missverständnis 2
„Der Erfolg von Toyota erklärt sich überwiegend oder
ausschließlich aus seinem Produktionssystem.“

Toyota ist mehr wert als BMW, Daimler, Porsche               Technik im Vordergrund - Integration von
und Volkswagen zusammen                                      Prozessorganisation und Technik
Der Aufstieg Toyotas ist zunächst Teil des Erfolgs der       Im Toyota-System spielt das Thema Technik, insbeson-
japanischen Automobilindustrie insgesamt: Diese stieg        dere die Automatisierung eine prominente Rolle. Das im
1980 zum Weltführer der automobilproduzierenden Län-         Zusammenhang mit dem TPS in Deutschland zunehmend
der auf. Toyota selbst hat eine bemerkenswerte Kapital-      mehr diskutierte Jidoka ist ein Beispiel hierfür. Im Deut-
kraft aufzuweisen. 2005 lag der Börsenwert so hoch wie       schen wird Jidoka gerne mit dem Kunstwort der „Auto-
der von General Motors, Ford, Volkswagen, Renault und        nomation“ übersetzt. Gemeint ist eine strenge Automati-
Peugeot zusammen. Auf die deutsche Automobilindu-            on, die aber mit mitdenkenden, intelligenten Maschinen
strie bezogen, war Toyota damit mehr wert als BMW,           abläuft. Durch einen entsprechenden Einsatz von Senso-
DaimlerChrysler, Porsche und Volkswagen zusammen-            rik wird bei jeder Art von Qualitätsabweichung eine auto-
genommen. Der Konzern verdiente im Jahr 2006 fast            matische Selbstabschaltung ausgelöst. Wenn man so will,
15 Milliarden Euro – mehr als je ein Konkurrent zuvor.       kommt hier in den automatisierten Prozessen die Technik
Im Jahr 2006 beschäftigte Toyota weltweit rund 286.000       dem Menschen häufig zuvor: Die berühmte Reißleine am
Beschäftigte inklusive Leiharbeiter und unterhielt 52        Band wird durchaus auch automatisiert ausgelöst.
Produktionsstandorte außerhalb Japans.                       Anders als in Deutschland, in dem für die Montage der-
Toyota kann einen nicht geringen Teil seines Erfolgs         zeit eine Rücknahme von Automatisierung vorherrscht,
sicherlich diesen bemerkenswerten ökonomischen Aus-          betrachtet Toyota sein Produktionssystem als einen inte-
gangsbedingungen zuschreiben – unabhängig von den            grativen Ansatz von Arbeits-/Prozessorganisation und
nicht zu unterschätzenden Wirkungen des TPS.                 Technik.

                                                                                                       +
                                                                                       Visualization
                                                                     Just-in-time
                           KAIZEN

                                                Jidoka

              Die klassischen Methoden sind durch weitere Komponenten zu ergänzen.

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Toyota Produk tionssystem e T PS

Das zeigt sich nicht nur in der zentralen Stellung, die   duktionsseite Produktänderungen durchsetzen kann.
intelligente Automatisierung in diesem System einnimmt,   Ursprünglich abweichende Produktionszeiten bei Toyota
sondern auch auf der Ebene der produktseitigen Technik.   wurden so deutlich angeglichen und führten insgesamt zu
So schafft die so genannte Global Body Line (GBL) von     deutlich besseren Ergebnissen. Ähnlich bedeutsam sind
Toyota ein Flexibilitätspotenzial für acht verschiedene   neue Formen des Komplexitätsmanagements im Design-
Fahrzeugtypen. GBL gibt es bereits in weit über 30 GBL-   prozess. Dazu gehört zum Beispiel die Methode des Mul-
Standorten von Toyota weltweit. In der deutschen Toyo-    ti-Project-Development, bei dem es um die gemeinsame
ta-Debatte werden die technischen Optionen als integra-   Nutzung von Technologie, organisationalen Stärken und
ler Bestandteil des Produktionssystems ausgeblendet.      Schlüsselkomponenten über verschiedene Entwicklungs-
                                                          projekte hinweg geht.
TPS-Prinzipien gelten auch für den
Entwicklungsprozess                                       Das Toyota Produktionssystem hat vor allem in der
Neben der Technik scheint auch das Toyota-Entwick-        deutschen Industrie inzwischen große Popularität gefun-
lungssystem (TPDS = Toyota Production Development         den. Der Erfolg Toyotas wird in der deutschen Debatte
System) in deutschen Unternehmen vergleichsweise          wesentlich seltener mit seinem Entwicklungs- als mit
wenig wahrgenommen zu werden. Schließlich werden          seinem Produktionssystem in Verbindung gebracht. Hier
auch hier zum Beispiel die Prinzipien gegen Verschwen-    wird stärker auf IT-getriebene Prozesse für die Standardi-
dung, die Prinzipien der Prozess-Standardisierung und     sierung der Entwicklung gesetzt.
der Visualisierung sowie eine Top-down-Orientierung bei
der Projektplanung angewendet.
Die Stärken des Systems liegen jedoch auf der engen
Verschränkung von Entwicklung und Produktion und
einem neuen Verhältnis der Produktion zur Entwicklung.
Damit wurde der dreifache Durchgang von Konstruktion
und Vorserie/Versuch, der Anfang der 90er Jahre noch
üblich war, auf einen einmaligen Durchgang Ende der
90er Jahre reduziert.
Wesentlich ist ebenso, dass bei Toyota auch die Pro-
                                                          Zurechtgerückt 2
                                                          Das Toyota-Produktionssystem besteht aus verschie-
                                                          denen Ansätzen, die man als Ganzes nehmen muss:
                                                          finanzielle Kraft und Größe plus Automatisierung und
                                                          Produkttechnologie plus Prozessintegration auch bei der
                                                          Entwicklung.

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Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Missverständnis 3
„Toyota ist eine Antwort auf flexible Märkte mit schwan-
kenden Absatzzahlen.“

Nationale Probleme bei Toyota England (UK)                   Lieferanten und Netzwerkfähigkeit in Japan
Eine 2005 vorgelegte Analyse der kritischen Entwicklun-      In Japan zum Beispiel setzt Toyota auf seine historisch
gen bei der Toyota Motor Manufacturing UK (TMUK,             gewachsene regionale Netzwerkfähigkeit. Sie ermög-
Derby) bringt Erstaunliches zum Vorschein.                   licht einen wechselseitigen Kapazitätenaustausch. Dahin-
Der UK-Standort hatte Probleme, auf Absatzschwankun-         ter verbirgt sich auch ein gemeinsames Lernmodell.
gen zu reagieren, und auch das TPS als Ganzes offen-         Die wichtigsten Lieferanten sind Teil der 1943 in Japan
barte Unsicherheiten und inkonsequente Veränderungen.        gegründeten Toyota-Lieferantenvereinigung (Kyohokai)
Offenbar scheint das Toyota-System gerade keine Ant-         und treffen sich mehrmals jährlich zum Austausch. Seit
wort auf flexible Märkte zu sein. Diese Konsequenzen         1977 existieren sogenannte Jishuken (freiwillige Studien-
scheinen in der deutschen Diskussion rund um Toyota          gruppen) als Teil eines bereits 1968 ins Leben gerufenen
bisher nicht angekommen zu sein. Das Ergebnis ent-           Netzwerks zur Verbesserung der Zulieferbeziehungen.
spricht auch nicht dem, was in der europäischen Debatte      Die Mitarbeiter der rund 60 wichtigsten Zulieferer wech-
der Automobilbranche vorherrscht.                            seln in drei- bis viermonatigen Projekten zwischen den
Interessant ist, dass andere Toyota-Standorte zum Beispiel   Unternehmen. In den USA wurde ein ähnliches Instru-
in Japan und den USA auf ähnliche Marktveränderungen         ment eingeführt.
angemessen reagieren konnten. Offenbar spielte deren
strukturelle Einbindung in regionale Besonderheiten eine
Rolle. Denn sie konnten auf Absatzschwankungen mit           Der Umgang mit Zulieferern in der Europäischen
Modellrotation, Beschäftigtenaustausch und schnellem         Automobilindustrie
Wechsel von Out- und Insourcing reagieren.                   Die Besonderheit der Organisation der Zulieferprozesse
                                                             in der japanischen Automobilindustrie und die struktu-
                                                             relle Abhängigkeit des Just-in-Time-Prinzips von geo-
                                                             grafischer Nähe sind bereits seit den 80er Jahren als eine
                                                             charakteristische Bedingung für das Funktionieren des
                                                             Toyotismus bekannt.
                                                             Der Umgang mit Zulieferern in der europäischen Auto-
                                                             mobilindustrie ist dagegen noch stark geprägt von den
                                                             Leitlinien der Lopez-Ära. Untersuchungen berichten von
                                                             Unternehmen, die von wiederholten „Würgegriffen“ auf
                                                             der Kostenebene sprechen, nicht aber von Erfahrungen
                                                             einer Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe. Die gleichen
                                                             Firmen loben Toyota als den mit Abstand verlässlichsten
      Absatzschwankungen – wie reagieren?
                                                             und berechenbarsten Abnehmer.

                                                                                                8
Toyota Produk tionssystem e T PS

Der Druck wird an das Personal weitergegeben              Kein Gleichgewicht zwischen Beteiligung und
Der UK-Standort konnte auf den Druck des Mark-            Ausbeutung
tes offenbar nicht auf solche nationalen oder regiona-    Die Linie zwischen Beteiligung und Ausbeutung kann
len Netzwerke setzen. Hier wurde offenbar nur nach        also sehr schmal sein. Umso wichtiger wird es, auch
innen weitergeben in Richtung der eigenen Produktion      langfristig das Gleichgewicht zu halten. Hier wird eine
und deren Planung: Bei Nicht-Erreichen der geplanten      wichtige Rolle der Gewerkschaften und der betrieblichen
Absatzzahlen wurden im großen Stil Beschäftigte entlas-   Interessenvertreter sichtbar.
sen. Unerwartet gute Absatzzahlen dagegen konnten nur     Die Toyota-Prinzipien und insbesondere der Kaizen-Pro-
mit einem dauerhaft hohen Überstundenanteil bedient       zess geraten bei schwankenden Verkaufszahlen offenbar
werden (bis zu 30 Stunden pro Werker und Monat).          in eine strukturelle Krise.
Die Antwort auf die Marktschwankungen erfolgte im         Auch in Deutschland herrscht dennoch die Vorstellung
wesentlichen nur mit entsprechendem finanziellen Auf-     vor, gerade durch Ganzheitliche Produktionssysteme
wand.                                                     (GPS) könnte man marktflexibler werden. Dabei muss
Die Kompensationsstrategie des UK-Standortes führte       man eher davon ausgehen, dass eine Innenflexibilität
zur generellen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.   paradoxerweise nur unter stabilen Marktbedingungen
Sichtbar wurden deutliche Auswirkungen auf den Kran-      gelingt – es sei denn, die Prinzipien der Beteiligung der
kenstand und die Motivation der (verbliebenen) Beschäf-   Beschäftigten werden konsequent auch unter Flexibili-
tigten.                                                   tätsgesichtspunken gelebt und realisiert.
So wuchs sich schließlich die zunächst rein finanzielle
Krise zu einer Krise des Produktionssystems selbst aus.
Es wurden zum Beispiel Taktzeiten drastisch reduziert,
der Kaizen-Prozess beschleunigt und dessen Ziele nun-
mehr sogar vom Management vorgegeben. Die versteck-
ten Schwächen des Toyota-Systems wurden offengelegt.
Die Unfähigkeit, auf strukturelle Absatzschwankungen
flexibel zu reagieren führte letztlich zur „Verschwen-
dung“ der einzigen echten Flexibilitätsressource – der
Beschäftigten.
                                                          Zurechtgerückt 3
                                                          Offenbar können sich die Stärken des Toyota-Systems
                                                          nachhaltig nur bei weitgehend vorhersagbaren, wenig
                                                          schwankenden Absatzzahlen entfalten. Andernfalls ver-
                                                          schwendet auch Toyota seine wichtigsten Ressourcen –
                                                          die Erfahrung seiner Beschäftigten.

                    9
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Missverständnis 4
„Der ganzheitliche Anspruch des Toyota-Systems löst
den Widerspruch zwischen Qualität und Kosten auf.“

Widersprüche belasten die Beschäftigten                       Prinzipien werden abgewandelt
Das grundlegende Problem des Toyota-Systems liegt             Der Ganzheitsanspruch des Produktionssystems sugge-
in dem Versuch, widersprüchliche Prioritäten zusam-           riert, es seien solche widersprüchlichen, ja in letzter Ins-
menzubringen. Zum Beispiel arbeiten Gruppen mit der           tanz antagonistischen Ziele gleichzeitig zu verwirklichen.
kontinuierlichen Verbesserung unter Vermeidung von            Und in der Management- und Beratungsliteratur liest
Verschwendung (Kaizen) und zugleich sind sie unter            sich dies ja auch so. Die Praxis spricht aber eine andere
dem parmanenten Druck einer weiteren Glättung bzw.            Sprache:
Nivellierung (Heijunka) der Produktion. Ein fundamenta-       Die prinzipiellen Unvereinbarkeiten führen zu neuen
les Merkmal des Toyota-Produktionssystems ist, dass es        Widersprüchen. In der Praxis werden Toyota-Methoden
eben doch die Spannung zwischen verschiedenen Logi-           zugunsten einer scheinbaren Verträglichkeit abgewandelt.
ken von Qualität und Kosten nicht versöhnt, sondern in        Das zeigt sich zum Beispiel an der tatsächlichen Hand-
das alltägliche Handeln an jedem einzelnen Arbeitsplatz       habung des „Andon Cord“, der berühmten Reißleine, mit
trägt.                                                        der jedes Teammitglied bei Qualitätsabweichungen oder
Diese Spannung ist überall zu sehen:                          Produktionsstörungen einen Stopp des Produktionspro-
• Die Produktion soll permanent optimiert und weiter          zesses auslösen soll. In der Wirklichkeit darf das Team-
     geglättet werden – aber ohne Vernachlässigung des        mitglied nur die gelbe Anzeige auslösen. Damit wird
     Arbeits- und Gesundheitsschutzes.                        angezeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ein Stopp
• Taktzyklen sollen ständig verkürzt werden – aller-          darf nur durch den Teamleader ausgelöst werden. Aber
     dings ohne Qualitätseinbußen.                            auch das passiert kaum. Vielmehr zieht der Teamleader
• Ein Minimum an Arbeitern pro Linie bei maximal              die Reißleine sofort ein zweites Mal, um das gelbe Licht
     langen Arbeitszeiten und extremem Zeit- und Leis-        erlöschen zu lassen und einen Produktionsstopp zu ver-
     tungsdruck soll einhergehen mit möglichst geringen       hindern. Er arbeitet dann weiter an dem Problem, sogar
     Fehlzeiten und Unfallvermeidung.                         wenn das Auto schon die nächste Montagezone erreicht
                                                              hat – eine klare Abweichung von der Regel.

  Montage einer Alstom GT13E2-Gasturbine in Mannheim Quelle: DLRG

                                                                                                  10
Toyota Produk tionssystem e T PS

Produktivität um jeden Preis                                  Rückgang der Verbesserungsvorschläge - und
Es gibt offenbar eine klare Priorität vor der Produktquali-   Kaizen von oben
tät: die permanent in Echtzeit angezeigte Produktivitäts-     Es stellt sich die Frage, ob die üblichen Routinen des Toy-
kennzahl gegenüber der Linie. Diese Zielgröße liegt per-      ota-Produktionssystems unter diesen Umständen weiter
manent bei 90 bis 95 Prozent. Eine Nutzung des Andon          praktiziert werden können. Der Montagewerkvergleich
Cord muss auf ein Minimum beschränkt bleiben oder es          der MIT-Studie von 1994 bis 2000 stellte immerhin fest,
gilt, die Balance mit Überstunden wieder herzustellen.        dass in diesem Zeitraum die Zahl der Verbesserungsvor-
Am Ende wird das Problem also real in die Verantwor-          schläge pro Beschäftigten von 69 Vorschlägen 1994 auf
tung des einzelnen Mitarbeiters zurückverlagert.              13 Vorschläge 2000 eklatant zurückgegangen ist.
Es gibt bereits Hinweise darauf, dass Toyota dieser           Auch andere Trends sind nicht wirklich „Toyota-kom-
Bevorzugung von Produktivität vor Qualität zu begegnen        patibel“, wie zum Beispiel die Zunahme des experten-
versucht: In der Lexus-Fabrik montiert Toyota erstmals        getragenen Top-down-Kaizen, die eine Abnahme des
ein Modell auf zwei Bändern. Damit wird ein Anhalten          Vertrauens in die Erfahrung der produzierenden Mitar-
der Produktion durch das Ziehen des Andon Cord beim           beiter signalisiert. Und während die Anforderungen an
kleinsten Fehler wieder tragbar. Es sollte gewährleis-        Flexibilisierung und Modellvielfalt wachsen, erhöht sich
tet bleiben, dass die Montagearbeiter, die Leine „ohne        der Anteil der Leiharbeiter. Damit kommen wir zum
schlechtes Gewissen“ ziehen können.                           nächsten Problem, der (Un-)Vereinbarkeit von Standar-
                                                              disierung und Flexibilisierung.
Vertrauen in die Mitarbeiter -
oder lieber Leiharbeiter?
Die Verlagerung des Widerspruchs Qualität - Kosten
in das Arbeitshandeln der einzelnen Werker erfordert
eigentlich verantwortungsbewusste, gut qualifizierte und
hoch engagierte Mitarbeiter. Das sind Eigenschaften, die
man einer Stammbelegschaft eher unterstellen würde als
Leiharbeitern. Da hat Toyota aber ein neues potentielles
Problem, denn es gibt einen enormen Anstieg von Leihar-
beit selbst in den japanischen Toyota-Werken. Früher bei
maximal 5 % liegend, erreichte der Anteil an Leiharbeit       Zurechtgerückt 4
im Jahr 2005 bereits 25 % und in den Montagewerken            Die betrieblichen Realitäten bei Toyota zeugen nicht nur
sogar 30% – in manchen Bereichen stellen die Stammbe-         von einer Dominanz der Menge zu Ungunsten der Quali-
schäftigten nur noch eine Minderheit.                         tät, sondern auch von einer Verlagerung des Konflikts in
                                                              das Handeln einzelner Montagearbeiter hinein.

                     11
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Missverständnis 5
„Toyota versöhnt Standardisierung und Flexibilisierung.“

Toyotismus oder doch Taylorismus?                               Unflexibel und intensivere Arbeit
Hierzulande kann man sicherlich davon sprechen, dass            Das TPS führt zu einem erheblichen Mehr an Arbeitsin-
es viele Versuche gibt, die Toyota-Prinzipien zu überneh-       tensivierung und -extensivierung. Es ist somit schwerlich
men. Bei uns ist die damit verbundene Standardisierungs-        als Ablösung des Taylorismus zu sehen. Vielmehr kann
diskussion vor allem geprägt durch eine starke Konzent-         der Toyotismus als Lösungsoption für klassische Proble-
ration auf die Bewegungsabläufe und -zeiten im direkten         me des Taylorismus gelten.
Bereich. Die Standardisierung für alle Geschäftsabläufe         Alles zusammen genommen haben wir es mit einer neuen
aber wird nur selten als notwendig anerkannt. Deutlich          Qualität von Inflexibilität zu tun, die ja eigentlich gera-
ist eine Tendenz zu Bürokratisierung und zum Schema-            de vermieden werden sollte. Vieles verläuft anders, als
tismus. Das führt zu einer kritiklosen und einseitigen          man aus der Perspektive einer flexiblen Standardisierung
Orientierung am Original. Die eigenen national und              erwarten würde: Denn nicht nur die Frage, was und wie
regional spezifischen Unterschiede und Stärken werden           standardisiert wird, wird von anderen Autoritäten als der
vernachlässigt.                                                 Gruppe oder dem Gruppensprecher bestimmt. Auch jede
Vielleicht ist es aber gar kein nur typisch deutsches Miss-     Anpassung der standardisierten Arbeitsaufgabe muss
verständnis eines zumindest kulturell anders gemeinten          von gruppenexternen Experten geprüft, autorisiert und
Ansatzes. Es könnte sich durchaus um ein Problem des            wiederum standardisiert werden. Statt dem bisherigen
Ansatzes selbst handeln. Studien an europäischen Toyo-          Anreiz über das Lohnsystem dominiert ein durch vorge-
ta-Standorten weisen darauf hin, dass zum Beispiel im           setzte Experten beherrschtes Kaizen-System. Es scheint,
Kaizen-Prozess in Wirklichkeit das Wie der Arbeit und           dass auch Toyota die „Versöhnung“ von Flexibilisierung
die Standardisierung im Vordergrund stehen.                     und Standardisierung nicht gelingt. Vielmehr scheint der
Ergebnis sind monotonere und restriktivere Arbeitsfor-          Widerspruch letztlich immer zugunsten der Standardisie-
men, als sie für den die Arbeit zerstückelnden Tayloris-        rung aufgelöst zu werden.
mus alter Prägung als typisch betrachtet werden.
Insbesondere sind die Arbeitsaufgaben im Toyota-Sys-
tem so weit standardisiert, dass nicht nur die Sequenz der
Arbeitsschritte, sondern auch die genauen Positionen und
                                                                                                                    ng
Bewegungen der Arbeiter vorgegeben sind. Die Fähig-                                                      a rd isieru
                                                                                                    Stand
keit, die Standardaufgaben entsprechend den Vorgaben
auszuführen, ist zudem Gegenstand monatlicher Bewer-
tung durch den Teamleader.                                                                                            t
                                                                                                                 ilitä
                                                                                                           Flexib
                                       +++

                             Wo ist das richtige Maß zwischen Standardisierung und Flexibiliät?                   ?

                                                                                                   12
Toyota Produk tionssystem e T PS

Widerspruch zwischen Standardisierung und                   Unregelmäßige Regelhaftigkeit
Flexibilität                                                Spätestens hier zeigt sich eine deutliche Differenz zur
Vielleicht aber liegt das Missverständnis in der deutsch-   vorherrschenden Praxis in der deutschsprachigen Debat-
sprachigen Debatte um das Verhältnis von Flexibilität       te, in der das Dogma der „einen“ festen Regel einer fle-
und Standardisierung auch tiefer. Der Misserfolg vieler     xibel gehandhabten Standardisierung im Wege ist. Stan-
Nachahmer ist etwa damit zu erklären, dass die Toyota-      dardisierung bezieht sich schließlich bei Toyota nicht nur
Methoden mit dem System selbst verwechselt werden.          auf die auszuführenden Handgriffe der Arbeiter in der
Das Erfolgskriterium Toyotas beruht aber nicht in einer     Produktion, sondern hierarchieübergreifend auf alle Akti-
Ansammlung von Instrumenten und Methoden. Toyota            vitäten und Funktionen.
selbst sieht seine Praktiken nur als punktuelle Maßnah-     Der „DNA-Code“ des Toyota-Systems beruht nicht auf
men, nicht als immerwährend und universell gültige Pro-     festgelegten Standards, sondern auf Regeln, nach denen
blemlösungen.                                               zwar alle Beschäftigten bei Toyota handeln, die aber nir-
Wie bewältigt Toyota den Widerspruch zwischen Stan-         gendwo aufgeschrieben sind. Diese Regeln werden leben-
dardisierung und Flexibilität? Zunächst wird die Stan-      dig durch einen Dialog entlang vier einfacher Fragen:
dardisierung als Voraussetzung der Flexibilität gesehen.    • How do you do this work?
Dabei wird jeweils von den tatsächlichen Problemen          • How do you know you are doing this work correctly?
ausgegangen. Im Ergebnis aber werden unterschiedlichs-      • How do you know that the outcome is free of defects?
te organisatorische Lösungen nebeneinander an ein und       • What do you do if you have a problem?
demselben Standort als völlig normal angesehen.             Und auch diese Fragen richten sich nicht nur an die Pro-
                                                            duktionsmitarbeiter, sondern in derselben Form beispiels-
                                                            weise auch an die Manager eines Zulieferstandorts.
                                                            Es lohnt sich, die Debatte um das Toyota-Produktions-
                           –––                              system und seine Anteile an Flexibilität kritischer zu
                                                            führen. Eine unkritische Perspektive kann zu verpassten
                                                            Optionen führen in einer der wettbewerbsrelevantesten
                                                            Fragestellungen um die Balance zwischen Flexibilität
                                                            und Standardisierung.

                                                            Zurechtgerückt 5
                                                            Es gibt Hinweise, dass der Spagat zwischen Flexibilität
                                                            und Standardisierung bei Toyota gar nicht gelingt. Viel-
                                                            mehr wird in der Praxis eine Standardisierungsspirale
                                                            ausgelöst, die gerade die Flexibilität einschränkt.

                    13
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Kontroverse Debatte um Ganzheitliche Produktionssysteme (GPS)

Verhaltener Optimismus                                       Arbeitspolitisches Rollback

Um die neuen Produktionssysteme und Rationalisie-            Der Tonfall in der Debatte wird insgesamt härter. So
rungsstrategien tobt aktuell eine lebhafte und kontroverse   konstatiert Berthold Huber ein arbeitspolitisches Roll-
arbeitspolitische Debatte. Dabei versuchen gewerkschaft-     back und begreift die Signale von Arbeitgeberseite als
liche Positionen dem Ganzen – trotz Kritik an flexiblen      „klare Kampfansage“. Er verweist auf die Reduzierung
Standards als betrieblichen Vereinbarungen ohne tarifli-     der Taktzeiten auf unter eine Minute, die Dequalifizie-
che Absicherung – noch Positives abzugewinnen. Prinzi-       rungsdebatte rund um Montagearbeit, die Zunahme von
piell, so hoffen viele, böten Ganzheitliche Produktions-     Schicht- und Wochenendarbeit, die zunehmende Kündi-
systeme doch auch Belegschaften und Interessenvertre-        gung von Leistungsentgelten im Zuge der ERA-Einfüh-
tungen Ansatzpunkte für die Gestaltung besserer Arbeit.      rung usw. Er plädiert für eine High-Road-Strategie. Dies
                                                             sei letztlich aus wirtschaftlichen Gründen die bessere
Top Down überwiegt                                           Variante. Zudem gehe es um eine Qualität der Arbeit, die
                                                             an der Würde des Menschen ansetze.
Der verhaltene Gestaltungs- und Mitwirkungsoptimis-
mus scheint fraglich. Schließlich treten Ansätze Ganz-       Gehen die guten Ansätze über Bord?
heitlicher Produktionssysteme derzeit mit einem klaren
Top-Down-Ansatz auf. Eine proaktive Gestaltung wird          Von Arbeitgeberseite wird im Zusammenhang der Debat-
den Mitarbeitern nicht zugestanden. Selten wird dem          ten um Ganzheitliche Produktionssysteme und Flexib-
Betriebsrat die ihm zustehende Mitbestimmungsrolle           le Standardisierung die Mitbestimmung als hinderlich
zuerkannt. Wo er aktiv eingebunden wird, geschieht das       angegriffen. Ebenso wird die Notwendigkeit, ja sogar die
meist nicht aus einer Anerkennung von Mitbestimmungs-        prinzipielle Möglichkeit arbeitswissenschaftlich abgesi-
ansprüchen heraus. Sondern, weil manche Unternehmen          cherter Gestaltungsleitlinien vehement bestritten wird.
sehr wohl anerkennen, dass die Einbindung des Betriebs-      Im Folgenden sollen typische Schwerpunkte aus der Dis-
rats gut sei für die Schaffung von Akzeptanz und damit       kussion nochmals kurz aufgegriffen werden:
für einen nachhaltigen Erfolg des Veränderungsprozes-        • Teilautonome Gruppenarbeit
ses.                                                         • Standardisierung

GPS
                                                             • Flexible Standardisierung
                                                             • Erfahrungsförderliches Lernen

                                                                                              14
Toyota Produk tionssystem e T PS

Teilautonome Gruppenarbeit                                  Standardisierung

Ist der spezifisch deutsche Weg schädlich?                  Vernachlässigung der Standardisierung

Teile der Arbeitgeberseite nutzen die aktuelle Debat-       Es macht wenig Sinn, lediglich reflexartig abweisend auf
te um Ganzheitliche Produktionssysteme zugleich für         die Argumente für eine zunehmende Standardisierung zu
einen Angriff auf die teilautonome Gruppenarbeit. Die-      reagieren. Die Diagnose ist an vielen Stellen nicht unbe-
ser „spezifische deutsche Weg der Arbeitsorganisation“      dingt falsch – wenn auch die daraus beispielsweise von
und die Mitbestimmungsstrukturen seien Faktoren, die        Arbeitgeberseite abgeleiteten Konsequenzen naturgemäß
hauptverantwortlich für eine mangelnde Produktivität        interessengeleitet sind. Tatsächlich sind nämlich in den
an deutschen Montage- und Fertigungsstandorten seien.       letzten Jahren prozessübergreifende Standardisierungs-
Wenn teilautonome Gruppenarbeit „nicht mehr zwin-           aufgaben in den Unternehmen stark vernachlässigt wor-
gend“ einen Gestaltungsfortschritt mit sich bringe, müss-   den.
ten sich die Koordinaten verschieben.
                                                            Standardisierung neu bewerten
Inkonsequente Umsetzungen
                                                            Standardisierung an sich zu verteufeln führt nicht weiter.
Verschiedene Studien weisen allerdings darauf hin, dass     So ist der Gegensatz von Standardisierung und Inno-
das Modell der teilautonomen Gruppenarbeit nie in aus-      vation, wie er im Rahmen vieler Gruppenarbeits- und
reichendem Umfang eingeführt wurde. Die behaupteten         Produktionskonzepte aufgemacht wird, zurückzuweisen.
Schwächen sind daher gerade nicht in ihm selbst zu          Nicht jedes neue Konzept ist innovativ und das Nicht-
suchen, sondern in den Umsetzungsdefiziten.                 Vorhandensein repetitiver Arbeit ist für sich genommen
Die Konzepte wurden zudem in den innovativen Arbeits-       kein Beleg für den Innovationsgrad einer Arbeitsform.
formen der 90er Jahre mit Elementen der Lean Production     Im Zusammenhang mit der Humanisierungsdiskussion
verbunden, ohne auf eine „ausreichende systematische        werden Standards und Routinen für sich als „in jedem
Verbindung der einzelnen Elemente“ zu achten. Hierin        Fall kreativitätsschädigend“ begriffen. In Zeiten des fle-
sehen viele Autoren den Grund für die nicht zufrieden       xiblen Kapitalismus und der damit einhergehenden Vor-
stellende Umsetzung und Wirksamkeit der eingeleiteten       herrschaft des Flexibilitätsprinzips muss Standardisierung
Maßnahmen.                                                  aber neu bewertet werden. So zumindest lauten aktuellen
                                                            Diagnosen und Argumente auf die Gewerkschaften und
                                                            Betriebsräte eine Antwort finden müssen.

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Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Flexible Standardisierung

Balance von Flexibilität und Standardisierung                 Standardisierung und Mitarbeiterbeteiligung

Schaut man in die betriebliche Realität, scheint nicht der    Standardisierung kann Sinn machen – erst recht, wenn sie
flexible Kapitalismus zu einem Zuviel an Flexibilität in      sich bewusst absetzt von einer starren Standardisierung
den Produktionsabläufen geführt zu haben. Stattdessen         im Sinne des Taylorismus und wenn sie zustande kommt
findet sich viel Standardisierung auf dem Papier (oder        unter Mitwirkung erfahrener Beschäftigter. Flexibel aber
Bildschirm), oft aber zu wenig sinnvolle Standardisie-        ist und bleibt sie nur,
rung in den realen Abläufen.                                  • wenn sie das Elastizitätspotenzial von Erfahrung in
Standardisierung kann in einer komplexen, anspruchsvol-            diesen Prozessen anerkennt und berücksichtigt
len und hoch arbeitsteiligen Produktion nicht verschwin-      • und wenn sie Standards entwickelt, die eine weitere
den. Das Versäumnis ausreichender Standardisierung                 Genese und Nutzung von Erfahrung ermöglichen
verantworten nicht moderne Formen der Arbeitsorgani-               statt verhindern.
sation, sondern die Führungsstrukturen selbst, die es im
Zuge der Einführung von Lean Production und Gruppen-
arbeit in den 80er und vor allem 90er Jahren versäumt
haben, ihre neuen Aufgaben zu definieren und anzuneh-
men.

                                                             Kompetenz für Flexibilität

                                                                                                         Fortschritt

                           Standardisierung

                                                                                     GPS
                                 der Arbeit

                                                                            Ganzheitliches Produktionssystem

                                                                                               16
Toyota Produk tionssystem e T PS

Mit Erfahrung zur Ganzheitlichkeit

Erfahrung ist der Schlüssel                                  Erfahrung als Gestaltungsprinzip

Gerade in der Serienmontage ist die Erfahrung der            Bei der Gestaltung von Produktionssystemen ist es das
Beschäftigten das wirkliche Erfolgsmodell: Ob beim Neu-      A und O, die Erfahrung der Beschäftigten von Anfang
anlauf oder beim frühzeitigen Bemerken sich anbahnen-        an aktiv mit einzubeziehen. Bei der Frage wie Erfahrung
der Störungen, ob bei der Optimierung der Prozesse oder      entsteht und gefördert wird, lohnt eine Orientierung an
beim ständigen Vereinen der Widersprüche von Kosten          Prinzipien für ein erfahrungsgeleitetes Lernen:
und Qualität: Bei komplexen Produkten und verkürzten         • Nur im direkten Umgang mit Anlage/Maschine und
Taktzeiten geht all das nur mit erfahrenen Montagemit-            Produkt lernt sich der „Dialog“ mit den Dingen.
arbeitern. Das zeigen aktuelle Untersuchungen bei deut-      • Intuition und Gespür entwickeln sich nur durch eige-
schen Automobilzulieferern: Produktionssysteme werden             nes Erleben.
nur ganzheitlich durch die Erfahrung der Beschäftigten.      • Erfahrungsgeleitet handelt nur, wer eine Beziehung
Die Beschäftigten sind es, die mit ihrer Erfahrung die            zur Anlage/ Maschine und zum Produkt entwickeln
Balance zwischen Flexibilisierung und Standardisierung            konnte.
in der alltäglichen Arbeit immer wieder aufs Neue her-       Um in diesem Sinn Erfahrung zu machen, braucht es
stellen. Erfahrung entsteht im Tun, indem man Erfahrung      auch Zeit und Freiraum – Produktionssysteme, die beides
macht – sie ist nicht zu verordnen. Ein typisches Beispiel   momentan zum Auslaufmodell erklären, vernichten damit
aus der Praxis ist der Appell an die Beschäftigten, nicht    ihre wichtigste Flexibilitätsressource: Die Erfahrung der
nur auf die Produktqualität der eigenen Arbeitsstation zu    Beschäftigten. Erfahrung kann nicht Top-down entste-
achten, sondern den gesamten Prozess im Blick zu haben.      hen, sie kann nur in partizipativen Prozessen eingebracht
Wer das soll, muss aber auch mehr erlebt haben als nur       werden. Produktionssysteme – sollen sie ganzheitlich und
die eigene Arbeitsstation. Er muss den Gesamtprozess         flexibel sein – müssen so gestaltet sein, dass die Erfah-
sinnlich erfahren haben, muss ihn erlebt haben.              rung der Beschäftigten zum Tragen kommt: jedes Inst-
                                                             rument, jedes Werkzeug eines Produktionssystems kann
                                                             erfahrungsförderlich oder erfahrungshinderlich gestaltet
                                                             werden. Beurteilen können das nur die Beschäftigten an
                                                             der Linie – sie sind die wahren Experten.

                     17
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

Auto 5000 – eine echte Alternative?

Toyota ist nicht allein                                      Eine deutsche Antwort?

In der allgemein vorherrschenden Festlegung auf das          In jüngster Zeit aber gibt es ein arbeitspolitisches Modell,
Toyota-Produktionssystem als das einzig wahre Erfolgs-       das sich selbstbewusst als deutsche Antwort auf Toyota
modell geraten andere Ansätze meist aus dem Blick.           präsentiert: Die Auto 5000 GmbH. Im Jahr 2001 als eine
So erwies sich der französische Peugot-Konzern als der       Gesellschaft der Volkswagen AG gegründet, produziert
erfolgreichste europäische Hersteller – und das ohne         sie seit November 2002 den Touran. Für November 2007
formalisiertes Produktionssystem, ohne Forcierung von        war die Erweiterung auf den neuen VW Tiguan geplant.
Standardisierung und unter Beibehaltung der Orien-           Auto 5000 ging aus dem Projekt „5000 x 5000“ hervor,
tierung an traditionellen Produktionsweisen im Unter-        das zum Ziel hatte, 5.000 neue Arbeitsplätze mit einem
nehmen. Allerdings wurden Maßnahmen wie Just-in-             Bruttoentgelt von 5.000 DM zu schaffen. Auf die schließ-
Time, so genannte Partieassistenten, Gruppenentlohnung,      lich rund 3.600 Arbeitsplätze bewarben sich 48.000 Men-
Selbstkontrolle u.Ä. bereits seit Mitte der 80er Jahre bei   schen. Gesucht wurden zunächst bewusst „Talente für
Peugeot eingeführt.                                          den Automobilbau“ ohne expliziten Bezug auf formal
Also bewegte sich auch Peugeot nicht völlig jenseits der     einschlägige Qualifikationen.
üblichen Reorganisationsstrategien der Lean Production.
Und 2005 ging Peugot das Joint Venture TPCA (Toyota          Hohe Fachqualifikation
Peugeot Citroën Automobile) mit Toyota am tschechi-
schen Standort Kolin ein. Toyota zeichnet hier für das       Zwei Drittel der Eingestellten waren vorher arbeitslos,
Produktionsmanagement verantwortlich.                        allerdings gelang die Integration von Langzeitarbeitslo-
Als Hoffnung machende Alternative erschien aber              sen, Älteren über 50, Personen mit gesundheitlichen Ein-
zunächst vor allem der „Volvoismus“. Vielversprechend        schränkungen, gering Qualifizierten und Frauen kaum.
gestartet und noch Anfang der 90er Jahre als menschen-       So sind nur 5% der Beschäftigten auf Prozessteamebene
gerechtes Gegenbeispiel zu Toyota angesehen, ist es heute    ohne Facharbeiterabschluss und nur 7% sind weiblich.
um ihn still geworden. In zwei Volvo-Werken wurde in         Auto 5000 versteht sich ähnlich wie Toyota als ein ganz-
den 80er Jahren die Fließmontage völlig aufgegeben.          heitlicher Ansatz der Geschäftstätigkeit mit dem Ziel,
Stattdessen montierten weitgehend autonom handelnde          Optimierungspotenziale in Bezug auf Kosten, Qualität
Teams in einzeln stehenden Boxen fast komplette Autos.       und Lieferzeit freizusetzen. Zwei Prinzipien sollen dabei
Allerdings wurden auch in diesen Werken ab 1990 Ele-         vorherrschen: die größere Nähe zwischen produktionsbe-
mente der Lean Production eingeführt. 1992 folgte das        zogenen Dienstleistungen und den direkten wertschöp-
Kaizen-Modell und 1993 wurde der Ansatz, der damals          fenden Bereichen sowie eine prozessorientierte Aufga-
schon längst nicht mehr „toyotafrei“ war, beendet.           bentrennung. Im Vergleich zum TPS sind vor allem die
                                                             innerorganisatorischen Prinzipien interessant.
                                                             Zentrale Elemente der Fabrikorganisation sind hier

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Toyota Produk tionssystem e T PS

•   eine erweiterte, prozessbestimmte Teamarbeit,              gaben gelingt auch hier nur indirekt über Job-Rotation,
•   ein erweitertes Funktionsprofil der ersten Führungs-       nicht über eine Ausweitung der Aufgaben selbst. Inwie-
    ebene (der Betriebsingenieure),                            weit der weiterhin hohe Anteil an restriktiver Arbeit mit
• flache Hierarchien, eine prozessorientierte dezentrale       dem durchweg hohen Qualifikationsniveau der Beschäf-
    Betriebsorganisation mit Lernfabriken,                     tigten vereinbar ist und ob er nicht - wie in anderen Mon-
• eine prozessbasierte Kennzahlensteuerung und                 tagebereichen – zu Unterforderung und Demotivation
• die beschäftigtenbasierte Prozessoptimierung über            führt, ist noch nicht abschließend untersucht.
    das PDCA-Konzept.                                          Insgesamt gibt es bislang bei Auto 5000 wenig Einblick
PDCA steht für „Plan, Do, Check, Act“ und ist eine Vor-        in mögliche Widersprüche oder Schwierigkeiten inner-
gehensweise, die insbesondere im Qualitätsmanagement           halb des Produktionsmodells bzw. in Unterschiede zu
und in Prozessen kontinuierlicher Verbesserung ange-           den Toyota-Methoden, was die alltägliche Anwendung
wandt wird. Sie ist integraler Bestandteil des japanischen     betrifft.
Kaizen-Prozesses
                                                               Beschäftigtengetragene Prozessoptimierung?
Flache Hierarchien
                                                               Der Schwerpunkt auf eine „beschäftigtengetragene Pro-
Hervorzuheben sind die wirklich flachen Betriebshierar-        zessoptimierung“ beispielsweise bricht offenbar tatsäch-
chien mit nur noch drei Ebenen: Zwischen der Geschäfts-        lich mit den im Toyota-System sich mehr und mehr
führung und den Prozessteams auf Produktionsebene              durchsetzenden Top-Down-Vorgaben im Kaizen-Prozess.
befindet sich nur noch die Ebene der so genannten              Allerdings wird nicht ausdrücklich beschrieben, wo die
Betriebsingenieure, die als Meister mit erweitertem Profil     Initiative zur Verbesserung ursprünglich erzeugt wird und
verstanden werden.                                             wer die Zielvorgaben nach welchen Kriterien setzt.
Auch der Stellenwert von Qualifizierung ist hoch ange-         Die positiv bewertete und als Alternative zu Toyota ange-
setzt. Prozessorientiertes Lernen, die Institution der Lern-   führte Differenzierung in prozess- und finanzbasierte
fabrik, tarifvertraglich festgelegte wöchentliche Zeiten       Kennzahlen, wie sie im Zusammenhang mit dem Modell
für Qualifizierung sind dafür ein Beleg. Zudem wurde           „Auto 5000“ diskutiert wird, kann dagegen vernachläs-
ein Qualifizierungsmodell installiert, das in unterschied-     sigt werden. Dass Kennzahlen wie Qualität, Effektivität
lichen Phasen von der „Industrietauglichkeit“ über die         und Effizienz keine finanziellen Größen seien, überzeugt
„Automobiltauglichkeit“ bis hin zu einer IHK-Zertifizie-       nicht. Sie werden ja schließlich auch als Steuerungsgrö-
rung führt.                                                    ßen mit finanzieller Relevanz von Vorgesetztenebene aus
Allerdings finden sich auch bei Auto 5000 an den Fließ-        thematisiert und von den Beschäftigten auch als solche
bändern kurze Taktzeiten (unter zwei Minuten) und weit-        wahrgenommen.
gehend restriktive Montagearbeiten mit hohem manuel-           Für die kaufmännische Geschäftsführung von Auto 5000
lem Anteil. Eine Erhöhung der Ganzheitlichkeit der Auf-        geht es darum, die geplanten Kostenbudgets bis auf die

                     19
Toyota P rodu k tionssysteme TPS

einzelnen Prozessteamebenen herunterzubrechen. Die           tems handelt oder lediglich um überwindbare Startprob-
Visualisierung des Erfolgsquadrats „Motivation – Kosten      leme bei der Einführung.
- Qualität – Stückzahl“ kann vom Mitarbeiter im Intranet     Auto 5000 erscheint zunächst tatsächlich als ein eigen-
jederzeit abgerufen werden. Der monatliche Soll-Ist-         ständiger Ansatz mit erheblichem Innovationspotenzial
Abgleich ist zudem ausschlaggebend für die Höhe des          bei gleichzeitigem betriebswirtschaftlichem Erfolg. Der
persönlichen Leistungsbonus.                                 positiven Stimmen finden sich viele: So bewertet der
Die interne „Vermarktlichung“ oder schlicht die materi-      technische Geschäftsführer der Auto 5000 GmbH den
elle Bilanz spielt bei Auto 5000 also durchaus eine Rolle.   Ansatz als Konzept mit Beispielcharakter und als Ant-
Sie greift zunächst weniger stark, weil bei Auto 5000        wort auf Toyota. Der Arbeitsdirektor des Unternehmens
eine spezifische arbeitsorganisatorische und arbeitspoli-    betrachtet Auto 5000 als das Beste aus den drei Welten
tische Sondersituation vorliegt. Wie lange „Kooperation“     des Automobilbaus. Er meint mit den drei Welten Toyota,
und „Solidarbewusstsein“ gegen die Dominanz der Zahl         die Lean Production und High Performance Work Place
durchzuhalten sind, bleibt abzuwarten.                       (HPWP). In den USA konnte man bereits Anfang der 90er
                                                             Jahre ein Drittel der Unternehmen HPWP zurechnen.
Und die Humanisierungskriterien?
                                                             Ist Auto 5000 etwas Besonderes?
Es gibt inzwischen Stimmen, die ein Zurückweichen von
Humanisierungskriterien kritisieren. Zum Beispiel werde      Berthold Huber entdeckt Referenzpunkte für eine High-
soziale Nachhaltigkeit nicht ausreichend problematisiert     Road-Strategie. Lösen mit Auto 5000 als Vorreiter für
etwa im Sinne von: Kann die Arbeit bis zum Rentenalter       arbeitspolitische Innovationen nun „hybride Produktions-
durchgehalten werden? Andere berichten von einer über-       konzepte“ die ehemaligen „neuen Produktionskonzepte“
bordenden Informationsflut. Besonders dann, wen diese        ab? Auto 5000 wird durchaus als etwas ganz Besonderes
zu verpflichtender Nacharbeit führt, komme es zu Unmut       gesehen, aber nicht als einzigartig. Zu Toyota werden
und Motivationsverlust der Mitarbeiter.                      Ähnlichkeiten bezüglich der Gestaltung von Qualifizie-
Häufig sei unklar, ob Nacharbeit bei Qualitätsmängeln        rungs- und Verbesserungsprozessen gesehen. Dagegen
entgeltlich oder unentgeltlich sei. Das mache Probleme       ist die Selbstregulierung der Teams bei Auto 5000 stärker
und binde die Ressourcen des Managements und vor             ausgeprägt und es finden sich starke Unterschiede bei der
allem des Betriebsrats.                                      Ausgestaltung der Personal- und Entgeltsysteme.
Für solche Probleme wurden inzwischen aber Gegen-
maßnahmen entwickelt, wie zum Beispiel mehr Papier-          Auto 5000 für ganz VW?
information statt Information über das Intranet oder eine
Betriebsvereinbarung zur Systematisierung des Schuld-        Toyota mag nicht die japanische Automobilindustrie sein.
klärungsverfahrens. Es ist nicht abschließend diskutiert,    Auto 5000 aber ist auch nicht mit VW gleichzusetzen.
ob es sich um spezifische Mängel des Produktionssys-         VW lernt vielmehr noch viel von Auto 5000. Auto 5000

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