UNTER DRUCK Zivilgesellschaft - am Beispiel von - Schule ohne Rassismus
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Zivilgesellschaft UNTER DRUCK am Beispiel von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage Netzwerkarbeit zwischen (konstruktiver) Kritik und offenen Angriffen Prof. Dr. Dierk Borstel unter Mitarbeit von Jennifer Brückmann Fachhochschule Dortmund
Impressum © 2021 Aktion Courage e. V. Herausgeberin: Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage Bundeskoordination Bildnachweise: Seite 15: picture alliance / Reinhold Tscherwitschke / CHROMORANGE Seite 21: picture alliance / dpa / Google Handout Seite 30: picture alliance / imageBROKER Hartmut Schmidt Gestaltung: werbeproduktion bucher Druck: Druckerei Mainz Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage ist Mitglied im Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autor*innen die Verantwortung. 2
Zivilgesellschaft UNTER DRUCK Netzwerkarbeit zwischen (konstruktiver) Kritik und offenen Angriffen Prof. Dr. Dierk Borstel unter Mitarbeit von Jennifer Brückmann Fachhochschule Dortmund 3
Inhaltsverzeichnis 1 Zur Bedeutung der Zivilgesellschaft und Typologien von Kritik und Angriffen................... Seite 6 2 Druckfelder von rechts .............................................................. Seite 13 3 Druckfelder von links.................................................................Seite 24 4 Druckfeld: wissenschaftliche Kritik ...................................... Seite 26 5 Druckfeld: sonstige Angriffe ................................................. Seite 29 6 Zusammenfassung ...............................................Seite 31 7 Konstruktiver Umgang mit den Angriffen ................................................ Seite 32 Ausblick und Danksagung................................. Seite 35 Literaturverzeichnis.............................................. Seite 36 Quellenverzeichnis............................................... Seite 38 4
Einleitung Seit einem Vierteljahrhundert gibt es die Initiative In Deutschland ist die Lage (noch) eine andere. Das Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage des Ehrenamt ist weiterhin hochgeschätzt. Bundes- und Vereins Aktion Courage mit Sitz in Berlin. Mehr als Landesprogramme versprechen die Förderung zivil- 3.500 Schulen im gesamten Bundesgebiet tragen gesellschaftlichen Engagements – allerdings nach am Eingang das Schild der Initiative, verpflichten zum Teil engen staatlichen Kriterien, die eigentlich sich zu mindestens einer passenden Aktion im Jahr der Idee einer freien, nicht-staatlichen Zivilgesell- und sorgen so dafür, dass die Auseinandersetzung schaft entgegenzustehen scheinen (vgl. Borstel/ mit Fragen von Rassismus, Ausgrenzung und Viel- Greschner 2020). falt in den Schulen zur Regel und Selbstverständ- lichkeit wird. Trotzdem verändern sich auch hier Diskurswelten und zivilgesellschaftliche Träger geraten in teils öf- Das Schulnetz wird ergänzt um 16 Landeskoordina- fentliche, teils verdeckte Druckfelder, werden teil- tionen, 104 Regionalkoordinationen, eine Bun- weise demokratiekonform kritisiert, in Teilen aber deskoordination und einer dreistelligen Zahl von auch schlicht verächtlich gemacht und es wird die Netzwerkpartner*innen aus Politik, Verwaltung, Einstellung ihres Engagements gefordert. Sie gerät Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Aus somit auch hier unter Druck und muss sich dieser gutem Grund bezeichnet eine Jubiläumsbroschüre Herausforderung mit großem Zeitaufwand stellen – des Trägervereins seine Geschichte als „Beitrag neben ihren eigentlichen Zielen und Aufgaben. von Schüler*innen zur Demokratieentwicklung in Deutschland“ und dokumentiert vielfältige Glück- Diese Broschüre will diese Druckfelder am Beispiel wünsche ans Netzwerk. des Leitprojektes Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage von Aktion Courage näher beschreiben Bekanntlich sorgt viel Ehr auch für viel Neid. Um und analysieren. Dazu wird mit Beispielen gearbei- den soll es in dieser Studie jedoch nur am Rande tet, es werden ausgewählte Akteure und Strategien gehen. genannt und diese Druckfelder anhand von Katego- rien sortiert. Dies dient einerseits dazu, das grund- Besorgniserregender sind offene und verdeckte legende Problemfeld mit empirischen Hinweisen Formen von Angriffen und Kritiken auf dieses auszuleuchten. Es soll andererseits auch zielgenaue Netzwerk und auf Aktion Courage als Trägerver- Antworten der Zivilgesellschaft ermöglichen. Über ein. Der Blick über den nationalen Tellerrand verrät allen schwebt der Fragekanon: Wie gestaltet sich mahnend: Wie selten zuvor steht die demokratische das Druckfeld? Was davon ist demokratiekompa- Zivilgesellschaft auch in (bisherigen) Rechtsstaaten tibel und was nicht? Wie kann den Druckfeldern unter Druck (vgl. z. B. 2018, Gessen 2020). Selbst konstruktiv begegnet werden? Regierungschefs innerhalb der Europäischen Union scheuen sich nicht mehr vor der populistischen Entsprechend ist der Beitrag gegliedert. Er beginnt Verächtlichmachung demokratischen Engagements mit einer theoretischen Grundlegung, analysiert und Parlamente beschließen kriminalisierende dann ausgesuchte Druckfelder und endet mit der Gesetze gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteuren Suche nach konstruktiven Antworten. (vgl. u. a. Vetter 2017). 5
1 Zur Bedeutung der Zivilgesellschaft und Typologien von Kritik Alternativen zum staatlichen Handeln und erfüllen auch oft eine Laborfunktion für Zukunftsthemen. > Sie sind ein Lernort für demokratisches Handeln und Leben. und Angriffen Während eine autoritäre Herrschaft wahlweise auf Dieses Kapitel dient einer Grundlegung der eigenen der Idee unterwürfiger Untertanen oder abgelenk- Untersuchung. Vier Aspekte stehen in den folgen- ter Konsument*innen fußt, die mit dem Marktange- den Abschnitten im Mittelpunkt: bot zufriedengestellt sich politischer Einmischung entziehen, entwirft die Zivilgesellschaft ein Bild > die Bedeutung der Zivilgesellschaft für das „mündiger“ oder „kompetenter“ Bürger*innen, die demokratische System und die Begründung der sich selbstbewusst und politisch einbringen und Angriffe auf sie bereit sind, staatliches Handeln und damit auch > eine Typologisierung der Grundbegriffe Kritik und Herrschaft zu hinterfragen (vgl. Münkler 1997, Lim- Angriff, deren Gemeinsamkeiten und Differenzen bach 2003: 23ff). > einige Besonderheiten des untersuchten Netzwerkes Für autoritäre Herrscher kommt dieses Bild des > das methodische Vorgehen Bürgertums einer offenen Bedrohung gleich. Auch zeigt die Geschichte der Idee der Zivilgesellschaft 1.1. Zivilgesellschaft, Demokratie beispielsweise in der osteuropäischen Dissi- und autoritäre Herrschaft dent*innenszene die Langatmigkeit eines solchen Handelns als quasi ewiger Stachel im Wissen und Die Zivilgesell- Ein stabiles demokratisches Staatssystem be- Gewissen autoritärer Herrschaft. Es überrascht schaft entwirft steht aus drei Systemelementen, die sich einander daher nicht, dass sich das Interesse entsprechender ein Bild „mün- unterstützen und ergänzen. Natürlich braucht es Herrschaftssysteme meist schon zu ihrem Beginn diger“ oder ein demokratisches und rechtstaatlich fundiertes neben der Gleichschaltung der Presse auf eine „kompetenter“ Grundsystem zum Beispiel durch die Existenz von möglichst breit gefächerte Ausschaltung der kriti- Bürger*innen, Parlamenten, klaren Wahlverfahren und durch die schen, das heißt zumeist auf staatliches Handeln die sich selbst- Teilung der Gewalten. Stabilität erlangt es jedoch bezogenen, zivilgesellschaftlichen Organisationen bewusst einbrin- nur, wenn es auch mit „Leben“ im System gefüllt und Netzwerke richtet (vgl. das Beispiel Ungarn: gen und bereit wird. Dazu braucht es Bürger*innen, die demokrati- Müller 2013). sind, staatliches sche Werte teilen und im Alltag zu leben verstehen. Handeln und Es braucht aber auch demokratisches Engagement NEGATIVES FRAMING Herrschaft zu in verschiedenen, demokratischen Organisationen hinterfragen. (vgl. Himmelmann 2002). Ein typisches Mittel der Wahl ist dabei – neben den offenen Verboten – ein negatives Framing. Damit Unter dem Begriff der Zivilgesellschaft wird vor ist eine Diskursstrategie gemeint, die an dieser allem solches Engagement in nichtstaatlichen Or- Stelle einen bestimmten Akteur durch wiederholte, ganisationen und Netzwerken verstanden. Typische öffentliche Kontextualisierung mit bestimmten Ei- Formen sind zum Beispiel eingetragene Vereine, genschaften kennzeichnet und damit seinen öffent- Bürgerinitiativen, gemeinnützige Stiftungen und lichen „Ruf“ bestimmt (vgl. Oswald 2019). Framing Gesellschaften sowie soziale Bewegungen (vgl. kann dabei positive wie negative Zuschreibungen Schmidt 2007). Sie übernehmen im demokrati- enthalten, sich mehr oder weniger an Fakten orien- schen System eine Vielzahl von Aufgaben. Zu ihnen tieren oder auf Lügen beruhen. Ihr Adressat ist gehören: die öffentliche Meinung. Negative Zuschreibungen beispielsweise als vermeintliche „kriminelle Vereini- > Sie dienen der sozialen und kulturellen Integration gung“, „extremistisch“ oder „gewaltorientiert“ die- der Gesellschaft. nen dazu, dem betroffenen Akteur die öffentliche > Sie übernehmen Aufgaben für die Gesellschaft, die Unterstützung und damit den gesellschaftlichen der Staat nicht leisten kann oder will. Rückhalt für sein Handeln zu entziehen. Sie gehen > Sie kritisieren staatliches Handeln, entwickeln in autoritären Systemen oft der Kriminalisierung 6
und später folgenden Verboten voraus – schaffen – für regionale Räume vor (vgl. Theune/Borstel de facto den nötigen, gesellschaftlichen Rückhalt 2008, Borstel 2011, Schellenberg 2013, Quent/ und damit die Voraussetzungen für entsprechende Schulz 2015). Aktuellere, theoriegeleitete Hinweise Handlungen. Solche Angriffe auf Träger der demo- zum Phänomen liefern Heitmeyer/Freiheit (2020) kratischen Zivilgesellschaft starten dabei nicht erst und begründen diese vor allem mit Statistiken zu mit der Machtübernahme entsprechender Systeme. Straftaten, können so jedoch nur das Hell- und Das „Abarbeiten am Feind“ ist vielmehr ein We- nicht das Dunkelfeld lokaler und regionaler Interak- sensmerkmal unterschiedlicher Ausformungen von tionen abdecken. Abnehmende Spielräume für zi- Radikalisierungen unterschiedlichen Inhalts. vilgesellschaftliches Handeln würden dabei zu einer deutlichen Abnahme der demokratiefördernden SHRINKING SPACES Wirkungen der Zivilgesellschaft beitragen (vgl. Graf Strachwitz 2014) und auch das konkrete Handeln In der Forschung zum deutschen Rechtsextremis- in örtlichen Netzwerken erheblich erschweren (vgl. mus und -populismus wird zunehmend mit dem Be- Heitmeyer 2013). Diese Studie versucht somit auch griff der „shrinking spaces“ operiert (beispielhaft: für diesen Theoriediskurs erste empirische Fundie- Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit 1/2019). rungen zu liefern. Dieser stammt ursprünglich aus der Entwick- lungshilfe und beschreibt Prozesse abnehmender 1.2. Typologien von Kritik und Angriffen Handlungsfähigkeit und die Begrenzung von Hand- lungsräumen für zivilgesellschaftliches Handeln In dieser Studie soll von Kritik, Framing und Angrif- beispielsweise durch Kriege oder auch staatliche fen gesprochen werden. Was ist damit aber konkret Wandlungen in Richtung autoritärer Herrschaften gemeint? Wie lassen sie sich typologisieren und oder Diktaturen. Grundlegende empirische Unter- welche Kategorien zur Einordnung gibt es? suchungen zu dieser Entwicklung stehen aber noch aus. Es lassen sich zwei äußere Enden in der theoreti- schen Einordnung markieren. Die Spannweite reicht Fallgeschichten liegen unter anderem von ehren- von Kritik über Negativ-Framing bis zu strafrecht- amtlichen Bürgermeister*innen (vgl. Nierth/Streich lich relevanten Handlungen. 2016, Neubauer 2019) sowie – jedoch älterer Natur STRAFRECHT NEGATIVES FRAMING KRITIK 7
Wer sich an öffentlichen Diskursen beteiligt, öffent- umfassen aber auch Erscheinungen, die sich vor- lich auftritt und öffentlich finanziert wird, darf im rangig gegen Personen richten, wie zum Beispiel Rahmen eines demokratischen Diskurses pointiert Beleidigungen (§ 185 StGb), Formen übler Nachrede kritisiert werden. Dazu gehört auch grundsätzliche (§ 186StGb) oder verschiedene Abstufungen von Kritik beispielsweise an dem methodischen Ansatz, Bedrohungen (§ 241 StGb). Zumeist bezieht sich das den verwendeten, theoretischen Konzepten oder Strafgesetzbuch auf einzelne Menschen und ist nur den realen Ausführungen in der Praxis. Solche Kriti- in Teilen auf Organisationen als Ganzes anwendbar. ken dürfen grundsätzlicher Natur sein. Die grund- gesetzlich verankerte Meinungsfreiheit gilt auch für Zwischen den beiden Polen wird es in dieser Studie Kritik an zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie insbesondere um Angriffe auf das Netzwerk und deckt auch satirische und humorvolle Formen der Netzwerkpartner*innen gehen, die (noch) nicht Konfrontation, darf robust, pointiert und ironisch strafrechtlich relevant sind, aber auch nicht auf sein. Dies ist der eine Pol des hier verwendeten einen demokratischen Diskurs zielen, sondern vor Spektrums. allem der strategischen Verächtlichmachung von Träger, Organisation, Netzwerk und Idee dienen In diesem konkreten Fall, mit Blick auf Schule und das Ziel verfolgen, mit bestimmten Kontextua- ohne Rassismus – Schule mit Courage, ist jedoch zu lisierungen die Arbeit des Netzwerkes mindestens bedenken, dass sich das Netzwerk nicht primär zu erschweren und am besten zu verunmöglichen. als politischer Akteur begreift, der von sich aus Dazu gehört auch die schlichte Beschäftigung aktiv politische Stellungnahmen oder tagesaktu- entsprechender Akteure und dadurch bedingte elle politische Forderungen vornähme. Anders als Bindung von Ressourcen und Kapazitäten in der zivilgesellschaftliche Akteure wie zum Beispiel die Dauerabwehr diskursiver Angriffe. Amadeu Antonio Stiftung, die diesbezüglich deut- lich offensiver agieren. Eine solche Selbstpositio- Das übliche Mittel der Wahl ist dabei ein Framing in nierung schützt nicht vor Kritik, macht aber einen Bezug auf den Träger und das Netzwerk, was dazu Unterschied im Detail, da sich das Netzwerk nur in dient, geschäftsschädigende Gerüchte zu streuen Ausnahmefällen zu tagespolitischen Fragen äußert und Geldgeber*innen und Partner*innen zu ver- und diesbezüglich auch nicht Teil des allgemeinen unsichern. Ein beliebtes Mittel ist die Umkehrung Diskurses zu entsprechenden Fragen ist. von Zuweisungen zum Beispiel als „ausgrenzend“, „gewalttätig“ oder „extremistisch“. Der entgegengesetzte Pol zur Kritik setzt sich aus strafrechtlich relevanten Positionen und Handlun- In dieser Studie werden diese drei Grundtypen ver- gen zusammen. Sie können sich gegen materielle wendet: Dinge richten (Sachbeschädigungen / § 303StGb), KRITIK FRAMING STRAFRECHT Ziel: Ziel: Ziel: Diskurs Verächtlichmachung Unterdrückung Mittel: Negative Strafrechtlich Diskussion Kontextualisierung relevante Tätigkeiten 8
Einige Beispiele sollen diese Differenzierung ver- Diese Studie will dabei helfen, solche Auseinander- deutlichen: setzungen zu sortieren, weil Kritik und Angriffe völlig unterschiedliche Antworten verdienen. Kritik Beispielaussage 1: „Das Netzwerk arbeitet mit kann sachlich angenommen oder auch zurück- einem veralteten Bild vom Rassismus, weil es gewiesen werden. Sie öffnet im besten Fall einen aktuelle Forschungen und Weiterentwicklungen zu fachlichen Diskurs. Bei Angriffen ist das anders: Sie wenig berücksichtigt.“ dienen alleine der Blockade und Zerstörung des Engagements und nicht der Qualitätsentwicklung. Eine solche Aussage wäre eine fachliche Kritik, die Kritik und Angriffe verfolgen somit völlig unter- richtig oder falsch sein, bestätigt oder zurückge- schiedliche Ziele. wiesen werden. Sie ist auf jeden Fall zulässig. Für alle drei Kategorien gilt in der Praxis, dass nicht Angriffe die- Beispielaussage 2: „Das Netzwerk unterstützt immer ganz klar herauskristallisiert werden kann, nen alleine der offensiv gewalttätige Organisationen und verleitet ob sich die Kritik, das Framing oder auch Straftaten Blockade und junge Menschen dazu, sich dschihadistischen Grup- gegen das Netzwerk oder einzelne Akteure inner- Zerstörung des pierungen anzuschließen.“ halb des Netzwerkes richten. Wichtig ist zudem, Engagements dass bei der Größe des Netzwerkes unterschiedli- und nicht der Eine solche haltlose Aussage würde dem negativen che Sichtweisen innerhalb des Netzwerkes wahr- Qualitätsent- Framing dienen. Das Netzwerk soll ohne Belege scheinlich sind. Was dem einen bereits Alltag ist, an wicklung. Kritik und Anhaltspunkte als „gewalttätig“ und „extre- dem er oder sie sich gewöhnt hat, kann von jemand und Angriffe mistisch“ gekennzeichnet werden. anderem völlig anders bewertet werden. Wahr- verfolgen somit scheinlich sind auch unterschiedliche Sichtweisen völlig unter- Beispielaussage 3: „Die Mitarbeiter des Netzwer- je nach Organisationseinheit: Die Bundeskoordina- schiedliche kes gehören standesrechtlich erschossen.“ tion beschäftigt sich möglicherweise mit überge- Ziele. ordneten Themen mehr als regionale Einheiten, die Das wäre ein Beispiel für eine strafrechtlich rele- den jeweils konkreten Kontext betrachten müssen. vante Aussage. Als Richtlinie wurde deshalb bestimmt, dass ein Wichtig und bedeutend für diese Studie ist, dass Bezug zum Netzwerk immer gegeben sein muss. So an keiner Stelle von einer Gleichsetzung der drei ist ein angezündeter Mülleimer auf dem Schulhof Bereiche gesprochen werden kann – im Gegen- einer Courage-Schule in der Regel kein Angriff auf teil. Sie dient der Differenzierung unterschiedlicher das Netzwerk. Wird hingegen die Fahne mit dem Auseinandersetzungen und schafft somit einerseits Logo des Netzwerkes verbrannt, ist selten von Übersicht und andererseits erleichtert sie (hoffent- einem Zufall auszugehen. Trotzdem muss in jedem lich) das konkrete Handeln. Einzelfall der individuelle Kontext betrachtet und bewertet werden. Ist dies nicht möglich, wird es in Inhaltliche Kritik am Netzwerk, Ansatz oder der der Studie gekennzeichnet. konkreten Praxis eines solchen Netzwerkes kann für die beteiligten Personen durchaus unangenehm POLITISCH VERSUS RELIGIÖS und auch schmerzhaft sein. Sie kann sich auch „wie ein Angriff anfühlen“, ohne einer zu sein. In Neben Kritik, Framing und strafrechtlich relevante solchen, zivilgesellschaftlichen Netzwerken inves- Tat/Äußerung gehört auch die Unterscheidung, tieren tausende Menschen viel Energie, Arbeit und ob die Handlungen politisch und/oder religiös Freizeit und identifizieren sich oft mit diesem Tun. motiviert sind, zur nötigen Differenzierung. Vor Nicht immer gelingt es dann, zwischen einem „An- allem bei den Angriffen auf das Netzwerk werden griff“ und einer „Kritik“ sachlich und ohne Emotio- Begriffe wie Rechtsextremismus, Rechtspopulis- nen zu unterscheiden – vor allem dann nicht, wenn mus oder auch Druckfelder von links verwendet. die Kritik „scharf“ und/oder polemisch zuspitzend Da die Auseinandersetzungen um diese Begriffe an formuliert ist. anderer Stelle ausführlich erfolgt, sollen hier nur die eigenen Bezüge kurz skizziert werden: Die Extremismustheorie von Backes/Jesse (Backes/ 9
Jesse 1993) findet in dieser Studie keine Anwen- überzeugte Rechtsextremist*innen. Derweil wird dung und wird an anderer Stelle ausführlich und auch dieses Verständnis von „Populismus“ kriti- konstruktiv in Frage gestellt (vgl. Neugebauer siert. Es sei verharmlosend, meint unter anderem 2000 und in Bezug auf den Autor dieser Studie in: Wilhelm Heitmeyer. Es unterschätze den Willen Borstel 2011: 34ff). Sie zielt in ihrem Kern auf die dieser Parteien zur Zerstörung demokratischer Kul- Gefährdung staatlicher Strukturen und Handlungs- turen und Strukturen, gerade durch die Teilnahme, fähigkeiten durch „Extremist*innen“ am linken und Besetzung von Positionen und damit vom Inneren rechten politischen „Rand“ und ist neben vielen des Systems aus und nicht von außen gegen das anderen Kritikpunkten für eine Studie mit zivilge- System. Er bezeichnet diese Strömungen deshalb sellschaftlichem Schwerpunkt wenig geeignet. als autoritären Nationalradikalismus (Heitmeyer 2018: 231ff) und die Studie wird zeigen, dass dieser Stattdessen wird sich beim Rechtsextremismus- Aspekt überlegenswert ist. begriff auf das grundlegende Verständnis von Heit- meyer bezogen (vgl. Heitmeyer 1992: 13f). Seine Andere Begriffe werden in dieser Studie erheblich Theorie hat ihren Ursprung in sozialarbeiterischen weniger Gewicht haben und sollen deshalb nur kurz und pädagogischen Debatten und blickt vor allem mit Hinweisen auf die dazu grundlegende Literatur auf die Ideologie- und Handlungsebene der Rechts- erwähnt werden. Theoretische Konzeptionierungen extremist*innen. Zwei zentrale Aspekte müssen zum Islamismus liefern unter anderem Neumann für ihn dabei vorhanden sein, um den Begriff zu (2017), zum Dschihadismus Priester (2017) und zur verwenden: die Ideologie der Ungleichwertigkeit linken Radikalisierung und Militanz unter anderem sowie eine Akzeptanz von Gewalt zur Durchsetzung Jaschke (2001 a und b). Zu antipluralistischen Strö- politischer Ziele. mungen mit christlichen Bezügen in Deutschland gibt es erstaunlich wenig Forschungen. Einblicke Der Titel Schule Umstritten ist auch der Begriff des Rechtspopulis- mit journalistischem Blick bietet immerhin ein Band ohne Rassis- mus. Er basierte auf der Analyse einer seit den von Bednarz (2018). mus – Schule achtziger Jahren neu entwickelten, europäischen mit Courage Parteifamilie mit Schwerpunkten in Frankreich (Frü- 1.3. Aktion Courage und das Netzwerk bedeutet nicht, her Front National), Österreich (Freiheitliche Partei Schule ohne Rassismus – Schule mit dass es keinen Österreich) aber auch Ablegern in den skandina- Courage Rassismus an vischen Staaten und derweil in fast allen europäi- der Schule gebe. schen Ländern. Erste Analysen sahen in ihnen zu- Aktion Courage ist der Trägerverein der Bundes- nächst „nur“ rechtsextreme Parteien, die moderner koordination und damit des Netzwerkes Schule und volkstümlicher zu kommunizieren gelernt hät- ohne Rassismus – Schule mit Courage (SOR-SMC). ten. Andere Autor*innen, in Deutschland vor allem An dieser Stelle sollen einige seiner Grundsätze Frank Decker, dessen Begriffsverständnis in dieser aufgeführt werden, die unmittelbare Bezüge zum Studie verwendet werden soll (Decker 2004), Untersuchungszweck aufweisen. widersprachen und sahen keine alte Bewegung im neuen Gewand, sondern eine neue Bewegung mit > Die Schulen bewerben sich freiwillig um zum Teil rechtsextremen Ideologiemomenten, aber die Teilnahme und brauchen dafür per auch mit neuen Themen, Diskursstrategien und Abstimmung die Unterstützung von 70 Selbstverständnissen. Ein wesentlicher Unterschied Prozent aller Statusgruppen der Schule. Eine zum Rechtsextremismus sieht Decker darin, dass Zwangsverpflichtung gibt es nicht. diese Parteien sich selbst nicht als „Antidemokra- > Der Titel bedeutet nicht, dass es keinen ten“ bezeichnen, sondern als „wahre Demokraten“. Rassismus an der Schule gebe und dies Sie bekämpfen auch nicht offen demokratische und womöglich noch geprüft worden sei. Er rechtsstaatliche Grundlagen, sondern sehen sich signalisiert den Anspruch der Schule, sich als deren Verteidiger gegen „abgehobene Eliten“ der Thematik regelmäßig zu stellen und und andere vermeintliche Feinde des Volkes, in entsprechende Angebote zu unterbreiten. dessen Namen sie zu agieren meinen. In mehreren > Das Netzwerk ist explizit überparteilich und Ländern boten Parteien dieser Richtung auch Koali- nicht an eine bestimmte Konfession, Partei, tionen zur Regierungsbildung an – ein „No Go“ für Gewerkschaft oder ein Unternehmen gebunden. 10
Es versteht sich auch nicht als politisch „rechts“ Dies waren in der Vergangenheit einerseits christ- oder „links“ stehend, sondern ist offen für lich-fundamentalistische Gruppierungen und alle Menschen und Partner*innen, die die andererseits Organisationen des islamistischen Grundwerte des Netzwerkes teilen. Spektrums. > Normativer Ausgangspunkt jedes Handelns ist die Vorstellung der prinzipiellen Gleichwertigkeit In beiden Strömungen dient Religion zur Legiti- der Menschen im Sinne des Artikels 1 des mation politisch-autoritärer Forderungen, die auf Grundgesetzes sowie der unveräußerlichen eine Deliberalisierung der Gesellschaft und Ein- Menschenrechte. Damit verbunden ist eine schränkung grundgesetzlich garantierter Freiheiten Kritik an allen Ideologien der Ungleichwertigkeit, zielen. Beide forderten zunächst eine Rücknahme zu denen neben dem im Namen erwähnten beziehungsweise Korrektur der jeweils von ihnen Rassismus unter anderem Antisemitismus, kritisierten Publikation. Da keine weitreichenden Homosexuellenfeindlichkeit, Antiziganismus und Korrekturen vorgenommen wurden und die Publi- Sexismus gehören. kationen im Umlauf blieben, wurden anschließend > Offensiv vertritt das Netzwerk Menschenrechte Partner*innen und Unterstützernetzwerke mobili- wie die Religionsfreiheit. Es betrachtet siert, um Druck vor allem auf die Bundeskoordina- Religionen mit grundsätzlichem Respekt tion aufzubauen. Dies geschah in Form von Briefen, und Neugierde und sortiert sie nicht nach Anrufen bei Geldgebern und offenen (aber nicht „zugehörig“ oder gar „nicht zugehörig“. zu beweisenden) Drohungen gegenüber einzelnen Personen des Netzwerkes. Das Netzwerk dürfte zu den größten zivilgesell- schaftlichen Netzwerken im Feld der Demokratie- Solche Strömungen reagieren vor allem anlassbe- entwicklung zählen und genießt entsprechende zogen auf das Netzwerk, arbeiten sich aber nicht Aufmerksamkeit. dauerhaft am Netzwerk ab. Das unterscheidet diese Angriffe von jenen aus dem rechtsextremen 1.4. Frühere Druckfelder Spektrum. Hier gibt es eine nahezu ungebrochene auf das Netzwerk Kontinuität der aggressiven Auseinandersetzung. Diese Untersuchung konzentriert sich auf die An- 1.5. Methodischer Ansatz dieser griffe im Zeitraum der Jahre ab 2016. Neu sind dem Untersuchung Netzwerk solche Auseinandersetzungen jedoch nicht. Vor allem Angriffe – zum Beispiel anonyme Diese Untersuchung basiert auf einer Textanalyse Briefe, Schmierereien – mit mal beweisbaren, mal angelehnt an die Methode der qualitativen Inhalts- anhand der Umstände zu vermutenden rechten analyse nach Mayring (vgl. Mayring 1983). Folgende bis rechtsextremen Hintergründen sind auf ein Kategorien lagen der Untersuchung zugrunde: Netzwerk, das sich gegen Rassismus richtet, nicht überraschend. > Formen der Kritik > Formen des Framings Vor allem Publikationen stießen in früheren Zeiten > strafrechtliche Relevanz auch jenseits des offen rechtsextremen Spektrums > sonstige Angriffe auf aggressive Abwehr. In besonderer Weise galt > Argumentationsweisen das für Gruppierungen und politische Strömungen, > Medienstrategie die zuvor in den Publikationen kritisiert wurden. Besonders, wenn Haltungen und Werte, die das Ergänzt wurden sie durch folgende Kategorien, Netzwerk offensiv verteidigt, wie das Recht der die sich aus dem Untersuchungsmaterial ableiten eigenen sexuellen Orientierung entsprechend zu lassen: leben und zu lieben, nicht ihren religiös-politischen Normen entsprachen. > genaue Zielrichtung > Welche Ideologie der Ungleichwertigkeit steht im Mittelpunkt? > religiöser Hintergrund 11
> politischer Hintergrund – rechts > politischer Hintergrund – links Das vorliegende Datenmaterial im Umfang mehre- rer Aktenordner wurde von der Geschäftsstelle von Aktion Courage gesammelt und umfasst folgende Materialien: > Presseberichte, öffentlich zugänglich > interne Schreiben von Netzwerkpartner*innen > Reden, Anträge und weitere Beiträge aus den Landesparlamenten sowie dem Bundestag > Onlineveröffentlichungen, Videos und Hinweise in soziale Medien Hinzu kommen Gedächtnisprotokolle von zwei Gesprächen mit Vertreter*innen der Bundeskoordi- nation. Geplant war ursprünglich eine Befragung ausge- wählter Netzwerkpartner*innen des Netzwerkes in den Ländern und ausgesuchten Kommunen. Diese Befragung konnte aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden. Im Fließtext werden die Quellenangaben numme- riert, in Klammern angegeben (z. B. Q01, Q02, Q03) und im Quellenverzeichnis dokumentiert, so die Quelle nicht als Ganzes im Text genannt ist. Einige dieser Quellen stehen beispielhaft für andere, wor- auf im Text verwiesen wird. Dies soll die Lesbarkeit vereinfachen. 12
Druckfelder von rechts Es erfolgt an dieser Stelle keine Dokumentation die Stelle eines inklusiven Grundgedankens tritt die Idee einer sehr eng definierten, leistungsorientier- ten Förderung und die frühe Trennung der Schü- ler*innen. Vor allem sollen wieder (mehr) Schul- 2 aller Angriffe und Kritiken, sondern eine Analyse formen unterschieden werden. Bloß das Abitur auf der Art und Weise entsprechender Angriffe und dem Gymnasium soll zum Studieren befähigen und Kritiken. Wo das Datenmaterial quantifizierbare die Zulassung an einer Hochschule ermöglichen Ergebnisse zulässt, erfolgen diese mit entsprechen- (vgl. Hafeneger u. a. 2020). Der Hauptschulab- der Kennzeichnung. schluss und der Realschulabschluss sollen allein „zu qualifizierter Berufsausbildung befähigen“. Auch 2.1. Die Partei Alternative für Förder- und Sonderschulen sollen so „als wichtiges Deutschland und Schule ohne Element einer bedarfsgerechten Bildungslandschaft Rassismus – Schule mit Courage erhalten bleiben“ (vgl.: https://www.afd.de/bil- dung-schule/). Mit dem Erstarken und den bundesweiten Wahler- folgen der AfD konnte der parteiförmige, autoritäre Auch inhaltlich wird ein „Zurück“ in frühere Zeiten Nationalradikalismus Unterstützungsstrukturen sei- gefordert, wenn es heißt: „Wir fordern die Abkehr ner Politik finanzieren, Verbündete unter anderem von geschwätziger Kompetenzorientierung und aus dem Kreis engagierter Studierender integrieren die Rückkehr zur Vermittlung des Fachwissens und jungen Kräften Anstellungen und Karriere- als zentrales Anliegen der Schule“ (vgl. hier und perspektiven anbieten. Heitmeyer arbeitet in einer nachfolgend: https://www.afd.de/bildung-schule/). seiner jüngsten Studien heraus, dass es diesen poli- Die AfD wirft der deutschen Schulpolitik vor, „die tischen Bewegungen und deren Parteien nicht um unkritische Übernahme ideologischer Vorgaben“ eine konstruktive Reform innerhalb eines liberalen bei den Schüler*innen zu fördern und setzt dem Staates und einer offenen Gesellschaft gehe, son- die Forderung entgegen: „Leitbild der schulischen dern um deren Unterdrückung und Überwindung Bildung muss der selbstständig denkende Bürger (vgl. Heitmeyer 2018). Dazu verfahren deren Träger sein“. Konkret wird die Partei dazu an dieser Stelle mehrgleisig: Sie nutzen ihre parlamentarischen nicht. Möglichkeiten zur Besetzung von Positionen inner- halb des Systems, um es von innen auszuhöhlen. Wenig überraschend lehnt sie auch jeden Islam- Sie setzen auf normative und diskursive Normali- unterricht an den Schulen ab und begründet dies tätsverschiebungen, deren bekanntester Satz wohl damit, dass „die islamischen Gemeinschaften in lautet: „Man wird doch wohl noch sagen dürfen Deutschland keine kirchenähnliche Struktur aufwei- …“. Sie setzen aber auch Repräsentant*innen und sen“ (ebenda). Träger einer offenen Gesellschaft unter Druck, be- zweifeln deren Legitimität und Professionalität (vgl. Es verwundert angesichts solcher Grundlagen nicht, ebenda). dass auch die Internationalisierung der Schuldebat- ten zurückgeführt werden soll. Vergleichsmöglich- Gängiges Mittel der Wahl ist ein offensives, negati- keiten wie die bekannten Pisa-Studien sollen nicht ves Framing mit dem Ziel der Verächtlichmachung mehr durchgeführt werden. Die Partei interpretiert durch permanentes, negatives Markieren in der solche Ziele als „Ökonomisierung und Globalisie- Öffentlichkeit. Dieser Hintergrund ist wichtig, um rung des deutschen Bildungswesens“ (ebenda), die Permanenz, Breite und den Umfang der AfD-Tä- denen sie entgegenzutreten verspricht. tigkeiten in Bezug auf das Netzwerk verstehen zu können (vgl. ebenda, S. 277ff). Im Hochschulbereich will die Partei zentrale Be- reiche des europäischen Bologna-Prozesses wieder AFD-BILDUNGSPOLITIK – EINIGE ECKPUNKTE verlassen. Dazu gehört die Reaktivierung von Diplom- und Magisterabschlüssen, aber auch die Die Bildungspolitik der AfD stellt sich gegen zahl- Beendigung des modularen Aufbaus der Studien- reiche Bildungsreformen der letzten Jahrzehnte gänge. „Deutsch“ soll dabei als „Wissenschaftsspra- und Grundsätze liberaler Schulentwicklungen. An che“ erhalten bleiben (ebenda). 13
ÜBERGEORDNETE KAMPAGNE „NEUTRALI- Trotzdem zeigten sich an einigen Schulen auch TÄT“ UND DAS AFD-MELDESYSTEM zeitweilige Unsicherheiten vieler Lehrkräfte, die zu- nächst schwer einschätzen konnte, welche Folgen In nahezu allen Auseinandersetzungen der AfD mit eine Meldung für sie vielleicht haben könnte (vgl. dem SOR-SMC-Netzwerk findet sich der Hinweis Erziehung und Wissenschaft 3/2020, S. 17-26). An auf die vermeintlich umfassende Neutralitätspflicht vielen Courage-Schulen führten Schüler*innen der Schulen (vgl. 01). Sie wird in der Regel auf den Gegendemonstrationen und Informationsveranstal- Beutelsbacher Konsens der politischen Bildung be- tungen durch. Ihr Leitmotiv lautete: „Schule ohne zogen (ebenda). Die AfD leitet es aus den Prinzipien Denunziation – Schule mit Courage“ (vgl. Q04). des Überwältigungsverbots, der Kontroversität und der Schülerorientierung ab, dass eine „einseitige“ An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass das Beschäftigung zum Beispiel mit rechtspopulisti- Meldesystem sich an alle Schulen richtete und nicht schen Parteien im Unterricht unzulässig sei (vgl. alle Meldungen das Courage-Netzwerk betrafen. ebenda). Ebenso dürfe es keine Sonderbehandlung von in demokratischen Wahlen legitimierten Partei- 2.2. Konkrete Auseinandersetzung en geben. Dies geschehe beispielsweise bei einer mit dem Courage-Netzwerk Nichteinladung einer relevanten Partei zu schuli- schen Veranstaltungen, auf denen Vertreter*innen AfD-Abgeordnete und -Fraktionen verwenden für unterschiedlicher Parteien vertreten wären. Dem ihre konkrete Auseinandersetzung mit dem Coura- SOR-SMC-Netzwerk wirft sie diesbezüglich „linke ge-Netzwerk unter anderem folgende Mittel: Indoktrination an unseren Schulen“ (Q02) vor, die zu beenden sei. > Kleine Anfragen in diversen Landtagen > Kleine Anfragen im Bundestag Aufbauend auf dieser Grundargumentation ver- > Pressemitteilungen kündete die AfD den Aufbau eines parteieigenen > Hinweise in den sozialen Medien der Partei Meldesystems, an das vermeintliche Verletzungen > Reden in Landtagen des Neutralitätsgebots von Schulen anonym gemel- > Briefe an die Bundeskoordination det werden könnten. Die AfD würde sich dann um > Briefe an Partner*innen des Netzwerkes Aufklärung und gegebenenfalls rechtliche Klärung > Briefe an teilnehmende Schulen der Geschehnisse kümmern. Um die Aktivitäten und Inhalte besser analysieren Es überraschte nicht, dass dieses Meldesystem aus zu können, wurden mehrere Kategorien gebildet. dem Kreis der Courage-Schulen kritisiert wurde. Einige Aktivitäten bedienen sich mehrerer Kate- Verurteilt wurde eine Verschiebung staatlich ge- gorien. In dieser Studie soll keine Vollständigkeit sicherter und rechtlich eindeutiger Zuständigkeiten hergestellt, sondern eine Übersicht vor allem über für schulische Beschwerden zu einer politischen die Qualität der Angriffe gegeben werden. Partei. Befürchtet wurde auch ein Klima anonymer Anklagen, Petzen und Bespitzelungen und schon Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen die Anfra- gar nicht schien eine Partei mit rechtsextremem gen der AfD-Fraktionen in den Landtagen sowie Flügel ein geeigneter Partner für die Sicherstellung im Bundestag. In Klammern finden sich jeweils einer demokratischen Kultur an Schulen zu sein. Ausschnitte aus entsprechenden Schriftstücken. Zwar finden sich auch in den sozialen Medien der Das Meldesystem selbst erwies sich nach einigen AfD viele Verweise auf das Courage-Netzwerk. Sie Monaten eher als ein lose geknüpfter Flickentep- brachten jedoch keinen gesonderten Erkenntnisge- pich, denn als gut organisierte Struktur. In mehre- winn zur inhaltlichen Qualität der Angriffe und den ren Bundesländern boten wahlweise die Landes- Argumentationen bei kritischen Darstellungen. Sie fraktionen oder auch nur einzelne Abgeordnete dienten mehr der Konzentration von Kernanliegen an, entsprechenden Beschwerden nachzugehen. und waren somit eher Zusammenfassungen und Einzelne AfD-Akteure verzichteten zunächst auf Pointierungen und keine Ergänzungen mit eigener, eine Teilnahme oder lehnten diese sogar ab (vgl. inhaltlicher Qualität, die es gelohnt hätte, geson- beispielhaft Q03). dert aufzuführen. 14
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TYPOLOGIEN DER ANGRIFFE Davon zu unterscheiden sind jene Anfragen, die offensichtlich nicht einer allgemeinen Informations- Folgende Kategorien konnten aus den untersuchten beschaffung dienen, sondern Framing zur Verächt- Materialien abgeleitet werden: lichmachung des Netzwerkes betreiben. a) Linksextremismusverdacht a) Linksextremismusverdacht b) Neutralitätsdebatte c) Gezielte Personenangriffe Ein gängiges Mittel von rechtspopulistischer Seite innerhalb des Netzwerkes ist die Umkehrung des – häufig auf sich selbst d) Strukturangriffe gerichteten – „Extremismusverdachts“ und seine Umlenkung auf „den Feind“. Kritiker*innen und Herausgenommen aus der Analyse von Angriffen Gegner*innen der eigenen Position wird dann wurden jene Anfragen und Papiere, die der Informa- wahlweise fehlende Distanz, Nähe oder Integration tionsbeschaffung zum Netzwerk und dessen Träger in linksextreme Netzwerke vorgeworfen. dienten. Zwar ist aus der Rechtsextremismusfor- Entsprechend formuliert sind ausgewählte Anfra- schung hinlänglich bekannt, dass rechtsextreme Par- gen der AfD. teien das Mittel der parlamentarischen Anfrage nut- zen, um einerseits ihre „Feinde“ auszukundschaften Ausschnitt aus: Schriftliche Anfrage des Abgeord- und ihnen andererseits zu signalisieren, dass man neten Thorsten Weiß (AfD) vom 22. August 2017 im sie im Blick habe (vgl. z. B. Hafeneger/Schönfelder Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 18/12127 zum 2007). Nicht selten führt dies zu einem Rückgang Thema Linksextremistische Netzwerke in Berlin des zivilgesellschaftlichen Engagements und Angst „46. Kam es seit 2010 zu Fällen von öffentlicher bei den Betroffenen (vgl. z. B. Borstel 2011: 435). Ein Unterstützung linksextremistischer Organisationen, Übertrag auf die AfD wäre aber zu diesem Zeitpunkt Personen, Veranstaltungen oder Aktionen durch noch verfrüht, da entsprechende Forschungen dazu zum jeweiligen Zeitpunkt aktive, ehemalige oder bisher nicht vorliegen. Zu betonen ist auch das Recht spätere Mitglieder der Aktion Courage e. V.?“ und die Aufgabe einer parlamentarischen Oppo- sition unter anderem mit dem Mittel der Anfrage, Die an das Netzwerk gerichteten Vermutungen Themen zu setzen und auch Regierungs- und Ver- lauten unter anderem: waltungshandeln zu kontrollieren. Da das Netzwerk öffentliche Gelder empfängt, sind entsprechende > „linke Indoktrination“ durch das Netzwerk Informationsfragen beispielsweise zu den Zielen, (vgl. Q02) Aktivitäten, konkreten Verwendungen, beteiligten > Verstrickung in linksextreme Netzwerke Schulen und Umsetzungen vor Ort legitim. Folgende (vgl. Q05) Anfrage gibt dafür ein Beispiel: Vereinzelt gibt es auch indirekte Anspielungen. So Ausschnitt aus: Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. seien zwei Mitarbeiter*innen der Bundeskoordina- Rolf Weigandt (AfD) aus dem sächsischen Landtag, tion früher bei der von der AfD als „linksextrem“ Drucksache 7/940 eingestuften „tageszeitung“ tätig gewesen oder „Frage 1: Welche Schulen gehören aktuell dem hätten Funktionen in der Gewerkschaft Erziehung Netzwerk ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit und Wissenschaft bekleidet, was suggeriere, dass Courage’ im Freistaat Sachsen an? (…) es heute zu linksextremen Strömungen keine Dis- Frage 2: Welche Projekte und Veranstaltungen wur- tanz gebe. In anderen Anfragen wird Aktion Coura- den im Rahmen des Netzwerkes der sogenannten ge mit der Kampagne der AfD gegen die Amadeu Courage-Schulen in den vergangenen drei Jahren Antonio Stiftung verknüpft (vgl. Q01). durchgeführt? (…) Frage 3: In welcher Höhe wurde das Netzwerk Entsprechende Anfragen werden von den Landes- ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ in regierungen durchgehend abschlägig beschieden. den vergangenen fünf Jahren vonseiten des Frei- Die AfD wird hier auch kaum auf reale Informatio- staats gefördert und wozu wurden die ausgegebe- nen hoffen. Es geht ihr vielmehr um ein gezieltes nen Mittel verwendet?“ Framing, in dem eine Nähe zum Linksextremismus 16
oder zu Gruppen von vermeintlich linker Militanz fene Schüler*innen und andere Schulangehörige in diskursiv hergestellt werden soll. Auch die Bundes- ihrem Kampf um die Meinungsfreiheit unterstützen tagsfraktion bediente sich dieses Ansatzes und könne (siehe oben). stellte eine entsprechende Anfrage: Darüber hinaus sieht sich die AfD in die Opferrolle Ausschnitt aus: Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im gezwängt. So würde sie zu Unrecht als beispiels- Deutschen Bundestag (Drucksache 19-5247) aus weise „rechtspopulistisch“ oder „rechtsextrem“ dem Jahr 2018: bezeichnet, was eine fehlende Neutralität gegen- „7. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über eine über demokratisch gewählten Parteien zeige (vgl. Zusammenarbeit des Vereins Aktion Courage e. V. Q01). Da dieser Themenkomplex ein Dauerbrenner mit dem linksextremistischen Spektrum zugehöri- und inhaltlicher Schwerpunkt der AfD-Tätigkeiten gen Organisationen?“ darstellt, erfolgt eine ausführlichere Analyse an späterer Stelle. b) Neutralitätsdebatte c) Gezielte Personenangriffe innerhalb des Netzwerkes Eine Kernargumentation der AfD gegenüber Aktion Courage lautet, dass unter Bezugnahme auf den Gegen einzelne Repräsentant*innen des Netzwer- Beutelsbacher Konsens Schule ein politisch neutraler kes wird mit Namensnennung und persönlich diffa- Raum zu sein habe. Das Netzwerk von SOR-SMC mierend vorgegangen. Vor allem die Direktorin der verletze diesen Grundsatz, „indoktriniere“ die Schü- Bundeskoordination wird auffallend oft namentlich ler*innen mit linker, politischer Ideologie (vgl. Q01). genannt. Die Vorwürfe lauten wiederkehrend, sie sei „links“ orientiert, wobei auf ihr gewerkschaft- Ausschnitt aus: Drucksache 7/2880 vom 16.5.2015 liches Engagement und diesbezügliche Netzwerke aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt mit dem Titel verwiesen wird. Hinzu kommen aber auch Hinweise „Linke Indoktrination an unseren Schulen been- auf „islamistische“, vermeintlich „pro-islamische“ den – Förderung des Schulnetzwerks ‚Schule ohne Einstellungen, was für die AfD ein Vorwurf ist, und Rassismus – Schule mit Courage’ einstellen“ „anti-christliche“ Haltungen. „Der Landtag wolle beschließen: Der Landtag bekennt sich zur Schule als Ort der Ausschnitt aus: Schriftliche Kleine Anfrage des geistigen, körperlichen und gesellschaftlichen Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom Bildung, an dem ideologische Indoktrination sowie 4.10.2016 in der Hamburger Bürgerschaft: politischer Meinungs- und Gesinnungsterror kei- „Die Mitarbeiter der Bundeskoordination – das be- nen Platz finden. In diesem Sinne spricht er dem legt eine Analyse ihrer Lebensläufe – sind weltan- Programm ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit schaulich und institutionell klar im politisch linken Courage’ seine Missbilligung aus. Spektrum verankert und vertreten anti-konser- Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die in vative, pro-islamische und zum Teil anti-christliche der Landeszentrale für politische Bildung ansäs- Positionen. Die Leiterin der Initiative, Sanem Kleff, sige Landeskoordination des Schulnetzwerkes (…) eine türkischstämmige Deutsche, übte verschiede- ersatzlos zu streichen.“ ne Ämter in der GEW Berlin aus und ist Mitglied der Amadeu Antonio Stiftung. (…) Kleff verantwortete Vereinzelt wird vermutet, dass die Schulen zur Mit- presserechtlich im Jahr 2008 das Schüler-Magazin arbeit verpflichtet würden (vgl. Q06). Schüler*in- Q-rage. In dem Heft finden sich Anfeindungen nen mit vom Netzwerk nicht unterstützten poli- gegen evangelikale Christen. Sie werden dort als tischen Einstellungen würden gezielt unterdrückt intolerant, verfassungsfeindlich, gefährlich und und die Meinungsfreiheit an den Schulen dadurch dumm bezeichnet und mit Islamisten verglichen. verletzt. Dadurch entstünde ein Klima der Angst Der Geschäftsführer der Initiative, Eberhard Seidel, für Schüler*innen mit abweichenden Positionen. war vor seinem Engagement bei SOR-SMC Ressort- Um dem entgegenzuwirken, startete die AfD eine leiter bei der politisch weit linksstehenden Tages- bundesweite Kampagne mit dem Aufruf, entspre- zeitung taz.“ chende Vorfälle zu melden, damit die AfD betrof- 17
Diese gezielten Markierungen sind ein Beispiel für Hinzu kommen exemplarische Auseinandersetzun- ein personenbezogenes Framing mit dem Ziel der gen mit einzelnen Schulen des Netzwerkes, die in Verächtlichmachung führender Repräsentant*innen einem späteren Abschnitt dargestellt werden. des Netzwerkes und damit der Idee des Projektes und des Netzwerkes auch an sich. Zum Teil wird die Forderung, die Förderung ein- zustellen, mit der Kampagne der AfD gegen die Spannend sind diesbezüglich auch Versuche der Amadeu Antonio Stiftung verknüpft, zu der eine bayerischen AfD, Mitarbeiter*innen des Netzwer- besondere inhaltliche und personelle Nähe herge- kes nicht mehr nur als politisch „fehlorientiert“ zu stellt wird. Damit sollen an die Stiftung gerichtete kennzeichnen, sondern auch Eindrücke einer Nähe Vorwürfe auf Aktion Courage und SOR-SMC ab- zu kriminellen Netzwerken herzustellen. Die Forde- färben (vgl. Q01). rung nach einem „erweitertem Führungszeugnis“ der in den Schulen eingesetzten Personen dient nur Eine Besonderheit stellt ein Antrag einer AfD-Grup- oberflächlich dem Schutz der Schüler*innen. Viel- pe aus NRW auf ihrem eigenen Landesparteitag mehr suggeriert das Bild einen nicht vorhandenen dar. Darin wird eine Überwindung des Netzwerkes Bedarf und zielt darauf, eine vermeintliche „Ge- zugunsten eines neuen Netzwerkes mit dem Titel fährdung“ der Jugendlichen durch die Aktionen des „Schule ohne Extremismus“ gefordert. Der Antrag Netzwerkes zu suggerieren. verpuffte ohne nachhaltige Wirkung. Ausschnitt aus: Schriftliche Anfrage des Abgeord- Eine Ausnahme zu den bisherigen Strukturangriffen neten Andreas Winhart (AfD) vom 27.2.2019 im ist die folgende Anfrage der thüringischen AfD zu bayerischen Landtag, (Drucksache 18/1408) den rechtlichen Grundlagen des Ansatzes des Netz- „4. Werden Personen, welche über den Verein werkes. Aktion Courage e. V. an Schulen gelangen (Mit- wirkende und Paten) hinsichtlich pädagogischer Ausschnitt aus: Kleine Anfrage 1480/2016 der Ab- Kompetenzen bzw. strafrechtlicher Zuverlässigkeit geordneten Muhsal und Brandner (AfD) im thürin- (‚erweitertes Führungszeugnis‘) überprüft?“ gischem Landtag. „Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass minderjährige Schüler mit ihrer Unterschrift d) Strukturangriffe eine Rechtsfolge, nämlich die Teilnahme am Projekt, erwirken können? Wird die Zustimmung/ Mehrere Anfragen und Anträge der AfD zielen auf Genehmigung von (beiden) Sorgeberechtigten der die Zerschlagung der strukturellen und finanziellen minderjährigen Schüler eingeholt?“ Grundlagen des Netzwerkes. Wiederholt wird eine Einstellung jeder öffentlichen Förderung gefordert. Die Frage nach den Rechtsfolgen der früheren In einigen Landtagen wurde damit verbunden Praxis der Sammlung von Unterschriften der auch die Schließung der Träger der Landeskoordi- Schüler*innen als Voraussetzung für die Teilnahme nationen zum Beispiel in den Landeszentralen für der Schule an dem Programm ist legitim. Vor allem politische Bildung gefordert. in der Grundschule taucht auch die Frage auf, ob nicht (so vorhanden) beide Erziehungsberechtigte Ausschnitt aus: Drucksache 7/2880 vom 16.5.2015 gefragt werden müssten, ob ihre Kinder unter- aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt mit dem Titel schreiben dürfen. „Linke Indoktrination an unseren Schulen been- den – Förderung des Schulnetzwerks ‚Schule ohne Das Netzwerk hat derweil diese Praxis übrigens Rassismus – Schule mit Courage’ einstellen“ grundlegend verändert. Seit Mitte 2020 ist das „Der Landtag wolle beschließen: (…) Aufnahmeverfahren aus datenschutzrechtlichen Der Landtag trifft die Übereinkunft, das Schulnetz- Erwägungen auf ein anonymisiertes Wahlverfahren werk (…) bei künftigen Haushaltsplanungen nicht mit Stimmzetteln umgestellt worden. mehr zu berücksichtigen.“ 18
Allerdings dürfte auch diese Anfrage kaum auf die rungen keinen Raum zur Entfaltung bekommen qualitative Weiterentwicklung und mögliche Schaf- dürfen. Hier drohe eine Normalisierung dieser fung erweiterter Rechtssicherheit des Programmes menschenfeindlichen Einstellungen. Deshalb sollten gezielt haben, worauf die anderen Anträge und Vertreter*innen zum Beispiel der AfD keine Mög- Schreiben der unterzeichnenden Abgeordneten lichkeit bekommen, ihre Positionen öffentlich in deuten. Sie zeigen vielmehr, dass es eine intensive den Schulen zu vertreten. Beschäftigung mit dem methodischen Ansatz des Netzwerkes in der AfD gegeben zu haben scheint, Andererseits gelten an einer Schule ohne Rassismus in deren Folge entsprechende Details zu Recht – Schule mit Courage demokratische Spielregeln. hinterfragt werden können. Dazu gehöre es auch, Positionen einer Partei wie der AfD mit Blick auf die Meinungsfreiheit zunächst In Nordrhein Westfalen versucht die AfD, dem zuzulassen, um ihnen dann gegebenenfalls offensiv Netzwerk sogar seine inhaltliche Notwendigkeit zu widersprechen und demokratische Alternativen zu leugnen, um so eine Einstellung aller Mittel zu aufzuzeigen. Deshalb dürften AfD-Vertreter*innen begründen: nicht anders behandelt werden als andere Politi- ker*innen. Ausschnitt aus Kleine Anfrage 1962 vom 25.1.2019 des Abgeordneten Helmut Seifen (AfD)im Landtag Für beide Positionen gibt es im Courage-Netzwerk Nordrhein-Westfalen Beispiele, die in folgenden Erfahrungen mündeten: „Inwiefern hält die Landesregierung dieses Projekt für notwendig und hilfreich, obwohl jede Schule in > Vereinzelt wurden Veranstaltungen gar nicht erst diesem Land aus ihrem Bildungs- und Erziehungs- geplant, wenn deutlich wurde, dass eine Debatte auftrag heraus die vorgegebenen Ziele dieses zur Teilnahme der AfD kontrovers werden Projektes ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit könnte. Dies ist keine offensive und eine wenig Courage’ seit jeher verfolgt und anstrebt?“ mutige Strategie der Auseinandersetzung. > Vereinzelt wurden AfD-Vertreter*innen nicht zu Schuldiskussionen mit anderen Politiker*innen UMGANG MIT VERTRETER*INNEN DER AFD eingeladen. Hier gerierte sich die AfD als Opfer. IN DEN NETZWERKSCHULEN – ANLASS FÜR In Zukunft wird es hierzu womöglich auch PROTESTE VON RECHTS UND LINKS noch gesetzliche Anordnungen und Urteile zur Klärung geben, inwieweit ein solcher Ausschluss Eine besondere Herausforderung ist die Einladung tatsächlich auch bei steigendem Erfolg der AfD von Politiker*innen im schulischen Kontext. Kon- zulässig sein mag oder nicht. sens ist das Gebot der pluralistischen Darstellung > Beispielhaft für die Einladung eines AfD- von Positionen. So soll nicht nur einer, sondern Politikers war eine Diskussionsrunde mit möglichst immer allen relevanten, demokratischen dem Parteivorsitzenden Meuthen 2018 Parteien die Möglichkeit geboten werden, sich im in Brandenburg. Hier protestierten vorab Sinne eines demokratischen Konsenses den Schü- Schüler*innen gegen den Auftritt. Hinzu kam ler*innen zu präsentieren. Wie verhält sich dieses die örtliche Linksjugend mit dem Spruch Gebot aber mit der AfD, die inzwischen in den „Schule mit Rassisten“. Die Presseberichte und Landtagen sowie im Bundestag legitimiert durch einige Stellungnahmen aus dem Schulkontext demokratische Wahlen vertreten ist, die aber zu- lassen vermuten, dass Meuthen kaum punkten mindest in Teilen auch von Verfassungsschutzorga- konnte. Die Schüler*innen wurden als sehr gut nen als rechtsextrem und damit antidemokratisch vorbereitet beschrieben. Die Diskussion sei eingestuft wurde? kontrovers, aber fair im Ton geführt worden. Zwei Grundpositionen stehen sich in dieser Debatte Diese Debatte wird das Netzwerk sicherlich noch vor dem Hintergrund des Netzwerkes gegenüber: länger beschäftigen. Vielleicht lässt sich aus der Veranstaltung in Brandenburg aber ein wichtiger An einer Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage Punkt herauskristallisieren: Zentral sind die um- sei es selbstverständlich, dass rassistische Äuße- fassende Vorbereitung, das Vertrauen in und das 19
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