VAS Das Vertriebenen-, Aussiedler- und Spätaussiedlerjournal in NRW - MKW NRW
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VAS 2. Jahrgang, Ausgabe 02/2020 Das Vertriebenen-, Aussiedler- und Spätaussiedlerjournal in NRW Zu Besuch bei den Siebenbürger Sachsen auf Schloss Horneck Seite 16 Zweiter Runder Tisch mit Kulturtagung SED-Opferverbänden aus NRW im Haus Oberschlesien Seite 24 Seite 20 Portrait: Das Museum für Virtuelle Heimatsammlungen russlanddeutsche Kulturgeschichte in Nordrhein-Westfalen Seite 34 Seite 28
Editorial 2/2020 Liebe Leserinnen und Leser! ich hoffe sehr, dass Sie es so wie wir als Redaktionsteam empfinden: Auch die zweite Ausgabe unseres VAS-Journals in diesem Jahr ist ausgesprochen informativ und lesenswert! Über die vielen positiven Rückmeldungen und selbstverständlich auch die Kritik zu unserer letzten Ausgabe des VAS-Journals möchte ich mich, auch im Namen meiner beiden Redaktionskolleginnen Claudia Brecht und Martina Rodrigues, recht herzlich bedanken. In meinem letzten Editorial schrieb ich: „Die Erstellung dieser Ausgabe war geprägt – wie unser gesamtes Leben seit einigen Monaten – von den Auswirkungen der Corona-Pandemie.“ Dies gilt auch für diese Ausgabe, und es ist auch diesmal eine Herausforderung gewesen, die Mischung an Artikeln zu präsentieren, die Sie als Leserinnen und Leser des VAS-Journals erwarten dürfen. Wie haben wir dieses Problem gelöst? Da weniger Präsenz-Veranstaltungen stattgefunden haben, finden Sie z. B. in dieser Ausgabe mehr Interviews als gewohnt. Wir haben die Zeit genutzt, um mit unterschiedlichen Persönlichkeiten ins Gespräch zu kommen, die sich für Vertriebene, Übersiedler und (Spät-) Aussiedler und auch für die Heimatverbliebenen engagieren. In den Interviews in die- ser Ausgabe stellen wir Ihnen diese Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland vor. Auch zahlreiche Buchvorstellungen haben in dieser Ausgabe Platz gefunden. Und nicht zuletzt haben wir uns in einem großen Artikel den digitalen Formaten gewidmet, der nicht nur einen ersten Überblick gibt, was möglich ist, sondern vielleicht auch anregt, selbst das ein oder andere einmal zu versuchen. Podcasts, Videobotschaften, digitale Museumsführungen und vieles mehr wurden konzipiert, um das Verbandsleben und das kulturelle Angebot aufrecht zu erhalten und gegebenenfalls sogar Modelle für die Zukunft zu entwickeln, die auch nach der Pandemie das Angebot bereichern könnten. All diese Aktivitäten zeigen, wie aktiv und lebendig die Verbände der deutschen Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Übersiedler, Aussiedler und Spätaussiedler in Nordrhein-Westfalen sind! Dies ist nach innen und außen ein wichtiges Signal. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen auch dieses Mal eine anregende Lektüre und hoffe sehr, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest verbringen werden. Und ganz wichtig: Bleiben Sie gesund! Ihr Heiko Hendriks Vorsitzender des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
3 In dieser Ausgabe I LANDESBEIRAT & III AUS DEN VERBÄNDEN LANDESBEAUFTRAGTER Vertriebenengedenktag am 20. Juni Aufruf der Landesbeauftragten anlässlich auf Schloss Burg des 20. Juni 20 Kulturtagung im Haus Oberschlesien Im Fokus: Spätaussiedleraufnahme in 22 „Monolith e.V“ stellt sich vor Corona-Zeiten 28 Virtuelle Heimatsammlungen in Nordrhein- Die neuen Spätaussiedlerzahlen Westfalen und Interview mit dem Der Landesbeirat tagt erstmals virtuell Geschäftsführer, Dr. Thomas Konhäuser 70 Jahre Charta der Deutschen 31 Die Kulturstiftung verbindet: Heimatvertriebenen – eine Würdigung Dialogveranstaltung 2020 in Haus Schlesien Zu Besuch bei den Siebenbürger Sachsen 32 Mit Abstand in Kontakt: Digitale Angebote in auf Schloss Horneck Zeiten der Corona-Pandemie 24 Im Fokus: Zweiter Runder Tisch mit 38 Zu Besuch am und im Wasser von Danzig SED-Opferverbänden aus NRW 44 Zu Gast bei Freunden und Partnern in 26 Bedeutende Tage der deutschen Oberschlesien Nachkriegsgeschichte: 17. Juni 1953 und 46 Der BdV-Iserlohn zu Gast bei Landrat 3. Oktober 1990 Gemke 48 Chronik des Landesbeirats Kapitel 2 – 47 Frauentagung der Sudetendeutschen Ein Meilenstein: die Schaffung des Landsmannschaft NRW Landesflüchtlingsgesetzes vom 2. Juni 1948 IV BUCHVORSTELLUNGEN NTERVIEWS UND PORTRAITS Olga Kelm: „Die Geigenmädchen“ und 14 Im Gespräch mit … Otto Rasch, Vorsitzender „Die Waldhütte“ des BdV in Velbert Neviges Marie Luise Knopp und Peter Joachim 34 Serie Kultureinrichtungen in NRW: Lapp: „Eingesperrte Gefühle bahnen sich Das Museum für russlanddeutsche ihren Weg“ & Lapp: „Zuchthausjahre. Kulturgeschichte und Interview mit dem Strafgefangener in der DDR“ Museumsleiter Kornelius Ens 42 Im Gespräch mit … Rafal Bartek, Vorsitzender des Regionalparlamentes der Woiwodschaft Oppeln Bildnachweise Cover: oben links: Kranzniederlegung Düren 20.06.2020 (s. S. 26); oben links: Impression aus der Kulturtagung im Haus Oberschlesien (s. S. 20), Mitte links: Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte (s. S 34 ff.); Mitte: wertvolle Archivarien auf Schloss Horneck (s. S. 16 ff.); Mitte rechts: Virtuelle Tagung des Landesbeirats (s. S. 8); unten links: Das Logo des Landesbeirats NRW; unten rechts: Besuch des Landesbeauftragten auf Schloss Horneck Alle Bildrechte MKW außer Mitte links (Bildrecht MRK)
4 VAS-JOURNAL NRW AUFRUF DER LANDESBEAUFTRAGTEN ANLÄSSLICH DES GEDENKTAGES FÜR DIE OPFER VON FLUCHT UND VERTREIBUNG Wir erinnern an Flucht, Vertreibung und Deportation sowie an das Schicksal der deutschen Minderheiten in den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten A m 20. Juni 2020 begingen wir den bundesweiten In diesem Sinne setzen wir ein Zeichen: „Nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht » Wir erinnern daran, dass der von Deutschland begonnene und Vertreibung“ zum sechsten Mal. Auf diesen bundes- Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische Ideologie weiten Nationalen Gedenktag, der die Erinnerung an dazu geführt haben, dass deutsche Minderheiten in den das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen Staaten Mittel- und Osteuropas sowie der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg lebendig hält sowie zu oftmals als innere Feinde betrachtet wurden und jahr- Verantwortung und Versöhnung mahnt, mussten die zehntelang schwersten Repressionen ausgesetzt waren. Heimatvertriebenen jahrzehntelang warten. Seit dem » Wir erinnern daran, dass nach Vertreibungen, De entsprechenden Bundesratsbeschluss aus dem Jahr portationen und Zwangsarbeit es in vielen Herkunfts- 2003 hatte es über zehn Jahre gedauert, diesen zu gebieten massive Schwierigkeiten gab, die eigene Kultur realisieren. Mit Beschluss vom 27. August 2014 hat die zu erhalten. Staatliche Zielsetzung war es oftmals, eine Bundesregierung den 20. Juni (UNO-Weltflüchtlingstag) Assimilierung der Minderheiten zu erreichen. Dadurch als feststehendes Datum ausgewählt und der Gedenk- wurden die Beziehungen zu Angehörigen der jeweiligen tag konnte erstmals am 20. Juni 2015 in Berlin feierlich Mehrheitsgesellschaften, zu Nachbarn und vormaligen begangen werden. Er soll verdeutlichen, dass Flucht und Freunden stark beeinträchtigt. In ihren nervenauf- Vertreibung nicht nur für die davon Betroffenen eine reibenden Ausreisebemühungen wurden viele Deutsche traurige Bedeutung haben, sondern Teil der Geschichte von den kommunistischen Regierungen jahrelang hin- aller Deutschen und Teil der europäischen Geschichte gehalten. In vielen Staaten wurde durch ein gezieltes sind. Vorgehen gegen die Nutzung und das Erlernen der deut- schen Sprache den Gemeinschaften der wichtigste Fak- Lag der inhaltliche Schwerpunkt im ersten Aufruf der tor ihres Zusammenhalts genommen. Die Folgen davon Landesbeauftragten der Länder Niedersachsen, Bayern, wirken bis heute nach und Sprachkompetenz muss Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen zu „75 Jahre mühsam wiederaufgebaut werden. Kriegsende – Wir erinnern an Flucht und Vertreibung der » Wir erinnern daran, dass bis heute rund 1,2 Millionen Deutschen aus dem Osten“ vom 8. Mai 2020 auf dem Thema Menschen als deutsche Minderheiten in Polen, Ungarn, „Flucht und Vertreibung“, so möchten wir in diesem Aufruf Rumänien, der Tschechischen Republik, der Slowakei, in besonderer Weise den Blick auf das schwere Schicksal Kroatien, Serbien, Slowenien, den baltischen Staaten der nach dem Zweiten Weltkrieg in den Herkunftsgebieten und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion leben. verbliebenen Deutschen – der Heimatverbliebenen – rich- » Wir erinnern daran, dass sich die Lage der deutschen ten sowie auf deren Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Minderheiten nach der politischen Wende 1989/90 in deutschen Sprache und Kultur.
02/2020 5 Abhängigkeit von den politischen „Wer die Geschichte kennt » Wir erinnern daran, dass die deut- und wirtschaftlichen Veränderungen und in die Zukunft schaut, schen Minderheiten sowie die Ver- in den einzelnen Ländern unter- triebenen, Aussiedler und Spät- der kann nicht anders als schiedlich entwickelt hat. Gründe aussiedler ein wichtiges Bindeglied ein überzeugter Europäer dafür sind bilaterale Verträge und zwischen den Kulturen sind. Sie bieten zu sein.“ Abkommen zu ihren Gunsten sowie die Chance auf einen eigenständigen die vom Europarat gezeichnete Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch Beitrag zur Entwicklung kultureller Europäische Charta der Regional- und zivilgesellschaftlicher Brücken oder Minderheitensprachen, das und Netzwerke in die Länder Mittel- Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz und Osteuropas sowie in die Nachfolgestaaten der nationaler Minderheiten, aber genauso die tragfähigen Sowjetunion. Hierin liegt ein wichtiger Teil europäischer Minderheitenschutzgesetze in den betroffenen Staaten. Völkerverständigung. Hinzu kommt eine inzwischen neue Aufgeschlossenheit » Wir erinnern daran, dass es ganz im Sinne der „Char- der Heimatstaaten und auf deutscher Seite eine höhere ta der deutschen Heimatvertriebenen“ von 1950 das Aufmerksamkeit zugunsten der deutschen Minderheiten. gemeinsame Ziel sein muss, immer wieder für ein » Wir erinnern an die im Geiste des § 96 Bundesver- geeintes Europa einzutreten, in dem die Völker ohne triebenengesetz (BVFG) von der Bundesregierung Furcht und Zwang leben können. Damit gehörten die formulierte Solidaritätsverpflichtung, die deutschen Heimatvertriebenen zu den ersten in der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie in den Nach- Bevölkerung, die ein klares Bekenntnis zu einem eini- folgestaaten der Sowjetunion bei der Bewahrung ihrer gen Europa abgelegt haben. Auch 70 Jahre nach Identität zu unterstützen sowie das Kulturgut der Ver- Unterzeichnung der Charta muss es weiterhin unser triebenen, Aussiedler und Spätaussiedler im Bewusst- gemeinsames Ansinnen bleiben, dieses große Friedens- sein des gesamten deutschen Volkes zu erhalten. In die- projekt nicht zu gefährden. sem Sinne unterstützt Deutschland beispielsweise den Aufbau gut organisierter und zukunftsfähiger Selbstver- Wenn wir am bundesweiten „Nationalen Gedenktag für waltungen, mit denen die jeweilige deutsche Minderheit die Opfer von Flucht und Vertreibung“ an die Nachkriegs- die Gesellschaft ihres Landes aktiv in ihrem Sinne mit- opfer und ihr Schicksal erinnern, tun wir dies, damit jetzige gestalten kann. Ein weiterer Förderschwerpunkt liegt im und künftige Generationen wissen, wohin Krieg, Hass und Bereich Sprachförderung und Jugendarbeit. Die Bundes- Gewalt führen und dass die Erinnerung an den Krieg sowie regierung strebt eine von Transparenz und Partnerschaft die Kriegsfolgen den Frieden und die Eintracht fördert. gekennzeichnete Zusammenarbeit mit den Regierungen der Herkunftsstaaten deutscher Minderheiten in Europa München – Wiesbaden – Hannover – Düsseldorf – und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion an. Dieses Dresden, im Mai 2020 tragen wir tatkräftig mit. Editha Westmann, MdL Sylvia Stierstorfer, MdL Dr. Jens Baumann Margarete Ziegler-Raschdorf Heiko Hendriks Niedersächsische Landes- Beauftragte der Beauftragter für Beauftragte der Hessischen Beauftragter des Landes beauftragte für Heimatver- Bayerischen Staats- Vertriebene und Landesregierung für Nordrhein-Westfalen für die triebene, Spätaussiedlerinnen regierung für Aussiedler Spätaussiedler im Heimatvertriebene und Belange von deutschen und Spätaussiedler und Vertriebene Freistaat Sachsen Spätaussiedler Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern
6 VAS-JOURNAL NRW IMIMFOKUS: FOKUS: SPÄTAUSSIEDLERAUF NAHME IN CORONA-ZEITEN Aussiedlerbeauftragtenkonferenz tagte in Hannover A uf Einladung des Beauftragten der Bundes- des Freistaates Bayern, Sylvia Stierstorfer, MdL, regierung für Aussiedlerfragen und nationale und des Freistaates Sachsen, Dr. Jens Baumann. Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, sowie der Beauftragten des Landes Niedersachsen für Aus- Auswirkungen der Covid-19-Pandemie siedler und Vertriebene, Editha Westmann, MdL, haben sich am 20. Juli 2020 die Beauftragten der Im Fokus der Beratungen standen die besonderen Länder für Vertriebene, Aussiedler und Spätaus- Herausforderungen der Aufnahme deutscher siedler zu einer Beauftragtenkonferenz in Han- Spätaussiedler in Zeiten der COVID-19-Pande- mie. Der Bundesbeauftragte berichtete über die bisherige Entwicklung und betonte hierbei die Fortsetzung der Aufnahme deutscher Spät- aussiedler auch während der Corona-Pandemie. Spätaussiedler genießen aufgrund ihres Kriegs- folgenschicksals eine besondere Rechtsstellung nach Art. 116 Grundgesetz, die einen Zuzug aus Risikogebieten aus wichtigem Grund recht- fertigt. Dies wurde durch Beschluss des Bundes- kabinetts am 01.07.2020 bestätigt. Im ersten Halbjahr 2019 zogen 3.153 Spätaussiedler zu; vom 01.01. bis 30.06.2020 sind jedoch erst 1.304 deutsche Volkszugehörige – überwiegend aus der Russischen Föderation und aus Kasachstan – als Spätaussiedler nach Deutschland zugezogen. Erleichterung zeigten die Beauftragten darüber, dass nach anfänglichem Infektionsgeschehen in dem für das gesamte Bundesgebiet ein- gerichteten Grenzdurchgangslager (GDL) Fried- Die Beauftragten vor und während der Beratungen in Hannover land (Niedersachsen) wieder Infektionsfreiheit (Beide Bilder: BMI) herbeigeführt werden konnte. Umfangreiche Maßnahmen nover getroffen. Anwesend waren neben Editha Für das Bundesministerium des Innern berichtete Westmann auch die Beauftragten des Landes Regierungsrätin Maria Maier-Seel über das sich Hessen, Margarete Ziegler-Raschdorf, des Lan- in Umsetzung befindende Konzept der Hygiene- des Nordrhein-Westfalen, Heiko Hendriks, sowie sicherung. Demnach begeben sich ankommende durch telefonische Zuschaltung die Beauftragten Spätaussiedler unmittelbar nach ihrer Einreise
02/2020 7 in eine Quarantäne, die nach den fahren abgeschlossen werden und Landes-Corona-Verordnungen gene- die Weiterreise zum neuen Wohnort in rell für Einreisende aus Drittstaaten Deutschland möglich ist. vorgesehen ist. Wegen seiner aus § 8 BVFG resultierenden Verpflichtung zur Zur Vermeidung einer Überlastung Unterbringung bis zur Registrierung ZUGEZOGENE vorhandener TU-Kapazitäten forderte und Verteilung auf die Länder stellt SPÄTAUSSIEDLER IM ERSTEN die Beauftragtenkonferenz alle Ver- der Bund eine Transit-Unterbringung HALBJAHR 2019 antwortungsträger in Bund und Län- (TU) zur Verfügung, in welcher in aller dern sowie von gesellschaftlichen Regel eine Testung der eintreffenden Organisationen auf, bei der Bereit- Spätaussiedler erfolgt. Für die Unterbringung wur- stellung weiterer Plätze konstruktiv mitzuwirken den TU-Plätze in unmittelbarer Nähe des Flughafens und baten Selbstorganisationen sowohl der Spät- Frankfurt, in Braunschweig, in Bad Kissingen und in aussiedler in Deutschland als auch der deutschen Ahrweiler geschaffen; weitere Plätze sind in Duder- Minderheiten in den Herkunftsgebieten um Unter- stadt in Vorbereitung. Nach Quarantäne und Nega- stützung. tiv-Testung erfolgt dann eine Aufnahme im GDL Friedland, wo in wenigen Tagen die Aufnahmever- RUSSISCHE SPÄTAUSSIEDLERZAHLEN FÖDERATION IN NORDRHEIN-WESTFALEN NRW BUND 76 742 UND BUNDESWEIT UKRAINE KASACHSTAN In der Zeit von April bis September 2020 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt NRW NRW 164 Menschen nach den Regelungen des BUND BUND 9 139 77 620 BVFG aufgenommen worden. WEISS RUSSLAND In der Bundesrepublik Deutschland KIRGISISTAN USBEKISTAN wurden im Zeitraum April bis September 2020 insgesamt 1.578 Personen nach den NRW Regelungen des BVFG aufgenommen. Von 1 BUND BUND 41 BUND diesen 1.578 Personen waren 375 Personen 22 9 deutsche Volkszugehörige im Sinne des POLEN § 4 BVFG. 905 Personen sind gemäß § 7 RUMÄNIEN BVFG als Ehegatten oder Abkömmlinge REPUBLIK eines Spätaussiedlers und 298 Personen MOLDAU als Familienangehörige gemäß § 8 BVFG BUND eingereist. NRW 4 1 BUND 1 Quellen: http://www.kfi.nrw.de/wissenstransfer/statistik2/NRW-weite-Zahlen/2019/Monatsbericht-2019-07.pdf https://www.bva.bund.de/DE/Services/Buerger/Migration-Integration/Spaetaussiedler/Statistik/Monatsstatistik/Startseite_Monat_text.html
8 VAS-JOURNAL NRW DER LANDESBEIRAT TAGT ERSTMALS VIRTUELL B E R I C H T VO N H E I KO H E N D R I K S Da coronabedingt die für das Frühjahr 2020 geplante erste Vollversammlung des Landesbeirats in Nordrhein-Westfalen ausfallen musste, entschloss man sich, die Vollversammlung am 23. Juni 2020 in Form einer Videokonferenz durchzuführen. Zu Beginn der ersten Sitzung berichtete Heiko Hendriks über seine Tätigkeiten seit der letz- ten Vollversammlung, die natürlich auch durch die Pandemie geprägt waren. Somit konn- ten zahlreiche (Außen-) Termine nicht stattfinden, u.a. der geplante Besuch der Deutschen Minderheit in Russland. Er sprach den vielen Ideen der Landsmannschaften und Verbände, Veranstaltungen zumindest digital stattfinden zu lassen, ein ausdrückliches Lob aus. Es folgte eine kurze Rückbetrachtung zum bereits im Januar 2020 stattgefundenen Tag der neuen Heimat (nachzulesen im VAS-Journal 01/2020). Die Veranstaltung mit Festvortrag und Podiumsdiskussion fand ein sehr positives Echo. Kulturpflege der Vertriebenen Bernd Werdin, Leiter des Referats „Kulturpflege der Vertriebenen“ im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, präsentierte eine erste Aus- wertung der bisher vorliegenden Förder- anträge gemäß § 96 Bundesvertriebenen- gesetz (BVFG). Zu dieser Förderung war in 2017 eine neue Richtlinie mit angepassten Förderbedingungen erlassen worden. Die digitale Präsentation wurde dankend zur Kenntnis genommen, anschließend folg- te eine angeregte Diskussion der Teilnehmer/- innen zu den einzelnen Förderbedingungen. Man einigte sich schließlich darauf, durch Rück- meldungen an das Referat diese Richtlinie weiter Landesbeiratsvorsitzender Heiko Hendriks während der virtuellen Sitzung (Fotos: MKW / Illustrationen: Vecteezy) zu optimieren. Renovierungsarbeiten auf Schloss Burg Rudi Pawelka und Heiko Hendriks berichteten zum Sachstand der Renovierungsarbeiten in der Gedenkstätte auf Schloss Burg, der zentralen Gedenkstätte des deutschen Ostens in NRW. Hierfür wurde der erforderliche Förderantrag bereits beim zuständigen Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW gestellt. Außerdem haben sowohl die Stadt Wuppertal als auch der Schlossverein ihre Unterstützung signalisiert.
02/2020 9 (v. l. n. r.: Bernd Werdin / MKW, Rudi Pawel- ka, BdV-Vor- sitzender NRW, Ernst Lauter- jung / Solingen, Foto: BdV LV NRW) VERTRIEBENENGEDENKTAG AM 20. JUNI AUF SCHLOSS BURG M I T T E I LU N G D E S B DV N R W Dankbar hatten die Vertriebenen den Beschluss der Opfer sterben in Wirklichkeit unwiederbringlich erst dann, Bundesregierung von August 2014 zur Entwicklung des Ver- wenn sie der Vergessenheit anheimfallen.“ Diese Aussage triebenengedenktages aufgenommen. Seitdem wird der 20. unserer Landsleute in Polen sollte uns allen Leitschnur blei- Juni in verschiedenen Orten, aber vor allem auf Landes- ben. ebene in NRW, zum Anlass genommen, der Toten von Flucht und Vertreibung zu gedenken. An der zentralen Ver- Im Innern des Batterieturms, der zentralen Gedenkstätte triebenengedenkstätte auf Schloss Burg/ Solingen trafen legten der Vertreter der Landesregierung, die Vertreter sich auch 2020 Vertriebene und Ehrengäste zum sechsten des BdV, der Landsmannschaft der Deutschen aus Russ- Mal, wegen der Pandemiekrise leider nur in kleinem Kreis. land (Julia Lebedev, Roman Friedrich), der Stadt Wermels- Allerdings tat dies der Bedeutung der Veranstaltung keinen kirchen und der Landsmannschaften Pommern, Schlesien Abbruch. und Ostpreußen aus Wermelskirchen (Ernst Kaluscha) nach den kurzen Ansprachen die Kränze nieder. Während Die Landesregierung war vertreten durch Bernd Werdin dieser Zeremonie läuteten die Glocken aus Breslau und aus dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Herr Königsberg, die im anliegenden Glockenturm untergebracht Bürgermeister Ernst Lauterjung (Stadt Solingen) drückte sind. Herr Bürgermeister Ernst Lauterjung zeigte auch hier durch seine Teilnahme die Verbundenheit mit den Opfern seine Anteilnahme, indem er sich aktiv an der Kranznieder- von Flucht und Vertreibung aus. legung beteiligte. Bernd Werdin und der BdV-Landesvorsitzende Rudi Pawel- Der BdV-Landesverband wird auch künftig den 20. Juni als ka fanden ehrende Worte des Gedenkens, die von den Gedenktag begehen. Anwesenden wohltuend aufgenommen wurden. Dankbar konnte festgestellt werden, dass die Schicksale der Ver- triebenen auch nach 75 Jahren nicht vergessen sind. „Die
10 VAS-JOURNAL NRW DIE CHARTA DER DEUTSCHEN HEIMATVERTRIEBENEN Versöhnung statt Vergeltung – Zum 70. Jahrestag der Unterzeichnung im Jahr 2020 Geschichtlicher Hintergrund In den ersten Nachkriegsjahren wurde das Gros der Ent- scheidungen, welche die Belange der Flüchtlinge und Ver- triebenen betrafen, dezentral von den Parlamenten und Behörden der jeweiligen Länder getroffen. Die Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, der heraufziehende Kalte Krieg und die Errichtung eines westdeutschen Teil- staates markierten einen Einschnitt. Die Bundesebene gewann für die von Flucht und Vertreibung betroffene Bevölkerungsgruppe, nicht zuletzt durch die Einrichtung eines Bundesvertriebenenministeriums, an Bedeutung. Auch in den Vertriebenenverbänden etablierten sich zen- trale Organisationsformen. Im April 1949 schlossen sich viele bisher eigene Vereine zu einem ‚Zentralverband ver- triebener Deutscher‘ zusammen, welcher später in den Bund der Vertriebenen (BdV) umbenannt wurde. Die Spre- cher der Vertriebenenverbände und der ostdeutschen Landsmannschaften unterzeichneten gemeinsam am 5. August 1950, gerade fünf Jahre nach Beendigung des Zwei- ten Weltkrieges in Stuttgart die „Charta der Deutschen Heimatvertriebenen“, die am Folgetag in einer Massenver- anstaltung vor dem Neuen Schloss in Stuttgart – Bad Cann- statt verkündet wurde. Verzicht auf Rache und Vergeltung Der Verzicht auf Rache und Vergeltung, die Selbstver- pflichtung zur Eingliederung und zum Wiederaufbau und Oben: Während der Jubiläumsfeier 2020 der Einsatz gegen Vertreibungen sind neben der zentralen (Foto: bildkraftwerk) Forderung des ‚Rechtes auf Heimat‘ die wichtigsten Aus- Unten: Das Vertriebenendenkmal in Bad Cannstatt sagen der Charta. (Foto: Wikimedia Commons /Andreas Praefcke)
02/2020 11 Aus Anlass des 70. Jahrestages der Unter zeichnung der Charta der deutschen Heimat vertriebenen ordnete NRW-Innenminister Herbert Reul offizielle Beflaggung an. Somit wurden an diesem Tag in Nordrhein-Westfalen die Flaggen an allen Dienstgebäuden des Lan des, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der übrigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterliegen, auf Vollmast gesetzt. Man sollte nicht vergessen, dass sie nur fünf Ingrid Sedding im Unteren Kurpark Bad Cann- Jahre nach Kriegsende und nach Flucht und Ver- statt aus dem Jahr 1986 an das Ereignis. Im Jahr treibung von zwölf Millionen Deutschen verfasst 2002 wurde außerdem im Pflaster des Schloss- wurde und daher heute rückbetrachtend im platzes vor dem Ehrenhof des Neuen Schlosses Lichte der damaligen Zeit beurteilt werden muss. die ‚Gedenktafel Charta der Deutschen Heimat- Ihre fundamental zukunftsorientierten Aussagen vertriebenen‘ eingelassen. mit dem ausdrücklichen Willen, Frieden zu stif- ten, stellen neben dem Grundgesetz eines der Jubiläumsfeier 2020 Gründungsdokumente der noch jungen Bundes- republik dar. Insgesamt ist die Charta, wie jedes Coronabedingt konnte die geplante Jubiläums- andere geschichtliche Dokument auch, im histo- veranstaltung des BdV am 05. August 2020 nur rischen Kontext zu bewerten und einzuordnen. in kleinem Rahmen durchgeführt werden. Nam- Das darin erwähnte „Recht auf Heimat“ ist heute, hafte bundesdeutsche Politiker übersandten nach Anerkennung der Oder-Neiße-Linie im Rah- Videogrußbotschaften, unter anderem Bundes- men des „Zwei-plus-Vier-Vertrags“ und folglich präsident Frank-Walter Steinmeier, Bundes- dem Verzicht auf alle Gebietsansprüche östlich kanzlerin Dr. Angela Merkel und Dr. Wolfgang der Oder-Neiße-Linie, in einem europäischen Schäuble als Bundestagspräsident. In seiner Kontext zu sehen, in dem das Recht auf Frei- Ansprache zur Kranzniederlegung verdeutlichte zügigkeit und somit Niederlassungsfreiheit ein Dr. Bernd Fabritius, Präsident des BdV, sowohl fundamentaler Wert ist. die Erinnerung an die Charta als auch Anteil- nahme und Andenken für die Millionen Menschen Weitere substanzielle Forderungen nach staats- aus den historischen deutschen Ostgebieten bürgerlichen Rechten und eine gerechte und sowie aus allen deutsch besiedelten Regionen sinnvolle Verteilung der Kriegslasten auf die Ost-, Mittel- und Südosteuropas, die von Flucht ganze Bevölkerung wurden durch Schaffung und Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit des Lastenausgleichsgesetzes von 1952 und des betroffen waren. Neben der Niederlegung der Bundesvertriebenengesetzes von 1953 erfüllt. zahlreichen Kränze am Denkmal gab es einen konstruktiven Austausch zu vielen Bereichen der Gedenkstätte in Bad Cannstatt Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik. Seit 1986 erinnert eine Bronzeskulptur ‚Denk- mal für die Opfer der Vertreibung‘ der Künstlerin
12 VAS-JOURNAL NRW STATEMENTS ZUR CHARTA AUS NRW Hier in Deutschland und vor allem Ralph Giordano am 5. August 70 Jahre Charta der deutschen bei uns in Nordrhein-Westfalen haben 2011 in der „WELT“: „Kein Ver- Heimatvertriebenen, das sind 70 die deutschen Heimatvertriebenen brechen von Deutschen rechtfertigt Jahre der Versöhnung und des euro- ein neues Zuhause gefunden. Der Verbrechen an Deutschen. (…) Keine päischen Miteinanders. Trotz ihrer 70. Jahrestag ihrer Charta ist für uns Geschichte der Vertreibung ohne persönlichen Schicksale, geprägt darum ein schöner Anlass, ihnen zu ihre Vorgeschichte, und keine Vor- von Entwurzelung und Deportation, danken für ihren wertvollen Beitrag, geschichte der Vertreibung ohne verzichteten die Väter der Charta auf den sie beim Wiederaufbau unseres ihre Geschichte – die Humanitas ist Rachegedanken. Unter dem Eindruck Landes und in den Jahrzehnten seit- unteilbar.“ So ist es. Und ebenso ist der Schrecken des zweiten Welt- her für den Wohlstand, die Stabilität die Charta der deutschen Heimat- krieges stellten sie vielmehr die visio- und den kulturellen Reichtum ihrer vertriebenen in der historischen Situ- näre Vorstellung eines geeinten Euro- neuen Heimat geleistet haben. Des- ation, in der sich die Menschen 1950 pa in den Vordergrund. Gleichzeitig halb hat Nordrhein-Westfalen bereits befanden, ein eindrucksvolles Doku- forderten sie auch unabdingbare in den Anfangsjahren der Bundes- ment, bewegt von der Erkenntnis: Wir Rechte für sich ein. Damit haben sie republik Deutschland die Paten- haben Schlimmes erfahren; aber wir die Grundlage für eine erfolgreiche schaften über die Siebenbürger wollen nach vorne gucken und damit Integration der Vertriebenen in die Sachsen und die Landsmannschaft umgehen. – Das ist in jedem Falle Bundesrepublik gelegt. Aussöhnung der Oberschlesier übernommen. zu würdigen und gerade auch mit und Integration, das sind die bleiben- Darauf sind wir stolz. Blick auf die Friedensaussage und den Verdienste der Charta.“ das geeinte Europa nach wie vor von Armin Laschet MdL Elisabeth Müller-Witt MdL Ministerpräsident des Landes NRW besonderer Bedeutung. Vorsitzende Stiftungsrat Stiftung Haus Oberschlesien Oliver Keymis MdL Vizepräsident des Landtags NRW und Vor- sitzender des Ausschusses für Kultur und Medien
02/2020 13 Die Völker müssen er kennen, dass Die Charta der deutschen Heimatver- Die Charta der Heimatvertriebenen ist das Schicksal der deutschen Heimat- triebenen ist ein umso bemerkens- ein starkes, versöhnliches Bekennt- vertriebenen wie aller Flüchtlinge, werteres Zeitzeugnis, wenn man sich nis zu einem geeinten Europa, das ein Weltproblem ist, dessen Lösung ihre zeitliche Nähe zu den schreck- viele Heimatvertriebenen bei der Mit- höchste sittliche Verantwortung und lichen Erfahrungen des Heimatver- gestaltung unserer demokratischen Verpflichtung zu gewaltiger Leistung lustes bewusst macht. Die Beharr- Gesellschaft bis heute leitet. Wie fordert.“ Dieser Satz aus der Charta lichkeit der Vertriebenen, Motor einer bedeutsam das Thema Heimat wie- beeindruckt mich besonders. Er ist ein nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu der geworden ist, hat auch mit dem historisches Zeugnis – dies zeigt sich kaum vorstellbaren Aufbauleistung zu tun, was Menschen aus eigener vor allem am Pathos der Sprache. Er zu sein und oftmals entgegen vieler Erfahrung von Heimatverlust her- weist aber vor allem in die Zukunft und Hindernisse und Vorurteile am Ver- aus als „Recht auf Heimat“ formuliert ist dadurch weiterhin gültig, wie wir ständigungsprozess mit den östlichen haben. Angesichts von 80 Millionen durch das nach wie vor bedrückende Nachbarn mitzuwirken, ist beein- Flüchtlingen – viele davon aus ihrer Fluchtgeschehen in aller Welt mit sei- druckend. Diese Tatkraft ist gerade Heimat vertrieben – erhält die Char- nen immensen Auswirkungen auch heute in einer krisenbelasteten Welt ta eindringliche Aktualität. Sie nimmt auf Europa wissen: Ja, wir haben gera- eine wichtige Botschaft an alle Gene- uns auch in Pflicht, im Einsatz für Frie- de heute die Verantwortung und damit rationen, das Erreichte, ein freies, den und Gerechtigkeit nicht nachzu- die Pflicht, für eine Lösung dieses friedliches, von Werten und gegen- lassen. Das schließt ein, dass wir nach Weltproblems einzustehen. seitiger Wertschätzung getragenes menschenfreundlichen Wegen zu Europa, weiterzuentwicken. suchen, Menschen eine neue Heimat Klaus Kaiser MdL Parlamentarischer Staatssekretär im Minis- zu ermöglichen. Nicola Remig terium für Kultur und Wissenschaft Leiterin des Dokumentations- und Pfarrer Edgar L. Born Informationszentrums im Haus Schlesien Vorsitzender des Vorstands Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Aus Heiko Hendriks’ Videobotschaft auf www.mkw.nrw/landesbeauftragter „Ich möchte allen Heimatvertriebenen danken, die sich seit 70 Jahren für Frieden, Versöhnung und Ausgleich eingesetzt haben. 70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen bedeutet für mich, ein Dokument zu ehren, das ein wahr- haftiges Friedensdokument ist!“ Heiko Hendriks Landesbeauftragter für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern
14 VAS-JOURNAL NRW OTTO RASCH … seit über 50 Jahren Vorsitzender des BdV Velbert-Neviges In dieser Ausgabe des Journals schauen wir unter anderem auch zurück auf „70 Jahre Charta der Heimatvertriebenen“. Mit unserem Interviewpartner Otto Rasch möchten wir Ihnen einen Menschen vorstellen, der sich seit über fünf Jahrzehnten im Sinne der Charta engagiert und vor Ort, in Velbert-Neviges, ehrenamtliche Arbeit für Vertriebene leistet. Sehr geehrter Herr Rasch, wie haben Sie auch der Vater zu uns gekommen war, wohnten Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten wir wieder zusammen und ich konnte 1950 die Weltkrieg und das Ankommen hier in NRW Schule abschließen und eine Lehre antreten. erlebt? Krieg und Vertreibung haben unsere Familie für Sie sind seit über 50 Jahren Ortsvorsitzender lange Zeit auseinandergerissen; mein Vater war des BdV in Velbert-Neviges. Wie hat sich bis Ende 1949 in Kriegsgefangenschaft. Im Rhein- diese ehrenamtliche Tätigkeit seither ent- land hat sich unsere Familie wieder gefunden. In wickelt? der direkten Nachkriegszeit waren meine Mutter Schon als Schüler habe ich mit meinem aus und ich zunächst bei Nachbarn, dann wieder im Schlesien stammenden Klassenlehrer Harald eigenen Haus in Ostpreußen und mussten für die Zeissler die Ortsgruppe der Deutschen Jugend russischen Soldaten arbeiten. Erst 1948 wurden des Ostens DJO gegründet und war dort und wir von den Polen „ausgewiesen“: zuerst in die dann in den Vertriebenenverbänden immer aktiv. SBZ, wo man uns von einem Lager ins nächste Mit meiner Wahl zum Ortsvorsitzenden am 1. schickte, kreuz und quer durchs Land, zunächst April 1969 – exakt 20 Jahre, nachdem ich ins nach Sonneberg in Thüringen, dann nach Glau- Rheinland gekommen war – vollzog der BdV eine chau in Sachsen, schließlich nach Frankfurt (Oder), wo wir zwangseingewiesen wurden. Meine Mutter arbeitete als Trümmerfrau, ich selbst ging zur Schule und nachmittags habe ich in einer Gärtnerei versucht, etwas dazu zu ver- dienen. Durch Postverbindung zu Geschwistern meiner Mutter, haben wir versucht, besuchs- Otto Rasch bei seiner Ansprache weise in den Westen zu kommen. Mit einem Inter- am 15. Juni 2019 zonenpass durften wir einreisen, aber eigent- (Festakt in Velbert- lich nur, um Eigentum zu holen, das wir im Krieg Neviges aus Anlass seines 50. Jubiläums zu den Schwestern der Mutter geschickt hat- als BdV-Ortsvor- ten. Nach einem Aufenthalt im Lager Friedland sitzender in Neviges, vorn ganz links der kamen wir nach Neviges, wo wir zuerst getrennt langjährige Velberter bei verschiedenen Verwandten lebten. Denn auf Bürgermeister und Wohnungsansprüche mussten wir offiziell ver- ehemalige Bundes- tagsabgeordnete zichten; eigentlich waren wir illegal. Nachdem Heinz Schemken)
02/2020 15 Art Generationswechsel, denn die ursprünglichen Gründer waren da ZUR PERSON schon im Rentenalter. In Neviges war es übrigens so, dass der dama- lige Bürgermeister Willy Anker selbst Vertriebener aus Königsberg Otto Rasch wurde 1935 in einem war und mir viele Impulse gab, zum Beispiel in der Arbeit des Ver- kleinen Dorf im Herzen Masurens triebenenbeirats. Hier war die soziale Hilfe für neue Flüchtlinge, etwa geboren (Kreis Sensburg). 1948 mit die Spätaussiedler, ein wichtiges Arbeitsfeld, fast bis in die Gegenwart. der Mutter aus der Heimat vertrieben, Mit unseren vielen Veranstaltungen und Festen haben wir immer ver- kam er nach Neviges im Rheinland sucht, auch die allgemeine Öffentlichkeit zu erreichen. Mit dem Fall und absolvierte eine Berufsausbildung der Mauer wurden verstärkt Reisen in die alte Heimat möglich und als Maler und Tapezierer. Neben fanden sehr viel Zuspruch im Verband, aber auch bei den Mitbürgern. dem Beruf war er vielfältig ehren- Mit der Errichtung eines Ostdeutschen Gedenksteins (1982) am amtlich tätig, so u. a. im Bereich der Schloss Hardenberg in Neviges haben wir die Verbindung mit der ein- Innung (Prüfungsausschüsse). Früh heimischen Bevölkerung auch stark gefestigt. organisierte er sich bei den Ver- triebenenverbänden, zunächst in der Was bedeutet die Charta der deutschen Heimatvertriebenen für Jugendarbeit. Sie und Ihre Mitglieder? Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen war für mich und 1969 wurde er zum Vorsitzenden des meine Arbeit immer das Grundgesetz der Vertriebenen. Sie gab mir Bunds der Vertriebenen in Neviges die Leitgedanken für mein Wirken im Verband und in der Öffentlich- gewählt. Auch im Rahmen des Stadt- keit. Ein wesentlicher Punkt war und bleibt für uns die Absage an jeden verbands Velbert (1975 wurde Neviges Gedanken von Rache oder Vergeltung. nach Velbert eingemeindet) und auf anderen BdV-Ebenen ist Otto Rasch Was würden Sie sich mit Blick auf Ihre ehrenamtliche Arbeit für aktiv. Er hat u. a. zahlreiche Heimat- die Zukunft wünschen? reisen in die ehemaligen ostdeutschen Die wichtigste Aufgabe für die Zukunft ist für mich, einen würdigen, Gebiete organisiert und sich auch bei engagierten Nachfolger oder auch eine Nachfolgerin für den Vor- der Integration der Spätaussiedler sitz des Ortsverbands zu finden, was sich aber als ziemlich schwierig engagiert, um nur zwei Schwerpunkte erweist. So bewerte ich jedenfalls meine Versuche der letzten Jahre. seiner Verbandsaktivitäten zu nennen. Ein wenig habe ich Sorge, dass in der Zukunft der Verband nicht mehr in der alten Lebendigkeit arbeiten kann oder vielleicht gar nicht mehr Längst möchte er die Nevigeser existiert. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass der Stabwechsel Verbandsleitung in jüngere Hände an die jüngere Generation gelingt, denn Interesse an unseren Treffen übergeben, aber noch immer heißt es: und Angeboten gibt es immer noch reichlich. „Ach, der Otto macht das schon!“ Gruppenbild im Innenhof der Marienburg, Ostpreußen-Reise unter Das Elternhaus von Otto Rasch in Ostpreußen (Kreis Sensburg), Leitung von Otto Rasch (er selbst ganz links, stehend) im Mai 2004 Ostpreußen-Reise, Mai 2004 (alle Fotos: Frank Hoffmann)
16 VAS-JOURNAL NRW ZU BESUCH BEI DEN SIEBENBÜRGER SACHSEN AUF SCHLOSS HORNECK Heiko Hendriks besucht die Einrichtungen des Verbandes in Gundelsheim Foto: Wikimedia Commons / Bildtechnik Braendle
02/2020 17 Auf Einladung des Landes- und Bundes vorsitzenden des Verbandes der Siebenbür- ger Sachsen, Rainer Lehni, hat eine kleine Delegation aus NRW unter Leitung des Beauftragten der nordrhein-westfälischen Landesregierung für die Belange von deut- schen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, Heiko Hendriks, die Kultur- und Bildungseinrichtungen des Verbandes auf Schloss Horneck in Gundelsheim (Baden-Württemberg) besucht. Die Ein- richtungen befinden sich in den Endzügen Unverkennbar: Ein Raum in der Bibliothek und der umfassender Modernisierungsmaßnahmen. Beauftragte mittendrin! (Foto: MKW NRW) Bereits 1957 hat das Land NRW die Paten- schaft über den Verband der Siebenbürger Sachsen übernommen. D ie stellvertretende Vorsitzende des Träger- in Deutschland besonders wichtig sei, dass die vereins „Siebenbürgisches Kulturzentrum hier ansässigen Einrichtungen unter einem Dach Schloss Horneck e.V.“, Herta Daniel, hieß die erhalten bleiben. Gäste im Namen des Schlossvereins herzlich will- kommen und bedankte sich für die jahrzehnte- Anschließend fand ein Informationsgespräch lange Unterstützung der Siebenbürger Sachsen mit der Bundeskulturreferentin für Sieben- durch das Land Nordrhein-Westfalen, die nicht bürgen, Dr. Heinke Fabritius, statt. Erklärtes Ziel nur über eine Patenschaft, sondern über eine ihrer breitenwirksam angelegten Arbeit ist es, echte Partnerschaft eng miteinander verbunden auch Menschen zu erreichen, die keinen sieben- sind. Herta Daniel ging auf die schwierige Situa- bürgischen Hintergrund haben und die Kul- tion im Jahr 2015 ein und erläuterte die Meilen- tur Siebenbürgens auch an Orten präsent zu steine nach dem Ankauf von Schloss Horneck machen, die nicht in Verbindung mit Aussiedlung durch den Schlossverein, angefangen von der stehen. Darüber hinaus initiiert Frau Dr. Fabritius vom Verband der Siebenbürger Sachsen initiier- z. B. auch Projekte in Kooperation mit Institutio- ten, sehr erfolgreichen Spendenaktion über den nen aus Siebenbürgen, zum Beispiel einen Aus- Kauf der Schlossimmobilie bis hin zu der „kleinen tauschbesuch von Jugendlichen beider Länder. Eröffnung“ im Juli 2020. Besuch des Museums Der Bundesvorsitzende Rainer Lehni ergänzte aus Sicht des Verbandes der Siebenbürger Sach- Unter der Leitung von Dr. Irmgard Sedler (Vor- sen die Ereignisse rund um Schloss Horneck. Er sitzende des Trägervereins „Siebenbürgisches betonte, dass es für die Siebenbürger Sachsen Museum e.V.“) und dem Museumsleiter
18 VAS-JOURNAL NRW Fotos diese Seite, von oben links im UZS (alle Fotos: MKW NRW): Im Archiv des Museums Herta Daniel und Heiko Hendriks werfen einen intensiven Blick auf eine alte Landkarte von Hermannstadt Bildtafel zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen Traditionelle Trachten für Herren Ein „Nachbarzeichen“ zur Nach- richtenweitergabe untereinander Dr. Markus Lörz erfolgte am Nachmittag ein wege und Landschaften“, die anlässlich der Rundgang durch das Siebenbürgische Museum, EU-Ratspräsidentschaft der Bundes republik der nicht nur das bestehende Museum zum Inhalt Deutschland gezeigt wird, ein. Diese Ausstellung hatte, sondern bei dem die Delegation auch die präsentiert Landschaften und Stadtansichten bald zusätzlich zur Verfügung stehenden neuen aus ganz Europa und erzählt vom Neubeginn in Räumlichkeiten in Augenschein nehmen konnte. der Fremde. Das Museum, das heute über 22.000 Exponate beherbergt, geht auf ehrenamtliche Initiativen zur Erhaltung des siebenbürgischen Kulturgutes Im Torbogen vor den Deutschmeistergrabdenkmälern auf Schloss Horn- eck, von links nach rechts Rainer Lehni, Heiko Hendriks, Dr. Irmgard Sedler, zurück. 1991 wurde das Museum in ein profes- Herta Daniel, Dr. Markus Lörz sionell geführtes Landesmuseum umgewandelt. Anhand von Alltagsgegenständen aus Sieben- bürgen wird den Besucherinnen und Besuchern plastisch dargelegt, wie das Leben in Sieben- bürgen über die Zeit und über verschiedene Lebensphasen hinweg gestaltet war. Dr. Irmgard Sedler ging sehr ausführlich auf die Nachbarschaften in Siebenbürgen ein. Sie erläuterte deren Funktionsweise und wie diese Form der Selbstorganisation das gesamte Leben in siebenbürgischen Dörfern bestimmte, den Bewohnern aber auch Halt und Orientierung gab. Dr. Markus Lörz, der Leiter des Museums, führ- te die Gäste in die Ausstellung „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa, Lebens-
02/2020 19 ZUR PERSON Fotos diese Seite, von oben links im UZS (alle Fotos: MKW Dr. Heinke Fabritius ist seit NRW): November 2017 als Kulturreferentin für Museum zum Anfassen: Traditionelle Webarten zum Siebenbürgen tätig. Ertasten Dr. Ingrid Schiel zeigt Heiko In Siebenbürgen geboren, ebenda Hendriks im Archiv wahre sowie in Bukarest aufgewachsen, Schätze ist sie mit Sprachen, Kulturen und Wertvolle Schriften im Archiv Geschichte des heutigen Rumäniens des Museums bestens vertraut. Das Studium der Kunstwissenschaft an der TU Berlin hat sie mit einer Promotion zur Zeich- Beindruckende Bibliothek mit Archiv nung der Goethezeit abgeschlossen. Ihren Blick für den Reichtum und die Zum Abschluss zeigte der Vorsitzende des Siebenbürgisch- Vielfalt der europäischen Kultur hat Sächsischen Kulturrats e.V., Dr. Harald Roth, zusammen mit sie geschärft an der bildenden Kunst. der Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts, Dr. Ingrid Das Lernen in den Museen war dabei Schiel, den Gästen die Siebenbürgische Bibliothek mit ihren ebenso prägend wie ihre langjährige 90.000 Medieneinheiten und das Archiv mit 1.500 Regal- wissenschaftliche Tätigkeit in For- metern Archivalien, Nachlässen, Bild- und Tonmaterialien. schung und Lehre (GWZO Leipzig und Es handelt sich hierbei um eine internationale Forschungs- NYU Berlin). Geschichte und Kultur der stätte, die an die Universität Heidelberg angeschlossen ist. Regionen Ostmitteleuropas bilden seit Besonders beeindruckt war Heiko Hendriks von den wert- je einen wesentlichen Schwerpunkt vollen Exponaten, wie zum Beispiel dem Originaldruck des ihrer Arbeit. Reformationsbüchleins von Honterus oder von Büchern Foto: Anna Nesterenko und Landkarten aus dem 15. Jahrhundert. Fazit des Beauftragten „Für den Verband und damit auch für alle an der Geschichte Kulturreferentin für und den Aktivitäten der Siebenbürger Sachsen Interessier- Siebenbürgen ten ist es toll, dass auf Schloss Horneck nun alle Bildungs- Dr. Heinke Fabritius und Kultureinrichtungen ergänzt durch ein Hotelangebot Siebenbürgisches Museum an einem Ort zu finden sind. Dies eröffnet sicherlich auch die Möglichkeit, Besuchergruppen für diesen Teil der deut- Schloßstraße 28 schen und europäischen Geschichte zu begeistern, die sich 74831 Gundelsheim am Neckar bisher damit noch nicht beschäftigt haben. Ich wünsche kulturreferat@ allen Einrichtungen viele Besucherinnen und Besucher!“ siebenbuergisches-museum.de +49 (0) 6269 – 42 23 12
20 VAS-JOURNAL NRW KULTURTAGUNG IM HAUS OBERSCHLESIEN VO N C H R I STO P H M A R T I N L A BA J Am 23.10.2020 fand im Haus Oberschlesien in Ratingen eine Tagung des Kulturreferats der Stiftung Haus Oberschlesien (SHOS) statt, zu der der Bundesvorstand und die Bundes- vertretertagung der Landsmannschaft der Oberschlesier e.V. (LdO) sowie der Beauftragte für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern des Landes Nordrhein-Westfalen, Heiko Hendriks, eingeladen waren. Der thematische Schwerpunkt der Veranstaltung sen Themen berate und die entsprechenden bestand in der Vorstellung der kulturellen Gruppen betreue. Gleichzeitig richtete Hendriks Arbeit Dr. Skrabanias für die SHOS. Nach einer seinen Dank an alle, die sich institutionell aktiv Begrüßung durch den Organisator und der Vor- für das Thema „Oberschlesien“ engagierten und führung des Kurzfilms „Blickwechsel. Deutsche sich bemühten, es europäisch und historisch an im östlichen Europa – eine Entdeckung“, stellte jedermann zu bringen. Heiko Hendriks seinen Aufgabenbereich vor. Wichtig sei, aus der Sicht von Heiko Hendriks Moderne Kulturarbeit und Gewinnung neuer auch das Interesse der Bevölkerung an den The- Zielgruppen men Vertreibung und Aussiedlung zu wecken. Hierbei sei insbesondere die Frage, woher stam- Zunächst begründete er die Notwendigkeit sei- men die Bürger in NRW und wer macht NRW ner Position in einem Land wie NRW, wo aktuell eigentlich aus, von entscheidender Bedeutung. Impressionen von der Tagung (Foto: MKW) ca. 800.000 (Spät-)Aussiedler beheimatet seien. In der heutigen Zeit, insbesondere aufgrund der Mit einem Blick auf die Vergangenheit sei zu beto- Pandemie, spielten digitale Medien eine größere nen, dass nach dem 2. Weltkrieg ca. 2,5 Millionen Rolle denn je zuvor. Durch einen kreativen und deutsche Vertriebene und Flüchtlinge aus den innovativen Einsatz dieser müssten das Ober- ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Nord- schlesische Landesmuseum sowie dortige Pro- rhein-Westfalen gekommen seien. Hinzu käme jekte zu einem Erlebnisort gemacht werden. noch die Zahl von ca. 800.000 Übersiedlern aus Ein Erlebnisort wecke bei sogenannten „Out- der damaligen DDR. Somit brauche NRW einen sidern“ Neugier, welche dann weitergetragen Beauftragten, der die Landesregierung bei die- werde. Auch die Einbindung von Schulklassen
02/2020 in die kulturelle Arbeit sei von enormer Wichtig- keit. Die Themen „Flucht und Vertreibung“ sowie „Aussiedlung“ seien bereits ein Teil des Schul- curriculums in einem Umfang von acht bis vier- zehn Stunden im Geschichtsunterricht in NRW. Dazu gebe es eine entsprechend erstellte Hand- reichung für Lehrkräfte. Kulturreferat der SHOS nach § 96 BVFG Den nächsten Block übernahm Dr. Skrabania mit der Vorstellung der Tätigkeit des Kulturreferats der SHOS nach § 96 BFVG. Sein Ziel sei es, in der Rolle des Projektmanagers und –förderers, selten nur bedingt oder gar nicht an die jüngere V. l. n. r.: Kulturreferent der Landsmannschaft die regionale Kulturgeschichte Oberschlesiens in Generation herangetragen. Aus diesem Grund Christoph Labaj, Zusammenarbeit mit thematischen Netzwerken müsse die LdO einen Paradigmenwechsel von Bundeskulturreferent zu verbreiten. Die kulturelle Arbeit und die damit einer Gemeinschaft zu einer gemeinschaftlichen Dr. David Skrabania, Landesbeauftragter verbundene Projektförderung übernehme Dr. Bildungsinstitution vollbringen, um zeitgemäße Heiko Hendriks und Skrabania als ein sogenannter „verlängerter Arm“ europäische Kulturarbeit zu leisten. Weiter- Stiftungsvorsitzender Sebastian Wladarz der/des Beauftragten der Bundesregierung für hin stellte der Kulturreferent den Ablauf bei der (Foto: MKW) Kultur und Medien (BKM). Seit 2017 habe die Antragstellung auf Fördermittel für Projekte inkl. SHOS 103 Projekte geplant bzw. durchgeführt. der zuständigen Dienststellen und Antragsfristen Einige der aufgezeigten Beispiele waren das dar. Betont hat er dabei, dass die Landes- und Brettspiel „Schlesische Eisenbahnreise“ und das Kreisgruppen sich künftig bezüglich der Antrag- Podium Silesia-News. stellung an ihn wenden möchten. Der Vorsitzende des Bundesvorstandes der Volksabstimmung und Aufstände 1921/22 SHOS, Sebastian Wladarz, richtete anschließend seinen Dank an das Kulturreferat aus und spornte Den Vorträgen folgte ein spezifisches Thema. zur Zusammenarbeit aller Instanzen an, was, wie Dr. Skrabania hielt einen äußerst spannenden, er betonte, bereits geschehen würde. mit historischem Bildmaterial gespickten Vor- trag zur Volksabstimmung in Oberschlesien Kulturreferent der LdO stellt sich vor 1921 und der daraus folgenden Teilung 1922. Dr. Skrabania zeigte zahlreiche Beispiele für sowohl Die kulturelle Tätigkeit blieb zunächst an der deutsche, als auch polnische Propaganda, wel- Tagesordnung. An dieser Stelle übernahm der che mit Stereotypen, Metaphern und Bildhaftig- Kulturreferent der LdO, Christoph Martin Labaj, keit die Menschengruppen auf ihre Seite ziehen um über seine im Juli angetretene Tätigkeit zu wollte. berichten. Zunächst betonte Herr Labaj, dass das MKW ihn im Rahmen seiner vorerst ein- Die Veranstaltung erwies sich nicht nur als infor- jährigen Projektstelle vordergründig mit der Auf- mativ und anregend, sondern hatte auch den gabe beauftragt habe, ein Konzept zur Neuaus- Vorteil, die kulturelle Tätigkeit beider Institutionen richtung der LdO in Zusammenarbeit mit der als auch die Perspektive des Landes NRW vorzu- SHOS zu erstellen. Diese Konzeption sei aus stellen. Beim gemeinsamen Mittag- und Abend- mehreren Gründen vital. Wie die Konzeption essen gingen die Gespräche und Diskussionen zur Neuausrichtung der Förderung nach § 96 weiter. BVFG aussagt, schwinde aus natürlichen Grün- den die damalige Erlebnisgeneration der Flucht und Vertreibung. Ihre Erlebnisse würden nicht
22 VAS-JOURNAL NRW MONOLITH E.V. STELLT SICH VOR Ein Verein zur Integration von Spätaussiedler/-innen im Kreis Paderborn D ie Gründung des Vereins „Monolith e.V.“ war 2001 das und sie durch niederschwellige Maßnahmen und Angebote Ergebnis eines Gemeinschaftsprojekts der Pader- zu befähigen, ein selbst verantwortetes Leben nach den borner Wohlfahrtsverbände in Zusammenarbeit mit dem Regeln der neuen Heimat führen zu können. Dies soll damaligen Arbeitsamt und dem Kreis Paderborn. durch Einzelgespräche, Gruppenarbeit, niederschwellige Beratung, Seminare, Vorträge, Exkursionen, Projekte, Gre- Innerhalb kurzer Zeit fanden sich kompetente und enga- mien- und Öffentlichkeitsarbeit gelingen. gierte Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die ehren- amtlich Aktionen für ihre Landsleute ins Leben riefen und für Alle Ehrenamtlichen bieten je nach Begabung und Interesse sie Freizeit- und Bildungsangebote entwickelten. Kontak- für alle Altersstufen die Möglichkeit, sich in Gruppen zu tref- te untereinander wurden gestärkt und durch gemeinsam fen und gemeinsam einer Beschäftigung nachzugehen. In organisierte Veranstaltungen die Paderborner Öffentlichkeit der Regel finden die Gruppenangebote einmal in der Woche informiert. statt. Zum Beispiel kommen jede Woche über 350 Kinder in der Samstagsschule zusammen, um schwerpunktmäßig Monolith e.V. orientiert sich am Integrationskonzept des Russisch als Zweitsprache zu lernen. Kreises Paderborn, mit dem er sehr eng zusammenarbeitet und der ihn finanziell fördert. Zielsetzungen sind Menschen Regelmäßig werden auch größere Veranstaltungen wie mit Migrations- und Zuwanderungshintergrund (Aussiedler, Konzerte, Ausstellungen, Theater-Aufführungen, Vorträge, Migranten und Flüchtlinge) in die Lebens- und Arbeits- Exkursionen usw. durchgeführt. welten ihrer neuen Heimat einzuführen, ihnen politisch- und gesellschaftsrelevante Informationen zukommen zu lassen Monolith e. V. Ledeburstr. 30 33102 Paderborn Tel.: 05251-8785717 www.netzwerk-monolith.de Von oben links im UZS: Vorsitzende Irene Neh bei der Lassen Sie sich für unseren Kanzlerin Newsletter eintragen! Jungpolitiker bei der Monolith- Jugend Koordination: Dr. Helene Frank Seniorengruppe, Irina Gez, Pader- h.frank@netzwerk-monolith.de born, WDR-Hausführung, 22.06.19 Pädagogische Mitarbeit: (Alle Fotos: Monolith e.V.) Elena Kern, M.A. e.kern@netzwerk-monolith.de
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