VERGABERECHT FRÜHSTÜCK 2018 - BERLIN / 06. MÄRZ 2018 - SAMMLERUSINGER
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Agenda Begrüßung Aktueller Stand: Umsetzung des Wettbewerbsregistergesetzes Update 2018 Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten
Unser Team im Vergaberecht Sabine Usinger, Partnerin Monika Prell Anna-Maria Dahlke Stephanie Otto Rechtsanwältin und Rechtsanwältin Rechtsanwältin Rechtsanwältin Notarin 4
Aktueller Stand Wettbewerbsregistergesetz Dr. Daniel Fülling, Referat Öffentliche Aufträge, Vergabeprüfstelle, Immobilienwirtschaft (BMWi) 5
Das Wettbewerbsregister • „Das bundesweite Wettbewerbsregister macht es Auftraggebern künftig leichter, das Vorliegen von Ausschlussgründen nachzuprüfen.“ (Quelle Homepage BMWi, 01.03.2018) • Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) seit 29. Juli 2017 in Kraft • Abfrageplicht für Vergabestellen ab Auftragswert von 30.000,- € netto • Eintrag von rechtskräftigen Verurteilungen, Strafbefehlen oder bestandskräftigen Bußgeldentscheidungen wegen zwingender Ausschlussgründe nach § 123 Abs.1, Abs. 4 GWB fakultativen Ausschlussgründen nach § 124 GWB (Kartellrechtsverstöße und Verstöße gegen bestimmte arbeitsrechtliche Vorschriften) • Einrichtung einer Registerbehörde beim Bundeskartellamt, elektronische Datenbank • Aktueller Stand zur Umsetzung 6
Update 2018 Monika Prell 7
Neue Schwellenwerte für EU-weite Vergabeverfahren seit 01.01.2018 Liefer- und Dienstleistung allgemein (VgV) 221.000,- € (netto) Liefer- und Dienstleistung 144.000,- € (netto) Oberste Bundesbehörde Sektorenbereich (Energie, Trinkwasser, Verkehr), Bereich Sicherheit/Verteidigung bei Liefer- und 443.000,- € (netto) Dienstleistung Bauleistung (auch Sektorenbereich, Verteidigung und 5.548.000,- € (netto) Sicherheit) 8
Unterschiede EU-weite und nationale Vergaben EU-weite Ausschreibungen: Ab Schwellenwert Zwingende Geltung der Regelungen der Vergaberechtsreform Einheitliche feste Fristen (Angebotsfristen) Rügemöglichkeit/-pflicht, Vorabinformation vor Zuschlag (Suspensiveffekt), Rechtsschutz vor Vergabekammern/OLG Nationale Ausschreibungen: Unterhalb Schwellenwert Optionale Geltung der neuen „UVgO“ „Angemessene“ Fristen, keine Rügepflicht, keine Vorabinformation, kein Primärrechtsschutz, ggf. einstweilige Verfügung Spezielle Regelung in Bundesländern 9
Aktueller Stand Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) Nationale Ausschreibungen • Bisher: Vergabeordnung für Liefer- und Dienstleitung (VOL/A 1. Abschnitt), Ländervergabegesetze • Seit Februar 2017 Anpassung an Vergaberechtsreform im nationalen Bereich mit „UVgO“ • Keine Verpflichtung zur Anwendung • Geltung jeweils durch ausdrücklichen Erlass Erlasse bisher vom Bund, Hamburg, Bayern und Bremen Andere Bundesländer Umsetzung im Laufe von 2018 geplant (Berlin, NRW, Niedersachsen, B.-W., Meckl.-Vorp. ab 01.07.2018) Hessen ggf. weiterhin VOL/A 1. Abschnitt 10
Aktuelles • Seit 01.01.2018: Anwendung von VHB 2017 bei Baumaßnahmen des Bundes (https://www.fib- bund.de/Inhalt/Vergabe/VHB/) • Monatlich aktualisierte „Rahmenvertrags-Roadmap“ der Zentralstelle der IT Beschaffung (ZIB) (https://e‐beschaffung.bund.de) • Seit 01.02.2018: Aktueller EVB-IT Dienstleitung veröffentlicht (www.cio.bund.de) • E-Rechnungsverordnung vom 13.11.2017: Einführung der verpflichtenden E-Rechnung ab 27.11.2020 bei öffentlichen Aufträgen • Rundschreiben Senat Berlin Einführung E-Vergabe vom 01.12.2017 und 19.01.2018 („Countdown“ E-Vergabe zum 18.10.2018) Neue Umweltschutzanforderungen bei Beschaffung von Pkw vom 05.01.2018 Übersicht über alle Änderungen „Allgemeine Anweisungen für die Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben Berlins“ (ABau) vom 26.02.2018 11
Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten Rechtsanwältin Monika Prell 12
Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten Aufklären oder Ausschluss? Der richtige Umgang mit Bieterfragen Rügepflicht und Informationspflicht bei nationalen Vergaben? 13
Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten Aufklären oder Ausschluss? Der richtige Umgang mit Bieterfragen Rügepflicht und Informationspflicht bei nationalen Vergaben? 14
Aufklären oder Ausschluss? EU-Vergabe: Zuschlag Angebotsabgabefrist/ Vorabinformation Teilnahmefrist Bekanntmachung EU-weit/national EU-Vergabe: Wertung des Wartepflicht Angebotes Bedarfsplanung 15
4-stufige Angebotswertung 1. Wertungsstufe: formale Anforderungen? 2. Wertungsstufe: Eignung? 3. Wertungsstufe: (Gesamt)Preis angemessen? 4. Wertungsstufe: wirtschaftlichstes Angebot? 16
Auslegung und Aufklärung geht Ausschluss vor • Zwingende Ausschlussgründe? - Angebot nicht form – oder fristgerecht - Fehlende Preisangaben (Ausnahme unwesentliche Preisangaben) - Zwingend (nach)geforderte Unterlagen nicht enthalten - Änderung (Auslassung/Streichen/andere Angaben) von Vergabeunterlagen durch Bieter • Aufklärung geht Ausschluss vor, Ausschluss „ultima ratio“ - Missverständliche Formulierung durch Vergabestelle veranlasst? - Auslegung der Erklärung des Bieters nach Empfängerhorizont §§ 133, 157 BGB: „Objektiver Maßstab, durchschnittlicher fachkundiger Bieter aus der Gruppe des mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreises“ - Verbleibende Unklarheiten/Widersprüche gehen zu Lasten der Vergabestelle 17
Eindeutige Vergabeunterlagen vs. Auslegungsbemühungen • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017, Verg 19/17 (VgV) - Ausschreibung LKW-Mautsystem (Verhandlungsverfahren mit TN-Wettbewerb), Auslegung Referenzobjekt „produktiver Betrieb eines Mautsystems“ - Zeitintensives Herausfiltern der Information dem Bieter zumutbar? OLG: kein allgemeiner Rechtssatz, dass anspruchsvolle Auslegungsbemühungen für Bieter unzumutbar sind. - Hier: Auftragsvolumen im zweistelligen Milliardenbereich, potentieller Bieterkreis hochinnovative Unternehmen, Personal ist mit anspruchsvollen Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen vertraut, für Bieter unter Einbeziehung aller Unterlagen erkennbar • VK Westfalen, Beschluss vom 28.11.2017, VK 1 27/17 (VgV) - Ausschreibung Sicherheitsdienstleistungen für „LEA“ (Offenes Verfahren) - Zuschlag 40% Preis, 55% Konzepte, 5% Qualifikation Sicherheitsdienstleistungen - Keine Aufklärungspflicht von unklaren Konzepten, detaillierte Angabe Sache des Bieters 18
Auslegung und Aufklärung geht Ausschluss vor • VK Bund, Beschluss vom 20.12.2017, VK 2 140/17 (VgV) - Ausschreibung von Stromtankstellensystem im Offenen Verfahren - Keine Eignungskriterien, Wertung 30 % Preis, 40 % Referenzen („Bezahlsystem“ und „Säulen Stromtankstellen“), 30 % Konzept - Signifikate Preisdifferenz - Aufklärung nach § 60 VgV über die „Ermittlung der Preise für Gesamtleistungen“ nicht/zu spät erfolgt - Ausschluss (auch deswegen) unzulässig, konkret identifizierte Positionen sind gegenüber dem Bieter zu benennen • VK Bund, Beschluss vom 22.12.2017, VK 2 140/17 (VSVgV) - Ausschreibung von „sondergeschützten Geländewagen“, Verhandlungsverfahren - Vorgabe mit Angebotsabgabe oder 8 Monate nach Auftragserteilung mit Vorstellung des Muster-Kfz mit vollständiger „Neuzertifizierung“ gemäß Leistungsbeschreibung - „Wiederholung der Zertifizierung“ – Ausschluss nach 31 Abs. 2 VSVgV unzulässig 19
Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung • KG Berlin, Beschluss vom 21.11.2014, Verg 22/13 - Unklares LV geht zu Lasten der Vergabestelle - „Flüssige“ Darstellung, „einheitliche“ Software • VK Bund, Beschluss vom 15.01.15, VK 2 105/14 - Angabe Angebot 3,5 Jahre Betriebsphase anstatt geforderter 4 Jahre - Kein Ausschluss, Aufklärung geht vor, in Kalkulation 4 Jahre • OLG Naumburg, Beschluss vom 12.09.2016, 7 Verg 5/16 - Auslegung anhand Leistungsbeschreibung mit sämtlichen Anlagen - Aus Anlage zweifelsfrei Gegenstand/Inhalt beschrieben: Ausschluss gerechtfertigt 20
Konsequenz • Vergabestelle - Klare Leistungsbeschreibung mit konkreten Parametern („Blick von außen“) - Entscheidung anhand Kriterien der Rechtsprechung: unklare Darstellung der Vergabestelle oder Änderung vom Bieter zu vertreten? - Welchen Einfluss hat Entscheidung auf Wertungsergebnis? - Im Zweifel aufklären • Bieter - Vorabinformation zu Ausschluss wegen „Änderung der Vergabeunterlagen“ grundsätzlich hinterfragen - Nötige Aufklärung von Vergabestelle unterblieben oder aus Vergabeunterlagen – trotz intensivem Herausfiltern - erkennbar? - Zu welchem Ergebnis hätte die Aufklärung geführt? 21
Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten Aufklären oder Ausschluss? Der richtige Umgang mit Bieterfragen Rügepflicht und Informationspflicht bei nationalen Vergaben? 22
Bieterfragen • Regelung in § 20 Abs. 3 VgV, § 19 Abs. 2 SektVO, § 10 a Abs. 6 VOB/A EU Allgemeine Nachfrage des Bieters zu Widersprüchen/Lücken in der Leistungsbeschreibung Transparenzgrundsatz: anonymisierte Veröffentlichung der Bieterfragen und Antworten Auch taktisches Mittel in Vergabeverfahren („Aufschlauen“ der Mitbieter) Bieterfragen und Antworten werden Vertragsbestandteil Pflicht zur Beantwortung innerhalb vorgegebener Fristen bei EU-weiten Vergaben Offenes Verfahren: Antwort bis 6 Tage vor Ablauf der Angebotsabgabefrist Analoge Geltung für nationale Vergaben, aber keine explizite Regelung 23
Frist für Stellen von Bieterfragen? • Keine Regelung in Vergabeverordnungen, häufig Vorgabe in Vergabeunterlagen • VK Bund, Beschluss vom 27.01.2017, VK 2-131/16 (VOB/A EU) - Ausschreibung zur Erdbauleistungen (Offenes Verfahren) - Frist für Bieterfragen 13.10.2016, 14.10.2016 Eingang von Bieterfrage - 18.10.2016 Antwort nur an Bieter, Angebotsfrist 20.10.2016,Vorabinformation 16.11.2016, Rüge und Nachprüfungsantrag 25.11.2016 - Bieterfrage nicht über Plattform an alle Bieter veröffentlicht, Rückversetzung des Vergabeverfahrens - Vergabestelle Berufung auf Fristablauf 13.10.2016 - VK: Bieterfragen können bis kurz vor Ablauf der Angebotsfrist gestellt werden, wenn eine Unklarheit besteht und die Frage Defizite aufdeckt - Auftraggeber kann die Beantwortung und die Veröffentlichung nicht mit Verweis auf Verfristung ablehnen - Auftraggeber hat immer Möglichkeit zur Verlängerung der Angebotsfrist 24
Konsequenz • Vergabestelle - Prüfung, welche Kalkulationsrelevanz die Antwort für alle Bieter hat - Veröffentlichung der Bieterfrage trotz Fristablauf - Vorsichtshalber (ggf. kurze) Fristverlängerung der Angebotsabgabefrist • Bieter - Trotz Fristablauf Bieterfragen bis zur Angebotsabgabe möglich - Bei Formulierung angeben, dass Beantwortung für alle Bieter kalkulatorisch relevant - Fristverlängerung für Angebotsabgabe mit Bieterfrage beantragen 25
Bieterfrage oder Rüge? EU-Vergabe: Zuschlag Angebotsfrist/ Vorabinformation Teilnahmefrist Bekanntmachung EU-weit/national 26 26
Die Regelung zur Rüge, § 160 Abs. 3 GWB „ (1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. … (3) Der Antrag ist unzulässig, soweit 1. der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt, 2. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden, 3. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden, 4. mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.“ 27
Bieterfrage oder Rüge? • Bieterfrage dient der Aufklärung von Widersprüchen oder Unklarheiten • Rüge macht Vergabeverstoß der Vergabestelle geltend - Nach Vergaberechtsreform Rügefrist von 10 Tagen nach erkanntem Verstoß, § 160 Abs. 3 GWB - Rüge zwingende Voraussetzung für weiteres Nachprüfungsverfahren bei EU-weiten Vergabeverfahren - Rüge zu spät: Antrag im Nachprüfungsverfahren präkludiert - Keine Formvorschriften - Keine Veröffentlichung an andere Bieter • Häufiges Vorgehen in der Praxis: „zweistufiges Vorgehen“ - Stufe 1: „Vertriebsfreundliche Klärung“ von Vergabeverstoß mit Bieterfrage - Stufe 2: Bei Festhalten an Vergabeverstoß nach Antwort auf Bieterfrage: Rüge 28
Bieterfrage oder Rüge? • VK Bund, Beschluss vom 20.12.2016, VK 1 122/16 - Bei IT-Infrastrukturkomponenten keine Aufteilung in Fachlose, Bieterfrage: „Kann zumindest der Speicherteil isoliert von Servern vergeben und somit auch wieder dem § 97 Abs. 4 GWB entsprochen werden?“ - Nach Ablehnung durch Vergabestelle Rüge von unzulässiger Gesamtvergabe des Bieters, nach Nichtabhilfe der Rüge Antrag auf Nachprüfungsverfahren - VK Bund: Auslegung der Bieterfrage. Auch höflich formuliertes Schreiben, das mit einer Frage endet, kann die Voraussetzung einer Rüge erfüllen, wenn es eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthält. - Hier: Die Bieterfrage wird als Rüge angesehen wird, da Verstoß gegen Losaufteilung beanstandet wird, die negative Antwort auf die Bieterfrage wird als „Nichtabhilfe der Rüge“ nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB gewertet. - Nachprüfungsantrag unzulässig, da zu spät: Zeitpunkt für 15-tägige Antragsfrist nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB läuft von der ablehnenden Antwort auf die Bieterfrage. 29
Bieterfrage oder Rüge? • VK Bund, Beschluss vom 16.10.2017, VK 1 103/17 - Schreiben des Bieters mit „Verständnisfragen zum Vergabevorgang“ ∙ Zweifel an fairer Zuschlagsentscheidung bei Wertungsmatrix, Bedenken gegen Gewichtung der Kriterien ∙ „Bitte, Einwände in gewisser Weise zu berücksichtigen“ - Schreiben als Rüge zu werten 30
Konsequenz • Vergabestelle - Inhalt der Bieterfragen prüfen: Vergabeverstoß? - Bei Einstufung der Bieterfrage als Rüge: keine Veröffentlichungspflicht an andere Bieter - Konsequenz bei falscher Einstufung? ∙ Bieterfrage zu Unrecht als Rüge eingestuft, nicht veröffentlicht – Verstoß gegen Transparenzgrundsatz ∙ Veröffentlichte Bieterfragen werden als Rüge eingestuft – Verstoß gegen Gewährleistung der Vertraulichkeit • Bieter - Auf genaue Formulierung der Bieterfrage achten - Bei konkretem Vergabeverstoß unabhängig von Formulierung immer Rüge - „Präklusionswirkung“ und Auswirkung auf Fristen nach § 160 Abs. 3 GWB 31
Rechtssichere Taktik bei Ausschreibungen und Angeboten Aufklären oder Ausschluss? Der richtige Umgang mit Bieterfragen Rügepflicht und Informationspflicht bei nationalen Vergaben? 32
Unterschiede EU-weite und nationale Vergaben EU-weite Ausschreibungen: Ab Schwellenwert Rügemöglichkeit und Rügepflicht § 160 Abs. 3 GWB, Vorabinformation 134 GWB (Suspensiveffekt), „effektiver“ Primärrechtsschutz Nationale Ausschreibungen: Unterhalb Schwellenwert Keine Rügepflicht, keine Vorabinformation, kein Primärrechtsschutz, ggf. einstweilige Verfügung Spezielle Regelung in Bundesländern 33
Rügepflicht bei nationalen Vergaben? • OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.01.2015, 1 U 138/14, LG Bielefeld, Urteil vom 27.02.2014, 1 O 23/14, LG Berlin, Beschluss vom 05.12.2011, 52 O 254/11 Auch bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwelle vor gerichtlicher Geltendmachung (einstweiliger Rechtsschutz) Rügepflicht des Bieters Ausschreibung begründet wechselseitiges Rücksichtnahmepflichten, vorvertragliches Schuldverhältnis unterhalb der Schwellenwerte OLG Saarbrücken und LG Bielefeld: analog § 107 Abs.3 GWB a.F. (§ 160 Abs. 3 GWB) • Konsequenz Vergabestelle ohne Rüge gute Chancen bei Rechtsstreit Bieter vorsichtshalber auch bei nationalen Vergabeverfahren unterhalb der Schwelle immer vor Rechtsschutz rügen 34
„Vorabinformationspflicht“ bei nationalen Vergaben? EU-Vergabe: Vorabinformation Zuschlag Angebotsfrist/ Teilnahmefrist Bekanntmachung EU-weit/national 35 35
Die Regelung für EU-weite Vergabeverfahren zur Informations- und Wartepflicht, § 134 GWB (1) „Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Dies gilt auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist. (2) Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden. Wird die Information auf elektronischem Weg oder per Fax versendet, verkürzt sich die Frist auf zehn Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber; auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Bieter und Bewerber kommt es nicht an.“ 36
„Vorabinformationspflicht“ bei nationalen Vergaben? • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 - 27 U 25/17 - Auch unterhalb der Schwellenwerte und unterhalb einer Binnenmarktrelevanz ist ein Vertrag über Überlassung eines Grundstücks zwecks Betriebs von Sport- und Freizeitanlagen in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben. - Bei Verstößen besteht die Möglichkeit des Zivilrechtswegs mit einstweiliger Verfügung für ein Zuschlagsverbot. - Bei erteiltem Zuschlag ist der Vertrag wirksam – nur dann nicht, wenn der geschlossene Vertrag unwirksam oder nichtig nach § 134 BGB ist. - Ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag ist wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz als nichtig einzustufen, um effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. 37
„Vorabinformationspflicht“ bei nationalen Vergaben? • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 - 27 U 25/17: „Eine Vertragsnichtigkeit könnte allerdings daraus resulterien, dass die Antragsgegnerin weder über den beabsichtigten Vertragsschluss informiert noch im Anschluss hieran eine angemessene Wartefrist eingehalten hat. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union fordern die gemeinsamen Verfassungen der Mitgliedsstaaten und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen effektiven und vollständigen Schutz gegen Willkür des öffentlichen Auftraggebers. Dieser vollständige Rechtsschutz verlangt, sämtliche Bieter vor Abschluss eines Vertrages von der Zuschlagsentscheidung zu unterrichten. Ein vollständiger Rechtsschutz verlangt auch, dass zwischen der Unterrichtung abgelehnter Bieter und der Unterzeichnung des Vertrags eine angemessene Frist liegt, innerhalb der für den Bieter ein vorläufiger Schutz gewährt werden kann, wenn er für die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Sache erforderlich ist (EuG, Urteil v. 20.09.2011, T-461/08)….“ 38
Konsequenz? • Stellungnahme Städte- und Gemeindebund NRW vom 25.01.2018 - Kritische Hinterfragung, bewusste Entscheidung, Regelung entsprechend § 134 Abs. 3 GWB nicht in die UVgO zu übernehmen - Erhebliche Mehrbelastung für Vergabestellen, da Unterschwellenvergaben „Massenphänomen“, Einzelfallentscheidung - Aber: auch bei Rüge keine Regelung nach § 160 Abs. 3 GWB in UVgO, konsequente Anwendung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten, ansonsten Gefahr der Zuschlagserteilung auf Rüge - Weitere Entwicklung der Rechtsprechung abwarten • Vergabestelle - Vorsorglich „nationale Vorabinformation“? • Bieter - Berufung auf nichtigen Vertrag bei unterlassener Vorabinformation 39
Vielen Dank und gutes Gelingen! Hardenbergstr. 28a Tel +49 30 263 95 09 – 0 info@sammlerusinger.com 10623 Berlin Fax +49 30 263 95 09 – 600 www.sammlerusinger.com
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