VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV

 
WEITER LESEN
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
VKS NEWS
                                      Zeitschrift des VKU Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit VKS
                                                                                                                    Ausgabe         250
                                                                                                                                   11/2020

                                                                                                                                 Bioabfall:
                                                                                                     Mobile Behälterwäsche – eine Umfrage
                                                                                                                     unter sechs Betrieben
                                                                                                                                             4
                                                                                                                                 Kunststoffe:
                                                                                                        Ist Biokunststoff eine Alternative zu
                                                                                                                konventionellem Kunststoff?
                                                                                                                                             8
                                                                                                                             Wärmewende:
                                                                                                                    Der Abfall von heute ist
                                                                                                                   der Rohstoff von morgen
                                                                                                                                             16
                                                                                                                                Kampagne:
                                                                                                        Echte Trendsetter vermeiden Plastik
                                                                                                                                             25

                                         Behandlung von Abfällen
                                         Kunststoffe
© Olga Pogorelova / stock.adobe.com
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
Sie haben
uns noch
gefehlt.
Unter der Marke Standort Service Plus versammeln sich bundesweit kommunale
Entsorger mit einem umfassenden Angebot zur Gestaltung, Sicherung und
Betreuung von Abfallbehälterplätzen in Wohnanlagen. Kunden der Wohnungs-
wirtschaft können so auf die langjährige Erfahrung und das geballte Know-
How eines kommunalen Entsorgers vor Ort zurückgreifen und erhalten zugleich
einen zentralen Ansprechpartner und ein einheitliches Dienstleistungsspek-
trum. Eine unschlagbare Kombination für Wohnungsgesellschaften und ein klarer
Standortvorteil für kommunale Entsorgungsunternehmen.

Haben Sie Interesse oder Fragen?
Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
info@standort-service-plus.de

Standort Service Plus c/o
Wirtschaftsbetriebe Duisburg - AöR, Schifferstraße 190, 47059 Duisburg
www.standort-service-plus.de, info@standort-service-plus.de              In Kooperation mit dem
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,                                                                               250
                                                                                                          250
in diesem Jahr wird uns die große Freude zuteil, die 250.
Ausgabe der VKS NEWS mit Inhalten füllen zu dürfen. Das
bedeutet: 250 Ausgaben von Praktikern für Praktiker ergänzt
um verbandsinterne Beiträge. Eine besondere Leistung!

In dieser Jubiläumsausgabe werden verschiedene Aspekte          Hierbei kann vielleicht auch das komfortable Reinigen von
der Kreislaufwirtschaft vorgestellt und bewertet. Bioton-       Biotonnen als kundenfreundliche Dienstleistung helfen oder
nen-Waschfahrzeuge und Einkaufstüten aus Biokunststoff          eventuell auch das Benutzen von biologisch leicht abbau-
spielen dabei ebenso eine Rolle wie die 38. BImSchV zum         baren Sammeltüten für das Biogut aus der Küche. Dabei ist
Thema Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen oder auch          gerade der Einsatz solcher Tüten in unserer Biobranche äu-
die Gründung einer neuen AG Wasserstoff im VKU. Erkennt-        ßerst umstritten und führt in der kommunalen Praxis dazu,
nisse und Ausführungen über das neue BEHG oder das EEG          dass einige diese Tüten befürworten oder sogar bewerben
2021 und deren Auswirkungen auf die Verwertung von Ab-          und andere diese gänzlich verbieten.
fällen, finden sich ebenfalls in diesem Heft.
                                                                In diesem Sinne wünsche ich den geneigten Leserinnen und
Wie sich die anstehende Novelle der Bioabfallverordnung         Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre über die zahlreichen
auf einen weiteren Ausbau der getrennten Biogutsamm-            Facetten der Abfallverwertung.
lung auswirken wird, ist heute noch nicht erkennbar. Das
angestrebte Ziel der Novelle – die deutliche Reduktion der      Ihr Dr. Hubert Seier
Fremdstoffanteile im Biogut – ist allen Beteiligten gleicher-   Vorsitzender VKU - Fachausschuss Biologische
maßen wichtig. Allein die praktische Umsetzung der neu          Abfallbehandlung
geforderten Richtwerte ist dabei ein Anlass zahlreicher Dis-
kussionen. Ein Referentenentwurf liegt aber bis heute noch
nicht vor.

Festzustellen bleibt, dass die getrennte Erfassung und hoch-
wertige Verwertung der Biomassen nach wie vor eine bei-
spiellose Erfolgsgeschichte darstellen. Die Kommunen, die
bisher zu wenig Biogut abschöpfen, sollten deshalb schnells-
tens handeln und ein effizientes Sammelsystem mit guten
Serviceleistungen und bester Öffentlichkeitsarbeit anbieten.                           Dr. Hubert Seier

INHALT

BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE                           Echte Trendsetter vermeiden Plastik                      25
Mobile Behälterwäsche – eine Umfrage unter                4     Müllflut des gestiegenen Take-away-Konsums               27
sechs Betrieben                                                 mit Mehrweg reduzieren
Ist Biokunststoff eine Alternative zu konventionellem     8
                                                                AUS DEM VKU
Kunststoff?
                                                                Erstmals Wettbewerbssystem zwischen                      29
Der Abfall von heute ist der Rohstoff von morgen         16
                                                                Rücknahmesystemen eingeführt
Energieträger der Zukunft?                               18
                                                                Ingbert Liebing neuer bvöd-Vorsitzender                  31
Neue Pflichten und Möglichkeiten                         19
Nationaler Emissionshandel mit vielen                     21    EUROPA
offenen Fragen                                                  Europa hält an seiner grünen und digitalen               32
                                                                EU-Wachstumsstrategie fest
ABFALLVERMEIDUNG
                                                                Die Umsetzung geht in die finale Phase                   34
„Invisible Waste“: Abfälle, die wir nicht sehen –        23
schau genau hin!                                                TRAUERANZEIGE                                            35

                                                                                                               VKS-NEWS | 250 | 11/2020   3
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

                                                                                        © eyetronic / stock.adobe.com

              BIOABFALL

              Mobile Behälterwäsche – eine Umfrage
              unter sechs Betrieben

              V    erschiedene Körperschaften und ihre kommunalen Un-
                   ternehmen versuchen, die Attraktivität der getrennten
              Sammlung von Bioabfall zu steigern. Dazu werden auch in
                                                                             sammengestellt (Abb. 1). Die Betriebe haben umfassend ge-
                                                                             antwortet. Ein Betrieb konnte zu einem Teil der Fragen noch
                                                                             keine Antworten übermitteln, da sich dort der Einsatz zum
              jüngerer Zeit Fahrzeuge mit Aufbauten für die mobile Be-       Zeitpunkt der Umfrage noch im Probebetrieb befunden hat.
              hälterwäsche eingesetzt. Bevor sich der VKU-Fachausschuss
              „Biologische Abfallbehandlung und ‑verwertung“ dazu            Erste Einschätzungen
              weiter positioniert, hat er im Rahmen seiner Sitzung vom
              Oktober 2018 beschlossen, eine Umfrage unter sechs Pilot-      Die eingesetzten Fahrzeuge sind ebenso unterschiedlich wie
              betrieben (USB Bochum, AWM Münster, ZV Celle, KRS Rhein-       der Einsatzumfang. Das Bild ist noch heterogen. Es scheinen
              Sieg, AWS Stuttgart und ESB Bocholt) zu diesem Thema zu        sich jedoch zwei Ansätze herauszuschälen:
              starten und die Ergebnisse anschließend zu diskutieren und
              zu bewerten.                                                     1) Die flächendeckende, regelmäßige Reinigung der Bio-
                                                                               tonnen zumindest einmal im Jahr mit Integration der
              Die inhaltliche Vorbereitung des Fragebogens wurde von           Kosten in die Grundgebühr und entsprechender „Bewer-
              der Ressource Abfall GmbH durchgeführt, ebenso wie die           bung“ dieser Verbesserung des Service.
              Auswertung der erhaltenen Rückmeldungen. Den sechs Be-
              trieben wird für ihr Mitwirken gedankt. Dem Fachausschuss-       Dabei kann sicher trefflich diskutiert werden, ob eine Rei-
              vorsitzenden, Dr. Hubert Seier sowie Dr. Martin Gehring aus      nigung einmal im Jahr im Sinne der tatsächlichen Kritik-
              der VKU-Geschäftsstelle wird für ihre Unterstützung gedankt.     punkte an einer Biotonne bereits eine wesentliche oder
                                                                               ausreichende Verbesserung darstellt.
              Angaben und Informationen aus
                                                                               2) Die Reinigung der Biotonnen auf Abruf beziehungswei-
              den Pilotbetrieben
                                                                               se bei Wechsel des Gebührenschuldners gegen zusätzliche
              Die Angaben zum Einsatz von Biotonnen-Waschwagen aus             Gebühr mit einem geringeren Einsatzumfang des Wasch-
              den sechs Pilotbetrieben sind in der anliegenden Tabelle zu-     wagens, geringere „Bewerbung“ dieses Service.

4   VKS-NEWS | 250 | 11/2020
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

     Zwischenstand

     Zu den eingesetzten Fahrzeugen                  Sowohl „große Lkw“ mit Aufbauten als auch kleinere Transporter im Bereich
                                                     bis 7,5 Mg werden eingesetzt.

     Zur Reinigungsleistung aus Sicht des Betriebs   Die meisten Betriebe nennen eine Reinigungsleistung von zumindest 300 Be-
                                                     hältern am Tag. Einige geben für die Spitze auch deutlich höhere Anzahlen an.

     Zu den Einsatztagen                             Zwei Betriebe sind so aufgestellt, dass zum Teil auch eine Reinigung im Winter
                                                     stattfindet.

     Zur Reinigungshäufigkeit aus                    Die Mehrzahl der Betriebe will eine Reinigung pro Jahr für jeden Bio-Behälter
     Sicht des Kunden                                umsetzen.

     Zu den Investitionskosten                       Auffällig ist, dass sich die angegebenen Kosten für große Lkw mit Reinigungs-
                                                     einrichtung deutlich unterscheiden.

     Zu den Kosten für die Bürger                    Drei Betriebe haben die Kosten in die Grundgebühr integriert. Zwei Betriebe
                                                     nehmen eine gesonderte Reinigungsgebühr.

     Zur Resonanz auf die                            Mehrere Betriebe berichten von positiver Resonanz auf allen Ebenen. Andere
     Einführung                                      haben keine Veränderung bemerkt.

     Zum organisatorischen Aufwand                   Die Mehrzahl der Rückmeldungen dazu weist auf einen erheblichen organisa-
                                                     torischen Aufwand hin.

                                                                    tonnen waschen“ nicht um eine hoheitliche Aufgabe han-
                                                                    deln sollte, wären insbesondere spätestens ab dem 1. Januar
                                                                    2021 die Vorschriften des § 2b UStG zu beachten. Inwieweit
        Verschiedene Körperschaften
                                                                    dann eine Argumentation der Nebenleistungserbringung im
         und ihre kommunalen                                        Zuge der hoheitlichen Hauptaufgabe erfolgreich sein kann,
        Unternehmen versuchen,                                      ist momentan unklar. Letztlich bleibt abzuwarten, wie sich
                                                                    die Finanzbehörden zukünftig zur Umsatzsteuerpflicht dieser
     die Attraktivität der getrennten
                                                                    Leistung positionieren werden.
        Sammlung von Bioabfall
               zu steigern.                                         Beim Thema Biotonnen-Waschwagen gibt es noch eine Rei-
                                                                    he offener Fragen, die von den Betrieben im Rahmen der je-
                                                                    weiligen Fragestellungen beantwortet werden müssen. Erste
                                                                    Erfahrungen liegen bei den Pilotbetrieben vor.
Weiterer Umgang mit dem Thema
Biotonnen-Waschwagen

Ein Mitglied des VKU-Fachausschusses „Biologische Abfall-
behandlung und ‑verwertung“ hat darauf hingewiesen,
dass neben zahlreichen betrieblich-technischen Fragen bei
der beschriebenen Leistung „Biotonnen waschen“ auch                                              Theo Schneider
steuerliche Risiken bestehen könnten. Grundsätzlich wäre                                         Ressource Abfall GmbH
zu prüfen, ob mit der Tätigkeit „Biotonnen waschen“ ein                                          Louis-Krüger-Str. 1b
                                                                                                 31008 Elze
Betrieb gewerblicher Art begründet werden würde (ertrag-
                                                                                                 mail@ressource-abfall.de
steuerliches Risiko). Sodann wären die umsatzsteuerlichen
Risiken zu untersuchen. Wenn es sich bei der Tätigkeit „Bio-

                                                                                                                               VKS-NEWS | 250 | 11/2020   5
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

              Umfrage (Abbildung 1)

              Fragen zu Art und
              Einsatz von Bioton-
              nen-Waschfahrzeugen          USB Bochum            AWM Münster          ZV Celle              KRS Rhein-Sieg        AWS Stuttgart          ESB Bocholt

              Welche(s) Fahrzeug(e)        MB Sprinter mit       Haller Müllbehäl-    MAN TGM 18.240        Fahrgestell: Scania   2 Econic CNG zGM       MAN 8.190, 7,49 to
              setzen Sie zur Wäsche von    Spülaufbau der        ter-Reinigungs-      4X2 BL                Aufbau: Stum-         18 Mg
              Biotonnen ein?               Firma DTG             fahrzeug MBR IV                            mer/Zöller            derzeit noch im
                                                                                                            Lifter: Zöller        Testbetrieb

              Welchen/Welches „eigent-     Reinigung über        Hochdruck-Behäl-     Haller/Zöller MB IV                         Mowa MGB L6000         Außen- und In-
              lichen/eigentliches Reini-   Hochdruckreiniger     ter-Innenreinigung                                               mobile Wasch-          nereinigung mit
              gungsaufbau/Reinigungs-                                                                                             anlage                 Niederdruckrei-
              system“ setzen Sie ein?                                                                                                                    nigungs system,
                                                                                                                                                         Heißwasser bis
                                                                                                                                                         70 Grad

              Wie groß ist das Volumen     Spültank 1 mit        7 m³ Frischwasser    7 m³ Schlamm-         2,0 m³                6 m³                   1,4 m³
              des/der Wassertanks?         Kammaufnahme          7 m³ Schmutz-        kammer                Frischwasser                                 1,2 m³
                                           und warmem            wasser               7 m³ Wasserkam-       1,5 m³ Abwasser
                                           Spülwasser: 1,0 m³                         mer
                                                                 1,2 m³ Feststoff
                                                                                      1,2 m³ Feststoff-
                                                                                      kammer

              Wie viele Behälter/Bio-      k. A.                 400                  bis zu 500. Durch-    keine Angabe,         250 - 300 je Fahr-     380 - 430
              tonnen werden pro                                                       schnitt: 300          da sowohl beim        zeug (entspricht
              Einsatztag bei Ihnen                                                                          Kunden vor Ort als    ca. 1/2 Tour)
              gewaschen?                                                                                    auch auf unserem
                                                                                                            Betriebshof ge-
                                                                                                            reinigt wird

              Dauer einer Reinigung        k. A.                 ein 4-Rad-Ge-        k. A.                 k. A.                 k. A.                  k. A.
                                                                 fäß oder zwei
                                                                 2-Rad-Gefäße:
                                                                 10 – 30 Sek. pro
                                                                 Reinigung

              Wie setzen Sie das/die       Auf Abruf durch       ganzjährig           regelmäßige           k. A.                 regelmäßig einmal      regelmäßig in
              Biotonnen-Waschfahr-         Bürger werden                              Touren                                      pro Jahr je Bio-Be-    Frühjahr, Sommer
              zeug/e ein?                  Touren zusam-                                                                          hälter                 und Herbst, alle
                                           mengestellt.                                                                                                  zwei Wochen je
                                           Nach Einzug der                                                                                               Bio-Behälter
                                           Behälter (vor Neu-
                                           aufstellung)

              Wie viele Einsatztage hat/   ca. 1 Tag pro Woche   200                  ca. 120, je nach      Das Fahrzeug ist      ca. 120 Einsatztage    76 Einsatztage
              haben das/die Bioton-        Durch Warmwas-        20 (Winter)          Kälteeinbruch         von März bis Ende     je Fahrzeug            0 (Winter)
              nen-Waschfahrzeug(e) bei     ser-Einsatz auch                           (meist April bis      Oktober im Einsatz.   0 (Winter)
              Ihnen im Jahr?               im Winter möglich,                         Mitte November,       0 (Winter)
                                           falls MGB warm                             4 Tage die Woche)
                                           lagern                                     0 (Winter)

              Wie viele Ausfalltage hat/   keine                 k. A.                3 (wg. techn.         k. A.                 k. A.                  4 (wg. techn.
              haben das/die Bioton-                                                   Defekte)                                                           Defekte)
              nen-Waschfahrzeug bei                                                   10 (wg. Personal-                                                  0 (wg. Personal-
              Ihnen im Jahr?                                                          mangel)                                                            mangel)
                                                                                      0 (wg. Dauerfrost)                                                 2-3 (wg. Dauer-
                                                                                                                                                         frost)

              Wie organisieren Sie         Fahrzeuge starten     Fahrzeuge starten    pro Tourtag eine      Die Bürger können     Fahrzeuge starten      Waschfahrzeuge
              den Einsatz des/der          gleichzeitig in die   gleichzeitig         Bio-Tour nach fes-    eine Reinigung        gleichzeitig mit der   starten ca. zwei
              Biotonnen-Waschfahr-         Tour                                       tem regelmäßigem      gesondert beauf-      Tour, Bürger wird      Stunden versetzt
              zeugs/-Waschfahrzeuge                                                   Rhythmus              tragen.               über Tonnenan-
              im Verhältnis zur regulä-                                                                                           hänger kurzfristig
              ren Leerung der Tonnen?                                                                                             informiert

              Welche Investitionskosten    ca. 128.500 €         340.000 € brutto     ca. 205.000 €         ca. 200.000 €         ca. 360.000 €          wurden vom
              sind mit einem Bio-                                                                                                                        Subunternehmer
              tonnen-Waschfahrzeug                                                                                                                       investiert, Kosten
              bei Ihnen verbunden                                                                                                                        nicht bekannt
              gewesen?

6   VKS-NEWS | 250 | 11/2020
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

Fragen zu Art und
Einsatz von Bioton-
nen-Waschfahrzeugen         USB Bochum      AWM Münster           ZV Celle               KRS Rhein-Sieg      AWS Stuttgart         ESB Bocholt

Welche Kosten entstehen     k. A.           k. A.                 k. A.                  Die Bürger können   zzt. noch             Kosten des
bei Ihnen bei der Reini-                                                                 eine Reinigung      Testbetrieb und       Subunternehmers
gung einer Biotonne mit                                                                  gesondert           Ermittlung der        + eigene Verwal-
einem Biotonnen-Wasch-                                                                   beauftragen.        Kosten                tungskosten
fahrzeug?

Wie wird der finanzielle    k. A.           Die Kosten für die    Die Kosten für die     Für die Wäsche      Die Kosten für die    Für die Wäsche
Aufwand für die Wäsche                      Wäsche der Bio-       Wäsche der Bio-        werden Kosten in    Wäsche der Bio-       werden Kosten in
der Biotonnen bei Ihnen                     tonnen ist in der     tonnen ist in der      Höhe von 8,90 €/    tonnen ist in der     Höhe von 3,40 -
eingeworben?                                satzungsgemäßen       satzungsgemäßen        Reinigung geson-    satzungsgemäßen       3,90 €/Reinigung
                                            Leerungsgebühr        Leerungsgebühr         dert vom Bürger     Leerungsgebühr        gesondert vom
                                            enthalten.            enthalten.             bezahlt.            enthalten.            Bürger bezahlt.

Wie weit ist eine Ge-       ist in Arbeit   ja                    nur allgemein für      k. A.               wurde von Mowa        Subunternehmer
fährdungsanalyse für                                              Fahrer/Lader, nicht                        mitgeliefert          zuständig
Mitarbeiter auf dem/den                                           speziell für Wasch-
Biotonnen-Waschfahr-                                              mobil
zeug(en) erstellt?

Seit wann setzen Sie das/   k. A.           ca.12 Jahre           01.08.2009             seit 2011           seit 29.08.2017       seit 2001 Bio-
die Biotonnen-Wasch-                                                                                                               tonnenreinigung,
fahrzeug(e) ein?                                                                                                                   seit 03/18 dieser
                                                                                                                                   Subunternehmer

Welche Resonanz haben       k. A.           positiv               überwiegend            keine               k. A.                 relativ positiv,
Sie auf den Einsatz des/                                          positiv                                                          kritische Bericht-
der Biotonnen-Wasch-                                                                                                               erstattung bei
fahrzeugs/-Waschfahr-                                                                                                              Ausfällen
zeuge in den Medien
erfahren?

Welche Resonanz haben       k. A.           positiv               überwiegend            keine               Da in der Testpha-    bei Ausfällen
Sie auf den Einsatz des/                                          positiv                                    se nur sehr wenig     viele Anrufe
der Biotonnen-Wasch-                                                                                         Resonanz.             und Bürger­
fahrzeugs/-Waschfahr-                                                                                        Häufige Frage:        beschwerden
zeuge von den Bürgern                                                                                        „Bio-Behäl-           ansonsten positiv
erfahren?                                                                                                    ter-Reinigung
                                                                                                             ist angekündigt,
                                                                                                             wann kann ich
                                                                                                             damit rechnen,
                                                                                                             das meine Tonne
                                                                                                             dran ist?"

Welche Resonanz haben       k. A.           positiv               bei Identsystem        keine               k. A.                 positive Resonanz
Sie auf den Einsatz des/                                          erfordert die
der Biotonnen-Wasch-                                              Einführung ab-
fahrzeugs/-Waschfahr-                                             gestimmte Organi-
zeuge von Ihrer Politik/                                          sation, daher nach
Aufsichtsgremien er-                                              umfangreicher Dis-
fahren?                                                           kussion positiv

In welchem Umfang           k. A.           k. A.                 nicht messbar          keine               Einführung der        Akzeptanz der Bio-
haben Sie eine Steige-                                                                                       Pflicht-Biotonne      tonne ist gestiegen
rung der aufgestellten                                                                                       war vor Einsatz des
Biotonnenanzahl durch                                                                                        Waschfahrzeugs
den Einsatz des/der
Biotonnen-Waschfahr-
zeugs/-Waschfahrzeuge
erfahren?

Was würden Sie anderen      k.A.            Einsatz eines Bio-    Einführung ist         k. A.               k. A.                 positiv
Betrieben empfehlen                         tonnenwaschfahr-      sinnvoll; sorgfältig                                             jedoch sehr ver-
aufgrund Ihrer Erfahrun-                    zeuges ist sinnvoll   in vorh. Betrieb                                                 waltungsintensiv
gen mit dem Einsatz von                                           integrieren, es
Biotonnen-Waschfahr-                                              ergeben sich zu-
zeugen?                                                           sätzlich Wünsche
                                                                  nach Restmüllton-
                                                                  nenreinigung

                                                                                                                                             VKS-NEWS | 250 | 11/2020   7
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

              KUNSTSTOFFE

              Ist Biokunststoff eine Alternative
              zu konventionellem Kunststoff?

                                                                                                                                 © Africa Studio / stock.adobe.com

             N     ach Angaben des Umweltbundesamtes fielen in
                   Deutschland im Jahr 2017 18,7 Millionen Tonnen Ver-
              packungsmüll an. Das sind 226,5 kg pro Person. Moderne
                                                                             Drei Gruppen mit je fünf Studierenden untersuchten eine
                                                                             sogenannte kompostierbare Plastiktüte und verschiedene
                                                                             Aufkleber aus Plastik, Aluminium und Papier auf Obst und
              Lebensmittelverpackungen sorgen für Frischhaltung, Hygie-      Gemüse. Die Bioplastiktüte war bereits in einer ähnlichen
              ne, bequeme Zubereitung und längere Haltbarkeit. Marken        Studie im Wintersemester 2018/19 untersucht worden (Cor-
              können über die Verpackung ausgelobt und Informationen         rales, M., Schmidt, O. und Tegtmeyer, E. [2019]: Wie kompos-
              für den Konsumenten sowie für die Abrechnung an der Su-        tierbar ist „biologisch abbaubar“? – Ein Praxistest. VKS News
              permarktkasse aufgedruckt werden. Um mit dem Problem           240 [11], 18-24). Wegen der möglichen Problematik dieser
              der Entsorgung dieser Kunststoffe fertigzuwerden, suchen       Biokunststoffe bei nicht vollständigem Abbau in Ökosyste-
              die Hersteller nach Alternativen wie den sogenannten kom-      men wurde die Untersuchung im Wintersemester 2019/20 mit
              postierbaren Plastiktüten. Zur Vermeidung von Fertigverpa-     anderen Methoden fortgesetzt.
              ckungen von Obst und Gemüse aus Kunststoff werden die
              Einzelprodukte mit Aufklebern gekennzeichnet. Bei der Ein-     Die Befragungen
              führung dieser Alternativen werden jedoch die Prozesse der
              Abfallentsorgungsbetriebe, das Verhalten der Konsumenten       Eine Studentengruppe führte mit standardisierten Fragebö-
              in Bezug auf die Entsorgung von solchen Produkten und          gen stichprobenartig auf regionaler Ebene eine mündliche
              die Wirkung auf die Lebensprozesse in der Natur nicht aus-     Befragung nach Quotensteuerung durch. Dabei wurden den
              reichend berücksichtigt. Solche Materialien werden häufig
              in der Biotonne entsorgt, landen über den Kompost in der
              Umwelt und können Störungen in Ökosystemen verursachen.
              Es stellt sich also die Frage, inwieweit solche Verpackungs-
              materialien eine Alternative zu konventionellen Plastiktüten
              und Verpackungen aus Kunststoff darstellen.

              Antworten zu dieser Frage wurden im Wintersemester             a)                                           b)

              2019/2020 in dem Seminar „Wohin mit dem Abfall“ an der
              Universität Leuphana im Modul „Wissenschaft nutzt Metho-
              den I“ gesucht - einer Zusammenarbeit der Universität,
              dem kommunalen Abfallentsorgungsbetrieb GfA Lüneburg
              gkAöR (Gesellschaft für Abfallwirtschaft) und dem Nieder-
              sächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebens-
                                                                             c)                                           d)
              mittelsicherheit (LAVES).
                                                                             Abbildung 1: verschiedene Arten von Aufklebern (a) aus Kunststoff,
                                                                             (b) aus Papier und (c) aus Aluminium und die untersuchte Biokunststofftüte (d)
                                                                             (Fotos: Dr. Mercedes Corrales)

8   VKS-NEWS | 250 | 11/2020
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

Befragten die entsprechenden Produkte gezeigt, um Fehl-                                    Zur Vermeidung von
interpretationen zu vermeiden.
                                                                                  Fertigverpackungen von Obst und
Die Studierenden sollten herausfinden, in welcher Abfallton-                       Gemüse aus Kunststoff werden
ne Endverbraucher Obst- und Gemüseaufkleber entsorgen.                            die Einzelprodukte mit Aufklebern
Insgesamt 369 Personen über 18 Jahre (18-25: 35 Prozent,
26-35: 18 Prozent, 36-60: 32 Prozent und > 60 Jahre: 15 Pro-
                                                                                           gekennzeichnet.
zent) wurden an zwei Punkten im Zentrum von Lüneburg,
am Hamburger Hauptbahnhof sowie in den Innenstädten
von Celle und Buchholz/Nordheide befragt.                                      Beim Vergleich der Daten zum Entsorgungs- und Einkaufs-
                                                                               verhalten der Befragten zeigt sich, dass insbesondere Konsu-
Auf die Frage „Achten Sie beim Kauf von Obst und Gemüse                        menten, welche bei Discountern und Supermärkten einkau-
darauf, ob Etikettenaufkleber vorhanden sind?“ antworteten                     fen, die Aufkleber in der Biotonne entsorgen (Abbildung 2).
42 Prozent „nie“, 30 Prozent „manchmal“, 19 Prozent „oft“
und 9 Prozent „immer“. Ein großer Teil der Befragten achtet                    Beim Vergleich des Entsorgungsverhaltens mit dem Alter
beim Einkauf von Obst und Gemüse nicht auf die Aufkleber.                      kann Folgendes beobachtet werden:
Die meisten Befragten wissen nicht oder achten auch nicht
darauf, aus welchem Material die Aufkleber bestehen. Auf                       • In der Altersgruppe zwischen 18 und 25 werden die Aufkle-
die Frage „Wissen sie, aus welchen Stoffen die Aufkleber                         ber hauptsächlich im Gelben Sack (74,0 Prozent) entsorgt.
hergestellt werden?“ antworteten 81 Prozent mit „Nein“ und                       Im Biomüll entsorgen 11,0 Prozent dieser Altersgruppe.
nur 19 Prozent mit „Ja“.
                                                                               • Die 26- bis 35-Jährigen entsorgen die Aufkleber größten-
Da die Befragten das Material der Aufkleber nicht kennen,                        teils im Restmüll (55,4 Prozent) und am zweithäufigsten
werden diese nicht so korrekt entsorgt. Die Frage „Wie ent-                      in der Biotonne (43,1 Prozent).
sorgen Sie die Aufkleber?“ wurde wie folgt beantwortet: 57,45
Prozent im „Restmüll“, 50,68 Prozent im „Gelben Sack“, 19,24                   • In der Altersgruppe zwischen 36 und 60 beträgt der Anteil
Prozent „in der Biotonne“ und 10,84 Prozent „in der Papier-                      der Befragten, welche die Aufkleber im Restmüll entsor-
tonne“. Nur 32,52 Prozent antworteten, dass sie die Sticker                      gen, 75,0 Prozent und im Biomüll 16,0 Prozent.
ausschließlich im Restmüll entsorgen würden. Da die Aufkle-
ber zumeist aus Kunststoff (Polyethylen [PE] und Polypropylen                  • Die Befragten über 60 entsorgen die Aufkleber größten-
[PP]) und Aluminium und nur zu einem geringeren Teil aus                         teils im Restmüll (63,0 Prozent) und zu 13,0 Prozent in der
Papier bestehen, sind sie nicht kompostierbar. Der Anteil der                    Biotonne.
Befragten, welcher die Aufkleber in der Biotonne entsorgt,
ist somit für die kommunale Abfallentsorgung problematisch.

                                              Entsorgungsverhalten nach Einkaufsverhalten
70,00%

             58,4%                          58,4%
60,00%
                                                                       54,2%       54,5%
                       51,9%                                                                                                              51,3%
50,00%                                              47.0%

40,00%                                                                                                     33.0%
                                                                                                 33.0%              33.0%
30,00%                              29,2%

20,00% 18,4%
                                                                                       13,8%                                                       12,8%
                            10.0%                                    8,3%
10,00%                                                   8.0%
                                                                                                                                  2,6%
 0,00%
               Supermarkt                   Discounter                     Wochenmarkt                   Internet                    eigener Anbau
                                              Biotonne          Restmüll    Gelber Sack    Papiertonne
                                                                                                   Abbildung 2: Entsorgungsverhalten nach Einkaufsverhalten

                                                                                                                                            VKS-NEWS | 250 | 11/2020   9
VKS NEWS - Verband kommunaler Unternehmen eV
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

              a)                                        b)                                         a)                                            b)

              c)                                                                                   c)

              Abbildung 3: Bewässerung und Belüftung der RoCon-Container. (a) Bewässerungsröhren   Abbildung 4: Einlagerung der Aufkleber in die Rottemiete eines RoCon-Containers.
              unterhalb des Daches des Containers, (b) Belüftungsröhren am Boden des Containers    (a) Aufkleber in Taschen aus Edelstahl und Kunststoff zusammen mit organischem
              (c) Containeraußenansicht mit Kontrolle der Feuchtigkeit und Temperatur              Material, (b) Einlagerung der Käfige aus Edelstahl in die Rottemiete, (c) Einlagerungs-
              (Fotos: Dr. Mercedes Corrales)                                                       beziehungsweise Messpunkte in der Seitenansicht des Containers (Fotos: Dr. Mercedes
                                                                                                   Corrales)

              Dabei ist anzumerken, dass die Biotonne nicht in allen Be-                           Die GfA benutzt das RoCon-System für die Behandlung von
              reichen, wo die Umfragen durchgeführt wurden, eingeführt                             Restabfällen. Die Organik wird abgebaut, und das Material
              ist, wie zum Beispiel in Celle und in einigen Stadtteilen von                        wird deponiefähig gemacht. Dabei handelt es sich um Con-
              Hamburg. Dies muss bei der Gewichtung der Antworten auf                              tainer, in denen der Abfall unter kontrollierten Temperatur-
              diese Frage berücksichtigt werden.                                                   und Feuchtigkeitsbedingungen inkubiert wird (Abbildung 3).
                                                                                                   Jeder Container wird durch drei Röhren auf der Unterseite
              Die Entsorgung der Bioplastiktüte war bereits Bestandteil                            belüftet. Außerdem sind unter dem Containerdach Schläuche
              der Befragung in der Studie im Wintersemester 2018/19 und                            befestigt, die über 1.200 kleine Membranen die Rottemiete
              wurde diesmal nicht erneut durchgeführt. Damals wurden                               bewässern.
              insgesamt 311 Personen in Lüneburg, Hamburg-Harburg,
              Hannover und Buxtehude befragt.                                                      Das System ist von der GfA patentiert. Bei dieser Methode
                                                                                                   werden die für die Kompostierung verantwortlichen Mikro-
              Auf die Frage „Wie würden Sie eine Bioplastiktüte ent-                               organismen unter optimalen Bedingungen gehalten, sodass
              sorgen?“ antworteten damals 38,3 Prozent der Befragten                               bereits innerhalb von zwei Wochen eine ähnliche Zersetzung
              „im Gelben Sack“, 35,4 Prozent „in der Biotonne“, 15,4 Pro-                          wie in einer herkömmlichen Anlage nach sechs Wochen er-
              zent „im Restmüll“ und 10,3 Prozent im „Hauskompost“.                                reicht werden kann.
              45,7 Prozent der Befragten glaubten, dass sich solche Tüten
              zersetzen würden und eine Entsorgung in der Biotonne und                             Für den Kompostierungsversuch haben wir uns für dieses
              im Hauskompost möglich sei.                                                          System entschieden, da so eine optimale Versuchsumgebung
                                                                                                   geschaffen wird und die Temperatur und die Wasserzugabe
              Die Experimente                                                                      einfach überwacht und gesteuert werden kann.

              Andere Gruppen der Seminarteilnehmer sollten herausfin-                              Um sicherzustellen, dass die Aufkleber innerhalb des Con-
              den, ob und wie sich die Aufkleber aus Kunststoff, Papier und                        tainers nicht verloren gehen, wurden Sticker einer jeden
              Aluminium im industriellen Kompost zersetzen (Abbildung 1a,                          Kategorie in je einer Tasche aus Kunststoff und aus Edel-
              b und c). In einem Experiment bei der GfA Lüneburg gkAöR                             stahl-Gaze eingelagert und diese wiederum in größeren
              wurden 94 Aufkleber aus Kunststoff, 68 aus Papier und 39 aus                         Edelstahlkäfigen an vier Stellen des Containers platziert.
              Aluminium untersucht. Zusätzlich wurde eine Bioplastiktüte                           (Abbildung 4 a und b). Die Taschen und die Käfige wurden
              (Abbildung 1 d) beobachtet. Die Einlagerung erfolgte vom 5.                          zusätzlich mit organischem Material aufgefüllt, um die Auf-
              November 2019 bis zum 28. Januar 2020 13 Wochen in einer                             kleber optimal den Zersetzungsprozessen der Mikroorganis-
              Rotteanlage (Container mit 18 Tonnen Bioabfall). Insgesamt                           men auszusetzen.
              fünfmal wurde der Zersetzungsstatus der Muster überprüft:
              jeweils am 12. November 2019, 29. November 2019, 17. Dezem-                          Die Einlagerungspunkte im Container sind in Abbildung 4 c
              ber 2019, 14. Januar 2020 und 28. Januar 2020.                                       dargestellt. Am Messpunkt 1 (gelb) befanden sich die Aufkle-

10 VKS-NEWS | 250 | 11/2020
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

ber aus Aluminium, an 2 (grün) die Bioplastiktüte, an 3 (rot)
die Aufkleber aus Kunststoff und an 4 (blau) die Sticker aus
Papier. Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass am Mess-
punkt 3 (rot) die Bedingungen für die Zersetzung nicht so
optimal wie an den anderen Messpunkten waren, weshalb
die Körbe anders beschickt wurden. Am 29. November 2019
                                                                PRESSTATION PRO®
wurden in dem Korb am roten Messpunkt nur Papiersticker
eingelagert. Die Körbe an den übrigen Messpunkten wurden
mit Aufklebern aus Aluminium, Papier und Kunststoff be-
schickt und der Korb am grünen Messpunkt zusätzlich mit

                                                                Wir packen
der Biokunststofftüte. Das Experiment wurde deswegen um
eine Woche verlängert.
                                                                deutlich mehr!
Die Temperatur und die Wasserzugabe wurden täglich ge-
messen, reguliert und betrugen über die Versuchsdauer
hinweg durchschnittlich etwa 65 °C und 170 L/Tag. Je nach
Temperatur und Beschaffenheit des Materials wurden die
Wasserzugabe und Belüftung angepasst.

           Andere Gruppen der
      Seminarteilnehmer sollten
  herausfinden, ob und wie sich die
   Aufkleber aus Kunststoff, Papier                             Unsere Unterflur-
   und Aluminium im industriellen                               presscontainer fassen
         Kompost zersetzen.
                                                                 6 x mehr
                                                                 Restmüll,
Die Beobachtungen

Die Aufkleber aus Kunststoff bestehen in der äußeren Schicht     4 x mehr
aus Polyethylen und Polypropylen, sogenannten Thermo-
plasten. Diese Polymere sind biologisch inert und chemisch
                                                                 Papier/Pappe/Karton,
beständig. Sie weichen bei Temperaturen über 80° C auf.
Außerdem enthalten die Sticker eine Klebstoffschicht, welche     10 x mehr
mögliche Abbauprozesse zusätzlich verlängert. Aufkleber aus
PE beziehungsweise PP zersetzten sich nicht. Einige Sticker
                                                                 Leichtverpackungen
verloren an Farbintensität, und andere rollten sich ein. So
können die Aufkleber die Siebe zur weiteren Aufarbeitung         als normale Unterflur-
des Kompostes passieren und diesen verunreinigen.
                                                                 container.
Wie zu erwarten, erfolgte auch keine Zersetzung der Aufkle-
ber aus Aluminium. Im Gegensatz zu den Kunststoffaufkle-
bern veränderten sie ihre Struktur schon nach einer Woche.
Die Farbe blich stark aus (Abbildung 6 b). Nach dreieinhalb
Wochen lösten sich bei einigen Aufklebern die bedruckten
Kunststoffbeschichtungen teilweise ab (Abbildung 6 c). Ab
der sechsten Woche waren in dem Material kleine Löcher zu
beobachten, die auf mechanische Einwirkungen und nicht            b.zonnenberg@sidcon.nl
auf eine Zersetzung zurückzuführen sind (Abbildung 6 d).             www.sidcon.nl/de

                                                                                          VKS-NEWS | 250 | 11/2020   11
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

               a) 05. November 2019, vor Einlagerung                         b) 12. November 2019, nach einer Woche             c) 29. November 2019, nach dreieinhalb Wochen

               d) 17. Dezember 2019, nach sechs Wochen                       e) 14. Januar 2020, nach zehn Wochen               f) 28. Januar 2020, nach 13 Wochen

               Abbildung 5: Veränderungen der Aufkleber aus Kunststoff während der Kompostierung.
               Zustand der Sticker (a) vor Einlagerung und in den Abbildungen (b) bis (f) zu
               verschiedenen Beobachtungszeiten danach. Nach längerer Einlagerung über zehn
               Wochen rollen sich einige Sticker ein und bleichen aus. (Fotos: Dr. Mercedes Corrales)

               Nach der zehnten Woche hatten mehrere Aufkleber die
                                                                                                                        Die Studie hat gezeigt, dass
               Kunststoffbeschichtung verloren. Wie die Kunststoffaufkleber
               rollten sich auch diese Sticker ein (Abbildung 6 e). Nach der                                        Bioplastiktüten keine richtige
               zwölften Woche bestanden die meisten Aufkleber nur noch                                              Alternative zu konventionellen
               aus der Aluminiumfolie. Auch bei der letzten Kontrolle war
                                                                                                                      Kunststofftüten darstellen.
               keine Zersetzung zu beobachten (Abbildung 6 f).

               Im Gegensatz dazu zersetzten sich die Aufkleber aus Papier
               innerhalb von zehn Wochen, da sie aus Cellulose bestehen,                                   und zwölf Wochen waren diese größeren und kleineren Frag-
               welche durch die Mikroorganismen im Kompost abgebaut                                        mente noch im Kompost zu beobachten (Abbildung 8 e, f).
               werden kann. Schon nach einer Woche änderte sich die
               Struktur des Materials, und die Farbe blich aus (Abbildung                                  Die Untersuchung der Komposterde und der Inhaltsstoffe
               7 b). Der Zersetzungsprozess setzte sich dann über die wei-                                 der Aufkleber erfolgten in einem weiteren Teilprojekt des Se-
               teren Wochen fort, bis nach zehn Wochen nur noch kleine                                     minars. So wurde in der Komposterde in unmittelbarer Nähe
               Rückstände übrig blieben, welche kaum noch zu erkennen                                      der Aufkleber eine erhöhte Konzentration des Weichmachers
               waren (Abbildungen 7 c bis e). Auch diese Sticker rollten sich                              Diethylhexylphthalat (DEHP) festgestellt. Während in der Ver-
               während des Versuchs ein.                                                                   gleichsprobe (Blindwert Komposterde) eine Hintergrundbe-
                                                                                                           lastung bis zu 0,07 mg/kg nachgewiesen werden konnte,
               Die Biokunststofftüte hat sich nicht komplett zersetzt, son-                                waren die ermittelten DEHP-Gehalte mit bis zu 1,5 mg/kg in
               dern ist nur in kleine Stücke fragmentiert. Es handelt sich um                              Nähe der Aluminiumaufkleber besonders hoch. Auffällig war,
               ein Mischmaterial aus Kunststoff und Biopolymeren, wobei                                    dass auch in der Nähe der Papieraufkleber die Gehalte leicht
               der Kunststoffanteil nicht durch Exoenzyme zersetzt werden                                  erhöht waren. Wahrscheinlich befindet sich das DEHP in den
               kann. Die Fragmente waren auch nach zwölf Wochen gut                                        Klebeschichten der Aufkleber. Bei entsprechender Tonnage
               erkennbar (Abbildung 8 f). Nach einer Woche war die Fo-                                     können Aufkleber zu einer geringen Belastung von Kompost
               lie stark durchlöchert und fiel auseinander (Abbildung 8 b).                                mit DEHP beitragen.
               Diese Fragmentierung setzte sich in den Folgewochen weiter
               fort, und nach dreieinhalb Wochen waren Teilchen von we-                                    Weiterhin konnte in einigen Aufklebern Spuren von Bis-
               niger als 5 mm, Mikroplastik, zu beobachten (Abbildung 8 c).                                phenol A (BPA) und Bisphenol-A-diglycidylether (BADGE)
               Nach sechs Wochen waren nur noch Fragmente zu erkennen                                      nachgewiesen werden, beides Ausgangschemikalien für die
               mit mehr Mikroplastikanteil (Abbildung 8 d). Auch nach zehn                                 Herstellung von Kunststoffen wie Epoxidharzen, die bei Auf-

12   VKS-NEWS | 250 | 11/2020
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

a) 05. November 2019, vor Einlagerung                         b) 12. November 2019, nach einer Woche                 c) 29. November 2019, nach dreieinhalb Wochen

d) 17. Dezember 2019, nach sechs Wochen                       e) 14. Januar 2020, nach zehn Wochen                   f) 28. Januar 2020, nach 13 Wochen

Abbildung 6: Ergebnisse zur Einlagerung der Aufkleber aus Aluminium
(Fotos: Dr. Mercedes Corrales)

a) 05.11.2019, Vor Einlagerung                                b) 12.11.2019, Nach einer Woche                        c) 29.11.2019, Nach dreieinhalb Wochen

Abbildung 7: Ergebnisse zur Einlagerung der Aufkleber aus Papier
(Fotos: Dr. Mercedes Corrales)

treten in Nahrungsmitteln als bedenklich eingestuft werden.                                     schleunigt werden kann (je nachdem, wie das Input-Ma-
Im vorliegenden Fall könnten BPA und BADGE auch über die                                        terial beschaffen ist). Diese Fragmente passieren die Siebe,
Farbdrucke in den Aufkleber oder über rezyklierte Papier-                                       welche den Kompost in der Endphase aufreinigen sollen,
fasern eingetragen worden sein. In der Komposterde konnte                                       und gelangen so in die Landwirtschaft. Neuere Studien be-
jedenfalls weder BPA noch BADGE nachgewiesen werden. In-                                        legen, dass sich ein solches Mikroplastik negativ auf die Bo-
wieweit die in den Aufklebern nachgewiesenen Stoffe auch                                        denfauna und die Vogelpopulationen auswirkt, welche auf
auf Lebensmittel übergehen, wurde nicht weiter untersucht.                                      den Felder ihre Nahrung suchen. Außerdem können solche
                                                                                                Materialien in Gewässer und Wälder gelangen. In den Nes-
Die Ergebnisse                                                                                  tern der Wildfauna werden verstärkt Kunststoffreste beob-
                                                                                                achtet. Deshalb gehören solche Bioplastiktüten nicht in die
Die Studie hat gezeigt, dass Bioplastiktüten keine richtige                                     Biotonne.
Alternative zu konventionellen Kunststofftüten darstellen.
Die Endverbraucher entsorgen diese häufig in der Biotonne,                                      Auch kleiner Abfall wie Obst- und Gemüseaufkleber aus
da sie von einer schnellen Zersetzung während der Kompos-                                       Aluminium und Kunststoff, der sich nicht zersetzt, stellt für
tierung ausgehen. In beiden Experimenten in den Winter-                                         Kompost ein Problem dar, da er über viele Jahre in den Bö-
semestern 2018/2019 und 2019/2020 hat sich gezeigt, dass                                        den erhalten bleibt und sich bei jeder neuen Kompostauf-
sich dieses Material nicht vollständig zersetzt, sondern nur                                    tragung weiter anhäuft. Die Aufkleber aus Kunststoff und
fragmentiert. Die Fragmente aus Makro- und Mikroplastik                                         Aluminium sind somit keine wirkliche Alternative zur Kunst-
bleiben auch noch nach zwölf Wochen im Rotteprozess nach                                        stoffverpackung. Nur Papieraufkleber werden komplett zer-
dem RoCon-Verfahren erhalten, also einem Verfahren, bei                                         setzt. Allerdings sollte bei der Auswahl der Klebstoffe auf
dem die Kompostierung durch optimale Bedingungen be-                                            Umweltverträglichkeit geachtet werden.

                                                                                                                                                              VKS-NEWS | 250 | 11/2020   13
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

               b) 12. November 2019, nach einer Woche                   c) 29. November 2019, nach dreieinhalb Wochen      d) 17. Dezember 2019, nach sechs Wochen

                                                                                                                            Abbildung 8: Ergebnis der Biokunststofftüte
                                                                                                                            (Fotos: Dr. Mercedes Corrales)

               e) 14. Januar 2020, nach zehn Wochen                     f) 28. Januar 2020, nach 13 Wochen

               Die Aufkleber von „Chiquita“ haben sich nach zehn Wochen                                Das Fazit
               zersetzt. Nach Information der Firma Etiplast in Costa Rica,
               welche diese Aufkleber herstellt, besteht das Material aus                              Auch bei solchen kleinen Abfallprodukten sollte der Handel
               mit Tonerde beschichtetem Papier und einer Mischung aus                                 die ökologischen Konsequenzen beachten und sich andere
               einem Kautschuk- und einem Acryl-Kleber. Dieses Mate-                                   Alternativen überlegen. Viele Verbraucher achten nicht auf
               rial ist empfindlich gegenüber organischen Lösungsmitteln,                              die Aufkleber, wenn sie Obst und Gemüse einkaufen. Für
               UV-Strahlen und hohen Temperaturen, was seine Kompos-                                   die Verbraucherinformation reicht die Beschilderung an den
               tierbarkeit erklärt. Nach Angaben des Herstellers kleben die                            Theken aus, um über Preis, Herkunft, Handelsklassen und
               Sticker außerdem auf unebenen Flächen unter feuchten                                    Marken zu informieren. Informationen für die Abrechnung
               Bedingungen, weshalb sie auf Obst- und Gemüse aufge-                                    könnten durch Karten an der Theke weitergegeben werden,
               bracht werden können. Sie sind, wie andere Aufkleber für                                welche der Kunde mit dem Produkt an die Kasse mitnimmt.
               Obst auch, für trockene und feuchte Lebensmittel nach der                               Diese Karten können dann wiederverwendet werden. Das
               EU- und US-Gesetzgebung geeignet und zertifiziert.                                      Abfallproblem ist eine große Herausforderung und erfordert
                                                                                                       neue innovative Lösungen.

                                                                                                                               Diplom-Lebensmittelchemiker
                                                Dr. Mercedes Corrales
                                                                                                                               Oliver Schmidt
                                                Lehrbeauftragte
                                                                                                                               Institutsleiter (LAVES)
                                                Leuphana Universität Lüneburg
                                                                                                                               Institut für Bedarfsgegenstände
                                                Heidestr. 42, 21244 Buchholz
                                                                                                                               Am Alten Eisenwerk 2a, 21339 Lüneburg
                                                corralescarvajal@yahoo.de
                                                                                                                               Oliver.Schmidt@laves.niedersachsen.de

                                                Jörn Isenberg
                                                                                                                               Kai-Oliver Wolff
                                                Betriebsleiter Mechanisch-
                                                                                                                               Öffentlichkeitsarbeit
                                                Biologische Vorbehandlung
                                                                                                                               GfA Lüneburg gkAöR
                                                GfA Lüneburg gkAöR
                                                                                                                               Adendorfer Weg 7, 21357 Bardowick
                                                Adendorfer Weg 7, 21357 Bardowick
                                                                                                                               wolff@gfa-lueneburg.de
                                                isenberg@gfa-lueneburg.de

14   VKS-NEWS | 250 | 11/2020
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

              WÄRMEWENDE

              Der Abfall von heute ist
              der Rohstoff von morgen

              Abbildung 1: Jahresdauerlinie des Hamburger Fernwärmenetzes
              (Quelle: P. Wasmuth, 2016), erweitert um die Einspeisepotenziale der SRH

             D     ie Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren oder „alter-
                   nativen“ Technologien ist das angestrebte Ziel der Freien
              und Hansestadt Hamburg. Im Rahmen der Energiewende in
                                                                                         Um die Energieversorgung Hamburgs zukünftig noch kli-
                                                                                         mafreundlicher zu gestalten, hat die Behörde für Umwelt,
                                                                                         Klima, Energie und Agrarwirtschaft die Stadtreinigung Ham-
              Hamburg sollen der Primärenergiefaktor der Fernwärme ver-                  burg und weitere öffentliche Unternehmen dazu aufgeru-
              bessert und die CO2-Emissionen deutlich verringert werden.                 fen, ihren größtmöglichen Beitrag für eine klimafreundliche
              Die Leistungsfähigkeit der Bestandsanlagen und die zukünf-                 Energieerzeugung zu leisten. Als Ergebnis einer intensiven
              tigen Projekte der Stadtreinigung Hamburg zeigen, dass Ab-                 Prüfung der Bestandsanlagen und aufgrund der gründlichen
              fall nennenswerte Beiträge zur Energiewende bringen kann                   Planung neuer Anlagen hat die SRH weitere Potenziale zum
              – man macht Gutes daraus.                                                  Ausbau der Erzeugung und Einspeisung klimafreundlicher
                                                                                         Fernwärme identifiziert, die nun in den kommenden Jahren
              Bereits heute leistet die Stadtreinigung Hamburg (SRH) mit                 erschlossen werden. Der größte Beitrag mit einer Fernwär-
              der Fernwärmeeinspeisung der Müllverwertungsanlage                         meleistung von 75 MW wird dabei vom zukünftigen Zentrum
              Borsigstraße (MVB) dazu einen großen Beitrag, da die in                    für Ressourcen und Energie (ZRE) geleistet. Eine Fertigstel-
              der MVB erzeugte Wärme (82 MW) einen Großteil der Grund-                   lung ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Gerade für den Ersatz
              last im Fernwärmenetz Hamburgs abdeckt. Bezogen auf die                    des in die Jahre gekommenen Steinkohleheizkraftwerks an
              gesamte Wärmeeinspeisung ins Hamburger Netz, werden                        der westlichen Grenze des Hamburger Stadtgebietes spielt
              allein durch die MVB bereits heute rund 18 Prozent abge-                   das ZRE eine wichtige Rolle zur Sicherstellung der zukünfti-
              deckt. Auch ein Teil der Energie des Hamburger Bioabfalls                  gen Fernwärmeversorgung. Auch die bereits genannte MVB
              wird bereits ins Hamburger Fernwärmenetz eingespeist.                      wird dem Hamburger Fernwärmenetz zukünftig noch mehr
              Mit einer Fernwärmeleistung von rund 0,75 MW handelt es                    Fernwärme liefern, da hier durch den Einsatz von Wärme-
              sich zwar nur um einen geringen Anteil der Gesamtmenge,                    pumpen und eine Anpassung des Turbinenkonzepts zukünf-
              dennoch ist es ein Beitrag zur klimafreundlichen Fernwär-                  tig circa 60 MW mehr Fernwärme ausgekoppelt werden kön-
              meerzeugung Hamburgs.                                                      nen. Die Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm (MVR),
                                                                                         die Anfang 2020 vollständig in den Besitz der Stadtreinigung

16 VKS-NEWS | 250 | 11/2020
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

                                                                Das Fernwärmesystem Hamburgs 2025                                                                                    MVB Borsigstraße
                                                                                                                                                                                 Biogas-Blockheizkraftwerk
                                                                                                                                                                                         + Speicher
                            Zentrum für                                                Komponenten des künftigen Erzeugungskonzepts
                       Ressourcen und Energie

                                                                                                                                                      Blockheiz-
                                                                                                                                                      kraftwerk

                                                                                                                                                                                      Heizkraftwerk
                                                                                                                                                                                     und GuD Tiefstack
                                                                                                                        Karoline
                                                                                                                     (Pumpstation
       Anbindung an                                             z                                                      + E-Kessel)
                                                        menet
        bestehende                               Fernwär                            HW Haferweg                                           Umformerstation
       Wedel-Leitung                                                                                                 Power-to-Heat         Spaldingstraße

                                                                                                                                     HW HafenCity

                                                                                                                                                                                     Wärmepumpe

                                        Elbe

      Klärwerk                                                       Energiepark Hafen
      Dradenau                                                      mit Gas-Kraft-Wärme-
                                                                       Kopplungskern

   Abwasser
  Wärmepumpe

  Industrielle                                                                                                      MVR
   Abwärme                                                                                                      Rugenberger
                             Industrielle                                                                          Damm                                                       Aquifer-Wärmespeicher
                              Abwärme                                                                                                                                      Wasser wird erwärmt, im Boden
                                                                                                                                                                                gespeichert und bei
                                                                                                                                                                            Bedarf wieder hochgepumpt
                                                   Aquifer-
                                                Wärmespeicher                                 Power-to-Heat
  6                                                                                                                                                                                                      7

                                                                                                               Abbildung 2: Fernwärmesystem Hamburg 2025 mit Anlagen der SRH (gekennzeichnet).
                                                                                                               Quelle: Wärme Hamburg GmbH (https://energiepark-hafen.hamburg/energiepark-
                                                                                                               hafen/das-erzeugungskonzept/)

Hamburg übergegangen ist, soll ebenfalls zukünftig an das                                                      Maßnahmen zum Erreichen der ambitionierten Klimaziele
Hamburger Fernwärmenetz angeschlossen werden und je                                                            der Stadt Hamburg beitragen.“
nach Erzeugungskonzept nur durch Optimierungsmaßnah-
men und ohne zusätzlichen Brennstoff bis zu 20 MW Fern-
wärme einspeisen.

Mit diesen drei thermischen Verwertungsanlagen und dem
Biomethan-BHKW können zukünftig circa 47 Prozent der
Hamburger Fernwärmeversorgung abgedeckt werden – da-
                                                                                                                                                        Ronja Grumbrecht
mit hat die Stadtreinigung Hamburg das Potenzial, zum
                                                                                                                                                        Projektingenieurin
größten Hamburger Wärmelieferanten zu werden. Aus die-
                                                                                                                                                        Energie- und Stoffstrommanagement
sem Grund sind die Anlagen der SRH auch aus dem Konzept                                                                                                 Zentrum für Ressourcen und Energie
des öffentlichen Fernwärmenetzbetreibers nicht mehr weg-                                                                                                Schnackenburgallee 100
                                                                                                                                                        22525 Hamburg
zudenken (vergleiche Abbildung 2).
                                                                                                                                                        ronja.grumbrecht@stadtreinigung.hamburg

SRH-Geschäftsführer Prof. Dr. Rüdiger Siechau äußert sich
überzeugt und optimistisch: „Abfall wird immer mehr zum
Rohstoff und gewinnt durch eine intelligente Nutzung auch
                                                                                                                                                        Kay Goetze
als umweltfreundliche Energiequelle immer mehr an Be-
                                                                                                                                                        Leiter Unternehmenskommunikation
deutung. Wenn wir Abfälle nicht vermeiden können, stellt
                                                                                                                                                        Stadtreinigung Hamburg
die thermische Nutzung einen wichtigen Beitrag zum Klima-                                                                                               Bullerdeich 19
schutz dar, da fossile Rohstoffe ersetzt werden. Die Stadt-                                                                                             20537 Hamburg
reinigung Hamburg möchte den Weg zur klimafreundlichen                                                                                                  kay.goetze@stadtreinigung.hamburg

Energieversorgung aktiv mitgestalten und durch gezielte

                                                                                                                                                                                           VKS-NEWS | 250 | 11/2020   17
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

                                                                                               © Thomas / stock.adobe.com

              WASSERSTOFFTECHNOLOGIE

              Energieträger der Zukunft?

              W      asserstoff wird aktuell als ein zentrales Element der
                     Energiewende angesehen. Dies liegt vornehmlich an
              der quasi unendlichen Verfügbarkeit sowie der universellen
                                                                             In der ersten Gesprächsrunde zum Thema wurden die The-
                                                                             men Elektrolyse und Brennstoffzelle durch den wissenschaft-
                                                                             lichen Begleiter der Gespräche, Prof. Dr. Gregor Hoogers vom
              und sektorenübergreifenden Einsetzbarkeit von Wasserstoff.     Umwelt-Campus Birkenfeld, näher erläutert. Darüber hinaus
              So kann Wasserstoff helfen, negative Residuallasten aus-       konnte ein intensiver Kontakt zu Vertretern der chemischen
              zugleichen, indem die Wasserstoffgewinnungstechnologien        Industrie aufgebaut werden, die unter anderem mit BASF
              bei Überschussströmen zum Einsatz kommen. Im gleichen          und Boehringer Ingelheim die größten Abnehmer grünen
              Zuge kann man mit H² Strom langfristig speicherbar machen.     Wasserstoffs sein werden. Vier Industrievertreter erhielten
              Die entscheidenden Eigenschaften liegen jedoch in den An-      die Möglichkeit, ihre Lösungen für die H²-Technologie zu
              wendungsbereichen von Wasserstoff. So können zahlreiche        präsentieren. Graforce stellte eine Plasmalysetechnologie
              Industrieprozesse in der Glasherstellung, der chemischen       vor, bei der mithilfe eines Plasmafeldes H² aus Methan und
              Industrie oder der Stahlindustrie, in denen es keine Alter-    Schmutzwasser von Kläranlagen gewonnen werden kann.
              nativen zum Einsatz von H² gibt, mithilfe von treibhausgas-    GP Joule stellte die Projektierung von Elektrolyseuren vor und
              neutralem H² dekarbonisiert werden. Darüber hinaus kann        FAUN ihre 2021 in Serie gehende Linie von brennstoffzellen-
              die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, sinnvollerweise      betriebenen Kehrmaschinen und Abfallsammelfahrzeugen.
              vornehmlich des Schwerlastverkehrs, mithilfe von Brenn-        Zuletzt stellte sera Hydrogen ihr Tankstellenportfolio für
              stoffzellenfahrzeugen erfolgen. Als treibhausgasneutral ist    H²-Fahrzeuge vor.
              dabei nach Auffassung des VKU nicht nur der mit Strom aus
              den klassischen erneuerbaren Energieträgern hergestellte       In einem finalen Diskussionsteil besprachen die Teilnehmer,
              Wasserstoff zu betrachten. Auch der aus der Abwärme der        angeregt von Prof. Hoogers, die konkrete Durchführung von
              thermischen Abfallbehandlung bereitgestellte Strom ist hier    Pilotprojekten. So wurden auch schon zwei Projektideen be-
              einzubeziehen, da die fossilen CO²-Emissionen aus der Ver-     nannt, die nun in den Unternehmen intensiver geprüft wer-
              brennung den Produkten zuzurechnen sind, die aus fossilen      den. Der besondere Reiz daran: Das Umweltministerium RLP
              Kunststoffen hergestellt wurden.                               hat die Bereitstellung von Fördermitteln in Aussicht gestellt.
                                                                             Die VKU-Gesprächsrunde möchte dazu beitragen, einen Teil
              Die kommunalen Unternehmen nehmen in diesem künf-              dieser Fördermittel zur Unterstützung hochinnovativer Pro-
              tigen System eine zentrale Position ein. Mit zahlreichen       jekte in die kommunale Familie zu holen.
              Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlagen (EEE) und den
              kommunalen Abfallverwertungs- und Kläranlagen in ihren
              Betrieben verfügen sie über zentrale H²-Erzeugungskapazi-
                                                                                                       Michael Bleidt
              täten. Strom- und Erdgasnetze in kommunaler Hand stellen
                                                                                                       Geschäftsführer
              Transportwege für den EE-Strom und den Wasserstoff dar.
                                                                                                       VKU Landesgruppe Rheinland-Pfalz
              Darüber hinaus sind kommunale Unternehmen als Fahr-                                      Verband kommunaler Unternehmen e. V.
              zeugflottenbetreiber in der Stadtreinigung, der Abfallsamm-                              Invalidenstraße 91, 10115 Berlin
              lung, dem Winterdienst und dem ÖPNV potenzielle Nutzer                                   bleidt@vku.de

              des H² im Schwerlastverkehr.

18 VKS-NEWS | 250 | 11/2020
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

TREIBSTOFFWENDE

Neue Pflichten und Möglichkeiten

                                                                                                © Robert Kneschke / stock.adobe.com

Z    ur rechtlichen Unterstützung und Durchsetzung der Ener-
     gie- und Klimawende hatte die EU auch im Jahr 2018 die
Erneuerbare-Energien-Richtlinie novelliert (RL EU 2018/2001).      Mit den Änderungen werden Regelungen der
Sie dient insbesondere der Erhöhung des Erneuerbaren-An-           EE-RL II (RED II) umgesetzt, mit denen
teils bis zum Jahr 2030 in den Bereichen Strom, Wärme und
Verkehr. Bis zum 30. Juni 2021 müssen die Bestimmungen der
neuen EE-Richtlinie (Englisch: Renewable Energy Directive         • die EE-Quote im Verkehr bis 2026 auf 14 Prozent
II, RED II) von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht          gesteigert werden soll,
umgesetzt werden.                                                 • Die Dekarbonisierung des Luftverkehrs vorange-
                                                                    bracht werden soll (verpflichtende EE-Mindest-
In Umsetzung der Artikel 25 bis 28 der Richtlinie EU hat das        quote, ausschließlich PtX),
BMU im September 2020 folgende zwei Referentenentwürfe            • Biokraftstoffe aus Rest- oder Abfallstoffen ge-
den Verbänden zur Anhörung vorgelegt:                               fördert werden sollen,
                                                                  • Elektromobilität gefördert werden soll,
• für ein „Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgas-         • erneuerbare strombasierte Kraftstoffe
  minderungs-Quote“                                                 nicht-biogenen Ursprungs (PtX) gefördert
• für eine „Verordnung zur Festlegung weiterer Bestim-              werden sollen (Zulassung von grünem PtX zur
  mungen zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminde-               Anrechnung im Verkehr und zur Produktion
  rungs-Quote“                                                      konventioneller Kraftstoffe),
                                                                  • Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln
Mit dem Gesetz werden die §§ 37a, 37b, 37c, 37d, 62 und 67          begrenzt werden sollen,
BImSchG geändert. Mit der Verordnung werden die §§ 1-2,           • die Vorschriften rechtsbereinigt werden sollen,
5-11, 13-15, 20 sowie Anlagen 1, 4 der 38. BImSchV geändert       • Ermächtigungsgrundlagen angepasst werden
und die §§ 13a, 13b neu eingefügt (Artikel 1) sowie die §§ 1-2,     sollen.
7, 9 der 36. BImSchV geändert (Artikel 2).

                                                                                                                    VKS-NEWS | 250 | 11/2020 19
BEHANDLUNG VON ABFÄLLEN | KUNSTSTOFFE

              Mit der Verordnung wird auch der Begriff der „wiederver-            stoffhaltigen Abfallströmen nicht erneuerbaren Ursprungs
              werteten kohlenstoffhaltigen Kraftstoffe“ in das deutsche           gemäß § 6 KrWG berücksichtigt."
              Recht eingeführt. Er ist in Artikel 2 Nr. 35 der Richtlinie de-
              finiert:                                                          Der VKU begrüßt außerdem die verbesserten Anrechnungs-
                                                                                möglichkeiten für Strom zur Verwendung in Straßenfahr-
                „flüssige und gasförmige Kraftstoffe, die aus flüssigen         zeugen mit Elektroantrieb. Als besonders wichtig erachtet
                oder festen Abfallströmen nicht erneuerbaren Ursprungs,         der Verband dabei die vorgesehene Berücksichtigung auch
                die für eine stoffliche Verwertung gemäß Artikel 4 der          anderer Fahrzeugklassen für die Ermittlung des Stromver-
                Richtlinie 2008/98/EG nicht geeignet sind, hergestellt wer-     brauchs an nicht öffentlichen Ladepunkten. Der Verord-
                den, sowie aus Gas aus der Abfallverarbeitung und Abgas         nungsbegründung ist dabei zu entnehmen, dass die Rege-
                nicht erneuerbaren Ursprungs, die zwangsläufig und un-          lung auch anderen Fahrzeugklassen, insbesondere schweren
                beabsichtigt infolge der Produktionsprozesse in Industrie-      Nutzfahrzeugen, gerecht werden soll, was die bestehende
                anlagen entstehen“                                              Regelung mit dem alleinigen Fokus auf die Jahresverbräuche
                                                                                von Pkw noch nicht leistet. Das Bundesumweltministerium
              Damit hat die EU aus fossilen Abfallbestandteilen herge-          beabsichtige vor diesem Hintergrund, für bestimmte Arten
              stellte Kraftstoffe in die Richtlinie aufgenommen und zu-         von Fahrzeuge weitere spezifische Schätzwerte zu verkün-
              gleich dort die Möglichkeit geschaffen, diese Kraftstoffe bei     den.
              der Berechnung der EE-Quote im Verkehr auch im Zähler zu
              berücksichtigen. Allerdings handelt es sich dabei um eine         Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Fahrleistun-
              Kann-Bestimmung, die Deutschland anscheinend (zumin-              gen einzelner Fahrzeuge im kommunalen Kontext innerhalb
              dest in der vorliegenden Novelle) nicht nutzen will.              einer bestimmten Fahrzeugklasse stark unterscheiden kön-
                                                                                nen. So kommen Fahrzeuge mit langen Umläufen im länd-
              Die bei der thermischen Abfallbehandlung frei werden-             lichen Raum auf höhere Jahresfahrleistungen als gleichartige
              de Wärme ist als solche sowohl unvermeidbare Abwärme              Fahrzeuge im Stadtverkehr. Die Spreizungen können so groß
              als auch aus Abfällen stammend, da sie unvermeidbar bei           sein, dass ein Schätzwert im Einzelfall deutlich zu gering oder
              der zwingend notwendigen Verbrennung der nicht hoch-              zu hoch ausfallen könnte. Das Resultat wäre eine Übervor-
              wertig recycelbaren Abfälle entsteht. Um die Abfallentsor-        teilung eines Unternehmens gegenüber dem anderen, das
              gung gleichzeitig so nachhaltig wie möglich zu gestalten,         gleichartige Fahrzeuge unter anderen Bedingungen betreibt.
              wird diese Abwärme zur Bereitstellung von Dampf, Wärme/           Sollte der Ansatz der Ermittlung fahrzeuggruppenspezifischer
              Kälte oder Strom bis hin zur Sektorkopplung durch Was-            Schätzwerte verfolgt werden, muss deren Ermittlung sehr
              serstoffproduktion genutzt (energetische Verwertung). Je          sorgfältig und unter Berücksichtigung der genannten Um-
              nach Zusammensetzung der Abfälle ist diese Energie teils          stände erfolgen.
              erneuerbar, bei Siedlungsabfällen zu 40 – 50 Prozent, teils
              zumindest eben klimafreundlich.                                   Als Alternative bietet sich an, für gewerblich genutzte Fahr-
                                                                                zeuge oder Fahrzeuge, die von Körperschaften öffentlichen
              Richtigerweise wird auch der Stromverbrauch für Elektroan-        Rechts genutzt werden und die an nicht öffentlichen La-
              triebe im Verkehrssektor bei der Berechnung der EE-Quote          depunkten geladen werden, auf gemessene Verbräuche
              einbezogen. Dann muss nach Auffassung des VKU mit der             zurückzugreifen. Im Fall der öffentlich zugänglichen Lade-
              Aufnahme der (flüssigen und gasförmigen) wiederverwer-            punkte wird das bereits so gehandhabt. Dies ist möglich,
              teten kohlenstoffhaltigen Kraftstoffe auch die Einrechnung        da für innerbetriebliche und steuerrechtliche Abrechnungs-
              von Strom aus denselben Quellen erfolgen.                         zwecke ohnehin in den meisten Fällen die realen Verbräuche
                                                                                gemessen werden.
              Der VKU plädiert deshalb dafür, § 1 Absatz 2 Nr. 2 Satz 1 (neu)
              der 38. BImSchV wie folgt zu fassen:

                „Bei der Berechnung des Zählers wird zur Berechnung der
                Menge der im Verkehrssektor verbrauchten erneuerba-             Dr. Martin J. Gehring
                ren Energie … der Energiegehalt aller Arten erneuerbarer        Fachgebietsleiter Abfallbehandlung,
                                                                                Klima- und Ressourcenschutz
                Energie, die für den gesamten Verkehrssektor bereitge-
                                                                                Abteilung Abfallwirtschaft und
                stellt werden, einschließlich für den Bereich Straßen- und      Stadtsauberkeit VKS
                Schienenverkehr bereitgestellte erneuerbare Elektrizität,       Verband kommunaler Unternehmen e. V.
                wiederverwertete kohlenstoffhaltige Kraftstoffe sowie           Invalidenstraße 91, 10115 Berlin
                                                                                gehring@vku.de
                Elektrizität aus der energetischen Verwertung von kohlen-

20 VKS-NEWS | 250 | 11/2020
Sie können auch lesen