Von der Schmerzlichkeit des Schmerzerlebens - Norbert Kohnen Wie fremde Kulturen Schmerzen wahrnehmen, erleben und bewältigen.

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Von der Schmerzlichkeit des Schmerzerlebens - Norbert Kohnen Wie fremde Kulturen Schmerzen wahrnehmen, erleben und bewältigen.
Norbert Kohnen

            Von der
     Schmerzlichkeit
des Schmerzerlebens

         Wie fremde Kulturen
    Schmerzen wahrnehmen,
     erleben und bewältigen.

                         pvv

                               1
CIP-Titelaufnahme
                                      der Deutschen Bibliothek

                                      Von der Schmerzlichkeit
                                      des Schmerzerlebens
                                      Wie fremde Kulturen
                                      Schmerzen wahrnehmen,
                                                                                                   Norbert Kohnen
                                      erleben und bewältigen.

                                      Ratingen, pvv 2003

                                      Autor: PD Dr. med. Norbert Kohnen                            Von der
                                      Arbeitsmediziner, Internist, Medizinhistoriker
                                      Werderstraße 31, 50672 Köln
                                                                                            Schmerzlichkeit
                                      E-Mail: kohnen@uni-duesseldorf.de                des Schmerzerlebens
                                      1. Auflage 2003
                                      Verlag und Herstellung:                                   Wie fremde Kulturen
                                      pvv, Ratingen                                        Schmerzen wahrnehmen,
                                                                                            erleben und bewältigen.
                                      Gestaltung, Satz und Copyright:
                                      K.F.C., 53804 Much
                                      Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: Ein Philippino tanzt auf   Printed in Germany
glühenden Kohlen (Foto: N. Kohnen)    ISBN 3-927826-45-6
                                                                                                                pvv
Inhalt                                                                            3.3 Schmerzbegriff in Deutschland: Vielfalt der Erlebnisformen                            43
    Vorwort                                                                      7          Wissenschaftliche Klassifikation des ICD                                            43
    Einleitung und Fragestellung                                                 8          Der somatische Schmerzbegriff                                                       44
1   Schmerzen empfinden und wahrnehmen                                           9          Der emotionale Schmerzbegriff                                                       44
                                                                                            Schmerzbegriff deutscher Probanden (medizinischer Laien)                            46
      – Nozizeption –                                                             9
                                                                                            Schmerzbegriff und Alter                                                            47
1.1 Schmerzempfindung                                                            10         Schmerzbegriff und Ausbildung                                                       49
      Die Empfindungsschwelle ist in allen Kulturen gleich                       10         Schmerzbegriff und Beruf                                                            52
1.2 Schmerzwahrnehmung                                                           10         Schmerzbegriff der Ärzte                                                            52
      Die Schmerzschwelle ist zwischen den Kulturen unterschiedlich              10         Schmerzbegriff und Geschlecht                                                       55
                                                                                            Denken und Erleben: logisch somatisch und reflexiv emotional                        56
1.3 Schmerztoleranz                                                              10
                                                                                      3.4 Schmerzerleben und Schmerzbegriff in verschiedenen Kulturen                           59
      Die Schmerztoleranz ist zwischen den Kulturen unterschiedlich              10
                                                                                            Prozentuale Verteilung des somatischen und emotionalen Anteils im Schmerzerleben    60
1.4 Schmerzäußerungen                                                            11
                                                                                            Mittlere Schmerzeinschätzung oder das allgemeine Schmerzniveau                      63
      Kulturelle Bedeutung des Schmerzes in der Schmerz- und Lebensbewältigung   11         Rangkorrelationen                                                                   65
      Die individuellen Schmerzäußerungen sind erworben                                     Qualitative Auswertung: Rangstellung verschiedener Krankheiten                      69
      und von kulturellen Werten, Normen und der Biographie geprägt              12
                                                                                      4   Schmerzen bewältigen                                                                 70
2   Schmerzen erklären und begreifen                                             15         Schmerzbewältigungsstrategien                                                       70
     – Denken und Assoziation –                                                  15         Religiöse Schmerzbewältigung (Juden)                                                72
2.1 Geschichtliche Erklärungen des Schmerzes                                     15         Willentliche Schmerzbewältigung (Iren)                                              72
     Der logische Schmerzbegriff der Griechen                                    15         Familiäre Schmerzbewältigung (Italiener)                                            72
     Unterscheidung des Krankheits- und Schmerzerlebens                          15         Rationale Schmerzbewältigung (Nordamerikaner und Nordeuropäer)                      73
     Der traditionelle reflexive Schmerzbegriff (Sinn und Bedeutung)             16         Fatalistische Schmerzbewältigung (Philippinos)                                      73
     Umbewertung des Schmerzbegriffs im 17. Jahrhundert:                                    Buddhistische Schmerzbewältigung (Burmesen)                                         73
     Schmerz ist gut, er ist Wächter und Hüter des Lebens                        17         Unverträglichkeit verschiedener Schmerzbewältigungsstrategien                       74
2.2 Der moderne Schmerzbegriff                                                   18   5   Schmerzen behandeln                                                                  75
      Definition des Schmerzbegriffes                                            18   5.1 Dem Schmerz die Schmerzhaftigkeit nehmen                                              77
      Transkulturelle Untersuchung des Schmerzbegriffes und seine Bedeutung      19         Traditionelle Schmerzbehandlung der Deutschen                                       77
3   Schmerzen erleben                                                            22         Kälte                                                                               77
      – Schmerzen und ihr individueller Sinn für das Leben –                     22         Wärme oder Hitze                                                                    78
                                                                                            Periphere (elektrische) Stimulation                                                 79
      Reflexion des Schmerzes auf dem Lebenshorizont                             22
      Definition: Erleben und Schmerzerleben                                     22   5.2 Dem Schmerz die Schmerzlichkeit nehmen                                                79
3.1 Grundlage des Erlebens: Dasein als ästhetische Reflexion                     24         Ein Erklärungskonzept anbieten                                                      80
                                                                                            Hilflosigkeit reduzieren und die Kontrollüberzeugung stärken                        81
      Das ästhetische Menschsein                                                 24
                                                                                            Die Schuld nehmen                                                                   82
      Das ästhetische Urteil: Erkenntnis vor allem Denken                        24
                                                                                            Schmerzbehandlung in traditionellen Gesellschaften
      Das ästhetische Urteil: Der Bezug auf Passungsgefüge                       26
                                                                                            bei den Cabuntogueños (Südphilippinen)                                              83
      Äußerungen des ästhetischen Urteils: Befinden, Stimmung und Erleben        26
      Kognitive Klassifikationsdimensionen der Stimmungen und Gefühle            28   5.3 Fallbeispiele traditioneller Schmerzbehandlung                                        84
      Stimmungen und Gefühle als Handlungsdimension                              29         Schmerzbehandlung bei den Cabuntogueños (Südphilippinen)                            84
      Erleben als ästhetische Reflexion der Lebenswelt                           30         Schmerzbehandlung bei den Igorot (Philippinen)                                      95
      Denken, ästhetisches Urteil und ästhetische Reflexion                      31         Schmerzbehandlung bei den Krahô-Indianern (Brasilien)                               98
      Schmerz, ästhetisches Urteil und ästhetische Reflexion                     33         Schmerzbehandlung bei den Lahuaytambos (Peru)                                      100
      Befinden und Entsetzen                                                     35         Zahnschmerz in Cabuntog (Südphilippinen)                                           102
3.2 Schmerzbegriff in einer indigenen Kultur: Schmerz im Spiegel des Lebens      36   6   Schmerzen in der ärztlichen Praxis                                                   104
      Krankheits- und Schmerzerleben einer indigenen Kultur                                 Diagnostik                                                                         104
      (Cabuntogueños, Philippinen)                                               36         Störungen des Schmerzerlebens                                                      105
      Grundlegende Faktoren des Schmerzerlebens                                  38         Therapie                                                                           105
      Krankheits- und Schmerzerleben in unserer Kultur                           40       Literatur/Bildverzeichnis                                                            107
4                                                                                                                                                                               5
Vorwort
    „Für den Patienten unserer Tage ist der Schmerz meist nur eine lästige Betriebsstörung im Organis-
    mus, die so rasch und problemlos behoben werden muß wie etwa ein Defekt in seinem Auto.

    Der Arzt wird zum Techniker der Schmerzbekämpfung, die Praxis oder Klinik zur Reparatur-
    stelle für den Betriebsschaden „Schmerz“. Die Wissenschaft untersucht den Schmerz in seinen
    Teilaspekten und das heißt: in Abstraktionen, ohne damit das konkrete Schmerzerleben selbst
    objektivieren zu können. Von diesen drei Seiten her droht der Blick verdeckt zu werden für das
    eigentlich Menschliche am Schmerz des Menschen: für den Schmerz als Erleben, als Erleiden
    und als Impuls zu seiner Deutung und Wertung. Die Fähigkeit, sich mit dem Schmerz aus-
    einanderzusetzen, nach seinem Sinn zu fragen, der Spielraum der Reflexion – das ist es, was
    den Schmerz des Menschen als eines geschichtlichen Wesens fundamental vom Schmerz des
    Tieres unterscheidet. Die Geschichte des menschlichen Schmerzes gehört zur Geschichte
    menschlichen Leidens. Es ist die Geschichte des vom Geist der Epochen bestimmten Wandels
    der Haltung des Menschen zum Schmerz: der bejahenden oder verneinenden Deutung seines
    Sinns im Da sein, der Wege zu seiner Bewältigung, aber auch der Möglichkeiten des Überwäl-
    tigtwerdens von ihm, der Auflehnung oder der Kapitulation“ (JANZ 1972).

    Diese Schrift gründet sich auf den Erfahrungen wissenschaftlicher Untersuchungen des
    Schmerzbegriffes bei mehr als 600 Probanden (Survey mittels eines Schmerzfragebogens bei
    medizinischen Laien), der wissenschaftlichen Untersuchung des Schmerzbegriffes in fremden
    Kulturen, insbesondere bei den Cabuntogueños, einer philippinischen Fischergruppe, mit ins-
    gesamt zweijährigem Feldforschungsaufenthalt (Untersuchung von 500 Patienten in einer
    Health Station), Untersuchungen zum Schmerzbegriff in Australien, Frankreich, Kuba und vor
    allem den persönlichen Erfahrungen einer 30-jährigen ärztlichen Tätigkeit, bei der die wissen-
    schaftlichen Ergebnisse zum Schmerzbegriff in der Praxis reflektiert werden konnten.

    Die Schrift richtet sich an praktizierende Ärzte, um ihnen die Hintergründe der Schmerzwahr-
    nehmung und des Schmerzerlebens fremdländischer Patienten und vor allem auch das
    Schmerzerleben der eigenen deutschen Bevölkerung offen zu legen und verständlich zu
    machen. Denn es hat sich gezeigt, dass wir Ärzte ebenfalls einen sehr eigentümlichen
    Schmerzbegriff haben, der von dem unserer Patienten abweicht. So gibt es grundsätzliche und
    allgemein menschliche Bedürfnisse, die bei der Schmerzbehandlung berücksichtigt werden
    sollten. Für mich wurden diese grundsätzlichen menschlichen Basisbedürfnisse (Basic Needs)
    erst bei der Untersuchung einer nicht industrialisierten Kultur, bei der Untersuchung des
    Schmerzbegriffes bei den Cabuntogueños, deutlich.

    Norbert Kohnen

6                                                                                                  7
tienten fraglich erscheint, dann haben wir      Paralleluntersuchungen zum Krankheits-           wendige und Mögliche begleiten unser Le-
          Einleitung und                        noch kein Kognitionsmuster für dieses           erleben und Körpererleben durchgeführt           ben und äußern sich als angenehme und
                                                Verhalten erlernt und genau dies war meine      hatte, mir aber Vergleichsuntersuchungen         unangenehme Grund- oder Lebensbefind-
          Fragestellung                         persönliche Erfahrung, als ich als Assistenz-   zum Schmerzbegriff und zum Schmerzer-            lichkeiten. Entsprechend nennen wir ihre
                                                arzt in einer größeren Kölner Klinik nach       leben einer deutschen Bevölkerung fehlten.       Störungen auch die Befindlichkeitsstörun-
                                                dem Studium in der Zentralaufnahme häu-         In den darauf folgenden Jahren befragte ich      gen, die selbst wenig differenziert, unreflek-
Welchem praktizierenden Arzt ist folgende
                                                figer ausländischen Patienten und ihren         hierzu mehr als 600 Probanden und kam zu         tiert und nicht analysiert sich uns bloß als
Situation nicht bekannt? Ein ausländischer
                                                Schmerzäußerungen gegenüberstand. Doch          dem Ergebnis, dass auch die deutsche Be-         angenehme und unangenehme Grundstim-
Patient nimmt gequält vor dem behandeln-
                                                auch meine Kollegen hatten für dieses           völkerung, ähnlich wie die Philippinos, über     mungen präsentieren.
den Arzt Platz. Mit leidvollem Gesichtsaus-
                                                Verhalten keine Wahrnehmungsmuster im           Schmerzen urteilt und einen „erweiterten“
druck präsentiert er seine Leidensgeschichte:
                                                Studium erlernt. So umschrieben wir dieses      Schmerzbegriff hat.                              So enthüllt sich uns ein gestörter Lebensvoll-
„Doktor, ich überall Schmerz“. Noch lange
                                                Verhalten mit einer Vielzahl nicht wertend                                                       zug anfänglich als bloßes unangenehmes
bevor wir durch Palpation oder durch
                                                gemeinter Diagnosebezeichnungen wie             Die Tatsache allerdings, zu behaupten, dass      Gefühl. Wird er reflektiert und bewusst er-
Beklopfen der Körperoberfläche die Loka-
                                                „vegetative Dystonie, das Mittelmeersyn-        die Allgemeinbevölkerung einen „erweiter-        kannt, worin der Mangel besteht, dann wird
lisation des Schmerzes ausmachen können,
                                                drom, Mater Dolorosa-Syndrom“. Die Diag-        ten“ Schmerzbegriff besitze, ist arztzentriert   aus der unangenehmen Befindlichkeitsstö-
wissen wir, dass, ganz gleich wo wir bei
                                                nose „vegetative Dystonie“, eine damals         gedacht. Viel eher verhält es sich doch so,      rung ein schmerzlicher Schmerz. Die Schmerz-
solchen Patienten palpieren oder Berührungs-
                                                häufige Diagnose, die nebenbei überwie-         dass der Schmerzbegriff der Allgemein-           lichkeit ist also ein unangenehmes Gefühl,
reize setzen werden, immer die gleiche
                                                gend nur in Deutschland gestellt wurde, war     bevölkerung der Schmerzbegriff in einer          das die Reflexion auf den eingeschränkten
Antwort folgt: „Ich viel Schmerz, Doktor, ich
                                                der Ausdruck dafür, dass man „nicht so          Gesellschaft ist, und die Ärzte darüber nach-    Lebensvollzug begleitet. In dieser Gestalt ist
überall Schmerz“.
                                                genau wusste, welche Ursache vorlag und         denken müssen, ob nicht sie es sind, die         die Schmerzlichkeit des Schmerzes eine Form
                                                das Krankheitsbild wohl mit den Nerven zu tun   einen abweichenden Schmerzbegriff haben.         des Erlebens und nicht des körperlichen
       Bei der Wahrnehmung solcher              hatte. Höchstwahrscheinlich sogar mit dem       So folgten Untersuchungen zum Schmerz-           Schmerzes. Die Schmerzlichkeit wird ver-
      Schmerzpräsentationen stellt sich         rätselhaften vegetativen Nervensystem“.         begriff der Ärzte, deren Ergebnisse im Fol-      stärkt, wenn Lebensvollzüge chronisch ge-
                die Frage:                                                                      genden präsentiert werden sollen.                stört werden (Blindheit, Taubheit, Geistes-
                                                Eine weitere persönliche Erfahrung war,                                                          schwäche, Sucht, Schlaganfall, Lähmungen,
    1. Nehmen Patienten aus anderen             dass bei der Untersuchung der philippini-       Neben den bereits gestellten Fragen, ob denn     Verbrennungen und der Schmerz selbst).
    Kulturen Schmerzen anders als deut-         schen Fischergruppe aus Cabuntog deutlich       Patienten aus anderen, fremden Kulturen eine     Ein chronischer somatischer Schmerz kann
    sche Mitpatienten wahr? Haben sie also      wurde, dass die Cabuntogueños einen             von deutschen Patienten unterschiedliche         selbst zur Schmerzlichkeit führen, wenn er
    eine andere Schmerzperzeption?              erweiterten Schmerzbegriff besaßen und          Schmerzwahrnehmung oder ein unterschied-         dauerhaft die Lebensvollzüge behindert.
    2. Haben sie einen anderen und zwar         z. B. Erblinden, Blindheit, Taubheit und        liches Schmerzerleben haben, sollen die Fragen
                                                Geistesschwäche für schmerzhaft hielten. In     beantwortet werden, welchen Schmerzbe-
    erweiterten Schmerzbegriff? Das heißt,
    denken sie anders über Schmerzen als        einem Artikel (KOHNEN 1989) veröffent-          griff denn unsere deutschen Patienten und                             1
    deutsche Mitpatienten?                      lichte ich diese Beobachtungen und schloss      welchen Schmerzbegriff die Ärzte haben.
    3. Oder erleben sie Schmerzen anders        mit dem Ergebnis, dass die Cabuntogueños
                                                emotionale Schmerzfaktoren stärker beto-        Erleben ist ein Gefühl, das uns wie die Stim-
                                                                                                                                                  Schmerzen empfinden
    als deutsche Mitpatienten? Haben sie
    also ein anderes Schmerzerleben?            nen würden als wir Deutsche dies tun.           mung stets begleitet. Stimmungen, Gefühle
                                                                                                und das Erleben sind die Antwort über die
                                                                                                                                                    und wahrnehmen
                                                Als ich nun 1998 von dem Leiter der             Stimmigkeit unserer Vermögen, unserer ver-                 – Nozizeption –
An dieser Stelle seien einige persönliche       Tutzinger Schmerzklinik eingeladen wurde,       fügbaren Mittel und Werkzeuge, in Ange-
Erfahrungen und Anmerkungen erlaubt.            um auf dem Tutzinger Schmerzkongress            sicht der Lebensherausforderungen, der           Die Schmerzwahrnehmung ist von kulturel-
Wenn es so ist, dass uns praktizierenden        über meine Erfahrungen zum Schmerz-             Lebenserwartungen wie der Lebensbewälti-         len und individuellen Faktoren beeinflusst.
Ärzten die Krankheitswahrnehmung und            begriff der philippinischen Fischergruppe zu    gung in theoretischer und praktischer Weise      Gesellschaftliche Einflüsse wie Normen und
das Krankheitserleben ausländischer Pa-         berichten, stellte ich fest, dass ich zwar      überhaupt. Diese Reflexionen auf das Not-        Werte der Schmerzäußerung und individu-

8                                                                                                                                                                                           9
elle biographische Einflüsse wie die erlernte     MELZACK (1978), dass der sensorische           Schmerzes. Schmerztoleranz ist der Punkt,                         Beobachtungen und wissenschaftliche Un-
und selbst erworbene Deutung und die              Leistungsapparat bei allen Menschen ähn-       an dem sich eine Person einem Stimulusreiz                        tersuchungen von LARBIG (1982, 1989) be-
Bedeutung des Schmerzes für den eigenen           lich funktioniert.                             entziehen will. Italienerinnen zeigten die                        legen MELZACKS Feststellung, dass in ver-
Körper wie für den eigenen Lebenslauf, die                                                       niedrigsten Schmerztoleranzwerte. Ameri-                          schiedenen Kulturen Initiationsriten und an-
Lebensbewältigung und das ganze Leben                                                            kanische und irische Frauen fielen durch                          dere Rituale, die unmittelbar mit intensiven
sowie der ihm zugesprochene Sinn prägen                              1.2                         wesentlich höhere Schmerztoleranz auf. Sie                        Schmerzreizen in Verbindung stehen, ohne
das Schmerzerleben. Die Einflussfaktoren des                                                     zeigten kaum Schmerzreaktionen, während                           oder mit nur geringem Schmerzausdruck
Schmerzerlebens sind innerhalb der einzel-
nen Kultur wie transkulturell unterschiedlich.
                                                  Schmerzwahrnehmung                             italienische und jüdische Frauen deutlich
                                                                                                 Schmerzverhalten demonstrierten. Psycho-
                                                                                                                                                                   und geringer Schmerzwahrnehmung durch-
                                                                                                                                                                   geführt werden. LARBIG (1982) untersuchte
                                                        Die Schmerzschwelle                      physiologische Parameter verdeutlichen die                        unter laborexperimentellen Bedingungen
                                                                                                 Daten. In Antizipation des elektrischen Reizes                    mit EEG-Ableitungen und blutchemischer
                    1.1                              ist zwischen den Kulturen                   traten biphasische Potentiale der Hautleit-                       Bestimmung der Adrenalin- und Noradre-
                                                                                                 fähigkeit auf, die im Laufe der Gewöhnung                         nalin-Ausschüttung Feuerläufer aus Nord-
                                                           unterschiedlich
     Schmerzempfindung                            Die Schmerzschwelle ist der Punkt, an dem
                                                                                                 in monophasische Fluktuationen übergin-
                                                                                                 gen. STERNBACH UND TURSKY fanden bei
                                                                                                                                                                   griechenland, Zelebranten des so genann-
                                                                                                                                                                   ten Haken-Hänge-Rituals in Sri Lanka und
                                                  eine Person einen Stimulusreiz als schmerz-    den amerikanischen Frauen die schnellsten                         einen Fakir mongolischer Abstammung.
     Die Empfindungsschwelle
                                                  haft empfindet. CLARK UND CLARK (1980)         Gewöhnungsraten. Die Ergebnisse bestäti-                          Beim Haken-Hänge-Ritual wurden dem
     ist in allen Kulturen gleich                 benutzten elektrische Reize zur Schmerz-       gen die Theorie von PETRIE (1960), dass                           Zelebranten sechs bis acht Stahlhaken, die
                                                  schwellenmessung und stellten fest, dass bei   Reizverminderer (Reduser) Schmerzen am                            mit Seilen an der Spitze eines fahrbaren
Nach MELZACK (1978, p. 17) ist offensicht-        nepalesischen Trägern und bei westlichen       besten tolerieren, da sie wie die amerikani-                      Holzkarrens befestigt sind, durch die Haut
lich, „dass Schmerz wesentlich variabler          Touristen die Empfindungsschwelle gleich       schen Versuchspersonen versuchen, durch                           in die Rückenmuskulatur gestoßen. Der
und wandlungsfähiger ist, als es die Men-         hoch war, dass die Nepalesen allerdings erst   eine Hemmung emotionalen Ausdruckver-                             Fakir durchbohrte allabendlich seine Zunge
schen in der Vergangenheit geglaubt hatten.       bei einem höheren Stimulus den Reiz als        haltens die Schmerzen zu blockieren.                              mit vier 50 cm langen spitzen Dolchen.
Schmerz ändert sich von Person zu Person,         schmerzhaft empfanden. Nach HARDY,
von Kultur zu Kultur. Reize, die bei einer Per-   WOLFF UND GOODELL (1952) wurden                                                                                  Schmerzwahrnehmung ist von der Erzie-
son unerträglichen Schmerz hervorrufen,           Hitzereize von Ethnien, die aus dem Mit-                                                                         hung, den kulturellen Normen und Werten,
werden von einer anderen, ohne mit der            telmeerraum stammen, schon als schmerz-                                                                          dem erlernten Verhalten sowie von eigenen
Wimper zu zucken, ertragen.“                      haft wahrgenommen, die Nordeuropäer                                                                              Sozialisationserfahrungen abhängig.
                                                  noch als warm bezeichneten.
Interkulturelle Unterschiede bezüglich der                                                                                                                                            1.4
Empfindungsschwelle (das ist die geringste
Reizstärke, die nötig ist, um eine Empfin-                           1.3
dung auszulösen) wurden nicht gefunden.                                                                                                                              Schmerzäußerungen
STERNBACH UND TURSKY (1965) stellten
Empfindungsschwellenmessungen bei Frau-
                                                        Schmerztoleranz                                                                                               Kulturelle Bedeutung des
en verschiedener ethnischer Gruppen an:                 Die Schmerztoleranz                                                                                          Schmerzes in der Schmerz-
Italienerinnen, Jüdinnen, Irinnen und Frauen
alteingesessener amerikanischer Familien.            ist zwischen den Kulturen                                                                                        und Lebensbewältigung
Fehlende Unterschiede zwischen den Grup-
                                                           unterschiedlich
pen bezüglich der Empfindungsschwelle legen                                                                                                                        In einer Studie an schwarzen, puertoricani-
die Annahme nahe, dass die Empfindungs-           Hauptunterschiede zwischen den genann-                                                                           schen und weißen Zahnarztpatienten wur-
schwelle unabhängig vom kulturellen Hin-          ten Gruppen fanden STERNBACH ET AL.            Abb. 1.1: Die Schmerzempfindung und Schmerzwahrnehmung            den Einstellungen zum Schmerz untersucht,
                                                                                                 eines Fakirs wird unter wissenschaftlich klinischen Bedingungen
tergrund einheitlich ist. Daraus folgert          (1974) in den Toleranzkomponenten des          untersucht (Aus LARBIG: Schmerz 1982 Abb. 43)                     die als wesentliche Ursache für Unterschiede

10                                                                                                                                                                                                           11
in der Schmerztoleranz angesehen werden.          tungen der jungen Männer zurück, die             Abstammung) Schmerzpatienten mit vor-             arabischen Kinder erklärten häufig, dass sie
Es ergaben sich zwischen den Gruppen              durch diese Zeremonie Erfolg, Ansehen und        wiegend neurologischen Erkrankungen, wie          sich bei Schmerzen erregt (nervous), verle-
signifikante Einstellungsunterschiede, die        Vertrauen der älteren Generation gewin-          Diskushernien mit Wurzelreizung und spi-          gen (embarrassed) und ungehalten (angry)
durch folgende Aussagen ermittelt wurden:         nen. In dieser Weise ist das Verhalten in        nalen Läsionen, untersucht. Miteinbezogen         fühlten, während die lateinamerikanischen
„Der beste Weg mit dem Schmerz fertig zu          Schmerzsituationen der sozialen Umwelt           wurden auch Familienangehörige, die zu            Kinder sich einfach schlecht (bad) fühlten.
werden, ist, ihn zu ignorieren. Es ist ein Zei-   angepasst, da die Gruppe das individuelle        ihrer Haltung gegenüber Schmerz und
chen von Schwäche, dem Schmerz nachzu-            Verhalten bewertet und es prägt.                 Schmerzäußerungen befragt wurden. Jüdi-           PERKOFF UND STAND (1973) stellten
geben. Wenn ich krank werde, möchte ich,                                                           sche und italienische Patienten zeigten           unterschiedliche Schmerzäußerungen bei
dass der Arzt die Schmerzen beseitigt.“           Natürlich üben neben diesen kulturellen Ein-     emotionale Schmerzreaktionen. Den Inter-          Herzinfarktpatienten fest. Weiße Patienten
Diese Einstellungen, die im Wesentlichen          flüssen die individuellen, persönlichen phy-     viewdaten ist zu entnehmen, dass beide            berichteten über Brustschmerzen, während die
die Abwehr, sich mit dem Schmerz ausein-          sischen und psychologischen Faktoren einen       Gruppen eine niedrige Schmerzschwelle ha-         dunkelhäutigen eher über Luftnot klagten.
ander zu setzen, widerspiegeln, wurden am         wesentlichen Einfluss auf das Schmerzerle-       ben. Jüdische Patienten verhalten sich eher
stärksten von puertoricanischen Patienten,        ben aus, so dass trotz des kulturellen Hinter-   pessimistisch gegenüber Ursache und Thera-        Kulturelle Bewertungen einzelner Zeichen
weniger ausgeprägt von dunkelhäutigen             grundes, der gesellschaftlichen Erziehung,       pie der Schmerzen. Die Italiener versuchen,       und gesellschaftliche Normen bestimmen
Probanden („Schwarzen“) und am schwäch-           aller vermittelter und anerzogener Werte und     sofortige Hilfe in Anspruch zu nehmen, die        die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung
sten von hellhäutigen Probanden („Wei-            Bewertungen, trotz der Sozialisation jede        sie dann schnell zufrieden stellt. Die Amerika-   von sinnlichen Phänomenen. HELLER be-
ßen“) vertreten (WEISENBERG 1982). MER-           einzelne Person ein individuelles Verhalten      ner zeichnen sich durch phlegmatische und         schreibt, dass die Tamang aus Cautara in
SKEY UND SPEAR (1967) fanden keinen               bei Schmerzen zeigt.                             nüchterne Einschätzung der Schmerzen aus          Nepal immer schon die gefürchteten
Unterschied in der Schmerzreaktion (Druck-                                                         und ertragen die Schmerzen ohne entspre-          Ödeme an ihrem Körper entdeckten, wo
algometertest) zwischen „Weißen und                                                                chende Schmerzäußerungen. Irische Ver-            der westliche Arzt noch nichts wahrnahm,
Schwarzen“.                                             Die individuellen                          suchspersonen zeigen sich ebenfalls zurück-       wohingegen umgekehrt der westliche Arzt
                                                    Schmerzäußerungen sind                         haltend im Schmerzausdruck, ziehen sich           Husten und Bronchitiden diagnostizierte,
CHAPMAN UND JONES (1944) untersuch-                                                                von Familie und Freunden zurück, teilweise um     denen die Nepalesen keine Bedeutung
ten die Schmerzantworten nach Hitzereizen         erworben und von kulturellen                     unbeobachtet ihren Schmerz auszudrücken.          zumaßen (HELLER 1977, 1985 p. 151-157).
bei Amerikanern aus Südafrika und Nord-             Werten, Normen und der                                                                           Amerikaner mexikanischer Abstammung
europa, bei Amerikanern russisch-jüdischer                                                         ABU-SAAD (1984) untersuchte die verbalen          sollen Schmerzzeichen seltener ihre Auf-
und italienischer Abstammung. Es fiel auf, dass        Biographie geprägt                          Äußerungen für Schmerzen von amerikani-           merksamkeit schenken, weil sie Schmerzen
die italienischen Amerikaner ihre Schmerzen                                                        schen Kindern arabischer, asiatischer und         als mangelndes Durchhaltevermögen und
deutlich in Worten äußerten, während die          Nach WEISENBERG (1982) scheinen die un-          lateinamerikanischer Abstammung. Die ara-         als Zeichen der Schwäche deuten (CALA-
afrikanischen Amerikaner ihre Schmerzen           einheitlichen Daten in der transkulturellen      bisch-amerikanischen Kinder benutzten all-        TRELLA 1980). Allerdings ist es erlaubt und
nicht durch Worte sondern durch Gesten            Schmerzforschung teilweise auf Stichpro-         gemeine Beschreibungen wie schlimm                gesellschaftlich akzeptiert, bei Schmerzen
ausdrückten.                                      beneffekte zurückzugehen. Es sei fraglich,       (sore), unangenehm (uncomfortable) und            zu jammern. Dieses Jammern wird als ange-
                                                  ob dieselben Ergebnisse hinsichtlich sozio-      kribbelig (tingling), um Schmerzen zu be-         messener Ausdruck angesehen, Schmerzen
WISSLER (1921) berichtet von den nord-            kultureller Schmerzreaktionen bei verschie-      nennen. Asiatische Kinder beschrieben den         zu äußern, und ist bei ihnen eine kulturell
amerikanischen Plains-Indianern, bei denen        denen rassischen Personengruppen mit Ver-        Schmerz als Furcht erregend (scary), läh-         anerkannte Form, Schmerzen zu bewältigen.
eine besonders hohe Schmerztoleranz be-           suchsleitern unterschiedlicher ethnischer        mend (paralysing) und kalt (cold). Latein-
obachtet wurde. Junge Männer stechen sich         Herkunft zu Stande kämen. Ethnokulturelle        amerikanische sprachen von verletzenden           HILBERT (1984) stellte fest, dass Patienten
bei der „Sonnentanz-Zeremonie“ mit Spee-          Unterschiede in der Art Schmerz zu äußern,       (hitting), fürchterlichen (terrible) und krank    mit chronischen Schmerzen sich oft in einer
ren in die Brust und tanzen vor einem Gott-       wurden in der klassischen Studie des An-         machenden (sickening) Empfindungen. Alle          sozialen Isolation befinden, weil ihnen die
heitssymbol, bis sich Teile der Haut vom          thropologen ZBOROWSKI (1952) anhand von          Kinder dieser drei Kulturen waren sich darin      Möglichkeit fehlt, die kulturell erworbenen
Leib lösen. Die hohe Schmerztoleranzgren-         Interviews und Beobachtungen an irischen,        einig, dass sie sich bei Schmerzen elendig        Erklärungen, Ausdrucksmöglichkeiten und
ze geht nach Ansicht der Autoren auf die          jüdischen, italienischen und alteingesesse-      (miserable), scheußlich (awful) und ängst-        Bewältigungsstrategien des Schmerzes an-
individuellen und gesellschaftlichen Erwar-       nen amerikanischen (Protestanten britischer      lich (scared) fühlten. Die asiatischen und        zuwenden. Er berichtet, dass diese Men-

12                                                                                                                                                                                             13
2                                               2.1
schen ihre Schmerzen und Schmerzbewälti-           sind das Lernen und Erlernen von
gungsstrategien oft verbergen. KOTARBA             Schmerzverhalten, die kognitiven Prozes-           Schmerzen erklären                                   Geschichtliche
wies 1983 nach, dass Patienten mit chroni-         se (Körperwahrnehmung und Schmerz,
schen Schmerzsyndromen vielfach davon              Aufmerksamkeit, Ablenkungen, die tat-                und begreifen                                     Erklärungen des
überzeugt waren, dass ihr Zustand vor allem        sächliche und die vermeintliche Kon-
durch persönliche und weniger durch medi-          trolle über Schmerz und Hilflosigkeit            – Denken und Assoziation –                               Schmerzes
zinische Probleme hervorgerufen würde.             insbesondere bei Unvorhersagbarkeit
Ihre Schmerzen waren durch eine Reihe von          und Unkontrollierbarkeit des Schmer-                                                                    Der logische
                                                                                                   Schmerz ist ein unangenehmes Erlebnis, das
Erwartungen wie Hoffnung, Furcht und Ver-          zes), soziale und persönliche individuel-
                                                                                                   der Mensch nach ASKLEPIADES AUS                 Schmerzbegriff der Griechen
trauen beeinflusst. Diese Erwartungen wa-          le Faktoren.
                                                                                                   BITHYNIEN seit jeher versucht tuto, cito et
ren kulturell verwurzelt. Beispielsweise konn-
                                                                                                   jucunde, sicher, schnell und angenehm, zu
                                                                                                                                                   Unterscheidung des Krankheits-
ten stark religiöse Probanden ihre Schmer-
zen durch Sinn und Ausdruck religiöser           Alle diese Faktoren werden in den üblichen
                                                                                                   beseitigen. Hierzu benötigt er wirksame             und Schmerzerlebens
                                                                                                   Handlungskonzepte. Nun steht vor jedem
Doktrinen erklären. In Japan besteht die         Lehrbüchern zum Schmerz diskutiert. Bei
                                                                                                   Handlungskonzept ein Erklärungskonzept.         In den ersten medizinischen Schriften des
Vorstellung, dass Bauchschmerzen Aus-            der Diskussion kultureller Faktoren des
                                                                                                   Erklärt und gelehrt wird in Begriffen. So ist   Altertums wurde noch nicht streng zwischen
druck einer geistigen Disharmonie sind, weil     Schmerzes ist ein weiterer Aspekt hilfreich,
                                                                                                   im einzelnen Schmerzbegriff alles das ent-      dem Krankheits- und dem Schmerzbegriff
man glaubt, dass das Abdomen der Sitz der        und zwar die Reflexion der Schmerzwahr-
                                                                                                   halten, was die Menschen der einzelnen          unterschieden. POLYBOS, der Schwiegersohn
Seele ist (OHNUKI-TIERNEY 1984).                 nehmung auf Bedeutung und Sinn für die
                                                                                                   Kulturen über Schmerzen denken, wissen          des HIPPOKRATES (460 - 375 v. Chr.), sagt:
                                                 Lebensführung und auf das persönliche
                                                                                                   und was sie mit diesem Phänomen assoziieren.
Der Unterschied der Schmerzwahrneh-              Leben insgesamt. Eine solche Reflexion
                                                                                                                                                   „Der Körper des Menschen enthält in sich
mung und der Schmerzäußerung zwischen            erfolgt in einer industrialisierten und indivi-
                                                                                                   In unserer abendländischen Kultur ent-          Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle,
den Geschlechtern soll darin bestehen, dass      dual orientierten Gesellschaft anders als in
                                                                                                   wickelte sich der Schmerzbegriff geschicht-     sie stellen die Natur seines Körpers dar
Frauen Schmerzen offener zeigen als Män-         einer nicht industrialisierten, sozial- und
                                                                                                   lich aus dem allgemeinen Krankheitsbegriff,     und ihretwegen empfindet er Schmerzen
ner und offener über Schmerzen mit Freun-        familienorientierten (traditionellen) Gesell-
                                                                                                   indem zwischen Krankheit und Schmerz un-        und ist er gesund. Gesund ist er nun be-
dinnen und medizinischem Personal spre-          schaft. Schmerzen werden in diesen Gesell-
                                                                                                   terschieden wurde. Anfänglich umfasste die      sonders dann, wenn diese Substanzen in
chen. Frauen haben in jüngeren Jahren            schaften aufgrund solcher Reflexionen un-
                                                                                                   Bezeichnung für Schmerz sowohl die kör-         ihrer wechselseitigen Wirkung und in ihrer
schon mehr Erfahrungen mit Schmerzen als         terschiedlich erlebt. Im Schmerzerleben er-
                                                                                                   perlichen als auch die seelischen Missemp-      Menge das richtige Verhältnis aufweisen
Männer, meist Menstruationsbeschwerden           fassen wir neben der Empfindung und
                                                                                                   findungen, ein weiter Schmerzbegriff, der       und am besten gemischt sind; Schmerzen
oder Geburtsschmerzen. Folglich sollen sie       Wahrnehmung auch die Schmerzverar-
                                                                                                   noch heute bei vielen ethnischen Gruppen        empfindet er, wenn sich eine von diesen
mit Schmerzen vertrauter sein und sie als        beitung in ihren unterschiedlichen kulturel-
                                                                                                   nachweisbar ist und den ich z. B. bei For-      Substanzen in geringerer oder größerer
einen natürlichen Teil ihres Lebens begrei-      len Interpretationen über Herkunft, Bedeu-
                                                                                                   schungen auf den Philippinen bei den            Menge im Körper absondert und nicht mit
fen (ENCANDELA 1993).                            tung und Sinn des Schmerzphänomens.
                                                                                                   Cabuntogueños fand (KOHNEN 1989). Erst          allen genannten gemischt ist.”
                                                                                                   im Denken RENÉ DESCARTES (1596 – 1650)          (POLYBOS / HIPPOKRATES: Über die Natur des
                                                                                                   und später in der wissenschaftlichen For-       Menschen, Kap. 4: s. griechischen Text MÜRI 1979
     Wenn die physiologischen Aspekte der                                                                                                          p. 191-192)
                                                                                                   schung wuchs das Bewusstsein für eine Un-
     Schmerzleitung und Schmerzempfin-
                                                                                                   terscheidung zwischen den körperlichen
     dung generell gesprochen bei allen                                                                                                            Im Altgriechischen findet sich der gemein-
                                                                                                   und seelischen Schmerzen.
     Menschen und in allen Kulturen gleich                                                                                                         same Wortstamm algos, algia und algedon.
     sind, so müssen andere Faktoren für                                                                                                           Er bezeichnete sowohl physische als auch
     die unterschiedlichen Äußerungen von                                                                                                          psychische Schmerzbereiche. So sprechen
     Schmerz verantwortlich sein. Eine kultu-                                                                                                      wir in unserer medizinischen Terminologie
     relle Variable des Schmerzerlebens ist                                                                                                        noch heute von einer Arthralgie (somatischer
     die Schmerztoleranz. Andere Faktoren                                                                                                          Gelenkschmerz) und von einer Nostalgie

14                                                                                                                                                                                              15
(seelischer Sehnsuchtsschmerz). Algema um-              Der traditionelle                               Umbewertung des                         nehmen Schmerz noch als gut, weil er
schrieb später den rein körperlichen und                                                                                                        zweckvoll und weil er nützlich ist.
algesis den Seelenschmerz.                         reflexive Schmerzbegriff                              Schmerzbegriffs
                                                    (Sinn und Bedeutung)                               im 17. Jahrhundert:
Die Bezeichnung des Schmerzerlebens bei
Germanen ist auch sehr viel umfassender als    Schmerzen wurden jahrtausendelang als
                                                                                                         Schmerz ist gut,
der neuzeitliche Schmerzbegriff. Ursprüng-     Ausbleiben des Wohlbefindens empfunden              er ist Wächter und Hüter
lich bezeichnet das Wort Pein auch sowohl      und in ihren ersten Bestimmungen als
die seelischen wie die körperlichen Aspekte    Grundübel der Natur und als das Leiden der
                                                                                                           des Lebens
des Schmerzes. Im späten Mittelalter war       Seele an der Schadhaftigkeit der Welt ge-
die „peinliche Befragung” vor Gericht mit                                                      Der historische Prozess, in dem eine Umbe-
                                               dacht. So wie nach ARISTOTELES Krankheit
körperlichen Schmerzen verbunden, denn                                                         wertung und eine neue Einstellung zur Deu-
                                               Ausbleiben und Mangel der Gesundheit ist
es war eine Befragung unter der Folter. Im     (KOHNEN 1978), so wird Schmerz als defi-        tung des Schmerzes gewonnen wird, vollzieht
Englischen bezeichnet das aus dem Urger-                                                       sich im 17. Jahrhundert und lässt sich nach
                                               zienter Modus (steresis, Mangel) ganz un-
manischen stammende Wort pain heute                                                            TOELLNER (1971) in drei Stadien beschreiben:
                                               mittelbar in die gedankliche Ordnung auf-
gleichfalls den Körper- und Seelenschmerz,                                                     Im Denken RENÉ DESCARTES (1596 – 1650),
                                               genommen als ein Zeichen für diesen allge-
und das indogermanisch verwandte lateini-                                                      wird erstmals eine Trennung der Einheit aus
                                               meinen Mangel der Natur, der sich in
sche poena = Strafe weist darauf hin, dass                                                     Körper und Seele vollzogen und der Schmerz
                                               Krankheit, Leid und Tod äußert. Ob dieser
Strafe in alter Zeit mit Schmerzen verbun-                                                     mit allen anderen Affekten der Seele schließ-
                                               Mangel nun verstanden wird als Disharmo-
den war (MICHLER 1979).                                                                        lich ohne Einschränkung nicht mehr als Übel
                                               nie unter den Elementen und Qualitäten des                                                       Abb. 2.1: Holzschnitt aus „L’homme“ von RENE DESCARTES
                                                                                               angesehen, sondern gut genannt. Mit dem Satz
                                               Kosmos, wie bei den hippokratischen Ärz-                                                         (Paris 1664): Vermittlung einer Sinnesfunktion von der Zehe
Experimentelle Forschungen im 18. und 19.                                                      „Wir sehen, dass sie alle [die Affekte] ihrer    mittels eines Nervs zur Zwirbeldrüse. DESCARTES beschreibt
                                               ten, oder als notwendig defizienter Modus                                                        den funktionellen Zusammenhang einer Sinnesempfindung,
Jahrhundert leiteten eine Entwicklung in der                                                   Natur nach gut sind“, schließt DESCARTES         die an dem einen Ort, und der Sinneswahrnehmung, die an
                                               alles Daseienden in seiner Vielfalt, wie bei                                                     einem anderen Ort stattfindet. Damit unterscheidet er topo-
Schmerzforschung und Schmerztherapie                                                           seine Argumentation in den Passions de l‘ âme
                                               den Neuplatonikern und Gnostikern, oder                                                          graphisch die sensitive Empfindung von einer sensorischen
ein, die heute noch nicht abgeschlossen ist,                                                   (DESCARTES 1692 p. 91).                          Wahrnehmung.
                                               wie bei den Christen als Folge des Sünden-
und die den Bedeutungsgehalt des Begriffs      falles, immer liegt die Auffassung zu Grunde,
Schmerz erheblich veränderte. Indem man                                                        DESCARTES trennt den Leib von der Seele          1. Die sich aus dem kartesischen Dualismus
                                               dass die Natur der Dinge wesenhaft verdor-
nach bewährter naturwissenschaftlicher                                                         und versteht den entseelten Körper als tech-        ergebenden Probleme hat Leibniz für sei-
                                               ben ist und dass dies letztlich die Ursache
Methode das Hauptproblem in Einzelprob-                                                        nischen Apparat, als kunstvoll aufgebaute           ne Zeit weiter gelöst und dabei dem kar-
                                               des Schmerzes ist. In dieser ursprünglichen
leme zerlegte, kam man zur Trennung der                                                        Maschine. Er stellt eine neue kognitive Sicht,      tesischen Gedanken zum Siege verhol-
                                               kognitiven Ordnung gibt es weder den iso-
Schmerzempfindung vom Schmerzerleben.                                                          eine neue systematische Wahrnehmungs-               fen, dass der körperliche Schmerz kein
                                               lierbaren Körperschmerz noch den reinen
Durch weitere Zergliederung sind hinsicht-                                                     ordnung auf, infolge derer der Schmerzvor-          Übel, kein Fehler und Mangel der Natur
                                               Seelenschmerz.
lich der Schmerzempfindung in Histologie,                                                      gang zu einem rein körperlichen Empfinden           sei, sondern die höchst zweckvolle, not-
Physiologie und Biochemie bestimmte Teile                                                      wird und die Schmerzreaktion zu einem               wendige Einrichtung einer überlegenen
des Schmerzgeschehens naturwissenschaft-                                                       Reflex. Der Körperschmerz löst Schutz- und          Weisheit zum Schutze und zur Erhaltung
lich fassbar und definierbar geworden. Die                                                     Abwehrreaktionen aus, die allesamt auf              des Lebens. In der Theodizee trennt Leibniz
Einengung des Schmerzbegriffs auf einen                                                        Nervenbahnen ihren Weg über die Epiphy-             das physische Übel vom moralischen
rein körperlich-somatischen Aspekt in den                                                      se nehmen. Erst in der Epiphyse als dem Sitz        Übel ab und zeigt, dass der physische
medizinischen Wissenschaften ist der vor-                                                      der Seele entsteht das Schmerzerlebnis, aus         Schmerz nicht Ausdruck eines Schadens
läufige Endpunkt einer Entwicklung und wis-                                                    dem die Seele lernt, das Schädliche zu ver-         der unvollkommenen Natur, sondern not-
senschaftlichen Spezialisierung im Laufe der                                                   meiden (Abbildung 2.1). Diese teleologi-            wendiges Mittel eines guten Zweckes ist.
abendländischen Geschichte.                                                                    sche Sicht, nach der in der Natur nichts            Der Schmerz ist Zeichen einer vollkom-
                                                                                               umsonst ist, bewertet selbst diesen unange-         menen Naturordnung.

16                                                                                                                                                                                                      17
2. In der Folgezeit wird der Nachweis ge-           Und je besser man diese Funktionsweise         haft, 3. schmerzhaft oder 4. nicht schmerz-    wird sie je nach der allgemeinen Meinung
   führt, dass die Natur wunderbar, sinn-           verstand, umso besser konnte man den           haft?“, beantworten wir mittels unseres        ihre drohenden Schmerzen erwarten und
   und zweckvoll eingerichtet ist, dass alles       Schmerz beherrschen. Aus dem Problem           Denkens aus unserer Erfahrung und aus un-      empfinden. Die Meinung nimmt über die
   in ihr seinen Platz hat, dass in ihr das         der Bewältigung des Schmerzes wurde das        serem erworbenen Wissen um den Begriff         Erwartungshaltung einen Einfluss auf das
   Kleinste auf das Größte sinnvoll bezogen         Problem der Ausschaltung des Schmerzes.        Magenschmerz. Dabei ist dieses Wissen um       Erleben (self-fulfilling prophecy JONES
   erscheint, nichts überflüssig ist und nichts                                                    die Schmerzhaftigkeit der Magenschmer-         1977). In der Psychologie und Gestaltthera-
   fehlt, und auch Schmerz und Tod eine                                                            zen im Schmerzbegriff enthalten. Ebenso        pie ist die Wirksamkeit solcher Meinungen
   gute, weil notwendige Funktion im Gan-                             2.2                          verhält es sich mit der Frage nach der         in der Form von Glaubenssätzen bekannt.
   zen haben. Die Natur präsentierte sich                                                          Schmerzhaftigkeit von Erblinden, Blindheit,
   den Denkern jenes Jahrhunderts als eine                                                         Taubheit oder Geistesschwäche. Unter dem       Die Untersuchungen zum Schmerzbegriff in
   von ewigen, notwendigen und unver-                      Der moderne                             Schmerzbegriff wird alles verstanden, was      fremden sozial- und familienorientierten Kul-
   brüchlichen Gesetzen beherrschte Ord-                                                           bei der Vorstellung des Begriffes Schmerz      turen führte uns zu der Einsicht, dass in die-
   nung. Die kognitive Ordnung der Natur-                 Schmerzbegriff                           gedacht und assoziiert wird.                   sen Gesellschaften der Krankheits- und
   dinge wie des Naturganzen wurde unter                                                                                                          Schmerzbegriff viel grundsätzlicher und
   den Dimensionen von Proportionen und
                                                            Definition des                                                                        zwar emotionaler erlebt und begriffen wird
   Gesetzmäßigkeiten systematisiert. Diese                 Schmerzbegriffes                        Transkulturelle Untersuchung                   als in einer individual orientierten Gesell-
   neue kognitive Wahrnehmung der Natur                                                                des Schmerzbegriffs                        schaft. Die Faktoren, die ursprünglich das
   war die wichtigste theoretische Voraus-                                                                                                        Schmerzerleben bei Krankheit beeinflussen,
   setzung für die sich breit entfaltende em-       Die internationale Vereinigung zum Stu-            und seine Bedeutung                        sind Beurteilungen bezüglich der Lebens-
   pirische Naturforschung, die im Beginn           dium des Schmerzes (International                                                             bewältigung: soziale Einschränkung, körper-
   des 18. Jahrhunderts auch in der Medizin         Association for the Study of Pain, IASP)       Unsere transkulturelle Untersuchung zur        liche Einschränkung, Sinnesreizungen und
   immer größere Bedeutung erlangt. So              definiert Schmerz als „ein unangeneh-          Schmerzwahrnehmung und zur Schmerz-            Funktionseinbußen, (schlechte) Prognose,
   ist denn auch der Gedanke, dass der              mes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das           bewältigung führten wir in Form einer Befra-   Behandlungskosten und Behandlungser-
   Schmerz „Wächter und Hüter des Le-               mit aktueller oder potentieller Gewebs-        gung, einer Meinungsumfrage (survey) durch     wartung, Angst und Hilflosigkeit. Um dieser
   bens“ sei, um die Mitte des 18. Jahrhun-         schädigung verknüpft ist oder mit Be-          und nicht in der Form einer Messung kör-       Tatsache Rechnung zu tragen, ist es nötig,
   derts endgültig in die medizinische Wis-         griffen einer solchen Schädigung be-           perlicher physiologischer Schmerzempfin-       das Schmerzphänomen im weiteren Sinne
   senschaft eingedrungen und fester Be-            schrieben wird“.                               dungen oder Schmerzwahrnehmungen.              zu erfassen und einen entsprechenden
   standteil ihrer Vorstellungen geworden.                                                         Das Medium war die Sprache. In ihr spre-       Schmerzbegriff zu definieren. Diese erwei-
   Mit der Änderung der Erkenntnissituation                                                        chen sich Meinungen aus dem allgemeinen        terte Sicht von Schmerzen nennen wir das
   verändert sich der Naturbegriff und mit        Begriffe sind die Gegenstände des Den-           erlernten Wissen aus, das im Denken aus        Schmerzerleben und definieren:
   dem Naturbegriff die Bewertung und             kens. Sie bestehen aus der Substantia, dem       Begriffen besteht, die die zur Präsenz ge-
   Einordnung des Schmerzes.                      Zugrundeliegenden (Sein), und den Akzi-          brachten Vorstellungen benennen und be-
                                                  dentien, den wechselnden Eigenschaften.          schreiben. Die Meinungen in der vorliegen-       Schmerz ist die reflektierte Beurteilung
     Weil der Körper von der Seele getrennt       Einige Akzidenzien sind wesensnotwendig,         den Untersuchung sind Beurteilungen über         einer Sinnesreizung, die mit aktueller
     wurde, konnte das Schmerzphänomen in         andere beliebig. Im Begriff ist alles das ent-   die Schmerzhaftigkeit einzelner Krankhei-        oder potentieller Gewebsschädigung
     die Körperwelt eingeordnet werden als        halten, was wir in Aussagen über den Ge-         ten. Die Beurteilungen haben einen wesent-       verknüpft ist. Das Schmerzerleben um-
     Ausdruck einer Selbstregulation des Or-      genstand aussagen können. Es sind die not-       lichen Einfluss auf das Erleben. So besteht      fasst die somatische Sinnesverarbeitung
     ganismus; weil die Natur als vollständige    wendigen und beliebigen Eigenschaften            beispielsweise in gewissen Kulturen die          und das unangenehme Gefühl, das die
     Ordnung verstanden wurde, konnte auch        sowie die Assoziationen, die wir mit dem         Meinung, dass eine Geburt sehr schmerzhaft       Beurteilung eines aktuellen oder po-
     der in sie eingeordnete körperliche          Begriff verbinden.                               sei (wie bei den Italienern) und in anderen      tentiellen körperlichen oder seelischen
     Schmerzvorgang als gut, das heißt, als                                                        Kulturen hält man die Geburt für weniger         Schadens begleitet. Die Beurteilung
     zweckhaft, als Funktion begriffen und in     Die einfache Frage: „Sind Magenschmerzen         schmerzhaft (wie bei den Iren). Sollte eine      eines Schmerzes erfolgt analytisch-
     seiner Funktionsweise erforscht werden.      1. äußerst schmerzhaft, 2. sehr schmerz-         Schwangere erste Wehen verspüren, so             rational in Hinsicht auf seine Schmerz-

18                                                                                                                                                                                             19
haftigkeit und reflexiv-emotional in        Ob die Unterscheidung in eine analytisch-       hilflos, im ewigen Dunkel, tastend durch das                  eine reflexiv-emotionale Form des Schmerz-
     Hinsicht auf seine Schmerzlichkeit.         rationale und eine reflexiv-emotionale Form     Leben bewegt. Unter dieser Vorstellung                        erlebens und die Definition des Untersu-
                                                 des Schmerzerlebens, zwischen der Schmerz-      wird dann auch die Blindheit als schmerz-                     chungsgegenstandes als Untersuchung des
                                                 haftigkeit und der Schmerzlichkeit des          haft erlebt. Schließlich kamen wir zum                        Schmerzerlebens in der differenzierenden
Es hat sich als nützlich erwiesen, eine neue     Schmerzerlebens, auch für Patienten unse-       Ergebnis:                                                     Unterscheidung zwischen Schmerzhaftigkeit
Klassifikation des Schmerzerlebens einzufüh-     rer abendländischen Kulturen sinnvoll ist,                                                                    und Schmerzlichkeit des Schmerzerlebens
ren. Wir unterscheiden zwischen der ana-         dies sollte durch eine Untersuchung bei                                                                       ist die Vorwegnahme der Ergebnisse unse-
lytisch-rationalen und der reflexiv-emotio-      deutschen Probanden und ihrer Meinung             Das Verhalten, Ereignisse des Lebens                        rer Untersuchung. Sie wird an dieser Stelle
nalen Form des Schmerzerlebens, zwi-             zum Krankheitserleben von Erblinden,              analytisch-rational oder reflexiv-emotio-                   vorgegeben, damit die Richtung erkennbar
schen der Schmerzhaftigkeit und der              Blindheit, Geistesschwäche und Taubheit           nal zu bewältigen, beeinflusst das Erle-                    ist, in der sich die weiteren Erläuterungen
Schmerzlichkeit des Schmerzerlebens.             geklärt werden (Kap. 3.3: Schmerzbegriff in       ben des Schmerzes.                                          zum Schmerzerleben in verschiedenen Kul-
                                                 Deutschland: Vielfalt der Erlebnisformen).                                                                    turen bewegen. Aus welchen Untersuchun-
                                                 Diese Krankheiten wurden gewählt, weil sie                                                                    gen wir diese Ergebnisse hergeleitet haben,
     Bei unseren transkulturellen ethnomedi-     nach Meinung der Ärzte in analytisch-ratio-     Die klassifizierende Unterteilung des Schmerz-                dies wird erst in den folgenden Kapiteln
     zinischen Untersuchungen stellten wir       naler Sicht nicht schmerzhaft sind. Unter       phänomens in eine analytisch-rationale und                    beschrieben und bewiesen werden.
     fest, dass die Heiler mit ihren traditio-   reflexiv-emotionalen Aspekten sind sie aller-
     nellen Heilmethoden in hervorragender       dings als schmerzlich einzustufen. Die The-
     Weise das Krankheitserleben ihrer Pa-       se lautete also, wenn auch unter deutschen
     tienten beeinflussen können. Die Kran-      Probanden eine Differenz zwischen diesen                             Analytische und reflexive Urteile
     ken haben oft vor und nach der traditio-    beiden Formen des Schmerzerlebens vor-
     nellen Behandlung noch die gleichen         handen ist, dann muss sich dieser Unter-
     körperlichen Krankheiten, allerdings er-    schied an den allgemeinen Einstellungen
     leben sie diese nicht mehr als so be-       zum Schmerz gerade bei diesen Erkrankun-
     drohlich und gefährlich. Sie fürchten       gen zeigen.                                                     analytisch                                                  reflexiv
     diese nicht mehr, was das Befinden der
     Kranken deutlich bessert. Die Krankheit     Das analytisch-rationale Schmerzerleben                          rational                                                  emotional
     mag zwar schmerzen, aber sie wird           entsteht in der Folge der Frage nach der
     nicht mehr als schmerzlich empfunden,       (rationalen) Ursache des Schmerzes und
     sie verliert ihre Schmerzlichkeit.          der Frage nach dem Ort der Sinnesreizung.
                                                 Wird beispielsweise die Frage: „Ist Blindheit
     Umgekehrt verstehen die naturwissen-
     schaftlich abendländisch ausgebildeten
                                                 schmerzhaft?“ analytisch-rational beantwor-
                                                 tet, stellt man sich als Ursache und Ort der
                                                                                                                                        Schmerz
     Ärzte in hervorragender Weise die kör-      Sinnesreizung das erkrankte Auge vor und
     perlichen Krankheitserscheinungen zu be-    kommt zu dem Ergebnis: Blindheit ist nicht
     seitigen und sie können die Schmerzhaf-     schmerzhaft.
     tigkeit einer Krankheit sofort nehmen,
                                                                                                          räumliche Struktur                                     ästhetische Struktur
     gleichwohl kann es sein, dass trotz feh-    Wird dagegen die Frage: „Ist Blindheit
     lender Schmerzhaftigkeit die Schmerz-       schmerzhaft?“ reflexiv-emotional beantwor-
     lichkeit einer Erkrankung fortbesteht       tet, dann stellt man sich einen blinden                  Schmerzhaftigkeit                                           Schmerzlichkeit
     und Patienten – wie chronische Schmerz-     Menschen in seiner Lebenswelt vor und re-
     patienten – weiter unter der Schmerz-       flektiert seinen gesamten individuellen Le-
     lichkeit ihrer Krankheit leiden.            benshorizont und sieht, wie er sich mit sei-
                                                 nem weißen Blindenstock orientierungslos,                              Abb. 2.2: Der rational-analytische und der reflexiv-emotionale Prozess
                                                                                                                                 in der Beurteilung eines schmerzhaften Sinnesreizes

20                                                                                                                                                                                                      21
3
                                                seelische Aspekt des Schmerzes ist weit ge-   Reflexion auf dem Lebenshorizont ist dasje-        2. Oder habe ich etwas Falsches gegessen?
     Schmerzen erleben                          hend als das bloß subjektive Schmerzerle-     nige Verhalten, das die Bedeutung und den             Ich weiß, dass ich auf Glutamat und
                                                ben dem Patienten überlassen geblieben.       Sinngehalt einer Wahrnehmung für das                  Walnüsse allergisch bin, war vielleicht
           – Schmerzen                          Mit den wirksamen Medikamenten setzte         ganze Leben, den Lebensweg und die Be-                eines der Gerichte mit Glutamat im Ge-
                                                sich bei den Ärzten die z.T. noch heute so    wältigung des Lebens in den Blick nimmt               schmack verstärkt? War etwas Marinier-
     und ihr individueller Sinn                 vertretene Meinung durch, dass sich das                                                             tes dabei, da Marinade bekanntermaßen
                                                                                              und reflektiert. Es ist nicht das Verhalten, das
          für das Leben –                       Schmerzerleben bei regelmäßiger und ge-       vereinzelt die Ursache einer Schmerzemp-              oft Glutamate enthält?
                                                wissenhafter Medikamenteneinnahme von         findung analysiert. Der Unterschied zwi-           3. Oder habe ich vielleicht doch zu lange
                                                selbst bessern werde.                         schen dem logischen wissenschaftlichen                gearbeitet. Bin ich überarbeitet, wie
Die Art und Weise, Schmerzen zu erleben,                                                      Schmerzbegriff geschulter Ärzte und dem               meine Frau immer behauptet? Sollte ich
ist vielfältig. Schon unter normalen und ge-                                                  allgemein gültigen Schmerzbegriff, den                insgesamt kürzer treten?
sunden Bedingungen können Schmerzemp-
                                                       Definition: Erleben                                                                       4. Oder bin ich vielleicht wieder zu spät
                                                                                              Menschen im Alltag anwenden, und der
finden und Schmerzäußerung erheblich                  und Schmerzerleben                      entsprechend auch in der deutschen Allge-             schlafen gegangen? Das Feiern bis in den
schwanken: Von der „Schmerzunempfindlich-                                                     meinbevölkerung angewandt wird, besteht               frühen Morgen war früher kein Problem,
keit“ von Fakiren und Feuerläufern (Kap. 1.2)    Schmerzerleben ist eine Unterart des         darin, dass der erste logisch und der letztere        aber heute?
bis zum Gesamtkörperschmerzsyndrom, bei          allgemeinen Erlebens. Erleben ist das        reflexiv ist. Dies soll an einem Beispiel er-
dem jede Faser des Körpers zu schmerzen          Gefühl, das die ästhetische Beurteilung      läutert werden:
scheint. Dazwischen sind alle Stufungen          der Reflexion eines Wahrnehmungsin-                                                              Was sind also diese Fragen, die bei
denkbar. Das Schmerzerleben ist abhängig         haltes auf dem individuellen Lebenshin-      Viele Leser werden schon eigene Erfah-              einem morgendlichen Kopfschmerz re-
von den verschiedenen Kulturen; es ist an-       tergrund begleitet. In dieser Reflexion      rungen mit Schmerzen gesammelt haben                flektiert werden? Es sind diejenigen
ders zwischen Italienern und Iren, anders        werden einerseits die Einzelbeobach-         und ebenso vom Unterschied zwischen dem             nach der alltäglichen Lebensführung,
bei Türken und Deutschen und anders bei          tungen und ihre logisch-analytischen         Schmerzempfinden und dem Schmerzerle-               die Reflexion auf Essen, Trinken, Schla-
Juden und Nordamerikanern. Junge Men-            Einzelerkenntnisse reflektiert, anderer-     ben. Jemand, der morgens aufwacht und               fen und Arbeiten und darauf, ob diese
schen erleben Schmerzen anders als alte          seits und vor allem bestimmt diese Re-       schon beim Aufschlagen der Augen fest-              Grundaktivitäten des Lebens in einem
und Kunsthistoriker wieder ganz anders           flexion aber die Spiegelung der Einzel-      stellt, dass er von heftigen pochenden Kopf-        ausgeglichenen Verhältnis stehen. Eine
als Menschen mit einer medizinischen             erkenntnisse in ihrer Bedeutung für das      schmerzen geplagt wird, wie geht er vor             Lebensweisheit, die schon in der medi-
Ausbildung (Ärzte und Ärztinnen, Kranken-        ganze Leben des einzelnen Menschen.          und von welchen Fragen wird er gequält              zinischen Lehre des HIPPOKRATES und
schwestern und Pfleger). Schmerzen erle-         In einer solchen Reflexion kündigt sich      werden? Etwa die Frage nach der Lokali-             GALENS (Eukrasie der Säfte) verankert
ben heißt, sie nicht nur empfinden und wahr-     dann entweder ein harmonisches Pas-          sation des Schmerzes, und ob sie etwa ein-          ist und als erstrebenswert gelehrt wur-
nehmen, Schmerzen erleben heißt, ihren           sungsgefüge der Einzelbeobachtung auf        seitig oder beidseitig sind, und von welcher        de. Und warum reflektieren wir diese
Sinn und ihre Bedeutung einzuschätzen, die       dem Lebenshorizont an, was sich als          Art und Qualität: stechend, bohrend, po-            Bereiche? Weil es die Grundbedürfnisse
sie für den Körper, das Individuum und den       Stimmigkeit in einer angenehmen Stim-        chend oder gar lanzierend? Oder stellt er           des Menschen sind und die Reflexion
individuellen Lebensweg haben.                   mung äußert, oder aber es offenbart          sich eher folgende Fragen:                          methodisch eine Art Lebensbewälti-
                                                 sich eine Unstimmigkeit, indem sich die                                                          gungsstrategie ist, die dem kultivierten
                                                 Einzelheiten nicht in ein Gesamtbild ein-    1. Habe ich gestern Abend vielleicht ein            Menschen gegeben ist, um aus Fehlern
     Reflexion des Schmerzes                                                                                                                      und Schaden zu lernen und die unange-
                                                 passen, was sich als unangenehme Stim-          Glas Wein zu viel getrunken? Es schließt
     auf dem Lebenshorizont                      mung äußert. Entsprechend ist Schmerz-          sich ein Überschlag der genossenen Glä-          nehmen Lebenssituationen in Zukunft zu
                                                 erleben das unangenehme Gefühl, das             ser alkoholischer Getränke an, beim ge-          vermeiden.
Im modernen wissenschaftlichen Schmerz-          die Beurteilung der Reflexion einer             schulten Arzt kann ein solcher Über-
verständnis stehen Schmerzleitung, körper-       Schmerzwahrnehmung auf dem Lebens-              schlag auch genauer bis in die Gramm
liche Schmerzempfindung und Schmerz-             horizont begleitet.                             genossenen Alkohols durchgeführt werden.
wahrnehmung, insgesamt also der somati-
sche Schmerzbegriff, im Vordergrund. Der

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3.1
                                                   ven Urteil, indem die Stimmigkeiten des            Vermögen, eine Institution voraus, die sich        und sage „Diese Wiese ist grün“, dann be-
      Grundlage                                    Prozesses beurteilt werden. Denken ist             uns nachvollziehbar offenbart auch ohne ge-        ziehe ich das sinnlich Gegebene, das Grüne,
                                                   in seinem wahren Vollzug auf das refle-            dacht werden zu müssen. Und um es so-              das ich da wahrnehme, auf die Wiese. In
     des Erlebens:                                 xive Urteil und die dieses Urteil beglei-          gleich vorwegzunehmen, damit wir zu allererst      diesem Falle fälle ich ein logisches (Erkennt-
                                                   tenden Stimmungen angewiesen. Den-                 wissen, worauf die Untersuchung hinaus-            nis-) Urteil. Ich sehe das sinnlich Gegebene
 Dasein als ästhetische                            ken wird in Stimmungen einbehalten. Es             läuft, sei diese Institution benannt. Es ist das   immer als Bestimmung des Gegenstandes
                                                   äußert sich nicht bloß in gedachten Be-            ästhetische Urteil, das unser Dasein beglei-       „Die Wiese ist grün“. Im zweiten Falle, im
       Reflexion                                   griffen, es erlebt sich in stimmiger oder          tet und über die Daseinskompetenz urteilt.         ästhetischen (Erkenntnis-) Urteil, nehme ich
                                                   unstimmiger Reflexion. Denken erleben                                                                 das den Sinnen sich Zeigende hinsichtlich
                                                   heißt, es wahrhaft vollziehen. Im Befin-           Kompetenz ist die Fähigkeit, Anforderungen         der Weise, wie es mich angeht – wie es
 Das ästhetische Menschsein                        den erlebt Denken sich selbst. Erleben             zu erfüllen. Lebenskompetenz ist die Fähig-        mich als Mensch angeht.
                                                   ist die Gewissheit wahrhaft zu denken              keit, den Anforderungen des Lebens zu ge-
Schmerzen sind in ihren somatischen Er-            und zu sein.                                       nügen und Leben bewältigen zu können.
scheinungsbildern bestens untersucht. In                                                              Daseinskompetenz ist die Fähigkeit, die An-          Das ästhetische Urteil vollzieht sich un-
diesem Buch soll vor allem der Aspekt des                                                             forderung des Daseins zu erfüllen, sich zu           gedacht und ohne in den Sinnen wahr-
Schmerzerlebens dargestellt und bestimmt                                                              entäußern und sich ins Befinden zu setzen.           genommen zu werden. Aber es äußert
werden. Dies setzt ein allgemeines Ver-              Das ästhetische Urteil:                                                                               sich. Die Entäußerung dieses Vermö-
ständnis des Erlebens überhaupt voraus            Erkenntnis vor allem Denken                         Das Urteil über die Seins- und Lebenskom-            gens und somit dasjenige, was wir sinn-
und des Menschseins, das diesem Erleben                                                               petenz urteilt über das Verhältnis zwischen          lich empfinden und als etwas Bestimm-
zu Grunde liegt. Wie wird das Sein des           Das klassische Menschenbild wird gedacht             den Anforderungen und den Möglichkeiten,             tes, etwas Umgrenztes wahrnehmen
Menschen gedacht, dass ihm ein Erleben zu        in einer Einheit aus Geist – Seele – Leib,           diese Anforderungen zu erfüllen. Entschie-           können, sind die Stimmungen. Stim-
eigen ist? Welche Institution ist das Erleben    Denken – Fühlen – Körperempfinden, Ra-               den wird über ein Passungsgefüge. Geurteilt          mungen sind die wahrnehmbaren Be-
und wie äußert es sich? Worin unterschei-        tionalität – Emotionalität – Körperlichkeit.         wird über die Stimmigkeit (primär über das           findlichkeiten, die das Urteil über die
den sich Befinden und Erleben?                   Dieses Menschenbild geht auf die Erfahrung           Passungsgefüge und sekundär wie es uns               Stimmigkeit zwischen den Anforderun-
                                                 des Denkens, Fühlens und der Wahrneh-                berührt, wie es uns angeht) zwischen den             gen und den Möglichkeiten, diese An-
                                                 mung der Gegenständlichkeit und Materi-              Anforderungen des Seins wie des Lebens               forderungen zu erfüllen, begleiten. Stim-
     Dasein als ästhetische Reflexion ist ein    alität des Körpers zurück. Das, was erfahren         und den verfügbaren nutzbaren Möglich-               mungen sind Gegenstände der ästheti-
     umfassender ganzheitlicher Entwurf,         wird, verweist auf die Institutionen, die als Teil   keiten, diese Anforderungen zu erfüllen.             schen Erkenntnis.
     der nicht im Denken die höchste Stufe       des menschlichen Wesens gedacht werden.              Dies geschieht im ästhetischen Urteil.
     des Menschen sieht, sondern in einer
     allumfassenden Reflexion, die Denken        Im Unterschied zu diesem klassischen Men-                                                               Worüber urteilt denn nun das ästhetische
     und Fühlen als Formen des Erlebens prä-     schenbild wagen wir den Entwurf eines                  Ästhetisch ist alles, was sich auf meinen        Urteil? Es urteilt über die Verhältnisse und
     sentiert. Denken vollzieht sich im Wech-    Menschenbildes vor der Erfahrung des Den-              Gefühlszustand bezieht, die Art und              Passungsgefüge aller verfügbarer, sinnlich
     selspiel eines Entfaltens der Einheit in    kens. Dieser Entwurf verlangt zweierlei:               Weise, wie ich durch die Vorstellung,            präsenter und erinnerbarer Informationen
     die Vielheit (Explikation) und eines Zu-    Einerseits muss er sich denken lassen, und             durch das Sichdarstellen eines Wahr-             biologischer, psychischer und sozialer Art.
     sammenfaltens der Vielheit in die Ein-      das heißt, er wird sich durch Begriffe und             nehmungsinhaltes, eines Sachverhaltes            Deshalb ist dieses Urteil umfassend. Im Ur-
     heit (Implikation), in einem analytischen   Aussagen im Denken präsentieren lassen                 oder Gegenstandes selber bestimmt                teil offenbart sich entweder ein harmoni-
     und einem reflexiven Prozess. Denken        müssen, da wir gewohnt sind, alles und jeg-            und gestimmt bin.                                sches Passungsgefüge, was sich als Stimmig-
     ist nicht beliebig, sondern auf Richtig-    liches, das ist, in unserem Denken zu be-                                                               keit in einer angenehmen Stimmung (Lust)
     keit seiner Äußerungen in den begriffli-    stimmen. Andererseits muss er nachvoll-                                                                 äußert, oder aber es findet sich ein unpas-
     chen Aussagen und auf Wahrheit ange-        ziehbar auch außerhalb des Denkens fass-             Alles, was uns sinnlich gegeben ist, können        sendes Gefüge, eine Unstimmigkeit, indem
     wiesen. Das Urteil über die Richtigkeit     bar sein und sich den Sinnen offenbaren              wir entweder auf den Gegenstand oder auf           sich die Einzelheiten nicht in ein Gesamtbild
     und Wahrheit vollzieht sich im reflexi-     können. Ein solcher Entwurf setzt also ein           uns selbst beziehen. Sehe ich eine Wiese           einpassen, was sich als unangenehme Stim-

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