Wasser jenseits des DAX - Daseinsvorsorge und Wettbewerb. Wo liegt die Zukunft kommunaler Unternehmen im Wasserbereich?

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Wasser jenseits des DAX - Daseinsvorsorge und Wettbewerb. Wo liegt die Zukunft kommunaler Unternehmen im Wasserbereich?
Wasser jenseits des DAX
Daseinsvorsorge und Wettbewerb.
Wo liegt die Zukunft kommunaler Unternehmen
im Wasserbereich?
Inhaltsverzeichnis

Daseinsvorsorge und Wettbewerb –                      Kann man sich gegen
Wo liegt die Zukunft kommunaler Unternehmen           die Privatisierungsideologie
im Wasserbereich?                                3    zur Wehr setzen?
                                                      Wie Wasserwerker, Bürgerinnen und Bürger,
Vorwort des Autors                               4    Städtetag und andere seit 2000 den Widerstand
                                                      gegen eine Kommerzwasserwirtschaft
Wasser dem Shareholder Value                          organisieren                                  32
unterwerfen?
Hier wird die Diskussion um die Privatisierung        Vorschläge zur Optimierung
der Wasser- und Abwasserdienstleistungen              von Wasser- und Abwasserbetrieben
seit den 90er Jahren rekapituliert.              5    Wie Bürgerinitiativen, Ratsmitglieder,
                                                      Wasserwerker und Abwasserwerker die
Ist die Privatisierung eine Lösung                    kommunale Wasserwirtschaft
für die Abwasser­misere in                            »jenseits des DAX« weiter verbessern
Ostdeutschland?                                       können                                       37
Wie die Privatiers das ostdeutsche Abwasser­
dilemma für ihre Zwecke nutzen wollen            9

Der Stand der Privatisierung
in der deutschen Wasserwirtschaft
Wer sind die Champions
in der privaten Wasserwirtschaft?                11

Mit der »Anreizregulierung« zur
»Konsolidierung« im Wassersektor?
Wie die Flurbereinigung in der
Wasserwerkelandschaft auf Umwegen
kommt                                            13

Was droht aus Brüssel?
Wie EU-Kommission und Europäischer
Gerichtshof die Liberalisierung im
Wassersektor über die Hintertür
bewerkstelligen                                  17

Die Teilprivatisierung der
Berliner Wasserbetriebe:
peinlich und teuer!
Wie ein vermeintliches Vorzeigeprojekt
abschreckenden Charakter entfaltet               22

Der Angriff auf die
kommunalen Abwasserbetriebe
Wie die Bundesländer bei der
Abwasserprivatisierung bislang
gescheitert sind und welche Rolle
dabei die Mehrwertsteuer spielt                  27

                                                                                                     

Daseinsvorsorge und Wettbewerb –
Wo liegt die Zukunft kommunaler Unternehmen
im Wasserbereich?

Liebe Leserin, lieber Leser,                             kurz gehalten werden müssen. Dies bietet die
Dieser Reader ist keine akademische Abhandlung           Hintergrundmusik für die vielen kleinen Schritte
über Chancen und Risiken von Privatisierung und          zum Abbau von Staat, zur Liberalisierung der
Liberalisierung im Wasser- und Abwasserbereich.          Wirtschaft und zur Privatisierung öffentlichen
Die berühmten Für-und-Wider-Diskurse in Wissen-          Vermögens.
schaft und Politik sind nach unserer Erfahrung           Insbesondere die großen Energiekonzerne
nämlich nur selten so ergiebig, wie sie anmuten.         nutzen seit Jahren ihre steuerfreien Rückstellungs-
Letztlich transportieren auch sie nur eine politische    milliarden aus dem Atombereich, ihre Profile aus
Haltung, die dann allerdings gern – und mit              den Netzmonopolen und andere Mittel zum
 gutem Grund – formal­rechtlich und system­              Kauf von Beteiligungen an kommunalen Trink-
theoretisch keimfrei daherkommt. Wer zwei                und Abwasserbetrieben. Hier wittern sie ein
Semester Betriebswirtschaft oder Jura studiert           enormes Geschäft. Die Kommunen erhalten
hat, ist da schwer beeindruckt, wer sich dagegen         dabei nur kurz­fristige Finanzspritzen, die sie in
mit den Realitäten auseinander setzten muss,             der generell angespannten finanziellen Situation
eher ernüchtert.                                         gern annehmen. Sie liefern sich dabei jedoch
Einer derjenigen, die seit Jahren mit hoher              infolge jahrzehnte­langer Verträge den Energie­
Kompetenz und persönlichen Engagement für                multis und anderen Privaten aus, was schon
eine sozial und ökologisch nachhaltige Wasser­-          mittelfristig über kräftige Gebühren­erhöhungen
­­ver­sorgung streiten, ist Nikolaus Geiler.             direkt die Verbraucherinnen und Verbraucher
Der Freiburger Diplomingenieur ist Sprecher              treffen kann. Zudem werden durch Privatisierungen
des Arbeitskreises Wasser im Bundesverband               die hohe Versorgungs­sicherheit, die Qualität der
Bürger­initiativen Umweltschutz (BBU).                   öffentlichen Wasser­versorgung
Bundesweit bekannt sind seine »Wasserrundbriefe«,        und der flächendeckende Trinkwasserschutz
die sich sehr sachkundig und erfreulich pointiert        in Deutschland aufs Spiel gesetzt.
mit den aktuellsten Entwicklungen im Wasser- und         Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. möchte mit
Abwassersektor beschäftigen. Deshalb freuen wir          dem Reader dazu ermutigen, dass Aufgaben- und
uns, dass Nikolaus Geiler für die Bundestags­            Mandatsträger in Bund, Ländern und Kommunen
fraktion DIE LINKE. seinen Reader umfassend              dem Ausverkauf kommunalen Eigentums genauso
aktualisiert hat, der in seiner ersten Fassung           entgegentreten, wie zahlreiche Bürgerinitiativen
bereits im Jahr 2002 für die damalige PDS-               und Umweltverbände.
­Bundestagsfraktion erschien. Neben einem                In diesem Sinne wünsche ich den Leserinnen
 Überblick über den Diskurs zur Privatisierung           und Lesern viel Spaß bei der Lektüre!
 und Liberalisierung der Wasserversorgung und
 Abwasserbeseitigung in Politik und Wirtschaft           Eva Bulling-Schröter, MdB
 soll erneut gezeigt werden, dass Widerstand             Umweltpolitische Sprecherin
gegen den Ausverkauf kommunaler Dienst­                  der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
 leistungen notwendig und möglich ist.                   Berlin, Januar 2007
 Ideologisch werden Privatisierungswellen gern
 mit Pauschalangriffen gegen öffentliche Betriebe,
 öffentliche Verwaltungen und Eigentum in öffent-
 licher Hand verbrämt. Bürokratischer Zentralismus
 wird genauso beklagt, wie die vermeintlich generell
 geringe Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.
 Und das alles ist nicht nur Handwerk von BDI und
 FDP. Nunmehr zwanzig Jahre Dauerbeschuss haben
 dazu geführt, dass solche Argumentationen heut­
 zutage zum Mainstream gehören. Bei manchen
 Grünen genauso wie bei Teilen der SPD und
 sogar bei einigen Linken. Die Dienstleistungen des
 Staates werden als notwendiges Übel betrachtet,
 welche vor allem Kosten verursachen und deshalb

                                                                                                           
Vorwort des Autors

Seit der Erstauflage dieser Broschüre im              Vor allem wird das »Return of invest« aber zu
Juli 2002 konnten die Versuche zu einer               Lasten der Beschäftigten in den Wasser- und
»Totalliberalisierung« der kommunalen                 Abwasserbetrieben erfolgen. Deshalb lohnt es
Wasserwirtschaft erfolgreich abgewehrt                sich schon heute, dafür einzutreten, dass Wasser
werden. Inzwischen erfolgen die Angriffe              nicht an die Börse kommt, sondern im Rathaus
auf die kommunalen Wasser- und Abwasser­              bleibt – bei einem möglichst hohen Niveau von
betriebe eher kryptisch und über verschlun­-          Bürgerbeteiligung!
gene Umwege. Für interessierte Bürger und
kommunale Mandatsträger ist die breite                Nikolaus Geiler,
Palette versuchter Einflussnahmen in den              Freiburger Arbeitskreis Wasser
Landeshauptstädten und in Berlin sowie in             im Bundesverband Bürgerinitiativen
Brüssel immer schwerer zu erkennen und zu             Umweltschutz e.V. (BBU)
überblicken. Zunehmend wird versucht, eine
Liberalisierung und Privatisierung von Wasser-        Januar 2007
und Abwasserdienstleistungen über die
Hintertür zu erreichen. Um das Augenmerk
auf diese neue Entwicklungen zu lenken,
wurde die Broschüre völlig überarbeitet.
Die Texte der ersten Auflage wurde zur Hälfte
durch aktuelle Ausführungen und Erläuterungen
ersetzt. Erhalten blieb im Wesentlichen das
letzte Kapitel. Die darin enthaltenden
Vorschläge, eine Optimierung kommunaler
Wasser- und Abwasserbetriebe »jenseits
des DAX« zu erreichen, sind auch heute
noch aktuell!

Weil bei vielen Menschen falsche Vorstellungen
über eine miese Qualität bei privaten Wasser­
unternehmen im Umlauf sind, soll an dieser Stelle
noch betont werden, dass sich in Deutschland viele
kommunale Unternehmen bei den Privatunter­
nehmen nicht nur im Hinblick auf Kundenservice
und Dienstleistungsorientierung eine Scheibe
abschneiden können. Weil die privaten Unter­
nehmen in Deutschland erst am Anfang des
Markteintritts stehen, können sie sich keine Fehler
erlauben. Die Manager der privaten Wasser- und
Abwasserdienstleister wissen, dass sie unter
Beobachtung stehen und dass ihnen Misstrauen
entgegenschlägt. Insofern liefern die Privatunter-
nehmen im Wasser- und Abwassersektor auf allen
Gebieten Spitzenleistungen ab. Zu befürchten ist
allerdings, dass nach einer erfolgten Marktdurch-
dringung und der Ausbildung von Oligopolen –
ähnlich wie derzeit im Energiesektor – »Schluss
mit Lustig« sein wird. Die jetzt investierten Vor­
leistungen in eine hervorragende Performance
müssen irgendwann wieder erwirtschaftet werden.
Langfristig wird dies auf Kosten der Versorgungs­
sicherheit, der Qualität und der Ökologie gehen.


Wasser dem Shareholder Value
unterwerfen?

Wie vieles anderes Unheil auf dem Globus auch,        im Sinne eines »Wettbewerbs im Markt« sprechen
begann die Debatte um die Liberalisierung in der      will. Das derzeitige Motto lautet: »Liberalisierung –
deutschen Wasserwirtschaft mit einer Expertise        nein danke! Privatisierung – ja bitte!«.
der WELTBANK. Der nach Deutschland entsandte
Gutachter der WELTBANK – Herr JOHN BRISCOE –          Die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
hatte nämlich 1995 festgestellt, dass das Trinkwas-   sind bislang eine der letzten Domänen, die sich der
ser in Deutschland zwar von hoher Güte sei, sich      Selbstverwirklichung des großen Geldes entzogen
aber zugleich auch durch (zu) hohe Preise aus­        haben. Ein Umsatz von 20,5 Mrd. Euro im Jahr in
zeichnen würde. Letzteres sei einem weiteren          der deutschen Wasserwirtschaft (einschl. Abwas-
Wirtschaftswachstum in Deutschland abträglich.        serentsorgung) macht dieses Geschäftsfeld aber
Zwar hatte der WELTBANK-Gutachter – wie viele         zunehmend auch für die großen Energie- und
andere »Preisvergleicher« vor und nach ihm –          Dienstleistungskonzerne höchst attraktiv. Das
Birnen mit Äpfeln verglichen. Trotzdem wurde          »Verdienst« der von WELTBANK und BMWi los­
durch die WELTBANK-Kritik an den angeblich            getretenen »Liberalisierungsdebatte« war es,
zu hohen Wasserpreisen in Deutschland eine            den ideologischen Boden für das Eindringen des
eskalierende Debatte losgetreten, die über            Privatkapitals in die bislang kommunalen Wasser-
mehrere Jahre hinweg die politische aktiven           und Abwasserbetriebe zu bereiten. Die eskalieren-
Vertreter der deutschen Wasserwerke von ihrer         de Finanznot der Kommunen, an der auch die
eigentlichen Arbeit abhielt. In einem beispiellosen   frühere rosa-blassgrüne Bundesregierung nicht
Wanderzirkus reisten die Akteure im Wochentakt        ganz unschuldig war, hat den Privatisierungs­
von Konferenz zu Konferenz, um sich mehr oder         prozess ungemein beschleunigt. Für diejenigen,
weniger tiefschürfend über die »Liberalisierung«      die erst jetzt in die Diskussion um die Liberali­
des deutschen »Wasser­marktes« zu streiten. Die       sierung und Privatisierung von Wasser- und
Kritik der WELTBANK am deutschen Wasserpreis­         Abwasserdienstleistungen einsteigen, wird in
niveau war nämlich vom damaligen Bundeswirt-          diesem Kapitel der bisherige Verlauf der dies­
schaftsministerium (BMWi) begierig aufgegriffen       bezüglichen Debatte wieder­gegeben. Dazu werden
worden. Als probates Mittel gegen die angeblich       Kommentare von Wasserwerkern zitiert, die die
zu hohen Wasserpreise in Deutschland wollte man       Kontroverse, die um die »Jahrtausendwende« auf
im BMWi den »Wassermarkt« für den Wettbewerb          ihrem Höhepunkt war, authentisch widerspiegeln.
öffnen.                                               Ferner werden Positionierungen zum »Ausschrei-
                                                      bungswettbewerb« erläutert und das Eintreten der
Die Initiierung eines Wettbewerbs in einem            Länderwirtschaftsminister für eine Liberalisierung
»liberalisierten Was­­sermarkt« hätte nach BMWi-      des Wassersektors beschrieben.
Ansicht zu einer Effizienzstei­gerung bei den
Wasser- und Abwasserbetrieben, zu stabilen –          Wer profitiert von einer
wenn nicht gar zu sinkenden – Wasserpreisen           Kommerzwasserwirtschaft?
sowie zu einer wünschenswerten Flurbereinigung
in der Wasserwirtschaft führen sollen. Aus der        Über Jahre hinweg hat sich HANNO HAMES, bis
Vielzahl von über 6.000 Wasserwerken und noch         2004 Geschäftsführer der Hamburger Wasserwerke
mehr Abwasserbetrieben hätten sich konkurrenz­        GmbH (HWW), engagiert mit den drohenden Folgen
starke Wasserkonzerne herauskristallisieren sollen,   einer Kommerzialisierung der deutschen und
die befähigt wären, im weltweiten Wassergeschäft      europäischen Wasserwirtschaft ausein­ander­
mitzumischen. Im BMWi ging man soweit, ernsthaft      gesetzt. Prononciert wie kaum ein anderer Wasser-
einen »Wettbewerb im Markt« un­-tersuchen zu          werker äußerte er sich beispielsweise in der
lassen: Gemeint war damit, dass konkurrierende        ZEITUNG FÜR KOMMUNALE WIRTSCHAFT (Zfk)
Wasserwerke ihre jeweiligen Wässer kreuz und          7/99. In einem Zfk-Leitartikel ging HAMES unter
quer durch die Leitungsnetze hätten pumpen            der Überschrift »Wasserversor­gung nicht zerreden
können. Diese Ideen erwiesen sich aber aus            – Privatisierung zwischen Interessenpolitik und
hygienischen, technischen und rechtlichen             Ideologie« mit den Verfechtern der Privatisierung –
Gründen als derart abstrus, dass inzwischen           auch in den eigenen Reihen der Wasserversorger –
kaum noch jemand von einer »Liberalisierung«          ins Gericht. In dem bemerkenswerten Aufsatz hieß

                                                                                                              
es: »Was für den Energiesektor gilt, nämlich            Mit­ar­bei­ter HANNO HAMES & HANS-WER­NER
Deregulierung, Aufhebung der Gebietsmonopole,           KRÜGER erneut Stellung zur »Aktuelle(n)
Markt­­öffnung und Wettbewerb, soll auch auf            Diskussion um Wettbewerb und Privatisierung
Wasser und Abwasser übertragen werden.                  in der Wasserversorgung« (S. 604–612):
Die Befürworter versprechen mehr Effizienz,             »Die aus manchen wirtschaftspolitischen Interes-
stabile Preise oder gar Preissenkungen, wie sie         sengruppen heraus immer wieder vorgetragenen
der Verband der priva-ten Abwasserentsorger in          Behauptungen, die öffentliche Wirtschaft sei in
Aussicht stellt. Diese Diskussion, die sich teilweise   allen ihren Teilen weniger effizient, weniger
gegen die kommunale Wirtschaft insgesamt richtet,       kostenorientiert, weniger gewinnbringend, ist
wird von den Vertretern der Energie- und Entsor-        bislang empirisch nicht untermauert worden.
gungsmultis, den Banken, Beraterfirmen und ihren        Der Wirksamkeit ent­sprechender Behauptungen
medialen Helfern beherrscht. Sie findet Bekräfti-       in der öffentlichen Meinungsbildung steht ihr
gung aus der Politik, wo bestimmte ideologisch          pseudo-empirischer Charakter allerdings nicht
fixierte Positionen über Liberalisierung, Deregulie-    im Weg. (...) Die deutsche Wasserversorgung hat
rung und Investitionsfreiheit für Kapitaleigner         keinen triftigen Grund, sich die teilweise außer­
den Regierungswechsel überdauert haben. Der             ordentlich tendenziöse Kritik an der öffentlichen
Anpassungsdruck dieser bislang einseitig und mit        Wirtschaft im Kollektiv als Anlass für eine
weitgehend unbewiesenen Behauptungen geführ-            gemeinschaftliche Bußübung zuzurechnen.«
ten Diskussion scheint überwältigend zu sein.           HAMES (HWW-Chef) und KRÜGER (Leiter der
Inzwischen redet in der Wasserversorgungswirt-          HWW-Abt. Öffentlichkeitsarbeit) warfen der Spitze
schaft kaum noch jemand über das Ob von Deregu-         des Bundesverbandes der Deutschen Gas- und
lierung und Privatisierung, sondern meist nur über      Wasserwirtschaft (BGW) sowie den Chefs einiger
das Wann und Wie. Damit läuft sie Gefahr, das in        großer Wasserwerke vor, das Geschäft großer
Jahrzehnten geschaffene Fundament der öffent-           Strom- und Mischkonzerne zu betreiben, die
lichen Wasserversorgung ohne triftigen Grund            über »Eroberungs­feld­züge« dabei seien, auch
zu zerreden.«                                           den deutschen Wassermarkt aufzurollen. Diesen
Im weiteren unterstrich HAMES, dass es immer            Konzernen ginge es bei der Übernahme profitabler
noch keinerlei empirischen Beweis dafür gebe,           Wasserwerke um nichts anderes als um den
dass private Wasserversorger automatisch den            Shareholder Value. Letztlich sollten Wasser-
kommunalen Versorgungsunternehmen überlegen             und Abwasserbetriebe völlig der Logik des
seien. Zum Vorwurf der mangelnden Konkurrenz­           Profits unterworfen werden.
fähigkeit der deutschen Wasserversorgungsunter-         »Es wäre naiv, bei den getätigten oder bevorstehen-
nehmen auf dem Weltmarkt gab der damalige               den Besitz­übernahmen in der deutschen Wasser-
Chef der Hamburger Wasserwerke zu bedenken:             ver- und -entsorgung nach anderen Zielen zu
»Es fehlt zumindest den im Kommunalbesitz               suchen, etwa nach niedrigeren Wasserpreisen,
befindlichen Unternehmen eine plausible Begrün-         schonender Ressourcenbewirtschaftung oder
dung, warum öffentliches Eigentum bzw. das Geld         nach­haltiger regionalwirtschaftlicher Entwicklung.«
der Wasserkunden ohne kurzfristige Ertragsaus-          Die beiden HWW-Mitarbeiter beklagten die
sichten im Ausland investiert werden müsste.            »erschrec­kend einseitige und technokratische
Dieses Manko ist allerdings kein Grund,                 Marktdiskussion«, die der deutschen Wasser­
die kommunalen Unternehmen zu privatisieren.«           wirtschaft von außen aufgedrängt worden seien.
Und zu den Perspektiven der Kommerzialisierung          Allerdings habe das Ziel der Gewinnmaximierung
des Wassers schrieb HAMES: »Die im Zuge einer           seine zersetzende Wirkung inzwischen auch
möglichen Deregulierung wahrscheinlich auftre-          innerhalb der Gilde der Wasserwerker entfaltet:
tenden Wettbewerbe auf regionaler und lokaler           »Es wäre illusionär, in der deutschen Wasserversor-
Ebene wären höchstwahrscheinlich Verdrängungs-          gungswirtschaft nur noch gleichgerichtete Interes-
wettbewerbe zur endgültigen Marktbeherrschung.          sen zu sehen. Innerhalb eines Jahrzehnts hat
Dann gäbe es keinen Markt mehr, wo es auch              zumindest bei einigen [Wasserwerkern] eine
vorher keinen gab.                                      Art Paradigmenwechsel stattgefunden. Die starke
Siegen würden die kapitalkräftigen Mischkonzerne,       Umweltorientierung mit der Unterstützung ratio-
die sich ruinöse Wettbewerbe zunächst auf Grenz-        neller Wasserver­wendung, die Langzeitorientierung
kostenbasis oder darunter gegenüber jedem               und das Bekenntnis zur gewachsenen Struktur,
kommunalen Konkurrenten leisten können.« Und            wie sie noch im Grundsatzpapier der öf­fent­­­­lichen
letztlich mahnte HAMES, dass »der Shareholder           Wasserversorgung von 1985 zu finden ist, weicht
Value nichts versteht, was sich nicht in Geld           zunehmend einer ›Marktorientierung‹, die mehr
ausdrücken lässt.«                                      oder weniger ungeniert nur auf Absatzförderung
                                                        zielt. (...) Die deutsche Wasserversorgungswirt-
Gegen eine Renditeorientierung                          schaft sollte diese Entwicklung nicht nur um
in der Wasserwirtschaft!                                ihrer Glaubwürdigkeit willen überdenken.
                                                        Es gibt da zum Beispiel noch so etwas wie die
In der Ausgabe 9/99 der Fachzeitschrift GWF-            Agenda 21 und die Forderung nach Nachhaltigkeit
WAS­SER/ABWASSER nahmen die beiden HWW-                 des Wirtschaftens«.


Für eine öffentliche, nachhaltige Wasserwirtschaft      Generationen verantworten, wenn sie dieses
plädierte einmal mehr HANNO HAMES in seinem             Steuerungs­instrument zu Gunsten momentaner
Aufsatz »Wasserver­­-sor­gung zwischen Daseinsvor-      finanzieller Entlastungen aus der Hand geben.«
sorge und Wettbewerb« in GWF-WASSERSPECIAL              Die »alten« Zitate kritischer Wasserwerker wurden
13/2000, S. 8–9. Der Chef der Hamburger Wasser-         hier deshalb so ausführlich hervorgehoben, weil die
werke sprach sich klar gegen die Unterwerfung der       Kommentare auch noch nach sechs Jahren voll den
Wasserwirtschaft unter den Shareholder Value aus.       Kern der Debatte treffen. Wer die Debatte seit
HAMES mahnt auch die Kleingeister in den eigenen        Ende der 90er Jahre verfolgt, wundert sich, dass
Reihen, entschiedener den Privatisierungs­tenden­       trotz dieser ins Schwarze treffende Kommentie-
zen entgegenzutreten:                                   rungen immer wieder aufs Neue versucht wird,
»Die Antwort auf solche Tendenzen kann nicht            die Wasserwirtschaft einem Wettbewerbsregime
darin liegen, sich für die öffentliche Wirtschaft als   zu unterwerfen.
angebliches Auslauf­modell zu entschuldigen und
ein Repertoire an Anpassungsformen an die neo­-         »Wenig zu gewinnen, aber
liberalen Marktforderungen zu entwickeln.« »Es          möglicherweise viel zu verlieren!«
gibt keinen überzeugenden Grund«, die bisherigen
Leistungen der deutschen Wasserwirtschaft »aus          Kritik an Liberalisierungs- und Privatisierungs­
ideologischen oder Anleger­interessen kleinzure-        apologetik kam aber nicht nur aus den Reihen
den«, betonte HAMES weiter.                             aufmüpfiger Wasserwerker und Gewerkschafter,
                                                        sondern auch aus Kreisen der Wissenschaft –
Der Wasserpreis beinhaltet                              so u.a. vom Sachverständigenrat für Umweltfragen
mehr als Wasser!                                        (SRU), der in seinem Jahresgutachten 2002 eben-
                                                        falls die Risiken der Privatisierung und »Liberalisie-
Im HANDELSBLATT vom 10.5.00 kontert HANNO               rung« in der kommunalen Wasserwirtschaft unter-
HAMES den Vorwurf, in Deutschland wären die             sucht hatte. Während für den Sachverständigenrat
Wasserkunden zu hohen Preisen ausgesetzt:               eine echte Liberalisierung im Sinne eines »Wettbe-
»Der Wasserkunde wird heute nicht nur für das           werbs im Markt« ohnehin außerhalb jeder ernsthaf-
Produkt Wasser zu Kasse gebeten, er bezahlt eine        ten Diskussion stand, kamen die Umwelträte auch
Systemleistung. Sie beinhaltet Ressourcenschutz,        im Hinblick auf einen »Wettbewerb um den Markt«
Gewässerschutz, wasserwirtschaftliche Raum­             zu äußerst kritischen Schlussfolgerungen.
planung und Gestaltungsmacht der Kommunen.«             Beim »Wettbewerb um den Markt« geht es darum,
Anschließend karikierte HAMES das Sprech­bla­           dass die Konzessionen für die Wasserversorgung
sengeblubber der »Wasserliberalisierer«,                für einen bestimmten Zeitraum ausgeschrieben
die diese Errungenschaften leicht­fertig aufs           und an private Konzerne vergeben werden. Vor
Spiel setzen würden:                                    allem die privaten Wassermultis favorisieren diese
»Floskeln wie Markt und Wettbewerb, Konkurrenz          Variante des »Wettbewerbs« – in der Hoffnung,
und Effizienz sind im gegebenen Zusammenhang            dass sie dadurch zu lang­fristigen Konzessionsver-
nicht mehr als argumentative Hohlkörper. Wegen          trägen kommen. Dass es durch diese Betreiberver-
ihres geringen spezifischen Gewichts schwimmen          träge aber tatsächlich für die Endkunden zu
sie allerdings leicht oben.«                            signifikanten Preissenkungen beim Wasserbezug
Und ERHARD MÜLLER, kaufmännischer Geschäfts-            kommt, zweifelte der Sachverständigenrat an
führer der LANDESWASSERVERSOR­GUNG, einem               (siehe Kasten). Ferner monierte der Sachverstän­
der beiden großen, in kommunalem Besitz befind-         digenrat die »unseriösen« internationalen Wasser-
lichen Fernwasserversorger in Baden-Württemberg,        preisvergleiche, mit denen die privaten Wassermul-
schrieb privatisierungswilligen Gemeinderäten           tis versuchen, die kommunale Wasserwirtschaft in
damals folgendes ins Stammbuch:                         Deutschland madig zu machen. Wieso die Deut-
»Alle drei Facetten der Nachhaltigkeit, die ökolo-      sche Bank die oraussage wagte, dass bei einer
gische, die ökonomische und die sozialpolitische,       »Wasser-Liberalisierung« die Wasserpreise um 10
bilden gleichrangige Unternehmensziele kommu-           bis 15 Prozent sinken würden, blieb für den Sach-
naler Wasserversorgung. Soll dies weiterhin
so bleiben oder sollen stattdessen Umsatz­
steigerungen und Gewinnmaximierung in den                 Der Ausschreibungswettbewerb
Mittelpunkt der Unternehmenskonzepte treten?              läuft ins Leere
Diese Frage wird letzten Endes von den Entschei-          Zum Kostensenkungspotential durch einen
dungsträgern in den Städten und Gemeinden                 Ausschreibungswettbewerb für Wasserversor-
beantwortet. (...) Von ihnen hängt es ab, ob sie          gungskonzessionen schrieb der Umweltsachver-
ihren Einfluss und damit die bürgerschaftliche            ständigenrat u.a.:
Kontrolle über diejenige Aufgabe erhalten wollen,         »Da ca. 80 Prozent der Kosten der Wasserver-
die wie kaum eine andere Einfluss hat auf die             sorgung als Fix­-kosten anfallen, lassen sich
Entwicklung der Gemeinde und auf das Wohl,                umfangreiche Kostensenkungs­spiel­räume nur
insbesondere die Gesundheit ihrer Bürger.                 dann realisieren, wenn der Private nicht nur die
Sie müssen sich gegenüber nachfolgenden

                                                                                                             
in seiner ungehemmten Marktradikalität sogar
    Betriebsführung, sondern möglichst weitgehen-        gefordert, künftig die Wasserentnahmerechte
    de Investitionsaufgaben übernimmt. Zur Vermei-       meistbietend zu versteigern.
    dung von Wettbewerbsverzerrungen bei den
    Folgeausschreibungen erfordert dies jedoch           Gewinnerzielung an erster Stelle
    sehr lange Vertragslaufzeiten, so dass der           bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen!
    Wett­bewerbscharakter des Ausschreibungs­
    verfahrens nahezu vollständig verloren geht.         Vielerorts verkaufen derzeit die Kommunen ihre
    Werden dagegen im Rahmen einer reinen                Stadt- oder Wasserwerke zu 49 Prozent an private
    Betriebsführung kürzere Vertragslaufzeiten           Konzerne. Den Stadträtinnen und Stadträten wird
    gewählt, so resultiert zwar eine deutlich höhere     dabei weisgemacht, dass die Kom­-mune mit
    Wettbewerbsintensität, der Private hat jedoch        51 Prozent immer noch den Kurs in diesen
    nur Einfluss auf die variablen Kosten, und die       gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften bestim-
    realisierbaren Kostensenkungsspielräume sind         men könne. Angesichts dieser Ver­sprechungen
    entsprechend gering. Darüber hinaus ist zu           ist es hilfreich, einen Beschluss der Vergabe­
    beachten, dass Ausschreibungsverfahren gerade        kammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf
    auf Märkten mit hohem Konzentrationsgrad             vom 3. 7. 2000 (VK-12/2000-L) nachzulesen. Die
    extrem anfällig für Absprachen zwischen den          Vergabekammer musste in einer Auseinanderset-
    Bietern und anderen Unregelmäßigkeiten               zung entscheiden, in der es um die Gründung einer
    sind.« In diesem Zusammenhang setzen sich die        gemischtwirtschaftlichen Entsorgungsgesellschaft
    Umwelträte auch mit dem Argument auseinan-           ging: Eine nordrhein-westfälische Kommune hatte
    der, dass die privaten Betreiber ein großes          sich einen privaten Abfallentsorger ausgesucht,
    Eigeninteresse an der gewissenhaften Instand-        um mit diesem zusammen eine gemeinsame
    haltung der Anlagen hätten. Anderenfalls würden      Entsorgungs-GmbH zu grün­den. An dieser
    sie sich auf längere Sicht die eigenen wirtschaft-   gemeinsamen Entsorgungs-GmbH sollte der
    lichen Grundlagen entziehen. Der SRU hält diese      private Müllkonzern mit 49 Prozent beteiligt
    Argumentation für »zu kurz gegriffen«: »Für          werden. Weil der Auswahl des privaten Partners
    einen privaten Betreiber, der – aus welchen          keine öffentliche Ausschreibung voran­gegangen
    Gründen auch immer – davon ausgeht, dass es          war, hatte sich ein konkurrierender Müllkonzern
    im Zuge der Folgeausschreibung zu einem              wegen des Ver­stoßes gegen EU-Vergaberichtlinien
    Betreiberwechsel kommt, besteht nämlich kein         an die Vergabekammer gewandt. In der schrift-
    Anreiz, bei der Rohrnetzpflege einen entspre-        lichen Begründung zu ihrer Entscheidung nahm
    chend langen Zeithorizont über das Vertrags-         die Vergabekammer auch Stellung, inwieweit die
    ende hinaus zugrunde zu legen.«                      Kommune in einem gemischtwirtschaftlichen
    (Mehr zum Ausschreibungswettbewerb im                Unternehmen noch »ideelle« Ziele durchsetzen
    Kapitel »Was droht aus Brüssel?«)                    könne. Es sei »völlig lebensfremd anzunehmen«,
                                                         schrieb die Vergabekammer, dass die Kommune –
                                                         auch bei einem Anteil von 51 Prozent – »in der
verständigenrat ebenfalls weitgehend »im Dun-            Gesellschaft wie in einer Dienststelle bestimmen
keln«. Aber selbst wenn es so wäre, würde bei            und etwa rein ideell ausgerichtetes Handeln
einem (da­­-maligen) Jahresumsatz von 13 Mrd. DM         verlangen« könne. Die Durchsetzung »ideeller«
(6,5 Mrd. Euro) in der Wasserversorgung gerade           Ziele in einem gemischtwirtschaftlichen
einmal eine Kostenentlastung pro Einwohner und           Unternehmen sei nämlich mit den Gewinn­
Jahr von höchstens 21 DM (10,50 Euro) resultieren.       erzielungsabsichten des privaten Partners
Angesichts der unkalkulierbaren Risiken einer            nicht in Deckung zu bringen:
Marktöffnung befürchtete der Sachverständigenrat,        »Nach heute herrschender Meinung sind
»dass durch eine weitere Privatisierung bzw.             gerade in der perso­nalisierten Gesellschaftsform
Liberalisierung der Wasserversorgung vermutlich          der GmbH neben den geschriebenen auch die
nur wenig zu gewinnen, aber möglicherweise viel          ungeschriebenen Minderheitenrechte, die sich
zu verlieren wäre«. Ferner warnte der SRU, dass bei      nach Treu und Glauben ergeben, zu beachten.
der Formulierung langfristiger Konzessionsverträge       Zu ihnen gehört insbesondere die Unterlassung
die Kommunen von den ­privaten Wassermultis über         jedweden gesellschaftsschädlichen Verhaltens im
den Tisch gezogen werden könnten. Als Alternative        Sinne der Verminderung der wirtschaftlichen
zur kritisch bewerteten Privatisierung der Wasser-       Ertragschance (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG,
werke empfahl der SRU zwecks Effizienzsteigerung         16. Auflage, § 13 Rdnr. 19 ff).«
eine Kooperation der öffentlich-rechtlichen              Mit der im Vordergrund stehenden Gewinner­
Wasserwerke.                                             zielungsabsicht würde sich ein gemischtwirt­
Mit seinem privatisierungskritischen Tenor hatte         schaftliches Unternehmen grundlegend
der damals neubesetzte »Rat von Sachverständigen         von einer kommunalen Eigengesellschaft
für Umweltfragen« (SRU) eine klare Kehrtwendung          unterscheiden. Die kommunale Eigengesellschaft
gegenüber seinem Vorgänger vollzogen:                    könne den »ideellen« Zielen der Kommune nutzbar
Der vorhergehende Sachverständigenrat hatte              gemacht werden, »ohne dass schutz­würdige


Interessen Dritter dies verhindern könnten.«          Wasserwirtschaft« zu erreichen, hatte die
Wer sich also einen privaten Minderheitspartner       Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) eine seit
ins Wasserwerk holt, sollte sich nicht wundern,       längerem schon tätige Ad-hoc-Arbeitsgruppe
wenn dieser seine »schutz­würdigen« Gewinner­         unter dem Vorsitz von Sachsen beauftragt, »kon-
zielungsabsichten durchsetzt, selbst wenn diese       kret umsetzungs­fähige Vorschläge« auszuarbeiten.
nicht im Einklang mit den »ideellen« Zielen der       Pikant an dem damalige Beschluss der WMK war,
Kommune stehen.                                       dass sich einzig das CSU-regierte Bayern bei der
                                                      propagierten »Einführung wettbewerblicher
Länderwirtschaftsminister                             Elemente in die Wasserwirtschaft« enthalten
für »Deregulierung« des »Wassermarktes«               hatte – während demgegenüber selbst der
                                                      damalige Berliner PDS-Wirtschaftsminister für
Ungeachtet der Vorbehalte aus der Wasserwirt-         den WMK-Vorstoß stimmte! Die Wirtschaftsminister
schaft selbst, aus Gewerkschaftskreisen und           von Hessen (CDU) und dem Saarland (CDU) sowie
Umweltverbänden, aus dem Umweltbundesamt              von Niedersachsen (damals SPD) verstiegen
sowie aus dem zuvor genannten Umweltsachver-          sich sogar zu der Forderung, dass »außerdem
ständigenrat (SRU) hielten die Wirtschaftsminister    sorgfältig geprüft werden« müsse, »ob die
der Bundesländer weiterhin eine Deregulierung des     Wasserwirtschaft (...) durch Streichung des
»Wassermark­tes« für erforderlich – in der sicheren   § 103 GWB a.F. für den Wettbewerb geöffnet
Gewissheit, damit »wettbewerbsfähige Wasser-          werden sollte«. Mit der Streichung von § 103
preise und Abwassergebühren für Wirtschaft und        des Gesetzes über Wett­bewerbsbeschränkungen
private Verbraucher« erzielen zu können. In TOP 7     sollen die bislang geschützten Versorgungsgebiete
(»Neustrukturierung der Wasserwirtschaft«) listeten   der Wasser­versorgungs­unternehmen beseitigt
die Länderminister anlässlich ihrer Wirtschaftsmi-    und der »Wettbewerb im Markt« forciert
nisterkonferenz vom 2./3. Mai 2002 erneut all die     werden.
Argumente für die Deregulierung und Privatisierung
der kommunalen Wasserwirtschaft auf, mit
denen das Bundeswirtschaftsministerium über            Die Geschichte der Auseinandersetzungen um
Jahre hinweg die aquatische Selbstverwirklichung       eine Libe­ralisierung des »Wassermarktes« kann
des großen Kapitals gepredigt hatte: Vorrangig         in dieser Broschüre nur auszugsweise an Hand
gehöre dazu die Belastung der Abwassergebühren         einiger Beispiele widergespiegelt werden. Wer
mit der Mehrwertsteuer (»steuerliche Gleich­           an einer ausführlicheren Darstellung der Historie
behandlung« von privaten und öffentlich-recht­         der Liberalisierungsdebatte in Deutschland und
lichen Abwasserbetrieben), die Ermöglichung der        in Brüssel interessiert ist, sei auf das Buch
Vollprivatisierung kommunaler Abwasserbetriebe         »Das 20-Milliarden-Euro-Spiel – Die Liberalisie-
in den Landeswasser­gesetzen sowie die »Prüfung        rung des Wasser- und Abwassermarktes«
der Einführung einer Ausschreibungspflicht bei         verwiesen. Das Buch von Nikolaus Geiler (dem
der Aufgaben­übertragung an Dritte«.                   Autor auch dieser Broschüre) hat 184 Seiten und
Diese drei Wünsche der Länderwirtschaftsminister       ist im Stuttgarter Schmetterling-Verlag erschie-
aus dem Jahr 2002 bestimmen auch heute noch            nen. Das Taschenbuch kann unter der ISBN-Nr.
die Debatte um die so genannte »Modernisierung«        3-89657-577-5 zum Preis von 12,80 Euro über
der kommunalen Wasserwirtschaft. Um endlich            jede Buchhandlung bezogen werden.
eine »verstärkte Einbeziehung Privater in die

                                                                                                           
Ist die Privatisierung eine Lösung
für die Abwasser­misere in Ostdeutschland?

Zunehmend verweist man auf Seiten der Befür­            eine dezentrale »Hardware« zu in-stallieren, die
worter einer Privatisierung von Wasser- und             »Software« aber zentral vorzuhalten. Dies hätte
Abwasserdienstleistungen auf die vielerorts             bedeutet, dass in den dünnbesiedelten Landstri-
desolaten Verhältnisse bei den Wasser- und              chen der Neuen Bundesländer dezentrale oder
Abwasserverbänden in Ostdeutschland. Der                semidezentrale Anlagen errichtet worden wären,
Bundesverband der deutschen Entsorgungswirt-            dass diese aber von größeren Wasser- und Ab­-
schaft (BDE) argumentiert, dass die öffentliche         wasserverbänden mit hohem Know how und
Wasserwirtschaft bewiesen hätte, dass sie diesen        qualifiziertem Per­-sonal zentral betreut und
Herausforderungen nicht gewachsen sei. Private          gesteuert worden wären. Wobei man für die
Unternehmen könnten deutlich flexibler und              zentralen Wasser- und Abwasserverbände ein
angemessener auf den demographischen Wandel             Höchstmaß an Mitsprachemöglichkeiten für die
und den erforderlichen Rückbau der Ver- und             »Kundinnen und Kunden« (»Partizipation«) und
Entsorgungsinfrastruktur in den ostdeutschen            Transparenz hätte anstreben müssen.
»Schrumpfregionen« reagieren.
                                                        Ein Dilemma
Die ostdeutsche
Rekommunalisierung: ein Fehler?                         Jetzt ist das Kind aber das Kind so gründlich in
                                                        den Brunnen gefallen, dass sinnvolle Lösungen nur
Im Nachhinein stellt sich immer mehr heraus, dass       noch sehr schwierig zu realisieren sind: Die zu groß
die »Zerschlagung« der früheren 15 ostdeutschen         dimensionierten Anlagen sind nur dann einigerma-
Wasser- und Abwasserbetriebe (VEB WAB) zu 660           ßen wirtschaftlich zu betreiben, wenn noch weitere
Kleinbetrieben mit oftmals überdimensionierten          Ortsteile und Ortschaften an die zentralen Netze
Anlagen ein schwerer Fehler war. In vielen Fällen       an­ge-­schlossen werden, um die hohen Fixkosten
hat die verständliche Freude über die Rekommuna-        auf mehr Anschlussnehmerinnen und -nehmer
lisierung der VEB WAB zu Strukturen geführt, die        verteilen zu können. Je mehr Ortsteile oder
wirtschaftlich kaum lebensfähig sind. Hinzu kam,        Bürgerinnen und Bürger aus Kostengründen
dass in der ersten Wiedervereinigungseuphorie das       bestrebt sind, sich aus dieser »Solidargemein-
westdeutsche »Abwassermodell« eins zu eins              schaft« auszusklinken, desto höher verbleibt
abgekupfert worden ist. Statt kreativ an gleichwohl     die »Restlast« bei den Anschluss­nehme­rinnen
preisgünstigen wie effektiven dezentralen Verfah-       und -nehmer, die bereits angeschlossen
ren der Abwasserreinigung zu arbeiten, wurden           worden sind.
zentrale Verfahren mit kilometerlangen Haupt-
sammlern errichtet. Die Fehlplanungen waren auch        Die Regierungen der ostdeutschen Bundes­­-
darauf zurückzuführen, dass einige westdeutsche         länder sind seit mehreren Jahren bemüht, die
Ingenieurbüros wie die Raubritter über die Neuen        nicht lebensfähigen Wasser- und Abwasser-
Bundesländer herfielen und den ahnungslosen             (zweck)­verbände mit Zuschüssen von vielen
Bürgermeistern viel zu teure und wenig sach­            Hundert Millionen Mark über die Runden zu
gemäße Anlagen für die Wasserver- und                   retten. Die staatlichen Millionenzuschüsse sollen
Abwasserentsorgung aufgeschwatzt hatten.                es gleichfalls ermöglichen, die Höhe der Beiträge
All diese Gründe zusammengenommen haben                 und Gebühren in einem einigermaßen sozial
dazu geführt, dass bei der oftmals dünnen Besied-       verträglichen Rahmen zu halten.
lung in den ostdeutschen Bundesländern Anlagen
errichtet worden sind, die wegen ihrer Größe nicht      Bei der propagierten Überlegenheit der privaten
wirtschaftlich zu betreiben sind und die Anschluss-     Wasser- und Abwasserentsorger stellt sich die
nehmerinnen und -nehmer mit unverhältnismäßig           Frage, ob die kommerziell arbeitenden Wasser­
hohen Beiträgen und Gebühren belasten.                  multis die genannten Fehler hätten vermeiden
Wir müssen uns jetzt mit dem Paradoxon auseinan-        können. In der Regel lässt sich jedoch feststellen,
dersetzen, dass die Wasser- und Abwasserverbän-         dass es völlig unabhängig von privater oder
de in vielen Fällen zu klein geraten sind, dass deren   öffentlicher Eignerschaft zu missratenen
An-lagen aber trotzdem oftmals viel zu groß             Lösungen – insbesondere im Abwasserbereich –
ausgelegt wurden. Sinnvoll wäre es gewesen,             gekommen ist.

10
Die kommunale Infrastruktur muss                         Reinigungsgrad dezentraler Klein- und Hauskläran-
zurückgebaut werden                                      lagen online rund um die Uhr zu überwachen. Die
                                                         Überwachung der Kleinkläranlagen sollte herstelle-
Inzwischen zeichnet sich ein weiteres Handicap für       runabhängig erfolgen – beispielsweise über eine
die ost­deutsche Wasserwirtschaft ab. Das Ausblu-        gemeinnützige Serviceagentur ohne Gewinnerzie-
ten vieler Regionen infolge des Abwanderns – vor         lungsabsicht.
allem der jungen Menschen – führt dazu, dass die
gesamte kommunale Infrastruktur zurückgebaut             Nur eine herstellerunabhängige Überwachung
werden muss. Davon betroffen sind auch die Netze         bietet eine Garantie, dass bei der Überwachung
der Wasserver- und der Abwasserentsorgung. Bei           nicht geschlampt wird. Bei einer Kontrolle durch
der weiterhin zurückgehenden Bevölkerungszahl            die Herstellerfirma muss demgegen­über immer
lassen sich diese Netze nicht mehr wirtschaftlich        befürchtet werden, dass man es aus Kostenmini-
betreiben – ganz abgesehen von den technischen           mierungsgründen bei der Überwachung nicht so
Schwierigkeiten: In den sich jetzt als zu großkalibrig   genau nimmt.
erweisenden Wasserversorgungsnetzen kommt                Den zweiten Umbau der Siedlungswasserwirtschaft
es zu stagnationsbedingten Verschlechterungen            in Ostdeutschland werden die Neuen Bundesländer
der Trinkwassergüte, in der Schmutzwasserkanali-         ebenfalls nicht aus eigener Kraft stemmen können.
sation reicht die »Schlepp­span­nung« des immer          Die Neukonzeption der Siedlungswasserwirtschaft
weniger werdenden Abwassers nicht mehr aus,              in Ostdeutschland könnte jedoch Vorbildcharakter
um die Feststoffe zur Kläranlage zu spülen.              für vergleichbare andere Regionen in Europa (und
                                                         darüber hinaus) haben. Insofern bestehen Chan-
Chancen für                                              cen, für den Um- und Rückbau der kommunalen
kreative Lösungen!                                       Infrastruktur Beihilfen seitens der EU akquirieren
                                                         zu können.
Der daraus resultierende Zwang zur Anpassung
der kommunalen Infrastruktur an die immer                Auch hinsichtlich des Potenzials an kreativen
geringer werdende Bevölkerungsstruktur bietet            Ideen für einen Umbau der Siedlungswasserwirt-
aber auch die Chance, über völlig neue Modelle           schaft in Ostdeutschland müssen die kommunalen
der Siedlungswasserwirtschaft nachzudenken.              Betriebe und die öffentlich-rechtlichen Wasser- und
n Beispielsweise dezentrale und semidezentrale           Abwas­ser­(zweck)verbände aufpassen, dass ihnen
Verfahren, bei denen die Nährstoffe im Abwasser          die privaten Wasserver- und Abwasserentsorger
nicht wie in den bisher üblichen Kläranlagen             die Butter nicht vom Brot nehmen. Der Bundes­
kostenaufwendig »eliminiert« werden, sondern             verband der deutschen Entsorgungswirtschaft
wieder als Chemierohstoff oder Dünger genutzt            (BDE) schreibt sich schon jetzt auf seine Fahnen,
werden können.                                           dass er die gigantische Anforderungen beim
n Beispielsweise Membranverfahren, mit denen             Infra­strukturum- und -rückbau in Ostdeutschland
das Abwasser praktisch auf Trinkwasserqualität           cleverer zu lösen vermag als die kommunalen
gebracht werden kann – so dass eine Keimbelas-           bzw. verbandlichen Betriebe.
tung des Grundwassers oder der »Vorfluter«
vermieden würde. Darüber hinaus kann dieses              Die LINKSPARTEI hätte als bisherige »Regional­
hochwertig gereinigte Abwasser als Brauchwasser          partei Ost« hier die Chance, sich bundesweit als
im Kreislauf gefahren werden.                            vorantreibende Kraft zu profilieren. Als politische
n Der Pferdefuß von dezentralen Kleinkläranlagen         Bewegung, die die spezifischen Herausforderungen
war bislang, dass Wartung und Kontrolle mehr             an die ostdeutsche Wasserwirtschaft annimmt, die
schlecht als recht gewährleistet waren. Die Folge:       Probleme und Anforderungen frühzeitig bewusst
Viele Anlagen »vergammelten« und zeichneten sich         macht, sich an der Erarbeitung sinnvoller Lösungen
durch lausig schlechte Wirkungsgrade aus. Sen-           beteiligt und diese politisch und partizipativ
soren und Internet werden es künftig erlauben, den       umsetzt.

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Der Stand der Privatisierung
in der deutschen Wasserwirtschaft

In diesem Kapitel wird ein kurzer Überblick darüber    AG teilweise einen Riegel vorgeschoben (siehe
gege­ben, wer die privaten Champions in der Wasser-    beispielsweise das Scheitern der THÜGA in Ulm).
versorgung in Deutsch-­land sind. Bis auf wenige       Neben dem E.ON-Konzern (über die THÜGA) ist ein
Ausnahmefälle in den ost­deutschen Bundesländern       wichtiger Player (bis vor kurzem auch im außereu-
wurden bislang »nur« Teilprivatisierungen oder         ropäischen »Wassermarkt«) der RWE-Konzern. Über
Betriebsführungen durchgeführt. Die privaten           seine im Herbst 2006 im Verkauf befindliche
Unternehmen übernehmen dabei das operative             Tochter THAMES WATER war RWE (via American
Geschäft, die strategische Führung soll bei den        Works) vor allem im US-amerikanischen Wasserge-
Kommunen bleiben. Eine weitgehende Marktdurch-         schäft engagiert, daneben auch in einigen Schwel-
dringung ist den privaten Unternehmen trotz des        len- und Entwicklungsländern. Auch nachdem sich
vorsichtigen Herantastens bislang nicht gelungen.      RWE durch den Verkauf von THAMES WATER vom
Schätzungsweise 80 Prozent der deutschen               außereuropäischen Wasser­geschäft verabschiedet
Bevölkerung werden weiterhin von kommunalen            hat, sieht man in der Essener RWE-Zentrale das
Wasserwerken mit Trinkwasser versorgt.                 Engagement im europäischen Wasser-»Markt«
Die hoheitliche Abwasserentsorgung ist praktisch       weiterhin als zum »Kerngeschäft« zugehörig an.
noch vollständig in kommunaler Hand.                   Neben der Beteiligung an den Berliner Wasser-
                                                       Betrieben (siehe das Kapitel über die Teilprivatisie-
Hoheitliches Abwasser und                              rung der Berliner Wasser-Betriebe) sind das wich-
privates Trinkwasser                                   tigste Standbein von RWE WATER die Rhei­­nisch-
                                                       Westfälischen Wasserwerke in Mühlheim/Ruhr mit
Der § 18 a (2a) des Wasserhaushaltsgesetzes            etwa einer Million »Kunden«.
(WHG) und entsprechender Länderparagraphen
in Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Baden-Württem­       In Ostdeutschland gehören die Tochterunterneh-
berg ermöglichen zwar prinzipiell die Übertragung      men der beiden großen französischen Wasserkon-
der Abwasserbeseitigungspflicht auf Private.           zerne (SUEZ, VEOLIA) zu den führenden privaten
Die dafür notwendigen Verordnungen sind aber           Wasserversorgern. Eine der ersten relevanten
bislang nirgends erlassen worden. Und nur einige       »Wasser-Privatisierungen« in Ostdeutschland
wenige Gemeinden und Zweckverbände haben von           erfolgte kurz nach der »Wende« in Rostock, wo
der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich bei der         sich EURAWASSER (ein Tochterunternehmen von
Erledigung ihrer Beseitigungspflicht privater Firmen   SUEZ) in die Wasserver- und Abwasserentsorgung
zu bedienen. Im Gegensatz dazu konnte die zen­         eingekauft hatte. VEOLIA ist insbesondere in
trale Wasserversorgung seit ihrer Entstehungs­         Sachsen und Sachsen-Anhalt über Töchter und
geschichte privat ausgeführt werden (siehe aber        Enkelinnen im »Wassermarkt« engagiert. Nach
Sonderregelungen in Bayern).                           eigenen Angaben versorgt die VEOLIA WASSER
                                                       GmbH insbesondere in Sachsen-Anhalt über 400
Größter privater Wasserversorger in Deutschland        Kommunen mit Wasser und/oder entsorgt dort das
war – bis zur vor drei Jahren erfolgten »Rekommu-      Abwasser. Hälftig ist VEOLIA neben dem RWE-
nalisierung« – die GELSENWASSER AG (zuvor eine         Konzern an einer 49,9-Prozent-Beteiligung an den
Tochter des E.ON-Konzerns mit dem Schwerpunkt          Berliner Wasser-Betrieben involviert.
in NRW). Verschiedene Tochterunternehmen von
großen Energiekonzernen haben sich auf den             In Baden-Württemberg fungiert der EnBW-Energie-
Aufkauf von Minderheitsbeteiligungen an Stadtwer-      konzern als Hecht im Karpfenteich. An der EnBW ist
ken spezialisiert (siehe beispielsweise Freiburg).     mit inzwischen fast 50 Prozent des Aktienkapitals
In erster Linie ist hier die THÜGA zu nennen – über    der französische Atomstrom­konzern EdF beteiligt.
die RUHRGAS AG ebenfalls dem E.ON-Konzern              Die staatliche EdF steht derzeit ebenfalls vor einer
zugehörig. Da die Stadtwerke vielerorts die            (heftig umstrittenen) Teilprivatisierung. Die EnBW
Trinkwasser­versorgung betreiben, ist die THÜGA        beherrscht beispielsweise den »Wassermarkt« in
indirekt einer der größten Wasserkonzerne in           Stuttgart. Darüber hinaus hat sich die EnBW in über
Deutschland. Zwischenzeitlich hat das Kartellamt       30 Stadtwerken in Baden-Württemberg (aber auch
(wegen der Bildung von vertikal strukturierten         darüber hinaus) eingekauft.
Energieoligopolen) weiteren Aufkäufen der THÜGA

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Bei den meisten »Wasser-Privatisierungen«            über den Angriff auf die kommunalen
handelt es sich nicht um Vollprivatisierungen,       Abwasser­unternehmen),
sondern »nur« um Teilprivatisierungen (neuhoch-      n mögliche Ausschreibungspflicht von
deutsch: public privat partnership (ppp); siehe      Wasser­versorgungskonzessionen über die EU
Berlin).Das Engagement der privaten Energie-         (siehe Kapitel »Was droht aus Brüssel?«),
und Umweltdienst­leistungskonzerne hat dazu          n Finanzarmut der Kommunen,
geführt, dass sich von rund 900 Stadtwerken          n steigende Anforderungen an das Hygiene-
nur noch etwa 500 Stadtwerke im Vollbesitz der       und Qualitäts­management,
Kommunen befinden. Wenn die Gesamtheit der           n notwendiger Umbau der Wasserversorgungs­
rund 6.500 Wasserwerke und deren »Kunden«            infrastruktur infolge des zurückgehenden Wasser-
in Deutschland betrachtet wird, kann man aller-      gebrauchs (»Flurbereinigung auf Grund von Über­
dings konstatieren, dass schätzungsweise             kapazitäten« bei immer weniger ausgelasteten
noch 80 Prozent der »Kunden« durch                   Wasserwerken),
kommunale Unternehmen mit Trinkwasser                n Zwangsbenchmarking (Leistungsvergleiche)
versorgt werden.                                     durch die Hintertür (ISO TC 224: Dienstleistungs-
                                                     norm für Wasserversorger und Abwasserent­sorger),
Ein Sonderrolle spielen die umstrittenen US-Cross-   n Folgen der »Anreizregulierung« bei den Gas-
Border-Leasing-Geschäfte, bei denen Wasserver-       und Stromnetzen für die Stadtwerke und darin
sorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen an          eingebundenen Wasserwerke (Siehe folgendes
US-Trusts verleast worden sind (siehe Bodensee-      Kapitel).
fernwasserversorgung, Landeswasser­versorgung,
Leipzig usw.).
                                                      Wasserinfos im Internet
Welche Randbedingungen werden das                     Informationen zum Gewässerschutz und zur
weitere Privatisierungstempo bestimmen?               Wasserwirtschaft – insbesondere aber auch zur
                                                      Kommerzialisierung der kommunalen Wasser-
Die weiteren Perspektiven der »Wasser-Priva­ti­-      wirtschaft – können auf der Homepage des
si­erung« werden durch folgende Punkte bestimmt:      Freiburger Arbeitskreises Wasser im Bundesver-
n »Modernisierung der deutschen Wasserwirt-           band Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
schaft«; insbesondere Abschaffung der »steuer-        angeklickt werden: www.akwasser.de
lichen Ungleichbehandlung« (siehe das Kapitel

                                                                                                       13
Mit der »Anreizregulierung« zur
»Konsolidierung« im Wassersektor ?

Dass die Privatisierung des Wassersektors            geplanten »Anreizregulierung« könnte die in Stadt-
mehr und mehr über verschlungene Wege erfolgt,       werken und Regiebe­trie­ben organisierte kommunale
lässt sich am befürchteten »Durchschlagen« der       Energieversorgung abgewürgt werden. Damit wird
»Anreizregulierung« im Energiesektor belegen.        in einem Aufwasch auch gleich die ebenfalls in
Die vielerorts begrüßte Deckelung und Absenkung      Stadtwerken und Regiebetrieben bewerkstelligte
der Netz- und Durchleitegebühren im Gas- und         kommunale Wasserversorgung eingedampft.
Stromsektor wird voraussichtlich als »Nebeneffekt«   Über die voraussichtlich höchst einschneidenden
dazu führen, dass zahlreiche kleine und mittlere     Folgen der »Anreizregulierung« für die kommunale
Stadtwerke auf der Strecke bleiben werden.           Versorgungswirtschaft informieren die nachfolgen­
Die dadurch induzierte »Konsolidierung«              den Notizen.
im Energiesektor wird auch den Wassersektor
tangieren, da viele Stadtwerke nicht nur Strom
und Gas, sondern auch Trinkwasser liefern.            Gut informiert sein über die Angriffe auf
Insofern steht auch eine Flurbereinigung im           die kommunale Wasserwirtschaft
Wassersektor zu erwarten, von der letztlich           Kommerzialisierungsskeptiker sollten regelmäßig
die großen Energie- und Umweltdienstleistungs­        die Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK)
konzern profitieren werden.                           lesen. Die ZfK berichtet nämlich monatlich über
                                                      die Auseinandersetzungen um die Wasserkom-
Von der »Modernisierung« der                          merz-Vorstöße der EU und anderer wirtschafts­
Wasserwirtschaft zur Flurbereinigung                  liberaler Kreise im speziellen und über die
der Wasserwerke                                       kommunale Wasserwirtschaft im allgemeinen.
                                                      Darüber hinaus informiert die dem Verband
Im März 2006 hat die Bundesregierung ihren            kommunaler Unternehmen (VKU) nahe stehende
Bericht zur »Modernisierungsstrategie für die         Monatszeitung natürlich auch über den gesamt-
deutsche Wasserwirtschaft und für ein stärkeres       en Bereich der kommunalen Energiewirtschaft
internationales Engagement der deutschen Wasser-      (Gas, Strom usw.) Probeexemplare der Zfk
wirtschaft« vorgelegt (Bundestags-Drucksache          (ehemaliger Werbespruch: »Die Zeitung, die der
16/1094). Der Bericht geht zurück auf einen           Stadtwerkedirektor liest«, Jahresabo: 38,65 Euro)
Beschluss des Bundestages (14/7177) vom März          gibt es bei der Sigillum-Verlag GmbH
2002. Damals hatte die rot-grüne Koalition die        Brohler Str. 13, 50968 K ö l n
Bundesregierung aufgefordert, in Kooperation          Telefon: 02 21/37 70-2 07, Fax: -2 66
mit den Ländern und den Fachverbänden eine
Modernisierungsstrategie für die deutsche
Wasserwirtschaft zu entwerfen. Weniger in den        »Anreizregulierung«:
beiden BT-Drucksachen, dafür aber um so mehr         Konzentra­tionswelle erfasst Wasserwerke!
im medialen Begleitkonzert und in den Stellung­
nahmen aus dem Bundeswirtschaftsministerium          Spätestens seit dem das Bundeswirtschafts­
wurde als »Modernisierung« vorwiegend eine           ministerium im Jahr 2000 mit dem »EWERS-
Flurbereinigung in den über 6.000 Wasser­            Gutachten« zum Blindflug ins aquatische Wunder-
versorgungsbetrieben in Deu­tsch­land                land des Neoliberalismus angesetzt hatte, ist es
verstanden: Aus der Vielzahl von Wasser­             erklärter Wille aller Bundesregierungen und
unternehmen sollten sich schlagkräftige und          Bundestagsmehrheiten, eine große Flurbereinigung
potente Unternehmen herauskristalli­sieren,          im Kleinklein der kommunalen Wasserwerke und
die als deutschte Champions fähig wären, auf         Abwasserbetriebe anzureizen. So richtig erfolgreich
dem »Weltwassermarkt« den dort agierenden            war aber keiner der Bundes- und Länderwirtschafts­
Global Players Paroli zu bieten.                     minister mit diesem gebetsmühlenartig vorgetra-
                                                     genen Ansinnen. Was man mit der vermeintlichen
Die »Flurbereinigung« im Wassersektor scheint        »Modernisierung der deutschen Wasserwirtschaft«
jetzt zu kommen – aber anders als zunächst           auf dem direkten Weg nicht erreichen konnte,
gedacht. Über die vom Bundeswirtschafts­             scheint man jetzt auf indirekten Weg aber um
ministerium und von der Bundesnetzagentur            so erfolgreicher bewerkstelligen zu können.

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