Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de

Die Seite wird erstellt Hortensia-Rosa Krause
 
WEITER LESEN
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
9-2017

                                                                                        Im Gespräch mit Yvonne Gebauer
                                                                                        Kontroverse: Lesen durch Schreiben
                                                                                        Plakate im kooperativen Unterricht
                                                                                        GEW-aktiv 2017 in Gelsenkirchen
                                                                                        Digitalisierung und Datenschutz
                                             DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   A 13 für alle: Gerechtigkeit kostet.

                                             Dringend gesucht:
                                             Lehrkräfte in NRW.
69. Jahrgang September 2017 ISSN 0720-9673
K 5141
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
GEW-aktiv 2017 in Gelsenkirchen

Wandel is‘ immer
„Wandel ist immer eine Herausforderung“, weiß nicht nur        Jahren entwickelt hat“, so Landesvorsitzende Dorothea
Eva Caspers von der jungen GEW NRW. Die rund 250               Schäfer (Foto unten mittig). Staatssekretär Mathias Richter
Teilnehmer*innen der Tagung GEW-aktiv am 8. und 9.             war in Vertretung von Schulministerin Yvonne Gebauer
September 2017 waren sich einig: Ein Wandel in der Bil-        zur GEW-aktiv gekommen (Foto oben links). Auch Frank
dungs- und Personalpolitik hin zu mehr Investitionen muss      Baranowski, Oberbürgermeister der Stadt (Foto links), und
                                                               Josef Hülsdünker, DGB-Regionsgeschäftsführer Emscher-
der Weg sein, den die neue Landesregierung einschlägt.
                                                               Lippe, waren am Freitag zu Gast im Hans-Sachs-Haus.
Änderungen müssen her unter anderem bei der Steuerung          Viele Themen in den Workshops am Samstag standen
der Inklusion, der personellen Ausstattung und der Bezah-      ebenfalls ganz im Zeichen des Wandels: Digitalisierung,
lung der Beschäftigten. „Wir wünschen uns als GEW auch,        neue Strukturen der Gewerkschaftsarbeit und moderne
dass nicht alles zurückgedreht wird, was sich in den letzten   Aktionsformen.             Text: krü, Fotos: Haifischbaby
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
nds 9-2017 3

Glückliche Lehrer*innen
gegen den Lehrkräftemangel
   Wenn ich erzähle, dass ich zum Glück im Lehrer*innenberuf forsche, begegnen mir viele – egal
ob Lehrer*innen oder Vertreter*innen anderer Berufsstände – mit einem süffisanten Lächeln im
Gesicht und stellen sogleich die unvermeidbare Rückfrage: „Glück im Lehrer*innenberuf – gibt’s
das?!“ Es scheint, dass sowohl in der gesellschaftlichen Wahrnehmung als auch in der medialen
Berichterstattung ein negativ geprägtes Bild von Lehrer*innen überwiegt. Untersuchungen von
Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Sigrid Blömeke zum „Lehrerbild in Printmedien“ haben
                                                                                                      Kathi V. Wachnowski,
ergeben, dass Lehrkräften dabei vor allem Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten in den
Bereichen der Vermittlung, Erziehung sowie Selbstorganisation und -motivation abgesprochen            wissenschaftliche Mit-
werden. Darüber hinaus werfen ihnen Medienberichte zu ihrem Arbeitsumfang und ihrer Arbeits-          arbeiterin in der AG Schul-
belastung vor, sich zu wenig einzusetzen, auf ihre Privilegien zu pochen und über eine schlechte      forschung des Instituts für
psychische Gesamtkonstitution zu verfügen. Auch in der Forschung zu Professionalität und Ge-          Erziehungswissenschaft und
sundheit von Lehrer*innen dominieren defizitorientierte Arbeiten deutlich. Zahlreiche Studien zu      der Professional School of
Belastung und Burn-out versuchen, krankmachende Arbeitsbedingungen als Risikofaktoren für             Education der Ruhr-Uni­ver­
die Lehrer*innengesundheit zu identifizieren.                                                         si­tät Bo­chum

Wir brauchen einen Perspektivenwechsel!                                                               www.glueck-im-lehrerberuf.de

   Öffentliche und private Anbieter*innen von Lehrer*innenfortbildungen setzen bereits eine
ressourcenorientierte Brille auf. Projekte wie „Gute gesunde Schule“ oder das Schulfach „Glück“
beschäftigen sich damit, was die Gesundheit und das Wohlbefinden erhält und steigert. Die
Forschung geht hier erste Schritte. Grundsätzlich steht fest: Ein ausgeprägtes Wohlbefinden hat
positive Konsequenzen für jede*n Einzelnen und die eigene Berufstätigkeit. Wer sich wohlfühlt,
hat ein geringeres Risiko an Depressionen zu erkranken und ist gesünder, identifiziert sich stärker
mit der*dem Arbeitgeber*in und ist engagierter im Beruf.
   Ressourcenorientierte Ansätze zur Erforschung des Wohlbefindens speziell von Lehrer*innen
sind jedoch rar gesät. Zudem sind die Definitionen von Lehrer*innenwohlbefinden sowie die
methodischen Forschungszugänge höchst divers und deshalb kaum vergleichbar. Ob formelle
Aspekte wie Geschlecht, Alter oder die Schulform einen Einfluss auf das Wohlbefinden haben,
ist bislang umstritten. Gezeigt werden konnten allerdings unter anderem positive Effekte der
Identifikation mit dem Lehrer*innenberuf sowie mit der eigenen Schule, des Interesses für die
eigenen Unterrichtsfächer und für das Unterrichten selbst sowie der Beziehungsqualität im
Kollegium. Die Studie „Glück im Lehrerberuf“ – durchgeführt von der AG Schulforschung des
erziehungswissenschaftlichen Instituts an der Ruhr-Universität Bochum – analysiert derzeit
weitere Gesichtspunkte in Hinblick auf das Wohlbefinden von Lehrer*innen, beispielsweise das
Zusammenspiel persönlicher Eigenschaften von Lehrer*innen und Eigenschaften der Schule sowie
Aspekte der Arbeitsorganisation.
Glück gegen Lehrkräftemangel?
   Doch wie hilft Glück im Lehrer*innenberuf gegen den aktuellen Lehrkräftemangel? Die Antwort
hängt mit zwei einander ergänzenden Mechanismen zusammen: Ziel muss es einerseits sein, neue
geeignete und engagierte Kolleg*innen für den Beruf zu rekrutieren. Voraussetzung dafür ist,
dass der Beruf attraktiv ist – ja, sogar Spaß macht – und dass wir selbst als Lehrer*innen, die wir
unseren Beruf lieben, jungen Leuten als positive Rollenbilder zur Verfügung stehen. Andererseits
gilt es, die Begeisterung und Zufriedenheit älterer Kolleg*innen in ihrem Beruf zu erhalten und
sogar noch zu befeuern. Schule kann es sich nicht leisten, deren Erfahrung frühzeitig in den
Ruhestand zu entlassen! //
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
4 INHALT

                     THEMA                                                    BILDUNG

                                                       16                                                       8

        Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW.                Im Gespräch mit NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer
                                                                              Ehrgeizige Ziele
               Lehrkräftemangel in NRW
                                                                                  Seite 8
                   Schulen am Limit
                        Seite 16                                          Erstes Pressegespräch
                                                              der neuen NRW-Ministerin für Schule und Bildung
            Lehrkräftemangel bundesweit                                    Hohe Erwartungen
           Die Mangelverwaltung beenden!
                                                                                  Seite 10
                        Seite 18
                                                                   Kontroverse um „Lesen durch Schreiben“
         Was tun gegen Lehrkräftemangel?                               Mehr Welle als Wasser im Glas
       Anreizsysteme statt Zwangsmaßnahmen
                                                                                  Seite 11
                        Seite 20
                                                                Kooperativen Unterricht mit Medien gestalten
        Seiteneinsteiger*innen machen Schule                           Plakat statt Medienfeuerwerk
     Potenziale nutzen – professionell qualifizieren
                                                                                  Seite 12
                        Seite 22
                                                                              Digitalisierung
       Prognose der Schüler*innenzahl in NRW                Neue Herausforderungen für Schulen und Schulaufsicht
             NRW erwartet einen Boom
                                                                                  Seite 14
                        Seite 23
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
nds 9-2017 5

              ARBEITSPL ATZ

                                                           IMMER IM HEFT

                                                           Nachrichten      Seite 6
                                                           Leserbriefe      Seite 15
                                                           Buchtipps        Seite 30
                                                           Jubilare         Seite 31
                                                           GEW-Kino         Seite 32
                                                           Weiterbildung    Seite 33
                                                           Infothek         Seite 34
                                                           Termine          Seite 38
                                                           Impressum        Seite 39
                                                  26

           GEW-aktiv 2017 in Gelsenkirchen:
  Im Gespräch mit Oberbürgermeister Frank Baranowski
             Mit Bildung zur Zukunftsstadt
                        Seite 24

        Bring Your Own Device und Datenschutz
          Klare Regeln statt digitaler Biotope
                        Seite 26

Was der Finanzminister für A 13 und EG 13 einplanen muss
                 Gerechtigkeit kostet.
                        Seite 28
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
6 NACHRICHTEN

Ohne Seiteneinstieg geht es nicht
                                                                                      Der Bedarf an Lehrer*innen in den Schulen in NRW kann ohne den
                                                                                   Seiteneinstieg aktuell nicht gedeckt werden. Die Quote hat sich von
                                                                                   2013 bis zum Schuljahr 2017 / 2018 verdreifacht. Heute sind es bei den
  Diese Qualifikationen haben                                                      Einstellungen in den Schuldienst fast zehn Prozent, 2013 waren es knapp
  Quereinsteiger*innen                                                             drei Prozent. Eingestellt werden überwiegend Seiteneinsteiger*innen mit
                                                                                   einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Der Anteil derjenigen,
                                           fachspezifische       bisher
  Schulform               Uni         FH                                           die mit anderer fachspezifischer Ausbildung den Weg in die Schulen fin-
                                              Ausbildung          2017
                                                                                   den, ist gering. Vor allem an Berufskollegs und Gesamt- beziehungsweise
  HS *                     17          4             2              23
                                                                                   Sekundarschulen ist die Zahl der Seiteneinsteiger*innen hoch. Für das lau-
  RS                       26          1             0              27
                                                                                   fende Schuljahr wurden 153 Seiteneinsteiger*innen an den Grundschulen
  GemS, Sek + GE          112         24             9             145
                                                                                   eingestellt. Für die notwendige berufsbegleitende Qualifizierung werden
  GY                      12           0             0              12
                                                                                   Stundenkontingente zur Verfügung gestellt, die den Beitrag zur Bedarfsde-
  BK                      154         29             0             183
                                                                                   ckung an der einzelnen Schule mindern. Summiert man die Anrechnung
  GS                       79         74             0             153
                                                                                   der Pädagogischen Einführung und der Ordnung zur berufsbegleitenden
  gesamt                  400      132             11              543
                                                                                   Ausbildung von Seiteneinsteiger*innen und der Staatsprüfung, die OBAS,
   *inkl.  PRIMUS-Schulen, Illustration: PureSolution / shutterstock.com           so ergab dies im Schuljahr 2016  / 2017 ein Stellenäquivalent von circa
                                                                                   200 Stellen. Mehr zum Thema Lehrkräftemangel ab Seite 16.ms
Quelle: Untersuchung des MSB NRW für das Schuljahr 2017 / 2018

                                           Digitalisierung                         Lehrkräfte im Schnitt 45,2 Jahre alt
                                               Der technische Fortschritt hält        Das Durchschnittsalter der 157.970 hauptberuflichen Lehrkräfte an
             Begreifen                     in allen Bereichen der Hochschule       allgemeinbildenden Schulen in NRW lag im Schuljahr 2016 / 2017 bei
         zum Eingreifen                    Einzug, aber insbesondere die Lehre     45,2 Jahren. Lehrer*innen waren damit durchschnittlich eineinhalb
                                www.
                                           würde von einer flächendeckenden        Jahre jünger als fünf Jahre zuvor im Schuljahr 2011 / 2012. Damals lag
 Junggewerkschafter*innen                  Nutzung der digitalen Möglich-          das Durchschnittsalter bei 46,7 Jahren. Im Vergleich gab es im Schul-
 Nur etwa 15 Prozent der deut-             keiten profitieren. Trotzdem sind       jahr 2016  /  2017 insbesondere bei den unter 50-jährigen Lehrkräften
 schen Gewerkschaftsmitglieder             viele Hochschulen in Deutschland        Zuwächse: Bei den unter 35-Jährigen stieg der Anteil der Lehrkräfte an
 sind zwischen 16 und 30 Jahre
                                           von einem strategischen Ansatz          der gesamten Lehrer*innenschaft von 18,3 auf 22,8 Prozent und in der
 alt – obwohl sie fast ein Viertel
 aller Arbeitnehmer*innen stel-            weit entfernt. Vielmehr liegt es in     Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen von 34,6 auf 39,9 Prozent. Bei den
 len. In einem Dossier beleuchtet          der Verantwortung der Hochschul-        über 49-Jährigen war hingegen ein Rückgang des Anteils von 47,1 auf
 das Institut der deutschen Wirt-          leitungen, Strategien zu entwickeln     37,3 Prozent zu verzeichnen. Lehrerinnen waren im Schuljahr 2016 / 2017
 schaft Köln die Altersstrukturen
 europäischer Gewerkschaften.
                                           und den Herausforderungen der           mit 44,7 Jahren knapp zwei Jahre jünger als ihre männlichen Kollegen
 www.tinyurl.com / iwd-alters-             zunehmend heterogenen Stu-              mit 46,6 Jahren. Die jüngsten Lehrkräfte hatte die Gemeinschaftsschule
 struktur                                  dierendenschaft gerecht zu werden.      (40,5 Jahre). Die Lehrer*innen an Grundschulen waren im Schnitt 43,8
                                www.       Mehr dazu unter www.tinyurl.            Jahre, an Gymnasien 44,3 Jahre, an Gesamtschulen 45,4 Jahre, an
 Integration in Schule
                                           com/che-digitalisierung CHE            Realschulen 47,6 und an Hauptschulen 49,4 Jahre alt.IT.NRW
 Der Dokumentarfilm „Welt-
 klasse“ begleitet Lehrkräfte und
 Schüler*innen in Velbert und              Sozialwahl                              Mehr Abiturient*innen durchgefallen
 Wuppertal bei der Integration
 geflüchteter Kinder in die Schu-              Bis zum 4. Oktober 2017 sind           In diesem Jahr sind mehr Schüler*innen beim Abitur durchgefallen
 le. Zwei verschiedene Modelle             die Versicherten der BARMER-            als 2016. Der Anteil lag landesweit bei 4,2 Prozent. Im Vorjahr waren
 stehen sich gegenüber.
 www.tinyurl.com / film-welt-
                                           Krankenkasse aufgerufen, an der         es 3,5 Prozent. Besonders hoch war der Anteil der durchgefallenen
 klasse                                    Sozialwahl teilzunehmen. Der DGB        Abiturient*innen an Gesamtschulen. Dort bestanden 7,9 Prozent der
                                           tritt gemeinsam mit den Gewerk-         Schüler*innen die Prüfungen nicht. Ein Jahr zuvor waren es 6,4 Prozent.
                                www.
 Bundeswehr im Inland                      schaften IG Bauen-Agrar-Umwelt          An Gymnasien fielen weniger Abiturient*innen durch. Der Anteil lag
 In Zeiten des Terrors ist ein Ein-        und Nahrung-Genuss-Gaststätten          bei 3,25 Prozent. Die Durchschnittsnote lag landesweit bei 2,44 und
 satz der Bundeswehr im Inland             mit einer eigenen Liste (Liste 6) an.   weicht nur wenig vom Vorjahresdurchschnitt ab. Im Jahr 2016 lag die
 wahrscheinlicher geworden.                Eine bezahlbare Gesundheitsversor-      Durchschnittsnote bei 2,45. Der Anteil der Schüler*innen, die das Abitur
 Thomas Wiegold diskutiert im
 Auftrag der Bundeszentrale für            gung und die gerechte Verteilung        mit Bestnote absolvierten, verbesserte sich hingegen deutlich. Im Jahr
 politische Bildung die Gründe.            der Kosten stehen im Mittelpunkt        2017 machten 1,88 Prozent ein Abitur mit 1,0. Im vergangenen Jahr
 www.tinyurl.com / bpb-bun-                der Kampagne. Mehr dazu unter           waren es 1,78 Prozent. In diesem Jahr wurden erstmalig Aufgaben aus
 deswehr
                                           www.dgb.de/sozialwahl DGB              einem gemeinsamen Pool der Länder verwendet.                       kue
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
nds 9-2017 7

Mehr Personal an Hochschulen                                                 2017 – ein friedliches Tarifjahr
   Die nordrhein-westfälischen Hochschulen beschäftigten im Dezember            Eine Analyse der Tarifverhandlungen des Jahres 2017 zeigt: Bisher ging
des vergangenen Jahres 3,7 Prozent mehr Personal als ein Jahr zuvor.         es in den Tarifrunden friedlicher zu als in den vergangenen Jahren. Das
Insgesamt arbeiteten an den 74 Hochschulen und acht Hochschulkliniken        lag zum einen daran, dass in einigen konfliktintensiven Branchen keine
141.571 Personen, studentische Hilfskräfte ausgenommen. 80.522 Be-           Tarifverhandlungen stattfanden. Zum anderen agierten die Spartenge-
schäftigte waren wissenschaftlich oder künstlerisch tätig; davon hatten      werkschaften besonnener als in den Vorjahren. Das Jahr 2017 gilt als das
8.243 Mitarbeiter*innen eine ausländische Staatsangehörigkeit. 61.049        harmonischste Tarifjahr der letzten zwölf Jahre. In den acht analysierten
Personen arbeiteten in der Verwaltung, in den Bibliotheken, im technischen   Tarifrunden gab es nur im Einzelhandel und im öffentlichen Dienst
Dienst der Hochschulen oder als Pflegekräfte an den Hochschulkliniken.       Warnstreiks. Im öffentlichen Dienst der Länder fanden nach der zweiten
Der Anteil der Frauen lag beim wissenschaftlichen und künstlerischen         Verhandlungsrunde Warnstreiks statt. In der dritten Verhandlungsrunde
Personal bei 40,1 Prozent. In den anderen Arbeitsbereichen waren             einigten sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und ver.di.
67,8 Prozent der Mitarbeiter*innen weiblich. Neueinstellungen im Bereich     Joyce Abebrese, Referentin für Tarifpolitik der GEW NRW, bewertet das
des wissenschaftlich-künstlerischen Personals führten zu einem Zuwachs       Ergebnis positiv: „Trotz der relativ betrachtet wenigen Streiktage ist es uns
der Beschäftigtenzahl um 4,1 Prozent gegenüber Dezember 2015. In der         als GEW gelungen einen guten Abschluss zu erzielen: Mit zwei Prozent
Verwaltung war im gleichen Zeitraum ein Anstieg um 3,3 Prozent zu ver-       mehr für dieses und 2,35 Prozent mehr für nächstes Jahr sowie der Ein-
zeichnen. Insgesamt waren 52.219 Beschäftigte des wissenschaftlichen         führung einer neuen Stufe 6 mit einem Gehaltsplus von bis zu 180,- Euro
und künstlerischen Personals an den Hochschulen hauptberuflich tätig.        für betroffene Beschäftigte kann sich der Tarifabschluss für dieses Jahr
Im Vergleich zum Vorjahr sind das 1,6 Prozent mehr. 16.383 Beschäftigte      sehen lassen! Auch hinsichtlich der Lehrkräfte-Eingruppierung sind wir
hatten unbefristete Arbeitsverträge; das waren 3,9 Prozent mehr als 2015.    einen Schritt weiter und können durch den Abschluss des Tarifvertrags für
Die Zahl der befristet Beschäftigten lag bei 35.836 und war damit um         Lehrkräfte weiterhin für Verbesserungen der Eingruppierung kämpfen.“
0,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor.                             IT.NRW    Am konfliktreichsten verlief die Tarifrunde im Einzelhandel.  kue / iwd

                                                      Foto: Haifischbaby     Regierungserklärung greift zu kurz
                                                                                Die GEW NRW zeigt sich nach der ersten Regierungserklärung von
                                                                             Ministerpräsident Armin Laschet enttäuscht. Seine Ausführungen zur
                                                                             Schul- und Bildungspolitik markieren zwar die aktuellen Baustellen der
                                                                             Schulpolitik, bieten aber zu wenig konkrete Maßnahmen, um die akuten
                                                                             Probleme zu lösen. Die Vorsitzende der GEW NRW Dorothea Schäfer
                                                                             erklärte: „Eine Politik mit ‚Maß und Mitte’ wird nicht reichen, um die
                                                                             aktuellen Schulprobleme zu lösen. Ministerpräsident Armin Laschet
                                                                             beklagt die zementierte Perspektivlosigkeit vieler Kinder und findet die
                                                                             Lage an den Grundschulen ‚bedrückend’. Das ist ein ernstes Problem.
                                                                             Wenn Lehrer*innen fehlen und der Unterricht nicht stattfindet, bleibt
                                                                             die Bildungsgerechtigkeit auf der Strecke.“ Die geplanten Maßnahmen
                                                                             zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels werden nach Auffassung der

JA 13: Stick für die Schulministerin                                         Bildungsgewerkschaft nicht ausreichen, um den Personalengpass und
                                                                             die Vakanzen bei den Schulleitungsstellen zu beheben.               bp
   16.000 Unterschriften für A 13 als Eingangsbesoldung für Lehrkräfte
überreichten GEW-Kolleg*innen an NRW-Staatssekretär Mathias Richter,         Mehr Kinder in Tagesbetreuung
der in Vertretung für die Schulministerin zur Schuljahresauftakttagung
GEW-aktiv gekommen war. Die Unterschriften waren zuvor per Online-              Die Zahl der Kinder, die eine Kindertagesbetreuung bekommen,
Petition gesammelt worden. Schon beim Bochumer Kongress im März 2017         hat zugenommen. Im März 2017 waren es in NRW insgesamt 631.657
hatte der heutige Ministerpräsident Armin Laschet einige Unterschriften      Kinder. Das entspricht einem Zuwachs von 2,6 Prozent im Vergleich zum
entgegengenommen und darauf hingewiesen, dass eine Online-Petition           Vorjahr, in dem 615.487 Kinder betreut wurden. 584.838 Kinder wurden
nicht in einen Ordner gehört. Die GEW NRW hatte deshalb dieses Mal           in einer Kindertageseinrichtung betreut, 51.663 wurden in öffentlich
einen riesigen Datenstick mitgebracht. Daran geknüpft war die Erwartung,     geförderter Kindertagespflege von 14.271 Personen beaufsichtigt. Somit
dass die Landesregierung ebenso flexibel auf veränderte Anforderungen        stieg die Zahl der Kinder in Tagespflege um 10,3 Prozent und die Zahl
reagieren soll. Unterdessen war die Forderung nach A 13 auch ein Thema       der Betreuer*innen um 5,5 Prozent an. 2.650 Kinder nahmen neben
im Landtag. Die Vorsitzende der GEW NRW Dorothea Schäfer begrüßte,           Tagesmüttern oder -vätern zusätzlich eine Kindertageseinrichtung und
dass JA 13 nun auf der politischen Agenda steht, appellierte aber an die     2.194 Kinder eine Ganztagsschule in Anspruch. Von den 631.657 Kindern
Landesregierung: „Es ist nicht zu rechtfertigen, dass an Grundschulen        waren 132.194 Kinder unter drei Jahre alt. Das waren 7,7 Prozent mehr
und Schulen der Sekundarstufe I bei gleichwertiger Ausbildung rund           unter Dreijährige als ein Jahr zuvor. 430.730 Kinder in Kindertagesbe-
500,- Euro weniger pro Monat verdient wird als an den Schulen der            treuung waren drei bis unter sechs Jahre. Etwa jedes zehnte Kind war
Sekundarstufe II.“                               bp / Susanne Huppke        älter als sechs Jahre alt.                                    IT.NRW
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
8 BILDUNG

Im Gespräch mit NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer

Ehrgeizige Ziele                                                                                                                                            Foto: Sascha Menge

Seit Juni 2017 ist Yvonne Gebauer Ministerin für Schule und Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen. Wie sehen ihre bildungspolitischen Visionen aus? Die nds
hat mit ihr über Inklusion, die Rückkehr zu G9, den derzeitigen Lehrkräftemangel
und die Erfassung des Unterrichtsausfalls gesprochen.
nds: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet          flächendeckendes Förderschulangebot. Deshalb          Qualität muss das Tempo bestimmen. Ich möchte
hat erste Änderungen bei der schulischen          habe ich nach meinem Amtsantritt als Schul-           die Inklusion in qualitativere Bahnen lenken und
Inklusion als eine der vordringlichen Maßnah-     ministerin als eine der ersten Maßnahmen die          dabei die Schulen bestmöglich einbinden. Ge-
men nach der Sommerpause eingeordnet. Ab          Mindestgrößenverordnung für die Förderschulen         genwärtig nehmen wir eine Bestandsaufnahme
wann werden sogenannte Schwerpunktschu-           ausgesetzt. Und ich bin froh, dass bereits einige     der schulischen Inklusion vor Ort vor. Auf dieser
                                                  zur Schließung vorgesehene Förderschulstand-          Grundlage wird die Landesregierung dann ein
len gebildet? Wie soll deren konzeptionelle
                                                  orte erhalten bleiben. Auch bin ich zuversichtlich,   fundiertes Konzept für die weitere Umsetzung
Neuausrichtung aussehen?
                                                  dass in den nächsten Jahren weitere Standorte         vorlegen. Neu gestaltete Schwerpunktschulen
    Yvonne Gebauer: Die neue Landesregierung      hinzukommen.                                          werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Wir
ist angetreten, für Eltern Wahlmöglichkeiten zu      Wir stehen zur Inklusion, müssen aber um-          werden die Inklusion stärker bündeln und Res-
sichern. Dafür brauchen wir auch ein möglichst    steuern. Nicht die Inklusionsquote, sondern die       sourcen für mehr Qualität zur Verfügung stellen.
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
nds 9-2017 9

    „Nicht die Inklusionsquote,                       möchten. Bis wann sollen die Schulen diese           „Die von der Vorgängerregierung
                                                      Entscheidung treffen? Wird das neue Verfahren
  sondern die Qualität muss das                                                                               zur Streichung vorgesehenen
                                                      Auswirkungen auf andere Schulformen haben?
       Tempo bestimmen.“                                                                                    Lehrer*innenstellen werden wir
                                                         Nur wenige Themen haben Schüler*innen,
Welche verbindlichen Qualitätsstandards soll          Eltern und Lehrer*innen so bewegt wie die
                                                                                                               nicht streichen. Mittelfristig
es zukünftig für inklusive Lerngruppen geben          Debatte um G8 und G9. Wir brauchen Ruhe in            streben wir eine 105-prozentige
und wie sollen sie evaluiert werden?                  den Gymnasien und keine zerstrittene Schulland-        Lehrer*innenversorgung an.“
   Klar ist, dass es Standards geben wird, um         schaft. Deshalb hat die Landesregierung eine
guten inklusiven Unterricht zu ermöglichen.                                                                   Daher werden wir im Bereich der Grundschule
                                                      Leitentscheidung für G9 getroffen. Schulen, die
Auch werden wir zusätzliche Ressourcen zur                                                                 die weitere Öffnung für den Seiteneinstieg im
                                                      bisher gute Erfahrungen gemacht haben, geben
Verfügung stellen müssen. Dies ist angesichts des                                                          Fach Englisch und – pädagogisch begleitet –
                                                      wir zugleich die unbürokratische Möglichkeit, bei
Mangels an Lehrkräften eine Herausforderung.                                                               die Einstellung von ausgebildeten Lehrkräften
                                                      G8 zu bleiben. Die Umstellung erfolgt mit dem
Wir hoffen, weitere Studienplätze bereitgestellt                                                           für die Sekundarstufen I und II ermöglichen.
                                                      Schuljahr 2019 / 2020 für die Jahrgangsstufen
zu bekommen. Daneben müssen wir aber auch                                                                  Weitere Maßnahmen wie eine zielgerichtete
                                                      fünf und sechs.
sonderpädagogisch qualifizieren. Um die Lehr-                                                              Werbekampagne für bestimmte Fächerkombi-
kräfte stärker zu unterstützen, werden wir ebenso                                                          nationen und Lehrämter werden folgen. Mit
                                                        „Die Schulen sollen ein durch-
andere Berufsgruppen in die Gestaltung des                                                                 der Werbekampagne wollen wir jedoch auch
Inklusionsprozesses einbeziehen. Es ist unser Ziel,
                                                         dachtes Konzept und klare                         deutlich machen, dass Lehrer*innen einen Beruf
dass multiprofessionelle Unterstützung verstärkt        Orientierung für die Rückkehr                      mit großer Verantwortung ausüben und dafür
auch tatsächlich in den Schulen ankommt.                   zu G9 erhalten, um den                          unsere Wertschätzung verdienen.
                                                       Umstellungsprozess bestmöglich                         Insbesondere in manchen Regionen bestehen
Es muss nicht nur verbindliche Qualitäts-
                                                                                                           sehr schwierige Besetzungssituationen. Hier be-
standards für die pädagogische Umsetzung                    gestalten zu können.“                          nötigen wir mehr Anreizsysteme und müssen die
der schulischen Inklusion geben, auch die
                                                                                                           Möglichkeiten des Sozialindexes erweitern, um
Lehrkräfte im Gemeinsamen Lernen benötigen               Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir uns
                                                                                                           auf diese Herausforderungen besser reagieren
verbindliche Leitlinien für ihre Arbeit. Diese        die Zeit für eine fundierte Vorbereitung nehmen,
                                                                                                           zu können. Die neue Landesregierung hat sich
Leitlinien sind in einem langen Prozess unter         dass ein sorgfältiges Gesetzgebungsverfahren
                                                                                                           insgesamt sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Die
Beteiligung von Hauptpersonalräten erarbei-           und ein umfassender Dialog mit den Beteiligten
                                                                                                           von der Vorgängerregierung zur Streichung
tet worden und werden von der GEW NRW                 erfolgt. Die Schulen sollen ein durchdachtes
                                                                                                           vorgesehenen Lehrer*innenstellen werden wir
mitgetragen. Was passiert nun mit diesen              Konzept und klare Orientierung erhalten, um
                                                                                                           nicht streichen. Mittelfristig streben wir eine
Leitlinien?                                           den Umstellungsprozess bestmöglich gestal-
                                                                                                           105-prozentige Lehrer*innenversorgung an.
   Nur gemeinsam mit den Lehrer*innen kann            ten zu können. Selbstverständlich wollen wir
                                                                                                           Und wir wollen die Schüler*innen-Lehrer*innen-
der Inklusionsprozess erfolgreich gestaltet wer-      die sich bietenden Chancen auch nutzen, um
                                                                                                           Relation verbessern und Klassengrößen schritt-
den. Und deshalb werde ich für berechtigte            gesellschaftliche Herausforderungen wie die
                                                                                                           weise reduzieren.
Anliegen selbstverständlich ein offenes Ohr           Digitalisierung verstärkt einzubinden. Eine solche
haben und den inhaltlichen Austausch suchen.          bessere Verankerung gilt natürlich nicht nur für     Dem Koalitionsvertrag entnehmen wir, dass
Das gilt für die bereits angesprochenen Aspekte       Gymnasien, sondern für alle Schulformen. Alle        mit Hilfe einer Software eine tagesscharfe
ebenso wie für weitere zentrale Fragen – etwa         Schulen sollen bestmögliche Rahmenbedin-             Messung des Unterrichtsausfalls erfolgen soll.
verbesserte Fortbildungen zur bestmöglichen           gungen erhalten. Und deshalb ist es für uns          Warum soll das gründlich erarbeitete Konzept
Unterstützung der Lehrkräfte. Und wir müssen          auch selbstverständlich, dass die Umstellung         der Bildungskonferenz bezüglich Definition
zum Beispiel – auch unabhängig von der Inklu-         auf G9 an Gymnasien mit zusätzlicher Unter-          und Messung des Unterrichtsausfalls nur im
sion – prüfen, wie wir die Lehrkräfte von büro-       stützung einhergeht, aber nicht zulasten anderer     Schuljahr 2017 / 2018 eingesetzt werden?
kratischen Aufgaben wie etwa überbordenden            Schulformen erfolgt.                                    Das „Rollierende Verfahren“ bedeutet gegen-
Dokumentationspflichten entlasten können.                                                                  über früheren Stichprobenerhebungen bereits
                                                      Der Lehrkräftemangel in NRW ist eklatant:
                                                                                                           eine deutliche Verbesserung. Wir benötigen aber
                                                      Nicht nur an Grundschulen laufen ausge-
 „Wir müssen prüfen, wie wir die                                                                           ein Verfahren, das den Unterrichtsausfall flä-
                                                      schriebene Stellen aufgrund fehlender Bewer-
                                                                                                           chendeckend und schulscharf erfasst und zudem
  Lehrkräfte von bürokratischen                       ber*innen leer. Welche Maßnahmen möchten             zusätzliches Planungs- und Steuerungswissen
    Aufgaben wie etwa über-                           Sie ergreifen, um den Lehrkräftemangel und           schafft. Transparenz ist wichtig, aber natürlich
   bordenden Dokumentations-                          die regionale sehr unterschiedliche Versorgung       wollen wir insbesondere mehr Kenntnisse zur
                                                      der Schulen kurzfristig zu beheben?
   pflichten entlasten können.“                                                                            schnelleren Unterstützung der Schulen erhalten.
                                                         Im Bereich der Lehrer*innenversorgung ist         Dabei wird selbstverständlich darauf zu achten
Die Diskussion um die Schulzeitverkürzung             die Situation, die ich bei Amtsantritt vorgefun-     sein, dass die Erhebungen mit vertretbarem
war eines der zentralen Bildungsthemen im             den habe, in der Tat besorgniserregend. Das          Aufwand für Schule und Schulaufsicht durch-
Landtagswahlkampf. Künftig sollen Gymna-              betrifft viele Schulen, gegenwärtig besonders        führbar sind. //
sien selbst entscheiden, ob sie bei G8 bleiben        stark Grundschulen.                                     Die Fragen für die nds stellte Frauke Rütter.
Dringend gesucht: Lehrkräfte in NRW - nds-zeitschrift.de
10 BILDUNG

Erstes Pressegespräch der neuen NRW-Ministerin für Schule und Bildung

Hohe Erwartungen

                                                                                                                                                         Illustration: matsabe / shutterstock.com
Die Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt am 25. August 2017,
zu der Schulministerin Yvonne Gebauer eingeladen hatte, setzte
zunächst räumlich das Signal für Veränderung: Sie fand nicht wie
in den vergangenen Jahren im Landtag statt, sondern im Düssel-
dorfer Zentrum für schulpraktische Lehrer*innenausbildung.
Also ganz nah dran an der Praxis in Schule und Lehrer*innen-
ausbildung?

Inklusion: Vorgestellte Maßnahmen                 Zunächst plant die Schulministerin eine digitale   gab damit der GEW NRW recht. „Um Unter-
greifen zu kurz                                   Landkarte, die alle nordrhein-westfälischen        richtsausfall zu reduzieren, braucht man zehn
   Bei der Umsetzung der Inklusion muss es        Schulen erfasst, in denen Gemeinsames Lernen       bis 15 Prozent mehr Lehrkräfte.“
nach Auffassung der neuen Schulministerin         stattfindet. Erhoben werden soll dabei auch, mit
                                                                                                     Bildungsgerechtigkeit: Ehrgeizige
ein Umsteuern geben – so weit, so richtig. Die    welchen personellen Ressourcen vor Ort jeweils
                                                                                                     Zielsetzungen jetzt anpacken!
GEW NRW hat immer problematisiert, dass es        gearbeitet wird. Da aber der Rechtsanspruch
                                                                                                        Auch wenn nur zwei Monate zwischen der
nicht nur auf die Quote der Kinder mit sonder-    bestehen bleibt, der Kindern mit Förderbedarf
                                                                                                     Bildung des Kabinetts und dieser Pressekon-
pädagogischem Förderbedarf in Regelschulen        den Besuch einer Regelschule ermöglicht, und
                                                                                                     ferenz lagen, war es enttäuschend, dass das
ankommen kann, sondern dass die Qualität          die Eltern in jedem Fall den Förderort wählen
                                                                                                     zentrale Problem unseres Bildungssystems – die
der Förderung im Mittelpunkt stehen und die       dürfen, wird selbst ein gezielterer Ressourcen-
                                                                                                     Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozi-
Arbeitssituation der Beschäftigten deutlich       einsatz in Schwerpunktschulen oder die Ein-
                                                                                                     alen Herkunft – überhaupt nicht angesprochen
verbessert werden muss. Die von der Ministerin    richtung von Fördergruppen an Regelschulen
                                                                                                     wurde. Kein Wort zum im Koalitionsvertrag
vorgestellten Maßnahmen greifen jedoch aus        die hohe Belastung und Überforderung der
                                                                                                     formulierten Ziel: „Wir wollen den Aufstieg durch
Sicht der Bildungsgewerkschaft zu kurz.           Lehrkräfte nicht auffangen können.
                                                                                                     Bildung möglich machen. Christdemokraten und
   Förderschulstandorte sollen erhalten blei-
                                                  Schulzeitverkürzung und Unterrichts-               Freie Demokraten eint die Überzeugung, dass
ben, die personelle Ausstattung aber weiterhin
                                                  versorgung: Halbherzige Lösungen                   alle Kinder, unabhängig von der Herkunft der
nach geltender Zahl der Schüler*innen je Stelle
                                                     Wie schon im Koalitionsvertrag dargestellt,     Eltern, bestmöglich und individuell gefördert
erfolgen. Zur Transparenz wird immerhin beitra-
                                                  wird es im Schulgesetz eine Leitentscheidung       werden müssen, damit jeder einen erfolgreichen
gen, dass die Förderschulen eigene Stellen aus
                                                  für das neunjährige Gymnasium geben. Ausnah-       Lebensweg einschlagen und sich seine Wünsche
dem Stellenbudget in ihr Schulkapitel erhalten.
                                                  men sollen ermöglicht werden. Die GEW NRW          und Träume erfüllen kann. Deshalb setzen wir
Leider soll zugleich an der „Mischrelation“ für
                                                  bedauert, dass es keine klare Entscheidung für     uns das Ziel, beste Bedingungen für die Bildung
die Förderbedarfe Lernen, Sprache, Emotionale
                                                  alle Gymnasien in NRW gibt, zumal nur auf          unserer Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-
und soziale Entwicklung ohne Verbesserung
                                                  diese Weise eine zerstrittene Schullandschaft      Westfalen zu schaffen.“ Ein großes und wichtiges
festgehalten werden. Die Grundschulen sollen
                                                  verhindert werden kann. Die Änderung des Schul-    Ziel, das sich nur erreichen lässt, wenn Schulen
ebenfalls ein eigenes Stellenbudget bekommen
                                                  gesetzes soll bis zum Ende dieses Schuljahres      in herausfordernden Lagen, die mehr als andere
und sonderpädagogische Fachkräfte für die
                                                  erfolgen und gut vorbereitet zum 1. August         die Aufgaben der Inklusion und Integration
Schuleingangsphase. In der Sekundarstufe I
                                                                                                     bewältigen müssen, besondere Unterstützung
soll das Stellenbudget durch „pädagogisch         2019 in Kraft treten.
                                                                                                     erfahren. //
affines Personal“ ergänzt werden. Staatssekre-       Dramatisch waren die Angaben zur Unter-
tär Mathias Richter hat sich im Rahmen der        richtsversorgung: Zwar war auch in der Ver-
GEW-aktiv-Tagung am 8. September 2017 in          gangenheit zu Schuljahresbeginn nicht jede
Gelsenkirchen klar dazu bekannt, dass diese       ausgeschriebene Stelle besetzt, doch zum Start     www.     GEW NRW: Start ins neue Schuljahr. Keine
                                                  des Schuljahres 2017 / 2018 waren nur 53                    gute Bildung ohne bessere Bezahlung und
Stellen nicht gedeckelt werden, sondern dem
                                                                                                              gute Arbeitsbedingungen
Bedarf entsprechen sollen. Das wäre ein guter     Prozent der Stellenausschreibungen erfolgreich.             www.tinyurl.com/gew-nrw-neues-schuljahr
Schritt und müsste im Haushalt für 2018 er-       2.139 Stellen, vor allem an Grund- und För-
kennbar werden.                                   derschulen, bleiben damit unbesetzt. Die von
   Im Pressegespräch deutete Yvonne Gebau-        Yvonne Gebauer skizzierten Maßnahmen zur                         Dorothea Schäfer
er vorsichtig eine Doppelzählung oder eine        Bekämpfung des Lehrkräftemangels und des                         Vorsitzende der GEW NRW
eigene Zahl der Schüler*innen je Stelle für       Unterrichtsausfalls können allenfalls als Trop-
das Gemeinsame Lernen an. Die Entscheidung        fen auf den heißen Stein durchgehen. „Größer
darüber solle aber erst 2018 oder 2019 fallen.    denken!“, forderte Leo Flamm vom WDR und
nds 9-2017 11

                                            Kontroverse um „Lesen durch Schreiben“

                                            Mehr Welle als Wasser im Glas
                                            Die öffentliche Debatte über eine Unterrichtsmethode im Deutschunterricht lenkt                             gierung vorverlegte Einschulungsalter haben
                                            von den vielfältigen Herausforderungen ab, vor denen Grundschulen stehen                                    der Förderung der Kinder eher geschadet als
                                            und für die sie dringend Unterstützung brauchen. Der Wunsch nach einfachen                                  genutzt. Sind basale Fähigkeiten wie Körper-
                                            Lösungen darf nicht den Blick auf die komplexen Ursachen verstellen.                                        wahrnehmung, Feinmotorik oder Lautanalyse
                                                                                                                                                        noch nicht hinreichend entwickelt, so ist eine
                                               Medienberichten zufolge will Schulministerin        Fähigkeiten wie visuelle und auditive Differen-      Förderung dieser Fähigkeiten vorrangig. Dafür
                                            Yvonne Gebauer prüfen, wie Grundschulen                zierung fehlen. Andere leiden unter generellen       braucht es sozialpädagogische Fachkräfte an
                                            Rechtschreibung vermitteln, um anschließend            Aufmerksamkeitsstörungen, verzögerter Sprach-        jeder Grundschule. Was Grundschulen aktuell
                                            zu entscheiden, ob das „Schreiben nach Gehör“          entwicklung, motorischen Auffälligkeiten. Die        am dringendsten brauchen, ist Ruhe, um den
                                            verboten werden soll. Dies scheint Teil einer          Lernbedingungen unterscheiden sich von Ort zu        vielen Herausforderungen gerecht werden zu
                                            bundesweiten Kampagne zu sein, die weder die           Ort, von Klasse zu Klasse. Auch der Einfluss der     können, die sich insbesondere aus der Vielfalt
                                            gültigen Lehrpläne, die einschlägigen wissen-          häuslichen Situation der Kinder ist bedeutend:       der Kinder und ihrer veränderten Lebenswelt
                                            schaftlichen Publikationen, die Veränderungen in       Lesen die Eltern ihren Kindern vor? Wie ausge-       ergeben.
                                            der Lebenswelt der Kinder noch die Erfahrungen         prägt ist die Nutzung elektronischer Medien?            Wenn Ministerin Yvonne Gebauer die Lern-
                                            in den Schulen zur Kenntnis nimmt.                                                                          chancen von Kindern ernsthaft verbessern will,
                                                                                                   Grundschulen brauchen Unterstützung
                                                                                                                                                        sollte sie die Bedingungen an den Grundschulen
                                            Pädagogische Maßnahmen wirken                          statt Methodenverbote
                                                                                                                                                        verbessern und wirksame Maßnahmen gegen
                                            konzept- und kontextabhängig                               Wer verfolgt, wie sich Texte von Schüler*innen
                                                                                                                                                        den Lehrkräftemangel ergreifen. Das Verbot
                                               Es fehlt ein wissenschaftlicher Beleg dafür, dass   entwickeln, wird feststellen, dass sie keinesfalls
                                                                                                                                                        einzelner Lehrmethoden hilft nicht weiter. //
                                            Jürgen Reichens in den 1970er Jahren ent-              beim viel zitierten „Kauderwelsch“ stehen bleiben.
                                            wickelte Leselernmethode, die im Übrigen               An den Grundschulen wird freies Schreiben viel-
                                            „Lesen durch Schreiben“ heißt, zu mehr Recht-          mehr durch einen systematischen Rechtschreib-
                                            schreibschwierigkeiten führt als andere Me-            unterricht ergänzt. Auch der Lehrplan Deutsch        www.    Frank Vollmer: NRW gegen „Schreiben
                                            thoden. Schon 2008 hat unter anderem der               ist in der Kompetenzerwartung in Bezug auf                   nach Hören“ (Rheinische Post vom
                                            Bildungsforscher, Grundschulpädagoge und               die Rechtschreibung nicht beliebig, sondern                  26.07.2017)
                                                                                                                                                                www.tinyurl.com/rp-schreiben-nach-hoeren
                                            Schriftsprachdidaktiker Hans Brügelmann                sehr eindeutig.
                                            festgestellt, dass die Wirkung pädagogischer               Grundschullehrkräfte reagieren mit einer         www.    Markus Dichmann: „Schreibenlernen kann
                                                                                                                                                                nicht funktionieren wie Sprechenlernen“ –
                                            Maßnahmen generell konzept- und kontextab-             großen Methodenvielfalt auf die unterschied-                 Interview mit Hans Brügelmann und
                                            hängig ist. Je nachdem, wie ein*e Lehrer*in die        lichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder,               Wolfgang Steinig (Deutschlandfunk vom
                                            Methode einsetzt, und je nach den Bedingungen,         die mit sehr großen Entwicklungsunterschieden                02.08.2017)
                                            unter denen die Lehrkraft arbeitet, kommt es           eingeschult werden. Etliche Kinder kommen                    www.tinyurl.com/dlf-bruegelmann-steinig

                                            also zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wer der         bereits mit Lese- und Schreibfähigkeiten in die              Hans Brügelmann, Erika Brinkmann:
                                                                                                                                                        PDF     Freies Schreiben im Anfangsunterricht?
                                            Öffentlichkeit suggeriert, dass durch das Verbot       Schule oder brauchen nur noch einen winzigen                 Eine kritische Übersicht über Befunde der
                                            einer einzigen Methode die Rechtschreibleistung        Impuls. Nicht nur diesen Kindern eröffnet die                Forschung
                                            ganzer Kindergenerationen verbessert werden            Anlauttabelle – eine bebilderte Buchstaben-                  www.tinyurl.com/bruegelmann-brinkmann
                                            könne, offenbart sein Nichtwissen über die             tabelle – gute Möglichkeiten.
                                            Arbeit der Grundschulen.                                   Die Entwicklung der Rechtschreibkompetenz
                                               Grundschullehrer*innen beobachten ihre              ist zudem ein Prozess, der in der Grundschule                      Susanne Huppke
                                            Schüler*innen genau und analysieren die viel-          zwar beginnt, aber in allen Schulstufen syste-                     Mitglied im Leitungsteam der Fach-
                                                                                                                                                                      gruppe Grundschule der GEW NRW
                                            fältigen Ursachen für deren Schwierigkeiten            matisch fortgesetzt werden muss.
                                            beim Lesen und Rechtschreiben. Manche Kin-                 Die Schließung der Schulkindergärten und
                                            der werden eingeschult, obwohl ihnen basale            das durch die letzte schwarz-gelbe Landesre-
Fotos: suze, Marion Vaorin / photocase.de

                                                                                                                                Bildquelle?
12 BILDUNG

Kooperativen Unterricht mit Medien gestalten

Plakat statt Medienfeuerwerk
Der Inhalt einer Unterrichtseinheit, festgehalten auf DIN A2 – gut gestaltete Plakate
sind komplexe Reduktionsvorgänge und setzen voraus, dass die Schüler*innen
sich intensiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzen. Gleichzeitig unter-
stützen Plakate die Vermittlung von Inhalten vor größeren Gruppen besser als
manch ambitioniertes Medienfeuerwerk. Doch was macht ein Plakat zu einem
guten Plakat?

    Im Unterricht hat ein Plakat ab Größe DIN        Die Schrift
A2 bis hin zu großflächigen Wandgestaltungen            Schönschrift ist nicht nötig, sondern große,
meist die Aufgabe, Inhalte komprimiert einer         deutliche Buchstaben, die einzeln klar erkennbar
größeren Menschenmenge auf Distanz zu ver-           sind. Normschriften oder Plakatschriften, wie
mitteln. Es ist ein sehr komplexes Medium und        sie beispielsweise im Einzelhandel gebraucht
seine Erstellung eine anspruchsvolle Aufga-          werden, sind ideal, aber ein großer Aufwand
be für Schüler*innen. Ein gutes Beispiel vor         für Lernende. Einfacher ist es in Druckschrift
Beginn ihrer eigenen Arbeit hilft ihnen, sich        zu schreiben, bei der jeder Buchstabe mög-
zu orientieren, ein schlechtes Beispiel führt        lichst gerade oder leicht rechtsfallend deutlich
ihnen Konsequenzen vor Augen und kann so
                                                     ausgeformt wird. Ein weiterer entscheidender
Lernerfolge vorbereiten. Plakate scheitern in der
                                                     Faktor ist die Größe der Buchstaben: Ab ei-
Regel weniger am Inhalt, sondern häufig an der
                                                     ner Zeichenhöhe von vier Zentimetern kann
Gestaltung. Deswegen ist einer der ersten Schrit-
                                                     von einer plakattauglichen Schrift gesprochen           Einzelne Zeilen und Abschnitte brauchen
te auf dem Weg zu qualitativ guten Plakaten,
                                                     werden. Die Schrift darf gern größer sein oder       ausreichend Raum. Dieser bewirkt eine bessere
den Lernenden die Gestaltungsgrundlagen zu
                                                     größer werden, aber nicht kleiner und auch           Lesbarkeit, weil die Abschnitte besser erfasst
vermitteln. Sinnvoll ist es, die gestalterischen
                                                     nicht kleiner werdend. Sie sollte immer aus          werden und Betrachter*innen nicht in andere
Grundlagen an einfachen Themenstellungen
                                                     drei Metern Abstand lesbar bleiben. Werden           Zeilen hinuntergleiten oder hinaufrutschen.
ohne hohen Bewertungsdruck einzuüben. Ist
                                                     verschiedene Schriftgrößen benutzt, sollte die       Damit dies gelingen kann, dürfen die Texte und
der Lerninhalt so vorentlastet, kann sich die
                                                     gleiche Schriftgröße für gleich wichtige oder        die einzelnen Sätze nicht zu lang sein. Aufzäh-
Lerngruppe auf den Entwicklungsprozess und
                                                     gleichartige Aussagen genutzt werden.                lungen, Nummerierungen und ein linksbündiger
eine neue Fachlichkeit einlassen.
                                                        Die Zeilenabstände sollten zwei Zentimeter        Beginn der Zeilen unterstützen die Orientierung.
Der Kontrast                                         nicht unterschreiten und gleich bleiben. Dabei          Hochformatige Plakate haben Vorteile: Die
   Schrift, Aufbau und Visualisierungen müssen       helfen feine, selbstgezogene Linien oder Papier-     Zeilen sind kürzer und damit besser zu lesen.
auf Distanz erkennbar sein. Die Schrift muss         streifen aus DIN-A3- oder DIN-A4-Papier, die         Es passen mehr Zeilen untereinander. Zudem
deshalb immer in Schwarz oder Dunkelblau auf         erst beschriftet und dann aufgeklebt werden.         passen mehr Plakate in Augenhöhe auf eine
möglichst hellem Papier gehalten werden; andere      Die zweite, aufwändigere Methode ermöglicht          Wandfläche. Der Nachteil: Bild und Text passen
Farben sind auf Entfernung aufgrund des schlech-     neben methodischen Einsatzvarianten auch             nicht immer nebeneinander auf ein Plakat.
teren Kontrasts nicht mehr gut lesbar. Wichtige      die problemlosere Korrektur des Layouts oder            Icons und Emoticons helfen den Betrach-
Worte, maximal Halbsätze sollten besonders           der Inhalte.                                         ter*innen, indem sie Funktionen und Aufgaben
ausgezeichnet sein, durch Unterstreichung,                                                                anschaulich machen: Die Brille steht für genaues
                                                     Das Layout
Umkästelung oder eine abstechende hellere                                                                 Lesen, das Werkzeug für Ausprobieren, die Lupe
Farbe. Gut lesbare Plakate gelingen auch auf            Jedes Plakat hat eine festgelegte Gliederung:     kennzeichnet eine Zoomansicht, das Ausrufezei-
Tapetenresten, Makulaturpapier oder Ähnlichem.       Überschrift, Hauptteil, Visualisierungen und die     chen Wesentliches und das Fragezeichen weist
Bunte Tonpapiere sind nur dann geeignet, wenn        Namen der Lernenden. Die Überschrift ist größer      auf zu Klärendes hin. Lehrende und Lernende
die Farbe sehr hell ist. Bei dunklem Papier muss     und deutlich erkennbar. Das Datum rechts oben        können sich auf ein eigenes Zeichenrepertoire
der Kontrast zwischen Untergrund und Schrift         in der Ecke hilft, das Plakat zeitlich zuzuordnen.   einigen, um festgelegte Inhalte kurz und ein-
ebenfalls sehr stark sein. Dafür sind ausreichend    Auch eine Kopfzeile kann eingefügt werden, um        prägsam mit darzustellen. Abkürzungen sollten
breite, deckend weiße Stifte nötig, die aber meist   Plakate Klassen, Gruppen, Themen oder Daten          allgemein bekannt sein.
teuer und lackbasiert sind. Flüssige Kreidestifte    zuzuordnen. Die Namen der Lernenden, die das
sind eine Alternative, benötigen jedoch wenig        Plakat erarbeitet haben, und gegebenenfalls          Die Visualisierung
saugfähiges Papier, sonst erscheint die Farbe        ein Verfallsdatum, an dem dieses Plakat ab-             Visualisierungen sollten auf Entfernung er-
blass und eine Lesbarkeit auf Distanz wird nicht     genommen wird, gehören in die Fußzeile. Die          kennbar bleiben. Eine detailreiche Fotografie
erreicht. Dicke, schwarze Filzstifte auf hellem      Zusammenhänge von Inhalten oder Textteilen           in Farbe ist dabei, auch wenn sie teuer auf
Papier sind folglich die erste Wahl.                 sollten sofort erfassbar sein.                       DIN- A4-Format ausgedruckt wird, nicht immer
nds 9-2017 13

hilfreich. Eine schwarz-weiße Schnittdarstellung     Arbeitsformen und Plakatentwürfen ist, desto        hohe soziale Kompetenz von den Lernenden
oder Schemazeichnung, die auf das Wesentliche        stärker sollte auf die Kompetenzen der Einzelnen    erfordern, werden in der Regel neue fachliche
reduziert ist, ist möglicherweise besser. Sie kann   geachtet werden, um ein gutes Ergebnis zu errei-    Inhalte erarbeitet. Die Lernenden sollten deshalb
Lerngruppen adäquat erklärt und von einem            chen. In erfahrenen Arbeitsgruppen ist es eher      mit bedachter Planung, spannenden Arbeitsauf-
realen Objekt oder einem Film medial begleitet       möglich und sinnvoll, fehlende Kompetenzen          gaben und guten Materialien unterstützt werden.
werden. Die Anforderungen an Farben, Kon-            in den Blick zu nehmen und auszubauen. Der          Ganz nach dem Motto: Think big, start small. //
trast und Erkennbarkeit der Einzelteile ändern       Lehrkraft obliegt die schwierige Diagnose: Auf
sich nicht, Flächen hingegen können jegliche         welchem Stand ist meine Lerngruppe? Was ist                       Marayle Küpper
Farbigkeit haben. Es ist unterstützend, den          mein unterrichtlicher Schwerpunkt? Welche                         Lehrerin für Gestaltungstechnik
Lernenden die Schraffurtechnik zu zeigen. Sie        Kompetenzen haben die Einzelnen? Wie lassen                       und Deutsch, Fachleiterin Gestal-
hat den Vorteil, dass sie ordentlicher aussieht,     sich die Gruppen so zusammenstellen, dass mög-                    tungstechnik am ZfsL Düsseldorf,
                                                                                                                       Moderatorin für Kooperatives Lernen
auch wenn sie zügiger ausgeführt ist.                lichst alle nutzbare Plakate entwickeln können?
                                                                                                                       am Green-Institut Rhein-Ruhr
Der Zweck                                            Groß denken, klein anfangen                                       Dr. Petra Regina Moog
   Zweck und Gestaltung eines Plakates bedin-           Ein komplexes, selbsterstelltes Medium wie                     Leitung der SOPHIA::Akademie Düs-
                                                                                                                       seldorf, Schulentwicklungsbegleiterin
gen einander. Die meisten Plakate haben die          das Plakat ist eine hohe gestalterische und fach-
                                                                                                                       und Schulbauberaterin, Dozentin
Funktion Inhalte zu transportieren. Grundsätzlich    liche Arbeitsleistung. Eingebettet in komplexe                    für Begabungsförderung am CCB
muss der Inhalt visuell oder schriftlich darge-      soziale Prozesse der Gruppenarbeit, die eine                      Düsseldorf
stellt werden können. Da das Plakat immer ein
Medium ist, das auf Reduktion angewiesen ist,
muss der Inhalt reduzierbar und dem Lernstand
der Lernenden entsprechend vermittelbar sein.
Komplexe Vorgänge, Entwicklungen, theoretische
Gedankengänge lassen sich vielleicht mit Hilfe
anderer Medien (Video, Fotografie, Power-Point,                                                          CHECKBOX

                                                                                                                                                               Illustrationen: PureSolution / shutterstock.com, designed by Freepik, Mock-up: bluemonkeylab.com
Text) von Lernenden besser darstellen, wenn das
Medium für sich allein sprechen soll.
   Manche Plakate stehen für sich allein und
werden – zum Beispiel als Wandzeitung – nicht                                         EIN   GUTES   PLAKAT...
kommentiert. Sie brauchen mehr Text und die                                               hat eine feste Struktur.
Beziehung der Aussagen muss durch eine kom-
                                                                                          hat Überschrift, Datum und Unterschrift.
plexere Grammatik eindeutig festgelegt sein.
Wird das Plakat entwickelt, um eine Präsentation                                          berücksichtigt das Prinzip „feste Plätze
zu unterstützen, kommt es in der Regel mit                                                für feste Angaben“.
weniger Text aus und die mediale Reduktion                                                lässt die Informationshierarchie vom
wird genutzt, um dem Vortragenden und den                                                 Allgemeinen zum Speziellen erkennen.
Zuhörer*innen eine gemeinsame, visuelle Re-
                                                                                          wird nur in Ausnahmefällen quer gestaltet.
ferenz bereitzustellen.
                                                                                          hat viel Weißraum.
Didaktische Überlegungen
   Vor dem Einsatz von Plakaten im Unterricht                                             kann von jeder Seite aus gelesen werden.
ist unter anderem zu klären: Wie kann das                                                 ist in Druckschrift geschrieben.
Plakat die fachliche Kompetenzentwicklung
                                                                                          ist aus drei Metern Entfernung lesbar.
unterstützen? Wie kommen die Schüler*innen
und die Lehrkraft gemeinsam zu einem fachlich                                             nutzt Farben zur Auszeichnung.
und gestalterisch aussagekräftigen Medium?                                                hat keine oder nur kurze Sätze.
Was macht die Lerngruppe während und nach
der Präsentation mit dem Plakat?                                                          nutzt Grafiken, Abbildungen, Zeichnungen.
   Kooperative Arbeitsformen wie die Aufga-                                               verfügt über hohe Farbkontraste.
benverteilung nach Numbered Heads splitten
                                                                                          hat eine eindeutige Aussage.
die Zuständigkeiten in verschiedene Rollen
auf, um die Kompetenzen der einzelnen Ler-                                                unterstützt eine Präsentation
nenden zu nutzen: Schreiber*innen brauchen                                                oder ist selbsterklärend.
eine gut lesbare Schrift, Korrektor*innen eine
sichere Rechtschreibung, Zeichner*innen sollten
ein Händchen für gute Darstellung haben. Je
unerfahrener die Lerngruppe in kooperativen
14 BILDUNG

Digitalisierung

Neue Herausforderungen
für Schulen und Schulaufsicht

                                                                                                                                                                        Foto: Marie Maerz / photocase.de
Die Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche stellt Schulen und Schul-
systeme derzeit vor große Herausforderungen. Studien weisen für Deutschland
seit Jahren sowohl in Bezug auf die schulische Nutzung digitaler Medien als
auch hinsichtlich einer modernen schulischen IT-Ausstattung auf deutliche
Entwicklungsbedarfe hin. Dabei sind die Situationen in den Schulen höchst
unterschiedlich.

   Umfangreiche empirische Befunde über den               durch Lehrpersonen bildet Deutschland sogar             Medien in schulübergreifenden Konzepten,
Stand der Integration digitaler Medien und                das Schlusslicht des internationalen Vergleichs.        in Curricula und in der Lehrer*innenbildung.
den Kompetenzstand von Schüler*innen in                      Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen,          Die Einzelschulen sind ebenfalls in der Verant-
Deutschland stellte erstmals die international            so weisen unter anderem die Befunde des Länder-         wortung, Schulentwicklungsprozesse auf den
vergleichende Schulleistungsstudie Internatio-            indikators „Schule digital“ auf einen Anstieg der       Weg zu bringen und sind somit der Motor aller
nal Computer and Information Literacy Study               schulischen Nutzungshäufigkeit digitaler Medien         Veränderungen. Daher gilt es, die Schulen in
2013 (ICILS) vor. In der Studie zeigte sich, dass         hin. Es zeigen sich jedoch teilweise erhebliche         ihren Entwicklungen zu unterstützen.
Achtklässler*innen hierzulande hinsichtlich               Unterschiede zwischen den Bundesländern.                   Ohne geeignete Rahmenbedingungen werden
ihrer computer- und informationsbezogenen                 Zudem wird deutlich, dass Lehrpersonen zuneh-           die gewünschten Prozesse aber nicht nachhal-
Kompetenzen im internationalen Vergleich                  mend die Potenziale digitaler Medien zur Unter-         tig sein. Nach wie vor stellen die technische
eher mittelmäßig abschneiden. So erreichten               stützung von Lernprozessen und zur Verbesserung         Infrastruktur und der IT-Support viele Schulen
                                                                                                                  vor besondere Herausforderungen. Trotz der
etwa 30 Prozent der Jugendlichen lediglich                von Lernergebnissen positiv einschätzen.
                                                                                                                  Diskussionen um technische Aspekte dürfen
unterste Kompetenzstufen. Diese Schüler*innen                Die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre wird
                                                                                                                  die übergeordneten Leitgedanken im Zuge der
verfügten nur über sehr basale Fertigkeiten im            es für Schulen und die Schulaufsicht sein, hier
                                                                                                                  Digitalisierung des Bildungsbereichs jedoch auch
Umgang mit neuen Technologien und digitalen               anzuknüpfen und die schulischen Rahmenbe-
                                                                                                                  zukünftig nicht außer Acht gelassen werden.
Informationen. Sie konnten allenfalls einen               dingungen so zu gestalten, dass das Lernen mit
                                                                                                                  Pädagogik vor Technik, Qualität vor Aktionismus.
Link anklicken oder mit Hilfestellung einfache            digitalen Medien tatsächlich einen Mehrwert für
                                                                                                                  Inwieweit dies schon gelingt und an welchen
Veränderungen an Dokumenten vornehmen.                    Lernprozesse und Lernergebnisse bietet, von dem
                                                                                                                  Stellen zukünftig Herausforderungen bestehen,
Zudem ließen sich in Deutschland deutliche                alle Kinder und Jugendlichen profitieren. Wich-         wird unter anderem der nächste Zyklus der
Bildungsbenachteiligungen für Jugendliche aus             tige Anforderungen sind in diesem Zusammen-             Studie ICILS (ICILS 2018) aufzeigen können. //
unteren und mittleren sozialen Lagen sowie für            hang auf der Ebene der Schuladministration die
Jugendliche mit Migrationshintergrund feststel-           Festlegung von Zielsetzungen, die Verankerung
len. Hinsichtlich der Nutzung digitaler Medien            des kompetenzorientierten Lernens mit digitalen                 Birgit Eickelmann, Julia Gerick, Wilfried
                                                                                                                  PDF     Bos et al. (Hrsg.): ICILS 2013. Computer-
                                                                                                                          und informationsbezogene Kompetenzen
                                                                                                                          von Schülerinnen und Schülern in der
  Fachtagung der GEW NRW                                                                                                  8. Jahrgangsstufe im internationalen

  Schulaufsicht im Wandel                                                                                                 Vergleich
                                                                                                                          www.tinyurl.com/studie-icils-2013
  Die Fachgruppe Schulaufsicht der GEW NRW lädt           die Fortbildung und die Personalentwicklung sowie               Wilfried Bos, Ramona Lorenz, Manuela
  ein zur Fachtagung „Schulaufsicht im Wandel“.           Überlegungen zu einer Reform der Schulaufsicht          PDF     Endberg, Birgit Eickelmann, Rudolf
  Themen sind die Digitalisierung und die Reform          werden thematisiert. Eine der Expert*innen der Fach-            Kammerl, Stefan Welling (Hrsg.): Schule
  der Schulaufsicht.                                      tagung ist Prof. Dr. Birgit Eickelmann. Die Tagung              digital – der Länderindikator 2016. Kom-
                                                          soll einen Beitrag leisten, die Gelingensbedingungen            petenzen von Lehrpersonen der Sekundar-
  Die Situation der Schulaufsicht in NRW ist vielfältig
                                                          systemischer Schulaufsicht zu beschreiben sowie Chan-           stufe I im Umgang mit digitalen Medien
  geprägt durch ausgeweitete und nicht priorisierte
                                                          cen und Risiken einer inhaltlichen und strukturellen            im Bundesländervergleich
  Aufgabenzuweisungen, die mit mangelnder perso-
                                                                                                                          www.tinyurl.com/schule-digital-laender-2016
  neller Ausstattung einhergehen. Ihre Qualitäts- und     Weiterentwicklung zu erörtern.
  Professionsstandards scheinen ungeklärt. An vorberei-   Termin:     17.11.2017, 11.00–17.30 Uhr
  tender und tätigkeitsbegleitender Qualifizierung und                                                                          Prof. Dr. Birgit Eickelmann
                                                          Ort:        Hotel Mercure, Massenbergstraße 19–21,
  Fortbildung mangelt es. Die Fachgruppe Schulaufsicht                44787 Bochum                                              Professorin an der Universität
  der GEW NRW lädt daher interessierte Kolleg*innen                                                                             Paderborn, Lehrstuhl für Schul-
                                                          Kosten:     Die Teilnahme ist kostenlos.
  zu ihrer Fachtagung ein. Konsequenzen der Digitali-                                                                           pädagogik, unter anderem wissen-
  sierung der Bildung für die Arbeit der Schulaufsicht,   Infos und Anmeldung: www.gew-nrw.de                                   schaftliche Leitung der IEA-Studien
                                                                                                                                ICILS 2013 und ICILS 2018
Sie können auch lesen