URAN Atlas Daten und Fakten über den Rohstoff des Atomzeitalters - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
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IMPRESSUM Der URANATLAS ist ein Kooperationsprojekt Besonderer Dank und wird gemeinsam von Le Monde Dr. Becky Alexis-Martin, diplomatique, der Nuclear Free Future Almoustapha Alhacen, Dennis Baldin, Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung Oleg Bodrow, Dr. Stefan Cramer, sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Dr. Gordon Edwards, Nadezhda Kutepowa, Deutschland herausgegeben. Jeffrey Lee, Anthony Lyamunda, Prof. Dr. Andreas Nidecker, 1. Auflage: September 2019 Dr. Sebastian Pflugbeil, Dave Sweeney V.i.S.d.P. Projektleitung Claus Biegert, c.biegert@nuclear-free.com Dr. Horst Hamm, h.hamm@nuclear-free.com Druck Redaktionsleitung pva, Druck und Mediendienstleistungen Claus Biegert, Dr. Horst Hamm GmbH; Klimaneutral gedruckt auf 100 % Redaktion Recyclingpapier Thorben Becker, Andreas Bohne, Franza Drechsel, Günter Wippel Art-Direktion, Infografik und Herstellung Tanja Hoffmann Beiträge Thorben Becker, Claus Biegert, Dr. Horst Hamm, Günter Hermeyer, Gefördert durch Mittel des Manfred Kriener, Winona LaDuke, Bundesministeriums für wirtschaftliche Linda Pentz Gunter, Mia Pepper, Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mycle Schneider, Susi Snyder Für die Inhalte sind alleine die Herausgeber*innen verantwortlich; die Übersetzungen dargestellten Positionen müssen nicht Richard Freeman zwangsläufig den Standpunkt des Schlussredaktion Zuwendungsgebers widerspiegeln. Dominik Baur Kartenvorlagen Mike Berwanger, tausendblauwerk.de, Philippe Rivière, visionscarto.net Covermotive Yvonne Margarula, Älteste der Mirrar- Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos Bestelladresse Gundjeihmi vor der Ranger Mine in steht unter der Creative-Commons-Lizenz: Australien, Atomkraftwerk Temelín in Namensnennung – 4.0 international (CC BY Rosa-Luxemburg-Stiftung Tschechien, Atombombenversuch der USA 4.0). Die einzelnen Infografiken des Atlas Franz-Mehring-Platz 1 auf dem Bikini-Atoll am 25. Juli 1946 können für eigene Zwecke genutzt werden, D-10243 Berlin wenn der Urhebernachweis »Nuclear Free Bildnachweise Future Foundation/Hoffmann, CC BY 4.0« in Cover: Tanja Hoffmann, mit Fotos von Das PDF zum Download der Nähe der Grafik steht (bei Bearbei- Dominic O’Brien (links oben), tungen: »Nuclear Free Future Foundation/ finden Sie auf: dpa/Picture Alliance/CTK (rechts oben), Hoffmann (M), CC BY 4.0«). Der Text der Alex Staroseltsev/shutterstock.com (Mitte), Lizenz ist unter https://creativecommons.org/ www.rosalux.de/uranatlas mauritius-images/Masterfile/SuperStock www.nuclear-free.com/uranatlas licenses/by/4.0/legalcode abrufbar. (unten) Innenteil: stas 11/shutterstock.com (S. 3, 6, www.bund.net/uranatlas 37), Vladimir Melnik/shutterstock.com (S. 11), RIA Novosti archive, Artikel, Charts und Infografiken image #132609/RuslanKrivobok/CC-BY-SA 3.0 (S. 12), Sunshine Seeds/shutterstock.com werden regelmäßig aktualisiert (S. 14), Dominic O’Brien (S. 17), Dan Budnik und können auf (S. 18), Claus Biegert (S. 21), www.nuclear-free.com MircoStockHub/istockphoto.com (S. 23), heruntergeladen werden. Horst Hamm (S. 25), Pressmaster/shutterstock.com (S. 27), Archiv Nuclear Free Future Foundation (S. 28), Bundesarchiv, Bild 183-50115-0001/CC-BY-SA 3.0 (S. 31), dpa/Picture Alliance/CTKAP (S. 32), Fotokon/shutterstock.com (S. 34), U.S. Federal Government (S. 36), U.S. National Archives and Records Administration (S. 38), zentsev/shutterstock.com (S. 40), Pierre Gleizes/Greenpeace (S. 42), vchal/shutterstock.com (S. 45), Kinek00/shutterstock.com (S. 47), zentilia/istockphoto.com (S. 48)
INHALT DER WEG DES URANS 8 AUS DER ERDE IN DIE SACKGASSE Seit den 1930er Jahren wird Uran aus der Erde geholt. Radio- aktive Belastung und Strahlenmüll kennzeichnen seinen Weg GESUNDHEIT 10 DAS TÖDLICHE ERZ Bereits die Gewinnung von Uran kostet Menschenleben. Die gesundheitlichen Folgen des Uranbergbaus sind immens GESCHICHTE 12 KOLONIALES ERBE Bis in die 1970er Jahre war die Uranförderung vor allem militärisch begründet. Von Anfang an ging sie zu Lasten der lokalen Bevölkerung, besonders indigener Gesellschaften AFRIKA 14 LIEFERANT FÜR DEN REICHEN NORDEN Über Jahrzehnte war Südafrika der wichtigste Uranlieferant des Kontinents, heute sind es Namibia und Niger AUSTRALIEN 16 WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT Die ersten Völker des Kontinents verstanden sich als Hütende der Schätze aus dem Erdinneren. Gegen uranfördernde Bergbaufirmen haben ihre Nachfahr*innen selten eine Chance NORDAMERIKA 18 STRAHLENDE SCHILDKRÖTENINSEL Das Land der indigenen Völker war von Anbeginn im Fokus der Nuklearindustrie. Nur so wurden Kanada und die USA die historisch größten Uranproduzenten EUROPA 20 GLOBALER GROSSABNEHMER Anfang 2019 waren in der Europäischen Union noch 130 Atommeiler am Netz. Damit ist die EU der weltweit größte Uranverbraucher URANWIRTSCHAFT I 22 ERFOLGREICHER WIDERSTAND Der Preis für Uran ist seit Jahren im Keller und mit ihm die Uranwirtschaft. Gleichzeitig wehren sich immer mehr Gruppen gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen URANWIRTSCHAFT II 24 DAS WHO-IS-WHO DER PLAYER Die zehn größten Abbaukonzerne sind für 88,5 Prozent der Uranproduktion verantwortlich. Sie dominieren den Markt und die Ausbeutung von Indigenen IAEA UND EURATOM 26 EINE FRAGE DER MACHT Die WHO wird in Atomfragen von der IAEA bestimmt. Und der EURATOM-Vertrag verpflichtet alle EU-Mitglieder zur Förderung der Kernkraft SANIERUNG 28 OFFENE WUNDEN, SICH SELBST ÜBERLASSEN Die Gewinnung von Uran ist nie schonend. Zurück bleiben radioaktive und toxische Halden mit 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität 4
URAN Atlas DEUTSCHLAND I 30 DIE ALTLAST DER WISMUT Uranbergbau in Sachsen und Thüringen: Fast vergessen, mit Milliardenaufwand saniert, aber immer noch ein Problem DEUTSCHLAND II 32 ATOMAUSSTIEG MIT LÜCKEN Die Bundesrepublik hat das Ende der Atomkraft festgelegt. Die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen laufen jedoch weiter ATOMKATASTROPHEN 34 VON MAJAK ÜBER CHURCH ROCK BIS FUKUSHIMA Super-GAU und Dammbruch, Reaktorfeuer und Explosionen: Was nicht passieren darf, geschieht doch immer wieder ATOMWAFFEN 36 DAS NEUE WETTRÜSTEN Ein Atomkrieg kennt keinen Sieger. Dennoch erneuern Atommächte ihre Arsenale und setzen auf »kleine Nuklearwaffen« ATOMBOMBENTESTS 38 SEIT 1996 VERBOTEN Die erste Atombombe wurde am 16. Juli 1945 in Alamogardo in New Mexico gezündet. Es folgten 2057 weitere Tests, zuletzt durch Nordkorea 2017 URANWAFFEN 40 DU: KÜRZEL FÜR DEN KRIEG OHNE ENDE Projektile, die Panzer durchdringen, gehören heute zum Arsenal jeder Artillerie. Ihre Geschosse bestehen aus preiswertem Uran-238 ATOMMÜLLENTSORGUNG 42 ENDLAGER MEER Zwischen 1946 und 1993 haben vor allem Großbritannien und die Sowjetunion ihren Atommüll im Meer verklappt – bis 1975 sogar hochradioaktive Abfälle ENDLAGER 44 DER ORT, DEN ALLE SUCHEN Weltweit steht nur ein Endlager für hochradioaktive Abfälle kurz vor seiner Fertigstellung. Doch es gibt inzwischen 350000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll ENERGIEWIRTSCHAFT 46 PROGNOSE: AUSGESTRAHLT Seit Jahrzehnten wird die Renaissance der Atomenergie ausgerufen. Die Wirklichkeit: Milliardenverluste, Zeitverzögerungen und die Konkurrenz der Erneuerbaren KLIMAWANDEL 48 DIE LEGENDE VON DER KLIMAFREUNDLICHEN ENERGIE Die Atomlobby versucht Atomkraftwerke mit dem Argument des drohenden Klimawandels zu verkaufen. Es gibt jedoch bessere, billigere und ungefährliche Alternativen 2 Impressum 4 Inhalt 6 Mitarbeiter*innen und Autor*innen 7 Vorwort 50 Glossar 51 Die Partner 5
AUTOR*INNEN UND EXPERT*INNEN Europa Dr. Günter Baitsch (Lörrach, DE) Kardiologe, ehemaliges Vorstandsmitglied der IPPNW Schweiz, gründete 2010 die Arbeits- gruppe Uran Thorben Becker (Berlin, DE) Jurist, Leiter Atompolitik in der Bundesge- schäftsstelle des BUND Michael Beleites (Blankenstein, DE) Gärtner, Autor »Pechblende« (1988) Claus Biegert (München, DE) Umweltjournalist, Initiator des World Ura- nium Hearing, Mitgründer des Nuclear-Free Future Award Dr. Bruno Chareyron (Valence, FR) Nuklearphysiker, Gründer von CRIIRAD, zahlreiche Recherchen in Afrika; NFFAward Mycle Schneider (Paris, FR) Dr. Manuel Pino (Scottsdale, AZ/USA) Berater, Mitherausgeber des jährlichen Soziologe, Angehöriger der Tewa-Nation von 2016 World Nuclear Industry Status Report Acoma; promovierte über die »Auswirkun- Peter Diehl (Arnsdorf, DE) gen des Uranbergbaus auf die indianischen Betreiber der Internetplattform WISE Ura- Patrick Schukalla (Berlin, DE) Kulturen«; NFFAward 2008 Forscht am Leibniz-Zentrum Moderner nium Project. Bietet die umfassendste Über- sicht zur Urangewinnung Orient zu »Ressourcenpolitiken«; promoviert Paul Robinson (Albuquerque, NM/USA) über Uranabbau in Tansania Direktor am Southwest Research and Infor- Franza Drechsel (Berlin, DE) mation Center, Experte für die Sanierung Sozialwissenschaftlerin, Projektmanagerin Susi Snyder (Utrecht, NL) von Uranbergbau, setzt sich für die Entschä- Bei PAX Christi Leiterin der Projektgruppe im Afrika-Referat der Rosa-Luxemburg- digung von Diné-Bergleuten ein »No Nukes – Keine Atomwaffen« und Ini- Stiftung tiatorin der Kampagne »Don’t Bank on the Charmaine Whiteface (Rapid City, SD/USA) Sascha Hach (Berlin, DE) Bomb!«, Mitglied von ICAN Biologin, Aktivistin, Angehörige der Lakota- Friedensforscher, Politikwissenschaftler und Nation, Gründerin der Defenders of the Black ehemaliges Vorstandsmitglied von ICAN Günter Wippel (Freiburg, DE) Hills; NFFAward 2007 Organisierte die erste Rundreise des afri- Deutschland kanischen Widerstands gegen Uranabbau; Dr. Horst Hamm (München, DE) Gründer von uranium-network.org Afrika Umweltjournalist, Schwerpunkte Atomkraft, Erneuerbare Energien, Mitarbeiter Nuclear Bertchen Kohrs (Windhoek, NA) Nordamerika Umweltaktivistin und Gründerin von Earth Free Future Foundation Life Namibia Günter Hermeyer (Lüchow-Dannenberg, DE) Klee Benally (Flagstaff, AZ/USA) Anti-Atom-Aktivist bei der Bürgerinitiative Aktivist, Musiker, Filmemacher. Angehöri- Golden Misabiko (Lubumbashi, DRK) ger der Diné-Nation, Initiator »Clean Up The Anti-Uran-Aktivist und Präsident von Umweltschutz Lüchow-Dannenberg Mines!« ASADHO, deckte Korruption und Geheim- Marion Küpker (Hamburg, DE) absprachen der Regierung mit Areva auf und Friedensaktivistin und Koordinatorin der Prof. Dr. Doug Brugge (Boston, MA/USA) musste ins Exil fliehen; NFFAward 2014 Biologe und Mediziner an der Tufts Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen für die Abschaf- University of Medicine, ausführliche Unter- Dr. Ibrahima Thiam (Dakar, SN) suchungen bei Diné-Bergleuten Programmkoordinator für Natürliche Res- fung von Atomwaffen sourcen und Klimawandel im Auslandsbüro Manfred Kriener (Berlin, DE) Robert Del Tredici (Montreal, QU/CAN) der Rosa-Luxemburg-Stiftung Fotograf und Künstler, dokumentierte die Umweltjournalist, Mitgründer und Chefre- Folgen des Reaktorunfalls von Harrisburg; dakteur von ZO2, Mitgründer der taz gründete 1987 die Atomic Photographers Australien Dr. David Lowry (Stoneleigh, GB) Guild Mitglied von Nuclear Transparency Watch, Mia Pepper (West Perth, WA) NFFAward 2001 Winona LaDuke (White Earth Reservation, Umweltaktivistin des Conservation Council MN/USA). Aktivistin, Politikerin, Schriftstellerin, for Western Australia; Schwerpunkt Bergbau Prof. Dr. Manfred Mohr (Berlin, DE) Angehörige der Anishinabe-Nation, brachte auf indigenem Land Völkerrechtler an der Akademie der Wissen- das Thema Uranbergbau 1977 erstnals vor die schaften in Berlin, Mitgründer von ICBUW Vereinten Nationen in Genf Asien Dr. Alex Rosen (Berlin, DE) Leona Morgan (Albuquerque, NM/USA) Kinderarzt an der Charité, Vorsitzender von Shri Prakash (Ranchi, Jharkhand, IN) Anti-Atom-Aktivistin, Sozialarbeiterin, Dokumentarfilmer, Umwelt-Aktivist, der mit IPPNW Deutschland Angehörige der Diné-Nation seinen Filmen den Kampf indigener Gesell- Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake (Bremen, DE) Linda Pentz-Gunter (Tacoma Park, MD/USA) schaften in Bihar und Jharkand aufzeigt Physikerin an der Uni Bremen, Studien zu Umweltjournalistin, Mitgründerin von ionisierenden Strahlen in niederen Dosisberei- Beyond Nuclear, betreibt die Internetplattform chen; NFFAward 2003 Beyond Nuclear International 6
URAN Atlas VORWORT kommen und welche Verwüstung ihre Gewinnung bedeutet, wird unserem Blick entzogen. Was ist das für eine Zivilisation, in der wir die Wahrheit nicht erfahren dürfen? In unseren indi- genen Kulturen bringen wir den Kindern bei, dass wir Men- schen für die Folgen unseres Handelns verantwortlich sind. Doch Verantwortung können wir nur übernehmen, wenn wir die Folgen unseres Handelns kennen. Diese industrielle Gesell- schaft hat Angst vor der Wirklichkeit. Die klügsten Köpfe des nuklearen Establishments haben sich Jahrzehnte den Kopf zermartert über die Frage: Wohin mit dem Atommüll? Eine Lösung erschien ihnen in den USA sehr attraktiv: Bei Nacht und Nebel aufs Indianerreservat! Damit stehen wir Indigenen am Anfang und am Ende der Von Winona LaDuke nuklearen Kette. Jede Nation, die sich der Atomenergie ver- I schrieben hat, muss sich klar werden, dass sie sich mitschuldig n einem Schöpfungsmythos der Diné, einem indigenen macht. Uran bringt uns um. Volk im Südwesten der USA, ist die Rede von zwei Sorten Ich möchte noch eine andere Prophezeiung heranzie- gelben Staubs: Die gelben Pollen der Maispflanze werde hen, diesmal von meinem Volk, den Anishinabe, auch Ojibway ihr Leben sichern, so wurde den ersten Menschen eingeschärft, genannt. Sie spricht von einer Zeit, in der wir an einer Gabe- der andere gelbe Staub hingegen werde ihr Leben bedrohen. lung stehen werden und uns zwischen zwei Wegen entschei- Ihn, so wurden sie gewarnt, dürften sie nie aus der Erde holen. den müssen: Der eine Weg ist ausgetreten und versengt, der Ein großes Unglück würde sonst über sie kommen. andere kaum benutzt und grün. Wir stehen jetzt an dieser Das Unglück kam. Das Uran, das weltweit gehandelt wird, Stelle. Die Zukunft offenbart sich grün, auch für uns indigene trägt sogar einen Namen, der an diese Geschichte vom Beginn Völker. Um ihren Ausstoß an CO2 zu verringern, müssen die der Zeit erinnert. Er heißt Yellowcake – Gelber Kuchen. Über USA in den nächsten zehn Jahren saubere Kraftwerke mit dreitausend Diné, wie sich die Navajo selbst nennen, arbeite- einer Leistung von 185000 Megawatt installieren. Da können ten in den 1950er Jahren in den Urangruben, ohne spezielle wir unseren Teil dazu beitragen, denn wo wir wohnen, weht Arbeitskleidung und ohne jeglichen Strahlenschutz. Bedeckt häufig der Wind, und die Sonne scheint auch. Die Reservate mit radioaktivem Staub gingen sie nach Hause zu ihren Fami- bieten ein Potenzial von 200000 Megawatt. Wir Indigene lien – und verseuchten diese, ohne es zu wissen. Noch immer haben die Möglichkeit, im verschwenderischsten und zerstö- sterben die Menschen im Dinétah, dem Land der Navajo, die rerischsten Land der Welt eine Alternative aufzubauen. Doch Gefahr ist nicht gebannt, denn an die tausend verlassene wir müssen achtsam sein, denn die Atomindustrie will uns Minen belasten bis heute die Region. weismachen, dass sie eine Klimaretterin sei. Wir müssen uns Wenn wir als indigene Menschen von Turtle Island – alle zusammentun und den grünen Pfad betreten – nicht den wir nennen Nordamerika die Schildkröteninsel – gegen den versengten, ausgetretenen. Abbau von Uran Widerstand leisten, dann geschieht das Schul- Lasst uns auf dem grünen Pfad treffen. Lasst das Uran in ter an Schulter mit allen indigenen Völkern dieser Welt, die der Erde. denselben Kampf führen. Es geht dabei nicht nur um unser Überleben, sondern um das Überleben aller Lebewesen. Wir sind alle verwandt. Die industrielle Gesellschaft führt einen Krieg gegen die Erde. Wir betrachten uns als Kinder der Erde, Winona LaDuke, geboren 1959, Aktivistin, Autorin und daher ist dieser Krieg ein Krieg gegen uns. Angehörige der Anishinabe-Nation, lebt im Reservat White Die ersten Bewohner*innen Australiens sprechen eine Earth im Norden des US-Bundesstaates Minnesota. ähnliche Warnung aus: Wer den Schlaf der Regenbogen- 1977 sprach sie als Highschool-Absolventin vor der UNO schlange stört, entfesselt Kräfte des Unheils, die wir Menschen in Genf und offenbarte erstmals, dass das meiste Uran nicht bändigen können. Wenn wir die Uranadern aufreißen, Nordamerikas auf indigenem Land abgebaut wird. sagen die Aboriginals im Nordwesten des Kontinents, wecken wir die schlafende Schlange. Es braucht nicht viel Vernunft, um zu erkennen, dass der nukleare Weg ein Weg in den Abgrund ist. Uran ist auch nicht einfach da und wartet auf seine Ver- wertung. Dieses Bild verbreiten Medien und Schulbücher: Roh- stoffe würden nahezu darauf warten, die westliche Zivilisation und die Infrastruktur der modernen Welt aufrecht zu erhal- ten. Der Uranbergbau ist dabei nicht die einzige Bedrohung, die Gewinnung von Öl aus Teersand hinterlässt ebenfalls tote, unbewohnbare Landschaften. Doch woher die Ressourcen 7
DER WEG DES URANS Aus der Erde in die Sackgasse 1789 isoliert Heinrich Klaproth aus dem Mineral Pechblende ein neues Element. (CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project / SIPRI / IAEA / eigene Recherche Er nennt es Uran nach dem Planeten Uranus. Es ist ein instabiles, radioaktives Schwermetall und erhält die Ordnungszahl 92. Nachdem 1938 die Kernspaltung entdeckt wird, beginnt das Atomzeitalter. Uran wird Grundstoff für Atombomben und Atomstrom VERFAHREN DES ABBAUS Uran findet sich in verschiedenen Uranmineralien. Uranerz besteht aus diesen Mineralien und dem Begleitgestein. Um es zu gewinnen, muss je nach Lagerstätte unterschiedlich viel Mate- rial entfernt werden: der Abraum. Die Urankonzentration im Erz variiert stark. Bei einem »normalen« Urangehalt von zum Beispiel 0,1 Prozent müs- 10 000 t => 1 t Uran in => 7,11 kg spaltbares sen 1000 Tonnen Erz für eine Uranerz Yellowcake Uran-235 Tonne Uran abgebaut werden. Lange wurde Uran nur unter Tage und im Tage- bau gewonnen. Seit den 1980er Jahren wird auch In-situ Leaching als Verfahren genutzt. AUFBEREITUNG Beim konventionellen Abbau wird das Erz mechanisch zerbrochen und gemahlen und das Uran anschließend chemisch heraus gelöst. Es entsteht Uranoxid U3O8, mit 99,284 Gewichts- prozent nicht spaltbarem Yellowcake URANOXID-Konzentrat Uran-238 (U₃O₈) und nur 0,711 DAS ERBE DER MINEN Gewichtspro- enthält ca. KONVERSION 99,9 Prozent des Uranerzes bleiben in zent spaltba- 75 % In Konversionsanlagen Tailingbecken zurück. Sie sorgen auch rem Uran-235. URAN wird der Yellowcake in Uran- Der gehandelte tetrafluorid (UF4) und schließ- nach Schließung einer Mine dafür, dass die Yellowcake ent- lich Uranhexafluorid (UF6) Gebiete radioaktiv kontaminiert sind. In den hält bis zu 75 Prozent Uran. Die dabei umgewandelt, das für die USA wurde hierzu der Begriff National entstehenden giftigen Schlämme, die Uran-Anreicherung Sacrifice Area – Nationales Opfergebiet – ein- sogenannten Tailings, werden in riesi- gebraucht wird. geführt. Sie befinden sich überwiegend auf gen oberirdischen Becken langfristig den Territorien indigener Völker. gelagert. Weltweit protestieren Menschen in allen Atomstaaten gegen die Nutzung von Uran. Und auch in Abbau- ländern wächst der Widerstand. 70 Prozent des weltweiten Urans stammt vom Land indigener Völker. Auf allen Kontinenten fordern Vertreter*innen dieser Völker: Das Uran muss in der Erde bleiben. W I D E R 8
URAN Atlas ANREICHERUNG In weltweit 13 Anreichungsanlagen wird der Uran-235-Anteil erhöht, 38 Brennelementefabriken stellen Brennstoff für AKWs her. Mit den Fabriken in Gronau und Lingen ist Deutschland unbefristet am Atomgeschäft beteiligt. GEFÄHRLICHES spaltbares URAN-235 NEBENPRODUKT Abgereichertes Uran, im Fachjargon Depleted Uranium (DU), enthält hauptsächlich Uran-238 und nur auf auf ca. ABGEREICHERTES URAN 0,2 bis 0,3 Gewichtsprozente 3-5 % 90 % spaltbares Uran-235. Das extrem angereichert angereichert dichte Schwermetall ist Strahlen- müll, wird aber als Rohstoff dekla- riert und zum Teil für panzerbrechende Munition verwendet. ZIVILE . MILITÄRISCHER NUTZUNG 413 14 930 EINSATZ AKTIVE ATOM- Auf drei bis fünf ATOMKRAFT- SPRENGKÖPFE Auf über 90 Prozent angerei- WERKE in in Prozent angerei- chertes Uran-235 wird für chertes Uran-235 31 9 Kernwaffen benutzt. Bei der wird für die Her- LÄNDERN LÄNDERN Zündung einer Atombombe stellung von wird das spaltbare Material Brennstäben für (Uran-235 oder Plutonium) zur Kernkraftwerke kritischen Masse vereinigt. Es in 31 Ländern verwendet. kommt zu einer nuklearen Ketten- Über 70 Prozent des Atom- reaktion und damit zur Atomexplosion. stroms wird in den USA, Frank- reich, China, Russland und Südkorea produziert. WIEDERAUFBEREITUNG In Wiederaufbereitungsanlagen in China, England, Frankreich, Indien, Pakistan und Russland werden aus abgebrannten Brennstäben noch verwendbares Uran-235 und Plutonium extrahiert. Damit wird die Atommüll- menge insgesamt um den Faktor zehn vergrößert. STRAHLENMÜLL In jedem Schritt, angefangen KONTROLLE? beim Uranabbau bis hin zur Wiederaufbereitung, fällt 350 000 Die International Atomic Energy Agency (IAEA) in Wien Strahlenmüll an. Weltweit Tonnen hatte ursprünglich den Auftrag, die warten etwa 350000 Tonnen HOCHRADIOAKTIVER zivile Nutzung der Atomkraft zu för- hochradioaktiver ATOMMÜLL dern und in den einzelnen Staaten zu Abfall auf eine sichere weltweit etablieren. Heute muss sie vor allem Endlagerung – nicht auch darüber wachen, dass bom- mitgerechnet: die Halden benfähiges Uran wie auch Pluto- der Uranminen. Kein nium nicht weiter verbreitet Land der Welt hat bislang werden. ein Endlager für die strahlende Altlast. Die australische Regenbogenschlange ist zu einem Symbol für die Bewegung geworden: Die Schlange schläft in der Erde und darf nicht erwachen, so eine Warnung der Aboriginals, denn ihre Kräfte kann der Mensch nicht bändigen. S T A N D 9
GESUNDHEIT DAS TÖDLICHE ERZ Die Schrecken eines Atomkriegs oder eines Super-GAUs bestimmen die öffentliche Wahrnehmung des Uran. Dabei kostet bereits die Gewinnung von Uranerz Menschenleben D ie nukleare Kette beginnt immer mit der Bereitstellung des spaltbaren Materials und dem Abbau von Uran. Hierzulande ist dies praktisch kein Thema. Bergbau- firmen und Abbauländer hüllen sich bei Gesundheitsrisiken und Uranstaub. Beim Zerfall von Uran und seinen Zerfallspro- dukten werden Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung freige- setzt. Ionisierende Strahlen können grundsätzlich dazu führen, dass von ihnen getroffene Körperzellen absterben. Überleben in Schweigen, AKW-Konzerne sprechen von »sauberer« und sie, kann ihre Erbsubstanz geschädigt werden. Derartig ver- CO2-armer Stromerzeugung, die Hersteller von Brennstäben änderte Zellen vererben die geschädigte Erbsubstanz an ihre und die Betreiber von Urananreicherungsanlagen verweigern »Nachfolgerinnen« und können deshalb noch nach Jahrzehn- die Auskunft darüber, woher ihr Rohstoff Uran überhaupt ten zu bösartigen Tumoren führen. Da Schwermetalle jenseits stammt. In der DDR wurde das Erz sogar unter dem Tarnna- der ionisierenden Strahlung toxisch wirken, potenziert sich men »Wismut« abgebaut. bei Uranarbeiter*innen und ihren Familien die Gefahr, an Uran kommt überall in der Erde und meist nur in sehr Krebs zu erkranken. Das Ungeborene ist besonders emp- geringen Konzentrationen vor. Am unteren Ende der abbau- findlich, da sein Organismus noch in der Entwicklung ist. Es würdigen Vorkommen liegt derzeit die Rössing-Mine in kommt zu Totgeburten, Frauen werden seltener schwanger. Namibia mit etwa 0,03 Gewichtsprozent Uran, inzwischen Kinder in Abbauregionen erkranken außerdem häufiger an wird aber bereits der Abbau von Lagerstätten mit so gerin- Leukämie als anderswo. Für Erwachsene sind Lungen- und gen Konzentrationen wie 0,017 oder gar 0,01 Gewichtsprozent Rachenkrebs, Herz-Kreislauf- und Immunschwächeerkrankun- angedacht. Am oberen Ende liegt aktuell die Mine Cigar Lake gen typisch, hinzu kommen psychische Störungen. Indigene in Kanada mit circa 13 Gewichtsprozent Uran. Zumeist müs- Bewohner*innen von Abbauregionen berichten außerdem von sen deshalb im Tage- und Untertage-Abbau große Erzmengen gefördert werden, um einen nennenswerten Ertrag zu bekom- men: Bei einem Urangehalt von 0,1 Prozent bleiben pro geför- Die Dauer von Unendlich derte Tonne 999,9 Kilo als Abfall zurück. Er kontaminiert die Umgebung auf Jahrtausende. Die Zerfallsreihe von Uran-238 zu Blei-206 Warum das so ist, liegt an den Eigenschaften des Roh- (CC) URANATLAS 2019 / CC-BY-SA-3.0 stoffs: Uran ist ein Schwermetall, das zunächst wie Blei oder Isotop Halbwertszeit Quecksilber chemotoxisch wirkt. Gleichzeitig ist Uran kein sta- URAN-238 . biles Element, sondern bereits in natürlicher Form radioaktiv 4,46 Milliarden Jahre und damit radiotoxisch. Es zerfällt zu anderen Elementen, die THORIUM-234 . Alpha-, Beta- und Gammastrahlung freisetzen, bis am Ende der 24,1 Tage Zerfallsreihe das stabile Blei-206 übrig bleibt. Im Uranbergbau PROTACTINIUM-234 . sind deshalb Fein- und Grobstäube voll von strahlenden Parti- 46,69 Stunden keln und die Atemluft Radongas belastet – ein Hauptgrund für . URAN-234 . den Lungenkrebs vieler Bergarbeiter*innen. Das Trinkwasser 245 500 Jahre wird mit Uran und seinen Zerfallsprodukten genauso kontami- THORIUM-230 . niert wie die Nahrungskette. Selbst wenn ein Organismus nur 75 400 Jahre geringer Strahlung ausgesetzt wird, kann er Schaden nehmen. RADIUM-226 . Bergarbeiter*innen müssen schwere körperliche Arbeit 1 599 Jahre verrichten und deshalb schwer atmen. Im Tagebau wie unter RADON-222 . Tage sind sie Lärm, Staub, Schwermetallen, Radon und ionisie- 3,82 Tage render Strahlung ausgesetzt. Grund- und Grubenwasser sind POLONIUM-218 . verschmutzt. Die Arbeiter*innen leiden deshalb am stärksten 3,04 Minuten unter Folgeerkrankungen. Ihre Familien können über Nahrung, . BLEI-214 . belastete Kleidung, verschmutztes Trinkwasser sowie toxische 27 Minuten und radioaktive Staubteilchen kontaminiert werden. BISMUT-214 . Bereits im ausgehenden Mittelalter war die »Schneeber- 19,9 Minuten ger Lungenkrankheit« ein Begriff. Arbeiter*innen aus Silber- POLONIUM-210 . minen im Erzgebirge erkrankten an ihr. Kein Mensch konnte 0,16 Millisekunden seinerzeit die vielen mysteriösen Todesfälle erklären. Heute BLEI-206 . Blei-206 ist stabil. weiß man, dass es Lungenkrebs war – verursacht durch Radon 10
URAN Atlas Auswirkungen auf Organe, Hirn, Fötus und Skelett Was Uran, Thorium, Radium, Radon und Polonium für den Körper bedeuten (CC) URANATLAS 2019 / Yuko Tonohira / Radiation Monitoring Project RADON Aufnahme über die Atemwege Lagert sich nicht im Körper ab, seine Zerfallsprodukte dagegen schon. Das kann zu Alzheimer und Parkinson führen, wahrscheinlich auch zu Multipler Sklerose. Radon ist plazentagängig. Mögliche Folgen: DNA-Veränderungen URAN beim Fötus, Erweiterung des Gehirns, geistige Behinderungen und Totgeburten. Radon gilt als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Wird vom Organismus wie Calzium und Östrogen verstoff- wechselt; Aufnahme über Atem- wege und Verdauungstrakt RADIUM Bei jedem Zerfall Transport aus der Lunge Wird vom Körper wie Calcium eines Atomkerns kann in Nieren, Leber sowie ins verstoffwechselt; Aufnahme über Alpha-, Beta- und Knochenmark. Folgen: Atemwege, Darm, Magen Gamma-Strahlung Organ- und Knochenschäden, Radium lagert sich in den Knochen abgegeben werden. hormonelle Störungen, ab, beeinträchtigt die Blutbildung und Die Reichweite von Unfruchtbarkeit, Missbildungen vermindert die Bildung von Leukozyten. Beta-Strahlung beträgt beim Fötus. Folgen: Anämie, Kiefernekrose, mehrere Meter, die Gehirnabszess, Entzündung der Bronchien, von Gamma-Strahlung Gefährdung des Fötus. deutlich mehr, die von Alpha-Strahlung wenige Zentimeter, im THORIUM Körpergewebe sogar Wird vom Organismus wie Eisen nur bis zu Bruchteilen verstoffwechselt; Aufnahme über von Millimetern. Da Atemwege und Verdauungstrakt POLONIUM die Alpha-Teilchen Krebsgefahr für Lunge, Wird vom Organismus wie Schwefel auf einer sehr kurzen Lymphknoten, Knochenmark, verstoffwechselt; Aufnahme über Distanz ihre Energie Leber, Milz, wahrscheinlich Atemwege und Verdauungstrakt abgeben, haben sie auch Bauchspeicheldrüse und Polonium ist extrem toxisch und eine 20-fach höhere Dickdarm, Gefährdung des Fötus hochradioaktiv. Es lagert sich in Wirksamkeit als durch Missbildungen. Leber, Nieren, Knochenmark und Röntgenstrahlung Geschlechtsdrüsen ab; Gefahr für und schädigen das Eierstöcke, Unfruchtbarkeit, Fehl- und Gewebe besonders Missgeburten. stark. Deshalb ist es gefährlich, ionisierende Partikel einzuatmen oder über die Nahrung aufzunehmen. Niereninsuffizienz, sowie vermehrt von Diabetes Typ2. Die und Nichtraucher*innen unter den Bergleuten hatten übrigens Datenlage dazu ist dünn und wissenschaftlich nicht belastbar. ein in gleicher Weise erhöhtes Risiko. Da sich jedoch die Aussagen aus allen Kontinenten ähneln, ist Kritiker*innen fordern, Konzerne, die Uran abbauen, die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele Erkrankungen eine in die Verantwortung zu nehmen und zu kontinuierlichen direkte Folge des Uranbergbaus sind. betriebsärztlichen Untersuchungen zu verpflichten, die auch die umliegende Bevölkerung mit einschließen. Diese Resultate Uran wirkt als Schwermetall müssen veröffentlicht werden. Für Kompensationszahlungen chemotoxisch. Gleichzeitig ist es an erkrankte Mitarbeiter*innen und die umliegende Bevölke- radioaktiv, weil es kein stabiles rung fehlen bislang eindeutige Kriterien. Weder Bergbau-Kon- Element ist zerne noch staatliche Institutionen sind an derartigen Untersu- chungen, deren Veröffentlichung und der Entschädigung von Erkrankten oder Hinterbliebenen interessiert. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Berlin bestä- Nach Ansicht seiner Gegner*innen verletzt Atomstrom tigt die Erkenntnisse durch eine weltweit einzigartige Unter- letztlich das Recht der Menschen auf körperliche Unversehrt- suchung: In der sogenannten Kohorten-Studie sind 59000 heit. Bergarbeiter*innen in Niger und Namibia dürfen offiziell Arbeiter*innen erfasst, die am Uranbergbau der Wismut einer Strahlenbelastung von 20 Millisievert im Jahr ausgesetzt beteiligt waren. Die Ergebnisse der Studie, veröffentlicht werden. Das ist so viel, als würde ihre Lunge zweitausendmal auch im »British Journal of Cancer«, zeigten einen Anstieg geröntgt. ● der Lungenkrebsrate um 50 bis 70 Prozent sowie über 7000 strahleninduzierte Todesfälle unter den 59000 untersuchten Studienteilnehmer*innen (11,9 Prozent). Es ergab sich eine sig- Weiterführende Informationen Otto Hug Strahleninstitut: W. Mämpel, S. Pflugbeil, R. Schmitz, I. Schmitz-Feuerhake, nifikante Korrelation zwischen Arbeitszeit und Krebsrisiko Unterschätzte Gesundheitsgefahren durch Radioaktivität, Bericht Nr. 25 (21 Prozent höheres Risiko pro Arbeitsmonat). Raucher*innen Wismut-Kohortenstudie des BfS: www.bfs.de, Rubrik Wissenschaft 11
GESCHICHTE KOLONIALES ERBE Bis in die 1970er Jahre war die Uranförderung zum größten Teil militärisch begründet. Sie ging von Anfang an zu Lasten der lokalen Bevölkerung, besonders indigener Gesellschaften. Daran hat sich bis heute wenig geändert Z u Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Uran erstmals als Nebenprodukt in englischen und sächsischen Minen gewonnen. Mit dem Schwermetall konnten Kerami- ken bemalt und sogenanntes Vaselineglas hergestellt werden. Den Rohstoff für das Manhattan-Projekt – der Entwick- lung der Atombombe während des Zweiten Weltkrieges – bekam die US-Regierung aus dem damaligen Belgisch-Kongo und aus Kanada. In der kongolesischen Shinkolobwe-Mine Erst mit der Entdeckung, dass man zur Kernspaltung Uran- wurde Uran Anfang der 1920er Jahre entdeckt und später 235 braucht, und dem Bau der ersten Atombomben während gezielt abgebaut. Das Erz enthielt bis zu 65 Prozent Uran, so des Zweiten Weltkriegs kam es zum aggressiven Abbau. Das viel wie keine andere Mine auf der Welt. In Kanada wurde Schwermetall wurde bis weit in die 1960er Jahre vor allem zu Uran 1930 in der Region des Great Bear Lake entdeckt. militärischen Zwecken und zum Aufbau der Abschreckungsar- Während sich noch kein US-Präsident für die atomare senale in Ost und West abgebaut. Verwüstung von Hiroshima und Nagasaki entschuldigt hat, taten dies die kanadischen Dene – selbst Opfer von Uranabbau – 53 Jahre nach dem Abwurf. Weil auch von ihrem Territorium Uran für die ersten Bomben stammt, fühlten sie sich für die Uranproduktion 1945 bis 2017 Zerstörung mitverantwortlich. Historischer Abbau nach Ländern in Tonnen Der Uranabbau kann nicht losgelöst von kolonialen Kon- (CC) URANATLAS 2019 / WNA, IAEA, WISE Uranium Project tinuitäten betrachtet werden. Schon ein oberflächlicher Blick auf die Ungleichverteilung von Orten der Rohstoffproduktion und der Nutzung von Atomenergie zeigt die Parallele zu kolo- U S N I EN FR ISTA U S K R EI UD AN DR RE SÜ N GO N A FRI K DD B IA UK BRD AU I N E N I G R ALI TS K A EC H I K A CH S T R U DA nialer und neokolonialer Ausbeutung. Von den 1940er bis in die CH AN BE A DA MÄ NA AN RA S A EN ST DE MI A SS R/ KO ER EN K R/ RU 1980er Jahre hinein kam der überwiegende Teil des für ameri- CH N 70 000 60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000 0 kanische, britische und französische Bomben und Reaktoren 2015 genutzten Urans aus damaligen, ehemaligen oder »internen« Kolonien. Auch das Uran aus Kanada kam aus den indigenen, 2010 nie abgetretenen Gebieten der Dene, die bis heute unter dem Uranbergbau leiden. Ein anderer Teil stammt aus der Elliott 2005 Lake Region – wo bis heute das nahegelegene Reservat radio- aktiv belastet wird. In der Provinz Quebec verhinderten die 2000 James Bay Cree 2015 neue Uranminen. Bis heute besteht dort de facto ein Moratorium. Geschichte und Gegenwart des Uran- 1995 bergbaus sind dementsprechend eng mit der Missachtung indi- gener Rechte verbunden. 1990 1985 Uranbergbau begann im damaligen Belgisch-Kongo und 1980 in Kanada. Heute ist Kasachstan das wichtigste Förderland 1975 Während die USA nach dem Zweiten Weltkrieg eine Auf- 1970 kaufgarantie für Uran aus dem eigenen Land gaben und unzäh- lige private Firmen anlockten, war Uranbergbau in Frank- 1965 reich und der Sowjetunion Staatssache. Ganz Afrika geriet ins 1960 Blickfeld, in der DDR und der Tschechoslowakei entstand eine riesige Bergbau-Industrie. 1955 Doch erst mit der zivilen Nutzung der Atomenergie wurde Uran in den 1970er Jahren zu einem kommerziellen 1950 Rohstoff und Uranbergbau zu einem Geschäftsfeld priva- ter Konzerne. Wurden 1950 gerade einmal 4800 Tonnen aus 1945 dem Boden geholt, waren es 1980 fast 70000, so viel wie in 12
URAN Atlas Uran für die Welt Kumulierte Förderung des Rohstoffs nach Abbauländern von 1940 bis 2017 in Tonnen (CC) URANATLAS 2019 / WISE Uranium Project Uranbergbau ist von kolonialen, neokolonialen USA und autoritären Strukturen KANADA geprägt. Der Rohstoff 377 144 524 437 des Atomzeitalters wurde in den vergangenen 80 Jahren vor allem in Ländern Afrikas, in China, der Sowjetunion, der DDR, Russland und Kasachstan gefördert – TCHECHIEN oder dem Land indigener 112 055 UNGARN RUSSLAND DEUTSCHLAND 167 821 Völker in Australien und (hauptsächlich DDR) 21 075 UDSSR -1991 Nordamerika entnommen. ARGENTINIEN 219 731 102 886 2 582 FRANKREICH = 270 706 BRASILIEN 80 976 4 216 UKRAINE (ab 1992) PORTUGAL 131 986 3 720 KASACHSTAN (ab 1992) SPANIEN 5 028 316 523 CHINA RUMÄNIEN 44 984 BULGARIEN 19 049 Mehr als 400 000 16 364 NIGER USBEKISTAN 300 000 - 400 000 143 225 (ab 1992) 135 095 200 000 - 300 000 INDIEN 12 679 100 000 - 200 000 GABUN PAKISTAN 10 000 - 100 000 1 574 25 403 1 000 - 6 000 DR KONGO Unter 800: MADAGASKAR, 25 600 BELGIEN, POLEN, NAMIBIA MALAWI MONGOLEI, SLOWAKEI, 4 217 SCHWEDEN, SAMBIA, 131 228 AUSTRALIEN JAPAN, IRAN, MEXIKO, 212 502 FINNLAND SÜDAFRIKA 160 701 keinem Jahr zuvor und danach. Seinerzeit wurden am Spot- ist, achtete auch kaum jemand auf notwendige Sicherheits-, markt über vierzig US-Dollar für ein Pound Uran (454 Gramm) Strahlenschutz- und Gesundheitsstandards. bezahlt. Je weniger sich Bergbaufirmen um die Gesundheit Mit dem Ende des Kalten Krieges endete der militärische der Arbeiter*innen und die Sicherung der Minen und Tailings Bedarf an Uran. Durch die Atomkatastrophen in Tscherno- kümmerten, desto höher war ihr Profit. Und weil Uranbergbau byl und vor allem Fukushima sowie die Stilllegung sämtlicher in der breiten Öffentlichkeit (bis heute) praktisch kein Thema Atomkraftwerke in Japan ging auch die zivile Nachfrage deut- lich zurück. Mehr noch: Die Atommächte deckten nach 1990 ihren Brennstoffbedarf zum Teil durch die Abrüstung ihrer Produktion und Verbrauch von Uran Atomraketen. Der Uranspotmarktpreis sank auf ein histori- sches Tief von acht US-Dollar im Jahr 2002, stieg 2007 auf über Ziviler und militärischer Bedarf von 1946 bis 2018 in Tonnen 100 Dollar und liegt aktuell bei 25 Dollar (Stand: 25. Juli 2019). (CC) URANATLAS 2019/ WNA, IAEA, Klingbiel, T. Militärisch genutzte Uranmenge 2002 wurden weltweit nur noch 37000 Tonnen Uran gefördert. Zivil genutzte Uranmenge 2017 waren es 59500 (s. S. 22-23). Weltweite Produktion von Uran Historisch betrachtet ist Kanada mit Abstand der welt- 70 000 weit größte Uranförderer: 524000 Tonnen und damit über ein 60 000 Sechstel der gesamten Uranproduktion stammen von dort. Danach kommen die USA, gefolgt von Russland beziehungs- 50 000 weise der Sowjetunion, Kasachstan, der DDR und Australien. 40 000 Seit 2009 ist Kasachstan das wichtigste Förderland, wobei der Staat kaum Informationen über Uranbergbau preisgibt. Schon gar nicht über mögliche Probleme. ● 30 000 20 000 10 000 Weiterführende Informationen 0 Weltkarte atomarer Verwüstung: hibakusha-worldwide.org Informationen über den weltweiten Uranabbau: uranium-network.org 6 0 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 05 10 15 5 4 20 20 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 13
AFRIKA LIEFERANT FÜR DEN REICHEN NORDEN Koloniale Strukturen bestimmten den Uranbergbau in Afrika von Anfang an. Über Jahrzehnte war Südafrika der wichtigste Uranlieferant des Kontinents, heute sind es Namibia und Niger I n Afrika begann Uranbergbau in den 1930er Jahren im Kongo unter belgischer Kolonialherrschaft und katastro- 35 Millionen Tonnen radioaktiver Abraum liegen offen und ungeschützt um die Minen. Die Hintergrundstrahlung ist phalen Bedingungen in der Shinkolobwe-Mine. In Handar- 200-fach erhöht. Niger ist nicht das einzige afrikanische Land, beit und mit einfachstem Werkzeug lieferten die Bergleute dort in dem Areva nach Uran gesucht hat: In Gabun war der Kon- den Rohstoff für den Bau der Atombombe. Der belgische Berg- zern ebenfalls aktiv, hat den Uranbergbau aber schon vor baukonzern Union Minière hatte die Verfügungsgewalt über 20 Jahren wieder beendet. Auch hier wurden Tailings und alle Bodenschätze des Landes. Strahlenschutz oder Gesund- Abraumhalden nicht saniert. heitsvorsorge kannte er nicht. Wer sich der Ausplünderung Rio Tinto Zinc, heute Rio Tinto und eine der drei größten widersetzte, wurde drakonisch bestraft. Bergbaugesellschaften der Welt, eröffnete 1976 mit Rössing die Bis 1950 stammte über ein Drittel des weltweit geförder- erste Mine in Namibia. Weitere folgten – mit allen negativen ten Urans aus dieser Mine, es ging hauptsächlich in die USA. Folgen für die Bergarbeiter*innen: Sie bekamen zwar weiter 1960 endete die Kolonialherrschaft formell. Das bedeutete aber Lohn, wenn sie krank wurden, mussten aber Krankheitskosten nicht, dass das Land danach nicht mehr ausgebeutet wurde. selbst tragen. Ein Prozess gegen Rio Tinto scheiterte, weil zwei Bergbau finanzierte den Bürgerkrieg, bis zu 20 Milliarden US- Arbeiter die Frist überschritten hatten, innerhalb der sie Scha- Dollar des kongolesischen Vermögens landeten auf Auslands- denersatz hätten fordern können. Namibia ist heute viertgröß- konten, so die »Financial Times«. Golden Misabiko, der Präsi- ter Uranproduzent der Welt. dent von ASADHO Katanga, widersetzte sich der Staatswillkür In den Goldminen Südafrikas ist Uran zwar nur ein und deckte 2009 den heimlichen Vertrag zwischen den Präsi- Nebenprodukt des Goldbergbaus, das Geschäft damit reichte denten Joseph Kabila (DR Kongo) und Nicolas Sarkozy (Frank- aber, um Südafrika zum wichtigsten Uranproduzenten Afrikas reich) auf, mit dem die Uranressourcen des Landes exklusiv zu machen. Weil der südafrikanische Goldrausch bereits Ende Areva zugeschanzt wurden. Er wurde deshalb inhaftiert und des 19. Jahrhunderts begann und die Bergbaufirmen damals gefoltert, konnte schließlich ins Exil fliehen. kein Interesse an Uran hatten, blieb das Schwermetall auf den Gesteinshalden als strahlender Abfall zurück. Direkt dane- Mit dem Ausbau der Atomenergie ben wohnen die Bergleute mit ihren Familien. Inzwischen begannen Urankonzerne in den enthalten die Halden mehr Uran als manch neue Uranmine 1960er Jahren in verschiedenen Staaten und werden erneut »ausgebeutet«. Unter dem Apartheid-Sys- Afrikas nach Uran zu suchen tem Südafrikas gehörte es Jahrzehnte zum Standard, dass Arbeiter*innen mit verdächtigen Krankheitssymptomen einen letzten Monatslohn erhielten und entlassen wurden. Mit dem Ausbau der Atomenergie gerieten etliche andere In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele neue Länder Afrikas ins Blickfeld: Niger wurde zwar 1960 unab- Explorationsanträge zum Abbau von Uran, auch mit deut- hängig, der französische Staat und der Atomkonzern Areva scher Unterstützung, wie das Beispiel Tansania zeigt: Von führten die koloniale Ausbeutung aber auf ihre Weise fort. 1978 bis 1982 suchte dort die Uranerzbergbau GmbH aus Die Uranförderung begann 1971 in Arlit am südlichen Rand Bonn nach Uran. Ihre Datenbasis wurde nach der Jahr- der Sahara und wurde drei Jahre später in Akokan erweitert. tausendwende zum Gegenstand von Spekulationen. Viele 2017 war Niger der fünftgrößte Uranproduzent der Welt. Der Bewohner*innen von Dörfern in der Nähe des südtansani- Uranreichtum hat den Menschen in Niger aber nichts gebracht, schen Mkuju-River-Projekts sind nach Angaben tansanischer obwohl in der Zwischenzeit 143000 Tonnen Uran das Land Menschenrechtsaktivist*innen frustriert. »Schon seit über verlassen haben, was einem Weltmarktpreis von aktuell neun zehn Jahren heißt es: Forschung und Exploration. Was den Milliarden US-Dollar entspricht. Noch heute gehört das Land Menschen der Umgebung bleibt, ist unsichere Beschäftigung zu den ärmsten der Welt, hat jetzt aber eine strahlende Hin- für nur wenige und für den Rest der Staub, den die Autos und terlassenschaft: Almoustapha Alhacen gründete die lokale LKWs aufwirbeln«, berichtet ein Aktivist aus Songea, der aus NGO Aghirin`man – in der Sprache der Tuareg »Schutz der Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden möchte. Seele« – und ließ Wissenschaftler*innen des unabhängigen Der gestiegene Uranpreis in den Jahren 2007 und 2008 französischen Labors CRIIRAD das Arlit-Gelände untersuchen. hatte zu einem wahren Boom an Explorationsaktivitäten in »Was dort passiert, grenzt an fahrlässige Körperverletzung«, Afrika geführt. Weil der Uranpreis aber wieder sank (s. S. 23), sagt CRIIRAD-Direktor Bruno Chareyron. »Das Trinkwasser wurde, abgesehen von Husab und Langer Heinrich in Namibia zum Beispiel ist zehn- bis hundertmal mehr mit Radioaktivität und Kayelekera in Malawi, keine neue Mine eröffnet. Als Folge belastet, als von der WHO empfohlen.« Straßen wurden – wie des niedrigen Preises musste die südafrikanische MinTails anderswo auch – mit strahlenden Gesteinsresten befestigt. Konkurs anmelden, während Areva mit Steuergeldern vor 14
URAN Atlas Uran unter afrikanischem Boden Die Minen Afrikas und die Menge der noch nicht abgebauten Uranvorkommen (links) sowie die (CC) URANATLAS 2019 / Abbau: WISE Uranium Project; Vorkommen: OECD, WNA Gesamtmenge des bis heute abgebauten Urans (rechts) in Tonnen Explorationserwartungen Kumulativ bis 2017 abgebaute Uranmenge 6 600 000 Länder mit bisher unangetasteten Uranvorkommen 170 600 MAROKKO und WESTSAHARA Länder mit eingestellter Minenaktivität, ÄGYPTEN Stand 2019 Länder mit aktivem Uranabbau 155 000 ALGERIEN aktive Minen stillgelegte Minen 25 800 MAURETANIEN Akouta Arlit Azelik k.A. NIGER 143 225 9 900 MALI 1 400 SENEGAL 4 400 GUINEA 16 000 SOMALIA 36 400 ZENTR. AFR. REPUBLIK 12 100 KAMERUN GABUN 25 403 Mikouloungou Okelobondo Boyindzi Oklo Mounana DR KONGO 25 600 73 000 TANSANIA Shinkolobwe Kayelekera Kitwe MALAWI 4 217 57 000 SAMBIA 86 MADAGASKAR 785 4 217 SIMBABWE Vatovory Trekkopje 100 100 BOTSWANA Rossing Langer Heinrich Husab 131 228 Ezulwini k.A. NAMIBIA Dominion Stilfontein Hartebeestfontain Gauteng Vaal River Region k.A. SÜDAFRIKA 160 701 Aktive und stillgelegte Minen Afrikas: Wem sie gehören und wie viel Uran bisher aus ihnen geholt wurde GABUN... und Untertagebau seit ca. 1938, Husab (Rössing Süd): 34 % hält Orano (frz.), 31 % Nebenprodukt des Goldberg- Mounana: 5760 Tonnen, 1960 stillgelegt. Seither illegaler Tagebau seit 2016, 1332 Niger, 25 % OURD (jap.), baus gewonnen. Zuständig Tage- und Untertagebau, Abbau Tonnen, 90 % Taurus Minerals 10 % ENUSA (span.). 2017 seit 1967: die Nuclear Fuels 1960–1999 MADAGASKAR... Ltd (chin.) Produktionskürzung um 21 %. Corporation of South Africa, Oklo: 14649 Tonnen, Tage- Vatovory: 785 Tonnen, Langer Heinrich: Tagebau Akokan und Arlit: 75986 Tonnen heute eine Tochter der Anglo und Untertagebau, 1970–1985 Tagebau, 1950er Jahre, franz. seit 2007, 16416 Tonnen, 75.% seit 1998 Gold Ashanti Okelobondo: 3144 Tonnen, Atomministerium Paladin, 25 % CNNC, 2018 Azelik: Tage- und Unterta- Wichtige Minen: Untertagebau, 1988 geschlossen eingemottet gebau 2007–2015. 615 Tonnen, Ezulwini (früher Randfon- MALAWI... Boyindzi: 2471 Tonnen, Trekkopje: 437 Tonnen, 37 % CNNC, 33 % Niger, 25 % tein): 217 Tonnen, 2011–2017 Untertagebau, 1980–1991 Kayelekera: Tagebau seit 2011–2013. Ursprünglich ZXJOY Invest, 5 % Korea Vaal River Region Mikouloungou: 85 Tonnen, 2009, 4 217 Tonnen. 85 % 100 % Areva, 49 % an CGNPC Resources Corporation (Kopanang, Moab Khotsong): Tagebau, 1997–1999 Paladin. 2014 stillgelegt (chin.) verkauft 2 817 Tonnen, 2011–2017 SAMBIA... Eigner aller Minen in Gabun: NAMIBIA... NIGER... Stilfontein (k.A.) Kitwe: 86 Tonnen in 1950er Areva/Gabun Rössing: 66722 Tonnen, Arlit: Tagebau seit 1971. 64 % Jahren Dominion (k.A.) DR KONGO... Tagebau seit 1976, gehörte zu im Besitz von Orano, 36 % Niger Hartebeestfontain (k.A.) 68 % Rio Tinto, 2018 von CNNC SÜDAFRIKA... Shinkolobwe: 25600 Tonnen, Akokan (Akouta): Gauteng (k.A.) übernommen In Südafrika wird Uran als erste Uranmine der Welt. Tage- Untertage-Abbau seit 1974. dem Bankrott gerettet wurde und Paladin an der Pleite knapp und plant, die Mine komplett zu übernehmen. Husab wurde vorbeischrammte. Chinesische Unternehmen, die aufgrund 2016 in aller Stille in Betrieb genommen. ● der hohen staatlichen Anteile weniger kurzfristig profitorien- tiert arbeiten, nutzen währenddessen die Chance: Die CNNC Weiterführende Informationen sicherte sich Rechte an Uranvorkommen, fördert die Erkun- Greenpeace: Left in the dust. AREVA’s radioactive legacy in the desert towns of Niger dung neuer Lagerstätten, kaufte Anteile an Langer Heinrich Film: Uranium Mining – what are we talking about? Günter Wippel, 76 Min., auf Youtube 15
AUSTRALIEN WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT Die ersten Völker des Kontinents verstanden sich als Hütende von Schätzen im Erdinneren, die nicht an die Oberfläche geholt werden dürfen. Gegen die uranfördernden Bergbaufirmen haben ihre Nachfahr*innen selten eine Chance I n sämtlichen Formen der Landschaft sehen die indige- nen Völker Australiens die Manifestation der gestalten- den Kräfte einer Vorzeit, die bis heute wirkt. Dement- sprechend intensiv ist ihre Bindung an ihre Umwelt; in ihrer Jahren unter Wasser liegen, Orte, die von ihren Vorfahr*innen benannt wurden, als Neuguinea und Tasmanien noch mit dem Kontinent durch Landbrücken verbunden waren. Lieder und Tänze sorgen dafür, dass das kollektive Kosmologie »alcheringa« verstehen sie sich als Wesen, die zur Gedächtnis das Wissen aus dieser Vergangenheit bewahrt. Natur gehören – nie dürfen daher Menschen von der Natur Dazu gehören auch Warnungen, das Innere der Erde nicht Besitz ergreifen, sie können sie nur hüten. Vor rund 50000 zu verwunden. Bekannteste Botschaft ist die der Regenbo- Jahren wurde die Landmasse besiedelt; Aboriginals erinnern genschlange, die Berge und Seen schuf und deren unterirdi- sich heute noch an die Namen von Orten, die seit rund 15000 scher Schlaf nicht gestört werden darf; anderenfalls würden Australisches Uran ist Aboriginal-Uran Minentätigkeit in den fünf kontinentalen Bundesstaaten, Stand 2019 (CC) URANATLAS 2019 / australianmap.net Minennamen und Namen der Aboriginal-Völker und -Clans, Alligator River auf deren Land die Minen liegen: Jabiluka Nabarlek Darwin Ranger Aktive Minen Rum Jungle Beverly Four Mile (SA), Adnyamathanha Koongara Olympic Dam (SA), Kokatha Vorübergehend eingestellte Minen / in Vorbereitung für Sanierung Broome Beverley (SA), Adnyamathanha Westmoreland Beverley North (SA), Adnyamathanha Honeymoon (SA), Ngurunta, Wilyakali Ranger (NT), Mirarr Port Hedland Valhalla NORTHERN TERRITORY Stillgelegte Minen (NT) Mary Kathleen Alligator River (NT), Gagudju, Amarak, Iwaidja Manyingee Kintyre Ben Lemond Hunters Hill (NSW), Wallumedegal Mary Kathleen (QLD), Kalkatunga, WESTERN AUSTRALIA Alice Springs Mitakoodi (WA) Angela Pamela QUEENSLAND Mt Painter (SA), Adnyamathanha Narbalek (NT), Madjawrr Wiluna (QLD) Port Pirie (SA), Nukunu Yeelirie SOUTH AUSTRALIA Radium Hill (SA), Wilyakali (SA) Rum Jungle (NT), Kungarakan, Warai Wild Dog (SA), Kaurna Brisbane Mulga Rock Mt Painter Beverly North Geplante Minen Olympic Dam Beverly Kintyre (WA), Martu Beverly Four Mile Mulga Rock (WA), Ngadju Perth Mt Gee Oban NEW SOUTH WALES Wiluna (WA), Tarlpaa Honeymoon (NSW) Yeelirrie (WA), Tjiwarl, Koara Samphire Radium Hill Fortgeschrittene Erkundung der Port Pirie Hunter's Hill Lagerstätte Adelaide Ben Lomond (QLD), Juru, Gia Sydney Manyingee (WA), Baijungu Wild Dog Canberra Oban (SA), Ngurunta, Wilyakali Als der Uranabbau Mitte der 1950er Jahre begann, konnten die VICTORIA Samphire (SA), Barngarla Bergbaukonzerne ihre Minen ungehindert auf dem Land der (VIC) Valhalla (QLD), Kalkadoon Indigenen eröffnen. Erst ein Jahrzehnt später begannen Aboriginal- Melbourne Westmoreland (QLD), Gangalidda, Garawa Organisationen allmählich Jagdrechte und den Zugang zu heiligen Stätten einzuklagen. Bodenschätze unter dem ihnen inzwischen Erfolgreiche Verhinderung von zugesprochenem Land gehören den ersten Bewohner*innen bis geplanten Minen Angela Pamela (NT), Arrernte heute nicht. Jabiluka (NT), Mirarr TASMANIA Bundesstaat mit aktiver (TAS) Koongara (NT), Djok Minentätigkeit Mt Gee, Adnyamathanha 16
URAN Atlas todbringende Kräfte entfesselt, die der Mensch nicht bändigen Australien betreibt kein eigenes kann. Die Regenbogenschlange, so die Aboriginals heute, ist Atomkraftwerk, Uran wird nur für den die Hüterin der Uranadern. Einen Einblick in die lebende Erde Export abgebaut. Neue Minen wurden gab Joan Wingfield, Aktivistin der Kokotha aus Südaustralien, durch den Widerstand der Aboriginals auf dem World Uranium Hearing 1992 in Salzburg, als sie über verhindert Galda, die Stumpfschwanzechse, und die Uranmine Olympic Dam sprach: »Der erste gegrabene Schacht geht durch den Bauch der Echse. Dort holen sie nicht nur Uran, sondern auch gab es weder Verhandlungen noch Entschädigungen. Erst 1993 Gold, Silber, Kupfer, Blei. Wenn wir den Bauch von Galda öff- verabschiedete das Parlament in Canberra den »Native Title nen, finden wir die gleichen Farben.« Act« – ein Gesetz, das die traditionellen Landrechte aller Abo- Der Uranbergbau begann 1954, abgesehen von ersten riginal-Völker sichern sollte. Während es von der Regierung Entnahmen 1906 zur medizinischen Forschung. Inzwischen ist als wegweisende Anerkennung proklamiert wird, sehen die Australien mit insgesamt über 212000 Tonnen der sechstgrößte Betroffenen die Fortsetzung des alten Ungleichgewichts: Wenn Uranproduzent; aktuell liegt das Land hinter Kasachstan und eine Firma Uran abbauen will, tragen sie die Beweislast und Kanada sogar an dritter Stelle der weltweiten Förderer. Mit müssen nachweisen, dass sie bis heute eine ununterbrochene geschätzt über einer Million Tonnen verfügt das Land über die Beziehung zu ihrem Land pflegen. Ein Hohn in den Augen größten abbauwürdigen Uranressourcen der Welt – allerdings derer, die hier seit Urzeiten leben. nur bei einem Uranpreis von über 130 US-Dollar pro Kilo. Auch wenn eine Klage vor Gericht zugunsten der Aborigi- Abgebaut wird bis heute im Outback, fern weißer Städte. nals entschieden wird, müssen sie dennoch mit den Bergbau- Den ursprünglichen Besitzer*innen des Landes wurden dabei firmen verhandeln. Einigen sie sich nicht, erhält das Vorhaben jahrzehntelang keinerlei Landrechte eingeräumt, so dass die der Firma Vorrang vor der Anerkennung des indigenen Landti- Bergbaufirmen de facto machen konnten, was sie wollten. tels. Eine gesetzliche Handhabe, dagegen ein Veto einzulegen, gibt es nicht. Gemeinden und Gruppen, die den Zutritt verweh- ren wollen, sind oft gar nicht an den Verhandlungen beteiligt, da die Firmen sich ihre Gesprächspartner*innen selbst aussu- chen können und mit finanziellen Belohnungen winken. Die Die Änderung der Besitztitel australischer Bundesstaaten Queensland, New South Wales und Victoria Landesteile ab 1960 erlauben derzeit keinen Abbau; diese Haltung kann sich nach jeder Parlamentswahl jedoch wieder ändern. (CC) URANATLAS 2019 / Jon Altman/Australian National University 1960 Dennoch machen einige Erfolge den Aboriginal-Völkern Im Zuge der Kolonisierung Mut: Jeffrey Lee, letzter Angehöriger der Djok, weigerte sich, Australiens durch das Vereinigte Königreich und die Übernahme Koongara, das Land seiner Ahnen im Northern Territory, zu des Landes durch weiße verkaufen. Die französische Firma Areva überbot sich in ihren Einwander*innen wurden die Summen, um die geschätzten 14000 Tonnen Uran unter sei- Aboriginals zunächst vollständig nem Land abzubauen. Jeffrey lehnte ab und wollte stattdes- enteignet. Noch 1960 gehörte ihnen kein Quadratmeter Land. sen Koongara dem Kakadu-Nationalpark angliedern. Er reiste Von der Regierung erhielten die mit einer Delegation nach Paris brachte auch die UNESCO Bergbaukonzerne alle gewünschten auf seine Seite, die den Park bereits 2003 als Weltkulturerbe Schürfrechte auf Aboriginal-Land. anerkannt hatte. Zur gleichen Zeit hatte in der Nachbarschaft Yvonne Margarula (s. Abb. Titelseite), eine Mirrar, erfolgreich 2013 gegen die Eröffnung der Mine Jabiluka gekämpft und 2005 Seit Mitte der 1960er Jahre einen Baustopp erreicht. gehen Aboriginal-Organisationen Auch der Widerstand gegen die Ranger-Mine direkt vor Gericht. Mit Erfolg, wie die neben dem Nationalpark zeigt Wirkung. Seit 1980 förderte Karte zeigt. 2013 hatten sie über einen großen Teil ihrer Heimat sie Uran, hauptsächlich für Japan und Deutschland. Über 200 die Verfügungsgewalt zurück Pannen mit Verseuchungen der Umwelt sind bekannt – 2013 erhalten. Die Landklagen dauern flossen eine Million Liter radioaktiver Schlamm in den Park. bis heute an. Im Frühjahr 2019 wurde die Produktion eingestellt. zugesprochenes Im Northern Territory, auf dem Land der Arrernte, Aboriginal-Land konnte zudem die Mine Angela Pamela verhindert werden. In Südaustralien stoppten massive Proteste den Plan, die Uranre- serven im Wildnisreservat Arkaroole im Land der Adnyama- thanha zu erschließen. 2008 erlaubte dagegen der Bundesstaat Erst mit der Zeit führten die Bundesstaaten unterschiedliche Westaustralien den Uranabbau; seitdem kämpft die Bewegung Regelungen ein. Das erste Zugeständnis lieferte die Regierung gegen ein Minenprojekt, dem die Betreiberfirma BHP einen im Northern Territory 1976: Der »Aboriginal Land Rights Act« Aboriginal-Namen gab: Yeelirrie. ● gibt Aboriginals dort das Recht, Probebohrungen zu untersa- gen. Doch die wenigsten indigenen Gesellschaften wussten, dass nach einer Zustimmung zur Exploration eine Verweige- Weiterführende Informationen Australian Conservation Foundation: www.acf.org.au, Kampagne »nuclear free« rung der Förderung kaum durchzusetzen war. Bei den Minen Anna Luisa Schmid: Darkroom: Trickfilm, kostenlos auf https://vimeo.com/81749731 im Northern Territory, die vor diesem Gesetz eröffnet wurden, Auth, Huber, Schnatz: Uranium – is it a Country? Dokumentarfilm, 53 min, 2009 17
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