ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI - Tempelherrenorden Deutsches Priorat Jahrgang 28 Dezember 2012 Heft 61
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Jahrgang 28 · Dezember 2012 · Heft 61 O RDO M ILITIÆ C RUCIS T EMPLI Tempelherrenorden · Deutsches Priorat Ein Zeichen der Versöhnung: Die Frauenkirche in Dresden
Titel Zum Geleit Grußwort des Priors 3 Aus dem Ordensleben Bericht vom Generalkapitel 2012 4 Ansprache zum Rezeptionsgottesdienst 6 Festrede zum Generalkapitel 2012 9 Der OMCT – Deutsches Priorat steht seit dem 1. September 2012 auch „in der Tradition der Ritterschaft des Heiligen Römischen Reiches.“ Warum? 16 Sprach- und Identitätswandel im Spiegel der Geschichte 20 Gelebtes Versöhnungswerk 28 Hartes Ringen um Ökumene – der Vatikan und die Piusbruderschaft 30 „Haben wir Protestanten heute noch ausreichende Gründe, nicht katholisch zu sein?“ 32 Vorbote für einen Neuanfang!? Von der Bundeswehr zur Deutschen Legion 37 Spendenaufruf 40 Frühjahrskonvent 2013 41 Generalkapitel des OMCT 2013 42 Bilder aus dem Ordensleben 44 Impressum „non nobis“ Bildnachweis: Die Bilder stammen aus folgenden ORDO MILITIAE CRUCIS TEMPLI Quellen: H.-J. Baumbach, A. Germer, M. Gölz, Tempelherrenorden Deutsches Priorat e. V. H.-J. Riechers, M. Rüthlein, J. Tenhumberg, Ordensarchiv, Fotolia und FKM Fotoarchiv. Herausgeber: Die Ordensregierung Schriftleitung: Hans-Joachim Baumbach, Gesamtherstellung: Prior, Kaldenkirchener Straße 3 FKM ZEITSCHRIFTEN VERLAG GMBH, 41063 Mönchengladbach Postfach 24 49, 76012 Karlsruhe Tel. 02161 9028875, Fax 02161 9028874 Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben E-Mail info@tempelherren-orden.de nicht unbedingt die Meinung der Redaktion www.tempelherren-orden.de. wieder. 2 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
ZUM GELEIT Grußwort des Priors Liebe Ordensbrüder, sehr verehrte Leserinnen und Leser, in Ihren Händen halten Sie eine in we- loser werdender Zeit. In diesem Sinne sentlichen Teilen veränderte Ausgabe haben wir im letzten Generalkapitel den unserer Ordenszeitschrift NON NOBIS. Begriff des „Bildungsordens“ wieder auf- Auch an uns sind in den letzten Jahren genommen. Sie werden feststellen, dass Einsparnotwendigkeiten nicht vorüber- das vorliegende Heft mit der Wiedergabe gegangen. Die Ordensleitung hat daher von Vorträgen und mehreren Meinungs- entschieden, den Erscheinungsrhyth- artikeln genau diesem Bildungsauftrag mus von halbjähriger auf jährliche Er- gerecht zu werden sucht. scheinungsweise zu reduzieren, wobei Wir hoffen, dass Sie in den anstehenden das Heft dann allerdings mehr gesell- Feiertagen Zeit und Muße finden, den schaftlich relevante politische und theo- Ausführungen unserer Autoren zu fol- logische Themen bereitstellen soll und gen. Für Anregungen und Diskussions- von den Interna des Ordens, soweit sie beiträge sind wir Ihnen wie immer sehr nicht von allgemeinem Interesse sind, verbunden. entkleidet wird. Laudationes und Nach- Im Namen der Ordensregierung, aber rufe werden daher künftig in internen auch ganz persönlich, wünsche ich allen Verlautbarungen des Ordens vorgenom- Ordensbrüdern, Ihren Familien und un- men. Für den Leser hoffen wir auf eine seren Freunden und Lesern frohe geseg- Verdichtung der Sachinhalte. nete Weihnachtsfeiertage und ein glück- Der ORDO MILITIÆ CRUCIS liches Jahr 2013. TEMPLI – Tempelherrenorden, Deut- sches Priorat e. V. versteht sich selbstver- ständlich auch weiterhin als Ratgeber Hans-Joachim Baumbach und Wegweiser in immer orientierungs- Prior Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 3
Aus dem Orde nsleben Bericht vom Generalkapitel 2012 Obr. Hans-Joachim Baumbach Schon zwei Jahre nach der Herrn Bürgermeister Kolle be- Kolle noch lange zuhören mö- Ausrichtung eines sehr gelun- grüßt zu werden. Mit großer gen, wenn nicht gegen 19 Uhr genen Generalkapitels in Han- Liebe zur Hansestadt Lüne- bereits der Begrüßungsabend nover hat die Komturei Nieder- burg, ihren Menschen, ihrer angesetzt gewesen wäre. sachsen für das Generalkapitel Tradition und Geschichte be- 2012 erneut die Gastgeberrolle richtete Bürgermeister Kolle Zurück im Hotel, mussten wir übernommen. über die Entstehungsgeschich- demnach alsbald die Plätze te des Huldigungssaals und zum Abendessen einnehmen. Für das Wochenende vom 31. Dabei dient der Begrüßungs- machte die Festversammlung August bis 2. September 2012 abend traditionell der gastge- auch darauf aufmerksam, dass hatte das Organisationsteam benden Komturei zum Auftakt. dieser noch heute für alle wich- um den niedersächsischen Es wurde ein netter stim- tigen Entscheidungen des Ra- Komtur Obr. Manfred Gölz mungsvoller Abend mit vielen tes der Stadt Lüneburg als Ver- die äußerst sehenswerte Salz- ersten Gesprächen der inzwi- sammlungsort genutzt wird, stadt Lüneburg ausgesucht. schen fast komplett angereis- wenngleich sein ursprünglicher Gespannt reisten die Teilneh- ten Gäste. Errichtungsanlass 1706 eigent- mer am Freitag im Lauf des lich nur und ausschließlich Samstag, 1. September Tages in das Hotel Seminaris eine Huldigung für Georg Lud- Lüneburg an. Der Tag begann für die Or- wig I. Kurfürst von Hannover densbrüder mit der Ordens- Freitag, 31. August sein sollte, der auf seinem Weg versammlung, das heißt der Dort tagte bereits um 14 Uhr nach England, wo er zum König alljährlichen Jahreshauptver- der Ordensrat mit der Ordens- gekrönt werden sollte, in Lüne- sammlung des Ordens. Wäh- regierung, um die Beschlüsse burg Station machte. Die De- rend die Damen und Gäste der Ordensversammlung vom ckengemälde haben diese Krö- ein entsprechendes Gästepro- Samstag vorzubereiten. Kanz- nung schon vorweggenommen. gramm absolvierten, galt es ler Ernst Dauth gab den Be- für die Ordensbrüder, wichtige Da Herr Kolle in uns offenbar richt der Ordensregierung ab Beschlüsse über die vergange- ein begeisterungsfähiges und und gab dem Ordensrat damit ne und zukünftige Arbeit zu fachkundiges Publikum er- Rechenschaft über die Arbeit fassen. Besonders herauszu- kannte, lud er die Anwesenden der Ordensleitung im Berichts- heben ist hierbei eine ganz au- noch in den Fürstensaal von jahr 2011/2012. Eine engagier- ßergewöhnliche Ehrung: Unser 1450 hinauf, in dem Lüneburg te Aussprache schloss sich an. emeritierter Ordenshistoriker, den durch das Salz und den Nach der Sitzung des Ordens- Handel gewonnenen Reichtum Obr. Dr. Heinz Gehle, wurde rates begaben sich alle inzwi- und Einfluss und das damit auf Vorschlag der Ordensre- schen angereisten Ordensbrü- gewonnene Selbstbewusstsein gierung und mit einstimmi- der und Gäste mit einem hierfür zeigte. gem Beschluss der Ordensver- bereitgestellten Bus zum Rat- sammlung mit dem Ehrenring haus der Stadt Lüneburg, um Es war ein beeindruckender des OMCT ausgezeichnet. dort im Huldigungssaal durch Empfang. Wir hätten Herrn Diese einmalige wertvolle Aus- Empfang im Rathaus. Empfang im Rathaus. 4 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben zeichnung in Form eines golde- Hotel zurück, wo nach einer ren beiden Ordensgeistlichen nen Siegelrings hat somit nach kurzen Pause zum Gardero- im Hotel. Hieran schloss sich unserem verstorbenen Altprior benwechsel um 19 Uhr bereits ein intellektueller Höhepunkt Dr. Edmund Sawall ihren zwei- der Sektempfang der Ordens- an: Mit dem Festvortrag „Das ten und keineswegs minder regierung vorbereitet war. Deutsche Kaiserreich einmal würdigen Träger gefunden. aus anderer Sicht“ beehrte uns Der anschließende Gala-Abend ein weiteres Mal als hervorra- Während der Ordensversamm- dürfte allen Gästen in bester gender Referent Ehrhardt Bö- lung konnte auch erstmals der Erinnerung bleiben, zum ei- am Nachmittag zu rezipierende decker, dessen Festrede auch nen wegen der hervorragen- in diesem NON NOBIS-Heft neue Obr. Thomas Terhaag der den und wohlschmeckenden Gesamtheit der Ordensbrüder abgedruckt ist. Bewirtung, zum anderen we- vorgestellt werden. Er stammt gen der musikalischen Überra- Wir bedanken uns bei Herrn aus der Komturei Rhein-Ruhr schung des Abends: Sozusagen Bödecker ganz ausdrücklich und wird sich nun als dienst- als kultureller Nachtisch er- für seine Erlaubnis zum Ab- jüngster Rechtsritter in unsere freute uns das Hugo-Distler- druck, da wir seine Gedanken Gemeinschaft einbringen. Ensemble Lüneburg, ein Chor auch unserer werten Leser- Nach dem anschließenden Mit- aus rund 35 Sängerinnen und schaft nicht vorenthalten wol- tagessen blieb ein wenig Zeit, Sängern, die sich vorzugsweise len. die Hoteleinrichtungen zu selten aufgeführter Chormu- sik verschiedener Stilepochen Nach dem Festvortrag be- nutzen oder sich anderweitig dankte sich der Prior bei den auf die Abfahrt zum Rezepti- gewidmet haben. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf angereisten Gästen und Teil- onsgottesdienst vorzubereiten. nehmern des Generalkapitels, den Chorwerken des Namens- Dieser begann um 16 Uhr in in besonderer Weise aber auch gebers Hugo Distler, der als der katholischen Pfarrkirche bei der Komturei Niedersach- bedeutendster Erneuerer der St. Marien in Lüneburg, einem sen für die einmal mehr her- Kirchenmusik zu Beginn des vergleichsweise modernen, vorragende Organisation und 20. Jahrhunderts gilt. aber nicht minder eindrucks- Ausrichtung. Dieser Dank soll vollen Kirchengebäude, das ge- Die hervorragenden Stimmen hier mit Freude noch einmal rade erst sein 50-jähriges Jubi- dieses Chors und die absolu- wiederholt werden. läum begeht. te Harmonie dieser mehrfach ausgezeichneten Gesangsfor- Mit dem Templerlied klang das Nach Predigt und Rezeptions- mation begeisterten alle Teil- Generalkapitel 2012 aus. ansprache wurde hier der neue nehmer des Gala-Abends, so- Obr. Thomas Terhaag mit dem dass das Ensemble erst nach Wir freuen uns nun auf ein Ritterschlag in den Rechtsrit- mehreren Zugaben und hefti- Wiedersehen im Kloster Vol- terstand erhoben. Unseren Or- gem Applaus seinem wohlver- kenroda in Thüringen, damit densgeistlichen Josef Tenhum- dienten Feierabend zustreben einmal mehr in den neuen berg und Adolf Hermann Meyer konnte. Ländern. Dort bereitet unser danken wir für die weihevolle Obr. Prof. Dr. Martin Ulrich Gottesdienstgestaltung. Der Abend klang mit angeneh- Reißland als Standortbevoll- men Gesprächen höchst har- mächtigter bereits jetzt unsere Zu diesem Festgottesdienst wa- monisch aus. Zusammenkunft für den 20. bis ren auch Vertreter anderer Or- 22. September 2013 vor. densgemeinschaften angereist. Sonntag, 2. September Nach dem obligatorischen Wir hielten einen ökumeni- Alle Ordensbrüder sind bereits Gruppenbild kehrten wir zum schen Gottesdienst mit unse- jetzt herzlich eingeladen. Ordensversammlung. Ehrenringverleihung an Obr. Dr. Heinz Gehle. Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 5
Aus dem Orde nsleben Ansprache zum Rezeptionsgottesdienst am 1. September 2012 in Lüneburg Obr. Hans-Joachim Baumbach Liebe Ordensbrüder, verehrte Ehrengäste, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem aber lieber Ordensbruder Thomas Terhaag, als Prior des Tempelherren- Weg durch die geistigen, ideo- entwickelt. Die Privilegien des ordens begrüße auch ich Sie logischen und politischen Wirr- Ordens wurden ständig aus- auf das Herzlichste hier in der nisse in konservativer Ritter- geweitet und der Orden selbst Sankt Marienkirche zu Lüne- lichkeit, Brüderlichkeit und weltlicher Kontrolle weitge- burg. Es handelt sich um ein Nächstenliebe zu weisen. Wie hend entzogen, indem er aus- sehr junges Gotteshaus, das im aber kam es dazu? schließlich dem Papst unter- kommenden Jahr erst sein 50. stellt wurde. Im Jahre 1119 war der histori- Jubiläum feiert. sche Templerorden in Jerusa- Diese Sonderstellung schuf Der OMCT, Tempelherrenor- lem von acht fränkischen Rit- aber auch bald neidvolle Bli- den – Deutsches Priorat e. V., tern unter Führung von Hugo cke, sodass es am 13. Oktober als der nach dem Zweiten Welt- de Payns als Gesellschaft der 1307 in Frankreich durch Kö- krieg neu entstandene Zweig armen Ritter Christi nach der nig Philipp von Frankreich zur der weltweiten Templerbewe- Regel des heiligen Benedikt Verhaftung der Templer und gung feiert ebenfalls in Kür- mit der Verpflichtung zur Ver- später durch Papst Clemens V. ze sein 50. Jubiläum. Dies ist teidigung des Heiligen Landes zur Aufhebung des Templeror- auch Zeit, Rechenschaft abzu- und zum Schutz der reisenden dens kam. legen und die immer wieder an Pilger gegen Überfälle durch Der letzte Großmeister Jacques Mitglieder unseres Ordens ge- Ungläubige und Räuber ge- de Molay starb am 11. März richtete Frage zu beantwortet- gründet worden. Die Synode 1314 im Feuer. en, wie die modernen Templer von Troyes unter Papst Ho- ihren Auftrag definieren bezie- Inzwischen darf es als histo- noris II. bestätigte den Orden hungsweise was ihr heutiges rische Tatsache gelten, dass 1128 und gab ihm sein bis heu- Tun ist. der gegen die Templer initiier- te gültiges äußeres Zeichen: te Prozess einen der größten den weißen Mantel mit dem In den Veröffentlichungen des roten Ordenskreuz. Rechtsskandale der Mensch- OMCT ist immer wieder die heitsgeschichte darstellt. Die Rede davon, dass das Deut- Schon in wenigen Jahren hat- Ketzereivorwürfe gegen die sche Priorat die Funktion des te sich der Ritterorden der angeklagten Ritter konnten in mittelalterlichen „Geleitschut- Templer zu einer der stärks- keinem Fall bewiesen werden. zes“ auch heute erfüllen will, ten militärischen Kräfte der um mitzuhelfen, den Pilgern Kreuzfahrerstaaten im Kampf Es ist daher nur folgerichtig, unserer Zeit den christlichen gegen die islamischen Heere dass der historische Templer- Der neue Obr. Thomas Terhaag stellt sich vor. Rezeption von Obr. Thomas Terhaag. 6 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben orden in vielen Ländern der „Die Festungen des Ordens Unser am 11. Oktober 2011 ver- Welt und insbesondere Euro- sind heute seine Krankenhäu- storbener Altprior Dr. Edmund pas Nachahmung und Nachfol- ser, die berühmte Flotte des Sawall hat diese Beweggründe ge gefunden hat, in besonders Ordens seine Flotte von Kran- anlässlich einer Rezeptions- eindrucksvoller Weise etwa kenwagen, die militärischen ansprache im Dom zu Braun- mit dem Christusorden in Por- Ritter von einst sind seine rit- schweig am 4. Oktober 1991 tugal, dessen mächtige Flotte terlichen Kämpfer gegen das wie folgt zusammengefasst: weiter unter dem Tatzenkreuz Elend in dieser Welt, die Rüs- segelte. tungen den Krankenpfleger- „Die tradierte Aufgabe, die wir kleidungen gewichen.“ heutigen Templer von unserem Nach den Wirren zweier ent- historischen Ursprungsorden setzlicher Kriege in der Mit- Für die Tempelritter aber ableiten, ist der geistige Ge- te Europas sollte sich auch stand schon früh fest, dass sie leitschutz. Die Aufgabe des in Deutschland ein neuer Or- ihre Ritterrüstung in moder- geistigen Geleitschutzes war denszweig organisieren. Hier- ner Zeit gegen eine aufrechte, nie dringender als heute, in bei war allerdings schon von humane, ritterliche, mutige, der Krise der Moderne, an der Gründung an klar, dass es sich geistige Rüstung tauschen Schwelle zur Überwindung des nicht um eine ausschließlich und aus den metallenen Waf- säkularisierten Geistes und historisierende Betrachtung fen geistige Waffen schmieden seiner sozialistischen, materi- der ursprünglichen Templer- würden. Ihr Augenmerk in ori- alistischen und atheistischen bewegung oder gar um eine entierungsloser Zeit gilt den Folgen. Vereinigung zur Durchführung an Geist und Seele verwunde- von Zeltlagern und Rollenspie- ten Mitmenschen im ganzen Wir Templer begründen unsere len handeln würde. Lande, die mangels geistigen Lebensweise und unsere Hand- Der ORDO MILITIÆ CRUCIS Geleits in einer immer chaoti- lungsnormen in den Bekennt- TEMPLI suchte sich vielmehr scher werdenden Zeit ihre in- nissen und Verpflichtungen statt der Aufgabe des Geleit- nere Mitte verloren haben und unserer Ordensregeln, die wir schutzes für die christlichen ohne Ordnungsbild ihre Le- in Sorge um den Zerfall der in Pilger im Heiligen Land die benszeit im günstigsten Falle Jahrhunderten gewachsenen zeitgemäße Aufgabe des „Geis- konsumieren, nicht aber selbst Werte des christlichen Abend- tigen Geleitschutzes“. Die zu gestalten vermögen. landes und dem Streben nach Tempelherren haben damit Dieser Entwicklung entgegen- den ritterlichen Tugenden aus gegenüber anderen Ordensge- zutreten, ist eine Bildungsauf- den überlieferten mittelal- meinschaften einen Sonderweg gabe. Darum betrachtet es der terlichen Ursprungsregeln in gewählt. Andere Ritterorden OMCT als entscheidende Säule zeitgemäßer Form abgeleitet der Kreuzzugsperiode haben haben. seiner Arbeit, in seinem Früh- ihre schon während der Kreuz- Im Bemühen um eigene geis- jahrskonvent und den Konven- züge geübte Aufgabe als Hospi- ten unserer Komtureien einen tige Vervollkommnung und mit taliter in die heutige Zeit über- akademischen Diskurs über dem Ziel, Antworten auf bren- tragen. alle aktuellen Probleme des nende Fragen unserer Zeit an Zu Recht führen die Ritterbrü- Zeit- und Weltgeschehens mit die Gesellschaft zu geben, ha- der des Malteserordens stolz herausragenden Geistesträ- ben wir uns zusammengefun- aus: gern unserer Zeit zu führen. den … Prior Obr. Hans-Joachim Baumbach bei der Ansprache und die Ordensbrüder während des Gottesdienstes. Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 7
Aus dem Orde nsleben Mehr denn je brauchen wir „Werdet stark im Herrn und in ren altüberlieferten Geleit- heute eine Ordo, die unsere seiner gewaltigen Kraft. Legt schutzauftrag erfüllen. komplexe Welt, unser chaoti- die volle Waffenrüstung an, Gott schütze Sie, Gott schütze sches Dasein regelt; mehr denn damit ihr den Nachstellungen unser Land und Gott schütze je braucht unsere Zeit feste des Teufels widerstehen könnt. unseren Orden. Leitmotive, nach denen wir Eure Lenden umgürtet mit der unser Leben ausrichten kön- Wahrheit, angetan mit dem Kurzmeldungen nen. Mehr denn je brauchen Panzer der Gerechtigkeit, be- wir gerade heute das Pflichtbe- schuht an den Füßen mit der Vor 50 Jahren: Reformen wusstsein und den Opfermut Bereitschaft für das Evangeli- in der katholischen Kirche Papst Johannes XXIII. er- jedes Einzelnen; mehr denn um des Friedens. Zu alledem öffnete am 11. Oktober 1962 je brauchen wir die echte Ge- ergreift den Schild des Glau- im Petersdom in Rom das meinschaft, die dem Einzelnen bens, mit dem ihr alle feurigen Zweite Vatikanische Konzil. geistige und seelische Heimat Pfeile des Bösen auslöschen Unter dem Stichwort „Ag- ist; mehr denn je brauchen wir könnt. Nehmt den Helm des giornamento“ (zeitgemäße heute schließlich das offene Heiles und das Schwert des Gestaltung) beriet das größte Bekenntnis; mehr denn je die Geistes, nämlich das Wort Got- Konzil aller Zeiten bis 1965 Bereitschaft, für Werte und tes.“ eine Reform der römisch- Ideale zu kämpfen. katholischen Kirche. 2908 Dies war unsere Aufgabe in teilnahmeberechtigte Kon- Solche Leitbilder aufzuzeigen, vielen Jahren, es ist sie noch zilsväter aus 133 Nationen selbst Vorbild zu sein, das ist heute und wird es auch in der erörterten die Erneuerung die Aufgabe unserer Ordens- Zukunft sein. der Lehre und des Lebens in gemeinschaft und jedes Temp- Heute stellen Sie, lieber Obr. der Kirche, verbunden mit lers.“ Thomas Terhaag, sich in die der Öffnung der katholischen So weit Edmund Sawall, neben Pflicht dieser Aufgabe. Nach Kirche zur modernen Welt und der Neubestimmung ihres dem Gründungsprior des Deut- Ihrem Gelöbnis wird der Re- Verhältnisses zu den anderen schen Priorats, Hugo Wellems, zeptor Sie mit dem Rezeptions- christlichen Kirchen sowie einer der herausragendsten spruch den nichtchristlichen Religi- und ehrenvollsten Priore, die „Zu Gottes und zu Deiner Ehr, onen. Mehr als 200 Theologen unsere Gemeinschaft hervor- diesen Schlag und keinen mehr, wurden als Berater hinzuge- gebracht hat. sei tapfer, gläubig und gerecht, zogen. Unter ihnen war der Gestalten kann nur, wer über sei ein Ritter und kein Knecht!“ damalige Priester und spätere das geistige Rüstzeug dazu Papst Benedikt XVI., Joseph in den Rechtsritterstand erhe- Ratzinger. Zu den zentralen verfügt. Hierzu dienen die ben. Sie werden damit Vollmit- Ergebnissen zählten neben Bildungs- und Vortragsarbeit glied unserer Ritterschaft mit der Liturgiereform (Einfüh- unserer Gemeinschaft und die allen Rechten und Pflichten. rung der Landessprache an- hieraus wachsenden Publikati- Wir beten für Sie und erbitten stelle des Lateinischen) die onen. für Ihre Arbeit im Orden und Stärkung der Ortskirchen Der Apostel Paulus schreibt als Tempelritter im Alltag Got- sowie die Öffnung gegenüber im Brief an die Epheser im 6. tes reichen Segen. Im brüder- anderen Kirchen und Religi- Kapitel „Die Waffenrüstung lichen Miteinander wollen wir onen. (Quelle: Harenberg Gottes“ seinen Appell, der uns gemeinsam für eine Stärkung Chronik-Kalender) noch heute leitet: des Ordens sorgen und unse- Gruppenbild vom Generalkapitel 2012. Hugo-Distler-Ensemble Lüneburg. 8 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben Festrede zum Generalkapitel 2012 Das Deutsche Kaiserreich einmal aus anderer Sicht Ehrhardt Bödecker den 850.000 Wohnungen konn- einheitlichen deutschen Wirt- ten 600.000 nicht mehr be- schaftsraum. Sie beschlossen wohnt werden. Und trotzdem die Abtrennung der preußi- lebten nach dem Kriegsinferno schen Ostgebiete und ordneten in dieser größten Trümmer- gleichzeitig die Austreibung landschaft der Erde noch 2,8 der dortigen Bevölkerung an. Millionen Menschen, notdürf- 13 Millionen Menschen waren tig zwar, aber sie lebten und davon betroffen. 2,5 Millionen krochen aus ihren Kellern. Ins- Menschen kamen dabei ums gesamt waren mehr als 5 Mil- Leben. Zusätzlich wurden die lionen Wohnungen in Deutsch- Deutschen einer mehrjährigen land nicht mehr bewohnbar. Nahrungsmittelbeschränkung Das bedeutete in Westdeutsch- unterworfen. land etwa 60 Prozent der Woh- Es ist der heutigen Genera- nungen. tion kaum begreiflich zu ma- Was von den Industrieanlagen chen, was die Deutschen in in Deutschland noch übrig ge- den Jahren von 1939 bis 1949, blieben war, wurde demontiert also in zehn Jahren, an Leid, Der Jesuitenpater Alfred Delp, und abtransportiert. An eine Strapazen, persönlichen Ent- Angehöriger des konservati- Selbstversorgung der Bevöl- behrungen und familiären ven Widerstands und Mitglied kerung war nicht zu denken. Verlusten haben ertragen und des Kreisauer Kreises, schrieb Fischerboote durften nicht aushalten müssen. War das die kurz vor seiner Hinrichtung auslaufen. 3 Millionen Men- Stunde null? Nein! Es gab kei- im Januar 1945 in sein Tage- schen sind in dieser Zeit an ne Stunde null in den Köpfen buch: „Und so will ich tun, was Hunger und wegen der unge- der Menschen. Ihre Bildung ich so oft tat und was ich nun heizten Wohnungen an der und Ausbildung, ihre Verwal- mit meinen gefesselten Hän- schrecklichen Kälte, die da- tungserfahrung, ihre Arbeits- den tun werde, immer wieder mals herrschte, gestorben. For- disziplin und Firmenloyalität, und wieder, solange ich noch schungsergebnisse und Paten- ihre Einsatzbereitschaft, ihr atmen darf: segnen, segnen te privater deutscher Firmen Erfindungsgeist und Organi- Land und Volk, segnen dieses und Personen wurden geraubt. sationstalent, das Ingenieur- liebe deutsche Reich in seiner Deutsche Wissenschaftler zur wissen und das wissenschaftli- Not und seiner inneren Qual, Ausbeutung ihrer Kenntnisse che Denken und letzten Endes segnen diese armen deutschen in die Länder der Siegermäch- auch ihr Humor waren ihnen Menschen.“ te gebracht. Mit dieser geisti- geblieben. gen Beute ersparten sich die Nach dem schrecklichsten, ver- Diese Eigenschaften haben die Amerikaner, wie schon nach lustreichsten und über sechs Deutschen nicht in der Zeit von dem Ersten Weltkrieg, Jahr- Jahre dauernden Krieg kapi- 1933 bis 1939 angenommen, zehnte an Forschungsarbeit tulierte das Deutsche Reich im das waren Traditionen, die im und Milliarden an Forschungs- Mai 1945. Die Niederlage war 19. und 18. Jahrhundert ent- investitionen. total. Unser Land lag in Trüm- standen sind. Sie waren schon mern. Von 250.000 Gebäuden Die Sieger zerteilten das Deut- im Kaiserreich Grund und in der Reichshauptstadt Berlin sche Reich in vier Zonen und Ursache für den atemberau- waren 180.000 zerstört. Von zerstörten damit den bisher benden Aufstieg Deutschlands Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 9
Aus dem Orde nsleben zur ersten Industrie- und Wis- Wir müssen exportieren: ent- te beträgt dieser Anteil nur senschaftsnation in der Welt. weder wir exportieren Maschi- noch knapp ein Viertel oder Noch heute bestehen 7.500 nen oder wir exportieren Men- 25 Millionen Menschen. Diese Firmen in Deutschland seit schen. Mit dieser steigenden Zahlen sind wichtig, um die mehr als 100 Jahren. Dafür in- Bevölkerung sind wir ohne eine Leistungen des Deutschen Kai- teressieren sich leider unsere gleichmäßig zunehmende In- serreiches verstehen zu kön- modernen Historiker nicht. In- dustrie nicht in der Lage weiternen. Trotz des ernormen Zu- nerhalb nur eines Jahrzehnts zu leben.“ wachses an jungen Menschen avancierte die damalige Bun- betrug die Analphabetenquote desrepublik Deutschland zum Mit dieser Rede brachte es nur 0,9 Prozent und die durch- reichsten Land des europä- Reichskanzler Caprivi auf den schnittliche Arbeitslosigkeit ischen Kontinents, trotz tota- Punkt, denn das Deutsche während der 43 Jahre nur ler Ausplünderung und Teilung Reich durchlebte einen drama- 2 Prozent. Es war die niedrigs- des Wirtschaftsgebietes, trotz tischen Bevölkerungszuwachs. te Arbeitslosigkeit und die ge- Rohstoffarmut und Aufnahme ringste Analphabetenquote in Bis 1834 hatten sich Hessen- von Millionen Flüchtlingen. Europa. Darmstadt, Kurhessen, Bay- Das weltberühmte preußische ern, Württemberg, Sachsen Jedes Jahr wurden Hunderte Bildungssystem und die preu- und die thüringischen Staaten von Schulen gebaut, und es ßische Haltung erlebten ihre dem preußischen Zollsystem entstanden im Durchschnitt glänzendste Bewährungspro- angeschlossen. Ein Verdienst 380.000 neue Arbeitsplätze. be. Leider ist dem deutschen der preußischen Bürokratie. Eine gewaltige Investitions- Volk die Empfindung für diese Jetzt konnte sich die industri- summe! Die Staatsverschul- wirklichen Gründe des Wieder- elle Entwicklung in Deutsch- dung in Deutschland betrug aufbaus nach 1945 abhanden- land endlich freier entfal- mit 11,07 Milliarden trotzdem gekommen. Der Grund liegt ten. Handel und Industrie in nur 23 Prozent des Sozialpro- in unserer geschichtlichen Deutschland nahmen überall dukts. Heute beläuft sich die und kulturellen Entwurze- zu. Der Deutsche Zollverein öffentliche Verschuldung in lung und Selbstvergessenheit. von 1834 war die Vorstufe für Deutschland auf weit über 100 Viele Journalisten meinen, es die Einigung Deutschlands un- Prozent des Sozialprodukts, hätte an den amerikanischen ter preußischer Führung und und noch wesentlich mehr be- Marshallplangeldern gelegen. war die Vorstufe zum Aufstieg tragen die öffentlichen Schul- Unsinn. England, das fast un- Deutschlands zur ersten Wirt- den in Frankreich, und am zerstört war, hat 3,6 Milliarden schafts- und Wissenschaftsna- allermeisten verschuldet sind Dollar erhalten, Frankreich 3,1 tion in der Welt. Diese Stel- die USA. Alle Regierungen hal- Milliarden. Deutschland nur lung als erste Wirtschafts- und ten sich nur noch mit Schulden 1,4 Milliarden. Und Deutsch- Wissenschaftsnation erreichte an der Macht. land hat diese Marshallgelder Deutschland seit 1871 un- sogar zurückgezahlt, England ter Führung der preußischen Auch mit dem Erlass von Ar- und Frankreich bis heute nicht. Verwaltung. Die Bevölkerung beitsschutzrechten war das Deutschlands betrug 1871 40 Kaiserreich Vorreiter in der Reichskanzler Graf Leo von Millionen Menschen. Welt. Ebenso gehört das deut- Caprivi, der Nachfolger Otto sche Lebensmittelrecht, in- von Bismarcks, umriss in Im Jahre 1914, also 43 Jahre zwischen über 100 Jahre alt, seiner Reichstagsrede vom später, war die Bevölkerung noch heute zu den modernsten 10. Dezember 1891 das bren- auf 68 Millionen angestiegen. seiner Art. Die zunehmende nendste Problem des Deut- Das bedeutete einen jährlichen Bevölkerung bedurfte nicht schen Reiches mit folgenden Zuwachs von 600.000 Men- nur der schulischen Ausbil- Worten: „Handel und Industrie schen. Nicht durch türkische dung und Unterbringung in bleiben die wichtigsten Quel- Einwanderung, sondern durch der Industrie, für sie mussten len des Wohlstandes. Mit der Geburtenüberschuss und ge- Wohnungen und öffentliche Industrie hängt der Arbeiter- ringer werdende Sterblichkeit. Einrichtungen wie Kranken- stand zusammen; wir würden Nicht ganz zwei Drittel der häuser, Schulen, Verwaltungen, unsere Pflicht vernachlässigen, Bevölkerung, demnach rund Bäder, Straßen, Eisenbahnen, wenn wir den Arbeiterstand 42 Millionen Menschen, wa- Kanäle et cetera gebaut wer- nicht leistungsfähig erhalten. ren 30 Jahre oder jünger. Heu- den. Angesichts der damaligen 10 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben technischen Möglichkeiten ist Feinmechanik hatte Deutsch- Bildungssystem Preußens aus. es wie ein Wunder, dass jähr- land England schon längst den 1717 wurde die allgemeine lich über 225.000 Wohnungen Rang abgelaufen. Ebenfalls in Unterrichtspflicht eingeführt, gebaut wurden. 1880 gab es der Stahl- und Eisenerzeugung. und 1763 hat unter Friedrich im Kaiserreich 120.000 Kran- England war nicht in der Lage, dem Großen ein Zögling der kenhausbetten, im Jahre 1913 eine Industrie für chemische Frankeschen Stiftungen, näm- waren es bereits 467.000, das Produkte aufzubauen. Eine lich Johann Julius Hecker, im sind 70 Betten pro 10.000 Ein- solche Industrie erforderte auf General-Land-Schulreglement wohner. Heute haben wir 69 allen Ebenen der Fertigung die den Einfluss der pietistischen Betten pro 10.000 Einwohner! gesamte Skala der qualifizier- Pädagogik auf das preußi- Die deutschen Krankenhäuser ten Ausbildung vom Arbeiter, sche Schulwesen begründet: waren Vorbild für alle Länder. über den Vorarbeiter, über den Lesen, Schreiben, Rechnen Beispielhaft damals das Ru- Meister, den mittleren Inge- und Naturkunde verbanden dolf-Virchow-Krankenhaus in nieur bis zum Chemiker. Und sich mit Bescheidenheit, Ord- Berlin. hier war England hoffnungslos nung, Pünktlichkeit, Fleiß im Rückstand, übrigens heute und Standhaftigkeit: „Gott zur Hierzu der französische Jour- noch. Deutschland beherrsch- Ehr und zu des Landes Besten“ nalist Jules Huret: „Die Deut- te 90 Prozent des Weltmarkts war die Maxime dieses Aus- schen bauen Krankenhäuser der Chemie. Und damit sind bildungssystems. Sie änderte mit einem Aufwand von Ord- wir bei der ersten Ursache für sich auch nicht dadurch, dass nung und Komfort, um die sie die von allen bewunderte Fä- Preußen 1794 im „Allgemei- alle Länder Europas beneiden. higkeit des Deutschen Reiches, nen Landrecht“ Schulen und Wir Franzosen müssen uns Arbeitsplätze zu schaffen. Das Universitäten der staatlichen anstrengen, wenn wir unseren weltweit angesehene Produkt Aufsicht unterstellte, indem Platz im Konzert der Zivilisati- „Made in Germany“ war in ers- diese Einrichtungen zu „Veran- on behalten wollen.“ ter Linie dem deutschen Fach- staltungen des Staates“ erklärt Die Staatsquote betrug im arbeiter zu verdanken. wurden. Wie das heute in unse- Kaiserreich trotzdem nur 14 rer Verfassung immer noch der Wenn wir heute im Jahr 2012 gegenüber 50 Prozent heu- Fall ist. Schule ist Angelegen- 130.000 Lehrstellen in der te, und der durchschnittliche heit des Staates und nicht der Industrie und im Handwerk Einkommensteuersatz zwi- Kirche. wegen unzureichender Be- schen 3 und 6 Prozent. Nied- fähigung der Bewerber trotz Auch unter den großen Refor- rige Einkommen wurden nicht Jugendarbeitslosigkeit nicht men des Bildungswesens in besteuert. In Ausnahmefällen besetzen können, ist das ein der Epoche Humboldt/Alten- konnte die Steuerbelastung bei trauriges Zeichen für die Qua-stein Anfang des 19. Jahrhun- wirklich hohen Einkommen bis lität der Bildungs- und Aus- derts, es war die Zeit vor und 13 Prozent erreichen. Es gab bildungspolitik der deutschen nach der Beendigung der Krie- keine Erbschaftsteuer für An- Spaßgesellschaft. ge gegen Napoleon, änderte gehörige. Ein gut ausgebildetes, sich hieran nichts. Die an der fleißiges und diszipliniertes Preußen-Deutschland war Ausarbeitung der Bildungs- Volk eroberte sich die interna- das führende Land der Bil- pläne maßgebend beteiligten tionalen Märkte, die von den dung, Ausbildung, Fortbildung Verwaltungsbeamten Georg etablierten Mächten bean- und Wissenschaft. Kurfürst Nicolovius, Johann Süvern und sprucht und als ihre ureigene Friedrich III., der sich 1701 Johannes Schulze ließen diese Domäne betrachtet wurden. als Friedrich I. zum König in Grundlagen der preußischen England besaß zwar in vielen Preußen krönte, gründete 1694 Erziehung unverändert. Die Industriebereichen ein größe- die Hallesche Universität und Dreigliederung der Ausbildung res Produktionsvolumen, wozu räumte dem Waisenhaus von in Volksschule, Gymnasium in erster Linie die Herstellung August Hermann Francke, den und Universität baute inhalt- von Textilien gehörte, also die Franckeschen Stiftungen in lich auf diesen Gedanken auf. Produktion von sogenannter Halle, zahlreiche Privilegien Stapelware, aber in den fort- ein, um deren Lebensfähig- Mit der Gründung der Fried- schrittlichen Zukunftstechni- keit zu erleichtern. Von die- rich-Wilhelms-Universität in ken wie Elektrizität, Chemie, sen Frankeschen Stiftungen Berlin wurde von Wilhelm von Optik, Maschinenbau und ging das pietistisch geprägte Humboldt eine Universität Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 11
Aus dem Orde nsleben geschaffen, die noch heute bis 1920 mehr Nobelpreisträ- Sinne der rechtsstaatlichen weltweit als die Mutter aller ger als England, Frankreich Lehre von Montesquieu. Der modernen Universitäten an- und die USA zusammen. Auch Reichstag war nur für die Ge- gesehen wird. Auch die Schul- das war ein Zeichen für die setzgebung im materiellen Sin- konferenz im Jahre 1900, in überragende wissenschaftliche ne und für die Aufstellung des der Professor Friedrich Althoff, Stellung Deutschlands in der Haushalts zuständig. Nicht der größte aller deutschen Bil- Welt. In der internationalen zuständig war er dagegen für dungspolitiker, die Schulen Wissenschaft wurde deutsch, Personalentscheidungen in der grundlegend reformierte, wur- nicht englisch gesprochen. Regierung. Verwaltung und de bahnbrechend für die Schul- Gesetzgebung hielten sich die bildung. Während für Wilhelm Neben Bildung, Ausbildung Waage, wie es in der klassi- von Humboldt und die preußi- und Wissenschaft gibt es eine schen Gewaltenteilung gefor- schen Reformer Bildung der weitere Ursache für den ein- dert wird. Es regierte in der Weg zur inneren Befreiung des maligen wirtschaftlichen Er- Verfassungswirklichkeit des Einzelnen, der Weg aus seiner folg des Deutschen Kaiser- Deutschen Kaiserreiches kein Unmündigkeit war, fragt man reiches: Reichskanzler Otto Reichskanzler gegen die Mehr- sich heute, ob die Parteien mit- von Bismarck, der Schöpfer heit des Reichstags. Durch die hilfe ihres unzureichenden Bil- der lang ersehnten deutschen strikte Trennung der Zustän- dungssystems die Unmündig- Einheit, gab diesem Staatswe- digkeiten von Parlament und keit des Bürgers zum Zwecke sen schon 1869 die modernste Regierung konnten Staat und seiner besseren politischen Be- Wirtschafts- und Sozialord- Verwaltung nicht Beute einer einflussung wieder anstreben. nung in ganz Europa. Er mach- Partei werden. te die preußische Verwaltung Die Bedeutung der Francke- zum tragenden Unterbau des Friedrich von Hayek, Nobel- schen Stiftungen in Halle für neuen Deutschen Reiches, das preisträger und früherer So- das gesamte preußisch-deut- preußische Staatsministerium zialist, kritisierte den heute sche Bildungssystem kann zum eigentlichen Regierungs- bestehenden Zustand folgen- nicht überschätzt werden. Au- apparat. dermaßen: „… durch Jahrhun- gust Hermann Francke war ein derte waren alle Bemühungen pietistisch geprägter und enga- Eine gute Verwaltung ist, wie darauf gerichtet, die Macht gierter Pädagoge, der für die der schweizerische Staats- der Regierungen zu beschrän- Erziehung der Kinder Regeln rechtler Fritz Fleiner feststell- ken. Auf einmal glaubte man aufstellte, deren Anwendung te, die beste Verfassung. Der aber, dass die Beaufsichti- uns noch heute guttun würde. Regierungsapparat war abhän- gung der Regierung durch die Bescheidenheit gehörte zu sei- gig von der Gesetzgebung des gewählten Vertreter alle an- nen pädagogischen Regeln, sie Reichstags, der, ebenfalls nach deren Beschränkungen der habe sich in zurückhaltender dem Willen von Bismarck, mit Regierungsgewalt unnötig Lebensführung auszudrücken. dem freiheitlichsten Wahlrecht mache. So entstand die un- in Europa, dem allgemeinen, beschränkte, unkontrollierte Der preußische Grundsatz gleichen und geheimen Wahl- Demokratie. Hierdurch sind „Mehr sein als scheinen“ hatte recht gewählt wurde. Der preu- die gegenwärtigen Probleme hier seine geistigen Wurzeln. ßisch-deutsche Beamtenkörper entstanden. Mehrheitsent- Das heute zum quasi-religiösen bestand aus 420.000 Beamten. scheidungen über Fragen, die Mythos erhobene Spekulieren Heute erledigen diese Arbeit ihrer Natur nach Regierungs- auf den Finanz-, Aktien- und über 4,5 Millionen Angehörige maßnahmen und keine Par- Grundstücksmärkten stand des Öffentlichen Dienstes. lamentsbeschlüsse erfordern, und steht dem preußischen Er- werden einer vorübergehenden ziehungsgedanken diametral Ohne Anspruch auf Vollstän- Parlamentsmehrheit überant- entgegen. Friedrich der Große digkeit wollen wir uns die we- wortet. Eine Regierungsform, hat die Getreidespekulation sentlichsten Voraussetzungen in der jede Mehrheit jede be- verboten. Gegenwärtig ist das für das „geordnete Zusam- liebige Frage zum Gegenstand Finanzvolumen der Nahrungs- menwirken im Kaiserreich“, von Mehrheitsentscheidungen mittelspekulation etwa 70-mal den Schlüssel für den Erfolg, machen kann, ist diktatorisch, höher als der tatsächliche Ern- veranschaulichen: eine leis- ist verwerflich. Die Wurzel te-Ertrag. In den Naturwissen- tungsfähige Regierung mit aller gegenwärtigen Übel ist, schaften besaß Deutschland strenger Gewaltenteilung im dass die Parlamente eine un- 12 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben beschränkte Regierungsgewalt gefordert und durchgesetzt, Ein durch und durch selbst- ausüben. Das alte Ideal des die über den Produktivitäts- ständig handelnder Beamter. Rechtsstaates ‚the rule of law‘, anstieg hinausgingen. Das Ein König in seinem Gebiet. In die Regierung unter dem Ge- hat die Unternehmen ruinös Stendal zum Beispiel hatte der setz, war damit zerstört. Das geschwächt. In Deutschland Landrat anfangs zwei Sekre- Parlament kann heute anord- haben wir im Weltvergleich die täre, einen Kanzlisten, einen nen, was immer die Vertreter kürzeste Arbeitszeit und die Hilfsschreiber und einen Bo- der Mehrheit für notwendig be- höchsten Lohnnebenkosten. ten, zusammen fünf Personen. finden, um sich die fortgesetz- Das war alles. Was hat dieser Der dritte Grund für den wirt- te Unterstützung durch eine Mann damals alles entschei- schaftlichen Erfolg des Kaiser- Mehrheit zu sichern und sich den und überwachen müssen. reiches ist in der Effektivität damit an der Macht zu halten. Bahnstrecken wurden neu der preußischen Verwaltung Die Behauptung, der Rechts- gebaut, der Bahnhof, außer- und ihrem Verständnis für die staat sei gewahrt, solange die dem wurden Industriefirmen Bedürfnisse der Menschen und Maßnahmen der Parlamente der Wirtschaft zu sehen. Es ist angesiedelt mit den dafür not- von einer Mehrheit gebilligt kaum zu beschreiben, wie viel wendigen Unterlagen und bau- werden, bedeutet die Rechtfer- Unsinn in den letzten Jahr- polizeilichen Genehmigungen tigung willkürlicher Unterdrü- zehnten in der politischen und usw. 1994 waren 322 öffentlich ckung. Für den Unterdrückten historischen Literatur, aber Bedienstete in Stendal für die macht es keinen Unterschied, auch in den Medien, über die gleichen Aufgaben zuständig. ob der Zwang von einer Partei preußische Verwaltung und Es besteht heute eine erstaun- oder von einem Diktator aus- auch über Kaiser Wilhelm II. liche Verständnislosigkeit ge- geübt wird. Fraktionszwang geschrieben und verbreitet genüber den Aufgaben und ist die übelste Form demo- worden ist. Untertanengeist, Leistungen der preußisch- kratischer Diktatur. Ich muss Kadavergehorsam und Ver- deutschen Verwaltung. Die ab- gestehen, dass ich daher eine formung der Gesellschaft sind schätzigen Urteile reichen von beschränkt demokratische, verbreitete Vokabeln, die von der Erbsenzählerei, wie viele aber dem Gesetz unterworfene Regierung einer unbeschränkt deutschen Historikern und so- Adlige und wie viele Bürgerli- demokratischen und daher im gar von Verfassungsrichtern che in der Verwaltung beschäf- Grunde gesetzlosen Regierung für die Kennzeichnung des tigt gewesen sind, bis zum an- vorziehe.“ Kaiserreiches benutzt werden. geblich unheilvollen Einfluss Selbst für die Armee lagen die- des bereits in der Minderheit Mit dieser freiheitlichen Wirt- se Bezeichnungen völlig neben befindlichen ostelbischen Jun- schaftsordnung Bismarcks und der Sache. kertums. Kein Wort zur histo- der geringen Steuerbelastung Der israelische Militärhistori- rischen Entwicklung des Adels konnten sich die Unternehmen ker Martin van Creveld schrieb in der preußischen Verwaltung, in Deutschland frei entfalten. im Auftrag der US-Regierung kein Wort darüber, dass sich Die drei am Wirtschaftsleben im Jahr 2005 unter dem Ti- der Adel seit dem 17. Jahrhun- beteiligten Gruppen, nämlich tel „Kampfkraft“ über die Auf- dert unter dem Großen Kur- Staat, Unternehmen und Ge- tragstaktik der deutschen Ar- fürsten von einem unabhän- werkschaften, waren vernünf- mee: „In Hinblick auf Moral, gigen Stand, wie in England, tig genug, den größten Teil der erzielten Gewinne den Unter- Elan, Effektivität, Truppenzu- zu einem politischen, in das nehmen zu belassen, um In- sammenhalt und Beweglich- Staatswesen eingebundenen vestitionen zu erleichtern und keit war dem deutschen Heer Stand verändert hatte mit ei- damit neue Arbeitsplätze zu unter allen Armeen des 20. ner untadeligen staatstragen- schaffen. Wirtschaftswissen- Jahrhunderts keine annähernd den Ethik. schaftler drücken das mit ihren ebenbürtig. Die Auftragstaktik In dem sich seit 1866 entwi- Worten so aus: Die Lohnstei- der preußisch-deutschen Ar- ckelnden Parteienstaat, wor- gerungen müssen stets hinter mee verlangte Selbständigkeit in sich eine Partei sogar zum der Produktivitätssteigerung der Entscheidung, sie wieder- revolutionären Umsturz des zurückbleiben. In der Gegen- um setzte die Gewährung von Staates bekannte, war eine ver- wart haben die deutschen Ge- Freiheiten voraus.“ lässliche, staatstragende Ver- werkschaften dagegen jahr- Hier möchte ich auch an den waltung als stabilisierender zehntelang Lohnerhöhungen preußischen Landrat erinnern. Faktor unerlässlich. Darauf Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 13
Aus dem Orde nsleben hat schon Bismarck hinge- wickelt gewesen wäre als in al- insgesamt nur ein Prozent be- wiesen. Bertrand Russell, der len anderen Industrieländern. trug. An der Spitze der größten englische Geschichtsphilosoph Fassen wir zusammen: Bil- deutschen Reederei, der Hapag und Nobelpreisträger, schrieb dung, Ausbildung, Fortbildung in Hamburg, und des größten in den Zwanzigerjahren, dass und Wissenschaft, dazu Diszi- deutschen Elektrizitätsunter- Deutschland so viel Selbstän- plin und Ordnungssinn, eine nehmens, der AEG in Berlin, digkeit, Tatkraft, Fähigkeiten freiheitliche, auf unternehme- standen Juden. Die Inhaber und Begabungen aufgewiesen rische Initiative gegründete der größten Warenhäuser und habe wie keine Nation jemals Wirtschaftsordnung sowie eine eines der bedeutendsten Che- zuvor. Die Deutschen verfüg- bürgernahe Verwaltung wa- mieunternehmen in Deutsch- ten über eine bessere Bildung, ren die Ursachen für den von land waren Juden. Der erste sie besäßen mehr technische der Welt bewunderten und lei- Präsident des Reichsgerichts, Fachleute auf allen Gebieten. der auch weltweit beneideten des höchsten deutschen Ge- Doch ohne die Hilfe einer tüch- wirtschaftlichen Aufstieg des richts, war ein angesehener tigen, ehrlichen Bürokratie Kaiserreiches. Die geringste jüdischer Jurist. Von den 100 hätte sich die deutsche Wirt- Arbeitslosigkeit, die geringste reichsten Preußen waren 29 schaft nicht zu dem entwickeln Analphabetenquote in Europa Juden. Von den elf reichsten können, was sie wurde. Das und die wegen ihrer Qualität Berlinern dagegen waren zehn war eine zutreffende Analy- begehrten Produkte „Made in Juden. Wie in allen Ländern, se. Warum müssen wir diese Germany“ zeichneten den wirt- besonders in den katholischen, Wahrheit über die preußisch- schaftlichen Stand dieses Lan- gab es natürlich auch in Preu- deutsche Verwaltung von ei- des aus. ßen Antisemitismus, politi- nem Engländer und nicht von schen und unpolitischen Anti- Wir haben allen Grund, auf deutschen Historikern erfah- semitismus. diese Epoche unserer Ge- ren? schichte mit Stolz zurückzu- Doch die strenge Rechtsstaat- Der Verband der pharmazeu- blicken. Das gilt auch für die lichkeit schützte die Juden tischen Industrie stellte 1913 Juden, die allen Anlass hätten, vor Übergriffen. Hitler schrieb fest, dass die deutsche che- den Verunglimpfungen dieses in seinem Buch „Mein Kampf“ misch-pharmazeutische Indus- Staates energisch entgegenzu- (Ausgabe 1939, Seite 553): „Im trie ihren hohen Stand nicht treten. Preußen-Deutschland Jahre 1918 konnte von einem erreicht hätte, wenn ihr nicht war das beliebteste europä- planmäßigen Antisemitismus eine moderne Verwaltung zur ische Einwanderungsland der in Deutschland keine Rede sein. Seite gestanden hätte. Auch Juden, es hatte die meisten Noch erinnere ich mich der die Elektroindustrie war auf Synagogen unter den westli- Schwierigkeiten, auf die man eine enge Zusammenarbeit mit chen Ländern und mit 700.000 stieß, sowie man das Wort Jude der Verwaltung und auf eine Juden den weitaus höchsten in den Mund nahm. Man wur- jüdischen Bevölkerungsanteil. de entweder dumm angeglotzt, moderne Gesetzgebung ange- Es bot den Juden Rechtssicher- oder man erlebte heftigsten wiesen. 60 Prozent der gesam- heit, die Möglichkeit zu einer Widerstand. Unsere Versuche, ten deutschen elektrotechni- qualitativ hochwertigen Aus- der Öffentlichkeit den wahren schen Produktion entfielen auf bildung und die Chance, durch Feind zu zeigen, schienen fast Berlin, sodass bei den gegebe- Bildung zum sozialen Aufstieg aussichtslos zu sein.“ nen Marktverhältnissen etwa zu gelangen. Hiervon machten 40 Prozent des Weltmarkts von Ausmaß und Bedeutung des die Juden ausgiebig Gebrauch. Berlin aus beliefert wurde. Mit Antisemitismus in Preußen Recht hat die amerikanische Mit Ullstein, Mosse, Sonne- werden von Journalisten und Historikerin Anderson von der mann und Paul Singer kontrol- Historikern aus Gründen der Universität Berkeley in Kali- lierten sie fast 70 Prozent der Umerziehungsideologie be- fornien kürzlich festgestellt, veröffentlichten Meinung, 50 wusst falsch dargestellt. Auch dass es in den deutschen Städ- Prozent der Ärzte und Rechts- wenn sich Hitler auf Friedrich ten und Gemeinden eine prak- anwälte in Berlin waren Juden, den Großen berief, er und sei- tizierende Demokratie gegeben 3 Prozent der Ordentlichen ne Paladine kamen nicht aus habe, mit einer Mitwirkung Professoren an den deutschen Preußen, sondern aus Süd- der jeweils betroffenen Bevöl- Universitäten, obwohl der jü- deutschland. Hitlers Gedan- kerungskreise, die weiterent- dische Bevölkerungsanteil kenwelt erhielt ihre Prägung 14 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
Au s dem Or de nsleben in Wien und nicht in Potsdam In diesem Sinne drückte sich oder Halle. Herr Habermas, auch Christian Thomasius, Kurzmeldungen der einen Preis vom deutschen der berühmte Rechtsgelehrte Vor 100 Jahren: Meisterwerk Buchhandel erhalten hat, mag und Vater der europäischen der Amarnakunst ein guter Philosoph sein, der Aufklärung, in seinen Schrif- Der deutsche Ägyptologe Lud- auch Sätze in deutscher Spra- ten aus. Für den Ungehorsam wig Borchardt (1863–1938) che zu formulieren weiß, mit gegenüber unsittlichen Befeh- entdeckte am 6. Dezember seinem historischen Urteil, len gibt es in der preußischen 1912 bei Grabungen in der das Deutsche Kaiserreich sei Geschichte unzählige Beispie- Ruinenstadt Tell el-Amarna der unmittelbare Vorläufer von le. Wir kennen auch zahlreiche in der damals türkisch-osma- Auschwitz, erweist er sich als Armeebefehle in der preußisch- nischen Kolonie Ägypten die ein Scharlatan. Christian Wolff deutschen Armee, in denen die bemalte Kalksteinbüste der und Christian Thomasius, bei- Soldaten im Kriegsfall zum Königin Nofretete aus dem de Philosophen in Halle, waren anständigen und rücksichts- 14. Jahrhundert vor Christus. die Väter der europäischen vollen Benehmen gegenüber Nofretete war die Hauptfrau und damit auch der preußi- der Zivilbevölkerung des geg- des ägyptischen Königs Ech- schen Aufklärung. Sie prägten nerischen Staates aufgefordert naton. Die Häufigkeit und die geistigen Grundlagen und wurden. Prominenz der Darstellung Traditionen des preußischen einer Hauptgemahlin ist ein- Der Referent Erhardt Bödecker Verhaltens. zigartig in der altägyptischen wurde 1925 geboren, studierte Kunst. Nach der Verdammung Christian Wolff sagte 1725 in Jura, Geschichtswissenschaft des Sonnenkults wurde auch seinem grundlegenden Werk und Wirtschaft. Er war tätig die Erinnerung an Nofretete von dem gesellschaftlichen als Amtsrichter, Verwaltungs- aus der altägyptischen Über- Leben der Menschen und dem richter und Rechtsanwalt. lieferung getilgt. Ihr Grab gemeinen Wesen: „Wollte aber 1966 wechselte er ins Bankfach ist unbekannt. Bei der Auf- die Obrigkeit etwas befehlen, und wurde ein erfolgreicher teilung der archäologischen da wir Unrecht tun müssen, Privatbankier. Funde von Tell el-Amarna als z. B. einen unschuldigen Nach seiner Pensionierung wurde die Nofretete-Büste der Menschen totschlagen, so muss gründete er mit eigenen Mit- Deutschen Orientgesellschaft man alsdann seinen Gehorsam teln das „Brandenburg-Preu- zugesprochen. Sie zählt zu den verweigern. Weil nun das na- ßen-Museum“ in Wustrau bei bekanntesten Kunstschätzen türliche Gesetz zugleich des Berlin. Dieses leitet der 86-Jäh- des alten Ägypten und ist die göttliche Gesetz ist, so muss rige heute noch. Obendrein Hauptattraktion im Ägyp- man solcher Gestalt mehr ge- schrieb Bödecker mehrere Bü- tischen Museum Berlin. Die horchen als dem Menschen.“ cher zum Thema Preußen. 1912 entdeckte Portraitbüste ließ Nofretete in den 1920er- Jahren zu einem Idealbild weiblicher Schönheit werden. (Quelle: Harenberg Anzeige 63x185_neu 07.05.2007 16:03 Uhr Seite 1 Chronik-Kalender) Duschen leicht gemacht! Wie wäre es mal, ganz alleine zu duschen ohne fremde Hilfe? Ein kleiner Einblick Wir bieten Ihnen dafür die perfekten Lösungen. Probieren Sie es aus! in unser großes Sortiment: Sitz Wandmontage, Sitz nach vorne ausziehbar, Sitz seitlich verschiebbar... Rufen Sie uns an! Wir bieten Ihnen individuelle Lösungen! AMS Sanitär- und Rehatechnik GmbH Tel: 0 7138 / 9 4111- 0 Industriestraße 43 · 74193 Schwaigern · www.ams-reha.de · info@ams-reha.de Ausgabe 61 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI 15
Aus dem Orde nsleben Der OMCT – Deutsches Priorat steht seit dem 1. September 2012 auch „in der Tradition der Ritterschaft des Heiligen Römischen Reiches.“ Warum? Obr. Prof. Dr. Helmut Grieser/Obr. Dr. Manfred Rüthlein Da der alleinige Bezug auf den Die Reichritterschaft wurde danach an einigen Beispielen seit 1312 von Papst Klemens erläutert werden, wie das rit- zunächst nicht als Bund an- V. aufgelösten Templerorden terschaftliche Erbe-Verständ- erkannt, erhielt dann aber eine zu große Lücke bis zur nis einzelne Reichsritter zu 1422 von Kaiser Sigismund Gegenwart belässt und der Or- Beginn und am Ende des Heili- (1411–1437) das entsprechen- den zudem vor allem in West- gen Römischen Reiches für das de Privileg. Sie hatte um 1500 europa verankert war, hat der Reichswohl eintreten ließ. die Reichsstandschaft auf den Orden auf dem XXXXVI. Ge- Die Reichsritter entstammten Reichstagen abgelehnt, besaß neralkapitel zu Lüneburg am meist niederadligen Ministe- jedoch eine beschränkte lan- 1. September 2012 einstimmig rialen, mit denen die Staufer desherrliche Gewalt. Seit 1532 beschlossen, „ritterschaftli-dem Reich im 12. Jahrhundert leisteten die Reichsritter frei- ches Streben“ auch nach 1312 erstmals eine Beamtenschaft willige Beiträge zur Abwehr besonders in Mitteleuropa zu zu schaffen versuchten. Sie er- der osmanischen Bedrohung würdigen. In die Präambel der warben ihren Besitz also nicht (Türkenhilfe). Ordensregel vom 4. Oktober durch das Recht des Stärkeren. „Ihre Anhänglichkeit an das 1991 wurde deshalb folgender Vielmehr wurden sie von den Kaiserhaus – zusammen mit Zusatz eingefügt: Kaisern zur Verwaltung des dem Zugang zu den Stifts- „Präambel. In der Sorge um den Reichsguts eingesetzt. Auch pfründen im 17. und 18. Jahr- Zerfall der in Jahrhunderten nach der kaiserlosen Zeit des hundert ein Grund für Kon- gewachsenen Werte des christ- Interregnums (1254–1273) und versionen zum Katholizismus lichen Abendlandes und im der Schwächung der kaiserli- – war ebenso unbestritten wie Streben nach den ritterlichen chen Macht bewahrten viele die Reichstreue. Die stets als reichsritterliche Geschlech- Tugenden des historischen freiwillige Leistung betrach- ter eine enge Bindung an den Templerordens sowie in der teten Abgaben der Ritter an Römisch-Deutschen Kaiser in Tradition der Ritterschaft des das Reich, die sog. Charitativ- Wien und an das Heilige Rö- Heiligen Römischen Reiches, subsidien, unmittelbar an den mische Reich Deutscher Nati- im Versuch eigener geistiger Kaiser bezahlt, waren eine on. Im Reichsdienst fanden sie Vervollkommnung und dem wesentliche Hilfe für dessen nicht nur ihr Auskommen, son- Ziel, Antworten auf brennende finanziellen Handlungsspiel- dern auch ihre Selbstachtung. Fragen unserer Zeit an unsere raum.“ Viele hervorragende Diploma- Gesellschaft zu geben, hat sich ten, Juristen und Soldaten in (Das Land Baden-Württem- der ORDO MILITIAE CRUCIS kaiserlichen Diensten gingen berg, Bd. I, Stuttgart² 1977. – TEMPLI – OMCT – Deutsches aus ihren Reihen hervor. Vgl. auch Pierers Universal Le- Priorat e. V. gegründet.“ xikon, Bd. 13, Altenburg 1861, Am Ende des Heiligen Römi- S. 953f.). I. Gab es überhaupt eine schen Reiches umfasste die verfasste Ritterschaft Reichsritterschaft etwa 350 Fa- II. Konnte sich ein Reichs- des Heiligen Römischen milien (80 im rheinischen Rit- ritter vorstellen, an einer Reiches? terkreis mit etwa 90.000 Un- geistlichen Aufgabe mitzu- Siehe: „Charitativ – Subsidia“! tertanen, 150 im fränkischen arbeiten? – Der Kaiser als Mit diesem Beitrag soll zu- Ritterkreis mit ca. 200.000 Un- Vertreter göttlicher Macht nächst auf den geschichtlichen tertanen). Sie herrschten über Die Reichsritter dienten aber Hintergrund verwiesen und ungefähr 5.000 km². nicht nur dem Kaiser in einem 16 ORDO MILITIÆ CRUCIS TEMPLI Ausgabe 61
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