WeinLese Das Delinat-Magazin Nr. 57, Februar 2020 - 40 Jahre Delinat: Der lange Weg zum Weinbau der Zukunft.
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Das Delinat-Magazin Nr. 57, Februar 2020 WeinLese 40 Jahre Delinat: Der lange Weg zum Weinbau der Zukunft.
Bild: Hans Wüst Honig aus Europas Bienen- Paradiesen Paket helle Sortenhonige www.delinat.com/9455.31 G eniessen Sie unsere delikaten Bienenhonige aus Paket dunkle Sortenhonige biologischer Produktion. Ob an den sonnigen www.delinat.com/9460.31 Terrassen der Amalfiküste, in gelb leuchtenden Sonnenblumenfeldern der Provinz Molise, in mächtigen Edelkastanienbeständen Asturiens oder in saftig grünen Robinienwäldern der bulgarischen Stara-Region – überall suchen unsere zertifizierten Bioimker die besten Weiden für ihre Bienenvölker. Paket bunt gemischt www.delinat.com/9470.29 Mit unseren drei Probierpaketen bieten wir Ihnen ein exklusives Angebot an unverfälschten, natürlichen Biohonigsorten aus europäischen Regionen, wo sich die Bienen noch wie im Paradies fühlen. Ein Hochgenuss für alle Honigliebhaber. Auch als Geschenk beliebt!
In dieser Ausgabe «Wer keine Ideen hat, feiert Jubiläen» Karl Schefer, Delinat-Gründer Schwerpunkt 40 Jahre Delinat 1980 begann Karl Schefer, den biologischen Weinbau salonfähig zu machen. Der lange und kompromisslose Weg eines Schweizer Familienunternehmens. Seite 6–25 Weinabo Motivierte Päcklimacher 1980 begannen Astrid und Karl Schefer, in ihrem Seit einem Jahr werden die kleinen Haus im Appenzellerland Weinpakete zu DegustierService-Pakete von schnüren und verschickten diese an ein paar Dutzend der Lebenshilfe Lörrach, einer Kunden, die sich damals für Biowein interessierten. Es Institution, die sich um war der Anfang des Schweizer Familienunternehmens behinderte Menschen Delinat. In den vergangenen 40 Jahren ist es ständig kümmert, gefertigt. gewachsen und gleichwohl ein typisches, Seite 26–27 erfolgreiches Familienunternehmen geblieben. Genuss Karl Schefer ist kein Freund von Jubiläen. «Wer keine Ideen hat, feiert Jubiläen», pflegt er zu sagen. Auch Lust auf Zurückblicken ist nicht sein Ding. Viel lieber schaut er Wintergemüse vorwärts, entwickelt neue Visionen und versucht, Der Winter ist die ideale diese mit adäquaten Projekten umzusetzen. Dabei legt Jahreszeit, um neue Gemüse- er noch immer gerne selber Hand an – im Grossen rezepte auszuprobieren. wie im Kleinen. Peter Kropf verrät seine Lieblingsgerichte. Mit dem Schwerpunktthema in diesem Heft soll also Seite 29–31 kein Jubiläum gefeiert werden. Vielmehr geht es darum, einen Einblick zu geben in eine unglaubliche Kurz & Bündig Metamorphose, die im Weinbau möglich ist, wenn Spannende Kurznachrichten aus der Weinwelt und von eine verschworene Gemeinschaft gemeinsame Sache Delinat-Weingütern. Seite 5 macht. Noch ist der biologische Weinbau weltweit längst nicht dort, wo er sein sollte. Mit Überzeugung, Für helle Köpfe Ausdauer und Kreativität kann es aber gelingen, immer Gewinnen Sie beim grossen WeinLese-Rätsel mit etwas mehr qualitativ hochwertige Weine aus Rebbergen mit Glück eines von fünf DegustierService-Paketen «Exklusiver reicher Biodiversität zu erzeugen. Zum Wohle aller Rotwein» für ein Jahr. Seite 28 Weinliebhaber und der Natur. Eintauchen in die Weinwelt Ein vielfältiges Kurs- und Reiseprogramm lädt auch dieses Ich wünsche Ihnen erhellende Lektüre bei einem Jahr zum Eintauchen in die faszinierende Delinat- feinen Glas Delinat-Wein. Weinwelt. Beilage in diesem Heft. Hans Wüst, Redaktor WeinLese Nr. 57, Februar 2020 3
Buchtipps von Peter Kropf Leidenschaftlich Handlich Glücklich Andreas Caminada, einer der Ein Kochbüchlein, das man gerne Das Buch des bekannten Sternekochs bemerkenswertesten Köche Europas, mitnimmt ins Wochenende oder Rainer Hensen beginnt mit kurzen, überrascht mit seinem ersten Buch. in den Urlaub. Gegliedert in drei reich bebilderten Gourmetgeschichten Untertitel: «Meine einfache Küche». Kapitel: Rezepte für jeden Tag, zum Einstimmen aus kulinarisch Caminada präsentiert einfache Gerichte kleine Gerichte für den Lunch interessanten Regionen Europas. Dann seiner Heimat, so zubereitet und unterwegs und umfassendere folgen die Rezepte, komponiert nach präsentiert, dass sie zum Hochgenuss Gerichte fürs Wochenende. dem Grundsatz «saisonal, regional, für Auge, Nase und Gaumen werden. Dazu gibts wertvolle Tipps: gute bio» und unterteilt in die Kapitel «Essen Dazwischen Geschichten zu Produkten Eiweisslieferanten, Küchenhelfer für die wie früher», «Kochen für und mit und den Menschen dahinter; Gemüsezubereitung, Zutatenkombis Freunden», «Kochen für besondere wunderschön bebildert: ein grosser nach Jahreszeit. Vegane Gerichte sind Gäste» und «Zeit zu zweit». Wurf. gekennzeichnet. Andreas Caminada: Pure Leidenschaft Martina Kittler: Vegetarisch Rainer Hensen: Vom Glück beim Essen AT-Verlag, Aarau und München Gräfe und Unzer Verlag, München Christian Verlag, München ISBN 978-3-03902-028-7 ISBN 978-3-8338-6622-7 ISBN 978-3862446933 Meine Empfehlung: «Casetta Der Valpolicella La der Gebrüder Fasoli ist ein italienischer Klassiker schlechthin. Jahrgang für Jahrgang arbeiten die Fasolis an den Details, um diesen Wein weiter zu perfektionieren. So begeistert auch die Abfüllung 2017 – in neuem Valpolicella DOC 2017 Kleid. » Martina Korak, Önologin und Valpolicella La Casetta Einkäuferin bei Delinat. www.delinat.com/2157.17 4
Kurz & bündig Winzer des Jahres im schen Weinelite. Im November 2019 Tragisches wurden sie und ihre Riesling-Weine vom Languedoc Insektensterben Weinguide «Gault&Millau» mit neuen daw. Seit der weltweit beachteten Lorbeeren überschüttet. Battenfeld-Spa- «Krefelder Insektenstudie» ist bekannt, nier erhielt die höchste Auszeichnung dass der Bestand an Fluginsekten selbst von 5 Trauben und steigt damit zum in Naturschutzgebieten in den letzten Weltklasse-Weingut auf. Kühling-Gillot 30 Jahren um über 70 Prozent zurück- wurde mit 4 Trauben ausgezeichnet gegangen ist. Neuste Ergebnisse einer (deutsches Spitzenweingut). Delinat Studie der Technischen Universität arbeitet seit rund fünf Jahren mit Oliver München mit einem internationalen Spanier und Carolin Spanier-Gillot zu- Forscherteam zeigen ein noch schlim- sammen. meres Bild: Alleine in den letzten neun Jahren ging in den jährlich erprobten emh. «Le Guide Hachette des Vins», der Rückhaltebecken Gründlandstandorten die Biomasse älteste und meistverkaufte Weinführer überflutet um 67 Prozent, die Individuenzahl um 78 Prozent und die Artenzahl um 34 Frankreichs, hat Delinat-Winzer Louis Prozent zurück. Betroffen sind auch die Fabre von Château Coulon zum Winzer Insekten im Wald. Hier ging die Insekten- des Jahres 2020 im Languedoc ge- masse zwischen 2008 und 2017 um 41 kürt. Louis Fabre repräsentiert eine der Prozent zurück, und die Artenvielfalt sank ältesten Winzerfamilien im Languedoc um 36 Prozent. Laut Studie steht das – ihre Geschichte geht bis auf das Jahr Insektensterben in direktem Zusammen- 1605 zurück. Mit der Auszeichnung zum hang mit der heute praktizierten Land- Winzer des Jahres werden vor allem und Forstwirtschaft. Die an der Studie das über 30-jährige Engagement für beteiligten Wissenschaftler fordern einen den biologischen Weinbau sowie die Paradigmenwechsel in der Naturschutz- Verdienste als Botschafter der Weine aus und Landnutzungspolitik auf nationaler dem Languedoc gewürdigt. «Wir freuen und internationaler Ebene. Es besteht uns sehr über diese Auszeichnung. Es dar. Unermüdlich hat Winzer Carlos Laso der Verdacht, dass das Insektensterben ermuntert uns, auf dem eingeschlage- auf seinem Weingut Pago Casa Gran im verheerende Folgen für die Bodenfrucht- nen Weg weiterzugehen», erklärt Louis Hinterland von Valencia in den vergan- barkeit und die Befruchtung von Obst-, Fabre. genen Jahren im Sinne der Permakultur Gemüse- und Feldkulturen hat. Dies- viele Retentionsflächen für Regenwasser bezüglich liegen aber noch zu wenig geschaffen. Im vergangenen September Aufstieg in die Weltklasse wurden nach überaus heftigen Gewit- konkrete Forschungsergebnisse vor. tern alle Rückhalteflächen überflutet, mit Sedimenten gefüllt und teilweise beschä- Naturkork im Aufwind digt. Dank den Permakulturmassnahmen mak. Korkindustrie Trier, ein deutscher konnten noch grössere Schäden durch Veredelungsbetrieb für Naturweinkor- Überschwemmungen und Erosion ver- ken und Sektkorken im hochwertigen hindert werden. Das Wetterphänomen Bereich, feiert 2020 das 10-jährige Jubi- «La Gota Fría» ist an der spanischen läum des OrganiQork. Dieser Naturkor- Ostküste bekannt; so hart wie im ver- ken kommt ganz ohne Bleichung und gangenen Herbst traf es die Region aber synthetische Behandlungsmittel wie Si- seit drei Jahrzehnten nicht mehr. Carlos likon und Paraffin aus. Der ungebleichte Laso will nun noch mehr und noch Korken wird nur mit Bienenwachs und emh. Die beiden biodynamischen Wein- grössere Retentionsflächen realisieren, pflanzlichen Ölen beschichtet. Mitt- güter Battenfeld-Spanier und Kühling- um für solche Ereignisse besser gerüstet lerweile umfasst diese ökologische Gillot in Rheinhessen, die vom Ehepaar zu sein und auch in langen Trockenpe- Korklinie ein Drittel der Produktion von Oliver und Carolin Spanier-Gillot geführt rioden über genügend Wasserreserven Korkindustrie Trier. Delinat verwendet werden, gehören schon länger zur deut- für seine Reben zu verfügen. diese Korken seit rund fünf Jahren. WeinLese Nr. 57, Februar 2020 5
40 Jahre Delinat Vor 40 Jahren begann Karl Schefer mit dem Verkauf von Metam im Wei Wein aus biologischem Anbau. Bioweine waren damals sauer, kaum geniessbar und stammten aus Rebbergen mit öder Monokultur. Heute gleichen die Delinat-Weinberge wahren Naturparadiesen, und die Weine überzeugen mit grossartiger Qualität. Doch das reicht dem Delinat-Chef nicht. Ein Gespräch über den langen Weg zum Weinbau der Zukunft. 6
40 Jahre Delinat Karl Schefer, 1980 war biologischer tern, Hecken, Bäumen und damit in konventionellen Winzern und dem Weinbau in Europa kein Thema, heute einer gewissen Konkurrenz, gegen die Weinhandel den Kampf angesagt. ist er Trend. Wie viel hat Delinat zu sie sich zu wehren lernen. Sie werden Wie hast du die damalige Zeit in dieser Entwicklung beigetragen? robuster und gesünder, mit kräftigen, Erinnerung? Karl Schefer: Delinat hat als erstes und aromatischen Trauben, aus denen guter Das war gleichermassen eine sehr harte wohl als einziges Unternehmen Genuss Wein entsteht. Das alles schreiben die wie auch eine äusserst spannende und und Lebensfreude mit kompromissloser Delinat-Richtlinien vor, setzen die anregende Zeit, die ich nicht missen Qualität gepaart. «Mit gutem Gewissen Rahmenbedingungen, bieten Lösungen möchte. Es fehlte uns an Wissen, Geld, geniessen» war ein Spruch, mit dem wir an. Kurz: Bio geht auch in Monokultur, Infrastruktur und vor allem an Mit- damals auf den Unterschied aufmerk- Delinat nicht. streitern. Weinhandel und Behörden hat- sam gemacht haben. Zum guten Ge- ten sich geschlossen gegen uns gestellt. wissen trug zweierlei bei: sich selbst mit Eine geniale Idee war das Weinabo Genau genommen hatten wir nur eines: gesundem Wein zu verwöhnen, der frei DegustierService. Wie bist du darauf die sichere Überzeugung, dass unsere von Schadstoffen ist. Und zweitens mit gekommen? Idee richtig ist. Dass natürlich ge- jedem Schluck etwas für die Natur zu Das war 1987, knapp sieben Jahre nach wachsener Wein besser sein muss. Be- tun. Delinat war in den 80er-Jahren das dem Start. Zugegeben: Unsere damali- seelt von dieser Idee, haben wir die not- einzige Unternehmen, das konsequent gen Weine waren heterogen, manchmal wendige Kraft geschöpft, die es brauchte, auf Bio gesetzt hat, ohne um einige Dutzend Abstürze dabei den damals üblichen zu überwinden. Kraft gaben Mahnfinger zu heben. Der «Weinhandel und uns die damaligen Winzer-Pio- Erfolg liess nicht lange auf niere, die wie wir vom Grund- sich warten, und damit Behörden hatten sich geschlossen gedanken überzeugt waren. waren wir das ideale Vorbild gegen uns gestellt.» Schon 1982 trafen sich sieben für grosse Weinfirmen. Es charismatische Persönlich- gibt heute so gut wie keine keiten im appenzellischen Weinanbieter mehr, die nicht auch Bio- echt Spitze, oft aber auch reine Speicher, wo wir in drei Tagen die ersten weine haben. Insofern haben wir den Geschmackssache. Auch waren die Delinat-Richtlinien formuliert haben, die Markt geöffnet und entwickelt. Wahr- Unterschiede von einem Jahrgang zum 1983 in Kraft traten. Das war die Geburts- scheinlich wäre die Entwicklung ohne nächsten deutlich grösser als bei kon- stunde des Bioweins, weil diese Richt- Delinat langsamer gewesen, und es ventionellen Weinen. Aus zwei Gründen: linien, anders als alle anderen, auch die gäbe heute wohl nur einen kleinen Teil Erstens greifen naturverbundene Winzer Weinbereitung und nicht nur die Trauben- des aktuellen Bioangebots. grundsätzlich nur sanft in die Wein- produktion definiert hatten. Darauf waren bereitung ein. Und zweitens waren die wir sehr stolz. Was unterscheidet Delinat-Weine von Techniken der natürlichen Wein- anderen Bioweinen? produktion damals noch wenig ent- Wie war es möglich, über hundert Wenn ein Winzer in der Hoffnung auf wickelt. Alle Delinat-Winzer waren Pio- Biowinzer in ganz Europa von solch bessere Preise ein Biozertifikat anstrebt, niere, mussten alles neu erfinden – es strengen Richtlinien zu überzeugen? dann kann er beinahe so weitermachen gab keine Rezepte. Weil wir unsere Kun- Es gab in den 80er-Jahren eine stete Ent- wie bisher. Er muss lediglich die che- dinnen und Kunden nicht enttäuschen wicklung in «unsere Richtung». Die inno- misch-synthetischen Pestizide durch wollten, haben wir stets empfohlen, vativsten Winzer haben natürlich auch «biokonforme» ersetzen. Seine Denk- einen neuen Jahrgang vor dem Kauf zu rasch von Delinat gehört und sich erkun- weise ändert er nicht: Er betreibt Mono- probieren, auch wenn der letzte gefallen digt, was es braucht, um in unser «Netz- kultur und damit einen Dauerkampf hat. So kam die Idee wie von selbst: Die werk» aufgenommen zu werden. Noch gegen Schädlinge und Krankheiten. De- Degustation im Abo – der DegustierSer- heute vergeht kaum eine Woche, in der linat-Winzer tun alles, um diese Mono- vice – war geboren. wir nicht von neuen Winzern kontaktiert kultur zu durchbrechen und natürliche werden. Doch die wenigsten eignen sich Kreisläufe zu fördern. Je grösser die Viel- Bereits 1983 hat Delinat eigene, als Partner. Viele hoffen einfach auf hö- falt, desto geringer die Probleme. Die strenge Biorichtlinien eingeführt here Preise und Verkaufsmengen. Die Reben leben in Nachbarschaft mit Kräu- und damit der Agrochemie, den besten aber schauen wir genau an, und 8 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
Bilder: Esther Michel Delinat-Gründer Karl Schefer: «Am Anfang fehlte es uns an Wissen, Geld, Infrastruktur und Mitstreitern. Genau genommen hatten wir nur eines: die sichere Überzeugung, dass unsere Idee richtig ist.» wenn es klappt, sind wir die besten Part- technische Möglichkeiten, dies inner- ser Berater holt jeden Winzer dort ab, wo ner, die sich Winzer wünschen können. halb kurzer Zeit umzusetzen. Etwa effizi- er ist, und motiviert ihn zum nächsten Sie bekommen Weiterbildung, fundierte entere Spritzmaschinen oder neue Reb- Schritt, begleitet ihn in schwierigen Pha- Beratung auf allen Ebenen und einen sorten, die gegen Mehltau resistent sind. sen und hilft auch mal mit externen Fach- sehr langfristigen, sicheren Absatz. Über- Bis die neuen Sorten Ertrag haben, dauert leuten. Wer heute 1 Delinat-Schnecke zeugen mussten wir noch nie hat, soll 2 erreichen können, – wenn der eigene Antrieb wer 2 hat, soll 3 anstreben. Die fehlt, dann klappt es nicht. Motivation zum Aufstieg ist «Unsere Richtlinien entwickeln sehr gross. Die Richtlinien wurden sich ständig weiter. Das kann über die Jahre zu Längst gilt das Delinat- einem Stufenmodell manchmal ganz schön schwierig Label als Massstab für mit 1 bis 3 Schnecken werden.» einen biologischen entwickelt. Weshalb dieses Weinbau, der diesen Namen «Schneckensystem»? verdient. Unabhängige Unsere Richtlinien entwickeln sich stän- es aber mindestens fünf Jahre. Manche Stellen wie WWF Schweiz oder dig weiter. Das kann manchmal ganz unserer langjährigen Partner setzen im- Konsumentenschutz bestätigen das schön schwierig werden, vor allem für mer gleich alles sofort um, auch wenn es immer wieder. In welche Richtung grössere Betriebe. Wenn zum Beispiel momentan schmerzt. Andere brauchen entwickeln sich die Richtlinien weiter? die tolerierte jährliche Kupfermenge re- mehr Zeit. Mit dem Stufensystem kann Es gibt zwei Hauptthemen: robuste neue duziert wird, dann gibt es nur wenige das hervorragend abgebildet werden. Un- Rebsorten (PIWI), die resistent gegen WeinLese Nr. 57, Februar 2020 9
Bild: Karl Schefer Karl Schefer mit Sohn Nicolas, Hündin Muscat, Tochter Arina und Ehefrau Astrid. Krankheiten sind, und Permakultur, um Ende April bis Mitte Mai bereits in voller Klimawandel einstellen: Dank Perma- den zunehmenden Wetterxtremen trot- Blüte stehen. Noch dramatischer aber kultur werden sie die langen Trocken- zen zu können. Ausserdem sollen Deli- wirken sich die Wetterextreme aus: zeiten und die Starkregen besser über- nat-Winzer klimaneutral werden, so viel Starkregen werden häufiger und intensi- stehen, und dank resistenter neuer Energie selbst erzeugen, wie der Betrieb ver und wechseln sich mit langen Rebsorten wird die Widerstandskraft der braucht. Darüber hinaus gilt es, auch die Trockenperioden ab. Pflanzen noch einmal deutlich zu- Transporte vom Weingut zum End- nehmen. kunden energie- und klimaneutral zu ge- Sind Delinat-Winzer gegen stalten, Rohstoffe in Kreisläufen zu hal- Klimawandel besser gerüstet, als Kupfer und Schwefel zur Bekämpfung ten. Wir entwickeln uns weiter vom andere? von Krankheiten sind ein Problem im nachhaltigen zum regenerativen Wein- Ja, deutlich. Schon bevor wir mit Perma- biologischen Weinbau. Gibt es eine bau, bei dem es nicht darum geht, kei- kultur zu experimentieren begannen, Lösung? nen Schaden anzurichten, sondern waren Delinat-Weingüter im Vorteil. Zum Auch hier helfen die neuen resistenten Schäden aus früheren Sünden wieder einen erleichtert die Biodiversität mit der Rebsorten. Sie müssen nicht mehr mit heilen zu lassen. starken Durchwurzelung des Bodens das Kupfer oder Schwefel gespritzt werden. Einsickern, was besonders bei Stark- Zum Glück sind in den letzten zwei Jahr- Was bedeutet der Klimawandel für regen von grosser Hilfe ist. Es gibt weni- zehnten in der Züchtung grosse Fort- den Weinbau? ger Erosion, und das Grundwasser wird schritte erzielt worden, nicht nur, was die Den Klimawandel spüren die Weinreben «nachgefüllt». Zum andern sind Reben, Resistenz, sondern vor allem auch, was in allen Zonen, schon seit Jahrzehnten. die bei Delinat-Weinbergen in Konkur- die Qualität betrifft. Unser Ziel war schon Im Durchschnitt findet die Ernte heute renz zu Kräutern, Gräsern und Hecken immer, langfristig auf Kupfer verzichten 14 Tage früher statt als 1980, im Geburts- stehen und die nicht dauernd mit Pesti- zu können. In den letzten 25 Jahren jahr von Delinat. Es wird immer schwie- ziden vor Feinden und Krankheiten ge- konnte die durchschnittliche Menge hal- riger, leichte Weine zu keltern, weil die schützt werden, deutlich widerstands- biert werden, und das wird so weiter Trauben schon vor der Reife viel Zucker fähiger als konventionelle Reben, die wie gehen, bis das Mittel nicht mehr ge- angereichert haben. Auch Frostschäden Kranke am Tropf hangen. Mit unseren braucht wird. nehmen zu, weil der Frühling früher zwei Stossrichtungen, die wir seit eini- kommt und wärmer ist, sodass die gen Jahren prioritär verfolgen, werden Welche Anstrengungen unternimmt Reben in der frostgefährlichen Zeit von unsere Winzer sich noch besser auf den Delinat bezüglich leichterer Wein 10 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
40 Jahre Delinat flaschen, Mehrfachnutzung der Weinkartons haben wir in diesem Jahr ger betätigen, als Gestalter, als Erzeuger Flaschen und Weintransport? bereits ein Mehrweg-System einführen für eigenständigen Wein. Statt stupide In der Ökobilanz des Weinkonsums trägt können. In der Schweiz funktioniert das auf dem Traktor zu sitzen und den Boden die Produktion des Weins natürlich den schon sehr gut, in Deutschland müssen totzufahren, statt die Umwelt und sich grössten Anteil von über 50 Prozent. In wir besser werden. selbst zu vergiften. Der Weinberg kann diesem Bereich schneiden Deli- zum Paradies werden. nat-Weine deutlich besser ab als kon- Deine Vision für den Weinbau der ventionelle. Schon an zweiter Stelle aber Zukunft? folgt die Weinflasche. Das Herstellen Resistente Rebsorten wachsen ohne Ich danke dir von und auch das Einschmelzen von Glas Dünger und ohne Pestizide in reicher Herzen, Astrid verbrauchen grosse Energiemengen. Wir Biodiversität. Weinberge gleichen Natur- achten daher darauf, möglichst leichte parks, sind Refugium für seltene Arten. Es wäre ohne die unermüdliche Hilfe mei- Weinflaschen zu verwenden, sind aber Es blüht in schönsten Farben, Schmetter- ner Frau unmöglich gewesen, mein mit dem Resultat noch nicht zufrieden. linge tanzen, Vögel singen. Wo einst 70-Stunden-Pensum langfristig aufrecht zu Oft streiten sich die Designer mit den Warnschilder mit Totenkopf vor Pestizi- halten. Sie hat mich nicht nur in jeder Bezie- Ökologen – gestylte, schwere Flaschen den warnten, laden Schautafeln zum hung unterstützt, Haushalt und Familie ge- sehen halt wertiger aus und vermitteln Verweilen ein, markierte Wanderwege managt, sondern sie war auch seit Beginn Vertrauen. So gibt es auch in unserem führen durch den «botanischen Wein- meine wichtigste Gesprächspartnerin und Sortiment einige schwere Flaschen, die garten», der nicht nur die besten Weine kritische Stimme bei heiklen Themen. Sie mehr Ressourcen verbraucht haben als erzeugt, sondern Erholungsort für Men- hat mir Rückhalt und Sicherheit gegeben, andere. 2020 wollen wir das Durch- schen und Zufluchtsstätte für Insekten, meine Kräfte mobilisiert und mich in Tief- schnittsgewicht um weitere 10 Prozent Reptilien, Vögel, Igel und alle ist, die wo- punkten begleitet. Delinat gäbe es ohne sie reduzieren, und langfristig hoffen wir, anders keinen Lebensraum mehr finden. nicht in der heutigen Form. wie früher wieder Mehrweg-Glas- Und der Winzer darf sich zum ersten Mal Karl Schefer flaschen einführen zu können. Bei den seit einem Jahrhundert wieder als Pfle- Ein Anfang ist gemacht, doch noch längst nicht überall tummeln sich Schmetterlinge im Weinberg. Bild: Marçal Font Bild: Patrick Rey 11
Vinya 40 Jahre LaiaDelinat 2010 Inkrafttreten der neuen Delinat- Richtlinien. WWF Schweiz und Stiftung für Konsumentenschutz zeichnen sie mit dem Prädikat «sehr empfehlenswert» aus. 2011 2017 Eröffnung des Delinat-Zentrallagers bei Ende 2017 geht die über 20-jährige Rhenus in Weil am Rhein. Ära von Sylvia und Uwe Fahs als Gastgeberpaar auf Château Duvivier zu 2012 Ende. Der Ferienbetrieb wird nach einem Eröffnung des Weindepots in Basel. neuen Konzept weitergeführt. 1980 2018 Gründung von Delinat durch Karl Schefer 2012 im appenzellischen Speicher in der Aufbau eines Kurs- und Reiseprogramms Schweiz. mit dem Ziel, praxisnahen Einblick in den Weinbau nach der Delinat-Methode zu 1983 ermöglichen. Erste Delinat-Richtlinien für kontrolliert biologischen Weinbau. Die Permakultur hält Einzug auf dem 1987 Weinbaubetrieb von Château Duvivier. Einführung DegustierService (Weinabo). 2018 In Bern wird die erste Delinat-Weinbar, in Zürich ein Weinshop und in Winterthur ein 2013 Weindepot mit Bistro eröffnet. Delinat wird in der Kategorie «Bio diversität» mit dem Deutschen CSR-Preis 2019 für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. 1990 Kauf des Weinguts Château Duvivier in der 2014 Provence. Delinat-Gründer Karl Schefer wird mit dem renommierten Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz ausgezeichnet. 1991 Gründung von Delinat Deutschland. Delinat nimmt Logistik und Weinversand 2015 1994 Delinat kürt erstmals «Biodiversitätswinzer wieder in die eigenen Hände, eröffnet in Eröffnung der Ferienresidenz auf Château Grenzach-Wyhlen ein neues Zentrallager des Jahres». Es sind dies für das Jahr 2015 und führt neue Kartonrückgabe-Systeme Duvivier. Josep Maria Albet i Noya (Penedès) und ein. Massimo Maggio (Sizilien). 1998 Eröffnung des Weindepots St. Gallen. 2016 2019 2004 Erik Bergmann und Lolita Roche treten In Hamburg wird der erste Delinat- WWF und Konsumentenschutz-Organi die Nachfolge von Antoine Kaufmann Weinshop in Deutschland eröffnet sationen der Schweiz zeichnen das Delinat- als Winzer auf Château Duvivier in der Label mit dem höchsten Prädikat aus. Provence an. 2020 40 Jahre Delinat: Es werden vier 2009 2017 Jubiläumsweine angeboten, die den Eröffnung der Weindepots Bern und Der DegustierService Premium wird als Namen «vierzig» in der jeweiligen Olten. 7. Delinat-Weinabo eingeführt. Landessprache tragen 12 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
Wie der Vater, so die Tochter: Arina Schefer ist seit zwei Jahren ebenfalls bei Delinat tätig. Als ausgebildete Öno- login macht sie derzeit Bekanntschaft mit den vielen Facetten des Familien- unternehmens. Arina, was hat dir am Önologie- Studium besonders gefallen und wie hilft es dir in deiner Arbeit? Arina Schefer: Die Vielseitigkeit des Öno- Bild: Karl Schefer logie-Studiums, von der Pflanzung der Rebe über das Wachstum, die Ernte und die Vinifizierung der Trauben bis hin zur Vermarktung des Weins, hat mich immer wieder mit Begeisterung erfüllt. Auch Arina Schefer in den Weinbergen von Daniel Coulon in Châteauneuf-du-Pape. bot das Studium neben dem Weinwissen einen Blick über den Tellerrand. Durch die Arbeit auf verschiedenen Weinhöfen, Duvivier. Dieser romantische Ort war für Als Delinat 1980 entstand, warst unter anderem in der Provence, in Kata- mich bereits in meiner Kindheit wie ein du noch gar nicht auf der Welt. lonien und im Piemont, konnte ich zweites Zuhause. Heute bereitet es mir Wie hast du die Entwicklung eures Theorie mit Praxis verknüpfen. Zur Ver- grosse Freude, den Aufenthalt für Gäste Familienunternehmens erlebt? ständigung mit Delinat-Winzern sind besonders erholsam zu gestalten und Delinat war stets ein Teil unserer Familie, meine dort erlangten Sprachkenntnisse die Entwicklung des Weinbaus vorwärts unserer Identität. Ich war schon immer von hohem Nutzen. zu treiben. stolz darauf, sagen zu können, dass meine Eltern das auf die Beine gestellt Derzeit schnupperst du in allen Was interessiert dich mehr: Wein oder haben. Selbstverständlich gab es neben Bereichen und verschaffst dir so einen Natur? den Erfolgen auch Tiefschläge, die der praxisbezogenen Einblick in die Firma. Beides, im Einklang. Während meines Familie zu schaffen gemacht haben. Sol- Wie sind deine bisherigen Eindrücke? Studiums habe ich eine Leidenschaft für che Zeiten habe ich dennoch positiv in Es ist unglaublich spannend, alle Be- die Wissenschaft des Weins entwickelt. Erinnerung, denn wir haben es immer reiche kennenzulernen. Mit jeder neuen Und doch musste ich mit Schrecken geschafft, das Beste daraus zu machen Aufgabe und durch die Unterstützung feststellen, wie weit sich der kon- und optimistisch zu bleiben. unserer erfahrenen Mitarbeiter lerne ich ventionelle Weinbau von den natür- viel Neues und verstehe die komplexen lichen Herstellungsverfahren entfernt Für eine erfolgreiche Zukunft wird es Zusammenhänge unserer wichtig sein, neue und vor Firma immer besser. Ver- allem auch junge Leute für netztes Denken ist gefragt – «Es ist unglaublich Delinat-Wein zu begeistern. das ist spannend und mobi- lisiert meine natürliche spannend, alle Bereiche Wie schafft man das? Es ist sicher wichtig, ein Neugier. kennenzulernen.» Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es besonders bei Genuss- Was gefällt dir besonders mitteln wie Wein wichtig ist, gut? hat. Man spricht zwar oft von Tradition, wie diese erzeugt werden. Der nach- Der Kontakt zu unseren Produzenten, zu aber die Tradition des konventionellen haltige und ökologische Anbau spiegelt den Produkten und deren Entwicklung Weinbaus reicht nicht weiter als 100 sich in der Qualität wieder. Begeisterung ist unglaublich anregend. Hier kann ich Jahre zurück. Traditioneller Weinbau für Delinat-Wein entwickelt sich beim das im Studium erlangte Wissen ein- wäre ökologisch, ohne Pestizide oder ersten Schluck. Wir haben schon immer setzen und meine Kompetenzen ein- sonstige chemische Spritzmittel, denn mit unserer Produktqualität überzeugen bringen. Zu meinen Hauptaufgaben ge- diese wurden erst während der Chemie- können, und ich denke, das wird auch hört auch die Betreuung von Château wende erschaffen. der Weg in die Zukunft sein. WeinLese Nr. 57, Februar 2020 13
40 Jahre Delinat Andere Wege gehen pische Werbeversprechen in knallig-blin- kenden Bannern nicht mehr funktionie- ren. Es ist leider eine neue Marktrealität: Ohne gewisse Plattformen lassen sich Konsumenten heute kaum mehr errei- chen. Aber es gibt auch nachhaltigere Wege, seine Botschaften zu verankern. Geschichten und Gesichter Michel Fink, Leiter Marketing Delinat ist seit Beginn von Pionier-Ge- Am 6. Dezember 2019 hat Delinat in schichten geprägt. Karl Schefer hat ers- Hamburg den ersten Weinshop in te Biorichtlinien eingeführt, als Europa Deutschland eröffnet – ein weiterer noch nicht einmal wusste, was «Bio» Meilenstein in unserer Geschichte. denn bedeutet. Mitte der 80er-Jahre ehrlich – nun mal einfach vergorener Während etablierte Detailhändler auf- wurde mit einem Weinabo ein Vermark- Traubensaft ist. (Das schreibt übrigens je- grund des zunehmenden Drucks des tungsmodell für ein Konsumgut ge- mand, der Wein für die genussvollste Er- Onlinehandels Filiale um Filiale schlies- schaffen, das man bis dahin nur bei der findung auf Erden hält.) Es ist auch nicht sen, setzen wir als Versandhändler ver- Presse kannte. In den 90er-Jahren hat nur der Top-Kundenservice oder das fai- stärkt auf stationäre Konzepte. Unge- Delinat mit Weinbauforschung begon- re Preis/Genuss-Verhältnis, das den Un- wöhnlich. Aber doch so typisch für De- nen, um das möglich zu machen, was terschied macht. Es sind die Emotionen linat. bis dahin im Weinbau als unmöglich galt. und Geschichten, die der Weinfreund Letztes Jahr haben wir als erster Ver- damit verbindet. Früher war das Leben als «Marketer» ein- sandhändler in Europa ein Rückgabesys- facher. Mit «früher» meine ich nicht nur tem für Weinkartons eingeführt. Und die Zeit bis in die späten 90er-Jahre, in bald werden wir uns auch des Themas Offline entdecken der man mit einen ganzseitigen Inserat Glasflaschen annehmen, einer der we- und dem Wort «Biowein» Hunderte von sentlichen Faktoren der Ökobilanz. Die- – online zum Stamm- Bestellungen auslösen konnte. Ich den- se Liste könnte beliebig fortgeführt wer- kunden werden ke dabei gerade auch an die jüngere Ver- den. Und sie kann ergänzt werden mit all gangenheit, in der man seine Botschaf- den grossen und kleinen Geschichten In diesem Wissen hat Delinat vor allem ten im Internet noch ohne grossen Lärm von fleissigen Delinat-Winzern, deren auch in jene Bereiche investiert, in de- verbreiten und trotzdem eine breite Kon- mutigen Ideen und Innovationen sowie nen wir Geschichten besonders gut an sumentenschicht erreichen konnte. Wir ihren paradiesischen Weinbergen. den Weinfreund bringen können. In Er- Marketingmenschen haben eine beson- lebnisse zum Beispiel. Wir bieten heute dere Gabe dafür, Kommunikationsplatt- Das ist es letztlich, was Delinat von je- 150 Weinkurse in 30 Städten an und kön- formen so lange auszupressen, bis sie dem anderen Weinhändler unterschei- nen dadurch jedes Jahr über 2000 Kun- ohne massive Preisnachlässe oder uto- det. Nicht das Produkt, das – sind wir den nachhaltig begeistern. Noch besser 14 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
Bild: Kerstin Bittner Hier werden seit Dezember 2019 Weine aus reicher Natur ausgeschenkt, lehrreiche Kurse angeboten und spannende Geschichten erzählt: der neu eröffnet Delinat-Weinshop mit Bistro im Stadtzentrum von Hamburg. funktioniert das «Storytelling» natürlich dass uns das – verbunden mit Weinkur- unsere Tropfen allen bewussten Konsu- im Weinberg selbst: Auf aktuell zehn sen und Events – nun auch in Deutsch- mentinnen und Konsumenten in Europa Weinreisen erzählen die Winzer vor Ort land gut gelingen kann. Der Weinshop in zugänglich zu machen. Und damit zu be- von ihrer Arbeit, ihren Herausforderun- den Städthöfen Hamburg ist ein erster weisen, dass Ökologie und Ökonomie gen und von der Schönheit der Natur. Versuch. Ganz im Delinat-Stil werden wir sehr wohl im Einklang funktionieren kön- Und sie zeigen den Besucherinnen und auch dort die Gelegenheit nutzen, ver- nen. Besuchern, wie dank der Delinat-Metho- schiedene Gastronomie-, Kurs- und An- de endlich wieder Schmetterlinge in den gebotsformen zu testen. Was unsere Ich werde von Kunden oftmals gefragt, Weinbergen fliegen. Das kann kein Inse- Gäste begeistert, werden wir 2020 an ob es denn wirklich nötig ist und es zu rat und kein Online-Banner. unserem zweiten Standort in München Delinat passt, immer weiter wachsen zu multiplizieren. Weitere werden folgen. wollen. Meine Antwort ist dabei stets die- Besonders gut können Geschichten im selbe: Der Weinverkauf ist und war nie persönlichen Kontakt und bei einem gu- das eigentliche Unternehmensziel von ten Glas Wein erzählt werden. In der Weinfreunde in ganz Delinat. Es ging immer darum, in Europa Schweiz experimentieren wir bereits seit Europa begeistern wieder blühende Naturparadiese zu einigen Jahren mit verschiedenen La- schaffen. Und für uns Weinfreaks ist es denformaten. Gerade weil wir in erster Mit der Einführung der neuen Versand ein Glücksfall, hat sich die Familie Sche- Linie ein Versandhändler sind, sind diese logistik haben wir letztes Jahr auch die fer damals entschieden, dieses Ziel mit bisher sieben Standorte auch eine wich- Basis für den nächsten Meilenstein ge- dem Verkauf von Wein zu erreichen. Hat tige Ergänzung in der Kundengewin- legt: die Expansion in weitere EU-Länder. man dies erst mal verstanden, beantwor- nung geworden. Viele Weinfreunde ha- Die weltpolitische Lage, die aktuelle Kon- tet sich die Frage nach der Notwendig- ben Delinat quasi im «Vorbeigehen» ent- sumentenstimmung und die steigende keit des Wachstums von selbst. deckt und sich dann vom Delinat-Fieber Nachfrage nach ökologisch hergestellten anstecken lassen. Wir sind überzeugt, Produkten bestärken uns mehr denn je, WeinLese Nr. 57, Februar 2020 15
Die Sicht von aussen ... Bild: Patrick Rey K arl Schefer und sein Team haben es Seit 1998 überprüft bio.inspecta als un- geschafft, in der ökologischen abhängige Kontrollinstanz die Einhaltung Weinproduktion neue Massstäbe zu der Delinat-Richtlinien bei den Winzern setzen. Die verlangte Begrünung der vor Ort. Diese jährliche Kontrolle und Weinberge, die strengen Auflagen in Be- Zertifizierung erfolgt mehrstufig (Wein- wässerung der Reben und auch in der gut und Weine) durch zwei unabhängig Vinifikation sind nur einige Beispiele, bei voneinander arbeitende Kontrolleure denen die Delinat-Richtlinien weit über und wird in detaillierten Inspektionsbe- die generellen Anforderungen an den richten festgehalten. Biolandbau sowie andere Bio-Richtlinien (EU, Bio Suisse, Demeter) hinaus gehen. Delinat ist aus meiner Sicht damit eines Ueli Steiner, der innovativsten Unternehmen über- Geschäftsführer bio.inspecta AG haupt. 16 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
40 Jahre Vinya Delinat Laia I m Juni 1998 ging die Zeitschrift «Vi- wegweisend in Erinnerung. Etwa das num» neue Wege. Mit grün eingefärb- Projekt «Terre del Meridione», in dem tem Titel-Logo und einem 32-seitigen das südliche Italien als ganzheitlicher Special widmete man sich dem Biowein- Weinkulturraum vorgestellt wurde. Oder bau, zu jener Zeit noch eine visionäre die Entwicklung und Lancierung des Leistung. Basis dieses «Extras» war ein Weins «Canta Rasim», für den der Ter Meeting von über 20 Winzern auf Châ- roirgedanke auf die okzitanische Spra- teau Duvivier, dem Biowein-Schlossgut che, die Musik (inklusive Produktion ei- von Delinat in der Provence. Von all den ner CD mit Chansons und Folk), die vielen Events, an die ich mich erinnern Geschichte und natürlich die Küche er- kann, war dieses Delinat-Meeting wo- weitert wurde. Die grösste Leistung von möglich das befruchtendste und beflü- Delinat ist, dass man sich nicht nur als gelndste überhaupt: Der kontrolliert bio- Weinhändler definiert, sondern als Ak- Thomas Vaterlaus, logische Anbau stand damals unmittelbar teur und Mitgestalter einer Szene. Nir- Chefredaktor Vinum vor dem Durchbruch, und wir waren Teil gends wird dies so deutlich wie bei den dieser pulsierenden Bewegung. Mit da- tiefgreifenden Delinat-Richtlinien für den mal am Weingut von Karin und Roland bei war auch ein Radioreporter, der täg- biologischen Anbau. Vor allem die Ent- Lenz vorbei. Gleich neben dem Eingang lich in SRF 1 über diesen Bioweingipfel wicklung der sogenannten Hotspots steht eine eigenartige, mehrere Meter berichtete. «Vinum» und Radio SRF pro- (konzentrierte Biotope inmitten der Reb- hohe Skulptur aus Steinen, Ästen, Gras duzierten zudem ein Booklet, in dem die monokultur) verfolge ich mit grossem und vielem mehr. Roland Lenz bezeich- besten Bioweine im damaligen Markt Interesse. Es ist faszinierend zu sehen, net diese Hotspots als seine Insektenho- vorgestellt wurden. Mit dieser gebündel- wie die beteiligten Winzer diese Hot- tels. Vor allem nützliche Schlupfwespen ten Power haben wir der Biowein-Bewe- spot-Idee aufgreifen und auf ihre urei- steigen da gerne ab. Kein Wunder: Der gung spürbaren Schub gegeben. Auch gene Weise interpretieren. So habe ich in «Late Check-in» ist ohne Voranmeldung spätere Delinat-Projekte, an denen ich Rueda mobile Hotspots auf Rädern ge- jederzeit möglich … beteiligt war, habe ich als innovativ und sehen. Und im Thurgau fahre ich manch- D elinat leistet ausgezeichnete Ar- es, den Kupfergebrauch weiter zu redu- beit für eine nachhaltige Wein- zieren. Die Förderung resistenter, stand- produktion. Besonders lobens- ortangepasster Rebsorten ist ein wichti- wert sind aus Sicht des WWF die ger Schritt in diese Richtung und wird umfassenden Födermassnahmen für die künftiger noch wichtiger werden. Im Be- Naturvielfalt, insbesondere dort wo sie reich Klima strebt Delinat eine klimaneu- weitreichender sind als von BioSuisse trale Weinproduktion an. Die getroffenen verlangt. So ist etwa der Anteil an Biodi- Massnahmen, wie etwa die Förderung versitätsförderflächen höher und zu ei- erneuerbarer Energien, sind wichtig und nem gewissen Anteil direkt neben oder sollten unbedingt weiterverfolgt werden. innerhalb der Rebkulturen angesiedelt. Zuletzt ist noch die Produktion und Ver- Vorgeschrieben sind auch ein gewisser wendung von Pflanzenkohle zu nennen, Blühanteil von Bäumen und Wildsträu- welche nicht nur im Sinne einer Kreis- Sofia Barth, chern, sowie weitere Elemente, die für laufwirtschaft die Bodenfruchtbarkeit Abteilung Politik, WWF Schweiz Strukturvielfalt sorgen. fördert, sondern auch dazu führt, dass CO2 in den Boden eingebunden wird. Auch im Bereich Pflanzenschutzmittel sind die Richtlinien beachtlich. Neben Alles in allem ist der Weinbau unter dem dem Verbot von chemisch-syntheti- Zertifikat Delinat wegbereitend für eine schen Pestiziden wird auch der Einsatz nachhaltigere Landwirtschaft. von Kupfer eingeschränkt. Wichtig wäre WeinLese Nr. 57, Februar 2020 17
40 Jahre Delinat Das meinen Winzer der ersten Stunde ... Tobias Zimmer, Weingut Hirschhof, Rheinhessen E s war 1992 als wir unseren allerers- ten Weisswein – einen 91er Kerner Josep Maria Albet i Noya, Kabinett trocken – an Delinat lie- Bodega Albet i Noya, Penedès fern konnten. Mein Vater Walter hatte ein Jahr zuvor Peter Hilden, damals Lei- D en allerersten Kontakt mit Karl ter von Delinat Deutschland, kennenge- Schefer hatte ich, als er auf seiner lernt und war sofort Feuer und Flamme Fahrradtour durch den Süden Ka- für eine Zusammenarbeit. Wahrschein- taloniens einen Zwischenstopp bei uns lich hätte damals keiner der beiden ge- einlegte. Wir waren 1978 wahrscheinlich dacht, dass diese 30 Jahre andauern das erste und einzige Bioweingut Spani- würde. Heute sind wir stolz, mit dem ens. Bioweine waren damals also noch Riesling Terra Rossa und dem Schäumer kaum erhältlich, geschweige denn nach- DELSECCO zwei der beliebtesten gefragt, aber dieser radelnde Schweizer Weine für Delinat keltern zu dürfen. hatte die verrückte Idee, einen Weinhandel ausschliesslich mit Bioweinen zu eröff- nen. Ich war begeistert von Karls Enthusiasmus, seiner Zielstrebigkeit und Hartnä- In all den Jahren konnten wir nicht nur ckigkeit. Und so lieferten wir schliesslich 1983 unsere ersten Weine in die Schweiz. viele Weinfreunde für unsere Tropfen begeistern, sondern auch viele andere Der Erfolg von Delinat hat auch uns Auftrieb gegeben. Delinat und Albet i Noya sind Weingüter für den biologischen Anbau quasi zusammen gross geworden. In dieser Zeit sind nicht nur viele wunderbare motivieren. Alleine in unserer Gemeinde Weine entstanden, sondern auch enge Freundschaften geknüpft worden. Etwa auch Westhofen haben mittlerweile sechs mit Pierre Basler, einem PIWI-Pionier aus der Schweiz. Gemeinsam mit ihm und De- andere Weingüter umgestellt. Kein linat begannen wir bereits 1999 damit, resistente Sorten anzubauen – und das ob- Wunder: Denn wer einmal verstanden wohl der Anbau solcher Sorten in Spanien verboten war. Was irrsinnigerweise bis hat, welche Vorteile ein in schönster heute der Fall ist. Biodiversität blühender Weinberg nach der Delinat-Methode hat, wird sich die Heute werden in ganz Katalonien 20 000 Hektar Reben biologisch bewirtschaftet. Frage stellen, warum er nicht schon im- Die intensive Zusammenarbeit mit Delinat hat wesentlich dazu beigetragen. mer so angebaut hat. 18 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
40 Jahre Delinat Louis Fabre, François Meyer, Natalino Fasoli, Château Coulon, Corbières Domaine Eugène Meyer, Bergholtz Azienda Fasoli Gino, Veneto S U E eit über 20 Jahren arbeiten wir nun nser gemeinsames Abenteuer be- s war an einer Vinitaly-Messe vor 30 schon mit Delinat zusammen. Da- gann im Jahr 2000. Delinat war Jahren, als da ein Schweizer Betrieb bei pflegt Delinat eine Beziehung, damals auf der Suche nach einem namens Delinat eifrig nach Biowei- die weit über das Lieferantenverhältnis Bio-Crémant und die Qualität unserer nen suchte. Wir hatten damals zwar be- hinausgeht. Das zeigt sich beispielsweise Weine hat überzeugt. Allerdings erfüllten reits mit dem biologischen Anbau be- besonders an den jährlichen Winzerse- wir im Weinbau damals gerademal die gonnen, aber ein Markt für solche Weine minaren. Dieser länderübergreifende Er- damals gängigen Bio-Standards. Das hat gab es praktisch nicht. Ein Unternehmen fahrungsaustausch ist nicht nur äusserst sich in der Zusammenarbeit mit Delinat kennenzulernen, das ausschliesslich Bio- lehrreich, sondern liefert auch faszinie- grundlegend verändert. Mit der Schaf- wein vertrieb, kam für uns deshalb fast rende Geschichten und Erfolgserleb- fung von ökologischen Hotspots mit einem Wunder gleich. In der Folge ent- nisse von Winzer-Kollegen – und damit dem Pflanzen von Bäumen, Sträuchern, stand eine sehr konstruktive Zusammen- viele Inspirationen für meine eigene Ar- Hecken und Rosenbüschen sowie dem arbeit, die uns erlaubte, sowohl unseren beit. Diese Anregungen geben mir Auf- Installieren von Nistkästen haben sich biologischen Weinbau als auch die trieb für meine eigene Vision: Über alle unsere Parzellen wieder in Naturpara- Weinqualität weiterzuentwickeln. Rasch Weinberge ein verbundenes Ökosystem diese verwandelt. Und auch dank der konnten wir Delinat alle bekannten Ve- zu schaffen, das echte biologische Viel- standortgerechten Begrünung ist es uns neto-Weine (Amarone, Ripasso, Soave & falt ermöglicht, aus dem unverfälschte gelungen, unseren Boden zu beleben Co.) in bester Bio-Qualität liefern. Terroir-Weine entstehen. und den Schwefel- und Kupfereinsatz auf ein Minimum zu reduzieren. Ich arbeite auch nach 30 Jahren gerne Die Delinat-Richtlinien sind sehr an- mit Delinat zusammen. Die in immer hö- spruchsvoll und mit unserer heutigen Noch heute ist das Elsass ein Meer von herem Detaillierungsgrad formulierten Struktur sind wir leider noch nicht in der Reben in Monokultur – mit dem Pflan- Delinat-Richtlinien helfen bei der Weiter- Lage einen Delinat-Wein in der höchsten zen von Bäumen und Büschen mitten entwicklung unseres Betriebes. Auch Stufe, also drei Schnecken, zu erzeugen. im Weinberg gelten wir immer noch als wenn gewisse Richtlinienpunkte so an- Die Winzerseminare, aber auch die Er- Exoten. Aber wir arbeiten gemeinsam spruchsvoll sind, dass es nicht immer kenntnisse aus der Weinbauforschung mit Delinat weiter daran, dass unsere Art möglich ist, in allen Bereichen das Maxi- und die Hilfe von Delinat-Berater Daniel des Weinbaus zur Norm wird. mum von drei Delinat-Schnecken zu er- Wyss werden uns helfen, auch dieses reichen. Ziel zu erreichen. WeinLese Nr. 57, Februar 2020 19
Vinya Laia Langjährige Wegbegleiter und Mitarbeiter erinnern sich … Bild: Archiv Delinat 20
40 Jahre Delinat häusern, Restaurants und bei Privaten dukte Schefer & Co. und kauften in Reute nachgefragt. Etliche waren erstaunt, (Appenzell) ein kleines Haus. Wir began- aber auch interessiert, sodass Karl be- nen, die Garage mit Wein zu füllen, die gann, Weingüter zu suchen, die gute Stube war übersät mit Kartons, mit denen biologische Weine erzeugten. Als er fün- wir den Wein verschickten. Das Interesse dig geworden war, fuhren wir mehrmals an unseren Bioweinen wuchs ständig, mit einem Kombi oder einem VW-Bus gleichzeitig wurden uns von Behörden nach Frankreich und holten ein paar und Ämtern immer mehr Steine in den hundert Flaschen. Da Karl damals noch Weg gelegt. Wörter wie «Bio», «Natur» studierte, hatte er nicht viel Geld. Ich sel- oder «natürlich» waren im Zusammen- ber hatte dagegen einen guten Lohn hang mit Weinhandel nicht zugelassen, und konnte meinen Bruder finanziell un- eine Weinhandelsbewilligung wurde uns terstützen. Als das Ganze begann, grös- lange verweigert. Es gab unglaublich Hans Schefer, älterer Bruder sere Dimensionen anzunehmen, stellte viele Widerstände, und ich staune noch sich jedoch das Problem der Finanzie- heute, mit welch unbändigem Willen I ch erinnere mich noch gut, wie alles rung. Wir zogen von Bank zu Bank, doch sich mein Bruder dagegen gewehrt und angefangen hat. Eines Tages hat mich überall hat man uns belächelt. Wir soll- schliesslich durchgesetzt hat. Ich selber mein Bruder Karl aus Frankreich, wo er ten wiederkommen, wenn es uns gut hatte die dafür nötigen Nerven und die eine Ausbildung in Homöopathie gehe, das waren ihre Sprüche. Aber es Geduld nicht. Während ich mich lang- machte, angerufen. Er sagte, er habe in gab eine Ausnahme: Ein Banker aus Wil, sam zurückgezogen habe, hat Karl das einem Reformhaus Wein aus biologi- dem ich einen Kopierer verkauft hatte, Ding durchgezogen und 1983 die Delinat schem Anbau gesehen, und fragte mich, glaubte an unser Projekt und fragte: Wie AG gegründet. Unglaublich, dieser Wille, ob ich mal schauen könne, ob dafür in viel Geld braucht ihr? 20 000? Ihr könnt den er auch heute noch an den Tag legt. der Schweiz Interesse bestehe. Ich war auch 50 000 Franken haben. Obwohl er sich längst zur Ruhe setzen damals als Aussendienstmitarbeiter einer könnte, lassen ihn seine Visionen nicht Büromaschinenfirma unterwegs. So Karl, seine Frau Astrid und ich gründeten los, und er reisst immer noch neue Pro- habe ich auf meinen Reisen in Reform- schliesslich 1980 die Biologische Pro- jekte an. Kompliment! Arthur Schefer, jüngerer Bruder sen werden. Schon beim Einschenken wurden sie wieder trübe, also Notiz: M ir sind vor allem die ersten De- «trübe, undefinierbare Farbe». Es ist ein gustationen aus der Gründerzeit Wahnsinn, was bei der Qualität von Bio- im Familien- und Freundeskreis weinen in den vergangenen 40 Jahren in Erinnerung geblieben. Karl hat be- abgegangen ist. wusst keine Fachleute, sondern «Nor- malsterbliche» dazu eingeladen. Auf meinen Notizblättern fand man Wörter wie «sauer», «erdig» oder «moderig». Die ersten ungefilterten Weine mussten nach dem Transport lange liegen gelas- WeinLese Nr. 57, Februar 2020 21
40 Jahre Delinat Bild: Archiv Delinat Ein Bild aus den Urzeiten von Delinat: eine verschworene Gemeinschaft beim Päcklipacken in einer Appenzeller Stube. Hubert Lämmler, Verwaltungsrat ter sein müsse als konventioneller Wein, lichen Leistungen, die Astrid und Karl schwer beeindruckt. Das war zu Beginn Schefer zugunsten dieses Modellwein- M it Karl Schefer verbindet mich der 80er-Jahre eine völlig visionäre Hal- guts bisher geleistet haben und somit eine langjährige Freundschaft, tung. Wirklich daran geglaubt, dass aus anderen Winzern eine Inspirationsquelle die vor die Zeit von Delinat zu- dem Geschäft mit Biowein etwas werden und vielen Delinat-Kunden unvergessli- rückreicht. Ich erinnere mich noch gut könnte, habe ich damals aber nicht. che Ferienaufenthalte ermöglichen. an eine der ersten Degustationen mit Trotzdem habe ich Karl wo möglich un- ihm im Freundeskreis. Er hatte verschie- terstützt. So etwa beim Start von Châ- dene Bioweine aus Paris mitgebracht. Es teau Duvivier in der Provence, wo wir waren aus meiner Sicht ungeniessbare von den Franzosen als «Zürcher Spinner» Weine. Als er mich fragte, was ich von bezeichnet wurden, weil wir mit ver- den Weinen halte, wollte ich ihn durch schiedenen Versuchen den Weinbau re- meine ehrliche Meinung nicht enttäu- volutionieren wollten. Auch der damals schen und sagte stattdessen: «Der für Château Duvivier zuständige franzö- Weisse ist kühler als der Rote.» Diese sische Winzer wollte davon nichts wissen Verlegenheitsantwort hat er mir noch und sabotierte einen Versuch zur Reduk- jahrelang lachend vorgehalten. tion des Kupfereinsatzes im Rebberg. Gleichwohl hat mich seine Überzeu- Ich bin tief beeindruckt von den grossen gung, dass Biowein doch nicht schlech- Investitionen und den vielen unentgelt- 22 WeinLese Nr. 57, Februar 2020
40 Jahre Delinat ckelte sich daraus meine heutige Bera- len positiven Beispielen: Daniel Coulon tertätigkeit, in der ich allen Delinat-Win- von der Domaine Beaurenard in Châ- zern mit Rat und Tat zur Verfügung stehe, teauneuf-du-Pape hatte in einer seiner Winzertreffen organisiere und Innovatio- Rebparzellen Mangelerscheinungen an nen ankurble. Karl Schefer und Hans-Pe- Kalium. Er bat mich um Hilfe. Um das ter Schmidt, der damalige Leiter des De- Problem zu lösen, stellte ich eine Grün- linat-Instituts, wollten die Richtlinien stark düngung aus einer Mischung von Buch- ausweiten und wirkungsvoller gestalten. weizen, Wicken, Erbsen, Ackerbohnen, So stiegen die Anforderungen an die Bio- Raps, Ölrettich und Dinkel zusammen diversität enorm, und es wurde das Stu- und empfahl, den Boden für die Einsaat fenmodell mit den drei Schnecken einge- künftig nur noch auf eine Tiefe von 7 bis führt. Die damals lancierte Idee, die Mo- 10 Zentimeter zu bearbeiten. Im Herbst nokultur der Weinberge mit ökologischen 2017 und 2018 wurde diese Mischung Daniel Wyss, Winzerberater Hotspots in Form von Kräuterinseln, Le- eingesät. Im Sommer 2018 hat Daniel benstürmen, Insektenhotels oder Sekun- Coulon zwar noch keine Veränderung A ls Mitarbeiter der bio.inspecta habe därkulturen aufzubrechen, taten einige festgestellt, aber schon ein Jahr später ich vor rund 20 Jahren die Kon- unserer Winzer zuerst als «Spinnerei» ab. zeigte die neue Saatmischung deutliche trolle und Zertifizierung der Deli- Heute überbieten sie sich in Sachen Kre- Wirkung. Der Winzer ist hoch erfreut und nat-Betriebe organisiert. 2001 wurde ich ativität, wenn es darum geht, mit solchen hat die Mischung im vergangen Herbst angefragt, an der Überarbeitung der De- Hotspots die Artenvielfalt zu fördern. nochmals eingesät. Nun ist er guten Mu- linat-Richtlinien mitzuarbeiten. Daraus ist Damit alle Weingüter die Richtlinien er- tes, das Problem definitiv gelöst zu ha- ein Traumjob geworden. Seit 2002 bin ich füllen können, bietet Delinat eine kos- ben. Ähnlich positive Erfahrungen gibt es als Delinat-Mitarbeiter für die Überarbei- tenlose Winzerberatung an. Auf den mit von uns initiierten Wasserretentions- tung, Weiterentwicklung und Umsetzung Weingütern kann ich erstaunliche Ent- massnahmen. der Richtlinien zuständig. Später entwi- wicklungen feststellen. Eines von vie- Monika Schiess, langjährige schon ganz schön nerven mit seinem An- Grafikerin spruch an Perfektion und mit seiner Pe- danterie.» A nstelle meiner selbst lasse ich lie- «Und sobald er was erfunden hat, ber Klara und Hugo sprechen, die stellt er es gleich wieder infrage und will zwei steinalten, aber noch immer es noch besser machen …» höchst vitalen, weil nur mit Brennnessel- «Hmmm, aber ein eigentlicher Gold- und Baldriantee gewässerten, Zimmer- schatz ist er dafür im Umgang mit den linden, die ich aus dem Büro mit in Pen- Kunden …» sion genommen habe. Die haben «Ja, die dürfen einfach alles! Selbst nämlich so einiges mitbekommen, auch wenn einer mit noch so abenteuerlichen über unsern Chef! Reklamationen dasteht, kriegt er dafür «Erinnerst du dich noch an das noch eine Flasche Wein geschenkt.» Drama, als es darum ging, einen neuen, «Tja, darum sollten wir eben ganz viel liebt, dass dieses mystische Ding zwi- wiederverwendbaren Karton für den De- Delinat-Wein kaufen, dann würde er uns schen Schnecke und Spirale längst ein gustierService zu entwickeln?» vielleicht auch mit dieser rosa Kunden- Teil seinesSelbst geworden ist.» «Ui, ui, ui, ja, das sollte doch dieses brille betrachten …» «Auch die Weinlese, das 2006 lan- absolut perfekte Superding werden, so «Was denkst du, wie viele gute Ideen cierte Kundenmagazin, erscheint nun perfekt, dass der Chef himself bis tief in hatte unser Capo wohl in den letzten 40 schon seit 57 Ausgaben.» die Nacht mit dem Teppichmesser daran Jahren so ungefähr?» «Was denkst du, was war wohl die herumschnitzte, um es noch perfekter «Hmmm, so an die 3000 sicher!» beste Idee, die unser Chef je hatte?» zu machen …» «Und was ist davon geblieben?» «Nun, da bin ich mir ganz, ganz si- «Nun ja, so ganz schlecht war die Box «Einiges schon. In das Delinat-Logo cher: Die allerbeste seiner Ideen hatte er dann doch nicht.» etwa, das unsere Grafikerin und ihr Team vor exakt 40 Jahren …» «Stimmt, aber er kann manchmal vor Urzeiten kreierten, hat er sich so ver- WeinLese Nr. 57, Februar 2020 23
Sie können auch lesen