Werkstatt oder Chemielabor? - Die Berufsbildung an der ETH - Das Magazin für die ETH-Community April 2019 - ETH Zürich
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Das Magazin für die ETH-Community April 2019 Werkstatt oder Chemielabor? Die Berufsbildung an der ETH
PANORAMA Überarbeitete Webseite Leitfaden für Dozierende Die Lehre ist ein Hauptauftrag der ETH Zürich. Um die Dozierenden bei dieser wichtigen Aufgabe Foto: Alessandro Della Bella optimal zu unterstützen, hat die ETH ihre Web- seite «Leitfaden für Dozierende» überarbeitet und noch übersichtlicher gestaltet. Neben einer Zusammenstellung der verbindlichen Richtlinien bietet die Seite auch praktische Tipps – von der Stundenplanung über das Unterrichten bis hin zur Leistungskontrolle. www.ethz.ch/leitfaden-dozierende → Chancengleichheit ETH soll hindernis- 350 Die Zahl frei werden Diversität ist einer der Erfolgsfaktoren der ETH Zürich. Um diese weiter zu fördern und Menschen mit physischen Einschränkungen den Zugang zu Lehre und Forschung an der ETH zu erleichtern, hat die Schulleitung das Projekt «Hindernisfreiheit an der ETH» ins Leben gerufen. In einem ersten Schritt identifiziert das Projektteam gemeinsam mit Betroffenen und der Behin- dertenkonferenz des Kantons Zürich mögliche bauliche und IT-spezifische So viele Teilnehmende zählte das Symposium Hindernisse für Geh-, Seh- und Hörbehinderte an allen ETH-Standorten. «Doctoral Supervision» Ende Januar. Die ETH Anschliessend werden Lösungsvorschläge erarbeitet. 2020 soll das Projekt Zürich veranstaltete das Symposium, um ihre Dok- abgeschlossen und klar sein, wo und wie der Abbau von Hindernissen konkret torierendenbetreuung zu reflektieren und Anregun- umgesetzt werden kann. gen zu erhalten, wie diese weiterentwickelt werden www.ethz.ch/hindernisfrei → könnte. Fünf Inputreferate zeigten den aktuellen Forschungsstand auf und wie andere Institutio- nen mit diesem Thema umgehen. In Workshops tauschten Doktorierende und Betreuungspersonen ihre Erfahrungen aus und diskutierten Verbes- App-Tour Einstein auf serungsmöglichkeiten. Die Ergebnisse fliessen in das im November 2017 gestartete Projekt zur Verbesserung der Doktorierendenbetreuung ein. der Spur www.ethz.ch/doktoratssymposium → Smartphone, Kopfhörer und rund 90 Minuten Zeit werden benötigt, um das ETH-Hauptgebäude mit der ersten App-Tour auf eigene Faust zu erkunden. An neun Posten erfahren die Besucherinnen und Besucher mehr über den wohl populärsten ETH-Alumnus Albert Einstein und seine Zeit an der ETH. Die App kann kostenlos für iOS oder Android heruntergeladen werden und ist in Deutsch, Englisch oder mit einer barrierefreien Wegführung verfügbar. Foto: Giulia Eggenberger www.ethz.ch/tours →
ETH am WEF Skaterbot stiehlt allen die Show Die ETH-Ausstellung am diesjährigen WEF in Davos widmete sich der Frage, wie wir unseren Lebensraum künftig gestalten und welche Materialien dabei eine Rolle spielen sollen. Die Bandbreite reichte von gedrucktem Silikon über einen «künstlichen Baum», der CO 2 in Solarkraftstoff umwandelt, bis hin zu leichten Fasern, die Stahlkabel ersetzen könnten. Der Star war aber zweifels- ohne der ETH-Roboter namens Skaterbot, der eislaufen kann und mit Profis des HC Davos über das Eis flitzte. www.ethz.ch/eth-am-wef-2019 → ETH-Publikationen Geschäftsbericht erschienen Ab sofort ist der aktuelle Geschäftsbericht online verfügbar. Mit der Jahresrechnung und zahlreichen Berichten liefert er einen umfassenden Rückblick auf das Jahr 2018 der ETH Zürich. Eine Fotostrecke widmet sich dem Querdenken und -handeln, denn die ETH fördert mit verschiedenen Massnahmen und Projekten interdisziplinäre Zusammenarbeit, kritisches und unternehmerisches Denken sowie eigenverantwortliches Handeln von Studieren- den. Gedruckte Exemplare des Geschäftsberichts können ETH-Angehörige ab dem 23. April über den Büromaterialshop beziehen. www.ethz.ch/geschaeftsbericht → F oto: r A ndreas Eggenber ge Impressum «life – Das Magazin für die ETH-Community» ist ein Medium der internen Kommunikation der ETH Zürich und wird von der Hochschulkommunikation (HK) vierteljährlich auf Deutsch und Englisch herausgegeben. gta-Ausstellung Vom Zürichberg auf Redaktion Druck Anna Maltsev (Leitung), Neidhart + Schön AG Karin Köchle (Stv. Leitung), Corina Oertli, Roman Klingler, Auflage den Hönggerberg Florian Meyer, Michael Walther, 15 160 Exemplare Anna Focà Kontakt Cover Magazin life, ETH Zürich, Werkstatt oder Chemielabor? HG F 41, 8092 Zürich (Foto: Alessandro Della Bella) Mail an die Redaktion: «Ein Bahnhof, an dem kein Zug hält» lautete die Aufgabe für die Architektur- life@hk.ethz.ch Gestaltung Weitere Informationen: studierenden der Entwurfsklasse der Gastdozenten Alexander Brodskiy und gestalten AG www.ethz.ch/life Ekaterina Nozhova im letzten Herbst. Entstanden ist ein rund 8 Meter hoher, Lithografie sechseckiger Turm, gebaut aus den alten Fenstern einer Zürichberg-Villa. Bis Küenzi + Partner vor kurzem stand er auf dem Flachdach einer Remise an den Bahngleisen in Korrektorat Linkgroup AG (deutsch), Wollishofen – für eine gta-Ausstellung von Alexander Brodskiy kommt er nun Lilian Dutoit (englisch) vom 17. April bis 17. Mai auf den Campus Hönggerberg. Übersetzung Louise Killeen, www.ausstellungen.gta.arch.ethz.ch → Translations Limited life 1 / 2019 3
THEMA Die Berufsbildung an der ETH Dass die ETH eine der renommiertesten Adressen für angehende Studierende ist, ist hinlänglich bekannt. Aber wer weiss schon, dass man an unserer Hochschule auch 15 verschiedene Berufe erlernen kann? «life» gibt einen Einblick in die vielseitige Ausbildung von Fachkräften. Text Karin Köchle Fotos Alessandro Della Bella «Jetzt spanne ich das Aluminiumteil in die Maschine.» Maximilian Bott steht an der computergesteuerten Fräsmaschine, schliesst die Schutztüren und startet den Fertigungsprozess. Die Maschine be- ginnt zu surren, Metallspäne fliegen. Wir befinden uns in der Zentralwerkstatt des Departements Physik auf dem Campus Hönggerberg. Maximilian Bott absolviert an der ETH Zürich eine Berufslehre als Poly- mechaniker und steht in seinem vierten Lehrjahr bereits kurz vor dem Abschluss. Begonnen hat er seine Ausbildung nicht in der Zentralwerkstatt, sondern im Gebäude nebenan – in der ETH-eige- nen Lehrwerkstatt. Hier erfahren nicht nur Polymechaniker, sondern auch Kon strukteure, Elektronikerinnen und Phy- siklaboranten ihre mechanische Grund- ausbildung: Sie üben Sägen und Feilen von Hand oder das Bohren und Fräsen an der Maschine. Ab dem dritten Lehr- jahr arbeiten die Lernenden eng mit For- schungsgruppen zusammen und lernen so unterschiedliche Fachbereiche ken- nen. Dabei stellen sie nach Vorgabe der Forschenden Prototypen her. Maximilian Bott trägt für die Herstel- lung seines Werkstücks bereits viel Maximilian Bott, Lernender Polymechaniker im vierten Lehrjahr, skizziert, konstruiert und fertigt Verantwortung: Selbständig hat er den in der Zentralwerkstatt des Departments Physik Bauteile für die Forschung. 4 life 1 / 2019
Selber Teil der Forschung sein: Sarah Eichenberger arbeitet in ihrer Fachausbildung zur Chemielaborantin eng mit einer Doktorandin zusammen. Prototyp vorgängig mittels CAD am Com- eigenen Lehrlabors in den Bereichen Bio- puter konstruiert, gezeichnet sowie die logie, Chemie, Elektronik, Informatik und computergesteuerte Maschine für die Physik verfügt sie über eine ausgezeich- exakte Fertigung programmiert. nete Infrastruktur insbesondere für die Ausbildung in den technischen Berufen, 15 verschiedene Lehrberufe der Informatik und den Laborberufen. Dass man an der ETH einen Beruf erler- Die Infrastruktur in der Werkstatt ist nen kann, wissen viele nicht. «Die ETH neben der vielseitigen Arbeit und der ist vor allem für ihre Studiengänge an- internationalen Atmosphäre auch etwas, gesehen; dass sie auch Berufslehren das Maximilian Bott besonders gut ge- anbietet, ist wenig bekannt», bestätigt fällt an seiner Lehre an der ETH. Der Marcel Wachter, einer der Ausbildner heute 21-Jährige kam nach der Grund- von Maximilian Bott. Dabei ist die Be- schule in Deutschland in die Schweiz. «Ich rufsbildung an unserer Hochschule sehr war schon immer technisch interessiert vielseitig: Ob Elektroniker, Informatikerin, und half damals meinem Grossvater beim Biologielaborant, ob Fachfrau Betriebs Hausbau.» Über das Berufsinformations unterhalt, Interactive Media Designer zentrum erfuhr er, dass an der ETH Po- oder Tierpfleger – 15 verschiedene Berufe lymechaniker ausgebildet werden. Er können an der ETH erlernt werden. Mit schnupperte ETH-Luft – und war von der mechanischen Lehrwerkstatt und Beginn an begeistert. life 1 / 2019 5
THEMA Vom Lehrlabor zur Forschung Ähnlich ging es auch Sarah Eichenberger. Zu ihrem Lehralltag gehören aber nicht Werkzeugmaschinen, sondern Reagenz- gläser, chemische Lösungen und Spek- trometer: Sie absolviert gerade das dritte Lehrjahr als Chemielaborantin. Die 18-Jährige war schon immer fas- ziniert von der Chemie. «Dass ich wäh- rend meiner Schnupperlehre an der ETH Acetylsalicylsäure und Paracetamol, also Wirkstoffe für Medikamente, selbst her- stellen durfte, hat mich sehr beeindruckt und begeistert.» Für ihre Fachausbildung hat sie sich denn auch für den Bereich Synthese entschieden. Dafür arbeitet sie in einem Forschungslabor eng mit einer Doktorandin zusammen, die gleichzeitig ihre Ausbildnerin ist. Die internationale Zusammensetzung der Gruppe und der Rund 130 ETH-Mitarbeitende engagieren sich nebenamtlich für direkte Kontakt zu den Wissenschaftlern die Berufsbildung: Ausbildner Marcel Wachter mit einem Lernenden. gefallen der Zürcherin mit ghanaischen Wurzeln besonders gut: «Man ist Teil der Forschung und sieht, dass man selbst Prozess der körperlichen und persön- Lehre nehmen alle Lernenden an einer etwas bewirken kann.» lichen Veränderung, die auch vor den gemeinsamen Einführungswoche teil Ähnlich wie bei den Polymechanikern Berufsbildnern nicht Halt macht. Umso und können so erste Kontakte knüp- hat sie ihre Grundausbildung in einem wichtiger ist dabei die Unterstützung fen. Während der ganzen Lehrzeit gibt ETH-eigenen Lehrlabor erfahren. Hier durch Vorgesetzte und HR, zum Beispiel es zudem immer wieder Arbeiten, die lernen die angehenden Chemielaboran- mit regelmässigen Weiterbildungen, Be- von Lernenden unterschiedlicher Berufe tinnen und -laboranten in überbetrieb- ratungen, Anlaufstellen und begleiteten ausgeführt werden, manchmal finden lichen Kursen sicheres Arbeiten, den Prozessen. auch berufsübergreifende Projektwo- Umgang mit Glaswaren oder das Her- Für Berufsbildner Marcel Wachter chen ausserhalb der ETH statt. Fach- stellen von Lösungen. sind genau diese menschlichen Aspekte übergreifende Schulungen wie etwa Teil seiner Motivation, sich mit Herzblut Bewerbungskurse oder Workshops zum Mit Herzblut für die Berufsbildung für die Berufsbildung einzusetzen. «Es Thema Lernen runden das Angebot ab. Sowohl das Lehrlabor Chemie als auch ist spannend, einen jungen Menschen Polymechaniker Maximilian Bott setzte die Lehrwerkstatt werden von vollberuf- zu begleiten und zu sehen, wie er sich sich sogar ehrenamtlich für die Vernet- lichen Berufsbildnern geleitet; insgesamt verändert und mit der Zeit Vertrauen in zung der Jugendlichen ein – im zweiten zwölf Personen engagieren sich an der sich und seine Fähigkeiten entwickelt.» Lehrjahr präsidierte er die Lernenden- ETH ausschliesslich für die Berufsbil- Oft komme es auch vor, dass einem die vereinigung an der ETH Zürich, die unter dung. Zudem üben rund 130 Mitarbeite- Jugendlichen durch ihre Fragen oder anderem soziale Anlässe organisiert. rinnen und Mitarbeiter ihre Tätigkeit in durch andere Lösungsansätze neue Blick- der Lehrlingsausbildung nebenamtlich winkel eröffnen. Lange Tradition mit Zukunft aus und setzen dafür 10 bis 20 Prozent Die Berufsbildung hat an unserer Hoch- ihres Arbeitspensums ein. Teamgeist zählt schule eine lange Tradition – sie ist im Indem sie Menschen ausbilden, über- Neben einem guten Verhältnis zu ihren Grundauftrag der ETH verankert und Teil nehmen die Berufsbildnerinnen und Ausbildnern sind für die Jugendlichen auch der strategischen Zielsetzung. «Wir haben -bildner grosse Verantwortung. Denn der Austausch und der Zusammenhalt in der Schweiz ein einzigartiges duales die Lernenden befinden sich in einem untereinander wichtig. Zu Beginn ihrer Bildungssystem. Die ETH will dazu einen 6 life 1 / 2019
Beitrag leisten und jungen Erwachsenen Und nach der Lehre? möchte sie später studieren – ob das den Zugang zum Arbeitsmarkt ermög- Die ETH bildet die Berufsleute nicht für Chemie sein wird, weiss sie allerdings lichen – nicht nur mit einer Hochschul- ihren Eigenbedarf aus. Es sei wichtig, noch nicht mit Sicherheit. bildung, sondern auch mit einer starken dass die Absolventinnen und Absolventen Maximilian Bott will nach seinem Ab- Berufsbildung. Die ETH braucht das Zusam- ausserhalb der Hochschule in anderen schluss die Höhere Fachschule besuchen menspiel zwischen Wissenschaft und Fach- Branchen Erfahrungen sammeln und und sich zum Techniker Maschinenbau kräften», betont HR-Leiter Lukas Vonesch. ihr Fachwissen erweitern könnten, sagt ausbilden lassen. «Ich stehe gerne in Seit über 20 Jahren bildet die ETH Be- HR-Leiter Vonesch. Oftmals dient die der Werkstatt, liebe aber auch den Kun- rufsleute aus. Seither haben sich die Anzahl Lehre dabei als Sprungbrett, und die denkontakt. Darum könnte ich mir gut und die Ausrichtung der verschiedenen jungen Berufsleute entscheiden sich für vorstellen, einmal als Projektleiter an der Berufe stark verändert. Die Anzahl der eine tertiäre Ausbildung, etwa an einer Schnittstelle zwischen Konstruktionsbüro Lehrstellen hat sich in den letzten 15 Jahren Fachhochschule. Dass sie zu einem spä- und Werkstatt tätig zu sein.» fast verdoppelt und liegt heute bei rund 170. teren Zeitpunkt eine Anstellung an der Viele Lehrlinge bleiben auch nach «In den kommenden Jahren steht aber nicht ETH fänden, sei aber durchaus möglich, ihrer Lehre eng mit der ETH verbunden, ein quantitatives, sondern ein qualitati- so Vonesch. zum Beispiel als Mitglied der Interessen- ves Wachstum im Fokus», sagt Fabienne Zukunftspläne haben auch die beiden gemeinschaft der ehemaligen Lernenden. Jaquet, Leiterin der Berufsbildung an der Lernenden Sarah Eichenberger und Maxi- Einige besuchen ihren Ausbildungsplatz ETH. «Die Vielfalt der Berufe soll beibe- milian Bott. Nach drei Jahren wird Sarah auch noch Jahre später und erzählen halten und die Ausbildungsqualität weiter im Sommer ihren Lehrabschluss machen. von ihrem Werdegang. Wer weiss – viel- gesteigert werden. Daneben wollen wir Da sie neben der Lehre die vierjährige leicht werden auch Maximilian und Sarah die Rahmenbedingungen für die Berufsbil- Berufsmaturitätsschule besucht, wird dereinst zurückkehren und berichten, denden verbessern, die Berufslehren der sie die Berufsmatura erst in einem Jahr welchen beruflichen Weg sie tatsächlich ETH bekannter machen und mehr Frauen erlangen und bis dahin vielleicht befristet eingeschlagen haben. für die technischen Berufe begeistern.» für die ETH arbeiten. Über die Passerelle www.ethz.ch/berufsbildung → Arbeitssicherheit, Laborunterhalt oder Herstellen von Lösungen: Im ETH-eigenen Lehrlabor erfahren die Lernenden ihre Grundausbildung. life 1 / 2019 7
IM GESPRÄCH «99 Prozent der ETH begeistern mich» Seit knapp vier Monaten ist Joël Mesot nun Präsident der ETH Zürich. Im folgenden Gespräch zieht er eine erste Bilanz und skizziert, welche Reformen er angehen möchte. Der gebürtige Romand verrät auch, wo er neue Energien tankt für das anspruchsvolle Amt.
Text Roman Klingler Fotos Gian Marco Castelberg Herr Mesot, die ETH geht durch unruhige Zeiten. Was bringen Führungskurse, die Sie nicht Rauben Ihnen die Negativschlagzeilen der letzten nur für neue Professorinnen und Professoren Wochen den Schlaf? einführen möchten, sondern letztendlich Es ist viel im Moment, ja. Aber die Belastung spüren andere für alle Führungsverantwortlichen an der ETH? auch und ich erhalte viele positive Rückmeldungen von inner- Wir möchten eine massgeschneiderte Lösung anstreben, halb und ausserhalb der ETH, die angekündigten Reformschritte stufen- und bedarfsgerecht. Im Kern geht es darum, im Aus- weiterzugehen. Ziel muss sein, dass wir unsere Energien tausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen die eigene Rolle möglichst bald wieder auf kreative Aktivitäten und unser Kern- als Führungsperson zu reflektieren. Das ist nicht einfach graue geschäft Lehre, Forschung und Wissenstransfer lenken können. Theorie aus irgendeinem MBA-Kurs, was ich hier erzähle. Ich Unruhige Zeiten, wie sie die ETH nun als Institution erlebt, habe an solchen Coaching-Kursen selber teilgenommen. Wer können auch eine Chance sein. Von Max Frisch stammt das seine Rolle als Vorgesetzter ernst nimmt, wird von solchen Zitat: «Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur Kursen nur profitieren können. Es führen selbstverständlich den Beigeschmack der Katastrophe nehmen». nicht alle gleich, aber genau diese Mischung aus Alter, Kultur, Erfahrung und Geschlecht stärkt das Bereuen Sie Ihren Entscheid, eigene Selbstverständnis und macht vor Präsident der ETH Zürich geworden allem Teams besser und produktiver. Und zu sein? weil wir auf allen Stufen und in allen Be- «Wer nur den Erfolg kennt, sollte Nein, überhaupt nicht. Natürlich habe ich reichen kompetente Führung brauchen, mir die ersten Monate anders vorgestellt, sich fragen, ob er genug ehrgeizig sollte das Kurs- bzw. Peercoaching-An- aber 99 Prozent von dem, was ich gesehen ist. Wichtig ist, aus den Nieder gebot auch nicht nur für den akademi- habe, haben mich begeistert: Hier arbeiten lagen zu lernen und es das nächste schen Bereich sein. so motivierte und kluge Menschen aus Mal besser zu machen.» Das Projekt «Führung» ist ein zent- aller Welt, die jeden Tag ihr Bestes für raler Teil eines ganzen Strausses von diese Hochschule geben. Joël Mesot, ETH-Präsident Massnahmen, die wir umsetzen wollen, um in Zukunft Konflikte früher zu er Was haben Sie in der kurzen Zeit kennen und mit solchen professioneller entdeckt, das Sie überrascht hat? umzugehen. Ich fühle mich immer noch als Novize im ersten Lehrjahr. Und ich habe erst ein paar Besuche machen können in Labors und Neben dem grossen Projekt «Führung»: Instituten, um die Menschen und ihre Arbeit kennenzulernen. Welche anderen internen Projekte möchten Ich habe mehr als zehn Jahre das Paul Scherrer Institut ge- Sie in Angriff nehmen? leitet, mit 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitenden auch nicht Den Frauenanteil an der ganzen ETH auf allen Stufen zu gerade ein Kleinbetrieb. Aber ich muss sagen, der ETH-Tanker erhöhen, ist mir persönlich ein grosses Anliegen. ist nochmals um eine Dimension grösser und komplexer. Und wie wollen Sie das bewerkstelligen? Zu den angekündigten Reformschritten gehören Vieles wird bereits gemacht. Die Anstrengungen der Depar- Führungskurse. Bevor wir noch etwas näher darauf temente beginnen bereits mit speziellen Angeboten, um eingehen, die Frage: Wie führen Sie selbst? Schülerinnen für MINT-Fächer zu begeistern. Wir setzen auf Das müssten meine Mitarbeitenden oder meine Vorgesetzten familienfreundliche Rahmenbedingungen, wie etwa Flexibilität beurteilen. Ich würde meinen Führungsstil als kooperativ bei Arbeitszeit und -ort. Für Forscherinnen bieten wir Work- bezeichnen und sehe mich als integrierende Person, die den shops zum Einwerben von Finanzmitteln und zur Bewerbung Mitarbeitenden vertraut und Ihnen Gestaltungsspielraum lässt. auf eine Professur an. Bei Berufungen gilt schon seit geraumer Ich bin nicht jemand, der sich im Mikromanagement verliert. Zeit die Politik, gezielt Frauen anzusprechen und auf offene Ich bin aber angewiesen auf die Meinungen anderer, um mir Professuren aufmerksam zu machen und wenn immer möglich, selbst ein Bild machen zu können, bevor ich entscheide. Frauen zu berücksichtigen. Zudem hat die Schulleitung zur life 1 / 2019 9
IM GESPRÄCH «Den Frauenanteil an der ganzen ETH auf allen Stufen zu erhöhen, ist mir persönlich ein grosses Anliegen.» Joël Mesot, ETH-Präsident weiteren Frauenförderung grünes Licht gegeben für die Wer nur den Erfolg kennt, sollte sich fragen, ob er genug ehr- Einrichtung zusätzlicher Professuren bis 2024. Gewisse Fort- geizig ist. Wichtig ist, aus den Niederlagen zu lernen und es schritte sind bereits erkennbar: So konnte der Frauenanteil das nächste Mal besser zu machen. unter den 130 Berufungen zwischen 2015 und 2018 auf 23 Pro- zent gesteigert werden. Aber wir sind natürlich noch lange Gibt es etwas, das Sie bereuen oder rückblickend nicht am Ziel. anders gemacht hätten? Ich habe mein bisheriges Leben vor allem mit Wissenschaft Drehen wir das Rad der Zeit etwas zurück: Wie ist eigent- verbracht und die letzten Jahre mit Managementaufgaben in lich aus dem Schüler Mesot ein Physikstudent geworden? der Wissenschaft. Ich bedaure manchmal, dass ich mir zu Gab es einen Mentor oder ein Schlüsselerlebnis? wenig Zeit nahm für Musik und Kultur im Allgemeinen. Wenn ich eine einzelne Person nennen müsste, war es wohl mein Physiklehrer am Gymnasium in Genf. Er organisierte Die beruflichen Anforderungen an einen ETH-Präsidenten jedes Jahr Exkursionen ans CERN und ich war mehrere Male sind sehr hoch. Wie schalten Sie nach einem strengen Tag dabei und habe diese Riesenanlagen gesehen, mit denen man ab bzw. wie und wo tanken Sie wieder Energie? das Kleinste vom Kleinsten der Materie verstehen wollte. Das Die «Ladestationen» für meine Batterien sind Familie und hat mich fasziniert und ich wollte Physik studieren, was mich Sport. Ich bin gerne in den Bergen, wenn es die Zeit erlaubt, dann ja auch nach Zürich an die ETH gebracht hat. oder auf Wanderungen in der Nähe meines Wohnorts. Einer meiner Lieblingsorte ist der Cheisacherturm im Jurapark. Gibt es Ziele, die Sie persönlich nicht erreichen konnten? Wenn ich jeweils den Blick über Jura, Alpen und Schwarzwald Wie gehen Sie mit solchen Misserfolgen um? schweifen lasse, relativiert sich so manche irdische Sorge und Ich liebäugelte mal als junger Mann damit, Skifahren zu meinem ich kann meine Gedanken wieder gut ordnen. Beruf zu machen. Ich habe dann aber selber gemerkt, dass es wohl nicht ganz reichen würde. Aber ich habe die Enttäuschung schnell überwunden und bin heute froh, dass ich einen anderen Ein Dossier zur Informationsveranstaltung für Weg eingeschlagen habe. Als Wissenschaftler muss man im- ETH-Mitarbeitende vom 15. März finden Sie unter: mer wieder auch Rückschläge und Misserfolge einstecken. www.ethz.ch/fuehrungsinfo → 10 life 1 / 2019
ÜBRIGENS Integrale Finanzsicht s- ag uftr da un t Gr dge bu get bud atz Zus SNF-Budget Res EU-B erv udget e refine – der Schlüssel(bund) für mehr Spielraum Seit Januar wickelt die ETH Zürich ihre Finanzen und Personalgeschäfte mittels einer neuen Ressourcen- und Finanzplattform ab. Was sich damit ändert – ein Überblick. Text Florian Meyer Illustration gestalten AG Niemand an der ETH Zürich hat den Lohn im Januar doppelt Herkunft in ein Überlaufgefäss (Reserve) übertragen und oder gar nicht erhalten. Das hätte auch anders laufen können. später verwenden. Neu können Forschende dieses Gefäss Am 9. Januar 2019 wurde – vier Jahre nach dem Start des Pro- auch vorübergehend überziehen, zum Beispiel um Projekte jektes «refine» – das ETH-Informations- und Support-Portal vorzufinanzieren. «Das ist eine Liberalisierung, die den unter- ETHIS auf die neueste SAP-Software S/4 HANA umgestellt. nehmerischen Handlungsspielraum für Lehre und Forschung Bereits am ersten Tag wurden mehr als 1200 Kundenrechnun- deutlich erhöht. Massgeblich für die finanzielle Steuerung ist gen verarbeitet. Die Umstellung verlief fast pannenfrei – dank künftig die integrale Sicht auf alle zur Verfügung stehenden der Arbeit des ETH-übergreifenden Projektteams. Budgets.» Diese Sicht ist möglich, weil man die Budgetinfor- Die Benutzeroberfläche ist fast dieselbe wie zuvor, und wie mationen neu – wie die Schlüssel eines Bundes – zusammen bisher können ETH-Angehörige auf der Plattform ihre Geschäfts- herausziehen kann. prozesse abwickeln – und doch ändern einige Grundsätze, wie die ETH Zürich intern ihre Finanzen steuert. Einfache Information zu komplexen Projekten Seit die ETH im Jahr 2000 die Autonomie erlangte, bewirt- Die Liberalisierung gilt allerdings nicht für serviceorientierte schaftet sie ihre Mittel eigenständig. Dafür richtete sie ein Einheiten wie Plattformen, Schulleitungsstäbe und Abteilungen. eigenes System mit Fonds ein. Seither ist die Hochschule um Sie geben unausgeschöpfte Budgets weiterhin zurück. Damit rund 40 Prozent auf über 500 Professuren gewachsen, und berücksichtigt das neue Steuerungsmodell die unterschied- der Anteil der Drittmittel nimmt stetig zu. Zugleich steigen die lichen Aufträge in Wissenschaft und Administration. Anforderungen an die Transparenz der Mittelverwendung. Kooperationsprojekte und Mischfinanzierungen werden für die ETH wichtiger, etwa bei Drittmittelprojekten oder bei der Herkunft des Geldes nicht mehr zentral Initiative «ETH+». Finanzinformationen muss man in solchen Zuletzt gab es fast 10 000 Fonds, die unter anderem der Tren- Fällen nicht mehr manuell zusammenführen, sondern sie sind nung der Mittel nach Herkunft dienten (Bund, Drittmittel, «all in one» aus ETHIS abrufbar. interne Finanzierungen). «Diese Komplexität war zunehmend Noch ist die Umstellung nicht abgeschlossen, zum Beispiel schwierig zu steuern», sagt Robert Perich, Vizepräsident für werden die neuen Finanz- und Personalreports schrittweise Finanzen und Controlling. «Mit dem neuen System gehen wir ausgebaut: «Erst nach dem Durchlauf eines vollständigen über zu einer ganzheitlicheren Mittelbewirtschaftung, bei der Geschäftszyklus im ersten Quartal 2020 gehen wir wieder in die Herkunft des Geldes keine leitende Rolle mehr spielt.» den Routinebetrieb über. Dann ist das Projekt ‹refine› abge- Zugleich, sagt Perich, werde der zeitliche Spielraum für die schlossen», sagt Perich. Mittelverwendung akademischer Einheiten erhöht: Eine Pro- www.ethz.ch/refine → fessur kann unausgeschöpfte, zweckbefreite Budgets jeder life 1 / 2019 11
EINBLICK Von Goldketten und Patenten Die ETH-Alumni-Vereinigung feiert dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen. Ein Blick zurück auf ihr Engagement, ihre grössten Erfolge und die Entwicklung der einstigen Gesellschaft ehemaliger Polytechniker. Text Corina Oertli Fotos zVg / Adriana Hefti Wenn die Rektorin Sarah Springman am traditionellen ETH-Tag mit ihrer goldenen Amtskette die Haupthalle betritt, hat sie diesen glänzenden Auftritt auch unserer Alumni-Vereinigung zu verdanken. Die goldene Kette ist nämlich ein Geschenk der damaligen Gesellschaft ehemaliger Studierender des eidgenössischen Poly- technikums, kurz GEP, zum ETH-Tag 1966. Dies, nachdem der ehemalige ETH-Rektor Walter Traupel in den Jahren zuvor stets von seinen Rektorenkollegen gehänselt wurde, weil er bei öffentlichen Auftritten als einziger Rektor keine Kette trug. Als die GEP der ETH dieses wichtige An der Generalversammlung 1986 in Winterthur wird die Beziehung zwischen GEP und ETH diskutiert. Geschenk überreicht, gibt es die Gesell- schaft bereits seit fast hundert Jahren. Die Idee einer Absolventen-Vereinigung GEP krempelt Schulsystem um Dass die GEP aber auch in ihrem ersten entsteht im Herbst 1868, 13 Jahre nach Die Gesellschaft möchte sich für ihre Alma Ziel, der Unterstützung unserer Hoch- der Gründung des eidgenössischen Poly Mater engagieren, die Beziehungen unter schule, erfolgreich ist, beweist sie in den technikums. Im Frühling 1869 setzt sie den ehemaligen Polytechnikern pflegen 1870er-Jahren. Obwohl das Polytechni- der Bauingenieur Andreas Harlacher mit und diese in ihren beruflichen Interes- kum seine Absolventinnen und Absol- den Ingenieurabsolventen Heinrich Paur sen unterstützen. Letztere Ziele erreicht venten mit einer soliden technischen und August Waldner in die Tat um. sie mit dem regelmässigen Versand von Bildung ausrüstet, schaffen es diese nur Erfolgreich mobilisieren sie eine Reihe Adressverzeichnissen und Vereinsmel- selten in höhere berufliche Stellungen. ehemaliger Polytechniker, und so findet dungen sowie einem Stellenvermittlungs- Die GEP ist überzeugt, dass dies am Man- an einem Sonntag im Sommer 1869 in dienst. Den grössten Beitrag leisten jedoch gel allgemeiner Bildung der Alumni liegt. Zürich die Gründungsversammlung der die meist zweitägigen Generalversamm- 1875 stellt der ETH-Alumnus Jean GEP statt. Die Statuten werden verab- lungen, bei welchen neben dem Geschäft- Meyer deshalb in der Generalversamm- schiedet und Harlacher zum ersten Prä- lichen auch Zeit für Exkursionen, Feste lung einen Antrag zur Reorganisation sidenten ernannt. und Beziehungspflege bleibt. des Polytechnikums. Er fordert unter 12 life 1 / 2019
anderem die Erhöhung des Eintrittsalters von 17 auf 18 Jahre und die Aufhebung des Vorkurses, der Nicht-Maturanden in einer «Schnellbleiche» die prüfungsfreie Aufnahme an die Hochschule ermög- licht. Gleichzeitig verlangt er den Ausbau der Kantonsschulen, damit die künftigen Studierenden besser auf das Studium am Polytechnikum vorbereitet werden. Nach zweijährigen internen Verhand- lungen wendet sich die GEP in einer Pe- tition an den Bundesrat. Dieser kommt den wichtigsten Forderungen 1881 nach, und Jean Meyer wird mit zwei weiteren ETH-Absolventen in den Schulrat gewählt. Aus Studierenden werden Botschafter Zum 150. Geburtstag der Alumni-Vereinigung verteilt diese Fast zeitgleich beschäftigt sich die GEP Cupcakes an Studierende. mit dem Erfindungsschutz in der Schweiz. Dieser soll in der Verfassung verankert werden, wofür die GEP fleissig wirbt. die Hälfte im Ausland. Es haben sich Die altehrwürdige Gesells chaft ehe Doch trotz aller Bemühungen scheitert Fachgruppen und regionale Sektionen maliger Polytechniker wird in eine mo- die Verfassungsänderung beim ersten gebildet, die GEP gibt mit ihrem Bulletin derne Alumni-Vereinigung mit aktua- Versuch an der Urne. Die GEP investiert und der «Schweizerischen Bauzeitung» lisierten Statuten überführt. Ihr Kern weiter in die Aufklärung der Bevölke- eigene Publikationen heraus und pflegt aber bleibt derselbe: Unter dem Motto rung – mit Erfolg: Das Patentgesetz wird Beziehungen zu Absolventen-Vereinigun- «Connecting – Engaging – Inspiring» 1887 vom Volk angenommen. gen anderer Universitäten in Paris, Rom, verfolgt sie noch immer die Ziele, ihre Sieben Jahre später feiert die Gesell- Berlin und Graz. Alma Mater in ihren Bestrebungen zu schaft ehemaliger Polytechniker ihr Die Zeit nach der Jahrhundertwende unterstützen sowie das globale Netzwerk 25-jähriges Bestehen. Neben den po- ist geprägt von Krieg und der Furcht vor unter den ETH-Alumni zu pflegen und litischen Erfolgen kann die GEP auch der Technik, sodass der Rolle der Bot- auszubauen. «Ein weltweites Netzwerk interne Entwicklungen verzeichnen: Die schafter zwischen Polytechnikum und wird im Zuge der Globalisierung immer Mitgliederzahl ist von 185 im ersten Jahr Gesellschaft, welche die GEP-Mitglieder wichtiger», sagt der Präsident der Alum- auf über 1600 angestiegen, davon lebt innehaben, eine besondere Bedeutung ni-Vereinigung Walter Gränicher. zukommt. Diese Botschafter- Die Vereinigung zählt heute über rolle bleibt jedoch auch darüber 30 000 Mitglieder in rund 60 verschie hinaus bestehen und ist noch denen nach Fachrichtungen, Wohnorten heute zentral – auch angesichts und Interessen gegliederten Mitglieder- der zunehmenden Verbreitung organisationen. Trotz diesen unterge- von «Fake News» und der da- ordneten Vereinigungen ist sich Walter mit einhergehenden Skepsis Gränicher sicher: «Die Alumni identifi- gegenüber der Wissenschaft. zieren sich primär mit den drei Buchsta- ben ETH.» Als stolze Stimme einer der Vernetzen, engagieren, renommiertesten Hochschulen der Welt inspirieren tragen sie einen wesentlichen Beitrag zur Verändert hat sich die GEP in Reputation der ETH Zürich bei. den letzten Jahren aber den- www.alumni.ethz.ch → Am ETH-Tag 1966 übergibt die GEP dem ETH-Rektor noch: Zur Jahrtausendwende Hans Leibundgut die goldene Amtskette. erlebt sie einen Neuanfang. life 1 / 2019 13
PORTRÄT Mike Lyrenmann Technischer Leiter des Robotic Fabrication Lab (RFL) «Mein Göttibub sagt, ich sei Erfinder» Text Michael Walther Foto Florian Bachmann Mike Lyrenmann wirkt im Hintergrund. Im Robotic Fabrication Lab auf dem Hönggerberg sorgt er zwischen Roboterarmen und Prototypen dafür, dass die Architektinnen und Bauingenieure for- schen und experimentieren können. Er kennt fast alle persönlich. Als Kind träumte Lyrenmann davon, Architekt zu werden. Und lernte dann Schreiner. Er foto grafiert gerne, geht mit offenen Augen durch die Welt und interessiert sich für Neues. Als sein Lehrbetrieb einen Roboter geschenkt bekommt, fängt er Feuer und weiss bald besser Bescheid als alle anderen. Wenig später sucht ETH-Architek- turprofessor Matthias Kohler einen Techniker mit Roboter-Erfahrung. Lyrenmann beisst an. Parallel absolviert der 37-Jährige eine zweite Lehre als Informatiker. Heute baut und programmiert er Werkzeuge für die Labor-Roboter. Zum Beispiel Komponenten des Schweiss- und Schneidekopfes, mit dem der Bauroboter «In situ Fabricator» wesentliche Teile des DFAB House fabriziert hat, das Ende Februar eröffnet wurde. «Wenn Architekten mit Robotern bauen, sind sie auf handwerkliches Know-how angewiesen», sagt Lyrenmann. «Denn sie müssen bereits beim Entwurf an Umsetzungsdetails denken.» Lyren- mann ist dafür die erste Ansprechperson. Deshalb hat er trotz der Roboter keine Angst um seinen Beruf: «Wenn man experimentier freudig ist, kann man künftig auch als Handwerker viel mehr erleben und bewirken. Mein Göttibub sagt immer, ich sei Erfinder.» www.dfabhouse.ch/de → 14 life 1 / 2019
FORUM Susann Görlinger Illustration: Kornel Stadler Co-Leiterin Mobilitätsplattform VSETH-Umfrage Wie studiert es sich an der ETH? Bewusst fliegen Ein ETH-Studium ist inhaltlich an- spruchsvoll. Das ist allgemein bekannt. «Das geht uns nichts an!» und «Fliegen enorme Dynamik ausgelöst: Unsere Initia Was man aber kaum weiss, ist, wie es ist für Wissenschaftler unabdingbar!» – tive, die durch eine Doktorarbeit beglei- den Studierenden dabei geht. Auch wir vom als wir vor knapp zwei Jahren den ersten tet wird, hat Pioniercharakter und wird VSETH nicht. Zwar vernehmen wir anek- internen Informationsanlass zum Thema national und international beachtet. Ich dotisch, dass es Studierende gibt, die mit Flugreisen durchführten, gab es auch habe kürzlich einen virtuellen Austausch seelischen Problemen konfrontiert sind. Widerstand. von knapp 40 Hochschulen zum Thema Auch über Fälle von respektlosem Ver- Seither hat das Projekt zur Reduktion Flugemissionen mitorganisiert, den wir halten durch Dozierende oder Kommilito- von Flugemissionen viel Unterstützung regelmässig wiederholen werden. nen wird gemunkelt. Einzelfälle? Oder gibt erfahren. Überhaupt ist an der ETH Zürich Unser Projekt ist nun in der Umset- es hier einen grösseren Handlungsbedarf? ein beachtlicher Veränderungsprozess zung. Die gewählten Massnahmen sind Dem VSETH fehlt eine Datengrund zu beobachten. Man denkt über den Sinn vielfältig: Manche Departemente wol- lage, um die Situation der Studierenden von Flugreisen nach, diskutiert Alterna- len Verkehrsmittel bewusster wählen, richtig einschätzen zu können und gege tiven, sucht nach Lösungen. Dabei zeigt Reisen zusammenlegen, Konferenzen benenfalls konkrete Massnahmen zur sich: Auch für uns an der ETH ist es nicht in Europa bevorzugen oder Videokonfe- Verbesserung vorzuschlagen. Das wollen einfach, beim Klimaschutz den Schritt renzen nutzen. Vom mobilen VC-Equip- wir ändern. So haben wir Ende 2017 ein vom Wissen zum Handeln zu machen. ment fürs Büro bis hin zur Ausrüstung Projekt gestartet, dessen Herzstück eine Wie also schaffen wir es, tatsächlich für Symposien ist vieles möglich. Einige Befragung aller Bachelor- und Master- weniger zu fliegen? Departemente erheben eine Kohlenstoff- studierenden an der ETH Zürich ist. Reduktionen einfach «top down» zu steuer und finanzieren damit nachhaltige Diverse Expertinnen und Experten verordnen, entspräche nicht der ETH- Projekte. Schliesslich werden die unver- haben die Erhebung auf ihre Wissen- Kultur. Die Schulleitung strebt eine breit meidbaren Flugemissionen über das Bafu schaftlichkeit hin geprüft. In Absprache getragene Haltung des bewussten Flie- kompensiert. Kompensation ist dabei kein mit dem Rektorat steht uns eine Begleit gens an. Dazu setzt sie auf Eigenverant- Ersatz, sondern eine Übergangslösung. gruppe aus allen relevanten Bereichen wortung und offenen Ideen-Austausch, Dieses Engagement zeigt: Die Ange- der ETH bei der Umsetzung und der um alle Einheiten zu involvieren. Die hörigen der ETH Zürich wollen den Ziel- Auswertung der Ergebnisse beratend Mobilitätsplattform führte Informations- konflikt zwischen Internationalität und zur Seite. anlässe und Workshops durch, beantwor- Klimaschutz durch Taten entschärfen. Gerade jetzt die Situation der Studie- tete Fragen und klärte Missverständnis- Gelingt uns das, können wir unsere renden unter die Lupe zu nehmen, passt se auf. In einem partizipativen Prozess Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft und sehr gut: Mit dem Antritt des neuen Präsi- und im engen Austausch untereinander Wissenschaft stärken. denten herrscht eine Aufbruchstimmung arbeiteten die Departemente und zentra- an unserer Hochschule – die perfekte len Organe eigene Reduktionsziele sowie Atmosphäre, um Massnahmen aus. Das selbst gesteckte allfällige Mängel Ziel lautet, die Flugemissionen bis 2025 bei der Situation im Mittel um 11 Prozent gegenüber dem der Studierenden Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2018 Susann Görlinger gemeinsam an zu senken. zugehen. Sofern Zur Person Dies mag wenig ehrgeizig klingen, dies aufgrund gilt aber real, das heisst ohne Anrechnung Susann Görlinger ist Co-Leiterin der Umfrage von Kompensationen und generellen der Mobilitätsplattform und angezeigt ist. Effizienzsteigerungen der Flugzeuge. verantwortlich für das Flugreisen- Und: Dieser Absenkpfad ist realistisch. Projekt der ETH Zürich. Lewin Könemann, Präsident des VSETH Der Beteiligungsprozess hat zudem eine www.ethz.ch/flugreisen → www.wiegeths.vseth.ch → life 1 / 2019 15
ZUM SCHLUSS Die Eschers von morgen Die ETH hat zum 200. Geburtstag des Zürcher Visionärs Alfred Escher seine geistigen Nachkommen aufgespürt: Im Rahmen des neu lancierten «Alfred-Escher-Prei- ses» rief sie Schülerinnen, Schüler und Studierende dazu auf, innovative Projekte einzureichen. Am 19. Fe bruar – dem Vorabend von Eschers Geburtstag – haben je fünf Finalistinnen und Finalisten in zwei Altersklas- sen vor Publikum und Jury ihre Ideen vorgestellt. Die Jury am meisten überzeugen konnten der Maturand Jeremias Baur mit seiner Methode, MINT-Fächer mit Virtual-Reality zu unterrichten, und die ETH-Master- studentin Silvia Lama, die Kindern mit einem Game das Klavierspielen beibringen möchte. Neben einer Reise in ein Gründermekka beziehungsweise einem Finan- zierungsschub für ihr Projekt erhielten die Gewinnerin und der Gewinner einen leicht verjüngten Alfred Escher aus dem 3D-Drucker. (Foto: Alessandro Della Bella) www.ethz.ch/escherpreis →
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